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Fotos: Ansichtssachen (großes Foto), f1 online (kleines Foto)

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Die Architektur unserer Zeit ver-steckt sich gern in mausgrauenKästen. Die Mikrochips in unserenComputern werden daher selten mitArchitekturpreisen geehrt. Aber dieBaukunst auf ihnen ist beachtlich –Millionen von Gebäuden sind dortdurch ein kompliziertes Straßennetzmiteinander verbunden. So groß istdie Anzahl der Transistoren, die beiden heutigen Prozessoren auf je-den Quadratzentimeter gepacktsind. Um solch ein briefmarken-großes technisches Wunderwerkherzustellen, braucht man Kies,Strom und jede Menge Hightech.Wer die Herstellung eines Chipsvon Anfang an verfolgen will, reistzuerst am besten nach Norwegen.Im Kiesbett an einer Gletscherzun-ge wird er ihn finden – den Stoff,aus dem die Chip-Träume sind:Silizium.

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Erster Tatort: eine Kiesgrube in Norwegen. AusQuarzbrocken und Kieseln produziert die norwegischeFirma Elkem jährlich etwa 200 000 Tonnen Silizium,rund 18 % der Weltjahresproduktion. Den größten Teildavon brauchen die Aluminium- und die Chemie-industrie, 4 bis 5 Prozent sind für die Elektronik-industrie bestimmt. Silizium ist nach dem Sauerstoffdas zweithäufigste Element der Erdkruste. Es kommtnicht in reiner Form, sondern nur in Verbindungen wiezum Beispiel Siliziumdioxid – schlichter Quarz – vor.

In speziellen Öfen werden die Quarzbrocken und Kieselmit kohlenstoffhaltigem Material wie Kohle, Koks oderHolz gemischt und den gleißend hellen elektrischenLichtbögen von 1,20 Meter dicken Kohleelektrodenausgesetzt. Dafür sind enorme Mengen an elektrischerEnergie nötig – etwa 11 000 Kilowattstunden pro TonneSilizium –, die von norwegischen Wasserkraftwerkengeliefert werden. Wo die Lichtbögen in das Quarz-Kohle-Gemisch einschlagen, bricht eine bis zu2400 Grad heiße Hölle los. Dabei trennt sich dasSilizium vom Sauerstoff, der anschließend den Kohlen-stoff bindet. Übrig bleibt flüssiges Silizium, das manreinigt und erkalten lässt. Am Ende hat das Siliziumeinen Reinheitsgrad von 97 bis 99 Prozent.

Das gewonnene Silizium muss allerdings noch wesent-lich reiner werden, damit es sich für die Chipfertigungeignet. Dazu lässt man es mit Salzsäure reagieren. Esentsteht Trichlorsilan, eine leichtflüchtige, silizium-haltige Substanz, die abdampft und dabei fast alleVerunreinigungen zurücklässt. Anschließend lässt mandas Trichlorsilan mit Wasserstoff in einer elektrischenEntladung reagieren. Dabei entsteht reines Silizium, dassich auf dünnen vorgefertigten Siliziumstäben in Formvon kleinen Kristallen abscheidet. Dieses polykristal-line Silizium hat eine Reinheit von 99,999 99 % undmehr! Doch es eignet sich noch immer nicht für dieChipherstellung. Seine Kristallstruktur ist viel zuungeordnet

Für die Chips benötigt man perfekt kristallisiertes Si-lizium, bei dem jedes Atom im Kristallgitter auf demrichtigen Platz sitzt, in Form von dünnen Scheiben(Wafern). Je größer der Durchmesser eines Wafers,

umso mehr Chips kann man später auf ihm anlegen.Darum hat sich die Fläche von Wafern etwa alle zehnJahre verdoppelt. Seit den 1990er Jahren sind 200-mm-Scheiben Standard, von denen jährlich weltweit so vieleExemplare produziert werden, dass sie eine Fläche vonetwa 2,6 Quadratkilometern bedecken. Im Jahr 2002 hatman begonnen, zu 300-mm-Wafern überzugehen, auf diegut doppelt so viele Chips passen. Das senkt die Herstel-lungskosten pro Chip um etwa 30 Prozent, trotz enormerInvestitionskosten für die neue Technologie.

Zweiter Tatort: ein Werk der Siltronic AG, die alseinzige europäische Firma schon 300-mm-Waferproduziert. Im ostbayrischen Burghausen und imsächsischen Freiberg werden in elektrisch beheiztenQuarztiegeln die Stücke des polykristallinen Siliziumsgeschmolzen. In die rotierende Schmelze wird einSiliziumstift mit perfekter Kristallstruktur als „Impf-kristall“ getaucht. An ihn lagern sich die Siliziumatomeaus der Schmelze an. Zieht man den Impfkristall sehrlangsam aus der Schmelze heraus, so kommt ein perfek-ter Einkristallzylinder zum Vorschein. Es dauert ein bisdrei Tage, bis man einen zwei Meter langen und rund250 Kilogramm schweren Einkristall erhält. Der Ein-kristall wird in 0,9 Millimeter dicke Scheiben zerschnit-ten, die anschließend geschliffen, geglättet, gereinigt,mit Säure behandelt und getrocknet werden. Die Ober-fläche wird dann mit unterschiedlichen Materialienbeschichtet, versiegelt und poliert. Jetzt ist der Waferbereit für die Chipfabrik.

Dritter Tatort: Dresden, wo Infineon in der modernstenChipfabrik Europas Siliziumscheiben im 300-mm-For-mat verarbeitet. Die Fabrik, so groß wie ein Fußball-stadion, hat 1,1 Milliarden Euro gekostet. Hier werdenSpeicherchips hergestellt, so genannte 256-Mbit-DRAMs, deren kleinste Strukturen 110 Nanometer großsind. Der Produktionsprozess erfordert extreme Rein-heit. Schon ein einzelnes Staubkörnchen kann vieleChips unbrauchbar machen. Deshalb muss die Luft inden Produktionshallen gründlich gereinigt werden. DieMitarbeiter in der Produktion tragen eine besondereSchutzkleidung, die nur die Augen unverhüllt lässt. Siedürfen schon zwei Stunden vor Arbeitsbeginn nichtmehr rauchen.

EineMetropole imBriefmarken-format

Foto: f1 online Foto: Infineon Foto: Bilderbox

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Die Wafer werden zu je 25 Stück inhermetisch verschlossenen Trans-portbehältern durch die Fabrikgeschleust. Die Behälter docken andie ebenfalls hermetisch verschlos-senen Maschinen an, in denen dieWafer bearbeitet werden. So mussman nur die Luft in den Transport-behältern und Maschinen und nichtdie gesamte Hallenluft auf dienötige extreme Reinheit bringen.Die Maschinen haben die Größevon Autogaragen und sind entlangvon Gassen angeordnet, die sichquer durch die Fabrikhallen ziehen.In einigen Maschinen bleiben dieWafer nur wenige Minuten, inanderen werden sie stundenlangbearbeitet. Ein vollautomatischesTransportsystem bringt die Wafer-behälter von einer Maschine zurnächsten, dockt sie an oder legt siein Vorratslagern ab. Roboter neh-men die Wafer aus den angedocktenBehältern und führen sie in dieMaschine ein, die jeweils einenbestimmten Bearbeitungsschrittausführt.

Menschen sieht man nur wenige inden heiligen Hallen, und die meis-ten von ihnen überwachen dieProduktion am Computer. RalfZedlitz, der für den reibungslosenAblauf der Produktion verantwort-lich ist, erklärt: „Während die Waferin vorprogrammierter Reihenfolgedie verschiedenen Maschinendurchlaufen, werden Oberflächen-schichten hinzugefügt, verändertund hier und da wieder weggenom-men.“ Um eine neue Schicht aufden Wafer aufzutragen, wird dieOberfläche mit dem gewünschtenMaterial bedampft. Außerdem wirddas Silizium mit Bor- oder Phos-phoratomen beschossen. „Das isteine gezielte Verunreinigung, umdie elektrischen Eigenschaften zuverändern“, fährt Ralf Zedlitz fort.In die gerade aufgetragenen Schich-ten ätzt man mit Hilfe von Säurenoder elektrisch geladenen Gasennach vorgegebenen Mustern wiederLöcher hinein. Auf diese Weiseentsteht eine komplizierte Schicht-struktur aus verschiedenen Halb-leitermaterialien, metallischenLeitungsbahnen und elektrischisolierenden Zwischenschichten.

„Dann belichten wir den Wafer wieeinen Film“, erklärt Ralf Zedlitz. Erwird mit einem lichtempfindlichenFotolack überzogen, eine „Maske“davorgehalten und das Ganze mitUV-Licht belichtet. Solch eineMaske ist eine dünne Glas- oderQuarzscheibe, die teilweise miteiner lichtundurchlässigen Chrom-schicht bedeckt ist. Nach derBelichtung wird der Wafer in einchemisches Bad getaucht, das denLack an den belichteten Stellenablöst. Die freigelegten Flächenkönnen weggeätzt werden, währenddie vom unbelichteten Lack bedeck-ten Flächen geschützt sind. Schließ-lich wird der restliche Lack durchein Lösungsmittel entfernt und derWafer ist bereit für den nächstenBearbeitungsschritt.

Insgesamt durchlaufen die Wafer300 bis 600 Bearbeitungsschritte.Dabei können sie mehrere Wochenin der Chipfabrik unterwegs sein.Am Ende werden sie in einzelneChips zersägt, jeder Chip wird inein Gehäuse gesteckt und durchdünne Golddrähte mit den elektri-schen Kontakten des Gehäusesverbunden. Fertig! Allerdings mussnoch die Funktionsfähigkeit desChips geprüft werden. Rund 95 %der Chips bestehen den Test undkönnen in elektronische Geräteeingebaut werden. Viele der inDresden produzierten Chips findetman in Mobiltelefonen wieder, dieunter anderem in Skandinaviengefertigt werden. So schließt sichder Kreis, der mit unscheinbarennorwegischen Kieseln begonnenhatte.

RAINER SCHARF

Fotos: Siltronic

Später wird er in Scheiben zersägt. Unddiese, nochmals später, in ganz vieleChips. Doch am Anfang ist er ganz erselbst: Ein Einkristall von stattlicherGröße, die einem Baumstamm Kon-kurrenz machen könnte. Der Geburts-ort dieses Siliziumriesen: Freiberg beiDresden. Die Siltronic AG züchtet hierKristalle mit einem Durchmesser von biszu 300 Millimetern.

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Enzyklopädie auf einem Stecknadelkopf

Ohne Mikrochips geht heute nichts mehr. Die elektronischen Winzlinge begleiten unsdurchs Leben, ob wir mit dem Handy telefonieren, im Internet surfen, mit dem Autofahren, bargeldlos bezahlen oder uns vom Computertomographen durchleuchtenlassen. Unermüdlich sammeln, speichern und verarbeiten die Chips riesige Da-tenmengen. Sie steuern hochkomplexe Prozesse in Fabriken und Kraftwerken, inVerkehrs- und Datennetzen. Unsere moderne Industriegesellschaft wäre ohneMikrochips nicht lebensfähig. Elektrizität, Gas, Wasser und Telefon fielen aus,Personen- und Güterverkehr, Informations- und Geldströme kämen zum Stillstand.

Dabei ist der Mikrochip eigentlich noch recht jung. Anfang der 1960er Jahrebrachten mehrere Firmen in den USA die ersten integrierten Schaltungen auf denMarkt. Diese Integrated Circuits oder ICs enthielten nur eine Handvoll Transistorenund andere elektronische Bauelemente, die in ein Kristallplättchen aus Germaniumoder Silizium eingebettet waren.

Die ersten Speicher-ICs von 1966 konnten gerade einmal eine Datenmenge von 16 Bitfassen und damit eine Zahl zwischen 0 und 65 535 speichern. Ende 1970 brachtedie Firma Intel den „1103“ heraus, der 1024 Bit speichern konnte. Schon 1964hatte der Intel-Mitbegründer Gordon Moore vorausgesagt, dass sich die Zahl derelektronischen Bauelemente auf einem IC etwa alle 18 Monate verdoppeln wer-de. Er sollte recht behalten, es ging tatsächlich in diesem Tempo voran – eineTatsache, die heute als Moore’sches Gesetz bekannt ist. Heutige Speicherchipshaben mehr als eine Milliarde Bauelemente und können 1 Gigabit (1 Milliarde Bit)an Daten fassen. Auch die Mikroprozessoren, die die Daten verarbeiten, habeneine ähnlich rasante Entwicklung durchgemacht. Der erste, 1971 von Intel entwi-ckelte Mikroprozessor enthielt 2250 Transistoren. Bei heutigen Prozessoren kom-men auf jeden Quadratzentimeter viele Millionen Transistoren.

So viele Bauelemente lassen sich nur dank extremer Miniaturisierung auf einemChip unterbringen. Über die Grenzen dieser Verkleinerung hatte schon 1960 der US-Physiker und spätere Nobelpreisträger Richard Feynman nachgedacht. Er fragte sich,ob es physikalisch möglich sei, den Inhalt einer vielbändigen Enzyklopädie auf einenStecknadelkopf zu schreiben. Dazu müsste man Strukturen in die Metalloberflächegraben, die einige Nanometer (millionstel Millimeter) messen und damit nur etwazehnmal so groß sind wie ein Eisenatom. Inzwischen ist man der Verwirk-lichung von Feynmans Vision schon sehr nahe. Mit der extrem feinenSpitze eines Rastertunnelmikroskops hat man einzelne Atome oderMoleküle auf Metalloberflächen verschoben und zu Bildern undSchriftzügen angeordnet.

Auf diese Weise einen Mikrochip herzustellen würde jedoch vielzu lange dauern. Die Halbleiterindustrie hat andere Wege ge-funden, Hunderte von Chips gleichzeitig auf eine tellergroßeSiliziumscheibe, einen so genannten Wafer, zu „schreiben“.Dabei sind die kleinsten Details auf den Chips inzwischen we-niger als 100 Nanometer groß. Und die Miniaturisierung wirdnoch weiter fortschreiten. In zehn Jahren sollen mit extrem kurz-welligem UV-Licht Strukturen von weniger als 30 NanometernGröße auf die Wafer geschrieben werden. Bis die atomarenGrenzen der Miniaturisierung erreicht sind, wird es noch einWeilchen dauern.

Bilder: Ist das Silizium erst einmal in tellergroße Scheibenzersägt, ist es reif für die Reinraumzentren in den Chipfabriken,wie hier bei Infineon, Dresden. Hunderte von Fertigungsschrittensind jetzt nötig, um alle gewünschten Mikrostrukturen auf dasMaterial zu „schreiben“ – für Speicherchips als Endprodukt.

Fotos (4): Infineon

rs

Ansprechpartner in der PTB

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Auszüge der �maßstäbe� im Internet unter www.ptb.de

© PTB. Alle Rechte vorbehalten.Bitte geben Sie bei einem auszugsweisen NachdruckQuelle und Autor an und benachrichtigen Sie die Redaktion.Braunschweig, Dezember 2004

Impressum

HerausgeberPhysikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und Berlin

Folgende Mitarbeiter der PTB sind in denBeiträgen dieses Heftes namentlich erwähnt:

S. 7-9: Viel Lärm um NichtsDr. Karl Jousten ([email protected])Arbeitsgruppe �Vakuummetrologie�

S. 13-14: Ebenen mit NanometerhügelnDr. Ralf Geckeler ([email protected])Dr. Michael Schulz ([email protected])Arbeitsgruppe �Bildoptik�

S. 14-17: Spuren von Hiroshima �Im Untertagelabor der PTBDr. Dirk Arnold ([email protected])Arbeitsgruppe �Umweltradioaktivität�Dr. Stefan Neumaier ([email protected])Arbeitsgruppe �Strahlenschutz�

S. 20-22: Wie man Menschenbeim Denken zuschautDr. Lutz Trahms ([email protected])Arbeitsgruppe �Biomagnetismus�ArbeitsgruppeArbeitsgruppeArbeitsgruppeArbeitsgruppeArbeitsgruppeArbeitsgruppe

S. 36�38: Blicke in die Mikro-WeltWerner Mirandé ([email protected])Dr. Bernd Bodermann ([email protected])Arbeitsgruppe �Quantitative Mikroskopie�

S. 50�52: Magnetbits, Holowürfel,TausendfüßlerDr. Martin Albrecht ([email protected])Arbeitsgruppe �Signalspeichertechnik�

S. 53�55: Die Welt im FemtosekundentaktDr. Harald Telle ([email protected])Arbeitsgruppe �Mikrooptische Messtechnik�

S. 60�6: Die Elektronen-DompteureDr. Franz Josef Ahlers ([email protected])Arbeitsgruppe �NiedrigdimensionaleElektronensysteme�Dr. Hansjörg Scherer ([email protected])Arbeitsgruppe �Einzelelektronentunneln,Quantum Computing�