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Sathya Sai Baba Ansprachen 1996

Sathya Sai Baba Ansprachen 1996 · Im Vivekacudamani wird Hingabe in anderen Weise gedeutet. Es wird gesagt, es sei Hingabe, sein Selbst zu verwirklichen. Der Weise . Narada. schildert

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Sathya Sai Baba Ansprachen 1996

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Verlagshinweis:

Übersetzungen aus dem Englischen erfolgten durch Sai-Devotees.

Rosenkreis-Verlag, Reinertstr. 6, 4515 Oberdorf, SchweizWebsite: http://www.rosenkreis.ch

Printed by KCC, Reinertstrasse 6, CH-4515 Oberdorf, Schweiz

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Sathya Sai Baba

Ansprachen 1996

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Januar . . . . . . . . . .918. Januar . . . . . . . .2017. Februar . . . . . . .2818. Februar . . . . . . .3420. März . . . . . . . . . .4028. März . . . . . . . . . .4831. März . . . . . . . . . .5731. März . . . . . . . . . .6614. Juni . . . . . . . . . .696. Mai . . . . . . . . . . . .7215. Mai . . . . . . . . . . .7820. Mai . . . . . . . . . . .8329. Mai . . . . . . . . . . .8817. Juni . . . . . . . . . .9618. Juni . . . . . . . . .10619. Juni . . . . . . . . .11820. Juni . . . . . . . . .12830. Juni . . . . . . . . .1321. Juli . . . . . . . . . . .1352. Juli . . . . . . . . . . .1373. Juli . . . . . . . . . . .1394. Juli . . . . . . . . . . .1445. Juli . . . . . . . . . . .14811. Juli . . . . . . . . . .15115. Juli . . . . . . . . . .158

17. Juli . . . . . . . . . .16627. Juli . . . . . . . . . .17330. Juli . . . . . . . . . .17731. Juli . . . . . . . . . .18215. August . . . . . . .19017. August . . . . . . .19718. August . . . . . . .19920. August . . . . . . .20221. August . . . . . . .20627. August . . . . . . .2111. September . . . . .2161. September . . . . .2204. September . . . . .2325. September . . . . .2407. September . . . . .2449. September . . . . .25510. September . . . .2613. Oktober . . . . . . .26822. Oktober . . . . . .28019. November . . . .29222. November . . . .29823. November . . . .30325. Dezember . . . .311

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1. Januar

Die dreifache Hingabe

Hingabe verleiht einem den höchsten Zustand.Hingabe zerstört den Kreislauf von Geburt und Tod.Hingabe schenkt alles Glück und ist ein Instrument,

um Unsterblichkeit zu erreichen.

Verkörperungen der Liebe!

Allein durch Hingabe kann der Mensch den höchsten Zustand errei-chen. Nur Hingabe kann den Menschen von der chronischen Krankheit von Geburt und Tod heilen. Hingabe allein ermöglicht es dem Men-schen, seine Göttlichkeit zu erfassen, und nur durch Hingabe erreicht der Mensch spirituelle Höhen.

Von alters her haben die Inder Hingabe als den heiligen Weg erwählt, um das höchste Lebensziel zu erreichen. Man interpretierte Hingabe auf verschiedene Weise. Das Wort “Bhakti” (Sanskrit-Wort für Hingabe) hat “bhaj” als Wurzel. Adi Shankaracarya sagte, dass Dienen Hingabe sei. Um was für eine Art von Dienst geht es, und wem sollte man die-nen? Es ist Hingabe, Gott zu dienen.Im Vivekacudamani wird Hingabe in anderen Weise gedeutet. Es wird gesagt, es sei Hingabe, sein Selbst zu verwirklichen. Der Weise Narada schildert die Herrlichkeit der Hingabe und kenn-zeichnet sie als die höchste Liebe. Laut Narada ist es Hingabe, voller Liebe den Namen des Herrn zu singen und seinen Liebesstrom aus-schliesslich auf Gott auszurichten. Im wesentlichen bezieht sich Hin-gabe auf die Liebe, die einen den eigenen Körper vergessen lässt, die den durch Gedanken und Gefühle errichteten Schleier beseitigt, die das Herz voll Ekstase erbeben lässt und welche die eingeborene Göttlich-keit manifestiert und ausdrückt.Ramanuja beschreibt Hingabe als einen zielgerichteten Fluss der Lie-be. Er nimmt den Namen Radha als Grundlage für das Verständnis wahrer Hingabe. Das Wort Radha besteht aus vier Buchstaben: r, a, dh, a. Es ist durch Vertauschung der Buchstaben in die Worte adhar, dhara und aradh umwandelbar, das heisst: Radhas Stütze und Nah-

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rung (adhar) ist ein ununterbrochener Strom (dhara) der Anbetung (aradh) Gottes.Vallabhacarya vergleicht Hingabe mit dem ständigen Fluss von Wasser aus einem Hahn in einen Wassertank. Mit Wasser ist Liebe gemeint, der Tank ist das Herz. Entsprechend singt der Mensch, wenn sein Herz mit Liebe zu Gott gefüllt ist, unaufhörlich den göttlichen Namen. Vallab-hacarya beschreibt Hingabe als das ständige Singen des göttlichen Na-mens zu jeder Zeit und überall.Madhavacarya beschreibt Hingabe als Freundschaft mit Gott. Er nennt Gott den einzigen wahren Freund. Weltliche Freunde sind an einem Tag Freunde, am nächsten Tag Feinde. Weltliche Freundschaften dau-ern nicht an. Die eigene Liebe ständig zu Gott fliessen zu lassen und ihn als den höchsten Freund zu betrachten, ist Hingabe.Die Veden sehen Hingabe als etwas Transzendentales. Zwei Begriffe sind in den Veden oft zu finden: nitya - ewig und svagata - alldurch-dringend. Nitya bezieht sich auf das, was sich im Ablauf der Zeit, in Ver-gangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht ändert, das ist die transzen-dentale Wahrheit. Nitya ist das, was sich nicht verändert. Svagata ist das eine Wesen, das überall hin Strahlen verbreitet. Ein Beispiel hierzu: Die Sonne ist ewig und veränderungslos und verbreitet überall ihr Licht und Strahlen. Die Sonne, die andauert und sich im Lauf der Zeit nicht ändert, steht für nitya. Die Sonne, die als ein Wesen überallhin Leuch-ten verbreitet, steht für svagata. Die Schriften beschreiben diese As-pekte als Form und als Wesen.Die Sonne besitzt zwei Eigenschaften: zu leuchten und Wärme zu ge-ben. Entsprechend hat Atman, das Göttliche Selbst, zwei Eigenschaf-ten: zu leuchten und Licht zu verbreiten. Es ist wie eine Lampe, die an einem Ort steht, aber im ganzen Raum Licht verbreitet. Atman ist die ewige Wahrheit und verbreitet überall Licht.

Die Schriften sagen, Gott sei Wahrheit, Weisheit und Unendlichkeit. Es ist das Wesen Atmans, überall das Licht der Weisheit zu verbreiten. Die Schriften beschreiben die Form Atmans als atomar. Jede Materie im Universum ist aus Atomen aufgebaut. So ist Gott in Gestalt der Ato-me überall gegenwärtig. Gott, der das Kleinste des Kleinen ist, er-scheint zugleich als das Grösste des Grossen. Die winzige Form wird “Dharmi” genannt. Diese Mikro-Form Dharmi ist in aller Materie gegen-wärtig. Dharmi selbst ist ohne Materie. Dharmi würde unter keinen Um-ständen irgendeine Materie in sich zulassen. Die atomare Form wird Dharmi genannt, und sie ist in allen Formen der Materie gegenwärtig. Das, was sich in allen Formen der Materie ausbreitet, trägt die Bezeich-

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nung Dharma. Alle Formen der Materie sind notwendiger Bestandteil dieser äusseren vorübergehenden Welt. Die Formen mögen verschie-den erscheinen, aber die Göttlichkeit in allen Formen ist dieselbe. Die-ses Dharma ist Ursache der Einheit. Dharma ist das eine unteilbare Prinzip, das in all den verschiedenen Formen wohnt.Hier ist ein Silberbecher. Wir können seine Form in eine Tasse, einen Teller oder einen Löffel verwandeln. Es gibt eine Bandbreite an Mög-lichkeiten, seine Form zu ändern. Die Formen mögen sich ändern, aber das Silber bleibt dasselbe. Dharma zeigt, dass die Formen verschieden sein können. Die unwandelbare Substanz in allen Formen ist Dharmi. Die Veden lehren, dass Dharma die Grundlage von allem ist. Ihr ver-gesst heute dieses Einheitsprinzip, das in allem anwesend ist. Da die allgegenwärtige Göttlichkeit als Dharma im Menschen ist, wird der Mensch “Dharmasvarupa”, die Verkörperung von Dharma, genannt.Warum ist der Mensch geboren? Zu welchem Zweck ist dem Menschen der Körper gegeben worden? Der Mensch hat seinen Körper, um Dhar-ma, die Göttliche Ordnung, zu praktizieren. Ihr habt heute den Sinn und Zweck eurer Geburt vergessen. Ihr tut nicht das, was ihr tun solltet. Auf-grund falscher Sichtweise geht ihr den falschen Weg. Deshalb seid ihr nicht in der Lage, eure eigene Gestalt wahrzunehmen.

Die Festtage sind entstanden, um euch das Wesen der Göttlichkeit ver-stehen zu lassen. Der heutige Festtag ist “Vaikuntha Ekadashi”. Was ist mit Vaikhunta gemeint? Die Menschen sagen, Gott wohne in Vai-khunta, Kailasa und im Himmel. All das sind Täuschungen. Wo ist Gott zu Hause? Gott wohnt im Herzen eines Devotees. Wenn du Gott einen Brief schicken willst, dann schicke ihn direkt an das Hauptbüro. Gott sagt, er manifestiere sich da, wo seine Herrlichkeit besungen wird; das ist das Hauptoffice. Alles andere sind nur Zweigstellen. Wenn du den Herrn als Bewohner von Kailasa ansprichst, mag ihn das Gebet errei-chen oder auch nicht. Aber wenn du dein Gebet an den Herrn als den Bewohner des Herzens richtest, wird ihn das Gebet ohne Zweifel er-reichen. Vaikhunta bedeutet in Wahrheit das, was sich nicht ändert. Das Herz ist unwandelbar. Der Mensch mag sich ändern, sein Geist mag wanken, aber nicht das Herz. Dieser ewige eigenschaftslose Ort, das Herz, ist Gottes Wohnsitz, ist Vaikhunta.Was ist mit Ekadashi gemeint? Es ist falsch, unter Ekadashi eine be-stimmte heilige Zeit oder einen heiligen Ort zu verstehen. Ekadashi be-zieht sich auf die Zahl 11, die aus den fünf Handlungsorganen (kar-mendriyas: Sprechen, Greifen, Gehen, Ausscheidung, Fortpflanzung), den fünf Wahrnehmungsfähigkeiten (jnanendriyas: Sehen, Hören, Rie-

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chen, Schmecken, Tasten) und unserem Denken und Empfinden, dem Geist, besteht. Was sind Rudras? Dasselbe, nämlich die Sinne und der Geist. Die Rudras befinden sich im Menschen. Alles ist im Menschen. Der menschliche Körper ist die Grundlage von allem. Ihr habt die Kraft dieses menschlichen Lebens vergessen. Der Mensch nutzt dieses so heilige und machtvolle Leben nicht. Das Herz, der Wohnsitz Gottes, wird heutzutage vergessen. Dieses sanfte, weiche Herz ist heute hart und grausam.

Alles verändert sich heutzutage ausser dem Bewusstsein des Men-schen. So viele Jahre sind vergangen. Wir haben viele neue Jahre will-kommen geheissen. Aber was nützt das alles? Worin liegt die Bedeu-tung des neuen Jahres?Gott ist auch unter dem Namen “Samvatsara” (Jahr) bekannt. Gott ver-körpert Zeit. Er ist jeden Augenblick, das ganze Jahr hindurch anwe-send. 60 Sekunden ergeben eine Minute, 60 Minuten eine Stunde, 24 Stunden einen Tag, 30 Tage einen Monat, 12 Monate ein Jahr. In einem Jahr ist jede Sekunde neu. Wenn ihr in dieser Weise jeden Augenblick neu erfahrt, braucht ihr nicht auf ein neues Jahr zu warten. Es ist kein neues Jahr, es ist alt. Auch du bist nicht neu, sondern alt. Deshalb wird der Mensch im Sanskrit “Manava” genannt: ma-nava, das bedeutet: nicht neu. Wie viele Jahre sind vergangen? Wie viele werden noch kom-men? Aus weltlicher Sicht messt ihr dem neuen Jahr, Ekadashi usw. Bedeutung bei. Solange ihr euch so täuscht, könnt ihr Gott nicht errei-chen. Erst an dem Tag, an dem ihr die Sinne, Verstand und Gefühle und Körper vergesst, könnt ihr Gott verstehen.Solange ihr euch mit Körper, Geist und Sinnen identifiziert, könnt ihr Gott niemals verwirklichen. Ihr solltest über das nachdenken und me-ditieren, was ihr werden wollt. Die Intensität eurer Gedanken sollte euch in das Gedachte transformieren. Denkt an Gott und werdet Gott. Das ist wahre spirituelle Disziplin. Hingabe bedeutet nicht, Bhajans zu singen, Gottesdienste abzuhalten oder auf Pilgerreise zu gehen. Versucht, euer wahres Wesen zu ver-stehen. Richtet eure Liebe auf Gott. Liebe ist euch nur dazu gegeben worden, um Gott zu lieben. Euer Körper ist ein Instrument. Ein Instru-ment ist nicht um seiner selbst willen da, sondern es sollte dem dar-gereicht werden, für den es bestimmt ist. Ihr müsst eure reine, bestän-dige, selbstlose Liebe auf Gott richten. Das ist das Wesen und die Form von Hingabe.

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Die Eigenschaft von Dharmi sollte klar verstanden werden. Dharmi ist in der Form des Atoms. Dharmi hat die Form des Körpers angenom-men, und der Körper verkörpert Dharma.Der Körper besitzt drei Instrumente: Denken, Sprechen und Handeln. Wenn diese drei Instrumente gereinigt sind, werdet ihr heilig.

Als Erstes ist für jeden Menschen ist Spiritualität wesentlich. Sei es ein Gläubiger, ein Ungläubiger, ein gläubiger Ungläubiger oder ein ungläu-biger Gläubiger, ein Geniesser oder ein Asket, ein Bettler oder ein Ent-sagender. Hingabe ist für alle wichtig. Jemand mag die Bedeutung von Hingabe nicht verstehen und sagen, er brauche keine Hingabe. Je-mand, der sagt, er brauche keine Hingabe, steht unter dem Einfluss von Täuschung. Spiritualität ist für alle wichtig; sie reinigt das Herz.

Als zweites Ethik, Moral: Sie reinigen das Sprechen. Ethik und Moral-bewusstsein sind wichtig, um die Sprache zu reinigen.

Als drittes rechtes Handeln. Die Hände werden durch wohltätiges Han-deln gereinigt.

In dieser Weise sind Spiritualität, Moral und rechtes Handeln zur Rei-nigung der drei Instrumente Denken, Sprechen und Handeln wesent-lich. Nur durch sie werden die drei Instrumente gereinigt, und nur durch diese Reinigung kann der Mensch Göttlichkeit erreichen. Jegliche klei-ne Unreinheit in diesen Instrumenten wird dem Menschen nicht erlau-ben, die Göttlichkeit zu erreichen. Damit ein Wasserbehälter ausläuft, braucht es keine zehn Löcher; ein Loch ist genug. Wenn ein Student in allen Fächern gute Noten erhält, aber nur in einem Fach weniger als die erforderliche Quote erreicht, fällt er durch. Entsprechend breitet sich irgendein kleiner Makel in irgendeinem der drei Instrumente aus. Damit die drei Instrumente rein sind, sollte der Mensch Spiritualität und Moral haben und recht handeln. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwi-schen Mensch und Tier. Eines hätte zwei Beine, das andere vier. Um Mensch genannt zu werden und um sein Leben zu heiligen, sollte man deshalb Spiritualität und Moral haben und recht handeln.Es ist schwer, als Mensch geboren zu werden. Das menschliche Leben ist so heilig. Heutzutage wird das menschliche Leben dämonisch. Ein Leben als Affe erscheint besser als das Leben des Menschen. Sogar ein Affe macht sich über die Menschen lustig. Er sagt: “Sogar als Affe konnte ich an Rama denken und an Ramas Werk teilnehmen. Jedes

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Haar an meinem Körper ist von Ramas Namen erfüllt. Ich bin besser als du!”

Was hat der Mensch heute mit all seinem Wissen, seiner Intelligenz, seinem Namen erreicht? Nichts. Sein Leben ist voll Spannung und Ru-helosigkeit. Sogar die Vögel und wilden Tiere erfahren Frieden, aber der Mensch ist davon weit entfernt. Aus welchem Grund? Ausufernde Wünsche. Ihr solltet nur einen Wunsch haben: den Wunsch nach Gott. Wenn ihr Gott wünscht, werden alle anderen Wünsche erfüllt. Wenn ihr Gold (Gott) habt, könnt ihr jede Art von Schmuck anfertigen. Aber heute vergesst ihr das Gold und wünscht das Schmuckwerk. Der Form nach ist es Schmuck, aber der Gehalt ist Gold. Entsprechend ist die Göttlichkeit alldurchdringend in der Gestalt des Atoms. Die heiligen Schriften verkünden, dass Gott das Kleinste des Kleinen und grösser als das Grösste ist. Deshalb kann niemand Gott verstehen.Man sollte das Wesen eines Atoms verstehen. Auch die Wissenschaft-ler behaupten, dass es keine Materie ohne Atom gibt. Atome sind über-all. Der gesamte Kosmos ist voller Atome. Wenn ihr das Atom begreift, werdet ihr mit Sicherheit Gott begreifen. In diesem Zusammenhang sangen die Gopikas:

“Oh Krishna, können wir dich erfassen?Du bist kleiner als das Atom und grösser als das Grösste.

Du bist niemals von den 8'400'000 Arten von Lebewesen getrennt.Du bist integraler Teil des kleinsten Atompartikels

bis hin zum grössten Berg!”

Gott wohnt in all den 8'400'000 Lebewesen als Dharmi. Es gibt keinen Ort, wo Gott nicht wohnt. Es ist unmöglich, die Existenz Gottes abzu-streiten. Eine solche Verleugnung ist nur eine Art von Illusion, aber nicht die Wahrheit. Gott ist überall, und nichts anderes existiert. Heutzutage sollte der Mensch jegliche gute Arbeit voller Vertrauen durchführen, gute Gedanken hegen und sein Leben erhabenem Tun widmen. Man sollte heilig denken und heilige Worte, die voll Wahrheit sind, aussprechen. Die eigenen Handlungen sollten heilig sein. Es ist der wahre Schmuck des Halses, die Wahrheit zu sprechen; der wahre Schmuck der Hände ist Barmherzigkeit, und es ist der wahre Schmuck der Ohren, heilige Dinge zu hören. Ihr seid nur dann wahre Menschen, wenn ihr eure Sinne heiligt. Ihr solltet nicht engherzig emp-finden. Der Mensch ruiniert durch Engherzigkeit sein Leben. Ihr solltet reine Liebe entwickeln. Es gibt nichts Grösseres als Liebe. Liebe ist

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Gott, lebt in Liebe. Es gibt keinen grösseren Gott als Liebe. Aber ihr verschwendet diese heilige Liebe, indem ihr zulasst, dass sie in ver-schiedene Richtungen fliesst.

Der menschliche Körper ist wie ein Tonkrug, der mit göttlichem Nektar gefüllt ist. Die Schöpfung ist wie ein goldenes Gefäss voller Gift. Messt ihr dem Gold oder dem Gift Bedeutung bei? Ihr lässt euch von dem Gold verlocken und trinkt das Gift. Der Körper mag nur ein Tongefäss sein, aber er ist voller Nektar, er ist erfüllt von Bewusstheit. Aufgrund von Täu-schung haltet ihr Wahrheit für unwahr und Unwahrheit für wahr.Gott wohnt nicht in einem fremden Land, sondern in eurem eigenen Körper. Sünde existiert nicht in einem fernen Land, sondern haftet den eigenen Handlungen an. Verdienst und Sünde liegen in euren eigenen Handlungen. Sowohl Gott als auch das Schlimme wohnen in euch. Wenn ihr an Gott denkt, ergreift das Böse die Flucht. Denkt deshalb an Gott, fühlt, dass ihr Gott seid. Vertraut auf Wahrheit. Nur dann ist euer Leben geheiligt.

Der Geist schwankt immer. Das ist nicht die wahre Eigenschaft eines Menschen, sondern die eines Affen, eines verrückten Affen. Der Körper ist wie eine Wasserblase, der Geist wie ein verrückter Affe. Folgt nicht dem Körper oder dem Geist, folgt dem Gewissen. Das Gewissen ist euer Herz. Reinigt euer Herz. Wie könnt ihr den transzendentalen Zu-stand erreichen, wenn ihr ständig voll weltlicher Gedanken seid? Es gibt zwei Arten von Wissen: das Wissen um Dharma und das Wissen um Dharmi. “Dharma bhuta jnana” bezieht sich auf das Wissen um die Form, “Ddharmi bhuta jnana” auf das Wissen um Namen. Tatsächlich besteht jedoch kein Unterschied zwischen Namen und Form. Diese grundlegende Wahrheit müsst ihr heute erkennen.

Heute ist Neujahr, und zugleich Mukkoti Ekadashi. Was ist mit 30 Mil-lionen (mukkoti bedeutet 30 Millionen) gemeint, warum sind es nicht 40 Millionen? Die heiligen Schriften haben erklärt: Gott hat 1‘000 Köpfe, 1‘000 Augen, 1‘000 Füsse. Zur Zeit der Veden ging die Bevölkerung in die Tausende. Jeder Mensch wurde als Gott betrachtet. Als das Muk-koti-Fest gefeiert wurde, lebten in Indien 30 Millionen; heute sind es 1‘000 Millionen. Die Bevölkerung ist gewachsen, aber die Hymne die-ses Festtages blieb unverändert. Jeder Mensch ist Gott. In jenen Tagen wurden die Hymnen mit heiligem Empfinden gesungen; heute hinge-gen feiert ihr das Fest blindlings, ohne seine Bedeutung zu verstehen.

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Ihr müsst eine Tatsache begreifen: dass das Wesen eines jeden Men-schen göttlich ist.

In jedem Menschen ist dasselbe Herz (hridaya). Hridaya bedeutet: ein Herz voller Mitgefühl. Das englische Wort für Menschheit ist Mankind. Was ist damit gemeint? Es bedeutet, dass nur der ein Mensch (man) ist, der voller Freundlichkeit (kindness) ist. Aber heute ist im Menschen keine Freundlichkeit zu finden; deshalb ist das Wort Mankind nicht an-gebracht. Die Menschheit wurde in dieser Weise dazu motiviert, sich auf höhere Ebenen zu erheben. Jedes Wort hat zwei Bedeutungen, eine äussere und eine innere. Ihr solltet euch an die innere und nicht an die äussere Bedeutung halten. Das Mikrophon steht auf diesem Tisch. Der Tisch ist die Basis. Die Erde bildet das Fundament für den Tisch. In dieser Weise gibt es für alles eine Basis und Stütze. Aber heutzutage gerät die Basis in Vergessen-heit, und man misst dem Objekt, das von dieser Basis abhängt, Be-deutung zu.

Verkörperungen der Liebe! Immer wieder seht ihr ein neues Jahr kom-men und ein altes gehen. Aber ihr entwickelt keine heiligen Ideen und gebt die alten, verdorbenen Ideen nicht auf. Lasst alte, verfallene Ideen fallen und heilige, erhabene, edle, göttliche, gute Ideen willkommen heissen. Ihr entwickelt keine Heiligkeit. Was bringt es dann, wenn jede Menge neuer Jahre kommen? Zeit zu verschwenden heisst, sein Leben zu verschwenden. Zeit ist Gott. Verschwendet keine Zeit! Verunreinigt niemals heilige Zeit durch unheilige Ideen und Gedanken. Gebt euch keinem unnützen Geschwätz hin. Verschmutzt euer Reden nicht, in-dem ihr schlechte Worte in den Mund nehmt. Entheiligt eure Ohren nicht, indem ihr schlechte Worte hört. Verübt keine schlechten Hand-lungen. In diesem Zusammenhang wird gesagt:

“Seht nichts Schlechtes - seht das Gute.Sprecht nichts Schlechtes - sprecht Gutes.

Hört nichts Schlechtes - hört Gutes.Denkt nichts Schlechtes - denkt Gutes.

Tut nichts Schlechtes - tut Gutes.”

Das führt zur Reinigung eurer Sinne. Aber heutzutage ist der Mensch, welche Bildung er auch immer erworben hat, nicht fähig, sich von die-sen schlechten Qualitäten zu befreien. Gebt alle schlechten Eigen-schaften auf; im selben Moment werden gute Qualitäten wachsen. Ver-

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gesst nicht, dass ihr Menschen seid. Ihr solltet dieses heilige wertvolle menschliche Leben nicht verschwenden. Entwickelt menschliche Wer-te, wie Wahrheit, Liebe, Freundlichkeit, Mitgefühl, Nachsicht usw. Ihr solltet nicht zulassen, dass schlechte Eigenschaften in euch entstehen.In diesem Zeitalter kommen schlechte Gedanken, die Verwirrung er-zeugen, zu jungen Menschen. Auch engherzige Empfindungen ent-stehen. Wenn das geschieht, dann sucht euch einen Platz und sagt euch: “Ich bin kein Affe, ich bin ein Mensch.” Wiederholt es zehn Mal, und affenartige Gedanken werden von selbst verschwinden. Wenn ihr zehn Minuten lang damit fortfährt, werden all eure Affengedanken ver-schwinden. Seid bereit, euch selbst zu bestrafen, wenn es notwendig ist. Es braucht niemand anderen, um auf eure Fehler hinzuweisen; bie-tet keine Gelegenheit dafür. Wenn andere euch korrigieren, dann wärt ihr Sklave und nicht euer eigener Meister. Wenn ihr zornig oder aufgewühlt seid, sucht euch einen Platz, setzt euch und sage euch vor: “Ich bin ein Mensch und kein Tier.” Wenn ihr das wiederholt, wird euer Zorn und eure Aufregung verschwinden. Es ist ein sehr einfacher Weg, und er führt euch in sehr grosse Höhen. Es ist nicht notwendig, grosse Opferhandlungen und Bussübungen durch-zuführen, sondern mit diesen kleinen Schritten könnt ihr erhabene Hö-hen erreichen. Ein Elefant ist so mächtig, aber er kann mit einem kleinen Eisenstab beherrscht werden. Entsprechend braucht ihr, wenn ihr Got-tes Gnade habt, keine andere weltliche Macht und Stärke. Entwickelt göttliche Kraft. Was geschah mit Karna, der körperlich so mächtig und intellektuell so stark war? Seine körperliche Stärke und weltliche Macht war unüber-troffen, aber weil die göttliche Kraft fehlte, wurde er zum Sklaven. Nur die göttliche Kraft ist wahre Kraft. Ohne die göttliche Kraft sind alle an-deren Kräfte nutzlos.Ravana hatte 10 Köpfe, 20 Hände und viele andere Fähigkeiten und Kräfte. Aber was war letztlich sein Schicksal? Er entwickelte körperliche und weltliche Kraft, aber keine göttliche Stärke, und wurde schliesslich zerstört.Welch unglaubliche Kraft hatten Duryodhana und Durvasana! Aber sie entwickelten keine göttliche Stärke. Die Pandavas waren nur zu fünft, aber da sie einig waren, war ihre Kraft ausserordentlich gross. Hundert Leute ohne Einheit sind schwach. Jede Hand hat fünf Finger, die von-einander getrennt sind, aber gemeinsam können sie grosse Aufgaben vollbringen. Die Pandavas waren siegreich, weil sie einig waren. Unter den Kauravas herrschte keine Einheit, zwischen Vali und Sugriva eben-falls nicht.

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Ihr solltet Einheit entwickeln. Alle sind Kinder Gottes. Da ihr Kinder Got-tes seid, solltet ihr einander nicht hassen. Es ist eine allgemeine Er-fahrung, dass all die Familien, in denen Einheit herrschte, blühten. Aber wo keine Einigkeit ist, werden die Familien getrennt und zerstört.Wir haben die Unabhängigkeit gewonnen, aber keine Einheit erreicht. Einheit ist wichtig. Ihr solltet Einheit erreichen; dies ist nur möglich, wenn ihr göttlich empfindet. Wenn ihr göttlich empfindet, ist Einheit leicht zu erreichen. In diese Halle sind Menschen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlichen Schichten und Hautfarben gezogen wor-den. Alle sind in ihrem Gefühl zu Swami vereint. Göttliches Empfinden kann entwickelt und Einheit kann leicht erreicht werden. Ohne gött-liches Empfinden bleibt jeder für sich selbst, und wir sind getrennt.

Verkörperungen der Liebe! Ihr alle verkörpert Göttlichkeit, Liebe und Frieden. Ihr habt menschliche Form angenommen, ihr seid Göttlichkeit in menschlicher Form. Wie das Sprichwort sagt: “Gott kommt in menschlicher Gestalt.” Füllt eure Leben mit Liebe zu Gott. Richtet die von ihm gegebene Liebe auf keine andere Sache. All die Liebe, die von euch ausgeht, sollte auf Gott ausgerichtet sein. Wenn ihr diese göttliche Liebe besitzt, dann könnt ihr alle Menschen lieben. Wenn ihr solche Lie-be entwickelt, dann könnt ihr die wahre Bedeutung der Festtage ver-stehen.

Ihr wünscht Geld, Eigentum, Familie und Kinder. Ihr solltet solche Dinge nur bis zu einem gewissen Ausmass wünschen. Aber solltet ihr nicht wenigstens ebensoviel Liebe zu Gott empfinden? Wie zornig würdet ihr werden, wenn jemand euren Vater oder Bruder hasst? Wie könnt ihr es dann dulden, wenn der Gott, den ihr verehrt, angegriffen wird. Bist du ein Dämon oder ein Mensch? Wenn du ein Mensch bist, wie kannst du dann solche Anschuldigungen ertragen? Richtet all eure Liebe auf Gott, der in jedem anwesend ist. Die göttliche Einheit zu empfinden bedeutet, zu erkennen, dass derselbe Gott allem innewohnt. Nur dadurch ist Einheit erreichbar. Durch Einheit könnt ihr die Göttlichkeit erreichen.

Der Mensch ist heutzutage voller Selbstsucht. Er konzentriert sich dar-auf, für sich selbst zu sorgen, und kümmert sich nicht um Andere. Er denkt ständig an sich und seine Leute. Was ist mit der Gesellschaft? Nur wenn ihr euch um das Wohlergehen der Gesellschaft kümmert, werdet ihr und eure Freunde glücklich sein. Ihr seid ein Teil der Ge-sellschaft und könnt nicht einen Augenblick ohne Gesellschaft leben.

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Ihr solltet deshalb der Gesellschaft dienen. Euer Wohlergehen hängt von dem Wohlergehen der Gesellschaft ab. Entwickelt solche Liebe und betrachtet Jeden als euch selbst. Ihr solltet eure Liebe ausdehnen und auf alle erstrecken. Ihr solltet die gesamte Welt als eine einzige Familie ansehen. Engherziges, engstirniges Empfinden trennt. Weitet deshalb euer Empfinden aus. Ihr seid alle eins und gehört einer Familie an. Alle sind Kinder Gottes; daraus entsteht die Bruderschaft der Men-schen und die Vaterschaft Gottes.Ihr solltet die Empfindung entwickeln, dass ihr nicht einmal einen Au-genblick ohne Gott leben könnt.

(Übersetzungsvorlage: Overseas Observer (vollständige Übersetzung aus dem Telugu ins Englische durch ehemalige Anantapur-Studentinnen.)

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18. Januar

Menschliche Werte haben eine spirituelle Basis

Obwohl die Menschen von Geburt und Entwicklung her in ihrem Wesen menschlich sind, haben sie den Wert und die Bedeutung ihrer mensch-lichen Existenz vergessen. Sie zerstören den Frieden, indem sie reli-giöse Unterschiede betonen und dämonischen Neigungen nachgehen. Wie stellt sich heute das menschliche Leben dar? An erster und wich-tigster Stelle sollte die Anerkennung und Achtung der menschlichen Werte stehen. Wie gross die Bedeutung eines Intellektuellen sein mag, wie hervorragend die Bildung oder Gelehrsamkeit eines Menschen auch sei, so muss dennoch die Menschlichkeit entwickelt werden. Ohne Menschlichkeit sind Gelehrsamkeit und intellektuelle Brillanz ohne Wert.Nur wenn die Menschen die Menschlichkeit pflegen, kann die Gesell-schaft in ihrem Glanz aufscheinen und der Nation und der Welt zum Fortschritt verhelfen. Menschlichkeit kann nur mit Hilfe der Spiritualität entwickelt werden und nicht durch andere Mittel. So wie ein Same nur dann spriesst, wenn er in den Boden gebracht und bewässert wird, so können auch die menschlichen Werte nur auf spiritueller Basis gedei-hen. Wenn jemand die menschlichen Werte kultivieren will, muss er sein Herz mit Spiritualität düngen und mit Liebe bewässern so dass die menschlichen Werte wachsen können. Die menschliche Gesellschaft benötigt dringend ein mitmenschliches Fühlen und Einheit. Wenn dies beides vorhanden ist, wird die Menschlichkeit blühen.

Von wo kann man die menschlichen Werte herbekommen, und wie müssen sie entwickelt werden? Die menschlichen Werte werden mit den Menschen zusammen geboren. Sie existieren in Gemeinschaft mit ihm. Unglücklicherweise trennt sich der heutige Mensch von den menschlichen Werten ab, wünscht aber dennoch, als menschliches Wesen zu leben. Um die menschlichen Werte wiederherzustellen, muss der Mensch den spirituellen Weg einschlagen. Die spirituelle Pra-xis besteht aus acht Disziplinen: Richtiges Handeln, geistige Disziplin, Körperhaltung, Atemregulierung, Zurückziehung, Meditation, Konzen-tration und Einheitserfahrung. Da ist zuerst richtiges Handeln. Es ge-nügt, wenn diese eine Disziplin eingehalten wird. Alle menschlichen Werte sind darin enthalten. Die Menschlichkeit finden wir darin einge-bettet. Richtiges Handeln manifestiert sich in den fünf Lebenshauchen,

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den fünf Elementen, den fünf Körperhüllen, den fünf Grundprinzipien und fünf Formen. Die fünf Grundprinzipien sind: Gewaltlosigkeit, Wahr-haftigkeit, Enthaltsamkeit, Nichtstehlen und Nichtergreifen. Diese fünf Verhaltensweisen sind im rechten Handeln enthalten. Die erste ist Ge-waltlosigkeit. Buddha schrieb ihr die grösste Bedeutung zu. Er betrach-tete Gewaltlosigkeit als die erste Pflicht.Was bedeutet Gewaltlosigkeit? Es bedeutet nicht bloss, anderen kei-nen Schaden und kein Unrecht zuzufügen. Es bedeutet genauso, sich selbst nicht zu schädigen. Wer sich selbst Gewalt antut, kann nicht um-hin, auch andere zu verletzen. Jeder, der Gewaltlosigkeit übt, muss zu-sehen, dass er sich selbst keine Gewalt antut. Wie macht man das? Durch ständige Prüfung, ob das eigene Verhalten richtig oder falsch ist. Zum Beispiel beim Sprechen müsst ihr beobachten, ob die eigenen Worte anderen Schmerz verursachen oder nicht. Ihr müsst achtgeben, dass das Ansehen nicht von bösen Absichten oder Gedanken befleckt wird. Man sollte nicht auf schlechte Reden hören. All dies verursacht dem Einzelnen Schaden. So sollte jeder sich bemühen, schlechtem Se-hen, schlechtem Hören, schlechtem Sprechen, schlechtem Denken und schlechtem Handeln keinen Raum zu geben. Wie könnt ihr beur-teilen, was schlecht ist? Indem ihr euer Gewissen befragt. Immer wenn ihr gegen die Anweisung eures Gewissens handelt, folgen schlechte Resultate. Das Gewissen ist die Form des Göttlichen in Jedermann. Was immer ihr tut, das Gewissen sagt euch, ob es richtig oder falsch ist. Doch um die Anleitung des Gewissens zu ermitteln müsst ihr einige Zeit warten. Ihr solltet nicht in Eile sein. Wenn ihr etwas zu sagen wünscht, müsst ihr kurz überlegen, ob es angemessen ist oder nicht, und dann sprechen. Wenn ihr euch etwas anhören wollt, müsst ihr prü-fen, ob das gut oder schlecht ist und dann entscheiden, was richtig ist.Ihr solltet Sorgfalt walten lassen nicht nur im Hinblick auf eure Reaktion den Elementen gegenüber, sondern auch in bezug auf eure Nahrung. Übermässiges Essen tut dem Körper Gewalt an. Mässigung bei der Nahrungsaufnahme ist dem Glück förderlich. Die Gewaltlosigkeit ist es, die euch das Glück bringt. Was euch verletzt, ist die Heftigkeit. Aber das ist nicht alles. Selbst beim Wassertrinken solltet ihr euch beschrän-ken. Das ganze Leben sollte vom Grundsatz der Gewaltlosigkeit be-herrscht sein. Viele Keime sterben, wenn man ein Bad nimmt oder um-hergeht oder irgendetwas anderes tut. Selbst beim Atmen sterben viele Keime. In all diesen Aktivitäten ist Gewaltsamkeit verborgen. Um die Konsequenzen solch unfreiwilliger Gewaltanwendung an lebenden Kreaturen zu vermeiden, besteht die Anweisung, alle Handlungen Gott zu übergeben. Aber es ist Unsinn, bewusste Handlungen der Gewalt

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Gott zu übergeben. Das Gewissen wird solches Verhalten nicht gut-heissen. In der Sprache des Vedanta heisst das Gewissen „cit“. Man nennt es auch Gewahrsein. Gewahrsein bedeutet vollkommenes Ver-stehen. Dieses totale Verständnis gehört zu den Fähigkeiten jedes menschlichen Wesens. Ein jeder muss danach streben, dieses Ge-wahrsein zu üben. So ist also Gewaltlosigkeit die erste Pflicht des Men-schen.

Die zweite Pflicht ist Wahrhaftigkeit. Wahrhaftigkeit bedeutet nicht bloss die Mitteilung von Tatsachen, die ihr gesehen oder gehört habt oder von denen ihr Kenntnis habt. Das sind zeitgebundene Wahrheiten. Die volle Bedeutung von Wahrhaftigkeit zeigt sich nur in der reinen un-befleckten Form der Gewissensstimme, die aus dem Herzen kommt. Diese Wahrheit nennt man auch „rita“. Sie gilt für alle Zeiten - Vergan-genheit, Gegenwart und Zukunft. Sie wird nicht berührt vom Wechsel der Zeit oder des Ortes. Sie ist unveränderlich und kann nicht unter-drückt werden. Die Wahrheit ist ihr eigener Beweis. Sie ist die Form des Göttlichen. Wahrheit, höchste Weisheit und Unendlichkeit ist das ab-solute Selbst. Wahrheit ist also der zweite menschliche Wert.

Als Drittes kommt das Nichtstehlen. Es bedeutet, anderen ihr Eigentum nicht zu stehlen. Doch der Begriff „Eigentum“ sollte nicht auf physische Objekte, wie zum Beispiel ein Buch, beschränkt bleiben. Wenn ihr et-was von Jemandem braucht, dürft ihr es mit der Erlaubnis des Eigen-tümers nehmen, da ist nichts Unrechtes dabei. Doch eine Sache zu nehmen oder sie zu benutzen ohne eine solche Erlaubnis, wird zum Stehlen. Sogar das Kritisieren in einer Art und Weise, die Jemandem schadet, ist Diebstahl (seines guten Namens). Es ist allgemein Brauch unter den Studenten, die Kamera von einem Freund auszuleihen und sie zu benutzen. Wenn die Kamera dabei kaputtgeht, trägt der Benutzer die Verantwortung für die Reparatur. In dieser Weise ist das Prinzip des Nichtstehlens selbst bei den gewöhnlichen Dingen des Alltags anzu-wenden. Das ist die dritte Pflicht.

Die nächste Pflichtübung ist Enthaltsamkeit. Sie wird auf vielerlei Art interpretiert. Eine Bedeutung ist die, unverheiratet zu bleiben. Das ist nicht die richtige Bedeutung. Dieser Begriff bedeutet in Wirklichkeit „sich in Gott bewegen”. Brahmacarya meint die unaufhörliche Betrach-tung Gottes. „Carya” heisst „sich bewegen”. „Brahmacarya” bedeutet „sich in dem höchsten Selbst bewegen”. Der Junggesellenstand allein ist nicht Enthaltsamkeit. Einen verheirateten Mann nennt man Haus-

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herr. Selbst im Leben eines Hausherrn gibt es Enthaltsamkeit. Enthalt-samkeit zeigt sich hier als Eheleben mit der einzigen Gattin. Wenn ein verheirateter Mann ein ausschweifendes Leben führt, beachtet er die Enthaltsamkeit nicht. Selbst beim Denken und Hinschauen sollte man Enthaltsamkeit üben. Enthaltsamkeit erhielt ihre Bedeutsamkeit durch die strikte Beachtung, welche die alten Weisen ihr zollten.Auf unbewusste oder andere Weise neigen die Menschen dazu, ihre Energien zu verschwenden. Dies alles kann man als Fehltritte bei der Ausübung von Enthaltsamkeit bezeichnen. Sinneskontrolle ist wesent-lich für die Übung der Enthaltsamkeit. Es ist leichter, Indra, den König der Götter, zu besiegen, als seine eigenen Sinne zu unterwerfen. Die Kontrolle der Sinne ist ein wichtiger menschlicher Wert. Diese wichtigen Disziplinen verdanken ihr Fortbestehen nur den Weisen und anderen Heiligen, die sie seit alten Zeiten hochhielten. Indien hat im Lauf seiner langen Geschichte zahlreiche Wechselfälle erlebt, einschliesslich aus-ländischer Einfälle in dieses Land. Nichtsdestotrotz hat das Volk es im grossen ganzen geschafft, die menschlichen Werte zu pflegen.

Die fünfte Disziplin ist „nicht ergreifen”. Das bedeutet, keine Dinge von anderen anzunehmen. Ihr habt jedes Recht, Geschenke oder anderes von euren Eltern anzunehmen. Ihr seid das Produkt eurer Eltern und dürft daher von ihnen annehmen, was immer sie euch geben. Doch bei „nicht ergreifen” muss man gewisse feine Unterscheidungen machen. Zum Beispiel ist es nicht gut, Geschenke von Onkeln oder Schwieger-eltern oder verschwägerten Verwandten anzunehmen. Wenn ihr von ihnen Geschenke annehmt, müsst ihr es ihnen mit gleichwertigen Ge-schenken vergelten. Heutzutage wird die Regel des Nichtannehmens in eklatanter Weise missachtet. Zum Beispiel wenn Jungen nach ihrer Ausbildung verheiratet werden, bekommen sie bei der Heirat eine Mit-gift. Das ist sehr falsch, es ist sogar eine Sünde. Da wird ein wohler-zogenes Mädchen einem jungen Mann zur Heirat angeboten, und das allein schon ist ein grosses Geschenk. Warum sollte man zusätzlich zur Braut noch Geld verlangen? Die Eltern des Mädchens mögen ihm ge-ben, was immer sie wollen. Aber der Bräutigam sollte nichts erwarten oder annehmen.Dies ist die Haltung, die man gegenüber Geschenken von anderen ha-ben sollte. Dass Indien heutzutage alle Art Trübsal zu erdulden hat, liegt daran, dass diese undenklich wichtigen Gebote keine Beachtung fin-den.Geschenke können von den Eltern, dem Lehrer oder von Gott ange-nommen werden. Dies sind die Ausnahmen von der Regel des Nicht-

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annehmens. Von diesen vier Personen könnt ihr alles annehmen. Doch selbst von den Eltern solltet ihr nicht durch Zwang oder ein Gerichts-verfahren versuchen, etwas zu bekommen. Was von den Eltern mit Lie-be angeboten wird, kann mit Liebe empfangen werden. Es gibt Grenzen für das, was ihr von den Eltern erhalten könnt. Aber es gibt keine Gren-zen für das, was ihr von Gott bekommen könnt. Ihr könnt alles von Gott bekommen, denn er ist der Herr von allem. Er kann euch von der Sünde befreien und euch von den bösen Folgen der Sünde erlösen. In Gott findet ihr alle verwandtschaftlichen Beziehungen, und daher sollte man sein Selbst mit Gott identifizieren. „Du und ich sind eins”. Wenn man Beziehungen wie die zu Mutter und Vater auf Gott überträgt, gewinnt man einen sicheren Zugang zur Vereinigung zwischen Gott und Mensch.

Auf dem weiten Ozean von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (sat-cit-an-anda) sind die Myriaden von menschlichen Wesen mit ihren verschie-denen Namen und Formen wie Wellen. Doch so wie die Wellen aus dem gleichen Wasser bestehen wie der Ozean, so sind auch alle mensch-lichen Wesen Funken des Göttlichen.Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit findet sich in jedem menschlichen Wesen. In ihrer Unwissenheit jedoch machen die Menschen sich an-derswo auf die Suche danach. Unwissenheit ist der Grund für Dumm-heit. Dummheit ist die Ursache für den Egoismus. Aus dem Egoismus entwickeln sich Bindungen. Bindungen führen zu Hass. Hass zieht Handlungen nach sich. Handlung ist die Ursache der Geburt. Der Ur-sprung für die Kette der Prozesse, die zur Geburt führen, ist die Un-wissenheit. Was ist Unwissenheit? Es ist der Zustand, der auf Teilung abzielt. „Dieses” als verschieden von euch zu betrachten, ist Unwis-senheit. Gott von euch selbst zu unterscheiden, ist Unwissenheit. Alle sind Fragmente von Gott, Funken derselben Flamme. Solange die Fun-ken nahe beim Feuer sind, behalten sie ihre Hitze und ihr Licht. Aber wenn sie weiter weg sind, werden sie zu Holzkohle. Ebenso ist es, wenn ihr nahe bei Gott seid, dann seid ihr im Zustand von „Sein-Bewusst-sein-Glückseligkeit.” Wenn ihr fern von Gott seid, verliert ihr diese gött-lichen Eigenschaften. Ihr seid in Unwissenheit untergetaucht. Nicht Bü-cherweisheit oder Gelehrsamkeit machen eine Person zum Kenner der höchsten Weisheit. „Das Eine zu erkennen ohne ein Zweites, ist Wis-sen” (advaita).Nur wenn ihr die Glückseligkeit in euch zeigen und ausdrücken könnt, dürft ihr euch selbst göttlich nennen, das verwirklichte Individuum. Nicht auf jedes Individuum passt der Ausdruck göttlich. Nur der ist göttlich,

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der das unsichtbare Göttliche in seinem Innern zum Ausdruck bringen kam.

Was ist gemeint mit Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (sat-cit-anan-da)? „Sat” bedeutet „Sein”, das ewig und unveränderlich ist. Zucker hat die Eigenschaft der Süsse, und diese bleibt erhalten, in welcher Art und Weise der Zucker auch verwendet wird. Zum Zweck der Veranschau-lichung bezeichnen wir Zucker als „sat”. „Cit” kann mit Wasser vergli-chen werden. Seine Eigenschaft ist die Beweglichkeit. Wenn Zucker und Wasser vermischt werden, hat man weder Zucker noch Wasser in der ursprünglichen Form, sondern ein neues Produkt: Sirup. Wenn „sat” und „cit” zusammenkommen, hat man „ananda” (Glückseligkeit). Die Menschen stellen sich vor, dass man diese Glückseligkeit im Ge-schäftemachen, im Ehestand, in Besitz oder Nachkommen findet. Das ist nicht der Fall. Ihr sucht die Glückseligkeit in einer Sache nach der anderen: in der Ausbildung, in Position, Heirat, Kindern und so weiter. Doch das Glück entgleitet euch. Das einzige dauerhafte Glück erreicht ihr durch die Einheit mit Gott. Die Antwort auf die Frage „Wo gibt es das Glück?” lautet: „Glück ist die Vereinigung mit Gott.” Die Studenten vergessen dies leicht bei ihrem Trachten nach weltlichen Vergnügun-gen. Nur die Reife der Erfahrung kann diese Erkenntnis bringen. Da ist zum Beispiel ein ausgedörrtes Feld im Sommer. Nach einem Regen in der Nacht findet ihr es mit Gras bedeckt. Woher kam es? Es kam aus dem Feld. Was in der Form von Samen in der Erde verborgen war, wuchs nach dem Regen als Gras in die Höhe. Ebenso wird die verbor-gene Glückseligkeit in euch spriessen, wenn ihr euer ausgetrocknetes Herz mit dem Regen der göttlichen Liebe begiesst.Die Wissenschaftler von heute haben viele erstaunliche Entdeckungen gemacht. Doch es mangelt ihnen an Frieden. Sie haben darin versagt, die vedische Wahrheit über ihre wahre Natur zu begreifen. Daher sind sie unfähig, die geistige Glückseligkeit in ihrem Innern zu erfahren. Die Menschen sollten die Kräfte in der Atmosphäre nicht unterschätzen. Sie ist zum Beispiel mit Radiowellen erfüllt, die von verschiedenen Sendern kommen. Aber die Wellen behalten ihre individuelle Wellenlänge und prallen nicht mit anderen zusammen. Diese elektrische Energie ist gött-lich. Sie ist eins der Geheimnisse der Schöpfung. Der Körper ist wie ein Radiogerät. Wenn ihr den Einstellungsknopf nicht mit der rechten Konzentration dreht, werdet ihr die richtige Sendestation nicht finden. Konzentration ist wesentlich für jede Art Tätigkeit im Leben. Die Stu-denten sollten erkennen, wieviel sie gewinnen könnten, wenn sie ihre Wünsche vermindern würden. Sie könnten einen kleinen Anfang ma-

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chen mit der Einschränkung ihres Kaffeeverbrauchs. Sie werden mer-ken, dass sich ihr Gedächtnis dadurch verbessert. In dem Mass, wie die Wünsche sich verkleinern, vergrössert sich die Willenskraft. Diese Willenskraft ist heute erschüttert. Als Folge davon ist auch die Fähigkeit zu handeln geschwächt. Eine weitere Konsequenz ist, dass die Macht des Wissens ebenfalls Verluste erleidet.

Studenten! Begreift, dass es keinen freien Willen für Individuen gibt. Viele verschiedene Beschränkungen sind ihnen auferlegt. Gott allein besitzt einen total freien Willen. Alle anderen sind in der einen oder an-deren Weise gebunden. Wie immer auch die Anstrengungen sein mö-gen, das letztendliche Ergebnis liegt bei der Vorsehung. Darum setzt euer Vertrauen auf Gott und tut eure Pflicht, wo immer ihr seid. Fügt niemandem Schaden zu. Beachtet das Masshalten, vermeidet Gier und führt ein gutes, rechtschaffenes Leben. Eine schlechte Gewohn-heit, die am Anfang geringfügig erscheint, kann im späteren Leben zu einer Bedrohung werden. Korrigiert eure Fehler gleich am Anfang. Be-treibt eure spirituellen Übungen mit der gleichen Begeisterung wie Sport, Spiel und Studien.Die Rishis (Seher) benötigten Gottes Gnade, um eine Vision des Gött-lichen zu erhalten und damit die Gelegenheit, mit Gott zu sprechen. Die Rishis kamen in einem späteren Leben als Affen auf die Erde, um mit Gott vertrauten Umgang zu pflegen, und noch später kamen sie als Hir-tenmädchen und Hirten auf die Welt, um mit Gott Kontakt zu haben. Die Aufgabe des Sai Avatars ist anders als die von Rama und Krishna, da die Kräfte des Guten und Bösen jetzt in jedem menschlichen Wesen vorhanden sind, und der Prozess der Umwandlung unter ganz anderen Umständen wirksam werden muss als in früheren Zeitaltern. Im Eiser-nen Zeitalter (kaliyuga) muss der Umwandlungsprozess sich in jedem Einzelnen abspielen. Ein Jeder muss sich selbst korrigieren. „Kind! Du musst dich selbst bestrafen. Du musst dich selbst erretten. Ich bin da in deinem Innern als ein Zeuge.”Das ist die Botschaft des Herrn. Also, Jeder sollte versuchen, sich selbst zu erneuern. Ihr habt zu entscheiden, was richtig und was falsch ist, und das Schlechte aufzugeben.

Die Wege Gottes sind unerforschlich. Ihr solltet dem Handeln Gottes keine Motive unterlegen, die eine Widerspiegelung eurer eigenen Ge-fühle sind. Selbsterforschung ist daher sehr wichtig. Macht euch auf den Weg zu Gott mit ganzer Ernsthaftigkeit. Aus euch werden die Füh-rer der Welt hervorgehen. Ich habe hohe Erwartungen in bezug auf eure

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Zukunft. Verehrt eure Eltern, dient der Gesellschaft und schützt die Na-tion. Dreiviertel meiner Zeit opfere ich, um solche Studenten aus euch zu machen. Führt Swamis ausdrückliche Gebote aus. Verdient euch einen guten Namen. Haltet das Ansehen von Sais Bildungsanstalten hoch. Dies ist der Dank, den ihr Swami erweisen könnt. Denkt nicht an die Schreibstifte und andere Geschenke, die ihr bekommen habt. Denkt nur daran, dass Swami euch einen guten Verstand gegeben hat. Ent-wickelt beides: Güte und Göttlichkeit. Darüberhinaus gibt es nichts Grösseres, was Bildung und Erziehung euch bieten können.

(Aus Sathya Sai Babas Ansprache im Wohnheim der Oberschule am 18. Januar)

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17. Februar

Shivaratri

Wer die Täuschung hinter sich lässt, wird liebenswert.Wer den Zorn hinter sich lässt, wird nicht von Traurigkeit heimgesucht.

Wer das Verlangen hinter sich lässt, wird reich.Wer die Habgier hinter sich lässt, wird glücklich.

Verkörperungen der Liebe!

Wer stolz ist, wird von seinen Mitmenschen nicht geliebt. Erst wenn er ablässt von seinem Stolz, wird er von allen angesehen. Wer voller Zorn ist, findet kein Glück. Er lebt im Elend. Wenn er jedoch seinen Zorn über-windet, kann er sorglos leben. Wer unersättlich ist in seinen Wünschen ist, wird nie zufrieden. Nur wenn er seine Wünsche kontrolliert, wird er wirklich reich. Ein Geizhals fühlt sich nie glücklich. Erst wenn er seine Habgier zügelt, kann er glücklich werden.

Verkörperungen der Liebe! Es ist nicht leicht, das Göttliche zu erkennen oder zu begreifen, aber es ist einfach, darüber zu reden und sich über die Wunder und Scherze Gottes zu äussern. Es fällt jedoch schwer, sie in ihrem ganzen Umfang zu verstehen. Etwas Böses zu sehen und dar-über zu schimpfen wie eine Krähe ist nicht gut. Es ist besser, zu singen wie die Meise, und zwar über etwas Gutes. Der Geschmack der Men-schen ist sehr verschieden. Was dem einen süss erscheint, ist für einen Anderen Gift. Wie können die Menschen das Göttliche erkennen, wenn ihre Vorstellungen so verschieden sind? Die alten indischen Seher und Weisen beschäftigten sich intensiv mit spirituellen Fragen, und weil sie die Schriften sorgfältig lasen, konnten sie Anderen ihre Gotteserfah-rung mitteilen. In den Upanishaden heisst es, dass Gott in allem lebt, dass er das Wesen aller Dinge ist, so wie Zucker im Zuckerrohr und Butter in der Milch ist. Gott ist gegenwärtig in den guten wie auch in den schlechten Dingen, er lebt in der Wahrheit und in der Lüge, in der Tugend und in der Sünde. Wie kann man auf der Basis dieser Wahrheit erkennen, was falsch und unrecht ist? In der Bhagavadgita können wir lesen: „Mein Geist ist der innerste Geist aller Geschöpfe“. Wer diese Wahrheit begreift, wird einen Zustand ungestörten Gleichmuts erfah-ren.

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Richtig und falsch, wahr und unwahr und andere Gegensätze sind im Leben der Menschen, die in der irdischen Welt leben und mit weltlichen Angelegenheiten beschäftigt sind nicht zu vermeiden. Folglich kann man der Dualität nicht entkommen, solange man ein weltliches Leben führt. Frieden und Sicherheit findet man nur im Zusammenhang mit Freude und Leid. Freude ist mit Leiden verknüpft, sie ist der Zeitraum zwischen zwei Leidensphasen. Das Leben besteht aus Licht und Schatten. Es gibt kein Glück ohne Kummer. Die Freude über einen schattigen Platz kann man nur empfinden, wenn man unter der heissen Sonne gewandert ist. Es ist nicht möglich, in einem solchen Leben im-mer nur Freude zu empfinden.

Der gesamte Kosmos ist drei Wandlungen unterworfen: Schöpfung, Er-haltung und Auflösung. Diese Wahrheit ist unumstösslich und kann nie von irgendjemand bestritten werden. Diese Prinzipien übermitteln eine göttliche Wahrheit. Schöpfung ist Ausdruck des göttlichen Willens. Die Schöpfung wird Prakriti (Natur) genannt. Alles in der Schöpfung sollte die Kennzeichen der Natur haben. Der Mensch wurde geschaffen, um die Kräfte der Schöpfung auszudrücken. Diese Schöpferkräfte sind nicht in allen in gleichem Mass vorhanden. Wer nur die physische Welt wahrnimmt, hat eine verfälschte Vorstellung von diesen Kräften. Wer aber spirituell ausgerichtet ist, erkennt deren göttliche Herkunft. Schöp-fung und Geist sind eins. Den Menschen erscheinen die Dinge gut oder schlecht, weil ihre Gefühle und Einstellungen so verschieden sind.Loka ist einer der Namen für die Welt. Loka ist das, was die Macht über die Gedanken hat. In dieser Versammlung gibt es sehr viele Personen. Sie befinden sich alle an einem Ort, doch lebt jeder in seiner eigenen Welt. Warum ist das so? Der Eine beschäftigt sich mit einem Erzie-hungsproblem, ein Anderer denkt über eine Arbeitsstelle nach, ein Drit-ter hat geschäftliche Sorgen, ein Vierter interessiert sich für die Land-wirtschaft, Andere wiederum denken über ein wissenschaftliches Pro-blem nach. All diese unterschiedlichen gedanklichen Bereiche sind Übungen des Verstandes.

In jedem menschlichen Wesen vollzieht sich der kosmische Prozess von Schöpfung, Erhaltung und Auflösung oder Verschmelzung. Schöp-fung ist die Verwirklichung eines Gedankens. Erhaltung bedeutet Be-wahrung des Geschaffenen. Auflösung bedeutet Verschmelzen des Geschaffenen mit seinem Schöpfer. Schöpfung, Erhaltung und Auflö-sung werden auch mit den drei Grundeigenschaften Gelassenheit (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas) gleichgesetzt. Der

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Mensch ist die Verkörperung dieser drei Grundeigenschaften. Die drei Grundeigenschaften repräsentieren die Dreiheit: Der Schöpfergott (Brahma), der Bewahrer (Vishnu) und der Gott der Auflösung (Shiva). Diese Trinität repräsentiert die drei Welten. Sowohl die drei Welten als auch die Trinität sind in jedem Menschen lebendig. Man kann die drei als Eins betrachten und in der Gestalt Shivas verehren. Was ist Shiva? Er ist die Verkörperung des Glücks. Wenn der Mensch die Einheit in der Dreiheit begreift, erreicht er einen Zustand der Glückseligkeit.

n einer Regierung gibt es verschiedene Abteilungen, z.B. für Erziehung, Finanzen u.a. Auch im spirituellen Bereich existieren solche Abteilun-gen, z.B. Schöpfung, Erhaltung, Auflösung. Jede Abteilung hat einen Chef und jeder dieser Chefs muss seine Abteilung sachgerecht führen. Alle Abteilungen zusammen haben noch einen übergeordneten Chef, vergleichbar dem Premierminister eines Kabinetts. Er ist Gott. Man nennt ihn auch Allah.Weil die Menschen Gott verschiedene Namen und Formen geben, wird das Göttliche auf unterschiedlichste Weise zersplittert. Der eine Gott ist verantwortlich für den dreifachen kosmischen Prozess. Das engli-sche Wort „God“ spiegelt diese drei Aspekte Gottes: der Buchstabe g bedeutet „generation“ (Schöpfung), das o steht für „organisation“ (Er-haltung) und das d für „dissolution“ (Auflösung). Das Wort „God“ zeigt die Einheit der drei Aspekte.Diese drei Aspekte werden nicht immer richtig verstanden. Das Wort Verschmelzen wird oft als Zerstörung oder Auflösung verstanden, sei-ne wahre Bedeutung ist aber Verschmelzung. Das o, das für „organi-sation“ steht, bedeutet Schutz. Der Buchstabe g steht für „generation“, d.h. Schöpfung. Brahma, Vishnu und Ishvara sind Namen der drei Kräf-te im Menschen. Wenn man dies verstehen will, muss man dem spiri-tuellen Pfad folgen. Spiritualität heisst nicht, ein einsames asketisches Leben zu führen, sondern Bindungen und Hass loszulassen und das Einssein der ganzen Menschheit zu erkennen. Ihr müsst die wahre Be-deutung von Spiritualität verstehen.

Der Mensch ist mit unendlichen Kräften ausgestattet. Was ihr auf dem Weg des Sehens, des Hörens oder auf andere Weise erfahrt, sind Spie-gelungen des inneren Wesens. ihr müsst die Bedeutung dieser Erfah-rungen genau verstehen. Heute ist z.B. die Neumondnacht. Täglich er-lebt ihr die Nacht, die gewöhnliche Nacht, die dunkle Nacht. Ihr fragt, wieso? Der Geist hat 16 Aspekte. Der Mond ist die höchste Gottheit für den Geist. Heute, am 14. Tag des Monats fehlen 15 der 16 Mond-

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phasen. Deshalb könntet ihr an diesem Tag eure geistigen Fähigkeiten vollständig beherrschen. Aus diesem Grund wird dieser Tag als Glücks-tag bezeichnet. Glück heisst, den Geist ganz auf Gott zu richten und die animalischen Neigungen loszulassen. Heute könnt ihr die Allge-genwart Gottes in allen Wesen und allen Dingen erkennen. Das heisst, wenn ihr einen Anderen verehrt oder verdammt, verehrt oder verdammt ihr immer Gott. Eure Maxime sei: Helft immer, verletzt nimmer.Weil jeder Mensch seinem Wesen nach göttlich ist, hat er göttliche Ei-genschaften. Sein Körper besteht aus den fünf Elementen, wenn er aber das ihm innewohnende Göttliche erkennt, wird das Menschliche in ihm in Göttliches verwandelt. Der Mensch wird geboren, um den Weg der Rechtschaffenheit zu gehen. Sie führt zur Harmonie in Gedanke, Wort und Tat. Wenn jeder Mensch begreift, dass er seinem Wesen nach göttlich ist, wird die ganze Welt verändert. Körper und Geist sind nur Werkzeuge, die Wirklichkeit des Menschen ist das Göttliche Selbst, At-man. Der Mensch sollte die ihm verliehenen Werkzeuge nutzen, um sei-ne Pflichten zu erfüllen und sein Einssein mit Gott zu begreifen.

Die gesamte Natur gibt Zeugnis von der Grösse Gottes. Warum haltet ihr fest an religiösen Unterschieden? Lebt nach den Geboten Gottes, der das Universum regiert. Was auch geschieht, immer ist es Gottes Wille.Die wichtigste Aussage der Veden lehrt euch, dass ihr in Harmonie mit-einander leben und eure Freude mit Anderen teilen sollt. Wenn die Men-schen das Gefühl des Einsseins entwickeln, werden sie rein. Diese Reinheit führt zum Bewusstsein ihrer Göttlichkeit. Der Mensch hat drei grosse Feinde: Wünsche, Zorn und Gier. Diese drei Eigenschaften müsst ihr bekämpfen. Die wichtigste Eigenschaft ist Liebe, denn Liebe ist Gott. Lebt deshalb in der Liebe.

Indien wird oft betrachtet als Lehrer aller anderen Völker. In diesem Land war Gott immer der Eine, und seine Menschen erkannten die Ein-heit, die aller Verschiedenartigkeit zugrunde liegt. Gott ist Eins, das Ziel ist Eins und alles Leben ist Eins. Diese Einheit liegt aller Mannigfaltigkeit zugrunde. Diese die Grundlage bildende göttliche Einheit fehlt in der Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit.

Verkörperungen der Liebe! In der herrschenden Situation ist es das Wichtigste, die Liebe zu pflegen. Mit dem Verlust der Liebe verloren die Menschen auch ihre Menschlichkeit. Liebe ist der höchste mensch-liche Wert. Wahrheit, Rechtschaffenheit, Friede und Gewaltlosigkeit

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sind weitere menschliche Werte. Obwohl die Menschen diese Werte kennen, führen sie bedauerlicherweise ein werteloses Leben. Es ist schade, dass die Menschen sich trotz ihrer menschlichen Gestalt nicht wie menschliche Wesen verhalten. Flüsse, Bäume und Kühe lehren, dass wir zum Wohle anderer leben sollten. Auch die euch innewoh-nende Göttlichkeit müsst ihr mit Anderen teilen und nicht im Egoismus verharren. Die Namen von Gelehrten und Wissenschaftlern sind vielen nicht gegenwärtig, aber Millionen Menschen verehren die Namen von Mystikern wie Ramakrishna, Paramahamsa, Tukaram, Kabir oder Ramdas.Denkt daran, die folgenden vier Regeln in euer Leben einzubauen: Hal-tet euch nicht in schlechter Gesellschaft auf; sucht den Umgang mit gu-ten Menschen; tut immer Gutes; unterscheidet Vergängliches von Un-vergänglichem; seid immer in Gott, denkt mit Gott, schaut mit Gott und weiht Gott all euer Tun. Betrachtet alle Menschen als Mitglieder der ei-nen göttlichen Familie, und betrachtet euch als Sachwalter. Stellt euren Reichtum und eure Talente in den Dienst eurer Mitmenschen. Lasst kei-ne Gelegenheit aus, Anderen zu helfen, und seid immer mitfühlend. Ge-rade die Studenten müssen in besonderer Weise dazu bereit sein, Men-schen in Not zu helfen. Gott braucht heutzutage gute Menschen. Strebt alle danach, aufrichtig zu sein in Gedanken, Worten und in eurem Tun. Dann braucht ihr Gott nicht zu suchen. Er wird euch finden.

Entwickelt allen Menschen gegenüber Gefühle der Brüderlichkeit. Zur Verdeutlichung gebe ich euch ein Beispiel aus dem Ramayana. Einst machten vier junge Brüder ein Ballspiel. Als das Spiel beendet war, lief Rama zu Kausalya, seiner Mutter, und setzte sich auf ihren Schoss. Kausalya sah, dass er voller Freude war und fragte ihn nach dem Grund. Rama erklärte ihr, dass er so glücklich sei, weil Bharata das Spiel gewonnen habe. Kausalya sah in dieser Freude über den Erfolg des jüngeren Bruders ein grossartiges Beispiel brüderlicher Liebe. Kurz darauf kam auch Bharata zu Kausalya. Weil er traurig aussah, fragte ihn Kausalya nach dem Grund für seine Trauer, denn er hatte doch das Spiel gewonnen. Bharata sagte: „Als ich das Spiel schon fast verloren hatte, liess Rama mich gewinnen, indem er absichtlich verlor. Ich bin traurig, weil mein älterer Bruder das Spiel verloren hat und zwar mei-netwegen.“ Was für ein gutes Beispiel brüderlicher Liebe! Wenn der äl-tere Bruder auch das Spiel verloren hat, sollte er sich über den Erfolg des anderen freuen. Das sollen wir aus Ramas Geschichte lernen. Die-se vier Brüder waren sich damals in brüderlicher Liebe zugetan. Heut-

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zutage gehen Brüder vors Gericht, um ihre Streitigkeiten zu schlichten. Das ist nicht gut.Brüder sollten sich lieber einig sein und freundschaftlich miteinander leben. Das Beispiel brüderlicher Liebe, wie es das Ramayana erzählt, sollte Vorbild sein für die Menschen heute. Studenten, setzt euch ein für das Wohlergehen der Gesellschaft. Kommt Gott näher durch Liebe.

(Ansprache in der Purnacandra Halle am 17. Februar)

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18. Februar

Ehrt das glorreiche Erbe Indiens

Mögen alle Menschen glücklich werdenMögen alle Menschen ohne Krankheit sein

Mögen alle Menschen Schönes sehenMöge Niemand im Unglück sein

Verkörperungen der Liebe!

Das wichtigste geflügelte Wort der indischen Kultur sagt, dass alle Men-schen Glück und Wohlstand geniessen sollten. Bharat (Indien) ist die Geburtsstätte von Spiritualität, Nächstenliebe und Rechtschaffenheit. Es ist bekannt für seine Hingabe an Frieden und Sicherheit. Das in In-dien praktizierte Festhalten an der Wahrheit konnte in keinem anderen Land gefunden werden. Indien hat die unsterblichen Sieben Weisen hervorgebracht. Es ist die Geburtsstätte des ersten unter den Dichtern, Valmiki, dem Urheber des Epos Ramayana, und des Weisen Vyasa, der die Veden systematisch geordnet hat.Indien ist das Land, in welchem Rama die Herrschaft der Rechtschaf-fenheit einführte. Indien ist das heilige Land, in dem Krishna die Bha-gavadgita verkündete. Dies ist das Land, welches durch das Kommen Buddhas geheiligt wurde. Diesem Land gehört der Ruhm, Zeuge der vielen Inkarnationen des Herrn zu sein. Leider erkennen die Inder die heilige Grösse ihres Landes nicht. Indien war einmal das Land, in dem es Niemanden gab, der nicht Nächstenliebe und Rechtschaffenheit ausübte. Diese beiden Tugenden machten den grössten Reichtum der Nation aus. Die Inder sprachen ein Gebet vor jeder Tätigkeit, so un-bedeutend sie auch sein mochte.Die jungen Burschen und Mädchen von heute sind die Erben dieser heiligen Güter. Die heutigen Inder, ob jung oder alt, sollten bestrebt sein, dieses Erbe zu erhalten. Seit alter Zeit war Indien führend in der Spiritualität und hat der übrigen Welt die Botschaft des Friedens und der Wohlfahrt verkündet. Damals und heute lautet das indische Ideal: „Lasst alle Völker aller Länder glücklich sein.“

Die Inder lassen sich dieses grosse, heilige und wertvolle Erbe ent-gleiten. Sie streben nach rein weltlichem und materiellem Gewinn.

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Die Inder sollten erkennen, dass, genau so, wie der Körper nur so lange gesund sein kann, wie das Blut rein ist, sie wahre Glückseligkeit nur erleben können, so lange ihr Geist mit Gedanken an Gott erfüllt ist. Glückseligkeit ist nicht etwas Abgesondertes. Solange erhabene Ge-danken, edle Gefühle ihre Herzen füllen, werden sie Glückseligkeit er-fahren. Jeder Gedanke hat seinen Ursprung im Herzen. Wenn das Herz von Liebe erfüllt ist, wird jeder Gedanke und jedes Gefühl liebevoll.Daher sollten die Inder liebevolle Herzen erstreben. Jede Tat, die von Herzen kommt, sollte von Liebe erfüllt sein. Es sollte keine Mühe ge-scheut werden, diese alte Kultur Indiens zu pflegen.

Wenn der Name des Herrn gesungen wird, müssen keine speziellen Regeln befolgt werden. Das Singen wird nicht von Unterschieden des Bekenntnisses, der Rasse oder Religion bestimmt, noch gibt es Alters-grenzen. Es ist mit keiner bestimmten Sprache verbunden. Es ist wie ein Boot, dass von allen und jedem benutzt werden kann. Dieses be-ständige Singen des Namens des Herrn hat Indien durch die Zeitalter hindurch beschützt. Kein anderes Land kann sich auf einen solchen spi-rituellen Reichtum berufen, wie ihn Indien besitzt.Einer der frühesten wissenschaftlichen Forscher im Westen sagte, dass alles Wissen, alle Wissenschaft und alle Weisheit eine Basis habe. „Dieses ist die höchste Wahrheit. Indien ist das Ursprungsland dieser Wahrheit.“ Wahrheit ist Gott. Diese Wahrheit sollte niemals vergessen werden.Forscher andernorts suchten nach der Quelle allen Wissens und aller Weisheit. Sie fanden, dass Indien entdeckt hatte, dass Wahrheit das Fundament allen Wissens sei. Heute stellen die Menschen keine sol-chen Nachforschungen an. Hunderttausende Rupien werden für un-wichtige Forschungen ausgegeben, und Zeit und Energie werden da-bei vergeudet. Das Göttliche kann durch Experimente nicht entdeckt werden. Die verschiedenen Methoden der Hingabe mögen Gott nicht unmittelbar offenbaren, aber sie weisen den Weg zur Gottverwirkli-chung. Die Säure in der Neemfrucht, zum Beispiel, und die Süsse im Zuckerrohr weisen auf die Anwesenheit des Göttlichen hin. Die Basis der mannigfaltigen Naturerscheinungen, - das Funkeln der Sterne, das Kreisen der Planeten, das Feuer der Sonne - ist das Göttliche. Die Natur verkündet, dass Gott ihr innewohnt. Ihr schaut mit Ehrfurcht auf einen Berg. Das ungestüme Strömen eines mächtigen Flusses versetzt euch in Ekstase. Der Anblick eines grünen Waldes entzückt euch. All dies sind Offenbarungen des göttlichen Mysteriums. Alles Schöne in der Na-tur bezeugt die zugrundeliegende Gegenwart Gottes in allen Dingen.

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Was ist die Grundlage für den Menschen? Es ist der Körper. Alle Kräfte sind sowohl ausserhalb wie innerhalb des menschlichen Körpers zu fin-den. Dies ist der Grund, warum die Weisen und die heiligen Schriften den Menschen aufriefen, seine wahre Natur zu ergründen.Was heisst „sein Selbst kennen“? Das wahre Selbst eines Menschen erkennt man nicht, indem man seine Abstammung oder seinen Beruf, seine Staatsangehörigkeit oder Bildung herausfindet. Dies sind alles Eigenschaften, mit denen man eine Person in der Umgangssprache identifiziert. Sie alle sind auf den Körper bezogen. Wenn jemand erklärt, er sei ein Brahmin oder ein junger Mann oder eine Frau, so beziehen sich diese Begriffe auf den Körper. „Erkenne dich selbst“ heisst nicht, alles über den Körper zu wissen. Es ist der innewohnende Geist, der erkannt werden muss. Es genügt nicht, vom Körper Kenntnis zu haben. Ihr müsst den Bewohner des Körpers kennen. Krishna erklärte in der Bhagavadgita: „Wisse, dass ich die Wohnung und der Kenner der Woh-nung bin“. Menschlichkeit besteht in der Einheit der beiden. Der Körper ist unerlässlich, um die Natur des innewohnenden Geistes zu erken-nen. Nur wenn der Körper angemessen gebraucht wird, kann die Natur des innewohnenden Kenners verstanden werden.

Wie sollen die verschiedenen göttlichen Kräfte im Menschen bekannt-gemacht werden? Welches sind die grundlegenden Anforderungen an jeden Menschen? Ein Gemüt süss. wie Honig - wenn diese drei Eigen-schaften entwickelt sind, wird Gott erlebt. Wenn ihr den gegenwärtigen Stand der Dinge prüft, findet ihr einen verschmutzten Geist, ein Herz voller Bitterkeit und eine grobe Sprache. Dies sind nicht die Merkmale wahren Menschseins. Dies sind Zeichen einer grausamen Natur.Daher sollte jeder die nektargleiche Süsse der Sprache, ein mondgleich angenehmes Herz und ein reines, buttergleiches Gemüt pflegen. Dies sind die Merkmale der im Menschen verborgenen Gottheit.Der Königsweg zur Verwirklichung dieser innewohnenden Göttlichkeit ist Spiritualität. Gott kann auf jedem beliebigen Weg verwirklicht wer-den. Die heiligen Schriften weisen auf neun Wege der Hingabe als Wege zur Gottverwirklichung und zeigen, dass das Singen des Na-mens des Herrn der einfachste Weg ist. Welche Form der Verehrung, Busse oder Meditation einer auch wählt, das Fundament ist der Name des Herrn. Der ganze Rigveda (ric: Hymne; veda: Wissen) ist voll vom Namen des Herrn. Der Yajurveda (Veda der Opfersprüche) ist ein Kom-pendium von Mantren (heilige mystische Formeln). Der Samaveda (Ve-da der Lieder) ist von Melodie erfüllt. Das menschliche Herz ist eine Kombination aus Musik, Mantren und Namen des Herrn.

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Der Körper ist ein Instrument (yantra). Der Lebensatem ist ein Mantra. Das Herz ist ein feines Gewebe (tantra). Welcher ist der Mantra, der im Lebensatem enthalten ist? Es ist „So‘ham“ (Er ist ich). Der Mantra „So‘ham“ wird mit jedem Atemzug gesungen. „So...” (Er) erklingt, wenn Luft eingeatmet wird. „Aham“ ist der Klang, der entsteht, wenn die Luft ausgeatmet wird. Das Herz verkündet diesen heiligen Mantra mit jedem Atemzug. Um diesen Mantra aussprechen zu können, ist der Körper unerlässlich. Wenn nur der kleinste Teil des Körpers krank ist, wird das ganze System krank, genauso wie eine fehlerhafte Schraube oder Mut-ter eine Rakete ausser Betrieb setzen kann.Alle Organe im menschlichen Körper sollten funktionstüchtig erhalten werden. Nur dann ist es möglich, von der menschlichen zur göttlichen Ebene emporzusteigen. Wie soll man das fertig bringen? Indem man jede Tätigkeit dem Herrn weiht. Das Leben ist ins Göttliche erhoben, wenn jede Tätigkeit mit dem Bewusstsein getan wird, dass sie dazu dient, den Herrn zu erfreuen. Niemand braucht irgendwelche seiner täglichen Pflichten oder Tätigkeiten aufzugeben. Es ist nur nötig, jede Einzelne im Geist der Hingabe an den Herrn auszuführen.

Verkörperungen der Liebe! Für alles, was ihr erreichen wollt, ist Ver-trauen oder Selbstvertrauen lebenswichtig. Vertrauen ist grundlegend für den spirituellen Fortschritt, wie das Atmen zum Leben unerlässlich ist. Was wir heute sehen, ist Hingabe ohne Vertrauen. Ein bekanntes Sprichwort sagt, dass ein Ochse ohne Joch, ein Pferd ohne Zaum, ein Auto ohne Bremsen und ein Geist ohne Beherrschung der Sinne ge-fährlich und nutzlos sind.Den Namen des Herrn zu singen ist wichtig, wenn man den stürmischen Ozean des Lebens überqueren will. Es ist das Boot, das euch über das tiefste Meer tragen kann. Während man den Namen des Herrn singt, sollte man ruhig, vollkommen selbstlos und reinen Herzens sein. Zur-schaustellung und Egoismus sollten vermieden werden.Jede der neun Formen der Hingabe (vom Zuhören bis zur völligen Er-gebung) kann man mit reinem Gemüt und selbstlosem Geist befolgen. Beim Bhajansingen sollte es weder Konkurrenzdenken noch Kritteleien an den Anderen geben. Die ganze Aufmerksamkeit soll auf den Namen und die Form gerichtet sein. Im Eiserenen Zeitalter (Kaliyuga), dem Unsrigen, ist das Singen des Namens des Herrn das Allheilmittel. Im Goldenen Zeitalter (kritayuga) war es Meditation. Im Silbernen Zeitalter (Tretayuga) war es das Opfern. Im Kupfernen Zeitalter (Dvaparayuga) war es die Anbetung von Gottesbildnissen. In unserem Zeitalter braucht es ausser dem Singen von Gottes Namen keine weiteren Mittel zur Er-

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lösung des Menschen. Den Namen des Herrn könnt ihr auf Reisen sin-gen, vor dem Schlafengehen oder während irgendeiner eurer alltäg-lichen Arbeiten. Dieser leichte, geheiligte Weg wurde für die Menschen des Eisernen Zeitalters vorgeschrieben.

Heutzutage habt ihr alle möglichen Annehmlichkeiten. Ihr habt Kran-kenhäuser, Schulen und andere Institutionen zu euren Diensten. Das Einzige, was den Menschen fehlt, ist Gottvertrauen. Was nützt es, all das Andere zu haben? Entwickelt Gottvertrauen.Es ist die Pflicht der Studenten und Schüler, Jungen und Mädchen, die alte Kultur zu pflegen, die unser kostbares Erbe ist. Ihr seid die Erben dieser Kultur. Ihr müsst in alle Lebensbereiche der Welt eindringen und ihnen Spiritualität einflössen. Junge Menschen opfern ihr Leben in sinn-losen Konflikten. Die Menschlichkeit ist auf einem niedrigen Niveau. Überall erheben sich dämonische Neigungen. Die jungen Menschen sollten diesen Mächten entgegentreten und die Kultur und menschli-chen Werte Indiens aufrechterhalten.Wenn ihr den Geist der spirituellen Einheit aller Menschen entwickelt, werden die Konflikte von heute verschwinden. Uneinigkeit ist allgegen-wärtig geworden. An der Wurzel alldessen ist der Verlust des Gottver-trauens. Befreit euch von Eifersucht und Egoismus. Dann werdet ihr das Göttliche erfahren.

Der alle Formen trägt, der FriedvolleDer alle Namen trägt, der Gütige

Dessen Form Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit ist,der ohne ein Zweites ist.

Alle Formen des Herrn sind friedvoll. Unter welchem Namen auch im-mer Gott in unserem Herzen verehrt wird, es ist Shiva. Der eine ohne einen Zweiten, dessen Gestalt Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit ist. Wenn sich das Unveränderliche (sat) mit dem totalen Bewusstsein (cit) vereint, habt ihr Glückseligkeit. Es ist wie die Vereinigung von Zucker und Wasser, die Sirup ergibt.Die Bhagavadgita hat erklärt, dass das eine Göttliche als Bewusstsein in allen Wesen gegenwärtig ist, wie der elektrische Strom, der eine Viel-falt von Glühbirnen zum Leuchten bringt. Sich dieser Einheit bewusst zu sein, ist die höchste Offenbarung von Liebe.

Verkörperungen der Liebe! Ihr habt keine Ahnung von der Grösse In-diens als Land der Weisheit, des Yoga, der Werte und der edlen Taten.

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Viele Ausländer haben sich schon gewünscht, in diesem heiligen Land geboren zu sein und zu sterben. Der grosse Gelehrte Max Müller wollte in Indien wiedergeboren werden. Er war ein so grosser Sucher, dass man ihm den Namen „Moksha Mula“ (einer, der in der Befreiung wur-zelt) gab. Er studierte die Veden eingehend. Für ihn war jeder Brocken Erde in Indien heilig. Alles in Indien sah er als göttlich an. Leider haben Inder in Indien nicht das gleiche Gefühl für ihr Heimatland. Ausländer machen diese glückselige Erfahrung und erleben eine grosse Ver-wandlung.Veränderung ist überall ein Dauervorgang. Ein Samen wächst zu einem Baum, aus dem Ei wird ein Küken. Nur dem Menschen gelingt das Wachsen zum Göttlichen nicht. Statt dessen verfällt er in den dämo-nischen Zustand. Das ist nicht richtig. Die Menschheit sollte vorwärts schreiten vom Menschlichen zum Göttlichen. Vom Tier kommend, zum Menschen geworden, sollte sich die Menschheit zur Göttlichkeit erhe-ben.

Verkörperungen der Liebe! Mit welcher Lage ihr euch auch immer kon-frontiert seht, lasst nie Raum für religiöse Meinungsverschiedenheiten. Ob Allah, Krishna oder Jesus, Gott ist eins. Der eine Herr hat unzählige Namen. Das Ziel ist eins. Denkt nicht „meine Religion“ und „seine Re-ligion“. Betrachtet alle Glaubensbekenntnisse als eins. Überschreitet beengende Vorstellungen von Glaube und Nationalität. Pflegt das Ge-fühl der Einheit der ganzen Menschheit. Das ist es, was ihr an dem hei-ligen Anlass von Shivaratri entwickeln sollt. Shivaratri kommt einmal im Jahr. Aber die günstigen Eigenschaften in euch sind immer da. Das ständige Wiederholen des Namens des Herrn, immer und überall, ist die Botschaft von Shivaratri. Ich segne euch alle, damit ihr durch Hin-gabe an Gott und das Festhalten an rechtschaffenen Gedanken und Taten Gott verwirklichen könnt.

(Ansprache in der Purnacandra Halle am 18. Februar)

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20. März

Lasst Alle ihre Pflicht erfüllen

Derjenige, der Vishnu preist,welcher ohne Anfang und Ende ist,

welcher der Herr aller Welten ist und über diese wacht,der möge für immer alles Unglück überwinden.

Verkörperungen der Liebe!

Anadini dhana ist ein Name, der Gott in Bezug auf die Zeit zugeordnet wird. Sarvaloka Maheshvara bedeutet, dass Gott der erleuchtende oberste Herr aller Welten ist. Er ist der oberste Herrscher des Kosmos. Wer ist Er? Er ist die Sonne. Zeit ist geprägt durch die Sonne. Daher ist die Sonne die sichtbare Manifestation Gottes. Er ist die Lichtquelle, die für alle Nationen, alle Glaubensrichtungen und alle Menschen gleich ist. Daher verehrte Adi Shankaracarya die Sonne als die füh-rende Gottheit für das Jahr, als den obersten Herrn der Zeit. Da der Herr die wahre Seele der Zeit ist, beschrieb Adi Shankaracarya ihn als ehrfurchtsvolle Verneigungen vor dem Geist der Zeit.Zeit ist höchst wertvoll im menschlichen Leben. Noch wertvoller als Zeit ist Leben. Der Mensch ist bestrebt viele Dinge zu erreichen, ohne dabei Rücksicht auf sein Leben zu nehmen. Wie gross auch immer seine Lei-stungen sein mögen, der Mensch ist getrieben von dem Verlangen, noch mehr zu erreichen. Diese Unzufriedenheit ist in sich eine Quelle für menschliche Befriedigung.Jeder Mensch hat ein Herz. Jedes Herz ist erfüllt von Mitgefühl. Wie viele jedoch entscheiden sich, dieses Mitgefühl mit Anderen zu teilen? Mitgefühl für zehn andere im Herzen zu zeigen, wird als Hingabe cha-rakterisiert. Jemand, der kein Mitgefühl für Andere hat, kann nicht als menschliches Wesen bezeichnet werden. Heutzutage ist das mensch-liche Herz, das voll von Mitgefühl sein sollte, steinhart geworden. Das ist das Unglück des Menschen. Was ist der Grund dafür? Dies ist so, weil das Herz aufgrund der unterschiedlichen Kasten, Religionen und Nationalitäten voll Bitterkeit ist, so dass es steinern geworden ist. Alle menschlichen Wesen gehören einer Kaste, einer Gemeinschaft, einer Nation an. Alle sind Verkörperungen des Göttlichen. Krishna erklärte in der Bhagavadgita: Alle Wesen in der Welt sind ein Teil von meinem

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Selbst. Es ist tragisch, dass der Mensch seinen göttlichen Kern ver-gessen konnte und sich wie ein Dämon verhält.

Welche Bedeutung hat der Beginn des neuen Jahres? Es ist nicht not-wendig, zwölf Monate auf das neue Jahr zu warten, damit jemand das tun kann, was er tun möchte. Das Jahr besteht aus Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen und Monaten. Jede Sekunde ist ein neuer Moment im eigenen Leben. Warum dann ein Jahr lang warten? Jeder sollte in jeder Sekunde seines Lebens danach streben, anderen Menschen zu helfen und ein edles und vorbildliches Leben zu führen. Es ist für den Men-schen notwendig, die Wahrheit zu verstehen, die dieser Aussage zu-grunde liegt. Das Auge sieht verschiedene Personen, die in unter-schiedlichen Beziehungen zu einer Person stehen: die Mutter, die Tochter, die Schwiegertochter usw. Obwohl das Auge das sieht das-selbe ist, so sind die Personen die gesehen werden verschieden, und das eigene Verhalten sollte den verschiedenen Beziehungen entspre-chen.

Die Unterscheidung zwischen dem Scheinbaren und dem Wirklichen sollte richtig verstanden werden. Zum Beispiel ist es offensichtlich, dass die Sonne im Osten „aufgeht“ und im Westen „untergeht“. Aber die Wahrheit ist, dass die Sonne stillsteht und weder auf- noch untergeht. Das Phänomen von Tag und Nacht sowie der scheinbare Sonnenauf- und -untergang haben ihre Ursache in der Drehung der Erde um sich selbst bei einer Geschwindigkeit von 1‘000 Meilen pro Stunde.Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Wahrheit, Falschheit und scheinbarer Tatsache ist nicht allein auf natürliche Erscheinungen be-grenzt. Sie ist gleichsam bedeutend in der spirituellen Sphäre. Die Su-che nach der Wahrheit auf spiritueller Ebene liefert Beweise für die Exi-stenz Gottes. In jedem Menschen leuchtet fortwährend in jedem Mo-ment ein göttlicher Funke. Der Mensch ist keineswegs für einen ego-istischen Zweck geboren worden. Er muss danach streben, mit Anderen ein vorbildliches Leben zu führen.In der Welt herrscht heute überall Unruhe. Was ist der Grund für diese Unruhe? Der Beginn des neuen Jahres wird von den Menschen mit Be-sorgnis gesehen. Man fragt sich, ob der Welt Katastrophen und Un-glück bevorstehen könnte. In fast jedem Bereich findet ein ständiger Wandel statt, allein der Geist des Menschen hat sich keiner Transfor-mation unterzogen. Vergnügen und Schmerz sind nicht die Resultate von Zeit. Das Jahr ist nicht verantwortlich für Freude und Kummer. Die Handlungen der Menschen sind allein verantwortlich für die guten und

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schlechten Dinge, die sie erfahren. Das Jahr bringt nicht irgend etwas Böses mit sich. Viele Menschen stellen sich vor, dass das neue Jahr Unheil mit sich bringen könnte. Das Jahr ist Teil der sich immer wie-derholenden Erscheinung von Tag und Nacht. Daher bringt die Zeit nicht irgend etwas Gutes oder Schlechtes mit sich. Nur menschliche Handlungen sind verantwortlich für diese Reaktionen. Gute Taten er-zeugen gute Resultate, und schlechte Handlungen haben schlechte Auswirkungen. Was ihr sät, werdet ihr ernten.

Gutes und Schlechtes geschieht im üblichen Verlauf nacheinander. Ein neues Jahr ist nicht verantwortlich für irgend etwas Aussergewöhnli-ches. Der Jahreskalender jedoch weist auf einige Veränderungen hin als Folge der Planetenbewegung und der Planetenstellung zueinander. Der Hindu-Almanach verweist auf fünf Faktoren: den Wochentag, die Mondphase, die entsprechende Konstellation, die Gunst oder Sonsti-ges des einzelnen Tages und die Ursache. Die Prophezeiungen im Al-manach haben keinen Bezug zu dem, was irgendeiner bestimmten Per-son passieren könnte. Die Verantwortlichen für den Almanach geben ihre eigenen Interpretationen der astrologischen Aspekte.Grundsätzlich gilt, dass Jemand mit einem festen Glauben an Gott, mit Vertrauen der Zukunft entgegentreten kann. Da bleibt kein Raum für Zweifel darüber, wer Gott ist und wo er gefunden werden kann. Gott ist die Kosmische Form. Das ganze Universum ist die Manifestation Gottes. Was lehrt Gott? Die Lektionen für die Menschheit werden von der Natur vermittelt. Die Erde, zum Beispiel, dreht sich um sich selbst in einer Geschwindigkeit von 1‘000 Meilen die Stunde. Das geschieht ununterbrochen. Diese Drehung der Erde verursacht Nacht und Tag. Das ermöglicht dem Menschen, Zeit für die Arbeit und Zeit zum Aus-ruhen zu haben. Darüber hinaus läuft die Erde um die Sonne mit einer Geschwindigkeit von 66‘000 Meilen in der Stunde. Dieser Lauf der Erde ist verantwortlich für den Wechsel der Jahreszeiten. Der Jahreszeiten-wechsel verursacht Regenfälle, ermöglicht den Anbau der Ernte und hilft den Menschen, in Komfort zu leben. So ist die Erde die sichtbare Manifestation Gottes. Die Leute des Altertums priesen die Erde aus die-sem Grund als Heilige Mutter Erde. Alle wesentlichen Lebensbedürf-nisse werden von der Erde erfüllt. So lehrt die Erde den Menschen, dass sie ihre Pflicht tun sollen, genauso wie die Erde selbst ihre Pflicht erfüllt.

Der Mensch sollte sich ganz dem Tun widmen. Heutzutage erfüllt er dieses Prinzip nicht. Wie kann er dann die Früchte erwarten? Die Men-schen müssen arbeiten. Sie müssen gute Taten verrichten und gute

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Resultate erzielen. Sie müssen die Früchte ihrer Arbeit mit Anderen tei-len. Dies ist die erste Pflicht des Menschen. Wenn jeder seine Pflicht erfüllt, wird es in der Welt keinen Raum für Konflikte geben. Dies ist die Lektion, die uns die Erde lehrt.Pflicht ist am wichtigsten. Der Rechtsanwalt sollte seine Pflicht tun. Der Arzt, der Bauer, der Verwalter, der Geschäftsmann, jeder sollte seine jeweilige Pflicht erfüllen. Wird dies getan, wird die Welt keine Probleme haben. Jeder sollte bei der Ausübung seiner Pflichten Vortrefflichkeit anstreben. Dann wird das Land reich und glücklich sein. Heutzutage verrichten nur Wenige ihre Pflicht richtig. Anstatt die eigene Arbeit zu tun, mischen sie sich in die Arbeit anderer Leute ein. Sie versäumen es, ihre Arbeit zu tun und verderben die der Anderen.Das Jahr ist nicht verantwortlich für die Unruhen in der Welt. Mensch-liche Handlungen allein sind verantwortlich. Jeder sollte danach stre-ben, gut zu arbeiten und gute Resultate zu erzielen. Jedem stehen vier-undzwanzig Stunden zur Verfügung. Wenn davon sechs Stunden für Schlaf, sechs Stunden für die eigenen privaten Belange und sechs Stunden für den Beruf genutzt werden, bleiben immer noch sechs Stun-den übrig. Wie verbringt man diese? Man sollte sie nutzen, um sozialen Dienst zu leisten. Man muss mit göttlichen Taten beginnen. Beim au-genblicklichen Stand der Welt werden die Bedingungen sich ver-schlechtern, wenn die Menschen nicht anfangen, göttliche Taten zu verrichten.

Heutzutage haben die Menschen die spirituellen, moralischen und die ethischen Aspekte des Lebens vergessen. Sie sind in weltliche Be-schäftigungen verstrickt, um sich weltliche Vorteile zu sichern. Es zeugt nicht von Grösse diese Dinge zu erreichen. Einmal fragte Adi Shanka-racarya seine Schüler, was das Kennzeichen von Grösse sei. Jeder Schüler gab seine eigene Antwort. Ein Schüler sagte, dass der Mann, der in einer Schlacht grosse Siege erringen würde, ein grosser Mann sei. Ein anderer Schüler sagte, dass ein Mensch, der viele Mühen und Schwierigkeiten durchmacht und grosse Reichtümer scheffelt, gross sei. Ein anderer sagte, dass ein grosser Mann derjenige sei, der mit entschlossenem Einsatz das erreiche, was er zu erreichen suche. Sei-ne Flagge über ein Gebiet zu setzen oder einen gewaltigen Ozean zu durchqueren wurden als Kennzeichen von Grösse erwähnt. Schliesslich gab Adi Shankaracarya die Antwort, dass der allein gross sei, der seinen Geist beherrscht. Alle anderen Errungenschaften haben keine Bedeutung. Jede Handlung wird geheiligt, indem man sie Gott darreicht. Adi Shankaracarya erklärte, dass derjenige, der in der Kon-

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templation des Höchsten Selbst vertieft ist, höchstes Glück erfährt, un-geachtet aller anderen Handlungen (Swami sang eine Strophe aus der Bhaja Govindam, Hymne von Adi Shankaracarya). Adi Shankaracarya ermahnte den Devotee, Gott anzubeten, in welcher Situation auch im-mer er sich befände, ob in einer Menschenmenge, während er etwas geniessen würde oder in jeder anderen Situation. Diese Erfahrung des Göttlichen ist sein wahrer Reichtum.So ist es erforderlich, jede Handlung als eine Opfergabe an Gott aus-zuführen. Der Impuls für jede Tat kommt vom Herzen, unabhängig da-von, ob sie gut oder schlecht ist. Das Herz ist der Wohnort des Herrn. Daher sollte jeder Gedanke, der vom Herzen herrührt und jede Hand-lung, die ihm entspringt, als eine Darreichung an das Göttliche betrach-tet werden.

Heutzutage ist die Gesellschaft von Konflikten und Streitigkeiten zer-rissen, da die Handlungen der Menschen von familiären und besitz-strebenden Angelegenheiten bestimmt werden. Die Menschen spre-chen über Einheit, aber es gibt keine Einheit.Zum Beispiel gibt es verschiedene Bundesstaaten im Land. Für Men-schen ist es natürlich, einen besonderen Bezug zu ihrem jeweiligen Staat - Karnataka, Tamil Nadu, Andhra Pradesh usw. - zu haben. Aber sie sollten sich alle als Kinder des einen Gottes betrachten. Alle Staaten sollten glücklich sein. Wenn diese umfassende Sichtweise entwickelt wird, gibt es keinen Raum für Differenzen zwischen den Bundesstaa-ten.Der Name des neuen Jahre ist Dadru. Das bedeutet Opfergeist. Die Schriften haben erklärt, dass Opferbereitschaft das einzige Mittel ist, um Unsterblichkeit zu erreichen. Die Menschen sollten ihre Opferbe-reitschaft entwickeln. Damit werden sie den Namen des neuen Jahres bedeutsam machen.Die Menschen sollten ihren Mitmenschen gegenüber Mitgefühl zeigen, indem sie engstirnige Vorstellungen und Gefühle aufgeben. Mitgefühl ist das Kennzeichen von Hingabe. Niemand kann hoffen, Gott zu ge-fallen, ohne seinen Mitmenschen gegenüber Mitgefühl zu zeigen. Ein liebendes Herz ist der Tempel Gottes. Gott kann nicht in einem Herzen ohne Mitgefühl wohnen.Gott ist eins. Das Ziel ist eins. Die Menschen müssen ihre Einstellung ändern. Sie müssen allen gegenüber Liebe entwickeln. Es gibt nichts Grösseres in der Welt als diese universelle Liebe.Es gibt heutzutage in der Welt viele hochangesehene Gelehrte und In-tellektuelle, die darin erfahren sind, die Vielfalt in der Welt zu sehen.

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Aber warum versuchen sie nicht, die Einheit zu sehen, die dieser Vielfalt zugrunde liegt? Allein Diejenigen sind gut, welche die Einheit in der scheinbaren Vielfalt sehen. Aber Diejenigen, die nur die Vielfalt in dem Einen sehen, sind lediglich kluge Intellektuelle.Die Einmaligkeit eines jeden Wesens ist eines der Wunder der Schöp-fung. Nicht zwei Menschen sind völlig gleich. Selbst unter Zwillingen gibt es Unterschiede. Menschen unterscheiden sich auch durch ihre Talente. Aber es sollte erkannt werden, dass alle Talente vom Göttli-chen abstammen.Wie sollen wir die Einheit in der Vielfalt erkennen? Geburt und Tod sind allen Wesen gemeinsam. ob Jemand ein Millionär ist oder ein Armer, beide sind aus dem Schoss ihrer Mutter geboren. Hunger und Durst sind für alle gleich. Die Art der Nahrung, die gegessen wird, mag ver-schieden sein, aber Hunger ist für alle der Gleiche. Ebenso ist Durst allen gemeinsam. Diese grundlegenden gemeinsamen Erfahrungen weisen auf die Einheit hin, die der Vielfalt zugrunde liegt. Die Upani-shaden haben die spirituelle Einheit aller Wesen betont. Die Lebens-kraft ist ein und dieselbe in Allen. Der Atman ist derselbe in allen. Wie dann, könnte man fragen, gibt es Unterschiede in den Körpern? Diese Unter-schiede sind das Ergebnis der unterschiedlichen Gedanken, Ge-fühlen und Handlungen der betreffenden Individuen. Der innewohnen-de Geist ist für jeden derselbe.Indem die Menschen Bindungen an Personen und Besitztümer ent-wickelten, erschufen sie die Ursachen für ihre Sorgen. Indem sie ihre Bindungen verringern und Liebe für Gott entwickeln, können sie ihr Elend verringern und ihr Glück erhöhen. Je mehr sie Gott lieben, desto mehr Glückseligkeit werden sie erfahren. Die Menschen haben sich ins Unglück gestürzt, weil sie nach dem Physischen Verlangen haben, an-statt sich nach Gott zu sehnen. Wenn die Menschen ihren Wunsch nach materiellen Gegenständen in den Wunsch nach dem Höchsten um-wandeln, werden sie immenses Glücklichsein erfahren. All das ist für sie notwendig, um das Göttliche in allem in der Welt der Erscheinungen zu sehen. Das wird wahre Hingabe sein; und Arbeit wird in Verehrung umgewandelt. Heiligt jede Handlung.

Die Menschen brauchen über die Zeichen des neuen Jahres nicht un-nötig beunruhigt zu sein. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass einige grosse Veränderungen in der politischen Welt geschehen können. In-terne Konflikte können zunehmen. Es wird keine Knappheit an Nahrung geben. In einigen Teilen des Landes kann es Überschwemmungen und in manchen Gebieten Wirbelstürme geben. Durch die Entwicklung von

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Vertrauen in Gott können einige dieser Katastrophen verhindert oder ihre Verheerungen abgemildert werden. Die Menschen müssen erken-nen, dass sie Funken des Göttlichen sind. Sie müssen heilige Gedan-ken entwickeln und ein ideales Leben führen. Sie müssen versuchen, das Wohlergehen der Gesellschaft zu fördern. Betet für das Wohler-gehen Aller. Die Macht des Gebetes ist unschätzbar. Alle die hier ver-sammelt sind, sollten jeden Tag für das Wohlergehen und das Glück aller Menschen auf der Welt beten. Das ist wahre Spiritualität. Anderen Dienste bis an die Grenzen der eigenen Möglichkeit zu erweisen, ist wahre Spiritualität. Der Körper ist dem Menschen gegeben worden, um Anderen zu dienen. Wenn jemand ein mitfühlendes Herz hat, in der Sprache ehrlich ist, und seinen Körper dazu benutzt, Anderen zu die-nen, braucht er nichts Weiteres, um Erlösung zu erlangen.

Heute ist das Buch „Vision of India“ von Sri Shivraj Patil, Sprecher der Lok Sabha, veröffentlicht worden. Er kommt seit vielen Jahren zu Swa-mi. Er kennt Bhagavan gut und Bhagavan kennt ihn gleichermassen. Er hat ein mitfühlendes Herz. Er ist ruhig und gelassen. Alle sind sich über die Art des Tumults und des Durcheinanders bewusst, die in der Volksversammlung und in der „Königlichen“ Versammlung herrschen. Mitglieder haben nicht gezögert, den Sprecher sogar anzuschreien. Wie Chavan in seiner vorigen Rede bemerkte, kann man bei solchen Anlässen natürlicherweise damit rechnen, dass der Blutdruck des Sprechers steigt. Aber unser Shivraj Patil sprach ruhig zu jedem Mit-glied, indem er jedem passende Antworten gab und dadurch das Ver-trauen aller Sektionen des Hauses gewann. Er hat die Zustimmung aller Parteien gewonnen. Dieser gute Name ist genug. Geboren worden zu sein, verlangt danach, sich einen guten Namen zu verdienen. Gute Ge-danken fliessen aus seinem Herzen. In seinem Buch hat er sich auf alle seine Erfahrungen, Ziele und Hoffnungen bezogen. Sein Buch deckt alle Aspekte seines sozialen, wirtschaftlichen, spirituellen und politi-schen Lebens ab.Es reicht nicht aus, über seine Ideale zu sprechen, man muss sie leben. Heutzutage muss jeder ein mitfühlendes Herz entwickeln und ehrlich in der Sprache sein. Wahrheit ist das Mittel, um Gott zu verwirklichen. Gott ist die Verkörperung der Wahrheit. Wo Wahrheit ist, da ist Gott.

Indien, das in seinen frühen Tagen einen unberührten Glanz erreichte, begründete seine Grösse durch das Festhalten an Wahrheit und Recht-schaffenheit. Die Upanishaden haben erklärt: „Sprich die Wahrheit. Sei rechtschaffen“. Heutzutage müssen die Menschen in ihrem täglichen

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Leben der Wahrheit treu bleiben. Was immer ihr für rechtschaffene Handlungen auch tut, sie sollten im Geist des Opferns verrichtet wer-den. Tätige Nächstenliebe ist der beste Schmuck für die Hand, Wahr-heit für die Kehle und das Hören von heiligen Dingen für die Ohren. Ei-ner so erhabenen Gesinnung lag die unschätzbaren Kultur Indiens zu-grunde. Diese ewigen Wahrheiten werden in dem Wahn nach flüchti-gen Vergnügungen vergessen.

Verkörperungen der Liebe! Das neue Jahr deutet auf nichts hin, das von den gewöhnlichen Leuten gefürchtet werden müsste. Jedoch für solche in hohen Ämtern und für Politiker gibt es Anzeichen für selbst-verschuldete, vernichtende Konflikte. Solche, die ihren Pflichten in ei-nem Geist der Hingabe nachkommen, haben nichts zu befürchten.Betrachtet jeden Moment als neu. Lebt in der Gegenwart. Habt gute Gedanken und verrichtet gute Taten. Kultiviert gute Gesellschaft. Han-delt entsprechend der Stimme eures Gewissens. Das Geheimnis des Glücks liegt in euch, nicht ausserhalb. Betet für das Wohlergehen Aller. Die Sprecher hier baten Swami, der Welt Frieden und Glückseligkeit zu bringen. In der Tat, ihr seid Verkörperungen des Friedens, der Glück-seligkeit und des Göttlichen.Jeder von euch sollte Anstrengungen unternehmen, für sich inneren Frieden zu entwickeln. Dann wird die ganze Welt friedlich sein. Gebt nicht irgendeiner Angst oder Furcht nach. Entwickelt Liebe. Hass er-zeugt Katastrophen. Lasst alle Gefühle von Hass fallen. Mit Liebe wer-den das Land und die Welt gedeihen.

(Ansprache in Brindavan am 28. März)

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28. März

Lasst Rama in eurem Herzen leben

Als der Herr, der Kenner der Veden,als Sohn Dasharathas geboren war,

wurde das Göttliche von Pracetas verwirklicht,indem er das Ramayana schrieb.

Verkörperungen der Liebe!

Das Ramayana-Epos erzählt von Jemandem, der voll der Süsse des Mitgefühls war. Diese Erzählung ist der Königsweg zu menschlicher Weiterentwicklung und einem idealen Leben.Das Rama-Prinzip ist die Kombination des Göttlichen im Menschen mit dem Menschlichen im Göttlichen. Die inspirierende Lebensgeschichte Ramas zeigt uns die drei sich auf Individuum, Familie und Gesellschaft beziehenden moralischen Grundsätze. Damit die Gesellschaft sich in der rechten Weise entwickelt, sollte die Familie glücklich, harmonisch und einig sein. Damit die Familie einig ist, müssen ihre Mitglieder Op-ferbereitschaft besitzen. Die Geschichte Ramas ist ein Beispiel für die moralischen Grundsätze, die den Einzelnen, die Familie und die Ge-sellschaft leiten.Die Lebensgeschichte Ramas erzählt ausgiebig von vielen Idealen. Heutzutage schenken Kinder den Worten der Eltern wenig Beachtung. Auch die Eltern sind nicht sehr daran interessiert ideale Kinder heran-zuziehen. Der geistige Führer geniesst heute keine Achtung mehr. Die Lehrer zeigen wenig Zuneigung für die Studenten. Zwischen den Men-schen gibt es immer mehr Hass und Bitterkeit. Der Freund von heute wird morgen zum Feind. Selbst Verwandte sind ihrer Bande der Zu-neigung beraubt. Dass Verdorbenheit jedes Tätigkeitsfeld - ob Beruf Erziehung, Landwirtschaft, Politik, oder was auch immer - vergiftet hat, hat einen allgemeinen Niedergang der Gesellschaft bewirkt. In jedem Bereich greifen erniedrigende Ideen und Handlungen um sich. In solch einer Situationen schenkt uns das Ramayana Ideale und Vorbilder, um die Gesellschaft zu verbessern.Narayana herrscht über die Welt. Narayana steht unter dem Zauber-bann seines Namens. Sein Name ist unter der Kontrolle des Devotee. Daher sollte jeder Mensch, der seine Ziele erreichen will, die Göttlich-keit anrufen.

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Die Welt befindet sich gegenwärtig in einer ausserordentlich misslichen Lage. Jeder Schritt des Menschen ist von Unredlichkeit befleckt. Falschheit ist allgegenwärtig. Die Menschen haben die grossen Dinge aus den Augen verloren. Alle Begehren entspringen der Selbstsucht und sind unersättlich. Sinneskontrolle ist selten geworden. Die Wahr-heit ist, kurz gesagt, dass die Menschlichkeit abgenommen hat.

Andererseits fällt eine Seltsamkeit auf. Viele Menschen versammeln sich, um spirituelle Reden und Ansprachen gelehrter Wissenschaftler über heilige Themen zu hören. Sie kommen zu Tausenden, hören den Vorträgen zu, erfreuen sich daran, aber setzen keine der Lehren in der Praxis um. Das führt dazu, dass trotz einer Fülle spiritueller Lehren Auf-ruhr und Unruhe vorherrschen, weil nur wenige Menschen anwenden, was sie gelernt haben. Welche Saat wächst in einem verdorrten Fluss-bett? Obwohl der Mensch die innewohnende Göttlichkeit in sich erkannt hat, lebt er nicht gemäss dieser Überzeugung. Lehre ohne Anwendung ist wertlos. Rama ist das höchste Beispiel von Jemandem, der in sei-nem Leben die drei Aspekte von Rechtschaffenheit, bezogen auf den Einzelnen, die Familie und die Gesellschaft, beachtete. Wenn jeder Mensch in diesem Land diese dreifachen Aspekten befolgt, wird die Na-tion Frieden und Wohlstand haben.

Die Sonne erleuchtet am Tage die Welt, während der Mond nachts Licht spendet. Aber Rechtschaffenheit erleuchtet zu jeder Zeit alle drei Wel-ten. Man sagt ein guter Sohn wird ein Leitstern für die ganze Verwandt-schaft. Jeder sollte danach streben, ein guter Sohn zu sein. Es ist nicht genug, Söhne zu haben. Sie sollten gute und würdige Söhne sein. Rama war ein solcher Sohn.So wie eine Jasmin-Ranke einen ganzen Wald mit ihrem Duft erfüllt, so adelt ein edler Sohn nicht nur seine Familie, sondern seine ganze Sippe. Von ihrem Wesen her sind alle menschlichen Wesen gute Söh-ne, aber ihr Verhalten lässt sie zu schlechten Menschen werden.

Der Verfasser des Ramayana wird Pracetas genannt. Wie kam er zu diesem Namen? Pracetas ist der Name des Regengottes Varuna. Der Dichter hiess ursprünglich Ratnakara. Nach seiner Einweihung begann er über den Namen des Herrn zu meditieren und verlor völlig sein Kör-perbewusstsein. Über seinem Körper bildete sich ein Ameisenhügel, so dass er nicht mehr zu sehen war. Da schickte Varuna einen kräftigen Regenguss, der den Ameisenhügel wegspülte, so dass der Weise dar-unter zum Vorschein kam. Weil Pracetas (varuna) dafür verantwortlich

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war, dass der Weise wieder sichtbar wurde, erhielt er den Namen Pra-cetas (der Spross von Pracetas). Da er aus einem Ameisenhügel (val-mika) hervorkam, wurde er auch Valmiki genannt.Pracetas wurde der heilige und unsterbliche Verfasser des Ramayana-Epos, das er der Welt als immerwährende Inspirationsquelle schenkte. Jeder Mensch, der heutzutage Gemüt, Anhaftung und Besitzdenken die ihn verhüllen, ablegen kann, und der beständig über Gott meditiert wird so rein und heilig werden wie Valmiki.Jeder Mensch ist mit einem Geist ausgestattet. Der Geist ist etwas Ge-heimnisvolles. Er kann erscheinen, als ob er völlig still stehen würde und bewegt sich doch schneller als das Licht. Wie viele Geburten ein Mensch auch erdulden mag und welchen Wechsel von Name und Form sich auch ereignen mögen: Der Geist bleibt unverändert. Er folgt einem von Geburt zu Geburt. So ist die eigentümliche Beschaffenheit des Gei-stes. Wie soll man unter solchen Umständen seine Menschlichkeit of-fenbaren? Der Mensch muss dem Beispiel der Honigbiene folgen, die selbst aus einer bitteren Blume süssen Honig saugt. Genauso muss man in dem augenscheinlich Schlechten das Gute suchen. Jedes Übel hat sein Gutes.

Valmiki erklärte, dass er in der menschlichen Gestalt Ramas die Gött-lichkeit sah. Rama, der die Göttlichkeit selbst war, wurde als mensch-liches Wesen angesehen. Gott kann nicht erfahren werden, wenn er nicht in menschlicher Gestalt erscheint. Seine Verkörperung als Mensch ist wesentlich, um Gott erkennen zu können. Daher wird ge-sagt, dass „Gott in menschlicher Form erscheint“.Rama liess zu keiner Zeit verlauten, dass er Gott war. Er erklärte, dass er der Sohn Dasharathas sei. Obwohl in seiner Sprache Menschlichkeit war, besass sie auch das Erleuchtetsein des Göttlichen.Gott ist nicht getrennt vom Universum. Der gesamte Kosmos ist die wahre Form Gottes. Aber der durch seine körperliche Hülle getäuschte Mensch vergisst seine Göttlichkeit.Rama und Krishna werden als Avatare angesehen. Das ist nicht so. Was ihre menschliche Gestalt anging, so waren sie ganz normale Men-schen. Ihr alle seid Verkörperungen des Göttlichen. Versteht diese Tat-sache und stärkt in euch dieses Empfinden. Die Vorstellung, dass Gott sich von euch unterscheidet, sollte aufgegeben werden. Ihr müsst das Empfinden entwickeln, dass Gott nicht verschieden von euch ist.Anlässlich von Ramas Geburtstag begrüssen die Menschen die An-kunft Ramas und gedenken seiner verschiedenen Leistungen. Aber Je-der sollte sich daran erinnern, dass er ein Ebenbild Ramas ist. „Jemand,

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der (andere) anzieht, ist Rama“. In jedem ist diese Anziehungskraft. Aufgrund dieser magnetischen Kraft ist der Mensch fähig, die Welt zu geniessen. Er entwickelt viele weltliche Wünsche. Aber er ist niemals gesättigt. Aus der Unzufriedenheit gewinnt er Zufriedenheit. Das ist ein Zeichen der göttlichen Anziehungskraft. Sie ist unbegrenzt. Jeder kann die Göttlichkeit in sich erfahren.

Seht den Unterschied zwischen Rama und Ravana. Beide besassen hervorragende Geistesgaben und waren grosse Gelehrte. Ravana war ein grosser Mann. Rama war ein guter Mann. Versteht den Unterschied zwischen Grösse und Güte: Ravana missbrauchte aus Egoismus und ungezügelter Begier sein Wissen und führte seinen Untergang herbei. Rama verwendete sein Wissen zum Wohl der Menschen und machte sie glücklich. Ravana hatte sein Wissen nicht recht verdaut und litt folg-lich unter „Verdauungsbeschwerden“. Der Unterschied zwischen Rama und Ravana war der zwischen Rechtschaffenheit und Unrecht-schaffenheit.Rama und Ravana sind in jedem menschlichen Wesen. Wenn eine Per-son zu unrechten Wegen Zuflucht nimmt, wird sie zu einem Ravana. Wenn Menschen dem Pfad der Wahrheit und Rechtschaffenheit folgen, werden sie zu Ramas.Lehre und ihre Anwendung sollten Hand in Hand gehen wie Medizin und Ernährungsvorschrift. Über Gott meditierend sollte man sich gott-geweihten Tätigkeiten zuwenden. Es ist nutzlos, spirituelle Vorträge anzuhören oder sie zu lesen, ohne ein spirituelles Leben zu führen. Rechtschaffenheit besteht darin, gemäss dem Diktat des eigenen Ge-wissens zu leben. Entgegen dem Gewissen zu handeln ist falsch. Um dies zu verstehen, braucht man keine Bücher zu studieren.

Die im Ramayana dargelegten Wahrheiten sind für die ganze Mensch-heit von Bedeutung. Rama steht für den höchstentwickelten Zustand des menschlichen Herzens. Rama ist ein Hort des Mitgefühls. Wo findet ihr solche Wahrhaftigkeit, solches Mitgefühl und solche Gnade? Alle Gedanken kommen aus dem Herzen und führen zu Handlungen. Daher ist das Herz die Quelle aller Gedanken, Worte und Taten. Wie sollte das Herz beschaffen sein? Es sollte voller Mitgefühl sein. Heutzutage hat sich das Böse selbst im Herzen niedergelassen. Das Böse im Her-zen ist verantwortlich für alle üblen Taten und den Mangel an Mitgefühl.Wenn die Menschen gegenwärtig unter Ruhelosigkeit leiden und es ih-nen an Frieden mangelt, so sind für diesen Zustand ihre eigenen Hand-lungen verantwortlich. Weder einem Guru noch irgend Jemand sonst

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kann man dies zur Last legen. Auch die wechselnden Einflüsse inner-halb eines Jahres tragen hieran keine Schuld. Nicht das Jahr ist ver-antwortlich für euer Glück oder Elend. Ihr allein seid verantwortlich für euren Zustand und eure Erfahrungen. Reinigt eure Gedanken. Ver-steht, dass ihr Menschen seid und dass das Göttliche im Menschen wohnt. Der Mensch hat die Wahl, äusseren (weltlichen) Zielen nach-zugehen, oder die Wonne im Inneren zu suchen. Jeder ist verantwort-lich für seinen Zustand. Es ist zu einer schlechten Gewohnheit gewor-den, Anderen die Schuld für die eigene Notlage zu geben. Man muss die eigenen Fehler erkennen. Es gibt keine grössere Sünde, als Andere zu beschuldigen. Man sollte in Anderen das Göttliche sehen. Wenn die-se Haltung zunimmt, wird die Nation gedeihen. Der Mensch hat aus-serordentliche Möglichkeiten - im Bösen wie im Guten. Durch ihre guten Gedanken und Taten können die Menschen den Zustand der Nation verändern.

Es sollte verstanden werden, dass das menschliche Leben nicht von Dauer ist, trotz all der unzähligen wissenschaftlichen und technologi-schen Erfolge, die der Mensch aufzuweisen hat. Jeden kann jederzeit der Tod überraschen. Der Mensch hat alle Fähigkeiten in sich. Jeder sollte diese Wahrheit verstehen. Der Mensch ist entweder der Schöpfer seines Glückes oder der Verursacher seines Ruins. Die Menschen för-dern das Wohl ihres Landes oder ziehen es herab. Wenn Menschlich-keit wächst, wird die Nation blühen.Die Menschen haben auf verschiedenen Gebieten viel erreicht, von der Atombombe bis zur Raumfahrt. Sie haben die Macht erworben, grosse Verheerungen anzurichten. Aber es wird nicht verstanden, dass die ei-gentliche Natur des physischen Körpers vergänglich ist. Die Wahrheit muss erkannt werden, solange der Körper existiert. Ihr müsst ein hei-liges Leben führen.Rama wurde vor vielen Zeitaltern geboren. Er hielt an der Pflicht fest. Später kam Krishna. Er verbreitete grosse Wahrheiten und führte die Pandavas zum Sieg. Er lehrte die Bhagavadgita. Wo sind sie jetzt? Was wurde aus all den stolzen Herrschern der Vergangenheit? Wie viele sind geboren worden und wieder gestorben. Der Tod ist gewiss. Aber bevor das Ende kommt, sollte man ein beispielhaftes Leben führen und der Nation dienen.

Jeder muss erkennen, dass er die Verkörperung des Göttlichen ist. Wir mögen über die Avatare Rama und Krishna sprechen. Aber euer ge-genwärtiger Avatar ist nicht weniger bedeutsam. All jene Avatare ka-

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men, um der Menschheit zu sagen, dass alle menschlichen Wesen Avatare, Verkörperungen des Göttlichen sind. Da sie eine menschliche Geburt angenommen haben, sollten die Menschen sich wie Verkörpe-rungen der Göttlichkeit - wie Wesen, in denen der göttliche Geist wohnt - verhalten. Eure spirituelle Wirklichkeit anerkennend solltet ihr immer in diesem Geist leben.Der Mensch, der sich jeden Tag höher entwickeln sollte, sinkt immer tiefer hinab. Das ist nicht die rechte Art sich zu bilden. Ihr solltet der Göttlichkeit jeden Tag näherkommen. „Ich bin Gott. Gott ist nicht ver-schieden von mir“. Das ist die Überzeugung in welcher der Mensch le-ben sollte.Einige Menschen beten so: „Ich entbiete dem Einen, dessen Verkör-perung die Gestalten aller Götter sind, meine Ehrerbietung“. Wie viele Gottheiten gibt es? Wenn es nicht viele Gottheiten gäbe, wäre das Ge-bet sinnlos. Daher können wir aus dem Gebet den Schluss ziehen: Alle sind Gottheiten. Unsere Vorfahren kannten zehn Millionen Gottheiten. Was bedeutet das? Zu jener Zeit gab es in Indien zehn Millionen menschliche Wesen. Sie betrachteten sie alle als göttliche Wesen. Heute leben in Indien eine Milliarde Menschen. Daher haben wir eine Milliarde göttlicher Wesen in Indien. Wenn wir die Weltbevölkerung be-trachten, so bewohnen gegenwärtig fünftausendsiebenhundert Millio-nen Menschen die Welt. Alle sind göttliche Wesen.Jene Göttlichkeit ist in euch. Was ist die Quelle der Lebenskraft in euch? Heute erschaffen die Menschen Roboter, die wie menschliche Wesen agieren. Aber in ihnen ist kein Leben. Es besteht ein himmelweiter Un-terschied zwischen den von Menschen erschaffenen, künstlichen Ro-botern und wirklichen, lebenden, menschlichen Wesen. Gegenwärtig werden die Menschen von künstlichen Schöpfungen angezogen und sind sich der ausserordentlichen Möglichkeiten, die in menschlichen Wesen schlummern, gar nicht bewusst. Ihr müsst die Möglichkeiten des Menschen schätzen lernen.

Das war die Lektion, die Rama lehrte. Er verehrte seine Eltern. Voller Glauben folgte er ihren Anweisungen. Ungeachtet der Konsequenzen führte er liebevoll ihre Anordnungen aus. Er liebte seine Brüder sehr. Zwischen ihnen herrschten Einigkeit und Harmonie.Nachdem Rama den Wald erreicht hatte, sprach er zu Sumantra, der den Wagen gelenkt hatte, wie folgt: „Mein Bruder Bharata wird mittler-weile nach Ayodhya zurückgekehrt sein. Sage Bharata, dass es in der Familie vollkommene Einigkeit geben, und dass er Kausalya und Su-mitra genauso lieben solle, wie seine Mutter Kaikeyi. Er soll keinen Un-

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terschied zwischen ihnen machen“. Dennoch richtete Bharata, der un-fähig war, den Schmerz zu ertragen, von Rama getrennt zu sein, schrof-fe Worte an seine Mutter. Nicht einmal den Lehrer der Familie - Va-sishtha - verschonte er: Vasishtha kam zu Bharata und sagte zu ihm: „Rama hat sich in den Wald zurückgezogen. Du musst dich auf die Krö-nung vorbereiten. Sowie du bereit bist, werde ich den günstigsten Zeit-punkt für die Feierlichkeiten festsetzen“. Bharata verlor für einen Au-genblick den Respekt, den er dem Wort des Lehrers schuldig war. Rama war Bharatas wahrer Lebensatem. In grossem Schmerz sprach er zu Vasishtha: „Ich soll über ein Königreich herrschen, das Rama in die Verbannung schickte und ganz Ayodhya ins Unglück stürzte? Er-wähne nicht den Namen des Königreiches, das meinen Rama in den Wald gesandt hat. Ich habe keine Verwendung für ein Königreich, das von solch schlimmem Unrecht befleckt ist“. Solcherart war die Liebe zwischen den Brüdern.Einmal, als die Brüder noch Kinder waren, kam Rama voller Freude zu seiner Mutter Kausalya. Kausalya fragte ihn, warum er sich so freue. Rama sagte: „Ich bin überglücklich heute, weil Bharata das Spiel, das wir spielten, gewonnen hat“. Rama erfreute sich an den Erfolgen seiner Brüder. Währenddessen kam Bharata weinend zu Kausalya. Sie fragte ihn: „Bharata! Warum weinst du? Rama ist so glücklich über deinen Sieg“. Bharata antwortete: „Mutter! Ich bin so traurig, weil Rama vor-sätzlich verloren hat, damit ich gewinnen kann“. Der ältere Bruder er-freute sich an dem Sieg des Jüngeren und dieser war bekümmert über seinen Sieg und die Niederlage des älteren Bruders. Welche gegen-seitige Liebe herrschte zwischen diesen Brüdern! Derart war die reine und heilige Einigkeit, die zu jener Zeit zwischen ihnen bestand.

Rama war immer sehr besorgt um das Wohlergehen seiner Untertanen. Er stärkte die Einigkeit im Volk. Das ist die Pflicht eines jeden Einzelnen auf individueller Ebene. Jeder Mensch hat vier Eigenschaften zu ent-wickeln: Ausgeglichenheit, Redlichkeit, Einigkeit und Brüderlichkeit. Wenn Jemand diese vier Qualitäten besitzt, erblüht seine Persönlich-keit. Eine Familie mit solchen Mitgliedern ist ein Gewinn für die Nation.Es genügt nicht, dass die Menschen Ramas Geburtstag feiern und ein-mal im Jahr das Ramayana preisen. Jeder sollte in sich selbst die Ei-genschaften Ramas fördern. Ihr müsst das Empfinden entwickeln, dass Rama in euch ist. Ihr müsst Ramas Göttlichkeit in euch selbst erfahren, gleichgültig, welchen Namen ihr tragt. Vom atmischen Standpunkt aus gesehen, seid ihr Rama oder Krishna.

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Gründet euer Leben nicht auf den Körper. Er ist vergänglich. Der Geist in ihm ist unsterblich. Der Körper ist das Feld der Betätigung. Das Herz ist der Wohnort der Rechtschaffenheit. Das Menschsein ist eine Ver-bindung von Tätigsein und Rechtschaffenheit.

Verkörperungen der Liebe! Erkennt, dass die Göttlichkeit in Jedem ist. Der Mensch hat alle Fähigkeiten: Anziehungskraft, die Fähigkeit, diese Kraft auf Andere zu übertragen und die Kraft eine Quelle der Anziehung für Alle zu sein. Krishna wurde als Verkörperung von Anziehungskraft und Balarama als Verkörperung der Fähigkeit angesehen, eine Quelle der Anziehung für Alle zu sein. Die Verbindung von Beiden führt zu der Verbreitung der göttlichen Anziehungskraft über die ganze Welt. Sam-karsha - einer der Namen Balaramas - bedeutet wörtlich „die Übertra-gung eines Embryo von einem Mutterleib in einen anderen”. Die um-fassendere Bedeutung des Ausdrucks bezeichnet den Umwandlungs-prozess eines Dinges in ein anderes.Welchen Umwandlungsprozess brauchen wir heute? Die Umwandlung des Menschen in die Göttlichkeit. Von diesem Umwandlungsprozess sollten wir uns anziehen lassen. Und dann sollte dieser überallhin aus-strahlen. Das ist die Art spiritueller Praxis, der die Menschen sich hin-geben sollten, und weniger das Versunkensein in das Rezitieren des Gottesnamens und Meditation.Konzentriert euch darauf, die feste Überzeugung zu gewinnen, dass ihr die Göttlichkeit seid. Mit dieser Überzeugung könnt ihr alles errei-chen. Gebt die Bindung an den Körper auf. Selbst Wissenschaftler ver-gessen zuweilen ihr Körperbewusstsein, wenn sie in ihre Versuche ver-tieft sind. Wenn das der Fall ist, warum sollten dann spirituell ausge-richtete Menschen die Anhaftung an den Körper aufrechterhalten, der aus den fünf Elementen besteht und alle möglichen üblen Dinge bein-haltet?

Die heiligen Schriften rufen den Menschen dazu auf, die Bindung an den Körper aufzugeben und sich Gott hinzugeben. Was ist mit diesem „Sich-hingeben“ gemeint? Den Körper zu vergessen und an Gott zu denken, das ist Hingabe. Hingabe besteht nicht darin, dass ihr Gott eu-ren wertlosen Körper und euren vergänglichen Besitz darbringt. Solche Opfer haben für die Göttlichkeit keine Bedeutung. Die Menschen, die nach Tirumala gehen, versprechen Gott alles mögliche, wenn ihre Wünsche erfüllt würden. Bedarf Gott auch nur einer ihrer Opfergaben? Nein. Weshalb sollte Gott eine geschäftliche Beziehung eingehen? Ihr

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müsst das Einssein mit Gott suchen. Wenn ihr euer wahres Selbst ver-wirklicht, wird Gott erfreut sein. Euer Glück ist seine Wonne.Entwickelt daher dieses Empfinden des Einsseins im Geiste. Es ist der Verlust dieses Empfindens der Einheit, der die Wurzel aller Meinungs-verschiedenheiten und Uneinigkeiten der heutigen Welt ist. Ihr müsst nicht nach Gott suchen. Gott ist Wahrheit. Haltet an der Wahrheit fest. Folgt der Göttlichen Ordnung. Die Göttliche Ordnung besteht nicht aus Mildtätigkeit oder dem Geben weltlicher Güter. Sie bedeutet: Reinheit und Einheit von Gedanke, Wort und Tat. Richtet euren Geist auf Gott, und es wird gut um euch stehen. Wenn ihr euren Geist auf die gegen-ständliche Welt richtet, werdet ihr nur Leid erfahren. Der Geist ist der kostbarste Besitz eines Menschen. Ohne ihn hört der Mensch auf, menschlich zu sein. Der Mensch wurde als ein solcher geboren, um sei-ne Pflichten zu erfüllen. Das war die, Wahrheit, die Rama vor Augen führte. Er praktizierte Rechtschaffenheit. Er sagte Bharata, dass letz-terer über das ihm anvertraute Königreich herrschen und ihn seine Pflicht im Walde erfüllen lassen solle. Als Bharata zu bedenken gab, dass das Königreich von dem ältesten Sohn regiert werden solle, er-widerte Rama, dass auch ihm ein Königreich gegeben worden sei, über das er zu herrschen habe. „Der Wald ist mein Königreich. Hier werde ich regieren. Du herrschst über Ayodhya“, sagte Rama. Das heisst, dass es ein Ayodhya im Wald und einen Wald in Ayodhya gibt. „Ver-stehe die Einheit der beiden“, sagte Rama. Solcherart war der Gleich-mut Ramas.Lasst die Menschen das Rama-Prinzip verstehen und ihm gemäss le-ben. Zügelt eure Begehren. Erfahrt zu jeder Zeit die Glückseligkeit des Göttlichen. Das ist wahre Menschlichkeit - sie offenbart sich von selbst, wenn ihr an Gott denkt. Glück ist das Einssein mit Gott. Wie viel Glück-seligkeit könnt ihr erfahren, wenn ihr Gott in euch selbst und in jedem seht! Lasst alle Unterschiede dahinschwinden. Anerkennend, dass die Göttlichkeit in Jedem wohnt, solltet ihr das Prinzip der Liebe nähren und in euren Herzen Mitgefühl entwickeln. Liebe ist Gott. Sie geht über alle menschlichen Beziehungen, die auf Bindung beruhen, hinaus. Entwik-kelt göttliche, selbstlose Liebe, die beständig und unendlich ist. Jeman-dem, der Gott wahrhaft liebt wird kein Kummer widerfahren. Denkt an diesem segensreichen Tag über die heiligen Lehren nach und entwik-kelt den Geist des Einsseins.

(Ansprache in Brindavan am 28. März)

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31. März

Lasst Swamis Worte euer Leuchtfeuer sein

Verkörperungen der Liebe!

Kraft der Sprache kann der Mensch Königreiche erobern. Durch die Sprache verliert der Mensch seinen gesamten Wohlstand. Er findet durch Sprache Freunde und Gleichgesinnte und verliert sie auch durch seine Worte. Durch Worte verliert der Mensch sein Leben. Worte sind die Ursache all dieser Geschehnisse. Die Sprache ist für den Menschen wichtig, sei es, um Verlust oder Gewinn zu erleben, Wohlstand oder Not, Schmerz oder Vergnügen.Das Leben ist äusserst kostbar. Die Zeit ist sehr wertvoll. Das Herz ist sanft. Der Geist ist ein grossartiger Besitz. Obwohl der Mensch mit all diesen wertvollen Dingen ausgestattet ist, verhält er sich wie ein ge-meines, unwissendes und erbärmliches Wesen. Er ist nicht in der Lage zu erkennen, wie selten, süss und glückbringend das menschliche Le-ben ist. Der Grund dafür ist der, dass der Mensch seine göttliche Natur vergisst und sich in weltliche Freuden und Wünsche vertieft.Der Mensch sollte erkennen, dass er der Zeit unterworfen ist und die Zeit weder Reichtum noch Stellung respektiert. Der Mensch widmet sei-ne ganze Zeit weltlichen Bestrebungen und den Forderungen des Kör-pers. Der Mensch erkennt die Bedeutung der Zeit nicht und führt daher das Leben eines Tieres.Das Herz, das von Natur aus sanft und mitfühlend ist, wurde vom Men-schen in einen harten Stein verwandelt. Menschlichkeit sollte sich in einem Herzen, das von Mitgefühl überfliesst, zeigen, doch aus Mitge-fühl wurde Hartherzigkeit.Der Geist ist allmächtig. Er kann ohne Augen sehen, ohne Ohren hören, ohne Zunge sprechen und sich ohne Beine bewegen. Der Mensch ver-sucht, den Geist zu beherrschen, doch er ist ihm untergeordnet. So-lange er vom Geist bestimmt wird, kann er die wahre Natur des Geistes nicht erkennen.

Obwohl Ravana mehr Wissen besass als Rama, erlebte er weder Frie-den noch Glück, denn er praktizierte das, was er gelernt hatte, nicht auf die richtige Art. Rama dagegen war stets voll Glückseligkeit, denn er hatte das Gelernte innerlich völlig verarbeitet und wandte es richtig an.

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Reine Gelehrsamkeit macht aus einem Menschen keinen Gelehrten. Derjenige, der die verschiedenen Wesen mit Gleichmut betrachtet, ist ein wahrer Gelehrter. Wahres Wissen sollte ein fester Bestandteil des eigenen Wesens werden und im Blut als endloser Strom fliessen. Schlecht verdautes Lernen führt zu den Krankheiten Egoismus und Stolz wie im Falle von Ravana.Unglücklicherweise besteht Bildung heute aus Buchwissen, das nur dazu benutzt wird, Prüfungen zu bestehen und das nach Verlassen des Prüfungssaales sofort vergessen wird. Die Menschen, die ihr Wissen nicht zum Wohl der Nation richtig anwenden, hintergehen ihr Volk. Sie sind eine Last für die Gesellschaft und das Land. Welchen Nutzen hat es, mit seinem Abschluss zu prahlen, wenn man ihn nur gemacht hat, um sich damit ein Linsengericht zu verdienen?

In Nordindien lebte einst ein Moslem namens Mansur. Von Kindheit an meditierte er ständig über Gott. Obwohl er aus einer armen Familie stammte, wollten seine Eltern, dass er eine gute Ausbildung bekäme. Doch Mansur besass ein reines, unbeflecktes Herz voll Liebe und er wünschte sich nur, sein wahres Selbst zu kennen. Als seine Eltern woll-ten, dass er in die Schule gehe, fragte er, welchen Sinn es habe, in die Schule zu gehen. Die Eltern sagten, er sollte eine Ausbildung machen, um seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Mansur sagte: „Mut-ter! Muss ich nur studieren, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen? Sind nicht Hunde, Vögel, Ameisen und viele andere Kreaturen in der Lage, ihre Nahrung ohne Bildung zu bekommen? Soll ich mein gött-liches Leben um eines vollen Bauches willen vergeuden?“ Er verliess sein Heim. Er war ein junger Bursche, doch auf seinem Gesicht lag ein Leuchten. Er wollte von niemandem etwas. Die Menschen sahen das Leuchten in seinem Gesicht und gaben ihm aus eigenem Antrieb Dinge. Eine alte Frau bot ihm Essen an. Die Reinheit seines Herzens verhalf ihm zu seiner Nahrung. Seine reine Liebe ernährte ihn.

Wohin er auch ging, verkündete er: „Ich bin Gott. Ich bin Gott.“ Dies entspricht den Aussagen des Vedanta: „Ich bin Brahman” und „Er ist ich“. Einige Menschen spotteten über diese Erklärung. Die Älteren schimpften mit ihm und fragten: „Du kleiner Wicht! Wie kannst du be-haupten, du seiest Gott? Wie kannst du Gott sein?“ Dumme Menschen stellen aufgrund ihrer Unwissenheit und ihres Mangels an Glauben sol-che Fragen in dieser Welt. Mansurs Antwort lautete: „Ich sage dies, weil ich Gott bin. In jedem ist göttliche Energie. Doch nutzen einige Men-

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schen sie für gute Zwecke, und andere missbrauchen sie. Ich nutze sie für gute Zwecke.“ Und er verkündete weiter: „Ich bin Gott. Ich bin Gott.“In der Zwischenzeit kamen die Gelehrten zusammen und meinten: „Wir haben die Veden und alle heiligen Schriften studiert, doch wagen wir es nicht, eine solche Erklärung abzugeben. Wie kommt es, dass ein junger Student umhergeht und eine solche Behauptung aufstellt? Wie kann er dies wagen?“Nicht die Kenntnis der Schriften verleiht den Mut, so etwas zu verkün-den, sondern das Vertrauen des Herzens. Was andere auch sagen mö-gen, man sollte nicht zulassen, dass der eigene Glaube erschüttert wird. Die Studenten sollten solch einen festen Glauben haben.Die Gelehrten versammelten sich und gingen geschlossen zum König, um sich zu beklagen. „Oh König! Dieser Junge beleidigt unsere Ge-lehrsamkeit. Trotz all unseres Wissens können wir nicht sagen, dass wir Gott sind. Doch dieser unwissende Narr geht umher und sagt, er sei Gott. Wie ist dies möglich? Entweder ist er ein Irrer oder ein arro-ganter Bursche.“Die Gelehrten wollten, dass dem ein Ende gemacht werde. Es liegt in der Natur boshafter Menschen, selbst denjenigen, die unschuldig und gut sind, zu schaden. Sie machen keinen Unterschied zwischen den Guten und den Schlechten, wie auch weisse Ameisen nicht zwischen einem teuren Sari und einem zerrissenen Stück Stoff unterscheiden. Menschen, die andere kritisieren, gleichen diesen weissen Ameisen.Als die Gelehrten sich beim König beklagten, befahl dieser, dass der Junge zu ihm gebracht werde. Als der König Mansur zu sich befahl, verkündete Mansur: „Ich bin Gott.“ Der König zog ihn nahe zu sich heran und versuchte, mit sanften Worten auf ihn einzuwirken. „Kind! Du bist ein normales, menschliches Wesen. Du bist unwissend und ungebildet. Du solltest dich nicht rühmen, Gott zu sein.“ Mansur antwortete. „Ich werde es weiter behaupten. Ich verkünde die Wahrheit. Ich bin Gott. Du bist Gott. Alle sind Gott. In allen wohnt der eine Gott. Die Moslems sagen 'Allah ho akbar' (Gott ist gross), die Christen sagen 'Gott ist gross', die Hindus sagen 'So‘ham' (Er ist ich). Gott ist einer. Er ist Brah-man. Er ist der eine Faden, der in allen Wesen ist, die wie die Perlen eines Rosenkranzes sind.“ Auf diese Art diskutierte Mansur immer wei-ter mit dem König. Die Worte des Königs beeindruckten ihn nicht. Er sagte: „Oh König! Du versuchst, mich auf einen falschen Weg zu führen, weg von meinem königlichen Weg. Das ist nicht richtig von dir.“ Und er fuhr fort zu behaupten: „Ich bin Gott.“

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Der König wurde ärgerlich. „Du missachtest meine Worte,“ sagte er. Er liess einen Arzt kommen und befahl ihm, Mansur die Augen auszuste-chen. „Dies wird ihn zwingen, an einem Ort zu bleiben, und er wird an-dere nicht stören.“ Der Arzt entfernte die Augen des Jungen. Doch die-ser rief weiterhin voll Freude: “Ich bin Gott. Ich bin Gott!” Der Junge war frei von Körperbewusstsein. Da liess der König einen Metzger kommen und befahl ihm, die Hände des Jungen abzuhacken. Dieser fuhr fort zu lachen und rief: “Ich bin Gott. Ich bin Gott!”Die Menschen in dem Audienzsaal konnten den schrecklichen Anblick nicht ertragen. Doch auf dem Gesicht des Jungen war kein Zeichen von Schmerz zu sehen. Er lachte weiter. Sein Glaube war unerschütterlich.

Welchen Sinn hat Bildung, wenn es kein klares Ziel gibt? Sind das An-häufen von Wohlstand und das geheime Anlegen von Geld im Ausland der Sinn von Bildung? Nein. Geldverdienen mag notwendig sein, doch sollte es begrenzt sein und das verdiente Geld sollte für gute Zwecke ausgegeben werden.Der König, der die Entschlossenheit Mansurs sah, befahl, dass ihm die Beine abgehackt werden sollten. Nach dieser Verstümmelung starb Mansur. Doch das Blut, das aus seinen gequälten Gliedern floss, ver-kündete: „Ich bin Gott. Ich bin Gott.“ Der Leichnam wurde verbrannt, doch aus seiner Asche ertönte der Ruf. „Ich bin Gott. Ich bin Gott.“Dies geschah vor drei Jahrhunderten in Nordindien. Die Menschen staunten über den Vorfall. Der König verspürte Reue, doch welchen Nutzen hat Reue, nachdem ein schweres Übel begangen worden ist?Ihr solltet nicht auf die Worte von Allen und Jedem achten. Die Stu-denten sollten ihr Unterscheidungsvermögen nutzen und sich von der Stimme des Gewissens führen lassen. Sie sollten die weisen Worte der grossen Heiligen in ihrem Herzen verankern.Die Studenten sollten erkennen, dass Niemand den Folgen seines Han-delns jetzt oder später entgehen kann. Doch Gottes Gnade kann einen Berg von Schwierigkeiten und Sünden überwinden. Warum nehmt ihr nicht die Sai-Medizin, die das Heilmittel für alle Krankheiten ist?

Ihr seid die Nutzniesser einer völlig freien Ausbildung im Sai-Institut. Ihr könnt dem Institut eure Dankbarkeit dadurch erweisen, dass ihr euch wie Menschen mit einem guten Charakter verhaltet. Seid denen gegenüber, die gut zu euch waren, niemals undankbar. Es gibt keine grössere Sünde. Die Sonne, die die Gottheit ist, die über die Augen wacht, bestraft die Undankbaren dadurch, dass sie ihnen das Augen-licht verweigert. Man mag die Folgen seines Handelns entweder sofort

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oder nach einiger Zeit erleben, doch werden sie auf jeden Fall eintreten. Ich erwarte nichts von den Studenten. Ich möchte nur, dass in dem Mo-ment, in dem die Menschen euch sehen, sie in euch das gute Ergebnis des Sai-Instituts erkennen. Ihr sollte nicht durch euer schlechtes Be-nehmen dem Ruf des Instituts schaden. Statt einer weissen Uniform solltet ihr ein weisses und reines Herz haben. Ihr müsst vorbildliche Stu-denten werden.

Die Situation in der Welt ist schrecklich. Selbst Schüler der zehnten Klasse trinken und nehmen Drogen. Die Eltern halten sie nicht davon ab und sind ihnen kein gutes Vorbild. Wenn die Eltern sich streiten, schlagen sich die Kinder. Die Eltern geben den Kindern freie Hand, an-statt sie zu kontrollieren. Die Eltern haben zu dreiviertel Schuld am Fehl-verhalten ihrer Kinder. (Swami erzählte eine Geschichte, wie ein Kind, das eine Mango gestohlen hatte, von seiner Mutter für seine Schlauheit gelobt wurde, wie es zu einem Verbrecher heranwuchs und zum Tod verurteilt wurde. Bevor der Mann gehängt wurde, verlangte er, dass sei-ne Mutter zu ihm gebracht werde und er begann, sie zu würgen und sagte, sie sei dafür verantwortlich, dass er ein Verbrecher geworden sei. Swami erzählte die Geschichte so lebendig, dass alle Zuhörenden tief berührt waren.)Wenn die Eltern zulassen, dass ihre Kinder auf Abwege geraten, wer-den sie irgendwann die Folgen erleiden. Im Eisernen Zeitalter ist es Mode geworden, den Kindern ihren Willen zu lassen. Die Eltern haben Angst, dass die Kinder sonst weglaufen oder Selbstmord begehen. Welche Rolle spielt es, was mit solch charakterlosen Kindern ge-schieht? Heute haben die Eltern nicht mehr diese Art von moralischer Stärke. Sie hören sich weiterhin schlechte Berichte über ihre Kinder an und beenden ihr Leben voller Verzweiflung.

Dank der Gnade des Herrn seid ihr jungen Menschen zu Swami ge-kommen. Vielleicht könnt ihr in eurem jetzigen Alter nicht alles erfassen, was ich gesagt habe. Doch werdet ihr die Wahrheit von Swamis Worten zu gegebener Zeit erkennen. Ihr habt Glück, dass ihr etwas bekommt, was nur wenige haben. Ihr achtet es gering. Ihr missachtet Swamis An-weisungen. Ihr befolgt Swamis Worte nicht.

„Die Menschen hören nicht auf die Worte der Weisen,sondern werden leicht das Opfer schlechter Ratschläge.

Diese Menschen, wie können sie hoffen, Swami zu verstehen?Welchen Sinn hat all ihre Bildung?“

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Sie hören nicht auf guten Rat. Doch schlechten Reden hören sie mit beiden Ohren zu! Wie können sie erwarten, Swami zu kennen? Kann eine Ameise die Tiefen des Ozeans ermessen? Genauso wenig könnt ihr die Wahrheit über Swami erkennen. Doch könnt ihr die Gelegenheit, die sich euch bietet, gut nutzen. „Sai kam zu euch wegen eurer grossen Verdienste. Erhebt euch! Wacht auf!“ „Verdient euch einen guten Na-men“Ihr kehrt für die Ferien nach Hause zurück. Benehmt euch gut. Ver-schafft euren Eltern einen guten Namen. Verdient euch einen guten Ruf in der Gesellschaft. Wenn ihr sonst keine Arbeit habt, dann beteiligt euch an den Seva-Aktivitäten der örtlichen Sai-Organisation. Der Dienst am Nächsten sei euer Motto. Das sollte das Ziel eures Lebens sein.Wenn ihr euch so verhaltet, wie viel Nutzen und Wohlstand wird dies dem Land bringen! Fördert das Wohlergehen der Gesellschaft. Gebt den kleinlichen Wünschen eurer Eltern nicht nach: „Oh mein Junge! Heirate bald. Du wirst eine hohe Mitgift, Hunderttausende von Rupien bekommen!“ Welch eine Schande, wenn Eltern so sprechen und Jun-gen ihnen nachgeben. Sollte ein Sohn um eines Mädchens willen ver-kauft werden? Verkauft euch nicht, weder für Hunderttausende noch Millionen Rupien. Ihr müsst auf eigenen Beinen stehen. Ihr müsst euch auf eure eigene Kraft verlassen. Lasst euch nicht von dem, was andere sagen, beeinflussen. Werdet nicht Sklaven. Seid Meister. Nur dann könnt ihr Herr über Andere sein.

Studenten! Wendet wenigstens einen Teil dessen an, was ihr gelernt habt. Stürzt euch in die Gesellschaft und werdet auf sozialem Gebiet tätig. Macht die Gesellschaft glücklich. Ihr wurdet in sie hineingeboren; wenn es euch gelingt, sie glücklich zu machen, ist es genug. Denkt dar-an, dass nichts von Dauer ist - weder der Körper noch der Geist noch die Sinne. Nur der Ruf überlebt den Menschen. Das erwartet Swami von euch. Wenn ihr einen guten Namen erwerbt und dem Institut in dem ihr studiert habt, Ehre macht, habt ihr der Nation einen grossen Dienst erwiesen.

Werdet keine Ravanas. Erwerbt einen guten Namen wie Rama. Ver-kauft euch nicht für Geld. Verdient ein gutes Einkommen und nutzt es gut. Geld, das mit unlauteren Mitteln verdient wurde, hat keinen Be-stand. Entweder werden euch Diebe berauben oder das Finanzamt wird es holen.

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Es gibt vier Bewerber für Reichtum: 1. Feuer, 2. Diebe, 3. Verwandte, 4. Feinde. Diese vier sind hinter dem Geld her. Bevor einer der vier euch eures Geldes beraubt, solltet ihr guten Gebrauch davon machen.Unsere Studenten sollten weder in Heiratsangelegenheiten noch was die Arbeitsstelle betrifft nach Geld verlangen. Arbeit. Arbeit. Arbeit. Das sollte eure einzige Sorge sein. Werdet Verfechter von Arbeit. Arbeit bin-det den Menschen an die Welt. Der Körper wurde euch gegeben, damit ihr rechtschaffen handeln könnt und nicht, damit ihr euch an fleischli-chen Genüssen erfreut.

Madalasa brachte vier Söhne zur Welt. Bei der Geburt eines jeden Soh-nes wollte sie nicht, dass dieser studiere, ins Ausland gehe, viel Geld verdiene und Ruhm erwerbe. Von der Wiege an lehrte sie das Kind das Ideal der Entsagung. Sie sang ein Wiegenlied für das Kind, in dem sie das Pranava-Mantra als Wiege behandelte, den grossen Satz: „Das bist du“ als das Bett, Bewusstsein als Schnur, welche die Wiege be-wegte. Die vier Veden waren die Ketten der Wiege. So zog sie jedes Kind auf und schickte es dann in den Wald und sagte, dass es dort wah-ren „Frieden“ finden werde.

König Janaka suchte ebenfalls die höchste Wahrheit. Er strebte nach Wissen um der Selbsterkenntnis willen und nicht wegen physischer An-nehmlichkeiten. Er lud Heilige zu einem Treffen ein, bei dem er Ruhm erlangte. Bei jener Versammlung diskutierte Gargi mit dem Heiligen Yajnavalkya. Die Diskussion basierte auf den Heiligen Schriften und endete ergebnislos. Da stellte Gargi dem König eine Frage: „Was kenn-zeichnet einen Menschen mit ständiger Bewusstheit?“ Der König ant-wortete: „Er ist der, welcher die Einheit des Absoluten erkennt. Es gibt kein Zweites.“ Gargi sagte: „Wenn du diese Ebene des Bewusstseins erreicht hast, bist du dir nur der Einheit bewusst. Du bist noch nicht in diesem Stadium. Ich möchte dieses Bewusstsein erreichen. „Gargi sagte: „Oh König! Ich habe einen Wunsch. Wirst du ihn mir erfüllen?“ „Gewiss,“ antwortete der König. Sie bat ihn, sie zu heiraten. Der König sagte: „Ich habe nur eine Frau, Sunetra (die mit den guten Augen). Ich möchte keine andere Frau.“ Gargi sagte: „Du bist ein grosser Weiser. Du hast gute Augen, und deine Königin ist eine Frau mit guten Augen. Darf ich fragen, welche Belohnung du dem grossen Yajnavalkya geben wirst?“ Der König sagte: „Ich werde ihm das geben, worum er bittet.“ Yajnavalkya war zweifellos ein grosser Gelehrter, doch hatte er keine vollständige Kontrolle über die Sinne. Nun bat Yajnavalkya den König: „Gib mir diese Gargi zur Frau. Richte unsere Hochzeit aus.“ Im Audi-

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enzsaal brach ein Tumult aus. Die dort anwesenden grossen Gelehrten fragten: „Welche Bedeutung hat Yajnavalkyas Bitte?“ Dann fragte Gar-gi Yajnavalkya: „Welchen Sinn hat die Ehe?“ Yajnavalkya antwortete: „Nachkommen zu haben.“ Gargi sagte: „Nein. Die Frau ist eine Hälfte des Ehemannes. Das bedeutet, dass sie als eine rechtschaffene Frau mit dem Mann in der Göttlichen Ordnung leben sollte. Die Ehe dient dem Befolgen der Göttlichen Ordnung und nicht weltlichen Freuden. Unser Kaiser ergötzt sich in seinem Palast an fleischlichen Freuden. Die gleichen Freuden erleben Strassenköter. Ist das Glück?“

Tyagaraja fragte: „Ist Wohlstand die Quelle von Glück oder ist es, den Lotosfüssen Ramas zu dienen?“ Die Studenten sollten sich fragen: „Be-steht Glück darin, einen Titel, einen guten Job oder eine hohe Position zu erlangen?“ Wahres Glück besteht im Erlangen von Weisheit. Bis man jedoch diese Weisheit hat, sollte man versuchen, in der Welt ein Leben der Sittlichkeit und Integrität zu führen. Das sollte das Ziel sein, solange man in der Welt lebt. Haltet euren Blick auf das Göttliche ge-richtet und lebt in der Welt. Das ist die Lehre von Sai. Ihr braucht der Welt nicht zu entsagen. Ihr braucht nicht Jobs nachzujagen wie Hunde den Abfällen. Bleibt bei der Arbeit, die ihr habt und sorgt angemessen für eure Familie. Führt ein ideales Leben. Denkt immer an das Ziel. Dies sollten die Studenten erkennen und sich richtig verhalten. Darin liegt wahres Glück.Früher war es üblich, dass die Schüler, nachdem sie ihre Ausbildung beendet hatten und ehe sie ihr Leben als Haushälter aufnahmen, vor ihrem Lehrer standen, um von ihm Ratschläge zu erhalten. Dies ent-sprach den heutigen Abschlussfeiern.Heute kehren einige von euch nach dem Abschluss ihrer Studien nach Hause zurück und andere fahren in die Ferien und kommen anschlies-send wieder zurück. Ihr solltet glücklich sein, ob ihr ein neues Leben anfangt oder zurückkommt. Geratet nicht in schlechte Gesellschaft.

Pflegt guten Umgang, wie einer der Studenten-Redner sagte. Vermei-det um jeden Preis schlechte Gesellschaft. Strebt von ganzem Herzen nach guter Gesellschaft. Dient euren Eltern. Helft eurer Mutter, wenn sie einkaufen geht. Ihr müsst die Mutter, die euch neun Monate in ihrem Schoss getragen hat, glücklich machen. Bereitet ihr niemals Kummer. Seid bereit, dem Vater zur Hand zu gehen. Vergeudet eure Zeit nicht mit Müssiggang. Betätigt euch auf sozialem Gebiet. Diejenigen, die sin-gen können, sollten sich am Bhajansingen beteiligen. Helft den Pati-enten im Krankenhaus, indem ihr Medikamente für sie kauft oder ihnen

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Kleidung gebt, aber gebt ihnen kein Geld. Wenn ihr ihnen Geld gebt, werden sie zu Bettlern. Wenn ihr auf diese Weise Dienste leistet, werdet ihr euch einen guten Namen verdienen. Ihr werdet eure menschliche Geburt erlösen.

Haltet euren Geist stets auf Gott gerichtet. Das ist die wahre Bedeutung von Fasten und nicht ein sogenanntes Fasten, dem ein üppiges Fest-mahl folgt. Vergesst niemals Gott. Glaubt nicht an die Welt, die sich ständig ändert. Fürchtet den Tod nicht. Wenn ihr lernt, diese drei Grund-sätze zu befolgen, könnt ihr alles erreichen. Swami wird sich um euch kümmern. Wenn Studenten sich beklagen, dass Swami nicht zu ihnen spricht, so sollten sie wissen, dass Swami nicht zu denen sprechen mag, die seine Worte nicht beachten. Wenn ihr gut seid, wird Swami von selbst zu euch sprechen. Wenn ihr nach Swamis Worten handelt, wird Swami gut für euch sorgen. Vermeidet schlechte Freunde. Pflegt gute Freundschaften. Vor allem entwickelt den Glauben an Gott.Gott ist euer einziger Schutz. Vertraut niemandem sonst. Heute mis-straut Jeder Jedem auf der ganzen Welt. Schätzt Gott allein als wahren Freund. Ihr vergesst Gott zu eurem eigenen Nachteil.

Studenten! Ich hatte nicht die Absicht, heute zu sprechen. Doch der Di-rektor bat mich, den Studenten ein paar Worte zu sagen. Ich habe oft genug gesprochen. Selbst jetzt sage ich das gleiche. Ich möchte von niemandem etwas. Die ganzen siebzig Jahre wollte ich nichts. Meine Hand gibt immer. Das Einzige, was ich von euch möchte, ist Liebe. Mei-ne Liebe zu euch ist rein, unwandelbar und selbstlos. Welchen Wert hat euer Leben, wenn ihr nicht an eine solche Liebe glauben könnt? Glaubt an sie. Ihr vertraut Betrügern. Warum steht ihr nicht zu der Wahr-heit, die ihr kennt? Empfangt meine reine Liebe mit reinem Herzen. Hei-ligt euch selbst. Lebt in Liebe. Liebe ist Gott. Denkt an das, was Swami gesagt hat und nehmt Swamis Worte als Wegweiser für euer Leben. Mit dem Licht von Swamis Rat in eurem Herzen könnt ihr auf eurem Lebensweg beliebig lange voranschreiten. Erinnert euch voller Liebe an Gott, der alles ist.

(Ansprache in Brindavan am 31. März)

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31. März

Krankheit

„Die Ursache für Krankheit ist vielmehr eine Fehlernährung des Geistes als eine des Körpers. Die Ärzte sprechen oft von einem Vitaminmangel; ich nenne es einen Mangel an Vitamin 'G' und empfehle die Wieder-holung des Namens Gottes. Das ist Vitamin 'G'! Das ist die Medizin; die Behandlung besteht zu zwei Dritteln aus einem geregelten Leben und festen Gewohnheiten, wohingegen das Medikament nur ein Drittel ausmacht. Angst ist die grösste Krankheitsursache.”„Es mag vielen seltsam erscheinen, dass es in dieser Stätte der Glück-seligkeit (anandanilaya) eine Stätte der Gesundheit (arogyanilaya) bzw. ein Hospital gibt. Viele fragen sich vielleicht, warum körperlicher Gesundheit ein so wichtiger Platz eingeräumt wird an einem Ort, der sich der Gesundheit des Geistes widmet. Körperliche und geistige Ge-sundheit sind jedoch die grundlegende Voraussetzung, um die vier Zie-le des menschlichen Lebens, Rechtschaffenheit (dharma), Wohlstand (artha), Erfüllung der Wünsche (kama) und Befreiung von Bindungen (moksha) zu erreichen.”Wenn jemand euch beschuldigt, beleidigt oder verletzt, vergeltet es ihm nicht mit gleicher Münze. Zeigt ein würdevolles und geduldiges Beneh-men. Wenn ein Hund einen Menschen beisst, dann beisst dieser nicht zurück. Erziehung muss euch aus der Dunkelheit zum Licht führen. Nur jene, die in der Dunkelheit gehen, fallen in Gruben. Kann ein Mensch, der im Licht geht, in eine Grube fallen? Wenn er es doch tut, bedeutet das nur, dass er noch in der Dunkelheit ist. Vid bedeutet Licht, und ein Wahrheitssucher (vidyarthin) muss das Licht suchen und es erlangen. Welchen Nutzen hat ein Auge, wenn es euch nicht die Fallen zeigt? Erziehung muss euch mit der Art von Auge ausstatten, welches euch rechtzeitig die Fallgruben aufdeckt, die auf eurem Wege lauern. Erzie-hung sollte eine Vorbereitung für ein gutes Leben sein, das im Dienst der Gesellschaft und der Selbstverwirklichung steht. Die Sai Ausbil-dungsstätten haben das Ziel, das Erziehungssystem so zu reformieren, dass die Studenten Respekt vor der indischen Kultur entwickeln und lernen, ein Leben der Aufopferung und Hingabe zu führen.Vereinfacht euer Leben! Erledigt die täglichen Aufgaben in einem Geist der Liebe und gegenseitiger Unterstützung. Seid tolerant gegenüber den Irrtümern und Fehlern der anderen. Betrachtet sie mit Sympathie und Gleichmut. Seid ruhig und unbewegt unter allen Umständen. Dann

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werden eure Gefühle voll Zärtlichkeit und Selbstlosigkeit sein. Neid, Hass und Rachsucht werden keinen Einlass in die Festung eures Gei-stes finden. Ihr werdet Frieden und Glück finden.Der schlimmste Feind des Menschen ist sein Ego. Zwar haben viele die sechs Schwächen überwunden: Ärger, Stolz, Lust, Gier, Hass und Verhaftung, doch wirklich selten findet man den Helden, der sein Ego zerstört hat, dessen Kumpan, die Eifersucht, ständig versucht, den menschlichen Geist zu dominieren. Mehr noch als gewöhnliche Men-schen fallen Gelehrte, Weise, Lehrer und sogar ernsthafte spirituelle Schüler dem Ego zum Opfer. Ihr Ego lässt sie behaupten, sie seien Gott am nächsten und sie seien am meisten erleuchtet. Das Ego erzeugt Welle auf Welle an Bedürfnissen und Wünschen. Wenn Egoismus beim Menschen Einzug hält, folgt der Neid auf dem Fuss. Kummer und Leid sind der quälende Schatten des Ego.

Wie gelangt der Egoismus in uns hinein? Wo war das Ego am Anfang?

Handelt es sich um ein Unkraut, das wir für unsere Vernichtung heranziehen?Wo waren wir vor unserer Geburt?

Wo werden wir nach dem Tode sein?

All eure Vorstellungen und Schlussfolgerungen stammen aus der Zeit zwischen Geburt und Tod. Wenn das Mädchen, das du geheiratet hast, als Kind schwer erkrankte, warst du damals nicht beunruhigt, da es nicht „dein” war. Ihr selbst seid es, die diese Bindung schaffen. Diese Haltung von mein und dein nimmt in eurem Leben einen riesigen Stel-lenwert ein. Egoismus ist ein Dornenstrauch, der, einmal gepflanzt und in eure Obhut genommen, euch nur Leid bringt. Sogar aus engen Freunden macht er Feinde und verhindert, dass die Menschen zusam-menarbeiten. Das Leid folgt dem Ego wie ein Schatten.Der Körper ist nicht von Dauer. Er ist aber die Wohnstatt des innewoh-nenden Geistes. Er ist ein Altar, und wenn der Körper sich bewegt, dann bewegt sich das Göttliche mit ihm. Daher solltet ihr euch um den Körper genauso kümmern wie ihr euch um einen Eisensafe kümmert, der ja an sich von geringem Wert ist, der aber aufgrund der in ihm aufbe-wahrten Schätze gesichert wird. Was bindet denn die Menschen an die Welt des Scheins? Es sind weder Familie noch Besitz. Diese kann man aufgeben, wenn man es wünscht. Doch die Dinge, die am schwierig-sten aufzugeben sind, sind Verhaftung (raga) und Hass (dvesha). So-lange wie diese im Menschen dominieren, kann er sein wahres Selbst

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nicht verwirklichen. Und solange dem Menschen sein wahres Selbst nicht bewusst ist, bleibt er gefangen. Für gefangene Menschen gibt es keine Befreiung von Leid oder Sorge.

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14. Juni

Die Suche nach Wahrheit

Verkörperungen der Liebe!

Bäume tragen Früchte, Flüsse führen Wasser, Kühe liefern Milch, aber nicht zu ihrem eigenen Nutzen, sondern für Andere. Auch der Körper wurde dem Menschen geschenkt, um damit Anderen zu dienen.

Wir erleben zur Zeit, dass die Menschheit von unzähligen Problemen und Sorgen heimgesucht wird. Keine Verwaltung oder Behörde kann diese Probleme lösen. Nur Gott kann die Menschheit retten. Die Men-schen müssen ihren Glauben an das Göttliche Selbst stärken, denn auf diese Weise erfahren sie die Gnade Gottes. Die ganze Menschheit ist auf die göttliche Gnade angewiesen. Um ihrer teilhaftig zu werden, müsst ihr euer Herz mit Liebe füllen, euren Mitmenschen dienen und mit diesen Mitteln euer Leben erlösen.Jeder von euch muss unaufhörlich nach der Wahrheit suchen. Mit je-dem Gedanken, jedem Wort und jeder Tat müsst ihr weitersuchen. Wahrheit ist nicht nur, was einem momentan als Tatsache erscheint. Sie ist unveränderlich und zeitlos. Seid, wenn ihr eine Wahrheit aus-sprecht, immer darauf bedacht, dass sie Andere erfreut und gut und nützlich ist. Sie darf keine Aufregung verursachen und niemanden ver-letzen. Die so praktizierte Wahrheit überwindet die Schranken des Ka-stendenkens und der verschiedenen Glaubensrichtungen. Da ihre Wurzeln im Reich des Geistes liegen, ist sie universell gültig. Wie aber sucht man nach der Wahrheit? Man muss unterscheiden zwischen Wahrheit, Unwahrheit und scheinbarer Tatsache. Was in einem Au-genblick wahr erscheint, kann sich schon im nächsten Moment ändern. Das Augenscheinliche ist oft gar nicht die Wahrheit, das zeigt uns das Beispiel der Sonne, die „im Osten aufgeht und im Westen untergeht“. Tatsächlich geht sie weder auf noch unter. Nur die Tatsache, dass die Erde sich um sich selbst dreht, erzeugt den Eindruck, die Sonne gehe auf und unter.

Ein anderes Beispiel soll dies verdeutlichen Die gleichen Augen sehen verschiedene Personen an, die Mutter, die Frau, das Kind und Andere. Obwohl es sich in jedem dieser Fälle um das gleiche Augenpaar han-delt, ist das Gefühl mit dem die Personen betrachtet werden, verständ-

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licherweise unterschiedlich: Die Mutter sollte ehrerbietig angesehen werden, das Kind liebevoll und die Frau mit Zärtlichkeit. Dieses Beispiel dient dazu, euch zu verdeutlichen, dass jede Person in ihrem beson-deren Bezugsrahmen gesehen werden sollte.Bei der Betrachtung der Welt muss der Mensch seinen Blickwinkel än-dern. In der Schöpfung existiert nichts Falsches. Aber die Menschen müssen ihren Blickwinkel korrigieren. Die Augen sehen Gutes und Schlechtes, die Ohren hören sanfte Musik oder harte Worte. Die Sin-nesorgane sind die gleichen, aber der Einzelne muss mit Hilfe seiner Sinnesorgane Gutes von Bösem unterscheiden lernen. Ihr missbraucht eure Sinne, wenn ihr euch schlechte Dinge anseht oder üblem Gerede zuhört. Auch die Zunge wird missbraucht, wenn man gerne und oft Schlechtes redet, statt sie zum Lobpreis Gottes zu nutzen. Hört auf, Andere zu kränken und zu kritisieren.In allen Lebensbereichen solltet ihr die Suche nach Wahrheit fortset-zen. Ihr braucht Gott nicht zu suchen. Er ist überall. Er wohnt in jedem Menschen. „Gott ist im ganzen Kosmos gegenwärtig“ heisst es in der Isha-upanishad.Gott kann mit jedem Namen angerufen werden - als Rama, Krishna, Allah oder Jesus. Es ist der gleiche Gott, der unter verschiedenen Na-men angerufen wird. Unzählig sind seine Namen und Formen. Alle Na-men meinen ihn. Es gibt weder einen Namen noch eine Form, die nicht zu ihm gehört.„Brahman ist Wahrheit, Erkenntnis, Unendlichkeit, sagt die Schrift. Wahrheit ist grenzenlos. Sie ist die Grundlage aller Dinge. Die Men-schen müssen sich an die Wahrheit halten. Wahrheit ist Gott. Die Ant-wort auf die Frage: „Wo ist Gott?“ lautet: „Er ist überall.“Unsere Welt ist voller Hass und Streit. Der Grund hierfür ist das Gefühl von „mein“ und „dein“. Jeder muss sich bemühen, sein wahres Selbst zu erfahren. Auf die Frage: „Wer bist du?“ antwortet ihr: „Ich bin der und der.“ Das „Ich“, das von euch allen gebraucht wird, ist Atman, das Gött-liche Selbst. Das jedem innewohnende Göttliche wird zum Egoismus verfälscht, weil der Mensch das Göttliche Selbst mit dem Körper gleich-setzt. Der Körper aber unterliegt Veränderungen und ist vergänglich. Betrachtet ihn nur als Instrument, um das Göttliche zu erfahren. Der Atemvorgang, der so lange stattfindet, wie Leben im Körper ist, macht durch den Mantra So‘ham (so - er, beim Einatmen und ham - ich, beim Ausatmen) deutlich, dass jeder eins ist mit Gott. Dieser Mantra kommt aus dem Herzen. Heute rezitieren Menschen Mantras, ohne darüber nachzudenken.

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Heute feiern die Malayalis ihren Neujahrstag. Dieser Tag wird gewöhn-lich als Gelegenheit zum Feiern genutzt, aber er sollte als heiliger Tag betrachtet werden, als Gelegenheit, euer Herz zu reinigen. Lasst alle schlechten Gedanken los und füllt euren Geist mit guten Gefühlen. Ver-bannt allen Hass und bemüht euch um Gleichmut im Auf und Ab des Lebens. Meditiert über Gott als Verkörperung unendlicher Glückselig-keit und Spender allen Glücks, als transzendenten Herrn, als den ewi-gen Zeugen im Herzen jedes Einzelnen, als den einen Absoluten, als makelloses Wesen, das frei ist von den drei Grundeigenschaften (gu-na), als reinste Verkörperung der höchsten Weisheit. Gott wird be-zeichnet als die Verkörperung von Glückseligkeit. Diese Glückseligkeit liegt jenseits dessen, was Menschen verstehen können. Sie ist unend-lich und unveränderlich. Alle Glückseligkeit ist im Herzen verankert. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen weltlichem Glück und der Glückseligkeit des Brahman. Das erste ist vergänglich und nur auf den Körper bezogen. Glückseligkeit aber hat ihren Sitz im spirituellen Herzen des Menschen, das sich auf der rechten Seite befindet. Bemüht euch von heute an um reine Gedanken und gute Gefühle.Jeder sollte seine eigene Religion mit Hingabe ausüben. Ein Christ soll-te ein guter Christ sein, ein Hindu ein guter Hindu und ein Moslem ein guter Moslem. Jeder sollte seine Religion im Geist der Wahrheit aus-üben und den Glauben eines Anderen weder kritisieren noch hassen. Moslems sollten Hindus ebenso wenig hassen wie Hindus Moslems. „Alle sind eins. Behandelt alle gleich“, sagte Jesus. Gott ist der Gott aller Menschen.

Verkörperungen der Liebe! Verliert in keiner Situation euren Glauben an Gott. Setzt kein Vertrauen in vergängliche, weltliche Dinge. Betrach-tet die ganze Menschheit als eine Familie. Überschreitet die Grenzen, die durch verschiedene Religionen, Sprachen, Nationen entstanden sind. Die Botschaft der Veden ist universell und ist für alle Menschen gedacht. Es ist die Botschaft von Einheit und Harmonie. „Lasst uns zu-sammen leben, zusammen streben und uns gemeinsam freuen“. Ent-wickelt diesen Geist des Einsseins.

(Ansprache in Kodaikanal am 14. April)

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6. Mai

Heldenhafte Mütter und edle Söhne

Verkörperungen der göttlichen Liebe!

So wie die Bäume ihre Früchte nur zum Nutzen für Andere hervorbrin-gen und auch die Flüsse ihr Wasser und die Kühe ihre Milch zum Wohl für Andere fliessen lassen, so ist euch der menschliche Körper nur ge-geben worden, um Anderen zu helfen. Aber der Mensch erkennt diese Grundtatsache nicht und benutzt seinen Körper für selbstsüchtige Zwecke. Er zeigt heute ein primitiveres Verhalten als Bäume, Flüsse und Kühe.Der Mensch hat Sinn und Zweck der Existenz seines Körpers verges-sen. Von morgens bis abends ist er in seine egoistischen Strebungen verwickelt. Er hat keine Vorstellung davon, was Selbstlosigkeit bedeu-tet. Er betrachtet diese Welt der Erscheinungen als einzige Wirklichkeit.

„Die Leute halten das Unwirkliche für wirklichund das Wirkliche für unwirklich.

Aber die Wirklichkeit ist allein das Eine,und nichts Anderes gibt es im Universum.“

(Telugu Gedicht)

Dieses sichtbare Universum besteht aus den drei Grundeigenschaften (guna) Gelassenheit (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas). Aus diesem Grund wird der Kosmos als „stri“ bezeichnet. Der Begriff „stri“ setzt sich aus drei Silben zusammen: „sa“, „tha“ und „ra“. „Sa“ bedeutet „sattvische“ Eigenschaft, wie Duldsamkeit, Mitgefühl und Liebe. „Tha“ bedeutet „tamas“ und schliesst Eigenschaften wie Bescheidenheit, Schüchternheit, Furcht und Ausdauer ein. „Ra“, die Qualität des Stre-bens, weist auf Mut, Opferbereitschaft und Abenteuerlust hin. Jedes Geschöpf auf der Welt hat nur weibliche Eigenschaften. Der Unter-schied zwischen männlich und weiblich beschränkt sich lediglich auf die Körperform. Die drei Eigenschaften des Wortes „stri“ werden so-wohl bei Männern wie bei Frauen gefunden, obwohl es im normalen Sprachgebrauch dem weiblichen Prinzip zugeordnet wird.

Mit dem Wort „stri“ sollte man nicht leichtfertig umgehen. Die Bhaga-vadgita zählt sieben Merkmale auf, die das weibliche Prinzip kenn-zeichnen: Ruhm, Wohlstand, Sprache, Weisheit, Klugheit, Stärke, Ent-

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schlossenheit. Das Mutterprinzip, das diese sieben Kräfte verkörpert, ist äusserst heilig. Wo ihr euch auch in der Natur umschaut, werdet ihr Erscheinungsformen des weiblichen Prinzips entdecken. Geht jemand ins Ausland, hört er zuerst die Frage: „Was ist deine Muttersprache?“ Niemand fragt: „Was ist deine Vatersprache?“ Das zeigt, welche Be-deutung der Rolle der Mutter zukommt. Die Mutter nährt das Kind in ihrem Leib und nimmt viel Mühe auf sich, um es zu schützen. Es gibt keine grössere Liebe in der Welt als die Mutterliebe. Deshalb zollten unsere Vorväter der Mutter die höchste Ehre und verkündeten: „Verehrt die Mutter als Gott“ und: „Verehrt den Vater als Gott“. Die Mutter ist die erste Lehrerin jedes Menschen. Ein Kind lernt seine ersten Worte und seine ersten Schritte und viele andere grundlegende Verhaltensweisen von seiner Mutter. So tritt uns die menschliche Mutter als Abbild der Mutter Natur (prakriti) entgegen.

Obwohl die Grösse des weiblichen Prinzips eine offensichtliche Tat-sache ist, werden die Frauen als „das schwache Geschlecht (abala)“ bezeichnet. Diese Benennung erhalten sie aufgrund der zweitrangigen Position, die sie beim Vollzug heiliger Opfer und anderer Rituale inne-hatten, obwohl es ihnen erlaubt war, mit den Männern zusammen daran teilzunehmen. Doch durften die Frauen die Opferhandlungen und Ri-tuale nicht selbst durchführen. Sogar wohltätige und religiöse Hand-lungen durften sie nur zusammen mit ihren Männern ausführen. Das Wort „abala“ wird also nur in diesem speziellen Zusammenhang ge-braucht, denn in bezug auf Kraft und Leistungsfähigkeit sind die Frauen durchaus nicht „das schwache Geschlecht“. Es gibt unzählige Beispiele für die enorme Kraft, die Frauen in der Welt entfalten können. Während man den Männern drei grosse Kräfte zubilligt, werden laut Bhagavad-gita den Frauen sieben Kräfte zugeschrieben. Kann man Savitri als schwach bezeichnen, die den Herrn des Todes dazu brachte, ihren to-ten Mann wieder zu beleben? Kann man Anasuya eine schwache Frau nennen, obwohl sie die göttliche Trinität Brahma, Vishnu und Shiva in drei Babys umwandelte und mit ihnen spielte? Sumati war eine grosse Herrin, welche die Sonne am Aufgehen hinderte, weil ihrem Mann be-stimmt war, bei Sonnenaufgang zu sterben; könnte man sie als „schwach“ bezeichnen? Nein. War Draupadi eine schwache Frau, die voll Kraft vierzehn Jahre lang ihren Ehemännern zur Seite stand, als diese die harten Prüfungen durchzustehen hatten? Kann man Sita für schwach halten, wenn sie mit Rama alle Härten des Waldlebens ertrug und schliesslich den Sieg errang? Kann man Gargi eine schwache Frau

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nennen, die mit unerschrockenem Geist die Debatte mit dem Rajayogi Janaka weiterführte?Es gibt in den historischen Aufzeichnungen unzählige solcher helden-hafter Frauen. Obwohl die Frauen körperlich gesehen schwach er-scheinen mögen, sind sie in Wirklichkeit voller Stärke. Als Verkörpe-rung der drei Grundeigenschaften der Natur sind sie mit ungewöhnli-cher Energie ausgestattet. Selbst im spirituellen Bereich entwickeln Frauen ihre grenzenlosen Fähigkeiten.

Den höchsten Ausdruck weiblicher Kraft finden wir in der Rolle der Mut-ter. Jedes Kind verdankt seine Geburt und Existenz der Mutter; darum sollte ein Jeder grosse Dankbarkeit seiner Mutter gegenüber empfin-den. Die Mutter stellt die Symbolfigur für die Mutter des Universums dar, so wie der Vater das Symbol für den göttlichen Herrn ist. In einem volks-tümlichen Gebet wird der Herr als derjenige beschrieben, der alles ist:

„Oh Herr aller Herren!Du bist meine Mutter und mein Vater,

mein Verwandter und Freund,mein Reichtum und Wissen, mein Alles.“

(Sanskrit-Hymne)

Die Mutter ist die erste Sprachlehrerin. Die ersten Worte, die sie das Kind lehrt, sind „Mutter“, „Vater“. Dann beginnt der Unterricht im Alpha-bet. Die ersten Lektionen lauten: „Om namah shivaya“ (Om, Vernei-gung dem Gott Shiva), oder „Om namo narayanaya“ (Om, Verneigung dem Narayana). Der Sprachunterricht beginnt mit dem Lehren der Na-men des Göttlichen - Shiva und Narayana. In alten Zeiten war die Mutter die erste Lehrerin ihres Kindes. Aber was lehren die Eltern heutzutage ihr Kind? Sie bringen ihm nicht nur bei A B C D zu sagen, sondern dazu noch einen sinnlosen Reim wie „Baa Baa schwarzes Schaf“. (Im Deut-schen etwa so: „A B C D die Katze lief im Schnee“, A. d. Ü.). Dabei glau-ben die Mütter, dem Kind etwas Wundervolles beizubringen, aber dem ist nicht so. Der Unterricht des Alphabets sollte mit dem Lernen der Na-men des Herrn beginnen.

Einen solchen Unterricht erteilten die Mütter ihren Kindern im alten In-dien. Die alten Lehren mahnten das Volk mit dem Aufruf: „Satyam vada, dhamam cara“. (Sprich die Wahrheit, halte fest am rechten Handeln). Keine Mutter lehrte das Kind, die Unwahrheit zu sagen. Keine Mutter hätte daran gedacht, das Kind zum Unrechttun aufzufordern. Ihr ein-

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ziger Wunsch war es, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder glücklich wur-den, indem sie ein wertvolles und verdienstvolles Leben führten. Daher sollten die Kinder in ihrer Haltung den Eltern gegenüber der Mutter den ersten Platz einräumen.Heutzutage ist es notwendig, solch ideale Mütter zu fördern, umso mehr, als die modernen Bestrebungen sehr beunruhigend sind. In den wohlhabenden Familien besteht die Tendenz, das Kind gleich nach der Geburt einem Kindermädchen oder einer Pflegerin anzuvertrauen. Das Kind bekommt nicht die Liebe der Mutter. Das Kind erfährt nicht, was eine Mutter bedeutet.

Vor alter Zeit lehrte Königin Madalasa die Kinder von klein auf das Ideal der Gelassenheit. Sie pflegte ein Wiegenlied zu singen, wenn sie die Kinder schlafen legte:

„In der Wiege von Omkara (Om-Rezitation)und auf dem Bett von tat tvam asi (das bist du)

wiege ich dich, liebes Kind, zur Melodie des Bewusstseins;mögen die Götter dich in Schlaf hüllen!“

„Die vier Veden sind die vier Ketten der Wiege. Möge dein Herz erfüllt werden mit den neun Formen der Hingabe.“

Weil die Mütter in alten Zeiten das Herz des Kindes mit Hingabe und Gleichmut füllten, wurde Indien als ein Land von Opfersinn, Weisheit, Yoga und Frieden berühmt. Doch weil heute die Mütter ihre Kinder nicht in diesem Geist erziehen, hört dieses heilige Land auf, ein Land des Opfers zu sein und wird stattdessen zu einer genusssüchtigen Nation. Diese Vergnügungen entwickeln sich zu Brutstätten von Krankheiten. Der Opfersinn machte dieses Land in alter Zeit zu einem Land des Yo-ga. Unser Ziel sollte sein, Yogis zu werden, nicht „rogis“ (Opfer von Krankheiten).

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Ihr müsst bereit sein, selbst das höchste Opfer zu bringen, um eure Liebe zur Mutter zu zeigen. Sogar die Avatare Rama, Krishna und Andere verdankten ihre Herabkunft ih-ren Müttern. Jeder sollte um heilige Mütter beten, die gute Kinder ge-bären. Es mag schlechte Söhne in der Welt geben, aber schlechte Müt-ter sind selten. Die meisten Mütter klagen heute über das schlechte Ver-halten ihrer Kinder. Kein Sohn, der seiner Mutter Kummer gemacht hat, kann es zu etwas Gutem bringen. Ein Telugu-Sprichwort sagt: „In ei-

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nem Haus, in dem die Mutter Tränen vergiesst, kann es keinen Wohl-stand geben”. Wir brauchen heute Söhne, die ihren Müttern gefallen. Die Mütter müssen ihrerseits den Kindern beibringen, immer die Wahr-heit zu sprechen. Wenn eine Mutter ihren Sohn fragt, wo er gewesen sei, sollte er keine Ausflüchte machen. Er muss die Wahrheit sagen und seine Fehler bekennen, wenn er etwas Falsches gemacht hat. Sehr we-nige Kinder sagen den Eltern heute die Wahrheit. Was nützt solchen Kindern eine Erziehung?Die Jungen und Mädchen von heute sind die zukünftigen Retter der Na-tion. Darum sollten die Eltern sie nach idealen Richtlinien erziehen, so dass sie mustergültige Bürger werden.

In vielen Orten begehen die Frauen den „Tag der Frau“. Dieser Tag soll-te nicht nur mit Reden und Lobgesängen gefeiert werden. Die Frauen sollten an diesem Tag den Armen und Notleidenden helfen. Hilflosen Frauen ohne Mittel zum Lebensunterhalt sollte man eine Beschäftigung beibringen, zum Beispiel Kleidernähen, damit sie sich ein Einkommen verdienen können. Slumbewohnern sollte geholfen werden, ihre Hütten sauber zu halten. Auch deren Umgebung muss gereinigt werden, damit die Kinder in einer sauberen Atmosphäre aufwachsen können. Den Leuten sollte gezeigt werden, wie sie ihren Haushalt führen müssen. Krankheiten werden hauptsächlich durch eine unhygienische Umge-bung hervorgerufen, zumal die Luft, das Wasser, das Gemüt, über-haupt Alles verschmutzt ist. Durch diese Verschmutzung entstehen neue Krankheiten.

In der Vergangenheit spielten die Mütter bei der Formung ihrer Kinder eine grosse Rolle. Ein Beispiel dafür ist Ishvar Chandra Vidyasagar. Seine Geburtsstadt war Kalkutta. Er wurde seinem Namen gerecht, denn er war ein grosser Gelehrter (Vidyasagar bedeutet „Ozean des Wissens”). Er wurde in eine sehr arme Familie geboren. Die Mutter zog den Sohn auf eigene Kosten auf und sparte sich das Geld vom Mund ab. Er studierte unter den widrigsten Umständen und fand nach seiner Ausbildung einen Job mit einem Monatsgehalt von 50 Rupien. Harte Arbeit ermöglichte ihm nach geraumer Zeit den Aufstieg in eine geho-bene Position. Eines Tages ging er zu seiner Mutter und sagte: „Mutter, ich habe mir dank deiner Segnungen und deiner Führung eine hohe Stellung erworben. Ich bin nun in der Lage, dir jeden Wunsch zu erfül-len.“ Die Mutter erwiderte: „Nicht jetzt, mein Sohn. Ich habe drei Wün-sche, aber die werde ich dir zur rechten Zeit mitteilen.“ Als Ishvar Chandra Vidyasagar nach einiger Zeit eine noch höhere Position er-

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rang, wiederholte er die Aufforderung an seine Mutter. Die Mutter sagte: „Unser Dorf ist arm und hat keine Schule. Bitte baue hier eine Schule, so dass die Kinder nicht auswärts zur Schule gehen müssen. Diese Schule wird ein Schmuckstück für mich sein.“ Der Sohn erfüllt ihren Wunsch. Später enthüllte sie ihren zweiten Wunsch. Sie wünschte, dass Ishvar Chandra Vidyasagar ein kleines Krankenhaus im Dorf er-richte, um damit den Dorfbewohnern zu dienen. Sie sagte, das sei das zweite Schmuckstück, das sie sich von ihm wünsche. Er liess nach dem Wunsch seiner Mutter ein Krankenhaus bauen. In den darauffolgenden Jahren stieg Ishvar Chandra Vidyasagar zu noch grösserer Höhe auf, aber er blieb immer bescheiden und ohne Dünkel. Er fragte seine Mutter nach ihrem dritten Wunsch. Sie sagte, er möge eine kleine Herberge als Aufenthaltsort für Durchreisende bauen lassen. Ishvar Chandra Vi-dyasagar liess eine kleine Gemeinschaftshalle im Dorf errichten.In der heutigen Zeit bilden sich Leute mit höherer Bildung, auch auf un-bedeutende Leistungen, viel ein. Ishvar Chandra Vidyasagar blieb auf-grund der Lehren seiner Mutter bescheiden.

„Weder Bussübungen noch Rituale oderPilgerreisen haben irgendeinen Nutzen

beim Überqueren des Ozeans menschlicher Existenz.Nur der Dienst für das Gute bringt uns hinüber.“

(Sanskrit-Vers).

Das Dienen ist höchst wichtig. Es hilft bei der Entwicklung von Demut und fördert das Einheitsgefühl unter den Menschen. Der Zurschaustel-lung sollte kein Raum gegeben werden. Wahre Hingabe ist frei von An-geberei.Die Kinder sollten den überragenden Wert mütterlicher Liebe erken-nen, die der göttlichen Liebe gleichkommt. Verehrt und liebt eure Mut-ter. Das ist die Bedeutung des „Muttertags“. Die Eltern sind lebende Symbole Gottes. Ihre Kinder müssen sie glücklich machen.

(Ansprache in Brindavan am 6. Mai)

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15. Mai

Die Botschaft der Avatare und die Epen

Verkörperungen der Liebe!

Dieser riesige Kosmos voller beweglicher und unbeweglicher Dinge ist durchdrungen von der Wahrheit. Alle Namen und Formen basieren auf der Göttlichen Ordnung (dharma). Dharma ist die Form Gottes. Der Geist, der im Allerfeinsten wie im Allergewaltigsten als Zeuge gegen-wärtig ist, ist wirklich das alldurchdringende Bewusstsein (Brahman).Alle Dinge im Universum bestehen aus Atomen. Das Atom ist die Sub-stanzwerdung des Atman. Daher gibt es keinen Ort im Universum ohne Atman oder Brahman.

Die Menschen geraten aufgrund ihrer weltlichen Bindungen ins Elend, weil sie die spirituelle Grundlage des Universums vergessen. In Er-kenntnis dieser Wahrheit erklärte Buddha: „Überall herrscht Kummer. Alles existiert nur einen Moment und muss dann vergehen.“ Weltliche Dinge als dauerhaft anzusehen ist die Ursache von Kummer. Nur durch die Erkenntnis, dass die Welt vom Brahman, der vollkommenen Glück-seligkeit, durchdrungen ist, befreien sich die Menschen von der Ursa-che des Kummers. Es gelingt ihnen nicht, die Göttlichkeit zu erkennen, die der Natur oder dem gegenständlichen Universum zugrundeliegt. Statt dessen betrachten sie das Göttliche als eine Art Naturereignis. Obgleich das göttliche Wirken in der Natur gesehen werden kann ver-säumt es der Mensch in seiner Torheit, die Göttlichkeit zu erkennen. Die Natur in ihren unzähligen Formen ist die Wirkung. Gott ist die Ur-sache. Der ganze Kosmos ist eine Manifestation von Ursache und Wir-kung. Somit ist das Universum eine Offenbarung der Göttlichkeit.Die Menschen sollten verstehen, dass die feinen, ursprünglichen Ele-mente, welche die grundlegende Substanz des Universums bilden, der ganzen Menschheit gehören. Daher sollten sich alle ihrer erfreuen dür-fen. Man sollte das Göttliche in jedem menschlichen Wesen sehen. Das war die Zielsetzung jenes Glaubenssatzes: „Ich suche Zuflucht bei dem Buddha“. Der zweite Glaubenssatz lautet: „Ich suche Zuflucht in der Gemeinschaft”. Dieser Satz beinhaltet auch, dass man nach Erlangen der Erleuchtung der Gesellschaft dienen sollte. Der dritte Glaubenssatz ist: „Ich suche Zuflucht in der Göttlichen Ordnung“. Die Essenz all dieser Glaubenssätze ist, dass man zum Wohl der Aufrechterhaltung der Gött-

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lichen Ordnung den erleuchteten Intellekt benutzen und sich sozialer Tätigkeit widmen sollte. Wie kam Jemand, auch wenn er Intelligenz be-sitzt, die Göttliche Ordnung aufrechterhalten, wenn er nicht der Gesell-schaft dient? Es wurde gesagt, dass dem Menschen der Körper im we-sentlichen gegeben wurde, um die Göttliche Ordnung zu praktizieren.

Das Beachten von Gewaltlosigkeit wurde als die höchste Form der Rechtschaffenheit bezeichnet. All die Gewalttätigkeit in der heutigen Welt ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Menschen kein rechtschaffenes Leben führen. Die Menschen tun Busse und üben ver-schiedene Rituale aus, aber sie haben keinen Frieden gewonnen. Wa-rum nicht? Weil sie sich nicht bemüht haben, herauszufinden, wer sie wirklich sind.Diese Suche sollte zur Erkenntnis führen, dass Jeder eine Verkörpe-rung der Göttlichkeit ist. Da sie den Körper für die grundlegende Wirk-lichkeit halten, missbrauchen sie ihn und die Fähigkeiten und Eigen-schaften die sie besitzen. Es gelingt ihnen nicht, ihre Gaben dazu zu nutzen, ihre menschliche Geburt zu erlösen.

Unter den Lehren, die Buddha der Welt schenkte, war die Wichtigste Jene, niemandem Schaden zuzufügen. Gewaltlosigkeit besteht nicht nur darin, Andere mit dem eigenen Körper oder durch Waffen zu ver-letzen. Gewaltlosigkeit muss mit der Reinheit von Geist, Körper und Zunge einhergehen. Da sollten keine böswilligen Gefühle sein, die auch eine Form von Gewalt sind. Nicht einmal durch Worte sollte man Andere verletzen. Die Sprache sollte sanft angenehm und wohltuend sein. Alle Handlungen sollten anderen helfen.Buddha stellte für alle Handlungen drei Regeln auf:

„Alles, was die Hände tun, sollte gut sein.Der rechte Schmuck für die Kehle ist die Wahrheit.

Die höchste Zierde für die Ohren ist das Hören heiliger Lehren.Wer bedarf noch anderen Schmuck?“

(Sanskrit-Vers)

Was tun die Menschen heutzutage? Sie hören Ungutes. Sie betrachten hässliche Szenen. Wie können sie dann hoffen, Frieden zu finden? Das ist nur im Einklang von Geist, Herz und Zunge möglich. Gedanke, Wort und Tat sollten eine Einheit bilden.Allen Lehren zum Trotz hat sich das Verhalten der Menschen nicht wirk-lich gewandelt. Was nützen Bhajansingen und die Gemeinschaft mit

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den Guten, wenn man dadurch nicht gütiger wird? Die Gesellschaft der Guten soll dazu anregen, gute Gedanken zu pflegen, die einen zu ge-gebener Zeit zur Selbstverwirklichung führen werden.Die Menschen sollten gemäss den Weisungen ihres Gewissens han-deln welches zwischen richtig und falsch unterscheiden kann. Sie soll-ten sich über tierische Neigungen erheben und die Herrlichkeit der menschlichen Geburt erkennen. Die Menschen sollten ein beispielhaf-tes Leben führen, das ihre innere Göttlichkeit offenbart. Alles, was sie tun - ihre Sprache wie ihr Verhalten - sollte vorbildlich sein. Selbst die geringfügigste Handlung sollte anderen nicht schaden.

Heutzutage geraten die Menschen leicht in Zorn. Wo können wir ein Beispiel für solchen Zorn finden? Im Bhagavatam. Wo finden wir ein Beispiel für Begierde oder Lust? Im Ramayana. Und wo gibt es ein Bei-spiel für die üble Eigenschaft der Habgier? Im Mahabharata. Wie war-nen uns diese grossen Werke vor diesen drei schlimmen Übeln? Im Ra-mayana wurde der allgewaltige Ravana, ein grosser Gelehrter und wohlbewandert in den vierundsechzig Arten des Wissens, der sich strenger Busse unterzogen hatte, durch eine einzige üble Eigenschaft - Begierde - zerstört. All seine anderen Tugenden wurden von den Flammen sinnlicher Begierde verzehrt. Begierde zerstört alle guten Ei-genschaften in einem Menschen. Das Ramayana veranschaulicht die-se Wahrheit.Im Bhagavatam finden wir die Geschichte von Prahlada und Hiranya-kashipu. Prahlada war ein grosser Devotee Vishnus. Sein Vater, Hira-nyakashipu verabscheute Vishnu. In seinem ungezügelten Hass auf den Herrn zögerte er nicht, seinen jungen Sohn den schrecklichsten Prüfungen zu unterziehen. Sein Zorn war die Ursache seines Unter-gangs.Im Mahabharata ragt Duryodhana als Beispiel für die üble Eigenschaft der Habgier heraus. Er erklärte, dass er den Pandavas, die seine Vet-tern waren, auch nicht ein Jota Land überlassen würde. Seine Habgier liess ihn zu einer vollkommen verdorbenen Person werden.Ravana, Hiranyakashipu und Duryodhana waren keine Männer ge-wöhnlichen Formats. Auf ihre eigene Art waren sie alle ausserordent-lich. Kraft dessen, was sie erreicht hatten, waren sie Helden. Aber in ihren Leben erwiesen sie sich aufgrund ihrer persönlichen Fehler als Nullen. Von welchem Nutzen ist es, über grosse Gaben zu verfügen, wenn man der Sklave eines schädlichen Lasters ist? Ravana besass zahlreiche Fähigkeiten und hatte Lanka zu einem wahren Paradies ge-macht. Aber was nützte das ihm, da er keine Sinneskontrolle besass?

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Jeder Mensch ist dazu verpflichtet, seine schlechten Eigenschaften ab-zulegen und seine guten Qualitäten zu fördern.

Es ist die Aufgabe jeder Verkörperung der Göttlichkeit (Avatar), die Herrschaft von Wahrheit und Rechtschaffenheit wieder herzustellen. Alles, was übel, falsch und nicht rechtschaffen in der Welt ist, zu ver-bannen und der Menschheit zu helfen, ihre Göttlichkeit zu offenbaren.Der Avatar Rama kam, um die Herrschaft der Rechtschaffenheit zu be-gründen. Niemand sollte sein einmal gegebenes Wort brechen. Kein göttliches Gebot ist grösser als die Wahrheit. Um das Versprechen sei-nes Vaters zu erfüllen, zog Rama es vor, ins Waldexil zu gehen.Auch der Avatar Krishna erklärte: „Um die Göttliche Ordnung zu schüt-zen, inkarniere ich mich, Zeitalter um Zeitalter“.Wenn ihr diesen Darlegungen zuhört wird euch klar werden, dass die Göttliche Wahrheit das höchste Ideal darstellt. Was ist Rechtschaffen-heit? Jede Tat, die mit der Reinheit von Gedanke, Wort und Tat aus-geführt wurde, ist rechtschaffen. Aber wieviele handeln gemäss dieses Grundsatzes? Sehr wenige verstehen dies oder leben dementspre-chend. Die praktische Anwendung ist das Wichtigste.Die Geschichte Indiens ist voller Erzählungen von grossen Männern, welche die Rechtschaffenheit aufrechterhalten haben. Auch Buddha hatte der Kritik seiner Zeitgenossen zu begegnen. Das ist eine allen Avataren vertraute Erfahrung. Es gab keine Verkörperung, die nicht verleumdet worden ist. Es ist nun einmal so, dass alles Gute auch Kritik erdulden muss. Trotz dieser Angriffe bringt das Wirken der Avatare Frieden und Gutes.

Das Folgende ist die vierfache Formel für alle Menschen:

Heisst gute Gesellschaft willkommen,vermeidet jeglichen Umgang mit den Übelgesonnenen,

führt unablässig verdienstvolle Taten aus undunterscheidet immer zwischen Vergänglichem und Dauerhaftem.

Buddhas erste Lehre war: Gebt schlechte Gesellschaft auf. Buddha pflegte auf seinen Wanderungen einige junge Männer mitzunehmen. Einige Menschen kritisierten Buddha und warfen ihm vor, die jungen Männer zu verderben. Buddha erlaubte seinen Verleumdern, ihn nach Herzenslust zu diffamieren. Er hörte ruhig ihren Anschuldigungen zu und ging dann davon, ohne ein Wort darauf zu erwidern. Als seine Schüler ihn fragten, warum er sich nicht gegen jene Kritik verteidigt ha-

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be, sagte Buddha, dass unbeantwortete Kritik auf jenen zurückfällt, der sie geäussert hat.Dadurch, dass man sich über die zornigen Worte eines Kritikers nicht erregt, erweist man sich als dem Kritiker überlegen. Andernfalls ernied-rigt man sich auf das Niveau des Kritikers. Wünscht Niemandem Böses. Diese goldene Regel lehrt die Bhagavadgita. Buddha setzte seine Mis-sion in diesem Geist von Gleichmut und Duldsamkeit fort.

Es ist die Eigenschaft grosser Menschen, Hindernissen und Wider-stand mit Mut und Gelassenheit zu begegnen. Es ist nicht leicht die tie-feren Beweggründe grosser Menschen oder die Motive und Handlun-gen der Avatare zu verstehen. Das Wirkungsspektrum der Avatare ist unendlich weit. Verglichen damit sind die Fähigkeiten gewöhnlicher Menschen minimal. Wie kann das Atom die Unendlichkeit erfassen? Kann eine Ameise die Tiefe des Ozeans ermessen? Das ist unmöglich. So ist auch das Wesen der Göttlichkeit jenseits des menschlichen Ver-ständnisses. Selbst grosse Weise wie Vasishtha oder Vamadeva konn-ten die Göttlichkeit nicht vollkommen verstehen.

Statt zu versuchen die Göttlichkeit zu verstehen, ist es besser, anzu-wenden was ihr gelernt habt. „Von etwas Kenntnis haben, es erfahren und eins damit werden“ ist jene Dreiheit, welche die Göttlichkeit zu euch zieht. Wenn ihr Bhajans singt solltet ihr den Körper völlig vergessen. Leidenschaftliche Hingabe ist wichtiger als musikalisches Können. Die Frauen, die an den Morgen-Bhajans teilnahmen, sangen mit ganzem Herzen. Ihre Herzen waren voller Süsse. Daher entsprang ihren Herzen süsse Musik.Es ist bedeutsam, dass eine grosse Anzahl Devotees aus Shri Lanka ihr nationales Fest, den Geburtstag Buddhas, in Brindavan in Anwe-senheit Swamis feierten. Es ist eine Gunst des Schicksals, dass sie trotz aller Unbequemlichkeit und Unannehmlichkeiten dieses Fest hier begehen konnten. Ihre Bhajans haben ihnen während dieser Feiern Kraft gegeben. Überall und sooft sie konnten, sangen sie Bhajans. Da-durch fanden sie Glück und Frieden.

(Ansprache in Brindavan am 15. Mai)

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20. Mai

Bhagavan Babas Ermahnung an die Studenten

Das Wissen um Brahman, das höchste Selbst, ist der Weg,der zum Frieden der Welt und

zum Leben in Harmonie mit Allen führt,denn nur so vermeidet man engstirniges Denken

und fördert die Einheit.(Telugu Gedicht)

Verkörperungen der Liebe! Liebe Studenten, Jungen und Mädchen!

Das Hauptziel eines Studierenden sollte es sein, sich so zu bilden, dass er ein zielgerichtetes und sinnvolles Leben in der Gesellschaft führen kann. Leider fehlen im heutigen Erziehungssystem Zielbewusstheit, Einheit und Liebe. Das Leben schmilzt dahin wie ein Eiswürfel, unab-hängig davon, ob man etwas lernt oder nicht, ob man sein Leben sinn-voll oder in anderer Weise gestaltet. Studierende sollten diese Tatsa-che klar erkennen.Es ist ihnen nicht mehr bewusst, welches das wichtigste Lebensziel ist, und offensichtlich beunruhigt sie das nicht einmal. Nur jeder Millionste scheint daran interessiert, den tieferen Sinn des Lebens zu verstehen. Dieses Interesse ist der erste Schritt auf dem Weg zum Ziel.Die meisten Studierenden, und die Menschen allgemein, sind der Mei-nung, dass Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schlaf, Familie, Kinder und körperliche Annehmlichkeiten verschiedener Art Lebensziele darstel-len. Die hier angesprochenen Dinge sind aber keine wirklich wichtigen Lebensziele. Wenn man das nicht klar erkennt, lebt man erbärmlich. Wer sich aber des wirklichen Ziels bewusst ist, lässt dieses erbärmliche Leben hinter sich.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die wahre Bedeutung der hei-ligen Texte zu kennen. Der Veda wird beschrieben als höheres Wissen, als Leuchtkraft oder Wissen um die ursprüngliche Natur des Menschen. Nur wer diese drei Bedeutungen kennt, kann seine Sorgen loslassen und die Glückseligkeit erfahren, die durch das höhere Wissen vermittelt wird.Was ist mit dem hier erwähnten Leuchten gemeint? Sicher handelt es sich nicht um den Glanz der Sonne, des Mondes oder das Licht einer Lampe. Gemeint ist der Lichtglanz des Herzens.

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Was ist aber wiederum mit dem Wort „Wissen” gemeint? Es bezeichnet nicht das physikalische oder weltliche Wissen, sondern das Wissen um die Natur des Herzens. Es bedeutet Erkenntnis des eigenen wahren Wesens.Seid ihr der Körper? Seid ihr der Verstand? Seid ihr die Sinne? Seid ihr ein anderer Stoff? Nein! Der Mensch muss begreifen, dass er mehr ist als all diese physikalischen Begriffe, die in ihrer Beschaffenheit ne-gativ sind. Wie kann er sein wahres, überirdisches und positives Wesen erkennen, wenn er sich mit negativen Strömungen füllt? Seine Erfah-rung beschränkt sich auf die Reaktionen und Nachwirkungen dieser ne-gativen Faktoren. Was darüber hinausgeht, nimmt er nicht wahr.Die Grundvoraussetzung ist deshalb die Beseitigung der negativen Im-pulse. Forscht nach dem Wesen des Göttlichen, das in allen Menschen lebt.

Wie soll man sich in dieser irdischen, vergänglichen Welt der Erschei-nungen verhalten? Die Studierenden sollten sich überlegen, was sie anderen Menschen verdanken, und ihre Dankbarkeit jedem Einzelnen, der ihm in irgendeiner Weise geholfen hat, zeigen. Wenn zum Beispiel ein Arzt einen Patienten von einer schweren Krankheit geheilt hat, sollte der Patient nicht vergessen, was er dem Arzt verdankt, und seine Dank-barkeit sollte er auch ausdrücken. Er darf nicht denken, dass der Arzt schliesslich nur seine Pflicht getan hat. Wenn eine Mutter neun Monate lang ein Kind in ihrem Leib trägt und es mit Liebe und Sorgfalt gross-zieht, sollte das heranwachsende Kind die Mutter nicht betrachten als Jemand, der nur seine Pflicht getan hat. Immer sollte es dankbar sein für all die Mühen, welche die Mutter auf sich genommen hat, und für all die Liebe und Fürsorge, die sie ihm geschenkt hat.Zeigt der Mutter gegenüber die gleiche Haltung von Liebe und Opfer-geist, in der sie euch aufgezogen hat. Zeigt euch auch den Menschen gegenüber dankbar, die es euch ermöglichen, euren Lebensunterhalt zu verdienen, wenn ihr ohne finanzielle Mittel seid.

In der Liebe, die eine Mutter ihrem Kind entgegenbringt, und auch in der Zuneigung, die ein Lehrer seinem Schüler gegenüber empfindet, mag eine Spur Egoismus sein. Aber in den Geschenken, die Gott den Menschen gewährt, gibt es keine egoistischen Motive. Er ist frei von Eigennutz und Egoismus. Er erwartet von Niemandem eine Gegenlei-stung. Er schenkt den Menschen unzählige Wohltaten, die kein Mensch einem Anderen gewähren könnte. Kann man das Licht der vielen von Menschen gemachten Lampen mit dem Licht der Sonne gleichsetzen?

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Können alle von euch installierten Pumpen die Menge Wasser produ-zieren, die mit dem Regenguss der letzten Nacht herunterkam? Wer gibt euch die lebenspendende Luft, die ihr überall atmet?Gott schenkt den Menschen unzählige Gaben, die kein Mensch pro-duzieren könnte. Sogar die Elektrizität ist Ausdruck des Göttlichen. Ma-gnetismus und Elektrizität, Hitze und Licht, all diese verschiedenen En-ergieformen sind eurer Meinung nach unterschiedliche Formen von Materie. Aber das ist nicht so. Gott selbst ist die Quelle aller Energie. Wenn ihr diesen Sachverhalt nicht begreift, könnt ihr die wahre Quelle aus der die Luft kommt und die ihr einatmet nicht schätzen. Auch nicht die Quelle, aus der das Licht kommt das euch erfreut und die Wärme, die das Leben erhält.Ihr bezahlt Gebühren für die Versorgung mit Strom und Wasser. Müss-tet ihr deshalb Gott nicht auch danken, der die Welt kostenlos mit Licht, Luft und Wasser versorgt? Als Nutzniesser der fünf Grundelemente Äther, Luft, Feuer, Wasser und Erde solltet ihr dankbar sein für sie, die Manifestationen des Göttlichen sind. Die fünf Elemente sind die Quelle der fünf Sinneswahrnehmungen: Hören, Fühlen, Sehen, Schmecken und Riechen. Der Mensch bedient sich dieser Elemente, zeigt sich je-doch nicht dankbar dafür. Dankbarkeit sollte eine wesentliche Eigen-schaft im Menschen sein, aber sie ist heutzutage nicht sehr ausgeprägt. Alles nehmen die Menschen für selbstverständlich. Das Ergebnis die-ser Einstellung sind Unordnung und Unzufriedenheit im Land.

Es ist wichtig, dass Studierende den Zusammenhang zwischen Ursa-che und Wirkung verstehen, denn jede Handlung zieht eine Reaktion nach sich. Jedes Wort hat ein Echo, jeder Gedanke schlägt sich im Ver-halten nieder. Niemand entgeht den Folgen seines Tuns.Der Mensch ist ein Sammelbecken aller vorhandenen Kräfte. Auch das ewige, göttliche Prinzip ist in ihm gegenwärtig, aber da er durch die Er-scheinungen der äusseren Welt abgelenkt wird, ist er nicht in der Lage, es zu erkennen. Wenn jemand einen glitzernden Diamanten aus einem groben Stein herausarbeitet, messen die Menschen dem Diamanten einen grösseren Wert zu als dem Menschen, der ihn bearbeitet hat.Es ist dem modernen Erziehungssystem nicht gelungen, den Glanz der Spiritualität im Menschen ans Licht zu bringen. Das bedeutet, dass der Mensch seine eigene wahre Natur vergessen hat. Die Studierenden ha-ben nicht gelernt, ihre Fähigkeiten in der richtigen Weise zu gebrau-chen. Ihre Meinung bilden sie sich, indem sie Anderen zuhören und de-ren Ansicht übernehmen. Das ist eine Art Blindheit. Von welchem Nut-zen sind solche Menschen für die Gesellschaft? Die Studierenden soll-

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ten sich mit dem Rüstzeug versehen, das ihnen dazu verhilft, der Gesellschaft zu dienen und ihr Wohlergehen zu fördern.

Wahrscheinlich sind den Studierenden einige der grossen indischen Gelehrten, wie Bipin Chandra Pal, Rabindranath Tagore, Aurobindo Ghosh und andere bekannt. Aber nur wenige erinnern sich heute noch ihrer, ausser durch Bücher. Millionen von Menschen hingegen kennen den Namen eines fast analphabetischen Mannes, Swami Ramakrishna Paramahamsa, und verehren ihn wegen seiner grossen Spiritualität.Wenn Erziehung nicht aufbaut auf Sittlichkeit, moralischen Grundsät-zen und Spiritualität, ist sie völlig wertlos. Ohne wirkliche Hingabe an Gott sind jegliche Erziehung, jeglicher Reichtum, jede feierliche Ver-ehrung oder Bussübung ohne Wert. Hingabe führt auch Niedrigste-hende auf die höchste Stufe, aber ohne Glauben an Gott wird auch eine hochstehende Persönlichkeit erniedrigt.

Die Kultur Indiens legt grossen Wert auf Ethik, Rechtschaffenheit und Spiritualität. Wahre Kultur bedeutet Erkennen der Einheit, die aller menschlichen Verschiedenheit zugrunde liegt. Liebe, die ihrem Wesen nach göttlich ist, ist die Grundlage einer solchen Kultur. Das Wort Liebe wird oft missbraucht. Was so bezeichnet wird, sind nur Bindungen ver-schiedenster Art, die auf Beziehungen beruhen.Göttliche Liebe ist die einzige reine, makellose, unveränderliche, ewig währende Liebe. Sie ist frei vom Makel des Eigennutzes und des Ego-ismus. Dies ist die Liebe, die in der indischen Kultur einen hohen Stel-lenwert hat. Unterlasst alle unfairen Vergleiche zwischen verschiede-nen Kulturen, denn alle sind ihrem Wesen nach eins. Wichtiger ist, dass die Menschen lernen, in harmonischer Gemeinsamkeit zu leben und versuchen, gemeinsam etwas zu leisten und ihren Gewinn gerecht un-ter sich zu verteilen. Diese Haltung sollte bei den Studierenden an ihren Bildungsstätten gefördert werden.Die Studierenden sollten einen unerschütterlichen Glauben an Gott in sich entwickeln, so dass sie stark genug sind, den Wechselfällen des Lebens zu begegnen. Prahlada ist das beste Beispiel für einen solchen Glauben. Ruhig und im Vertrauen auf Gott ertrug er alle Verfolgungen, denen er ausgesetzt war.Kultur und Spiritualität unterscheiden sich nicht voneinander. Einssein im Geist ist Kultur. Spirituelles Wachstum sollte von den Studierenden mit der akademischen Ausbildung verknüpft werden. Ebenso wichtig ist es, sich um gutes Benehmen zu bemühen.

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Auch nach Abschluss der Studien sollte gutes Benehmen beibehalten werden. Studierenden der Sai-Institute sollten sich an jedem Ort durch moralisches Verhalten und gutes Benehmen auszeichnen. Sie sollten bei allem, was sie tun, der Stimme ihres Gewissens folgen und sich als vorbildliche Bürger erweisen.Der Vizekanzler hat mich gebeten, dass ich in diesem Sommerkurs vom heutigen Abend an Ansprachen über das Ramayana halte. Jede Silbe dieses Werks hat für die modernen Menschen Gültigkeit. Es steckt vol-ler moralischer und spiritueller Lektionen. Wenn die Menschen die Leh-ren des Ramayana begriffen und in ihrem Leben umgesetzt haben, sind sie erlöst.

(Ansprache in Brindavan am 15. Mai)

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29. Mai

Die Grösse Ramas

Der Tag allein ist ein wahrer Tag,an dem sich alle guten Devotees versammeln,

um zum Herrn zu beten,an dem die Menschen den Armen und Bedürftigen

im Geist der Brüderlichkeit dienen,an dem ein Fest geboten wird

den Dienern des Herrn, die seinen Ruhm verkünden,an dem uns Heilige in unseren Häusern besuchen

und von den Heldentaten des Herrn berichten;alle anderen Tage sind nur Tage der Trauer.

(Telugu Gedicht)

Es war der grosse Tag der Krönung Shri Ramas. Die Stadt Ayodhya war festlich geschmückt, und die Leute erfreuten sich an den Feier-lichkeiten. Manus Krone, die gemäss der heiligen Tradition von Gene-rationen von Kaisern getragen worden war, wurde an jenem Tag von den Weisen Vasishtha, Vamadeva und Jabali zur Krönung Shri Ramas gebracht.Mehrere Könige, Häuptlinge und geringere Herrscher wie auch viele Weise kamen in die Durbarhalle, um an der historischen Zeremonie teil-zunehmen. Über dem Tor des Haupteingangs prangte in neuartiger Weise eine gigantische Botschaft. Die Botschaft war in Sanskrit und lautete: „Jene, die an der Wahrheit und Rechtschaffenheit festhalten, werden keine Angst vor dem Tod haben”. Die Botschaft besagte, dass es für einen, der sich an Wahrheit und Rechtschaffenheit hält, keine Angst vor einer Wiedergeburt gibt. Das bedeutet, dass ein solcher Mensch nach diesem Leben nicht wieder einen Tod befürchten muss, da er keine Wiedergeburt haben wird. Ohne Geburt kann es keinen Tod geben.Das Ramayana lässt jedermann diese Bedeutung von Wahrheit und Rechtschaffenheit erkennen. Die glorreiche Geschichte Ramas hat den Namen und Ruhm Indiens in alle Länder gebracht. Unter Ramas Herrschaft hallten die beiden Worte Wahrheit und Rechtschaffenheit im ganzen Königreich wider. Wahrheit und Rechtschaffenheit herrsch-te überall, und alle - jung und alt, Männer und Frauen, Gebildete und Analphabeten - hielten sich an diese zwei Prinzipien.

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Wie der Herrscher, so seine Minister. Wie die Minister, so die Verwalter. Wie die Verwalter, so das gemeine Volk. Die Minister hielten sich genau an Wahrheit und Rechtschaffenheit. Lakshmana, Bharata und Sha-trughna hatten die Aufgabe, Shri Ramas Anordnungen in allen Teilen des Reichs durchzusetzen. Sie beobachteten aufmerksam, was in je-dem Winkel des Landes vor sich ging, inwieweit sich die Leute an Wahr-heit und Rechtschaffenheit hielten und wie sie im täglichen Leben vor-ankamen. Zu diesem Zweck wurde eine grosse Körperschaft von Be-amten angestellt, die im Land umherzogen. Diese Kundschafter sam-melten täglich Erkundigungen ein über die von den Leuten erlebten Schwierigkeiten und über ihr Benehmen. Dieses System war solange massgebend, wie Rama über das Königreich herrschte.Rama vollzog hundert Pferdeopfer und viele andere Opfer. Mit diesen Opfern verbreitete Rama den Wert der Wahrheit und Rechtschaffenheit unter den Leuten.Unter Ramas Herrschaft waren alle verheirateten Frauen „sumangalis“ (deren Männer am Leben waren). Der Witwenstand war unbekannt. Es ist natürlich, dass Eltern vor ihren Kindern sterben. Aber es ist unna-türlich, dass Kinder vor ihren Eltern sterben. Im Ramaraja gab es keinen einzigen vorzeitigen Tod. Der Tod junger Leute war unbekannt. Nie-mand litt an Krankheiten. Es gab keine Zeichen der Armut. Der Regen kam in den richtigen Jahreszeiten. Die Ernten waren üppig, und es gab keinen Mangel an Nahrungsmitteln. Unruhe war unbekannt. Alle Men-schen lebten glücklich und in Frieden.Wenn wir jene Tage mit der gegenwärtigen Zeit vergleichen, stellen wir fest, in welch jämmerlicher Lage wir uns befinden. Indien wird sich eines Ramaraja nur erfreuen, wenn es Herrscher hat wie Rama, Minister wie Sumantra, heiligmässige Ratgeber wie Vasishtha und Vamadeva und Brüder wie Lakshmana, Bharata und Shatrughna. Während Ramas Regierung gab es nirgends Konflikte. Die Leute beschuldigten einander nicht. Jedermann im Reich war dankbar für jede Hilfe und vergalt gerne durch eine Gefälligkeit.Die erste Erklärung Ramas anlässlich seiner Krönung ist bemerkens-wert. Er sagte: „Wer ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die heutigen Feierlichkeiten stattfinden können? Hanuman allein war ver-antwortlich für die erfolgreiche Suche nach Sita und dafür, dass ich sie zurückbekam. Daher beginne ich mit dem Ausdruck meiner tiefen Dankbarkeit an Hanuman.“Dann dankte Rama Jatayu, dem Vogel, der sein Leben opferte im Kampf gegen Ravana, als er Sita wegtrug. Darauf drückte Rama seine Dankbarkeit Sugriva gegenüber aus, der ihm geholfen hatte, die Suche

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nach Sita zu organisieren und die Horden für den Krieg gegen Ravana zu besorgen. Als nächstes drückte er seine Dankbarkeit Vibhishana ge-genüber aus, der trotz des Misstrauens von Ramas Kameraden zu ihm übergelaufen war und ihm viele Geheimnisse des Feindes verraten hat-te.Vor allem waren es die riesigen Affenhorden, welche keine direkte Ver-bindung mit Rama oder Sita hatten, die viele Bedrängnisse auf sich nahmen und für ihn sogar ihr Leben hingaben. Ihnen allen drückte er seine Dankbarkeit aus. Auf diese Weise dankte Rama allen, die ihm in der epischen Rama-Ravana-Schlacht geholfen hatten.Die höchste Lehre, die aus dem Ramayana gezogen werden sollte, ist, sein ganzes Leben lang jenen dankbar zu sein, die einem in einer Krise geholfen haben. Nur derjenige, der solche Dankbarkeit zeigt, kann ein Mensch genannt werden. Der undankbare Mensch ist ein Dämon. Das Menschliche und das Dämonische lassen sich äusserlich nicht vonein-ander unterscheiden. Ein Mensch wird durch seine Handlungen menschlich, dämonisch oder göttlich. All jene, die sich bösen Gedan-ken, bösen Reden und üblen Taten hingeben, werden als Dämonen beschrieben. Auch jene, die denen Schaden zufügen, die ihnen gehol-fen haben, wurden als Dämonen bezeichnet. So wurden auch jene als Dämonen behandelt, die Wahrheit und Rechtschaffenheit verleugne-ten und Falschheit und Bosheit wie ihren Lebensatem schätzten.Heute sind die Menschen von Unwahrheit fasziniert. Sie wissen nicht, was Rechtschaffenheit bedeutet und handeln unrecht. Unsere Veden lehren: „Sprich die Wahrheit, folge dem Weg der Rechtschaffenheit.“ Heute sind die Menschen nicht einmal fähig, diese Worte auszuspre-chen, geschweige denn, sie in die Tat umzusetzen.Jede Substanz hat ihre innewohnende Eigenschaft. Diese Eigenschaft ist vom persönlichen Glauben unabhängig. Es ist ihre ureigene Natur. Zum Beispiel das, welches die Eigenschaft hat zu brennen, wird Feuer genannt. Es ist die natürliche Eigenschaft des Feuers, zu brennen. Die-se Eigenschaft beruht weder auf einem Glauben noch einer Meinung. Ob ihr euch dieser Eigenschaft bewusst seid oder nicht: wenn ihr Feuer berührt, werdet ihr eine Verbrennung erleiden. Gleichermassen ist Käl-te die Eigenschaft des Eises. Auch das ist unabhängig von irgendeinem Glauben. Wenn die Kälte fehlt, ist es nicht mehr Eis. Es hat seine Natur eingebüsst. Ähnlich ist es die Natur der Sonne, Licht auszustrahlen. Es mag einer die Sonne nicht sehen, weil sie von Wolken bedeckt ist oder weil er blind ist. Das aber beeinträchtigt die Eigenschaft der Sonne nicht, Licht auszustrahlen.

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So hat auch der Mensch eine innere Eigenschaft. Diese naturgemässe Eigenschaft) besteht darin, alle Handlungen mit reinen Gedanken, Worten und Taten auszuführen. Es ist des Menschen wesenseigene Aufgabe, ein in Gedanken, Worten und Taten harmonisches Verhalten zu zeigen. Bei einer Divergenz von Gedanken, Worten und Taten ergibt sich unrechtes Handeln. Weil heute im menschlichen Verhalten zwi-schen Gedanken, Worten und Taten kein Einklang besteht, ist unrech-tes Handeln im Anstieg. Diese dreifache Einheit herrscht weder bei den Gebildeten noch bei den Analphabeten vor.Einer, der keinen Glauben hat, aber handelt, als habe er ihn, geht zwangsläufig dem Ruin entgegen. Seine Natur ist dämonisch.Heute sind Wahrheit und Rechtschaffenheit in alarmierender Weise zu-rückgegangen. Die erste Aufgabe besteht darin, junge Männer und Frauen hervorzubringen, die mit Wahrheit und Rechtschaffenheit ver-bunden sind. Nur eine Nation, in welcher sich die Männer und Frauen an diese beiden Prinzipien halten, wird gedeihen und glücklich sein. Wenn Indien solche Männer und Frauen hat, wird es grossen Wohl-stand erlangen.Die indische Kultur hat der Welt Spiritualität gegeben und die Botschaft verkündet: „Mögen alle Menschen überall glücklich sein!“ In alten Zei-ten strebten die Herrscher, die Weisen, die im Haushälterstand, alle da-nach, Wahrheit und Rechtschaffenheit zu üben. Die Herrscher gaben das Beispiel, und alle anderen folgten ihnen. Heute sehen wir: wie die Herrscher, so das Volk. Das Volk darf nicht getadelt werden. Die Fehler liegen ganz allein bei den Herrschern.Die Fehltritte der Herrscher sind schuld an den Schwierigkeiten des Vol-kes. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen und selbstsüchtigen Vor-teile. Jeder strebt nach Macht und Geld. Es gibt keine Führer, die sich um die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Leute kümmern. Wenn der Fortschritt der Nation gefördert werden soll, müssen die Herrscher dem Rat hochgesinnter Führungspersönlichkeiten in der Gesellschaft folgen. Das Überleben Indiens, sogar in seinem jetzigen Zustand, ist der Tatsache zu verdanken, dass die Herrscher der Vergangenheit die Führung grosser Weiser angenommen hatten. Die Weisen haben kein persönliches Eigeninteresse. Warum kam der Weise Vasishtha zum Kaiser Dasharatha? Er war nicht an Wohlstand und Gepränge inter-essiert. Er wollte dabei sein, wenn der Herr als Rama inkarnierte. Sita schätzte Hanuman in gleicher Weise. Sie sagte, dass, sogar wenn sie ihm die Herrschaft über die drei Welten anbieten würde, sie ihm ihre Schuld nicht abzahlen könnte. „Du bist die Verkörperung des Opfers. Du bist das Beispiel reiner Hingabe. Dank dieser beiden Eigenschaften

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hast du das Recht, dich frei in allen drei Welten zu bewegen. Alle drei Welten werden dank deiner Gegenwart den Wohlstand erleben.“Was wir heute brauchen, ist die Wiederherstellung der Oberherrschaft von Wahrheit und Rechtschaffenheit. Es gibt Menschen, die sich am Gebrauch dieser zwei Ausdrücke stossen. Wenn sie nicht wissen, was Wahrheit und Rechtschaffenheit sind, können sie nicht als menschlich betrachtet werden. Wahrheit und Rechtschaffenheit sind die natür-lichen, angeborenen Eigenschaften des Menschen. Das menschliche Leben basiert auf Wahrheit und Rechtschaffenheit. Welche Torheit ist es zu sagen, man wisse nicht, was diese seien?Wahrheit ist die Äusserung eures Denkens. Rechtschaffenheit ist, eu-ren Worten entsprechend zu handeln. Die Einheit von Gedanke, Wort und Tat ist wesentlich.Wahrheit und Rechtschaffenheit sind keine Eigenschaften, die erwor-ben werden müssen, wie Narashima Murthy in seiner Ansprache an-gedeutet hatte. Sie sind dem Menschen eigen, mit ihm geboren wie sei-ne Glieder und sein Lebensatem. Es ist unnötig, sie anderswo zu su-chen. Sie gehen vom eigenen Herzen aus. Sie wohnen in einem jeden. Es ist aber nötig, darauf zu achten, dass diese angeborenen Eigen-schaften nicht verloren gehen. Niemand hat das Recht, in dieser Welt zu leben, der nicht Wahrheit und Rechtschaffenheit übt.Es wurde dargelegt, dass zur Ausübung dieser beiden Eigenschaften Entsagung wesentlich ist. Entsagung heisst nicht, dass man Heim und Herd aufgeben müsse. Wahre Entsagung bedeutet, dass man Glück und Unglück gleich behandelt. Man muss Freud und Leid, Gewinn und Verlust mit Gleichmut begegnen. Lasst euch nicht durch Glück begei-stern und durch Traurigkeit niederdrücken. Behandelt Lob und Tadel gleich. Das ist wahre Entsagung. Akzeptiert die Höhen und Tiefen des Lebens mit Gleichmut.Schaut euch das Beispiel Sitas an. Sie war Gefangene im Wald aus Ashoka-Bäumen von Ravana. Er hatte ihn auf vielerlei Art verschönert, um Sita zu verlocken. Aber Sita hatte an diesen Verlockungen gar kein Interesse. Sie war jedoch tief berührt, als ein kleiner Affe in der Spitze des Baumes, unter dem sie sass, Loblieder auf Rama sang. Sita fand in dem Affen mehr Schönheit als in allen Blumen des Ashoka Waldes. Es war das Lobsingen von Ramas Namen, das dem Gesicht des Affen solche Schönheit verlieh. Sita war in jenem Moment voller Glückse-ligkeit. Der Name war wie Nektar für sie. Schönheit ohne Glückseligkeit ist steril. Das Ramayana lehrt die wesentliche Beziehung zwischen Schönheit und Glückseligkeit.

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Worin lag Sitas und Ramas Glückseligkeit? Im Wohlbefinden und im Glück des Volkes. Sie verlangten nichts vom Volk. Sie waren nur daran interessiert, zu geben - das zu geben, was für das Volk gut war. Das trifft für alle Avatare von Rama bis heute zu. Was verlange ich denn von euch? Ich bitte nicht einmal um eine kleine Muschel. Die Studenten bekommen eine unentgeltliche Ausbildung. In den Krankenhäusern wird freie Behandlung angeboten. Alles, was Swami anbietet, ist ko-stenlos. Die Studenten bezahlen nur für Speise und Trank. Wo sonst findet ihr kostenlose Ausbildung und medizinische Versorgung in die-sem Umfang? Nirgends. Ich bitte niemanden um etwas. Ich werde glückselig sein, wenn ihr gute Leben führt und als edle Staatsbürger hervortretet.In der heutigen Welt stellt ihr fest, dass die Studenten nur dann grös-seres Interesse für ihre Studien zeigen, wenn sie für ihre Ausbildung hohe Kosten aufwenden müssen. Die Leute haben mehr Vertrauen in Hospitäler, die sehr viel kosten. In Privathospitälern verlangt man für eine Herzoperation im voraus 2 Lakh Rs. (200‘000 Rupien). Die Pati-enten glauben, hochqualifizierte Behandlungen zu bekommen, weil sie so hohe Beträge zahlen. Das ist reine Torheit. Man kümmert sich nur noch wenig um die Patienten, wenn einmal die Operation vorbei ist. Im Sai Super-Speciality-Hospital wird alles unentgeltlich getan; die besten Einrichtungen stehen zur Verfügung, und es wird liebevoll für die Pa-tienten gesorgt. All dies wird als selbstverständlich betrachtet, da man den Ärzten kein Honorar bezahlt. Das ist eine falsche Einstellung. Ohne Zweifel wird der Wert der kostenlosen Angebote in kurzer Zeit erkannt, doch ich bedaure, dass solche falschen Eindrücke überhaupt entste-hen. Wenn sogar Studenten so denken, welchen Nutzen ziehen sie dann aus ihrer Ausbildung in Sai-Instituten? Studiert ihr einzig und al-lein, um euren Lebensunterhalt zu verdienen? Geld zu verdienen ist keine besonders grosse Sache. Auch Banditen tragen Geld zusam-men. Man weiss, dass sogar Bettler grosse Summen allein durch Bet-teln angehäuft haben. Bildung sollte nur zur Erlangung von Weisheit erstrebt werden, nicht, um Reichtum zu erwerben. Wer nur an Geld In-teresse hat, wird nie gute Eigenschaften pflegen können. Alle unsere Institutsstudenten sollten sich nur mit der Pflege von Tugenden befas-sen. Viele Könige haben am Reichtum Freude gehabt und sind gestor-ben. Wo sind sie jetzt? Man erinnert sich nur an ihre schlechten Taten.In den letzten zehn Tagen müsst ihr viel über Ravana gehört haben. Sein Reichtum war grenzenlos. Kubera, der Gott des Wohlstands war sein Vetter. Seine Festung und seine Stadt waren mit Gold gepflastert.

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Was nützten all seine Reichtümer und sein Wohlstand? Er hatte keinen Charakter. Schliesslich verlor er alles.Fördert deshalb euren Charakter. Der Erwerb guter Eigenschaften ist das Kennzeichen wahrer Bildung. Welche Rolle spielt es, wie reich ein Mann ist, wenn er kein sittliches Verhalten hat? Ein reicher Mann erfreut sich kaum eines friedvollen Gemütes.Zweifellos ist Geld nötig, um leben zu können. Aber zuviel Geld ist schädlich. Ihr seid der Familie gegenüber in der Pflicht. Daher müsst ihr ein Einkommen verdienen. Doch vom Geld besessen zu sein, ver-unreinigt den Geist. Übermässiger Reichtum ist der Grund aller schlechten Gedanken und Gefühle. Ihr könnt sehen, dass es in den meisten Fällen die Kinder der Reichen sind, die den Weg verfehlen.Die Menschen sollten immer daran denken, dass das Ende jederzeit kommen kann. Man sollte sein Leben ändern, lange bevor das Ende heranrückt. Grösse besteht nicht aus Wohlstand, sondern aus Tugend. Ein wahrer Mensch erkennt das Göttliche in sich selbst. Er sollte ein gottgeweihtes Leben führen. Jedermann sollte bestrebt sein, den in-newohnenden Geist zu erkennen, welcher der Meister des Körpers und der Sinne ist. Die höchste Erziehung ist Erkenntnis des Göttlichen Selbst. Der Geist ist unsichtbar wie die Wurzeln eines Baumes. Aber er ist die Basis für wahre Glückseligkeit, genauso wie die Früchte eines Baumes von den Wurzeln herstammen. Die äusseren Vergnügen, de-ren ihr euch erfreut, beruhen auf der Kraft des inneren Geistes. Die Luft, die ihr atmet, das Licht, das ihr seht, das Wasser, das ihr trinkt, haben alle ihren Ursprung im Göttlichen.Die Studenten sollten die göttliche Kraft erkennen, welche alles im Uni-versum erhält. Es war das Gottvertrauen, das Sita am Leben erhielt während der zehn Monate, die sie allein als Gefangene im Ashoka Wald lebte. Die göttliche Kraft, die Sita in ihrer Gefangenschaft aufrecht er-hielt, ist in jedem Einzelnen vorhanden. Verlasst euch auf diese Kraft. Ihr braucht nur euren Blick nach innen zu wenden. Folgt den Geboten eures Gewissens. Erziehung sollte euch gute Eigenschaften lehren: rechtes Denken, rechtes Benehmen, Disziplin und Pflichtbewusstsein.Die Studenten sollten einen unerschütterlichen Glauben an Wahrheit und Rechtschaffenheit entwickeln. Steht zu eurem gegebenen Wort. Das ist die Botschaft von Ramas Leben. „Ein Wort, eine Gemahlin, ein Pfeil.“ Rama veranschaulicht diese drei Zeichen durch sein Beispiel. Ihr müsst das in eurem Herzen lebende Rama-Prinzip erfahren.Rama ist nicht der ferne Sohn eines Kaisers. Er ist der ewige Geist in jedem Herzen. Lebt nach eurem Gewissen, und ihr werdet Gott gefal-len.

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Jeder Mensch muss den Glauben an Wahrheit und Rechtschaffenheit entwickeln, sie im alltäglichen Leben üben und ein wertvolles Leben führen.

Studenten! Jungen und Mädchen! In zukünftigen Jahren werdet ihr wahrscheinlich führende Positionen in der Nation bekleiden. Die Zu-kunft der Nation hängt von eurem Lebenswandel ab. Geht vorwärts, um der Nation zu dienen. Welchen Prüfungen ihr auch begegnen mögt, besteht sie im Glauben an Gott. Folgt den göttlichen Geboten. Dies wird zu eurem Wohlergehen beitragen sowie zum Wohlergehen der Nation und der Welt.

(Ansprache in Brindavan am 29. Mai)

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17. Juni

Verkörperungen der göttlichen Liebe!

Wie töricht auch immer ein Mensch sein mag, er wird sicherlich in sei-nem Heim geachtet. Wie närrisch ein Mensch auch sein mag, seine El-tern können nicht anders, als ihn zu lieben. Was ist der Grund dafür? Sie sind durch die Eltern-Kind-Liebe an ihn gebunden und lieben ihn weiterhin, auch wenn er ein Narr ist. Der Dorfvorsteher mag sich in einer höchst unziemlichen Weise verhalten, dennoch werden die Dorfbe-wohner ihn respektieren. Der Grund liegt darin, dass er mit der Macht der Autorität versehen ist. Die Menschen respektieren nicht nur die Au-torität, sondern auch den Menschen, der sie innehat. Sie respektieren seine Stellung. Der König mag ein Mensch jeglichen Charakters sein, aber die Untertanen des Königreichs werden ihm weiterhin Respekt zollen. Der Grund liegt wieder in seiner Autoritätsstellung. In diesem Eisernen Zeitalter werden nur Macht und Mammon respek-tiert, aber niemand achtet den Charakter und die Tugenden eines Men-schen. Aber die Kenntnis des Göttlichen Selbst wird universal geachtet. Sie wird durch Veränderungen in Ort, Zeit oder Situation nicht berührt und behält ihren hohen Stellenwert. Das spirituelle Wissen hat in den vedischen Zeiten seinen Ursprung und wird „Wissen um Brahman” das „Göttlich-Absolute”, genannt. Der deutsche Gelehrte Grift erklärte der Welt nach ausgiebiger Forschung: „Die Veden sind das erste vom Men-schen gesprochene Wort.“ Der deutsche Gelehrte Max Müller studierte ebenfalls die Veden und empfand höchsten Respekt für sie. Er grün-dete einen Ashram, wo er in Einsamkeit leben konnte und begann mit der Aufgabe, die Veden zu übersetzen. In jenen Tagen erhielten verschiedene Inder Zulassung zur Oxford-Uni-versität, um für ICS (Indian Civil Service) zu studieren. Max Müller sprach zu ihnen und setzte ihnen ein Vorbild, das wert ist, um ihm nach-zueifern. Er schrieb ein Buch darüber, was Indien uns lehren kann. Er erklärte, dass das Gebäude der indischen Kultur auf folgenden vier Säulen ruhe: Sprich die Wahrheit, handle recht, verehre die Mutter als Gott, verehre den Vater als Gott.

All die Ausführungen und Regeln der Veden formen die Glieder der in-dischen Kultur. Auf der Grundlage des Einflusses dieser Veden führte ein Gelehrter namens Wilson seine eigenen Forschungen durch. Er übersetzte die vom Weisen Parasara verfasste puranische Literatur ins

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Englische. Er hob besonders das Padma-Purana hervor und enthüllte, dass im Eisernen Zeitalter im Dorf Puttaparthi ein fünf Fuss und drei Inches grosser Mensch namens Sathya inkarnieren würde. Er be-schrieb auch, dass diese Person ein Magnet sein würde, der die ganze Welt anzieht, und enthüllte dadurch der gesamten Welt die vom Weisen Parasara gemachten Vorhersagen. Wilson übersetzte auch Manus Buch über die Wissenschaft von Ordnung, Gesetz, Rechtschaffenheit, vom Gebot Gottes, und veröffentlichte ein Buch mit dem Titel „Manus Gesetz“. Er kam zu dem festen Entschluss, dass der von Manu ent-deckte und in diesem Buch beschriebene Sachverhalt in keinem an-deren Buch, in keinem anderen Land und in keiner anderen Zeit ge-funden werden könnte. In dieser Weise hat die indische Kultur die Welt mit ihren Ideen und Idealen in Bann gehalten. Aus diesem Grund be-hauptete der Weise Vyasa, dass das, was in Indien nicht zu finden ist, auch nirgendwo anders in der Welt zu finden sei. Alles ist in Indien erhältlich. Leider weisen die Inder heutzutage selber die indische Kultur zurück. Das schlechte oder gute Schicksal der Inder hängt von ihren Gedanken ab. Gestern erwähnte ich das Wort Adrushta (gutes Schicksal). A + drishta ergibt adrushta. Es bedeutet das, was dem Auge nicht sichtbar ist. Wie erlangt man ein gutes Schicksal? Wenn wir den Samen der Gedanken säen, ernten wir die Früchte der Handlungen. Wenn wir die Samen von Handlung säen, ernten wir die Früchte der Anhaftung. Wenn wir die Samen der Anhaftung säen, ern-ten wir die Früchte des Charakters. Wenn wir die Samen des Charak-ters säen, ernten wir die Früchte von Adrushta, einem guten Los. Des-halb hängt Adrushta vom Charakter ab, welcher wiederum von Ge-wohnheiten abhängt. Gewohnheiten entstehen aus dem Handeln, wo-hingegen unser Handeln durch unsere Gedanken geprägt wird. Deshalb sind unsere eigenen guten Gedanken für unser eigenes gutes Los verantwortlich. Was ist dann die Ursache eines schlechten Schicksals? Wenn wir die Samen schlechter, böser Gedanken säen, ernten wir die Früchte schlechter Gewohnheiten. Die Saat schlechter Gewohnheiten erzeugt die Frucht eines schlechten Charakters. Wenn die Saat eines schlech-ten Charakters gesät ist, wird die Frucht eines schlechten Schicksals geerntet. Demzufolge hängen sowohl gutes wie auch schlechtes Schicksal von den Gedanken ab. Deshalb müssen die Gedanken auf dem höchsten Standard sein.

Wer ist ein Narr? Derjenige, der weiss, was gut ist, aber es dennoch zurückweist und wohlgemeintem Rat keine Beachtung schenkt. Er be-

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steht dogmatisch auf seinen schlechten Wegen, beachtet guten Rat-schlag nicht und führt seine Arbeit auf dem verkehrten Weg fort. Er ist nicht bereit, seine schlimmen Wege aufzugeben. Er weiss, was Wahr-heit und Rechtschaffenheit ist. Auch Duryodhana und Dussyasana kannten Wahrheit und Rechtschaffenheit, aber setzten sie nie in die Praxis um. Zu wissen, was recht ist, und dennoch den falschen Weg zu wählen, ist das charakteristische Kennzeichen eines Narren. Eben-so ist es eine Art von Torheit, die Göttlichkeit zurückzuweisen und der Welt hinterherzurennen. Heutzutage nimmt diese Torheit zu. Deshalb müssen sich göttliche Empfindungen im Menschen entwik-keln. Das göttliche Prinzip ist jenseits aller Attribute. Was ist Gött-lichkeit? Es ist die in jedem gegenwärtige Liebe. Liebe ist Gott. So wie die Göttlichkeit ihre Liebe auf verschiedene Weise ausdrückt, so muss auch der Mensch seine Liebe ausdrücken. Liebe ist heilig, weit und un-ermesslich. Solche Liebe muss als die Göttlichkeit selbst angesehen werden. Wie stark, intelligent oder reich ein Mensch auch sein mag, er kann Liebe nicht kaufen. Sie ist kein Artikel, den man leihen oder verleihen kann. Liebe kann nicht gemietet werden. Liebe ist alldurch-dringend. Heutzutage ist aus dieser Liebe ein Geschäftsunternehmen geworden. Liebe muss mit Liebe empfangen werden; das sollte das er-ste Ziel des Menschen sein. Heutzutage erwerben wir verschiedene Ar-ten der Bildung, Macht und Position. Aber was wir tatsächlich erlangen sollten, ist die Fähigkeit, diese heilige Liebe zu empfangen. Auch die Veden haben dies dem Menschen in ihren verschiedenen Kapiteln er-klärt. Was ist Liebe? Liebe hat keine Form, aber sie ist in jeder Form erfahrbar. Liebe kann jede Form annehmen. Luft existiert, aber ohne Form. Wenn es keine Luft gäbe, würdest du sterben. Luft in einem Fuss-ball oder Ballon nimmt jeweils dessen Form an. Entsprechend nimmt Liebe eine Form an, die der Art des Menschen entspricht, in den sie fliesst. Auch Wasser hat keine Form. Wasser nimmt die Form des Behälters an, in den es gegossen wird. Deshalb kann auch Liebe über die Art der Form, die sie erfüllt, erfahren werden. Aber heutzutage richtet der Mensch seine Aufmerksamkeit nur auf den Behälter und kümmert sich nicht um den Inhalt, die Essenz. Er folgt dem äusserlichen Weg, aber ist nicht in der Lage, das innere Prinzip zu verstehen.

Was ist Hingabe? Man glaubt, sie bestünde aus Meditation, Ritualen und dergleichen mehr. Hingabe wurde als aus neun Arten bestehend beschrieben: Zuhören, Singen, Wiederholen des göttlichen Namens, Anbetung der Füsse des Herrn, Verneigen, Anbetung, Dienen, Freund-

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schaft und Ergebung. Das vorletzte Stadium ist Freundschaft. Ohne dieses Stadium der Freundschaft zu erreichen, ist Ergebung unmög-lich. Was ist Ergebung? Es bedeutet, sich selbst aufzugeben. Dafür muss zuerst Freundschaft entwickelt werden. Was ist Freundschaft? Hallo, hallo zu sagen? Es bedeutet: zwei Körper, aber ein Leben. Beide Körper müssen von einem Gedanken erfüllt sein. Es wurde auch „mai-thri“ genannt, mai + three (= drei). Es bedeutet, dass in allen drei Ebe-nen, dem Körper, dem Geist und dem Spirituellen, dasselbe Ich-Prinzip ist. Dies zu empfinden, erzeugt Ergebung, was euch ermöglicht, die Göttlichkeit zu erlangen. Solange das Empfinden von „Ich bin ich” und „du bist du“ existiert, kann die Göttlichkeit nicht verwirklicht werden. Es wurde gesagt, der göttliche Funke existiere in allen Geschöpfen und Elementen. Weil ihr euch an den Körper bindet, betrachtet ihr euch selbst als von Gott getrennt. Um dieses Prinzip von „maithri“ aufzunehmen, muss als erstes Bha-gavans Anweisung befolgt werden. Die heutige Hingabe hält an indi-viduellen Zielen fest, aber kümmert sich nicht um Gottes Befehl. Warum sollte dann überhaupt eine Anweisung gegeben werden? Wenn der An-weisung nicht gefolgt wird, wo ist dann die Hingabe? Folgt bei jedem Schritt Gottes Befehl. Das ist der wahre Weg. Puranda Dasa sagte einst: „Oh Gott! Ich bin in diese Welt geboren wor-den, weil ich dich vergessen habe. Hätte ich dich in meinem Herzen verankert, wäre ich überhaupt nicht geboren worden. Alle Zweifel ha-ben eine gemeinsame Ursache. Es ist das Körperbewusstsein. Ein Baum wächst zwischen den Felsen eines Hügels. Wer hat ihn gedüngt und bewässert? Du, Gott, hast es getan. Wer hat dem Pfau solche wun-derbaren Farben verliehen? Welch ein grosser Künstler du bist, mein Herr, der dem grünen Papagei einen roten Schnabel gegeben hat!“ Kein Wissenschaftler hat jemals über diese Dinge nachgedacht. Sie schieben es als einen natürlichen Vorgang beiseite. Die Antwort liegt im inneren Weg. Der göttliche Wille kann alles erreichen. Nichts kann geschehen, ohne dass Gott es will. Dieser Glaube muss jetzt entwickelt werden.

Manche Menschen denken, sie seien menschlich und deshalb schwach. Das stimmt überhaupt nicht. Purandara Dasa sang einst: „Oh, Herr! Wer wird arm und schutzlos sein, wenn du doch da bist? Du tust alles. Du lehrst, und du gibst die Intelligenz; du bist der, der bestraft, und du bist zugleich der, der mich rettet. Es gibt nichts, was nicht in deinen Händen ist. Deshalb besitzt du jedes Recht über mich. Wie kann ich dann arm genannt werden? Wenn ich ein armer Mensch wäre, wür-

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dest du nicht so frei deine Herrschaft über mich ausüben. Weil ich dein bin, hast du alle Rechte über mich!“ Jeder ist eine Verkörperung des göttlichen Funkens. Man muss diese Wahrheit erkennen und jede Anstrengung unternehmen, um mit dem Göttlichen zu verschmelzen. Solange jemand Stellung und Macht hat, wird er respektiert. Wer achtet dich, nachdem du deine Stellung auf-gegeben hast? Aber jemandem, der Gott nahe ist, wird überall Achtung erwiesen, er mag im Wald, im Himmel, in einem Dorf, in einer Stadt, auf einem Berg oder tief im Meer sein. Es gibt nur einen Gott. Heutzu-tage sieht der Mensch Gott, wenn sein Wunsch erfüllt wird. Wenn nicht, dann sieht er den Teufel! In Wahrheit ist der Mensch selbst der Dämon. Du nimmst Gott als Teufel wahr, weil dein Herz voll weltlicher Gefühle und Wünsche ist. Fülle das Herz mit Mitgefühl. Aus einem Tank, der mit reinem Wasser gefüllt ist, wird auch reines Wasser in die Wasser-hähne fliessen. Wenn das Wasser im Tank schmutzig ist, fliesst schmutziges Wasser aus den Hähnen. Wie das Empfinden ist, so ma-nifestiert sich Gott.

In Bezug auf das Ramayana fragte ich euch: Wer ist Yama, der Gott des Todes, und wer ist Rama? Yama ist Rama und Rama ist Yama. Vibhishana, der sich Ramas Füssen hingab, sah ihn als Gott. Weil Ra-vana böse Wege beschritt und böse Handlungen ausführte, sah er Rama als Yama, den Gott des Todes! Gott Narayana erschien Prahl-ada, der beständig den Namen „Om namo narayana“ sang, als Gott. Aber Hiranyakashipu sah Gott als den Tod. Kamsa, der böse Taten be-ging und sogar bereit war, seine eigene Schwester zu töten, sah Krish-na als Yama. Aber der alte König, Kamsas Vater, sah Krishna als Gott. Demzufolge sind Gott und Yama nicht voneinander verschieden. Alles basiert auf euren Empfindungen und Gedanken. Auch Unglück und Glück beruhen auf diesen Faktoren. Zuallererst müssen ihr für ein gutes Schicksal qualifiziert sein. Dafür ist es wichtig, einen guten Charakter zu haben. Nur Jemand mit einem guten Charakter entwickelt gute Ge-wohnheiten. Jemand mit guten Gewohnheiten wird auch gute Hand-lungen durchführen, nämlich Handlungen, die er als Gaben für Gott be-trachtet. Diese Menschen werden wiederum immer gute Gedanken ha-ben. Schlechte Gedanken können sich ihnen nicht einmal nähern. Ver-ankert deshalb die Göttlichkeit in euren Herzen und führt eure weltlichen Pflichten in einer korrekten Weise aus.

Max Müller lehrte die Oxford-Studenten, die für ICS studierten, eine ähnliche Lektion. Nach einer bestimmten Lesung suchte ein ICS-Stu-

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dent Max Müller auf, der zu diesem Zeitpunkt die vier Veden übersetzte. Max Müller war ein so belesener Gelehrter, so dass sogar in Indien nur Wenige es mit seiner Gelehrsamkeit aufnehmen konnten. Er konnte so-gar mehrere Gedichte in Sanskrit verfassen. Er hegte den Wunsch, dass, sollte er wiedergeboren werden, es in Indien sei. Er war der Mei-nung, es würde ihn heiligen, wenn er nur ein wenig Staub vom Land Indien nehmen und über sich streuen würde. Ein Student des Indian Civil Service (ICS) sandte seine Visitenkarte zu Max Müller. Max Müller war zu diesem Zeitpunkt darum bemüht, einen bestimmten ausführli-chen Vers der Bhagavadgita zu verstehen. Er warf einen Blick auf die Visitenkarte, auf der stand, dass ihr Besitzer den Namen Chaturveda Amareswara Shastry trägt (Chaturveda bedeutet vier Veden, shastri bedeutet Gelehrter, Anm. d. Übers.). Max Müller war überglücklich. Er wies seinen Diener an, zwei Tassen Tee zuzubereiten. Er hielt sich in der Tat für glücklich, dass er einen Menschen treffen würde, der alle vier Veden kannte, während er selbst kaum eine der Veden beherrsch-te! Er bat den Besucher in seine Räume und sagte: „Ich bin ein sehr gesegneter Mensch.“ Er bot seinem Gast einen Platz und Tee an. Er fragte seinen Besucher, von wo er käme. Der Mann erwiderte, er kom-me von Indien. Daraufhin sagte Max Müller: „Ich übersetze die Veden. Ihr Name zeigt an, dass Sie ein Meister der vier Veden sind. Könnten Sie bitte folgenden Zweifel für mich lösen?“ Und er zeigte dem Besu-cher den betreffenden Vers. „Oh, die Veden! Sie sind nutzlos! Ich bin an ihnen nicht interessiert“, erwiderte der Besucher. Max Müller ver-schlug es die Sprache. Er dachte: „Er kommt aus Indien, trägt den Na-men eines Gelehrten der vier Veden, steht hier vor mir und kritisiert die heiligen Veden! Heute ist wahrhaftig mein Unglückstag.“ Man kann hieran sehen, dass die Ausländer enormes Vertrauen in die Veden ha-ben und sie hoch schätzen. Aber obwohl sie in Indien geboren sind, sich als Inder ausweisen, das Wasser dieses Landes trinken, seine Nahrung essen und seine Luft atmen, machen die Inder sich dennoch über die Veden lustig. Max Müller beschloss daraufhin, Indien niemals zu besuchen. Er war besorgt, was mit seinem Denken geschehen wür-de, wenn er Indien betreten würde. Ihm war bewusst, dass er jetzt ruhig und stetig war. Aber er war sich nicht sicher, welche Richtung sein Den-ken nehmen würde durch die Menschen, die er in Indien träfe. Dasselbe spiegelt sich in dem Sprichwort wider: „Zeige mir deine Ge-sellschaft, und ich sage dir, wer du bist.“ Ein Mensch wird durch die schlechten Menschen, mit denen er verkehrt, ruiniert. Gute Gesell-schaft ermöglicht es einem, gute Qualitäten aufzunehmen. Die Gesell-schaft schlechter Menschen erzeugt schlechte Eigenschaften.

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Es ist deshalb wichtig, dass wir immer heilige Gegenstände mit uns tra-gen. Viele von euch haben den falschen Eindruck, dass Swamis Ma-terialisationen von Ringen, Uhren usw. eine weltliche Bedeutung ha-ben. Das ist ein grober Irrtum! Denkt nicht so! Diese Materialisationen sind Leitern, die es euch ermöglichen sollen, zu einer strahlenden vor-bildhaften Zukunft aufzusteigen. Solange ihr im Besitz solch heiliger Gegenstände seid, sollen nur heilige Gedanken in euch entstehen. Beispielhaft hierfür ist, was Sita zu Rama sagte, als sie im Wald lebten. „Herr! Du trägst das Gewand eines Asketen und gehst im Wald umher. Du gabst sogar dein Königtum mit all seinen Bequemlichkeiten auf, ob-wohl du ein Recht darauf hattest. Du bist hergekommen, um solch ein heiliges, von Opfergeist gekennzeichnetes Leben zu führen. Warum hast du dann diesen Bogen bei dir behalten? Diese Geschütze sollten nicht mit dir sein. Solange du sie mit dir trägst, wird auch die Bereit-schaft, sie zum Töten und Verletzen zu nutzen, dich begleiten. Bist du in diesen Wald gegangen, um zu verletzen? Die Tiere streifen hier frei umher, da es ihre Heimat ist. Ist es nicht Gewalt, diese Tiere zu töten, die sich frei bewegen und hier zu Hause sind? Welchen Schaden haben sie dir zugefügt? Warum hast du diesen Bogen mit dir gebracht?“ Entsprechend hängen die Gefühle, die in euch entstehen, von den Ge-genständen ab, die ihr mit euch trägt. Viele Studenten wissen um fol-gendes: Solange man einen Stift in der Hand hält, hat man die Tendenz, irgend etwas zu kritzeln, sei es auf ein Papier oder auf die Hand. Ein Messer in der Hand verführt einen dazu, seine Nägel zu schärfen, ein Stück Holz zu schnitzen oder Ähnliches. Das sind alles Neigungen, die aus früheren Leben stammen, und zwar vor allem aus dem eines Affen! Deshalb müssen wir immer etwas Gutes mit uns tragen. Wir sollten un-seren Nacken mit Gutem schmücken. Allein die Wahrheit ist der beste Schmuck des Halses. Wahrheit nimmt die Form von Klang (Sprache) an. Der Hals sollte mit der göttlichen Form geschmückt werden. Barm-herzigkeit ist der Schmuck der Hand. Zugleich mit Barmherzigkeit sollte die Hand mit dem Ring geschmückt sein, der durch die Gnade Gottes erlangt wurde. Manche Menschen fragen sich, warum all das für uns wichtig ist. Solche Gedanken plagen nur Menschen, welche die innere göttliche Bedeutung von all diesem nicht verstehen können. In der in-dischen Kultur gibt es mehr solcher heiliger Dinge. Zuerst müsst ihr zu verstehen suchen, was Kultur ist. Kultur ist das, was geläutert und veredelt wurde. Denkt über die Reisernte nach. Könnt ihr den Reis in dieser geernteten Form konsumieren? Man muss erst den Reis vom Grashalm trennen, dann die Hülse entfernen und die Reis-körner kochen. Nach dieser Reinigung durch das Feuer (den Koch-

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vorgang) isst man den Reis. Die endgültige Form der Nahrung entsteht erst nach dem Reinigungsprozess durch das Feuer. Dieser ganze Pro-zess der Trennung vom Grashalm und der Reinigung durch das Feuer symbolisiert den Läuterungsprozess der Kultur. Er besteht aus dem Be-seitigen all der unerwünschten schlechten Dinge wie Gras und Hülse, und nur der nützliche Reis wird als Nahrung akzeptiert. Ein Sack un-bearbeiteter Reis mag zweihundert Rupien kosten, aber der gereinigte und veredelte Sack Reis kostet tausend Rupien! Tatsächlich erhöht der Läuterungsprozess den Wert. Demzufolge findet durch den Prozess der Kultur sowohl ein Läuterungsprozess als auch eine Werterhöhung statt. Kultur bedeutet zusammengefasst, das Schlechte zurückzuwei-sen und das Gute anzunehmen und zu nähren. Man spricht auch vom Lebensweg. Es bedeutet, dass in unserem täglichen Leben die Nah-rung rein sein muss. Es bedeutet, dass Gras und Hülsen beseitigt wer-den müssen, das Korn im Feuer gekocht und der Reis dann gegessen werden muss. Ohne diesen Prozess ist der Reis wertlos. Dies ist ein Silberteller. Silber an sich bringt uns keinen Nutzen. Es muss durchs Feuer gehen, veredelt, gehämmert und ausgeglüht werden, da-mit es in dieser Endform eines Tellers erscheinen kann. Wie kam dieses Tuch hierher? Es hatte zuerst die Form von Baumwolle, aus der das Garn gesponnen wurde. Dieses Garn wurde dann auf dem Webstuhl zur endgültigen Form eines Taschentuches gewebt, das im Leben nütz-lich ist. Entsprechend ist Kultur der Prozess, durch den Nutzloses in Nützliches transformiert wird. Indien ist ein Land, das mit solch einer Kultur verbunden ist. In diesem Land hat alles eine Kultur. Bevor wir das Haus betreten, waschen wir zuerst unsere Füsse, um die verschiedenen schädlichen Keime weg-zureinigen, die sich auf unseren Füssen angesammelt haben, während wir draussen gegangen sind. Manche Brahmanen pflegen die Gewohn-heit, vor dem Essen eine Handvoll Wasser zu nehmen, und es um den ganzen Teller herumzuspritzen, während sie die Namen der Lebens-prinzipien des Feuers sprechen. Auch dies ist ein Anzeichen von Kultur. Das um den Teller verspritzte Wasser hindert die Ameisen daran, das Essen auf dem Teller zu verderben. Daran kann man sehen, wie die indische Kultur sogar für solch subtile Handlungen Erklärungen findet. Es gibt im Sanskrit keine bedeutungslosen Wörter. Aber Menschen, die nicht die Bedeutung der Worte kennen, verwenden sie in einer bedeu-tungslosen Weise. Sie bleiben nicht still, sondern reden, als ob sie alles wüssten. Das ist Torheit. Statt dessen muss man sich anstrengen, das Unbekannte kennenzulernen. In der Göttlichkeit liegt enorme Energie und Macht.

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In jeder einzelnen Silbe der Veden liegt verborgen und unsichtbar eine Form von Energie. Es gibt im Sanskrit ein Wort namens vak. Dieses Wort bedeutet Wort. Padartha (Ding, Objekt) ist ein anderes Wort. Alles ist gegenständlich. Was bedeutet dieses Wort padartha? Der Sinn (artha) des Wortes (pada) ist der Wortsinn selbst (padartha bedeutet übersetzt sowohl Objekt, Ding als auch Wortsinn, Bedeutung eines Wortes; Anm. d. Übers.). Hier ist eine Blume, eine Rose. Das Wort Blu-me trägt seine Bedeutung in sich. Das Wort Taschentuch birgt die Be-deutung, dass es sich um ein Taschentuch handelt, in sich. Man spricht von padartha (Objekt), weil das Objekt die Bedeutung (artha) des Wor-tes (pada) zeigt. In der indischen Kultur gibt es viele solcher verblüffender Dinge. Im spi-rituellen Wortbereich existiert das Wort akshara. Ist es nur eine Silbe? Im Sprachgebrauch des Vedanta bedeutet akshara das, was ewig ist (akshara bedeutet übersetzt sowohl allgemein Silbe, als auch akshara, das bedeutet ohne Zerstörung, Anm. d. Übers.). Man sagt, Gott sei ewig. Aber in diesem Ewigen ist auch das Vergängliche anwesend und umgekehrt. Das zu verstehen, ist Kultur. „A“ umfasst das, was ewig ist, und „kshara“ das, was zerstörbar ist. Das Vergängliche ist jivatman, das individuelle Selbst, das Ewige ist Paramatman, das höchste Göttliche Selbst. Demzufolge ist akshara die Kombination von Atman und Pa-ramatman. Jeder subtile Punkt birgt eine enorme innere Bedeutung in sich.

Studenten! Es gibt noch viel mehr, was ihr über die indische Kultur zu lernen habt. Bei jedem eurer Lebensschritte begegnet ihr dieser Kultur. Jedes Wort hat einen Bezug zur indischen Kultur. Alles, was ihr seht, enthüllt euch die indische Kultur. Einst betete der Elefantenkönig zu Gott: „Oh Gott! Komm herab und rette mich aus den Klauen dieses Kro-kodils!“ Und der Herr rettete den Bittenden sofort. Dies wurde von meh-reren Dichtern auf verschiedene Weise gedeutet. Wenn sie gefragt werden: „Wie weit ist Gott von seinem Devotee oder Diener entfernt?“ antworten einige törichte Intellektuelle, Gott wohne soweit entfernt, wie der Schrei des Elefanten gehört werden konnte. Welche Unwissenheit! Gott versetzt sich nicht von einem Platz zu einem anderen. Er ist all-gegenwärtig. Gott nimmt immer die Form an, als die der Devotee ihn sieht und zu welcher der Devotee betet. Wer betet, dass Gott immer hinter ihm ist und ihn rettet, wird immer den Fusstritt des Herrn hören. Derjenige, der Gott anfleht, seine Schwierigkeiten zu sehen und ihm zu helfen, von dem sagt man, er sähe nur die Augen des Herrn. Man sagt, der Devotee, der Gott anfleht, seinen Bitten und Gebeten zuzu-

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hören, sähe nur die Ohren des Herrn. Gottes Antlitz ist in allen Dingen dieser Schöpfung. In Shirdi versicherte Sai Baba einst einem Devotee: „Du Narr! Warum machst du dir Sorgen? Ich bin immer hinter dir, ich führe und schütze dich! Der Devotee war erfreut, aber nachdem er ein kurzes Stück gegangen war, drehte er sich um und schaute zurück. Nie-mand war da! Sofort dachte er: „Sai Baba ist ein grosser Lügner! Ob-wohl er mir versprach, dass er direkt hinter mir wäre, ist er jetzt ver-schwunden!“ Mit diesem Gedanken ging er direkt zu Sai Baba, um ihn mit der Frage zu konfrontieren, warum er nicht seinem Versprechen entsprechend hinter ihm geblieben wäre. Sai Baba erwiderte: „Saitan! Ist dies der Stand deiner Intelligenz? Als du dich umdrehtest, drehte sich auch dein Rücken. Mein Versprechen haltend, drehte auch ich mich sogleich. So bin ich immer noch ganz hinter deinem Rücken!“ In dieser Weise sind Gottes Wege und Worte voller Geheimnisse und Wunder. Gewöhnliche Menschen können sie niemals verstehen. Ver-sucht deshalb nicht, sie zu verstehen. Hört dem, was gesagt wurde, zu und befolgt es. Das ist eure Pflicht. Niemand kann wirklich die Dinge, die mit Gott zu tun haben, Gottes Wege, verstehen. Gott mag wie ein normaler Mensch erscheinen, aber in ihm liegt eine unergründliche und gewaltige Macht. Erledigt deshalb eure Pflicht. Ergebt euch Gott, um eure Zweifel zu lösen. Das ist eure Hauptpflicht.

(Vollständige Übersetzung aus dem Telugu ins Englische, Prashanti Nilayam)

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18. Juni

Die vier Leuchtfeuer

Der Mond ist das Licht der Nacht.Die Sonne erhellt den Tag.

Rechtschaffenheit lässt die drei Welten in Licht erstrahlen.Ein idealer Sohn spendet einer ganzen Familie Licht.

Ihr alle kennt den Unterschied zwischen den Voll- und Neumondnäch-ten. Eine Neumondnacht ist eine Nacht voller Dunkelheit. Ehrfürchtige Menschen sehnen sich nicht nach solchen Nächten. Dunkelheit macht uns Angst. In ihr werden eine Menge gemeiner, niederer Gedanken er-zeugt, die dann üble Taten nach sich ziehen. Dunkelheit ist wie eine Folter, denn sie bindet den Menschen an mannigfaltige schlechte Ge-danken, Gefühle und Handlungen als auch an Angst. Nur gemeine, egoistische und pervertierte Menschen sehnen sich nach solchen Nächten, aber nicht der edle Mensch. Diebe und andere, die in dunkle Machenschaften verwickelt sind, schätzen solche Nächte, denn in die-sen können sie ihren Absichten frönen. Daher wird die Dunkelheit mit solchen Menschen in Verbindung gebracht, die pervertierte, üble Ge-danken haben. Die Helligkeit wird dagegen von solchen Menschen ge-sucht, die gute Gedanken haben, korrekt handeln und gutes Benehmen haben. Wenn der Mensch das Mondlicht auf sich wirken lässt, dann wird der Geist still und beruhigt sich, woraus sich wiederum gute und edle Gedanken entwickeln können. Sogar kleine Kinder machen diese Er-fahrung und spüren die Erhabenheit des Mondlichts. Inspiriert vom Mondlicht weben Dichter Poesie aus den Gedanken, die aus ihren Her-zen aufsteigen. So erfährt der Mensch zu Vollmond (purnima) die Fülle der Gefühle seines Herzens.Wir müssen auch untersuchen, welche einzigartige Beziehung zwi-schen dem menschlichen Geist also und dem Vollmond besteht. Der Mond ist der Spiegel des Geistes. So erblüht der Geist zur Zeit des Voll-monds und entwickelt ehrfürchtige erhabene Gedanken und Gefühle. Der Vollmond verscheucht die Dunkelheit, die Unwissenheit und die Angst und beschenkt den Menschen mit Frieden, Sicherheit, Freude und guten Gefühlen.Während des Tages ist die Sonne die prägende Lichtspenderin. Ohne Sonne kann die Erde nicht existieren. Die Sonne ist die höchste zu-ständige Gottheit für diesen Planeten. Ohne Sonne keine Schöpfung,

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keine landwirtschaftlichen Produkte, keine Ernten, Bäume, Luft und Nahrung. Leben kann es ohne Sonne nicht geben. Flüsse fliessen, er-halten die Vegetation, sichern die Nahrung für den Menschen und las-sen die Nationen erblühen - alles geschieht dank der Sonne. Nur dem Einfluss der Sonne ist es zu verdanken, wenn das Herz des Menschen rein ist.Die Leuchtkraft der Sonne kommt vom Wasserstoff. Zu ca. 9 Prozent besteht die Sonne aus Helium. Das Helium erhält das Gleichgewicht des Sauerstoffs aufrecht. In der Sonne gibt es eine Anzahl von Ver-werfungen und Löchern. Jedes einzelne dieser Löcher auf der Son-nenoberfläche ist tief und gross genug, um darin die ganze Erde zu ver-senken. Tausende dieser Löcher gibt es auf der Sonnenoberfläche. Mit Hilfe dieser Löcher wird das empfindliche Gleichgewicht zwischen Wasserstoff, Helium und Sauerstoff aufrecht erhalten. Wissenschaft-lern ist das bekannt. Daher ist die Sonne die höchste zuständige Gott-heit für die Erde, da sie das Leben auf diesem Planeten erhält.Das dritte Licht ist Rechtschaffenheit, welches alle drei Welten mit sei-ner Ausstrahlung von Licht erfüllt. Was ist Rechtschaffenheit? Das, was „aufrechterhält“. Ohne Rechtschaffenheit wäre dieses Universum nicht aufrechtzuerhalten. Auf Rechtschaffenheit baut tatsächlich das Le-bensprinzip aller Handlungen auf. Ohne Rechtschaffenheit kein Leben. Jedes Ding hat seine eigene Pflicht. Zum Beispiel ist es die Pflicht des Feuers, zu brennen. Ohne diese Pflicht wäre Feuer nicht besser als Kohle. Ähnlich ist es mit Eis, dessen Pflicht es ist einzufrieren. Ohne diese Pflicht des Vereisens kann es nicht mehr Eis genannt werden. So ist es auch beim Menschen: Das, womit er sich bekleidet, ist sein Pflicht, seine Eigenschaft. Womit bekleidet sich der Mensch? Sein Kleid ist das der Einheit von Herz, Wort und Körper. In diesem Zusammen-hang wurde gesagt: „Das korrekte Studierfeld des Menschen ist der Mensch.“ Das bedeutet die Reinheit, Stetigkeit und Heiligkeit der drei in Einheit. Die Reinheit dieser Dreifaltigkeit ist die wahre Pflicht des Menschen. Alle Handlungen, die durch euch vollzogen werden, müs-sen dergestalt sein, dass sie euer Gewissen zufriedenstellen. Alle Wor-te, die gesprochen werden, müssen rein sein. Daher beschreiben die Weisen die Zunge mit folgenden Worten: „O Zunge! Wie rein und ge-heiligt du bist, dass du den Geschmack kennst.“ Wie selbstlos die Zun-ge ist. Leider beschmutzt ihr heute die Zunge, wenn ihr die Unwahrheit sprecht. Wie muss die Wahrheit gesprochen werden? Sie muss mit Worten ausgedrückt werden, die nicht emotional oder aufgeregt sind. Nur weil es die Wahrheit ist, brauchen wir keine rohen Worte zu be-nutzen. Die Worte, in die ihr die Wahrheit kleidet, müssen sanft und

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süss sein. Übermässiges und harsches Reden ist zu vermeiden. Nur das Reden, das diese Grundsätze beachtet, ist Wahrheit. Es ist ewig in seiner Existenz. Es gibt noch einen anderen Typus, der wird Nyam genannt. „Nyam“ wird häufig als das gleiche angesehen wie „satya“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch heutzutage. Nyam ist das, was man in der Gegenwart sehen kann - nämlich eine Tatsache. Zum Beispiel trägst du heute einen Schal, morgen aber nicht. Also ist die Tatsache, dass du einen Schal trägst, für die Gegenwart zutreffend. Für morgen hat das aber keine Gültigkeit mehr. Wäre es auch morgen gültig und für alle Zeiten und in Ewigkeit, dann würde man es als Wahrheit be-zeichnen, welche unveränderlich, unbeschränkt, stetig und ewig ist. „Nyam“ bezeichnet das Vergängliche, das der Situation angepasste und ist auch der Entstellung und der Auflösung preisgegeben. Wahrheit dagegen ist für alle Zeiten sichtbar. Nyam kann nur für einen begrenz-ten Zeitraum als gültig angesehen werden.Die Veden beschreiben einen dritten Typus von Wahrheit: „Rutham“. Auch Gegenständen kann eine gewisse Weisheit und Unterschei-dungskraft zugeschrieben werden. Eine Kombination von Weisheit und Unterscheidungskraft führt uns zu „Rutham“. Die menschliche Pflicht ist im wesentlichen, die Wahrheit zu verkünden. Durch Rechtschaffen-heit wird mit unseren Worten die menschliche Qualität hervorgeholt. Rechtschaffenheit muss gelebt werden. Das verleiht dem menschli-chen Leben Wert. Das Herz ist unsichtbar. Aber über die Beziehung von Sprache und Handlungen kann das Herz studiert und erfasst wer-den. Handlungen und Sprache sind von daher die Spiegelungen des inneren Wesens. Sie sind Spiegelung, Reaktion und Widerhall des in-neren Wesens. Das ist Rutham.Welches sind die göttlichen Werte des Menschen? Man kann sie mit drei Worten zusammenfassen. Liebe, Furcht und Moral. Liebe bezeich-net die Liebe zu Gott. Wenn diese Liebe zu Gott vorhanden ist, dann bekommen wir auch Frieden und werden Wahrheit. Furcht bezeichnet die Furcht vor der Sünde. Wenn die Sünde gefürchtet wird, kommt Lie-be in unsere Herzen. Stetigkeit, Standfestigkeit und Frieden begleiten diese Liebe. Moral bezieht sich auf die Moral in der Gesellschaft. Wenn wir die Entwicklung dieser Moral fördern, fördern wir gleichzeitig die Ge-waltlosigkeit in der Gesellschaft. Wenn die Liebe gelebt wird, werden sich auch automatisch Frieden, Rechtschaffenheit und Gewaltlosigkeit einstellen. Derjenige, der liebt, wird keine Gewalt anwenden, nicht un-rechtschaffen sein, sondern immer friedvoll. Also kann man sagen, dass Liebe die tragende Kraft in allen drei ist. Viele denken, dass die menschlichen Werte Wahrheit, Rechtschaffenheit, Friede und Liebe

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sind. Alle sind in dem einen Wort Liebe enthalten. Liebe hat immer die Tendenz, sich Gott zuzuwenden. Es ist wie mit dem Kompass. Wo auch immer der Kompass hingelegt wird, so zeigt die Nadel stets nach Nor-den. Ähnlich weist die Liebe einzig und allein in Richtung Gott. Liebe kann man also als eine Art Wegweiser bezeichnen, sie ist ein Zeichen spezieller Gnade, ein Geschenk an den Menschen. Die Veden dekla-rieren, dass auch Gott in jedem Menschen vorhanden ist. Von daher heisst es: „Gott ist Liebe, und Liebe ist Gott”. Darauf aufbauend heisst es: „Liebe ist Gott - Lebe in Liebe”

Einmal erbat sich Jesus Christus von seiner Mutter die Erlaubnis und meditierte 42 Tage lang auf einem Hügel in der Wüste. Dort realisierte er seine wahre Natur. Er erbat sich von seinem göttlichen Vater drei Grundbeweise. Er sagte: „O Vater! Meine erste Bitte ist dies: Ermög-liche diesem Leben, von dir gegeben, Anderen zu dienen. Es soll nie-mals irgend jemand verletzen. Ich bin darauf eingestellt, die Schuld der Fehler, die ich haben mag, auf mich zu nehmen, aber erlaube niemals, dass ich der Unwahrheit anheimfalle. Ermögliche es mir immer, auf dem Pfad der Wahrheit zu wandeln. Meine zweite Bitte ist dies: Einige ei-fersüchtige Menschen mögen mich kritisieren, mir Schwierigkeiten be-reiten und mich anklagen. O Herr! Gib mir die Herzenskraft, all dies ru-hig zu tolerieren. Es wird immer Leute geben, die auf das Gute eifer-süchtig sind, auf Leute, die im Leben vorwärtskommen oder die glück-lich sind. Das zeigt nur, dass diese Menschen von niederem Geistesniveau sind, denn das sind absolut keine menschlichen Qua-litäten. Sogar Tiere haben keine Eifersucht. Aber heutzutage hat sich der dunkle Schatten des Egoismus auf die Menschheit gelegt, und dar-aus ist die Eifersucht hervorgegangen. Deswegen bitte ich dich, dass ich trotz der Schwierigkeiten, die mir solche Leute bereiten könnten, in Ruhe und Frieden dieses ertragen kann. Mein dritter Wunsch ist dies: Ermögliche es mir, meine reine, unbefleckte Liebe dem Dienst an dir allein darzubringen. Deine Freude ist meine Freude. Du und ich sind Verkörperungen der Liebe. Du bist vollständig und voll, und auch ich bin voll. Diese Vollständigkeit muss mit jenem Vollen verschmelzen. Ich kann diese volle Liebe nicht Menschen geben, die nicht einen vollstän-digen Charakter haben. Herr, ich bitte dich, dass du mir diese drei Be-weise deiner Gnade gewährst.“

Zu der Zeit, als Jesus geboren wurde, kamen drei arabische Könige zu ihm, um ihm ihren Respekt zu erweisen. Der erste König sah das Kind an und erklärte: „Dieses Kind scheint mir Gottes Kind zu sein!“ Der

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zweite König gab seinem Eindruck mit folgenden Worten Ausdruck: „Dieses Kind soll aufwachsen, um Gott zu lieben.“ Der dritte König sag-te: „Es wird weder Gott lieben, noch ist es ein Kind. Es ist Gott höchst selbst.“ Um Göttlichkeit zu erlangen, gibt es drei wichtige Stufen. Auf der ersten Stufe erklärte Jesus: „Ich bin der Botschafter Gottes.“ Dann sagte er: „Ich bin Gottes Sohn.“ Und schliesslich sagte er: „Ich und mein Vater sind eins.“ Dies spiegelt sich auch in der Aussage „Derjenige, der du glaubst zu sein, bezieht sich auf die Körperebene“, vergleichbar mit dem Ausspruch von Jesus „Ich bin der Botschafter Gottes“. Derjenige, von dem die anderen glauben, der du seist, das bezieht sich auf die Geistesebene. Die dritte Erklärung von Jesus Christus war: „Ich und mein Vater sind eins.“ Das heisst, der Mensch hat drei Existenzebenen - Körper, Geist und Heiliger Geist.

Auch Hanuman sprach Rama gegenüber diesen Sachverhalt aus, als er sagte: „O Rama, auf der Körperebene bin ich dein Diener, ein Funke deines Göttlichen Selbst. Auf der geistigen Ebene bin ich ein Aspekt, ein Teil von dir. Vom Standpunkt des Atman schliesslich sind du und ich eins.“ Erst muss der Mensch sich auf der Handlungsebene bewegen - als ein Botschafter. Diese Handlungen müssen immer aus vollem Her-zen erfolgen. Der zweite Wegabschnitt ist jener der Gottesliebe und -verehrung. Es ist der spirituelle Weg mit Aktivitäten wie Meditation, Op-ferhandlungen, Ritualen, Lesen Heiliger Schriften usw. Der dritte Ab-schnitt ist Weisheit. Auf diese Art und Weise haben wir eine Kombina-tion von Arbeit, Anbetung und Weisheit. In allen Dreien muss des Men-schen Suche in Weisheit enden.

Wo ist Gott? Der Student, der vorher in Telugu sprach, fragte dies. Gott ist allgegenwärtig. Sogar ungebildete Leute wissen, dass Gott allge-genwärtig ist. Aber Intellektuelle pflegen allen möglichen Zweifeln Raum zu geben. In diesen Zeiten scheinen ungebildete Dummköpfe weit besser zu sein als die Intellektuellen.Ein Lehrer, der seinem Schüler die Allgegenwart Gottes verdeutlichen wollte, zeigte ihm eine Schale mit Milch und fragte ihn: „Sohn, kannst du mir sagen, wo in dieser Schale Milch die Butter ist?“ Der Junge ant-wortete: „Meister, ich weiss, dass in der Milch Butter vorhanden ist, aber ich kann sie nicht sehen.“ Butter ist in der Tat in jedem einzelnen Teil-chen Milch vorhanden. Sie wird jedoch erst sichtbar, wenn sie zu Yog-hurt geworden ist und gequirlt wird. Das bringt die Butter an die Ober-fläche. Das Herz kann mit einer Schale verglichen werden, in der die Liebe gesammelt wird. Diese Liebe Gott anzubieten, ist der Prozess

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des Quirlens. Das führt dann zur Gestaltwerdung des Göttlichen. Gott ist überall, genauso wie in der Milch auch überall Butter ist. Erst wenn die nötige Anstrengung unternommen wird, wird er sichtbar.Manchmal zweifelt ihr wohl daran, wer Gottes Gnade denn erhält. Hier ist eine Glühbirne. In welcher Richtung geht das Licht dieser Glühbirne? In keine bestimmte, sondern das Licht scheint in alle Richtungen glei-chermassen. Ähnlich ist es mit Gott. Er ist das Licht. Er wacht über alles. Er kann all die, die in dieser Halle schlafen, sehen und auch die, welche abgelenkt sind. Die Gedanken sind unterschiedlicher Art, aber dieser Blick erfasst alle und alles in gleichem Mass. Einmal, an einem schönen Abend hielt Ramakrishna Paramahamsa eine Predigt. In der Versamm-lung war auch die Rani Rasamani. Ramakrishna Paramahamsa war der Priester in dem Tempel, den die Rani hatte errichten lassen. Wäh-rend seiner Rede nickte die Rani einige Male zustimmend mit dem Kopf, als ob sie dem Gesagten zuhören würde. Aber Ramakrishna Parama-hamsa wusste, dass sie nicht bei der Sache war. Er stand auf und gab ihr einen leichten Klaps. Jedermann war geschockt darüber, dass er die Rani geschlagen hatte, noch dazu in ihrem eigenen Tempel und sie in aller Öffentlichkeit solchermassen beleidigte. Man nahm an, er sei verrückt geworden. Er aber fragte sie: „Warum bist du zu dieser Ver-sammlung gekommen? Du musst mit voller, gespannter Aufmerksam-keit zuhören, und dann musst du das Gehörte in die Praxis umsetzen. Du aber sitzt hier, und anstatt zuzuhören, grübelst du über deine Ge-richtsverhandlung von morgen nach. Wenn du dir über die Verhandlung Sorgen machen willst, dann hättest du auch zu Hause bleiben können. Warum bist du also hierhergekommen?“ Dieses Ereignis ist eine schö-ne Verdeutlichung davon, wie es im besten Fall sein sollte. So viele Leu-te kommen zu diesen Vorträgen, aber niemand weiss, worüber gespro-chen wird, weil ihre Aufmerksamkeit woanders ist. Solche Leute, deren Gedanken abwesend und abgelenkt sind, müssten und sollten nicht zu solchen Veranstaltungen kommen. Wenn ihr euch aber entschieden habt, an der Versammlung teilzunehmen, dann müsst ihr das Gelernte in die Praxis umsetzen. Das war die Wahrheit, die Ramakrishna Para-mahamsa an jenem Abend lehrte.Die Pflicht des Menschen ist hochheilig. Diese Pflicht betrifft nicht nur diese Welt, sondern alle drei Welten. Was sind die drei Welten? Es sind Bhur, Bhuva, Svaha. Das bedeutet, dass alle Handlungen, die mit dem Körper durchgeführt werden, alle Gedanken, die den Geist beschäfti-gen, und alles, was mit Atman erfahren wird, voller dharmischen Lichts sein muss. Atmische Glückseligkeit ist ewig, unübertroffen und voller Weisheit. Dieser atmischen Glückseligkeit wird von Rechtschaffenheit

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Licht gegeben, wie es auch der geistigen Freude und dem körperlichen Glück Licht spendet. So ist es gemeint, wenn gesagt wird, die Göttliche Ordnung sei das Licht der drei Welten. Alles ist unter Gottes Kontrolle.Neben diesen drei Lichtquellen gibt es noch einen vierten Faktor: die menschliche Anstrengung. Ein guter Sohn ist ein Licht für die ganze Familie. Wer ist dieser „gute Sohn“? Guter Sohn (good son) bedeutet Gottes Sohn (God's son). Good wird G - O - O - D buchstabiert. Eins der zwei Os steht für die Illusion der Welt. Nur Brahman ist die einzige, wahre und ewig währende Einheit. Wenn man von good ein o (= null) entfernt, kommt man zu Gott (God). Demnach ist Gottes Sohn ein guter Sohn. Das bedeutet, ein guter Sohn ist der, welcher göttliche Gefühle, Gedanken, Handlungen und gutes Benehmen hat. Suputra (guter Sohn) ist su und putra. „Su“ bedeutet gut. Er muss den Anweisungen der Eltern Folge leisten, ihre Liebe entgegennehmen, sie glücklich ma-chen, ihnen gegenüber seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen und sie zufriedenstellen. Davon abgesehen heisst suputra auch: einer, der sich einen guten Namen in der Gesellschaft gemacht hat. Wann ist ein Sohn gut? Die Anwesenheit eines einzigen guten Sohnes in der Familie verschafft beiden einen guten Ruf. Eine Jasminpflanze im dichten Wald verteilt ihren Duft an die gesamte Umgebung. Ähnlich wird die ganze Familie, die gesamte Sippe geehrt, wenn sie nur einen einzigen guten Sohn hervorgebracht hat. Heutzutage werden Süssigkeiten verteilt, wenn ein Sohn geboren wird. Wie wird sich dieser Sohn in der Zukunft entwickeln? Das weiss man nicht im voraus. Man sollte die Geburt eines Sohnes erst dann feiern, wenn er sich einen guten Namen in der Ge-sellschaft gemacht hat. Auch der Vater erfährt nicht bei der Geburt ech-te Freude, sondern erst, wenn sein Sohn von anderen Menschen we-gen seiner Verdienste gelobt wird. Das macht auch Gott sehr viel Freu-de. Solch ein Sohn verschafft der ganzen Familie einen guten Ruf.Es gibt drei verschiedene Lichtquellen. Die Glühbirne, die im Haus be-nutzt wird gibt Licht genug für ein Zimmer. Der Mond beleuchtet die gan-ze Gegend, aber sein Licht ist schwach. Aber das Sonnenlicht am Mor-gen ist nicht nur überall, sondern auch äusserst intensiv. Das Licht im Haus ist Egoismus. Das Mondlicht ist spirituell. Das Sonnenlicht ist die ewige Wahrheit. Wahrheit ist Gott. Also ist die Sonne, als der Lieferant dieses Lichts, Gott.Aus diesem Grund haben Inder seit ewigen Zeiten ein Ritual durchge-führt, das „Suryopasana“. Sie beteten zur Sonne und sahen sie als Gott an, weil sie massgeblich an der Erhaltung des Lebens auf der Erde be-teiligt ist. Wie schon gesagt, der Mond beleuchtet die Nacht, die Sonne den Tag, Rechtschaffenheit die drei Welten und ein guter Sohn die Fa-

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milie. Einzig und allein gute Erziehung, gesellschaftliche Position und Macht sind nicht genug, um aus einem Sohn einen guten Sohn zu ma-chen. Wesentlich sind auch gutes Benehmen, gute Manieren, gute Dis-ziplin und letztendlich gute Gottesverehrung. Sobald einer Gott liebt und verehrt, kommt auch alles andere Gute hinterher. Gottesverehrung wird auf dieser Welt auf drei Arten erfahren: durch Dualität (dvaita), Nicht-Dualität (advaita) und qualifizierte, eingeschränkte Nicht-Dualität (vishishtadvaita). Alle drei Wege sind klar voneinander unterschieden. Allerdings ist der Unterschied zwischen dvaita und visishtadvaita nicht sehr gross. Sie sind wie zwei Mitglieder einer Familie, wie mit dem glei-chen kulturellen Hintergrund, wie in einer Traditionslinie, wie einem Land zugehörig. Jedoch ist die Wahrheit immer eins, nicht zwei. Ein Zuckerrohr mag viele Knickse und Biegungen haben, davon ist aber der Zuckerrohrsaft nicht beeinträchtigt. Advaita ist vergleichbar mit dem Zuckerrohrsaft, der aus vielen verschiedenen einzelnen Rohren ge-wonnen wird. Der Zuckerrohrsaft ist immer süss. Er hat immer diesen Geschmack. Der Weise Ramanuda vertiefte sich intensiv in dieses Thema. Wie lan-ge kann man Zuckerrohrsaft lagern? Er verdirbt sehr schnell. Aus dem Saft kann man jedoch auch Zucker herstellen, der nicht verdirbt, den man immer und überall benutzen kann. Deswegen ist der Zuckerrohr-saft wie Nicht-Dualität, während Zucker qualifizierte Nicht-Dualität ist. Vishishtadvaita ist ein spezielles advaita. Es hält sich lange und kann mit allem verwendet werden, wie Zucker. Madhvacharya vertrat die Dvaita-Philosophie. Shankaracarya predigte Advaita. Was hat Madh-vacarya gesagt? „O Herr, ich möchte nicht Zucker werden. Ich möchte auch nicht Zuckerrohrsaft werden. Ich möchte als Ameise geboren wer-den, die beides, Zucker und Zuckerrohrsaft schmecken kann. Zucker weiss nicht, wie er schmeckt. Nur wer Zucker isst, weiss, wie er schmeckt. Du bist die Verkörperung der Liebe. Deswegen brauche ich selbst nicht auch eine Verkörperung der Liebe zu sein, sondern darf einer sein, der Liebe erfährt. Du bist Gott, und ich bin Mensch. Diese Unterscheidung soll bestehen bleiben. Denn nur wenn der Einzelne ge-trennt ist, kann er sich an Gott erfreuen.“ Das ist im wesentlichen die Dvaita-Philosophie, die zwei Einheiten propagiert: die individuelle See-le und Gott, die Allseele. Wenn die individuelle Seele von dem Zucker der Göttlichkeit kostet, sie verdaut und die Natur des Zuckers versteht, wird sie selbst Zucker, d.h. sie wird eins mit Brahman, nachdem sie dar-über nachgedacht und es erfahren hat.Inder haben viel Zeit verschwendet mit nutzlosen Streitgesprächen über Dvaita, Advaita und Visishtadvaita - alle drei sind letztendlich eins.

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Zuckerrohrsaft ist Advaita, Zucker ist Visishtadvaita und der, welcher den Zucker kostet, ist Dvaita. Alle drei Wege hängen vom Zucker ab, nämlich von der Göttlichkeit. Verschiedene Kekse und Süssigkeiten haben eines gemeinsam, alle sind süss aufgrund des Zuckers in ihnen. Namen und Formen sind verschieden. Ähnlich ist es mit der Welt, es gibt unterschiedliche Namen, Formen, Länder, Kasten und Sippen, aber in allen ist die gleiche Göttlichkeit. Das, was in dir ist, ist überall vorhanden.Zum Beispiel gibt es Glühbirnen in verschiedenen Wattstärken. Aber der Strom ist eins. Dieser Strom ist die göttliche Kraft. Diese göttliche Kraft ist in allen gleichermassen vorhanden. Der Unterschied besteht in verschiedenen Farben, Formen und Grössen. Wenn die Glühbirne schwaches Licht gibt oder helles, dann liegt das an der Wattstärke. Die Verantwortung liegt nicht beim Strom. Ähnlich ist Göttlichkeit in der gan-zen Schöpfung vorhanden. Die Aufnahmefähigkeit deines Herzens entscheidet, wieviel Göttlichkeit sich in dir manifestiert. Wenn du deine Zeit in ständigen Gedanken an Gott verbringst und überhaupt gute Ge-danken hegst, dann wird die Wattzahl sehr hoch sein. Wenn du also mehr Licht haben willst, dann ändere die Glühbirne, schaffe dir eine mit einer höheren Wattzahl an. Mache nicht den Strom verantwortlich, ihn brauchst du nicht zu ändern. Wenn die Glühbirne deines Herzens schwach ist, entwickle Liebe. Je mehr Liebe entsteht, desto mehr wird die latente Göttlichkeit in dir anfangen zu leuchten und bleibt dann auch hell.Wenn du einen Stock ins Feuer wirfst, verschwindet der Stock und wird zu Kohle. Der Stock hätte deine Hände nicht schmutzig gemacht, aber die Kohle tut dies ganz sicher. Wenn die Kohle wieder weiss werden soll, dann hilft auch noch soviel Seife nichts. Im Gegenteil, dann wird sogar die Seife schmutzig, ohne dass die Kohle weisser würde. Wenn du die Kohle in Milch wäschst, dann wird nur die Milch schmutzig, aber die Kohle wird nicht weiss. Warum ist die Kohle überhaupt entstanden? Durch ihre Verbindung mit Feuer. Wenn also die Kohle wieder in Ver-bindung mit Feuer gebracht wird, wird sie weiterbrennen und letztend-lich weiss werden. Nur weil sie nicht zu Ende gebrannt hat, ist sie Kohle geworden. Wenn der Prozess also weitergeführt wird und dem Feuer erlaubt wird, sie vollständig zu verbrennen, dann wird sie wieder weiss. Teilzeit-Gottesverehrung ist vergleichbar mit der Kohle.Vollzeit-Gottesverehrung ist wie die leichte und helle Asche. Gib also alles zurück ins Feuer der Liebe. Es wird weiterbrennen und dann schliesslich zu Staub werden, der dann fortgeblasen werden kann. Wenn man den Stock loslässt, dann fällt er hinunter. Aber wenn er gut

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brennt, wird er letztlich ein weisses Pulver, das wegfliegt und in die Lüfte steigt, wenn man hineinbläst. Und so, je nachdem wie leicht es ist, wird es hoch oder nicht so hoch aufsteigen. Je schwerer es ist, desto we-niger hoch wird es steigen. Wenn dir nach grossen Höhen zumute ist, dann folge dem Grundsatz: „Weniger Gepäck, mehr Komfort.“ Du musst das Gewicht reduzieren und leichter werden. Wünsche müssen nach und nach reduziert werden - es ist allerdings nicht genug, nur Wünsche zu reduzieren. Die üblen Eigenschaften der Bindung, des Egos und Hasses, Wünsche, Ärger und Gier sind machtvolle Feinde des Menschen. Wünsche zerstören Gottesverehrung und Weisheit.Das kann auch jeder selbst im Alltag beobachten: Wenn Ärger von einer Person Besitz ergreift, hört sofort jede Weisheit auf, es ist keine Un-terscheidungskraft mehr vorhanden, es schafft tiefreichende Ableh-nung, jeder Sinn von Zurückhaltung und Unterscheidung geht auch in bezug auf die Sprache völlig verloren. Von daher darf man dem Ärger absolut keinen Raum geben. Auch Gier sollte vollkommen abgelegt werden. Die gefürchtete Krebskrankheit kann man vielleicht heilen, aber diese drei Krankheiten sind nicht heilbar. Es gibt jedoch einen Weg, um von ihnen wegzukommen: wenn sie in das Feuer der gött-lichen Liebe geopfert werden. Dann werden sie zu Asche verbrannt. Feuer hat sogar die Kraft, Eisen in einer Giessform zu schmelzen. Wenn also selbst Eisen flüssig gemacht werden kann, können dann nicht auch eure schlechten Qualitäten vollständig verbrannt werden? Auf diese Weise müsst ihr also eure schlechten Eigenschaften töten. Andere Methoden wie z.B. Meditation helfen selten hierbei.Viele von euch meditieren. Aber es ist nur dekorative Meditation! Sie meditieren nur wie für den Fotografen. Jede Handlung, die vom Körper durchgeführt wird, ist zeitlich begrenzt. Damit erreicht ihr nicht die Wahrheit. Nur solche Handlungen, die mit Liebe durchgeführt werden, sind die rechten Bemühungen. Praktiziert dies und macht es euch zur Gewohnheit. Für alles braucht ihr Übung. Gehen, reden, essen, schrei-ben, lesen - für all das braucht ihr praktische Erfahrungen, und so ist es mit jeder Handlung im täglichen Leben. Achtet jedoch darauf, dass ihr euch nur in wahren, korrekten Handlungen übt. Schlechte Hand-lungen erfordern keine Übung. Einem Felsbrocken auf einem Hügel braucht man nur einen Tritt mit dem Fuss zu geben, damit er den Hügel hinunterrollt. Nur wenn man ihn einen Hügel hinaufschaffen will, dann erfordert das Anstrengung. Ähnlich ist das mit den schlechten Quali-täten, die lernt ihr auch im Handumdrehen. Ihr wisst alle, dass selbst ein Lastwagen mit einem Eisenchassis und vollbeladen Mühe hat, ei-

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nen steilen Hügel hinaufzufahren. Das Runterfahren dagegen ist ganz einfach.Deswegen hütet euch vor schlechten Pfaden, nur weil sie einfach zu begehen sind. Auch wenn es schwierig für euch ist, richtet euren Blick stets in die Höhe. Niedrige Ziele sind kriminell. Entwickelt immer eine grosszügige Sichtweise der Dinge. Das ist wirkliches spirituelles Be-mühen. Pflegt keine Zweifel, wie z.B.: „Ist er Gott, wo ist Gott, wie sieht er aus”? Nur grosse Dummköpfe haben solche Gedanken. Diese Ge-danken können aufgrund eurer schlechten Qualitäten in euch aufstei-gen. Diese Qualitäten lassen euch die Welt als schlecht und übel er-scheinen. Euer Blick entspricht der Farbe eurer Brillengläser. Gott ist allgegenwärtig. Ihr selbst seid göttlich. Aber ihr seid unfähig, eure la-tenten Qualitäten zu erkennen, und zwar aufgrund eurer tief verwur-zelten Selbstsucht. Um diese zu überwinden, ist es notwendig, Es-sensgewohnheiten und Gewohnheiten allgemein auf ein bestimmtes Mass zu regulieren. Wie sollten eure Gewohnheiten sein? Ihr müsst wie der gute Sohn sein. Ältere müssen respektiert werden. Bescheidenheit und Gehorsam müssen praktiziert werden. Lehrer müssen geachtet werden und Eltern verehrt und ihren Wünschen Folge geleistet werden. Warum wird Rama als Gott verehrt? Er folgte dem Befehl seines Vaters. Er war auch ein erfreulicher Freund für Jeden und alle. Gegenüber sei-nen Brüdern war er die Verkörperung von Geschwisterliebe. Mit all sei-nen Untergebenen lebte er in Frieden und betrachtete deren Wohl als das seine. Heutzutage beten wir: „Möge Jedermann in allen Welten glücklich sein.“ Ihr betet zwar so, aber behaltet doch eure Selbstsucht und gebt euren eigenen Interessen Priorität. Das entspricht nicht dem Wesen dieses Gebetes. Warum Jedermann? Weil ihr Teil der Gesell-schaft, dieses „Jedermann“ seid. Solange die Gesellschaft nicht in Si-cherheit ist, habt auch ihr keinen Frieden. Daher: Es muss Jedem gut-gehen, auch mir muss es gutgehen - das ist das Gebet. Nur an das ei-gene Wohlergehen zu denken, ist hochgradig egoistisch, was wieder-um eine Kardinalsünde ist. Bis zu einem gewissen Grad mag man wohl egoistisch sein, aber nicht übermässig. Die Liebe zu Gott muss geför-dert werden und wachsen. Es gibt keine höhere spirituelle Praxis als die Liebe zu Gott. Ihr könnt irgendetwas tun oder überhaupt nichts, aber wenn ihr Gott liebt, dann ist das mehr als genug. Tulsidas hatte schon gesungen: „Ich habe das Juwel des Gottesnamens geschenkt bekom-men.“ Gottes Name ist der Edelstein, den man sich erwerben muss. Er singt weiter: „Dieses Juwel hat mir mein Sadguru geschenkt.“ Wer ist Sadguru? Sad und Guru - das ist Gott selbst. Auch Meera hat so gesungen. Ihr Ehemann gebot ihr, den Tempel zu verlassen. Sie war

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traurig, weil sie ihren Krishna verlassen sollte. Nach einigem Nachden-ken kam sie zu dem Schluss: Diese Tempel sind alle von Menschen-hand erbaut. Sie sind nicht ewig. Aber mein Herz ist der Tempel, den Gott sich selbst gebaut hat. Dann sang sie: „O Geist! Reise zum Zu-sammenfluss von Yamuna und Ganga.“ Diese Flüsse stehen für gute Taten und gutes Benehmen. Der Ort des Zusammenfliessens wird Brhumadhyas genannt - wie auch die Stelle auf der Stirne zwischen den Augenbrauen. Um dorthin zu gelangen, braucht ihr kein Ticket. Die beiden Flüsse können mit dem Ein- und Ausatmen verglichen werden. Das Anjacakra im Zentrum der Stirn regelt diesen Vorgang. In der Wis-senschaft des Yoga gibt es dafür die Bezeichnungen Ausatmen, Ein-atmen und Atemanhalten. Dies ist eine angemessene Methode, um Gott zu erreichen. Aber auch dies sind Körperübungen und helfen nur den Geist zu kontrollieren. Um Gott zu erreichen, der totale Liebe ist, ist Liebe allein ausreichend. Deswegen: Entwickelt Liebe. Erreicht Gott durch Liebe.

(Vollständige Übersetzung aus dem Telugu ins Englische, Prashanti Nilayam)

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19. Juni

Die Wichtigkeit von Disziplin

Wenn Vögel und Tiere, die keine Bildung haben,Disziplin einhalten, sollte dann nicht der Mensch,

mit all seiner Intelligenz versehen, ebenfalls der Disziplin folgen?

Verkörperungen der Liebe

Disziplin ist der Lebensatem eines jeden Lebewesens und, besonders für den Menschen, das Rückgrat. Ohne Disziplin wird die menschliche Gesellschaft ruiniert. Disziplin bedeutet, bestimmte Regeln und Ver-haltensvorschriften im Leben zu beachten. Das menschliche Leben kann ohne Disziplin nicht erhalten werden. Sogar diese Regeln und Richtlinien sollten sich in bestimmten Grenzen halten. Ohne Mass zu halten, gibt es kein Wohlergehen. Diese Regelung selbst verleiht Wohl-ergehen, und ohne Vorschriften entstünde eine Katastrophe.

Disziplin könnt ihr nicht aus Büchern und nicht von Lehrern erhalten, Disziplin muss im täglichen Leben kultiviert werden, indem ihr eure Pflichten und Verantwortlichkeiten erfüllt. Disziplin ist zu allen Zeiten, vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung, wichtig. Disziplin ist für jede Gesellschaft und Nation wichtig. Ohne Disziplin kann nicht von ei-ner Gesellschaft oder Nation gesprochen werden. Disziplin schafft Ein-heit und Harmonie zwischen den Menschen, zwischen Mensch und Ge-sellschaft, zwischen einer Gesellschaft und einer Anderen. Deshalb ist Disziplin im Leben sehr wichtig, ob im Sport, im Spiel, in der Musik oder beim Sprechen. Wir singen Bhajans, und während wir am Chor teilnehmen, müssen wir Tempo, Ton und Rhythmus beachten. Wenn Disharmonie entsteht, wird es schmerzlich zum Anhören sein. Deshalb sollte beim Chorge-sang Disziplin eingehalten werden. Bei Spielen legt der Schiedsrichter bestimmte Regeln und Verhaltensvorschriften fest. Jeder Spieler muss die Regeln genauestens einhalten. Manchmal werden die Spielenden so überwältigt vom Spiel, dass sie sich vergessen. Jeder Verstoss ge-gen die Disziplin wird vom Schiedsrichter jedoch bemerkt, er pfeift, um die Aufmerksamkeit der Spielenden auf sich zu ziehen. Die Spieler soll-ten sofort auf die Pfeife reagieren indem sie sich an die Spielregeln hal-ten. Wer nicht reagiert, verstösst gegen die Disziplin.

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Heutzutage wird die Disziplin in Sport, Spiel, Musik und Sprache ver-letzt, und das Leben ist voller Angst. Das menschliche Leben braucht in allen Lebensbereichen Disziplin, in Autoritätspositionen, im Ge-schäft, in der Landwirtschaft und jedem anderen Beruf. Ein Mensch mit einer Autoritätsstellung darf z.B. nicht seinen Stift oder seine Worte missbrauchen - er muss diszipliniert schreiben und reden. Ein Mensch sollte, während er spricht, unterscheiden, ob seine Worte richtig oder falsch, angemessen oder unangemessen sind. Ähnlich sollte Jemand, während er schreibt, um die Tragweite dessen wissen, was er schreibt. Man sollte wissen, welchen Schaden das Geschriebene anrichten könnte. Man muss seine Stellung durch Einhaltung von Disziplin er-halten. Wenn ihr Disziplin befolgt, braucht ihr keinen anderen Schutz, weil Disziplin euch beschützen wird. Man braucht zum Gehen, Reden oder Sitzen Disziplin. Wenn man auf der Strasse geht, muss man den Fussweg benutzen; wenn man sich in einer undisziplinierten Weise bewegt, belästigt man Andere. Achtet darauf, dass ihr andere nicht verletzet. Deshalb wird gesagt: „Hilf im-mer, verletze niemals”. Ihr solltet Disziplin einhalten um Anderen zu helfen. Vom zarten Alter an müsst ihr Disziplin entwickeln. Startet früh, fahrt langsam, kommt sicher ans Ziel. Das ist die goldene Regel. Disziplin ist nicht nur für Stu-denten oder Schüler, sondern auch für Lehrer, Ältere und alle Bürger wichtig. Wie könnt ihr die Älteren achten? In welcher Weise solltet ihr vor ihnen sitzen? Sogar in kleinen Dingen müsst ihr die Disziplin ein-halten. Viele Kinder sitzen nicht aufrecht, sondern mit gebeugtem Rücken. Wenn die Wirbelsäule gerade ist, erreichen die Gedanken den Intellekt unmittelbar; das macht es leichter, sich zu konzentrieren.Die Wirbelsäule hat 33 Wirbel, zwischen dem 9. und 12. Wirbel ist der Sushumna-Nerv. Wenn man aufrecht sitzt, erreicht die Kundalini das tausendblättrige Scheitelcakra (Sahasrara-Cakra) durch den Sushum-na-Nerv. Was ist die Kundalini-Kraft? Menschen, die dem Weg der Yoga-Übungen folgen, sagen, dass die im Basis-Cakra (Muladhara-Cakra) liegende Kundalini aufsteigen und das Scheitelcakra erreichen wird. Die Kundalini befindet sich immer am Basis-Cakra. Die Atem-übungen des Yoga (Pranasamyama) bestehen aus Einatmen, Ausat-men und Anhalten des Atems. In der Zeit, in welcher der Atem ange-halten wird, steigt die Kundalinikraft nach oben und sucht Luft. Die Kun-dalini ist keine Schlange, sondern nur ein Wind der hochsteigt, indem er um die 33 Wirbel herumgeht. Damit die Kundalini nach oben steigt, sollte man aufrecht sitzen. Aus diesem Grund sitzen Menschen, die

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Yoga-Übungen ausführen, aufrecht. Das unterstützt die Entwicklung des Erinnerungsvermögens und die Konzentrationsfähigkeit. Deshalb ist sogar angemessenes Sitzen eine Form der Disziplin. Um Disziplin zu entwickeln, muss in bestimmten Bereichen Reinheit entwickelt werden. Als Erstes und Wichtigstes muss der Körper rein-gehalten werden. Wie? Indem man ihn mit Wasser und Seife wäscht? Nein. Ihr müsst gute Taten verrichten, um den Körper zu reinigen. Nur gute Handlungen reinigen den Körper. Gute Gedanken reinigen den Geist. Wenn Körper und Geist rein sind, werden das Unterscheidungs-vermögen und die Intuition immer in einem natürlichen Zustand der Reinheit sein.

Wir benützen das Wort „Ich“, um den Körper zu beschreiben. Dieses Ich wird aus Atman, dem Göttlichen Selbst geboren. Aus dem Ich ging unser denkender und empfindender Geist hervor, und aus diesem die Sprache. Da das Ich aus Atman hervorging, ist es der Sohn von Atman. Der Geist, aus dem Ich geboren, ist das Enkelkind von Atman. Die Spra-che, aus dem Geist geboren, ist der Urenkel von Atman, dem Göttlichen Selbst. Da alle zur Familie von Atman gehören, sollten Geist, Körper und Sprache ebenso rein sein. Alle Mitglieder der göttlichen Familie sollten rein sein.

Manchmal nehmen Leute ein gegebenes Wort zurück. Keine Sünde ist grösser, als ein Versprechen zu brechen. Kaiser Bali sagte, es gäbe kein grösseres Vergehen, als das einmal gegebene Wort zurückzu-nehmen. Deshalb sollten wir unsere Worte heilig halten. Zur Zeit Shirdis kamen eine grosse Anzahl Devotees zu Besuch. Der elfjährige Sohn und die Frau eines Bezirksleiters waren grosse Baba-Verehrer. Einmal wollten sie nach Shirdi gehen, und Tharkad, der Va-ter, gab seine Zusage. Tharkad gehörte der Brahmanvereinigung an und besuchte niemals Pilgerzentren. Trotz der Bitte seiner Frau ging er nicht nach Shirdi. In Wahrheit ist diese Einstellung auch eine Schwä-che; was macht es aus, zu welcher Vereinigung man gehört? Schliesslich ist Gott eins. Manche Menschen schlagen auf der Grund-lage von Kaste und Religion den falschen Weg ein. Tharkad sagte, er würde nicht nach Shirdi gehen, aber seine Frau und sein Sohn könnten gehen. Sein Sohn wollte nicht, und nach dem Grund gefragt, antwortete er: „Von der Morgendämmerung bis zum Einbruch der Nacht halte ich äusserst gewissenhaft ein Ritual zur Verehrung Sai Babas ein. Wäh-rend meines Gottesdienstes biete ich Kandiszucker an. Voller Vertrau-en, dass Baba die Gabe annimmt, nehme ich sie als geweihte Speise

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(prasad). Ich will diesen Ablauf nicht aufgeben. Deshalb gehe ich nicht nach Shirdi. Der Vater empfand tiefe Liebe für seinen Sohn und ver-sprach, er selbst würde diese Aufgabe übernehmen, so dass der Sohn nach Shirdi gehen könne. Der Sohn fragte ihn, ob er all die Formalitäten der Verehrung einhalten würde, Baba die Opfergabe darreichen und sie als prasad annehmen würde. „Wenn du mir dies versprichst, werde ich gehen, sonst nicht.“ Sein Vater freute sich an der Disziplin und Be-stimmtheit seines Sohnes und gab das Versprechen. Mutter und Sohn reisten nach Shirdi. Tharkad befolgte wie versprochen in den ersten zwei Tagen das Ritual, opferte Zuckerbonbons und nahm davon als prasad, ehe er ass. Der dritte Tag war ein Donnerstag, und er hatte dringliche Arbeit am Ge-richtshof zu tun. Er nahm ein Bad, verrichtete sein Gebet, frühstückte und ging zum Gerichtshof. Nachmittags kehrte er zum Mittagessen nach Hause zurück. Ehe er ass, bat er den Koch, die tägliche Opfergabe als prasad zu bringen. Der Koch erklärte ihm, dass Tharkad in seiner Eile vergessen hatte, Zucker anzubieten und das Ritual durchzuführen. Tharkad fühlte sich sehr traurig, weil er das dem Sohn gegebene Ver-sprechen nicht gehalten hatte; er bedauerte dies mehr als sein Ver-säumnis, Baba prasad anzubieten. Am folgenden Tag gingen Tharkads Frau und sein Sohn in Shirdi zu Baba, um sich zu verbeugen. Baba erzählte ihnen, dass er am Vortag nach Bandru gegangen wäre, aber ohne Mahlzeit zurückkehren mus-ste. Noch nicht einmal das ihm sonst von Tharkads Sohn angebotene Bonbon hätte er erhalten. „Ich musste sehr hungrig zurückkehren. Habt ihr irgend etwas, um es mir zu geben?“ Der Junge erschrak sehr, als er das hörte, ging hinaus und weinte bitterlich: „Der Vater gab mir sein Versprechen, aber er bot Baba das Zuckerstück nicht an, deshalb mus-ste Baba enttäuscht zurückkehren. Mutter, ich will nicht mehr hier blei-ben. Ich werde meine Disziplin nicht aufgeben.“ Baba sandte Nachricht, dass der Junge jetzt nicht nach Hause gehen müsse. Tharkad habe das Versprechen gebrochen, nicht er, und deshalb habe der Sohn sei-ne Gnade im Überfluss. Er sagte, der Junge könne so lange wie er wolle in Shirdi bleiben. Er blieb zehn Tage, ehe er heimkehrte. Der Vater ent-schuldigte sich bei seinem Sohn für das Versäumnis bei dem Ritual. Der Sohn forderte den Vater auf, Baba um Vergebung zu bitten; er be-lehrte den Vater, man dürfe das einmal gegebene Wort nicht brechen. Und man sollte immer die Wahrheit sprechen, ansonsten würde man viele Menschen verletzen.Geht den Weg der Rechtschaffenheit und Disziplin, dann könnt ihr mit Sicherheit Gott unmittelbar schauen. Beachtet den ganzen Tag hin-

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durch sorgfältig die erforderliche Disziplin. Es führt zu Verdauungsbe-schwerden, wenn ihr übermässig und grenzenlos esst. Betet, bevor ihr mit dem Essen beginnt und bietet Gott die Speise an. Gott antwortet auf dieses Gebet. Er wohnt als Gott des Feuers (Vaishvanara) in un-serem Magen. Er mahnt uns, nicht mehr als notwendig zu essen und sendet Signale in Form von Aufstossen usw. aus, um uns davon ab-zuhalten, mehr zu essen. Mitgerissen vom Geschmack, ignoriert der Mensch oft diese Warnungen Vaishvanaras und isst mehr Süssigkeiten und Köstlichkeiten als gut für ihn ist. Das führt zu Verdauungsbe-schwerden und zu Erschöpfung. Deshalb ist es wesentlich, beim Essen Disziplin einzuhalten. Verdauungsbeschwerden sind die Ursache einer Reihe von Krankheiten. Der Grund für viele Krankheiten ist Unordnung im Zentrum, dem Bauch. Wenn der Bauch durcheinander ist, verur-sacht das eine Reihe körperlicher Beschwerden. Deshalb sollten nur drei Viertel des Magens mit Nahrung gefüllt werden, und ein Viertel soll-te leer bleiben, dann bleibt es im Rahmen der Disziplin. Die Disziplin muss täglich beachten werden. Was immer ihr von morgens bis abends tut, sollte diszipliniert sein. Im Beten, Sitzen, Gehen, Reden, Essen, Trinken und in allem Anderen sollte Disziplin eingehalten werden. Dann wird euer Leben diszipliniert sein. Das ist Karmayoga, der Yoga des Handelns. Karmayoga gibt euch die Geschicklichkeit im Handeln. Der Mensch hat das Recht zu handeln, aber es muss sich in Grenzen hal-ten. Folgt den Anweisung Gottes und haltet eine gewisse Regelmäs-sigkeit ein.

Auf welchem Weg erlangt ihr Weisheit? Der Weg der Disziplin führt zu Weisheit. Brüstet euch nicht damit, dass ihr viele Bücher und alle hei-ligen Schriften gelesen habt. Warum seid ihr stolz auf eure Gelehrsam-keit? Wenn ihr nicht zu Gott betet, ist all eure Bildung und Gelehrsam-keit nutzlos. Faltet deshalb eure Hände. Es ist der erste Schritt auf dem spirituellen Weg. Das Aneinanderlegen der Hände als Grussform (Na-maskara), bedeutet die Vereinigung der fünf Handlungssinne und der fünf Wahrnehmungssinne. Es symbolisiert die Einheit in der Vielfalt. Er-kennt die eine Göttlichkeit in allen Wesen. Das ist Spiritualität, und darin liegt die innere Bedeutung von Namaskara. Namaskara bedeutet auch: nicht ich, namana. Es steht für die Zerstörung des Ego und bedeutet, dass nichts euch gehört. Namaskara symbolisiert völlige Ergebung: Al-les wird Gott dargebracht, alles gehört ihm. Deshalb sollte jede Hand-lung vom Augenblick des Aufwachens bis dem zu Bett gehen diszipli-niert sein.

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Der Mensch weiss heutzutage nicht, was Disziplin und was Sinnes-kontrolle ist. Die Sinne müssen kontrolliert werden. Die Augen sollten nur gute Dinge sehen, nichts Schlechtes.

Seht nichts Schlechtes, seht nur Gutes!Specht nichts Schlechtes, specht nur Gutes!

Hört nichts Schlechtes, hört nur Gutes! Denkt nichts Schlechtes, denkt nur Gutes!

Tut nichts Schlechtes, tut nur Gutes! Das ist der Weg zu Gott.

Um dem zu folgen, braucht es Disziplin.

Studenten! Sogar Tiere und Vögel folgen der Disziplin. Der Mensch ist mit all seiner Erziehung, seiner Intelligenz und seinem Wissen nicht in der Lage Disziplin zu halten. Wenn ihr sorgfältig beobachtet, findet ihr heraus, dass sogar Affen und Vögel eine Stunde am Tag Schweigen bewahren. Aber der Mensch hört nicht einmal eine Minute auf zu reden. Er redet unaufhörlich. Er hält kein Schweigen ein. Über Jemanden, der Stille einhält, macht man sich lustig. Ihr solltet statt dessen solche Men-schen schätzen und ihrem Beispiel enthusiastisch folgen. Was ist unter Brahman, dem Göttlichen, zu verstehen? Stille ist Gott. Der Klang in der Stille ist Gott. Wenn ihr euer Reden kontrolliert, könnt ihr auch alles Andere kontrollieren. Warum ist es so wichtig, weniger zu reden? Augen haben nur die Kraft zu sehen und besitzen keine an-dere Fähigkeit, Ohren können nur hören, die Nase nur riechen. Aber die Zunge besitzt zwei Kräfte: zu Schmecken und zu Reden. Da die Zunge sehr machtvoll ist, sollte sie als Erste beherrscht werden. Ein Auto hat vier Räder, und diese sollten nicht denselben Reifendruck haben. Die Vorderräder sollten weniger Druck als die Hinterräder ha-ben, dann fährt der Wagen sanft. Ein Beispiel zur Illustration: Eines Tages wurde einer von Ramakrish-nas Schülern, namens Brahmananda aufgefordert, nach Kalkutta zu gehen und Fisch zu bringen. Während er im Boot sass, machte der Fährmann Ramakrishna und seine Schüler lächerlich und kritisierte sie als Leute, die faul und eine Last für die Gesellschaft seien. Brahman-anda fühlte sich von diesen Worten verletzt, aber da er ein sanftmütiger Mensch war, sagte er nichts. Er ging zu seinem Meister und erzählte ihm voller Tränen, was auf seiner Bootsreise nach Kalkutta und zurück geschehen war. Ramakrishna Paramahamsa wies seinen Schüler streng dafür zurecht, die Kritik an seinem Meister geduldet zu haben.

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Narendra, der spätere Vivekananda, hörte dies. Am folgenden Tag machte er sich auf den Weg nach Kalkutta, um Fisch zu bringen. Als der Fährmann ihn sah, wiederholte er, was er am Vortag zu Brahma-nanda gesagt hatte. Vivekananda duldete dies nicht und drohte dem Fährmann mit schrecklichen Konsequenzen, wenn er seine Kritik fort-setzen würde. Der Fährmann ignorierte diese Drohung und redete wei-ter. Vivekananda hob den Bootsmann in die Höhe und drohte an, ihn in den Fluss zu werfen. Nach seiner Rückkehr in den Ashram fragte ihn Ramakrishna, was unterwegs geschehen sei, und voller Stolz er-zählte Vivekananda die ganze Geschichte. Ramakrishna tadelte Vive-kananda dafür, dass er seine Fassung verloren hatte. Narendra (Vive-kananda) fragte seinen Meister: „Swami, du hast gestern zu Brahma-nanda anders gesprochen. Was ist der Grund? Was ist die Wahrheit?“ Ramakrishna Paramahamsa erwiderte: „Mein lieber Junge, wenn zu-viel Luft im Reifen ist, muss man Luft ablassen, wenn zuwenig Luft im Reifen ist, muss man mehr Luft hineinpumpen. Ich tat, was notwendig war. Erziehung sollte sich nach den Umständen richten. Er war weich-lich, wohingegen du jähzornig bist.“ Lehren sollten nicht für jeden gleich sein, sondern dem Empfänger angemessen. In einem Fluss ist jede Menge Wasser, aber was man herausschöpfen kann, hängt von der Grösse des Behälters ab. Sogar im spirituellen Bereich erhält man Nut-zen entsprechend dem Ausmass, in dem man Disziplin befolgt. Ohne Disziplin kann man die Göttlichkeit nicht erlangen. Man sollte nicht im-mer wieder wechseln und schwanken. Angenommen, du singst oder meditierst jeden Morgen um sechs Uhr. Eines Tages geschieht es, dass du zu dieser Zeit im Bus reist. Manche Menschen behaupten, dass Ort, Zeit und Pflicht nie geändert werden sollten. Der Platz mag sich ändern, aber nicht die Pflicht. Du solltest um sechs Uhr, ob du im Bus oder sonst-wo bist, deine „Pflicht“ der Meditation oder des Bhajansingens vollbrin-gen. Du solltest die Wirkung dahin bringen, wo du gerade bist. Wenn du der Disziplin angemessen folgst, wird für Zeit und Erledigung der Pflicht automatisch gesorgt sein.

Die Zeit verschlingt den Körper, aber Gott verschlingt die Zeit. Zeit ist Gott. Was ist darunter zu verstehen? Der Sonnengott hat einen Sohn: Kala, der Gott der Zeit und der Gott des Todes (yama), wird Sohn des Sonnengottes genannt. Das mag für die Studenten komisch klingen. Wie kann der Sonnengott Ehefrau, Sohn oder Familie haben? Aber es ist wahr. Kala bedeutet Zeit. Woher kommt die Zeit? Von der Sonne. Zeit entsteht durch Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Aus die-sem Grund wird die Zeit als Sohn des Sonnengottes bezeichnet. Spi-

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rituell gesehen ist alles wahr. Wenn man solche Konzepte und Ge-schichten aus unseren Epen und heiligen Texten in einer weltlichen Weise auffasst, mögen sie unwahr klingen. Ein anderes Beispiel: Vish-nu, Lakshmi oder Saraswati werden laut Beschreibung im Lotos ge-boren. Mit Lotos ist das Herz gemeint. Alles, es mag gut oder schlecht sein, wird aus dem Herzen geboren. Deshalb wird gesagt: Wie man empfindet, so ist die Erfahrung. Wir können nicht behaupten, etwas sei unwahr, wenn wir die innere Bedeutung nicht verstehen. Nehmt euch ein wenig Zeit, hinterfragt die Dinge, klärt die Zweifel und seid friedvoll. Die Schriften lassen keinen Raum für Zweifel. Die Autoren dieser Schriften sind grosse Weise wie Valmiki und Vyasa. Valmiki verfasste das Ramayana, Vyasa achtzehn Puranas. Sie waren grosse Weise und Seher, und nicht eine einzige Unwahrheit hat sich eingeschlichen. Wir verstehen entsprechend unserem Empfinden, aber die Schriften kön-nen niemals falsch sein. Es sind ideale Texte, sie zeigen den rechten Weg, sie haben nie Jemandem die falsche Richtung gewiesen. Um ein ideales Leben zu führen, solltet ihr weniger reden, den Anweisungen mehr folgen und Disziplin beachten. Gebt niemals die Disziplin auf. Tharkads junger Sohn hat ein Beispiel für das Befolgen von Disziplin gegeben. Sein eigener Vater bat den Sohn um Vergebung für das Nicht-einhalten des Versprechens - so gross ist die Macht der Disziplin. Dem Alter nach mögen Sohn und Vater sich unterscheiden, aber Atman, das Göttliche Selbst ist in allen gleich. Es gibt nur eine Wahrheit, die un-abhängig ist von Kaste, Religion oder Alter; folgt deshalb der Wahrheit.Die indische Kultur hat der Welt solch heilige Wahrheiten beigebracht. Die Kultur ist makellos. Ihr dürft die edle, heilige, alte und zugleich doch moderne Kultur Indiens niemals aufgeben oder kritisieren. Ihr solltet nicht handeln, wie euer Geist es euch vorschreibt. Ihr müsst Kontrolle über euer Denken entwickeln. Macht es zum Diener und werdet sein Meister. Folgt nicht eurem Denkvermögen und seinen Launen. Werdet nicht sein Sklave, lasst es euer Diener sein. Ihr selbst solltet aus-schliesslich ein Diener Gottes werden. Ramdas hatte gesungen: „Oh Mensch, du solltest der Diener des Dieners Gottes werden. Ich sollte deinem Diener Dienst anbieten. Ich bin von morgens bis abends dein Diener.“

Eine Geschichte aus dem Bhagavatam verbildlicht die göttliche Liebe. Kuchela, ein Jugendfreund von Krishna, ging zu ihm mit etwas gedörr-tem Reis, der in ein kleines Tuch gebunden war. Krishna empfing ihn voll Wärme und Zuneigung. Er löste das Bündel und nahm ein wenig von dem Reis. Kuchela fühlte sich sehr unwohl und scheu, dass Krish-

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na, der Herrscher und Gott, selber das schmutzige Tuch aufband. Ein wenig Reis blieb übrig. Rukmini, Krishnas Gemahlin, kam und nahm das Tuch mit dem Reis weg. Kuchela dachte, dass es Rukmini nicht gefiel, dass Krishna den Reis von dem schmutzigen Tuch ass. Krishna kannte Rukminis Herz und wollte Kuchela korrigieren. Er fragte deshalb Rukmini, aus welchem Grund sie den Reis weggenommen habe. Krish-na sagte, er sei Kuchelas Diener und habe deshalb das volle Recht, den Reis zu essen. Rukmini sagte, sie sei Krishnas Dienerin und habe ein Recht, den Reis mit ihm zu teilen. So weit, erhaben, gross und ein-zigartig sind Gottes Gedanken und Empfindungen. Ihr versteht die Wege des Göttlichen nicht und nehmt es deshalb auf die leichte Schul-ter. Gott ist sehr weitherzig, und niemand Anderes hat so erhabene Ge-danken und Gefühle wie er. Kuchela kehrte zurück und fand palastar-tige Gebäude anstelle seines alten Hauses. Seine Frau und seine Kin-der sahen reich und prächtig aus. Seine Frau rannte herbei und fiel ihm zu Füssen: „Mein Lieber! Wie gross und voller Gnade Gott ist! Sahst du ihn, was sagte er, wie behandelte er dich?“ Kuchela erwiderte: „In dem Augenblick, als Krishna von meiner Ankunft erfuhr, verliess er sei-nen Thron, lief herbei und empfing mich mit so viel Zuneigung. Er um-armte mich und machte sehr liebevolle Gebärden. Wie kann ich seine Gnade und sein Mitgefühl beschreiben? Er nahm eine Handvoll ge-dörrten Reis und schenkte mir solche Reichtümer. Krishna ist Liebe, und Liebe ist Krishna. Es ist unmöglich, ihn auf andere Weise zu be-schreiben.“ Gottes Liebe expandiert, wohingegen die Liebe der Devotees einen-gend und engstirnig ist. Vorhin waren die Lehrer und der Aufseher des Studentenwohnheimes im Raum. Die Lehrer haben diesen Stuhl für Swami angefertigt. Sie wollten ihn Swami am 70. Geburtstag schenken, aber er war nicht fertig. Gestern erhielten sie ihn, kamen zu mir, fassten meine Füsse und be-teten, dass Swami den Stuhl annehmen möge. „Kind, es ist meine Na-tur, immer zu geben und niemals zu empfangen. Wieviel hat der Stuhl euch gekostet?“ Sie enthüllten den Betrag nicht. Dann sagte ich ihnen, was er gekostet hatte und dass ich das Geld zahlen und dann den Stuhl nehmen würde. Sie fühlten sich deswegen sehr unglücklich und wein-ten. Sie sagten voller Entschiedenheit, Swami sollte den Stuhl anneh-men. Sie hatten den Stuhl mit sehr heiligen Empfindungen und mit rei-nem Herzen anfertigen lassen, und deshalb akzeptierte ich ihn schliesslich. Die Jungen sind gut, und ihre Hingabe ist gross. Sie empfinden über-strömende Liebe zu Swami, aber hie und da sind Luftlöcher in ihrer Lie-

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be, und verderben ihre Empfindungen. Heute morgen sagte ich dem Aufseher, ich hätte Basmatireis, und zweihundert Säcke sollten zum Studentenwohnheim und zweihundert zu den anderen beiden Wohn-heimen in Prashanti Nilayam gebracht werden. Der Aufseher sagte: „Swami, wir haben das Geld von der Kantine. Jeder Sack Basmatireis kostet 1‘100 Rupien. Bitte nimm das Geld an, Swami!“ Ich erwiderte: „Oh verrücktes Kind, ist das alles, was du von Swami verstanden hast? Ich gebe dir aus ganzem Herzen Reis, und du willst Geld dafür bezah-len. Was für kleine Herzen und engherzige Empfindungen! Weil die Schüler mein Eigentum sind, gebe ich meinen Kindern Reis.“ Der Vater geht zum Markt und kauft zwei Anzüge für den Festtag. Wird der Vater seinen Sohn dann bitten, fünfzig Rupien für die neuen Kleider zu zahlen? Wenn der weltliche Vater kein Geld für die Kleider verlangt, sollte Gott, der göttliche Vater dann um Geld für den Reis bitten? Nie-mals sollte so etwas geschehen. Swamis Herz ist sehr weit. Als Kinder von Atman, dem Göttlichen Selbst, solltet ihr ebenso Weitherzigkeit entwickeln. Wenn ich euch als mich betrachte, solltet ihr mich als euer Eigentum betrachten. Ihr habt ein Recht, mich euren Swami zu nennen. Verdient dieses Recht! Ich würde über euch glücklich sein. Wenn ihr hierher kommt und nur studiert und wieder weggeht, was bringt das? All dieses Studieren ist nutzlos. Ihr solltet eure Herzen ausweiten. Ihr solltet Swamis Anweisungen genauestens ausführen. Nur dann erhal-tet ihr Glückseligkeit. Zuvor könnt ihr niemals die volle Glückseligkeit erfahren. Nur wenn ihr Swamis Anweisungen folgt, werdet ihr diese nektargleiche Glückseligkeit erfahren. Ich bin immer bereit; ihr seid nicht bereit. Einen Punkt müsst ihr beachten: Fotografen geben uns Zeit, alle Vor-bereitungen zu machen, und warnen uns, bereit zu sein; nur dann drük-ken sie auf den Auslöser. Nur wenn wir bereit sind, wird das Foto scharf. Bis der Fotograf dich auffordert, bereit zu sein, kannst du dich bewegen und wackeln. Aber der göttliche Fotograf sagt überhaupt nicht: „Sei jetzt bereit.“ Gott ist ein ausgezeichneter Fotograf, aber du solltest immer bereit sein; nur dann wird das Foto in Ordnung sein.

(Vollständige Übersetzung aus dem Telugu ins Englische durch ehemalige Anan-tapurstudentinnen. Prashanti Nilayam)

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20. Juni

Selbstlose Liebe und Glauben

Ein Herz ohne Liebe ist wie ein Friedhof.Kannst du den Prozess des Ein- und Ausatmens Leben nennen?

Sogar ein Schmelzofen tut das!

Verkörperungen der Liebe!

Liebe verlangt nichts, verletzt Niemanden, schuldigt nicht an und miss-braucht Niemanden. Opferbereitschaft ist ihre wichtigste Qualität. Lie-be ist stetig, rein und selbstlos. Der Mensch sehnt sich nach dieser Lie-be. Es mögen selbstsüchtige Elemente in der Liebe zwischen Mutter und Kind, zwischen Ehemann und Ehefrau, Freunden und unter Ver-wandten vorhanden sein - aber die Liebe Gottes für seine Devotees und umgekehrt ist rein und selbstlos. Diese Liebe bringt Menschen nä-her zueinander, sogar über Kontinente hinweg. Sie bewirkt, dass die Tiernatur im Menschen göttlich wird. Wenn diese Liebe die weltliche, körperliche Liebe berührt, verwandelt sie die letztere in göttliche Liebe. Jemand, der diese Liebe kennen und erfahren möchte, sollte alle Selbstbezogenheit aufgeben und Verzicht entwickeln. Man sollte sich nicht wegen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten sorgen, die in den Anfangsphasen der Hingabe zu Gott auftauchen. Das Fühlen des einen Selbst in allen Lebewesen ist wahre Liebe. Die Schmuckstücke in Gold mögen sich unterscheiden, das Gold jedoch ist das Gleiche. Kühe mögen verschiedene Farben haben, ihre Milch ist die Gleiche. Entsprechend können Namen und Körperformen un-terschiedlich sein, doch die Lebenskraft in allen ist ein und dieselbe. Studenten mögen sagen, dass sie sich verändern könnten, wenn sie dem Einfluss der Umgebung und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das ist nicht richtig. Ein Papier kann flattern im Wind, aber das Bild auf dem Papier wird dasselbe bleiben. Ähnlich solltet ihr die Liebe zu Gott in eu-rem Herzen eingravieren, auch wenn der Geist aufgrund von Umstän-den manchmal schwankt. Es gibt drei Aspekte der Liebe - Liebe ist furchtlos, sie bettelt nicht und liebt um ihrer selbst willen. Ein König ging einmal zum Jagen in den Wald und wurde getrennt von seinen Kameraden. Er war sehr müde. Alsdann sah er einen Weisen, der in seiner Einsiedelei gerade medi-tierte. Der König wartete, bis der Weise seine Augen öffnete, und er-

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klärte seine missliche Lage, worauf ihn der Weise mit Freuden zu Essen und Wasser einlud. Nach einer Erholungspause, als sich der König zur Rückkehr in seinen Palast anschickte, kam er mit dem Heiligen überein, dass dieser ihn begleitete. Am Palast angekommen, erfrischten sie sich und betraten die Gebetshalle. Der König begann zu Gott zu beten um zusätzliches Land und weitere Reichtümer durch das Erobern kleinerer Königreiche zu bekommen. Dieses hörend, schickte sich der Weise an hinauszugehen. Als der König den Weisen aufhielt, sagte dieser zum König, er wolle nichts von einem Bettler erbetteln, dann würde er lieber direkt Gott bitten. Frage niemals Gott um Etwas. Wenn du fragst, kön-nen sich die Aussichten auf Erfolg sogar verringern. Wenn du um Nichts fragst, wird Gott auf alle deine Bedürfnisse rea-gieren. Hat er nicht Sabhari geehrt, ohne dass sie darum gebeten hat-te? Hat er nicht die Sterbesakramente für Jatayu vollzogen, ohne da-nach gefragt worden zu sein? Gott zu fragen ist der weltlich gesinnte Weg. Es ist nicht der Weg der Liebe. Warum nach etwas fragen, wenn er alles gegeben hat, weiss, was das Beste für dich ist? Du magst nach einem Rosenkranz aus Glasperlen fragen, während Gott dir vielleicht Perlen und Diamanten geben möchte und die Zeit bis dahin abwartet. Deshalb überlasse alles Gott. Er wird nach deinem Wohlergehen schauen. Leider haben viele nicht diese Art von Glauben. Glauben ist sehr grundlegend und wesentlich - Liebe und Glauben. Wenn du nicht auf deine eigene Liebe vertraust, wie kannst du dann an Gottes Liebe glauben? Du bist kein Bettler, du bist etwas Grösseres. Bete um Gott selbst. Eine Mutter gibt, ohne gefragt worden zu sein. Um Dinge zu bit-ten und sie dann zu geniessen, ist der weltlich gesinnte Weg. Aber das ist nicht bezeichnend für Gott - auf dem spirituellen Weg gibt es nur Er-fahrung. Nehmt, was immer eures Weges kommt, als ein Geschenk Gottes an. Wie bitter auch immer Chinin schmecken mag, es muss ein-genommen werden, um Malaria zu heilen. Vergleichsweise begegnet ihr auf dem Weg zu Gott Anfangsschwierigkeiten, aber ihr solltet sie alle überwinden. Nehmt irgend einen Heiligen - Tukaram, Kabir, Tul-sidas - alle durchlebten anfänglich Schwierigkeiten. Nur wenn ihr Schmerzen erlebt, wisst ihr die Früchte des Wohlbefindens zu schät-zen. Könnt ihr den Saft eines Zuckerrohres gewinnen, ohne das Rohr zu zerquetschen? Der Diamant muss geschliffen und poliert werden, bevor er strahlend sein kann. Und Gold muss zum Reinigen ins Feuer gegeben werden. Die wahre Natur des Menschen ist überdeckt von An-haftung, Hass und Eifersucht. Übergebt diese dem Feuer der Liebe. Wie die Wolken, die sich mit Hilfe der Sonne zusammenziehen, die Sonne selbst verdecken, sind Vorlieben, Abneigungen und Eifersucht

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Schöpfungen des Denkens, die den Intellekt umwölken. Die Kraft der Liebe wird diese schlechten Eigenschaften vertreiben, wie ein starker Wind die Wolken zerstreut. Diese schlechten Eigenschaften abzule-gen, ist das wahre Opfer, nicht lediglich das Aufgeben von Reichtum, Familie oder weltlichen Pflichten.

Gott schaut auf die Übereinstimmung von Gedanke, Wort und Tat. Ihr kennt alle die Geschichte von Druva, dem fünfjährigen Jungen, der an-fing zu Vishnu zu beten, um dessen Segen zu erhalten, auf dem Schoss seines Vaters sitzen zu dürfen. Nach der Einweihung in ein Mantra durch den Heiligen Narada meditierte Druva auf Vishnu und gewann ihn durch seine treue Busse. Als der Herr erschien und ihm eine Seg-nung anbot, erwiderte Druva, der Herr wisse besser, was das Richtige für ihn sei. Druva sagte auch, dass er damit begonnen habe, nach einer Glasperle zu suchen (Wunsch, auf seines Vaters Schoss zu sitzen), jedoch einen Diamanten gefunden hätte (das Erscheinen von Vishnu selbst) und dass er nicht länger an der Welt interessiert sei. Der Herr, der allwissend ist, entgegnete, dass er den Wunsch nur erfüllen werde, wenn die Übereinstimmung von Gedanke, Wort und Tat da sei, und er-innerte Druva, dass er die Busse mit einer Absicht begonnen hatte, und nun um etwas Anderes bäte. Da sein ursprünglicher Wunsch aufrichtig gewesen war, war der Herr verpflichtet, ihn zu seinem Vater zurück-zuschicken, mit der Versicherung, dass er das Königreich nach seinem Vater regieren werde. Der Geist ist eine Mischung aus guten sowie schlechten Gedanken, die auch eure Worte verunreinigen. Was ist Selbsterforschung? Ihr solltet erkennen, dass die Schwierig-keiten die euch selbst Leid zufügen, das gleiche Leid für Andere ver-ursachen. Wenn ihr einmal dieses Gefühl entwickelt habt, dann ist kein Raum mehr für Eifersucht oder Hass gegen einen Menschen. Rituale, Namensrezitation, Meditation usw. sind nur dazu bestimmt, den Geist stetigzumachen, aber sie können dich nicht in Gottes Nähe bringen. Bevor du eine Leiter erklimmst, versicherst du dich, dass sie sicher auf dem Boden steht und genauso sicher an der Wand lehnt. Vergleichs-weise sichert die Leiter eures Lebens auf starkem Glauben und reiner unverdrossener Liebe. Dann könnt ihr jegliche Höhen erklimmen, um Gott zu erreichen. Jedoch nach ihm zu suchen, der überall ist, ist Ver-rücktheit. Wenn er in euch ist, manifestiert ihn durch eure Liebe. Von allen Fragen, die der Mensch seit seinem Ursprung gestellt hat, ist die Allerwichtigste: „Wer bin ich”? Leider ist es heutzutage üblich, heraus-zufinden, wer die Anderen sind, jedoch nicht, wer ihr selbst seid. Wie erlangt ihr Selbstverwirklichung? Zuerst habt Selbstvertrauen. Das ist

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die Grundlage, auf der die Wände der Selbstzufriedenheit gebaut wer-den können. Wenn ihr einmal zufrieden seid, kommt Selbstverzicht, der das Dach bildet, automatisch. Durch Verzicht erlangt ihr Selbstverwirk-lichung oder Unsterblichkeit. Man spricht von Yamas (Gott des Todes) Seil, mit dem er die Menschen fängt. Hat Yama eine Seilfabrik, die er für jeden Menschen nutzt? Nein - eure Selbstsucht und euer Besitzdenken formen ein grosses Seil das euch bindet. Es sind eure Gedanken, welche die Ursache für euer Wohlergehen und den schlechten Stand der Angelegenheiten ausma-chen. Denkt niemals, dass Andere der Grund für euren gegenwärtigen Zustand von Freude oder Traurigkeit sein könnten. In dieser Welt gibt es weltliche Bildung, und für die nächste Welt ist die spirituelle Erzie-hung da. Habt ihr einmal Liebe zu Gott entwickelt, so wird euer Herz niemals mit Angst erfüllt sein. Euer Ziel im Leben sollte sein, mit dem Meer der Gnade - die Gott ist - zu verschmelzen.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 20.6.)

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30. Juni

So wie ihr in den Wald ruft, so tönt es zurück

Wenn man Schlechtes getan hat,kann man keine guten Ergebnisse erhalten,

und wenn man Gutes getan hat,kann man keine schlechten Folgen ernten.

Kann man eine Mangofrucht ernten,wenn man Zitronensamen gepflanzt hat,

oder eine Zitrone, nachdem man Mangosamen gesät hat?

Ihr erntet, was ihr sät. Es ist das Gesetz der Natur, ob es einem gefällt oder nicht. Ihr begegnet den Konsequenzen eurer Handlungen. Des-halb solltet ihr versuchen, Gutes zu tun, um gute Ergebnisse zu erhal-ten. Heutzutage ist niemand bereit, Gutes zu tun, aber jeder erwartet gute Ergebnisse. Niemand ist bereit, von schlechten Handlungen ab-zulassen, aber die Folgen seiner schlechten Handlungen will keiner ha-ben. Unfähig, ihr Leiden zu ertragen, klagen die Menschen Gott für ihr Schicksal an. Gott fügt weder Freude noch Leid zu. Freude und Leid sind die Folgen eurer eigenen Handlungen. Gott ist nur ein Zeuge. Gleich einem Postboten, der nicht verantwortlich ist für die guten und die schlechten Nachrichten in den Briefen, die er verteilt, so ist auch Gott nur der stille Verteiler der Folgen der Handlungen eines Jeden. Aber Gott schickt den Gottergebenen, die mit reinen und edlen Gefüh-len zu ihm beten und sich ihm ergeben, seine besondere Gnade. Wenn sich ein Mensch in diesem oder einem früheren Leben Verdienst er-worben hat, dann greift Gott in sein Karma ein, um sein Elend zu er-leichtern.

Als Draupadi am Königshof der Kauravas, durch den Versuch, sie zu entkleiden, erniedrigt wurde, wusste sie, dass nur Krishna sie aus ihrer heiklen Lage retten konnte, obwohl fünf der mächtigsten Männer ihre Ehemänner waren. Sie rief aus: „Keshava (Krishna), Madhava, Dha-modara, Madhusudhana.“ Wer ist Keshava? Keshava ist die Verkör-perung von Brahma, Vishnu und Shiva, der dichte Locken auf seiner Stirn trägt. Krishna überdachte Draupadis Leben und überlegte einen Moment lang, ob sie irgendetwas Gutes getan hätte, um sein Eingreifen zu verdienen. Er erinnerte sich an ein Ereignis am Sankranthitag: Beim Zuckerrohrschneiden verletzte er in Anwesenheit von Rukmini, Sa-

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thyabhama und Draupadi seinen Finger, so dass er blutete. Sathyab-hama beauftragte eine Zofe, ein Stück Tuch zu holen. Rukmini rannte selbst los, um Stoff zu holen; aber Draupadi riss ein Stück ihres Saris ab, band es um Krishnas rechten Daumen und beendete dadurch das Bluten. Sathyabhama und Rukmini fühlten sich beschämt, als sie das sahen. Krishna erinnerte sich an diese selbstlose gute Liebestat Drau-padis, und er bestimmte, dass dieses Stückchen Stoff ihr unzählige Male zurückgegeben werden solle. Dadurch wurde Draupadis Ehre ge-rettet. Der Sari, den sie trug wurde endlos, so dass sie nicht entkleidet werden konnte. Auf der ganzen Welt erhältst du nur dann etwas zurück, wenn du etwas gibst. Ohne Geld zu zahlen, erhältst du nicht einmal ein Taschentuch. Die Beziehung zwischen Gott und seinen Devotee ist ähnlich: Kuchela bot Krishna eine Handvoll gedörrten Reis an und erhielt dafür uner-messliche Schätze. Als Sathyabhama Krishna aufwiegen wollte, bot Rukmini mit all ihrer Hingabe ein Tulsiblatt als Gegengewicht an. Es wog mehr als Krishnas physische Form. In der Bhagavadgita steht ge-schrieben, man solle Gott ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder Was-ser opfern. Euer Körper ist das Blatt, euer Herz die Blume, euer Denken und Fühlen die Frucht, und eure Tränen sind das Wasser, mit denen ihr den Herrn verehren solltet. Man kann den Früchten seiner Handlungen nicht entkommen, auch wenn man ein vielstudierter Gelehrter ist, den Familiengottheiten viel Anbetung erwiesen hat, und noch nicht einmal dann, wenn man in die Wälder gegangen ist und harte spirituelle Übungen durchgeführt hat. Ob es sich um einen kleinen Teich oder den mächtigen Ozean handelt, ihr könnt nur so viel Wasser herausnehmen, wie euer Behälter fasst. Gottes besondere Gnade erhöht das Fassungsvermögen. Was ge-schah mit dem mächtigen Karna, der trotz seiner körperlichen und gei-stigen Stärke Gottes Gnade nicht erlangen konnte? Karna war kein ge-wöhnlicher Mensch, aber aufgrund seiner Verbindung mit niedrig ge-sinnten Menschen wie Duryodhana, Dussasana und Shakuni wurde auch er als ein verruchter Mensch, als ein Mitglied dieses üblen Quar-tetts gebrandmarkt. Arjuna wurde egoistisch, weil er stolz auf seine Kraft wurde, die alle Helden der Kaurava-Armee vernichtete. Er fühlte, dass mit Krishna als seinem Freund niemand ihm, Arjuna glich. Krishna wollte Arjunas Ego zerstören. Er verwandelte sich in einen Brahmanen und ging zu Karna, der in seinen letzten Zügen auf dem Schlachtfeld lag. Der „Brahmane“ bat Karna um etwas Gold, um eine Familienze-remonie durchzuführen. Karna forderte ihn auf, zu seinem Haus zu ge-hen und die erforderliche Summe von Karnas Frau zu erbitten. Der

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Brahmane erwiderte, wenn Karna es persönlich nicht geben wolle, solle er es sagen, und er würde weggehen, aber er wäre nicht bereit, zu Kar-nas Haus zu gehen. Daraufhin forderte Karna ihn auf, seinen Goldzahn herauszuziehen. Der Brahmane erwiderte, er könne nicht um Goldes willen jemand Anderen verletzen. Karna bat den Brahmanen um einige Steine, brach seinen Kiefer damit, nahm den Goldzahn heraus und bot ihn dem Brahmanen an, der sich weigerte, ihn zu berühren, weil er mit Blut bedeckt war. Obwohl Karna starke körperliche Schmerzen hatte, stand er auf, schoss einen Pfeil in den Boden, und als Wasser heraus-schoss, wusch er den goldenen Zahn darin und gab ihn dem Brahma-nen. Arjuna, der die ganze Szene beobachtet hatte, beugte sein Haupt in Scham, weil er erkannte, dass er selbst nicht Karnas Qualität besass. Daraufhin enthüllte Krishna Arjuna, dass Karna der älteste Sohn Kuntis, und damit ein Halbbruder Arjunas war. Jede Handlung gleicht einem Samen, dessen Frucht ihr letztlich ernten werdet. Heutzutage handelt ihr, ohne nachzudenken und zu unterscheiden, und wenn ihr die Folge davon erfahrt, vergiesst ihr Tränen. Ihr redet, ohne die Konsequenzen eurer Worte zu verstehen. Es ist wahr, es mag nicht möglich sein, in dieser Welt zu handeln, ohne Andere dabei zu verletzen. Diese heikle Situation bleibt bestehen, solange das Körperbewusstsein vorherrscht. Nur das ständige Denken an Gott befreit einen vom Körperbewusst-sein. Die Gebäude, die man im Traum sieht, existieren im Wachzustand nicht mehr. Deshalb erklären die Upanishaden: „Erhebe dich! Erwache! Lasse nicht ab, ehe das Ziel erreicht ist”. Jemand mag Präsident oder Ministerpräsident sein, aber im Schlaf vergisst er seine Stellung. Ent-sprechend seid ihr die wahre Verkörperung von Sein-Bewusstsein- Glückseligkeit. Um dies zu erkennen, müsst ihr aus dem Schlaf der Un-wissenheit aufwachen. Im Traum werdet ihr von einer Schlange gebis-sen und schreit vor Schmerz, aber ihr müsst keine Medizin einnehmen. Das einzige Erforderliche besteht darin, aufzuwachen. Ihr schlaft den Schlaf des Körperbewusstseins und der Bindung an die Welt. Wenn ihr diese Bindung nach und nach verringert, findet ihr euer Ziel und er-reicht es.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 30.6.)

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1. Juli

Nicht verdienen, sondern dienen

Verkörperungen der Liebe!

Das Erziehungssystem von heute bereitet die Schüler darauf vor, welt-lichen Freuden und Annehmlichkeiten nachzujagen, aber es macht kei-nen Versuch, in ihnen Eigenschaften wie Rechtschaffenheit, Friedfer-tigkeit und den Willen, sich für das soziale Wohlergehen einzusetzen, zu kultivieren. Beide, Schüler wie Pädagogen, sind hauptsächlich dar-an interessiert, Erziehung zur Erlangung von Arbeitsstellen und hohen Einkommen zu benutzen. Was für ein Leben führen sie in den Jahren, in denen sie gut verdienen? Nach einem sogenannten harten Arbeits-tag verbringen sie ihre Abende in Clubs und meinen, sie erhielten dort Ruhe und Frieden. Wenn sie wirklichen Frieden wollten, dann sollten sie ihn bei sich zu Hause suchen. In den Clubs verbringen sie ihre Zeit mit Karten-spielen und Flaschenleeren. Ist das lobenswert? Können sich diese Leute gebildet nennen? Bei weitem nicht. Nicht nur, dass sie sich auf diese Weise selber schaden, sie schaden auch ihren Fa-milien. Anstatt ein Opfer von solch schädlichen Gewohnheiten zu wer-den, sollten die Gebildeten ihr Wissen für die Verbesserung der Ge-sellschaft nutzen und dadurch ihr Leben erlösen. Abhängigkeit von Al-kohol macht einen Menschen letztlich zum Sklaven der Flasche.

Der Mensch ist Nutzniesser von Gottes unzähligen freiwilligen Ge-schenken: Wind, Regen, Sonnenlicht und so weiter. Wie dankbar zeigt sich der Mensch für all dies Gott gegenüber, während er einen hohen Preis zahlt für jeden kleinen Dienst, den er von der Stadt erhält wie Was-ser- und Stromversorgung? Gott versorgt uns mit allem, was lebens-notwendig ist. Welche Entschädigung gibt der Mensch Gott dafür? Im Gegenteil, er bittet noch um weitere Vorteile. Dieses unersättliche Wün-schen ist der Grund für alle schlechten Eigenschaften des Menschen. Die wahren menschlichen Eigenschaften sind Ruhe, Geduld und Mit-gefühl. Der Mensch sollte ein zufriedenes Leben führen.Gott hat dem Menschen eine so zauberhaft schöne Welt gegeben mit Gebirgen, Wäldern, Flüssen und dem herrlichen Mond. Vor allem aber hat Gott den Menschen mit einem mitfühlenden Herzen ausgestattet. Aber der Mensch verschmutzt es. Was schuldet der Mensch Gott für alle seine Geschenke? Die alten Weisen nannten es „Bali“ (Opfergabe).

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Der Begriff „Bali“ ist missverstanden worden als Opfergabe in Form ei-ner Tieropferung. Die wirkliche Bedeutung von Bali ist Steuer.Viele solcher Begriffe sind im allgemeinen Sprachgebrauch mit fal-schen Bedeutungen belegt worden. Zum Beispiel hat der Begriff „Shi-khandi“ die Bedeutung von „Hermaphrodit“ bekommen (der Mensch, der beides ist, Mann und Frau). Die wahre Bedeutung jedoch ist „einer, der eine Pfauenfeder trägt“. Dieser Begriff ist auch ein Name für Krish-na.

Was für Steuern sollen wir an Gott zahlen? Nur unsere Dankbarkeit durch ein Gebet ausdrücken, das von ganzem Herzen kommt. Dieses Gebet ist Ausdruck der eigenen Freude und Dankbarkeit. Die Hände sollen zum Gebet erhoben werden, und die Worte sollen aus voller Keh-le kommen. Es ist bedauerlich, dass selbst jene, die mit guten Stimmen begabt sind, nicht laut Lieder zum Lob Gottes singen. Der Mensch hat eine Zunge bekommen, damit er zur Ehre Gottes singen kann. Wenn er es versäumt, dies zu tun, bleibt er in Gottes Schuld.Die richtige Einstellung eines Devotee sollte die vollkommene Hingabe sein. Wie ein Devotee erklärte: „Ich reiche dir mein Herz, das du mir gegeben hast. Ich habe nichts, das ich mein eigen nennen könnte. Alles gehört dir. Ich gebe dir, was dein ist. Was sonst kann ich tun?“ In diesem Geist diente Lakshmana Rama. Solange dieser Geist der vollkomme-nen Hingabe nicht entwickelt worden ist, wird der Mensch immer und immer wieder geboren werden müssen. Gebt Gott euer eigenes Herz und gebt euch nicht zufrieden mit Gaben wie Blumen und Früchte.

Widmet euer Wissen dem Wohl der Menschen. Seid euren Mitmen-schen ein Vorbild. Entwickelt die innere Einstellung, dass alle Men-schen Eins sind. Diese Botschaft zu lehren ist der Grund, weshalb der Sai-Avatar gekommen ist. Sai ist gekommen, um die Allgegenwart Got-tes aufzuzeigen. Der Avatar ist gekommen, um zu erklären, dass Gott überall gegenwärtig ist. Dies ist genauso notwendig wie es notwendig ist, dass jemand die Lampe anzündet, auch wenn Behälter, Öl und Docht bereits vorhanden sind. Der Avatar kommt nicht nur, um die ewi-gen Tugenden zu verkünden, sondern auch, um seine Liebe über alle Menschen zu verströmen. Aber Jeder wird den Nutzen erhalten, wel-cher der Grösse seines Gefässes entspricht.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 1.7.)

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2. Juli

Haltet an der Wahrheit fest

Es gibt eine ewige Wahrheit, die über die Kategorien von Zeit und Raum hinausgeht und die jenseits der drei Grundeigenschaften (Guna: satt-va, rajas und tamas) ist. Diese Wahrheit ist Gott. Die gesamte Schöp-fung ist aus dieser Wahrheit hervorgegangen und verschmilzt wieder mit ihr. Die Dinge, die wir durch die Sinne wahrnehmen, sind ihrem wah-ren Wesen nach vergänglich und veränderlich. Die spirituelle Wirklich-keit ist unwandelbar. Drei Buchstaben des Wortes „Satya“ stehen für Lebenskraft (prana), Nahrung (anna) und die Sonne, die jegliches Le-ben erhält. Alle drei repräsentieren Brahman. Eine andere Bedeutung von Satya ist die Kontrolle der nach aussen gerichteten und der inneren Sinne. Wenn eine solche Sinneskontrolle mit der Reinheit von Gedan-ke, Wort und Tat einhergeht, erfährt ihr die Göttlichkeit.Die Göttliche Ordnung (dharma) basiert auf Wahrheit. Eine Aussage der Upanishaden lautet: „Sprich die Wahrheit und lebe rechtschaffen“. Heutzutage hält nur etwa einer von Tausend an der Wahrheit fest. Die meiste Zeit des Lebens wird in Unwahrheit verbracht. Ein wahrer Mensch sollte ein Leben führen, das vollkommen auf Wahrheit beruht. Verzweifelt suchen die Menschen das Glück in der äusseren Welt und vergessen dabei, dass die Quelle der Glückseligkeit in ihnen selbst liegt. Das Nichtwissen um seine eigene, innewohnende Göttlichkeit macht den Menschen elend. Wenn diese Unwissenheit schwindet, of-fenbart sich sein glückseliges Wesen von selbst. Der Mensch muss die-se grundlegende Wahrheit erkennen.Studenten! Versteht dass ihr jede Schwierigkeit, die euch in eurem Le-ben begegnen mag, durch unerschütterliches Festhalten an der Wahr-heit überwinden könnt. Haltet um jeden Preis euer Versprechen. Nehmt als Beispiel Kaiser Bali, der selbst um den Preis des Verlustes seines Königreiches und ungeachtet der Warnung seines Lehrers das Gelüb-de in Ehren hielt, das er Vamana gegeben hatte. Bali erklärte, dass kei-ne Sünde grösser ist, als sein Wort zu brechen. Sogar, wenn nur zehn Menschen strikt an der Wahrheit festhalten, können diese die Welt ret-ten. Wieviele sind in der heutigen Zeit bereit, alles für die Wahrheit zu opfern? Die Menschen hören endlosen Reden zu, begegnen edlen Per-sönlichkeiten und lesen all die heiligen Schriften. Aber von welchem Nutzen ist dies alles, wenn die Lehren nicht angewendet werden?

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Der Mensch hat sich vom Tier zum Menschen entwickelt und muss zur Göttlichkeit fortschreiten. Unglücklicherweise neigt er heutzutage da-zu, wieder in das Tierische zurückzufallen. Die Menschen müssen die unschätzbare Kostbarkeit der menschlichen Geburt erkennen.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 2.7.)

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3. Juli

Sathya Sai Baba enthüllt die Fehler der Devotees

Wie kann man erwarten, spirituell zu werden, ohne die trägen, dunkeln, unwissenden (tamas) Qualitäten aufzugeben?

Wie kann man erwarten, gottesfürchtig zu werden,ohne seine leidenschaftlichen und

emotionalen (rajas) Eigenschaften aufzugeben?Es sind die reinen guten, frommen (sattva) Qualitäten,

welche die Hingabe zum Wachsen bringen.Hört auf diesen Rat, ihr Söhne Bharats!

Verkörperungen der Liebe!

Das sichtbare Universum besteht aus den drei Grundeigenschaften (guna) Gelassenheit (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas). Je-der Mensch ist eine Kombination dieser drei Qualitäten. Wie kann ein Mensch, der diese drei Qualitäten verkörpert und in dieser Welt lebt, die voll der drei Grundeigenschaften ist, über sie hinauswachsen? Wenn ein Mensch das Gute und Schlechte in diesen drei Grundeigen-schaften erkennt, kann er über sie hinauswachsen und spirituell aus-gerichtet werden. Ein gewöhnlicher Mensch braucht all diese drei Grundeigenschaften. Solange ihr in dieser Welt lebt, könnt ihr Schlaf, Nahrung, Handeln, Denken, Planen und Wünschen nicht aufgeben. Trägheit, Schlaf und Unstetigkeit sind tamasischer Natur. Menschen können nicht einmal einen Augenblick lang leben, ohne im Griff leiden-schaftlicher, emotionaler (rajas) Eigenschaften zu sein. Sogar der Wunsch, Gottes Gnade zu erlangen, ist leidenschaftlich-emotionaler Natur. Aber fromme, gute Wünsche gelten als hilfreicher auf dem spi-rituellen Weg als Wünsche nach weltlichem Vergnügen. Gedanken, Wünsche variieren in der Form, aber das Wesen der Wünsche ist das-selbe. Fromme, heilige Qualitäten können nur dann in eurem Geist Platz finden, wenn ihr völlig von trägen und emotionalen Qualitäten frei werdet. Aber sogar in diesen zwei Grundeigenschaften tamas und rajas findet man als Unterströmung eine Spur der sattvischen Qualität ver-borgen. Der heilige Strom Saraswati fliesst, unsichtbar für die Men-schen, als ein Unterstrom zwischen den Flüssen Ganges und Yamuna. Wenn ihr euch im Leben diese zwei Grundeigenschaften aneignet, wer-

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det ihr Schritt für Schritt durch Erfahrung erkennen und wissen, welche Art der sattvischen Qualität in euch verborgen liegt.Tatsächlich helfen die trägen und leidenschaftlich-emotionalen Grund-qualitäten euch dabei, die Qualität der Reinheit (sattva), zu erwerben. Ratnakara zum Beispiel war ein grosser Dieb und Jäger. Sein Wesen war voller Finsternis und Verblendung (tamas). Er empfand keinerlei Mitgefühl oder Liebe für irgendein Lebewesen, sondern er war allen ge-genüber böse und grausam. Er beraubte die Reisenden, die durch den Wald gingen, und belästigte die Weisen, die im Wald lebten. Aber sogar in ihm war eine Spur der sattvischen, reinen Grundeigenschaften, die ihn dazu brachte, den sieben grossen Weisen zuzuhören und ihnen zu gehorchen. Die sieben Weisen trafen Ratnakara und erklärten ihm vol-ler Liebe und Freundlichkeit die Auswirkungen seines bösen Wesens. Sie gaben ihm den Rat, sein grausames Wesen aufzugeben und den sattvischen Weg zu gehen. Sie gaben ihm den folgenden Rat: Da Gott die einzige Basis dieser Welt und der gesamten Schöpfung sei, sollte er immer an Gott denken und den Gottesnamen mit reinem Herzen sin-gen; Gott würde ihn dann schliesslich segnen. Die Berührung und der Rat der Weisen verwandelten diesen tamasischen Menschen, Ratna-kara, in den grossen Heiligen Valmiki, der uns die heilige Geschichte Sri Ramas überliefert hat. Weil Valmikis Dichtung göttlich ist, wird er Dichter (kavi) genannt. Dichter ist jemand, der in Vergangenheit, Ge-genwart und Zukunft sein inneres Wesen kennt. Heutzutage nennen sich aufgrund der Wirkung des Eisernen Zeitalters Menschen, die ein paar Zeilen aus ihrer Phantasie zusammenschreiben, Dichter (kavi). Das ist nicht korrekt. Weise wie Vyasa und Valmiki konnten aufgrund der Macht ihrer grossen Askese zur vollkommenen Verwirklichung der Göttlichkeit gelangen, die jenseits aller Attribute ist, und sie wurden göttliche Dichter. Ratnakara, der ein durch und durch böser Mensch gewesen war, wurde später zu einem vollkommenen göttlichen Dichter. Was ist die Ursache davon? Der Einfluss der guten Gesellschaft der Weisen und das Befolgen ihres edlen Ratschlags machten Ratnakara zu einem grossen Heiligen. Auf die Älteren zu hören und göttlichen Dis-kursen zuzuhören, wird euch sicherlich dabei helfen, sattvische Qua-litäten zu entwickeln und spirituell und gottesfürchtig zu werden. Zorn, Hass, Eifersucht, Stolz und Show gehören zum leidenschaftlich-emotionalen Wesen. Der Weise Vishvamitra besass diese rajasischen Eigenschaften, aber sogar er wurde später zu einem sehr grossen Wei-sen. Er verbrachte den ganzen Anfang seines Lebens mit dem Wunsch nach Name und Ruhm. Aus irgendeinem Grund hasste er den Weisen Vasishtha und war immer eifersüchtig auf ihn. Vasishtha kritisierte Vish-

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vamitra ständig und machte Bemerkungen über ihn. Vishvamitras Hass auf Vasishtha nahm solche Ausmasse an, dass er entschlossen war, ihn zu töten, und er ging mit einem Messer bewaffnet zu Vasishthas Einsiedelei. Er versteckte sich hinter einem Busch, um auf den rechten Moment zu warten. Zu diesem Zeitpunkt sassen der Weise Vasishtha und seine Frau im offenen Hof und unterhielten sich. Vasishthas Frau sah die Schönheit und Kühle des Vollmondes und sagte zu Vasishtha, wie überaus schön und freudebringend der Vollmond sei. Vasishtha stimmte zu und verglich die Schönheit des Vollmondes mit der Schön-heit der Kraft der Askese des Weisen Vishvamitra. Vishvamitra war ge-schockt, als er diese nektargleichen Worte voller Liebe von Vasishtha hörte. Im Nu erkannte er die grossen und erhabenen Qualitäten des Weisen Vasishtha und verfluchte sich sogar selber dafür, auf Va-sishtha, der reinen Herzens war, eifersüchtig gewesen zu sein. Er be-reute, warf das Messer weg, lief los und warf sich Vasishtha zu Füssen. Sogar ohne das Gesicht des Menschen zu seinen Füssen zu sehen, sprach Vasishtha Vishvamitra als Brahmarishi an und segnete ihn: „Oh Brahmarishi, steh auf!“ Bisher hatte Vasishtha ihn Rajarishi genannt; denn ehe er ein Heiliger wurde, war Vishvamitra ein König mit Namen Kausika. Der verwandelte Weise Vishvamitra fragte Vasishtha, warum er ihn jetzt Brahmarishi nannte. Dieser erwiderte, bis zu diesem Au-genblick sei er, Vishvamitra, voller Stolz und Ego gewesen, aber da er jetzt sein Ego aufgegeben habe und seinen Kopf zu Vasishthas Füssen beugte, sei er dafür geeignet, Brahmarishi genannt zu werden. Tat-sächlich ist jeder, der vollkommen egolos ist, ein Brahmarishi. Seid nicht schwach und denkt nicht, dass ihr eure träge und leidenschaftliche Natur nicht ändern und nicht rein und gottesfürchtig werden könntet. Niemand weiss, wann, wie und wo Gott seine Gnade auf Jemanden schüttet, und Gottes Gnade ist die Ursache von Allem. Sogar tamasi-sche Qualitäten können sich direkt in Gottesfürchtigkeit verwandeln. Ihr müsst nicht Klasse um Klasse vorrücken. Allein durch Gottes Gnade wurde Ratnakara, dessen Wesen durch und durch schlecht war, zu ei-nem völlig sattvischen Menschen umgewandelt. Allein Gottes Gnade schenkte Ratnakara den Segen, die gute Gesellschaft der sieben Wei-sen zu haben. Da er auf ihren Rat hörte, wurde er der berühmte grosse Dichter: der Weise Valmiki. Als zweites Beispiel Vishvamitra, der voller rajasischer Eigenschaften war. Er besass all die Emotionen wie Stolz, Eifersucht, Tapferkeit und Zorn. Die Worte des edlen und reinherzigen Vasishtha und dessen freundliches Verhalten veränderten Vishvami-tras Wesen völlig und verwandelten ihn in einen Brahmarishi, eine Per-son ohne jedes Ego.

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Jeder ist eine Puppe in den Händen Gottes. Alles ist Gottes Spiel. Ihr solltet die Empfindungen von Ich und Mein vollkommen aufgeben. Je-der sollte folgende edlen Tugenden entwickeln: Liebe zu Gott, Furcht vor Sünde und Moral in der Gesellschaft. Im modernen Zeitalter töten die Menschen ihre sattvische Natur, die innewohnende Disposition, göttliches Bewusstsein zu entwickeln (svabhava). Svabhava bedeutet atmisches Empfinden, gemäss dem Göttlichen Selbst. Tatsächlich ist Göttlichkeit euer ureigenes Wesen. Heutzutage folgen die Menschen künstlicher Rechtschaffenheit und vergessen ihr göttliches Wesen. Niemand kann ohne Göttliche Ordnung und Handeln in Entsprechung zur Göttlichen Ordnung (dharma) leben. Heutzutage ist der Preis aller Waren gestiegen, aber der Wert der Menschen sinkt immer weiter ab. Wenn du Dharma tötest, wird Dharma dich langfristig töten. Wenn du Dharma folgst, wird Dharma dich mit Sicherheit immer beschützen. Ihr sprecht alle über Dharma, aber ihr praktiziert es nicht im Leben. Weil Ratnakara praktizierte, was er von den grossen Weisen hörte, segnete ihn Gott. Versteht, dass durch Gottes Gnade und durch das Praktizieren edler Ideale ein träger, unwissender (tamas) Mensch völlig fromm und rein werden kann, so wie Ratnakara zu Valmiki wurde. Ein völlig leiden-schaftlich-emotionaler Mensch wie Vishvamitra kann ein grosser Wei-ser werden. Wahrheit, rechtes Handeln, Beharrlichkeit, Liebe und Sym-pathie sind die Attribute der sattvischen Qualität. In einem Menschen, der die heiligen Qualitäten besitzt, wird zu keiner Zeit Platz für Hass, Zorn oder Eifersucht sein.Swami spricht immer über die Aspekte der göttlichen Liebe. Wie viele unter euch praktizieren meine Ratschläge? Vor allem Diejenigen, die in Prashanti Nilayam leben, vernachlässigen es völlig, sich in einer an-gemessenen Weise zu verhalten. Sie sprechen zu Anderen niemals lie-bevoll und höflich. Swami hat hier noch nie einen Menschen gesehen, der demütig mit anderen spricht. Ob im Mandir, der Kantine, den Schu-len, dem Krankenhaus, den Läden, den Büros, niemand spricht liebe-voll und höflich mit Neuankömmlingen. Wenn Neuankömmlinge euch Ashrambewohner nach den Zeiten von Swamis Darshan fragen, erwi-dert ihr Leute in harschem Ton, dass ihr nichts wisst, und schickt sie weg. Was verliert ihr, wenn ihr freundlich mit den Neuankömmlingen sprecht und sie instruiert? Wenn ihr nicht reden wollt, dann sagt ihnen höflich, dass Baba sagt, wir sollten nicht viel reden, und dass ihr nicht in Geschwätz geraten wollt. Obwohl viele Menschen seit dreissig oder vierzig Jahren im Ashram leben und unzählige göttliche Diskurse ge-hört haben, haben sie sich kein bisschen geändert. In ihrer Redeweise

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und ihrem Verhalten ist nicht eine Spur Liebe und Mitgefühl zu sehen. Warum sollten sie hierher kommen, um Swamis Ansprachen zu hören? Gibt es nicht einen anderen Platz, um zu leben und zu reden? Die so-genannten gebildeten Leute kommen und sitzen im Darshan und wäh-rend der Diskurse in der ersten Reihe, aber sie verhalten sich in be-schämender Weise. Es ist heutzutage eine Modeerscheinung gewor-den, kein Mitgefühl zu haben. Lehrer und Studenten sollten sich bei-spielhaft verhalten. Die Ärzte sollten freundlich zu den Patienten sprechen - süsse, freundliche Worte heilen die Krankheit des Patienten mehr als Medizin. Oh, Verkörperungen der Liebe! Beschliesst wenigstens von heute an, die schlechten Gewohnheiten, und tierischen Eigenschaften aufzuge-ben und versucht, euch in einer freudebringenden und liebevollen Wei-se zu verhalten. Versucht euch als Menschen und als Swamis Devo-tees zu erweisen. Ihr könnt nicht allen gefällig sein, aber ihr könnt we-nigstens gefällig sprechen. Gott anzubeten, aber andere zu verletzen, ist sehr schlecht. Es ist, wie wenn man Gott und sich selbst betrügt. Ihr schlägt die Ochsen, die sich in den Feldern abmühen, aber verehrt den steinernen Nandi-Ochsen - das ist Torheit! Um menschliche Werte zu entwickeln und als wahre Menschen zu leuchten, beschneidet euer Reden, begrenzt eure Wünsche und Handlungen. Erinnert euch stän-dig daran: Ich bin ein Mensch und kein Tier, ich bin ein Mensch und kein Tier. Entwickelt menschliche Qualitäten wie Liebe und Mitgefühl. Führt ein Leben der reinen Liebe und des Dienstes an der Menschheit. Heutzutage findet man noch etwas Kultur in den Dörfern, aber in den Städten ist sie völlig vergessen. Statt dessen sind die Städte voller Kon-flikte der verschiedensten Art. Praktiziert die Ideale und Lehren, die ihr täglich hört. Liebt alle und dient allen. Der Weg der Liebe ist der einzige sanfte Weg, um wahre Menschen zu werden und die Ebene des Gött-lichen zu erreichen. Lebt in Liebe und erlebt voller Freude Glückselig-keit und Frieden.

(Gekürzte Übersetzung von Swamis Ansprache aus dem Telugu, 3.7.96)

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4. Juli

Das menschliche Abenteuer

Mit verdienstvollen Taten und Opferhandlungen,mit Entfaltung von Herzensliebe

und Unterdrückung dämonischer Triebe,mit der Übung der Hingabe an Gott:

So führe dein tägliches Leben, oh Mensch!Als Kind ist der Mensch versunken im Spiel;

als Jugendlicher ist er versunken in Sinnenlust;im Alter verfolgt er dies oder jenes,

ohne des göttlichen Herrn zu gedenken.Unfähig, die bösen Neigungen aufzugeben,unfähig, den Weg der Hingabe zu gehen,

wälzt er sich im Pfuhl der Folgen seiner Tatenund macht das menschliche Leben zu einem Klumpen Erde.

(Telugu Gedicht)

Der Mensch ist ein intelligentes Wesen, aber er weiss seine Intelligenz nicht richtig anzuwenden. Einige Menschen verfolgen, obwohl sie diese sogar zu nutzen wissen, einen falschen Weg. Und fragt man sie, warum sie sich so verhalten, antworten sie schlagfertig, dass alles Maya ist, täuschender Schein. „Illusion“ ist nur ein anderer Name für Maya, in Wirklichkeit existiert sie nicht. Die Menschen stellen sich vor, Maya er-schaffe die Welt der Erscheinungen und lasse diese mit all ihren ver-schiedenen Formen als real erscheinen. Die Gelehrten haben Maya als Tänzerin beschrieben. Es heisst, diese Maya lasse jeden Menschen tanzen. Wie kann man Maya unter Kontrolle bringen?

Es gibt einige Missverständnisse in bezug auf spirituelle Übungen zum Zweck der Selbstverwirklichung. Zum Beispiel sind manche weiblichen Devotees traurig, wenn sie Bhagavans Reden nicht anhören können wegen häuslicher Arbeiten und der Sorge für Mann und Kinder. Doch welchen Dienst leisten sie, wenn sie an einer Versammlung oder Re-deveranstaltung teilnehmen? Die rechte Art des Gottesdienstes be-steht darin, seine häuslichen Pflichten zu erfüllen, sich um die Kinder zu kümmern und den Bedürfnissen des Ehemannes und den von An-deren im Haus nachzukommen. Selbst die Zubereitung der Mahlzeiten zu Hause ist Gottesverehrung. Das Verlesen der Reiskörner, das Ent-fernen von Steinchen vor dem Kochen, ist eine Art Yoga - Yoga der

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Aufteilung der drei Qualitäten. Jeder Arbeitsgang beim Kochen des Ge-müses kann als eine spirituelle Übung betrachtet werden. Jede Haus-arbeit kann in dieser Weise geheiligt werden, ohne bedauern zu müs-sen, ein Bhajansingen oder eine Rede zu versäumen. Selbst den Haus-putz kann man als Vorgang der Reinigung des Herzens ansehen. Sol-che Gedanken sind spirituell erhebend. Solches Tun ist besser, als wenn ihr gleichgültig einer Ansprache zuhört und hinterher die Lehren vergesst. Die höchste spirituelle Bemühung besteht darin, seine Pflich-ten zu erfüllen.

Es gibt viele ockerfarben gekleidete Personen, die umherwandern und mit ihrer sogenannten „Entsagung“ prahlen, während sie doch voll Stolz und Besitzgier sind. (Swami erzählte die Geschichte einer Begegnung zwischen einem Asketen und der Gattin des Gelehrten Mandana Mish-ra, die Ubhayabharathi hiess. Bei dieser Begegnung öffnete Ubhaya-bharathi dem Asketen die Augen dafür, dass er voller Bindung und Ego-ismus war, obwohl er allem entsagt hatte. Der Asket fiel Ubhayabha-rathi zu Füssen und bat um ihre Vergebung. Er versicherte ihr, dass er von nun an die Entsagung im wahren Sinn ihrer Bedeutung üben wol-le).Entsagung bedeutet nicht, Heim und Herd zu verlassen, sondern seine schlechten Eigenschaften aufzugeben. Das allein ist wirkliches Opfer und wahrer Yoga. Es genügt, wenn der Mensch Bindung und Hass auf-gibt. Wenn jeder Mensch die Verhaltensregeln befolgt, die für sein Le-bensstadium gelten, wenn er seine Zeit der Meditation über Gott wid-met, dann wird er sein Leben erlösen.Es ist nicht notwendig, das Göttliche irgendwo anders zu suchen. Gott ist der Bewohner jedes Herzens; man findet ihn am Grund, wie Zucker auf dem Boden eines Bechers der mit Wasser gefüllt ist. Wenn ihr das Wasser mit dem Löffel der Intelligenz umrührt, könnt ihr das Göttliche im Herzen erfahren. Seid überzeugt, dass Gott in euch ist und in jedem Wesen. Darum hegt kein Übelwollen gegen Irgendjemand. Zeigt eure Liebe und Wertschätzung einem jeden.

Lasst mich euch etwas mitteilen, das ich euch gerne enthüllen möchte. Ein kleiner Junge, der mir vor Jahren etwas gelobte, steht bis heute zu seinem Ehrenwort. Der Schüler, der als erster an diesem Nachmittag sprach, ist ein Junge aus Shimla. Wir werden heute noch zusammen-treffen. Vor zehn Jahren kam er als kleiner Junge hierher. Er besuchte die Grundschule. Sein jüngerer Bruder ist auch Schüler an der Grund-schule. Ihre Mutter war auf einer Tragbahre von Himachal Pradesh

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nach Brindâvan gebracht worden. Ich zog beide Jungen an mich und sagte zur Mutter: „Sie sind meine Kinder. Sorge dich nicht um sie und beunruhige dich ihretwegen nicht. Quäle dich nicht um ihretwillen.“ Die Mutter sagte zu mir: „Ich vertraue Dir meine Kinder an, Sai Mata (Mut-ter).“ Als sie diese Worte geäussert hatte, schloss sie für immer die Au-gen.Ich brachte die beiden Buben von Brindavan nach Prashanti Nilayam. Sie waren sehr jung zu der Zeit. Der ältere Junge sagte damals: „Meine Mutter ist Mutter Sai“. Auch der Vater bestätigte die Worte des Sohnes. Von jenem Augenblick an haben die beiden Jungen nicht eine Träne vergossen. Diese Kinder in ihrem zarten Alter hielten fest an ihren Wor-ten. Wenn man im Leben einmal dem Herrn ein Versprechen gemacht hat, wird es keinen Raum für Kummer geben. Das ist die Bedeutung von „Hingabe an den Herrn”.

Die Mutter lebte nicht mehr. Selbst der Vater trat selten in Erscheinung. Die Kinder befanden sich ganz in der Obhut von Swami. Am Morgen und am Abend sprach ich immer mit den Jungen und erkundigte mich nach ihrem Befinden. Ihre weichen Herzen waren ganz mit Liebe zu Bhagavan erfüllt. Heute hat der ältere Junge gut über den Glauben ge-sprochen. Er ist voll mit diesem Glauben. Zu keiner Zeit empfanden sie den Verlust ihrer Mutter.Eines Tages brachte die Aufseherin den Jungen von der Grundschule zu mir und sagte, er fühle die Abwesenheit seiner Mutter. Sie sagte, dass der Junge keine Nahrung zu sich nähme und unaufhörlich weine. Er war damals fünf Jahre alt und war in der ersten Klasse. Ich nahm ihn mit in den Interviewraum, gab ihm einen Ring und sprach freundlich zu ihm, so liess ich ihn seinen Verlust vergessen. Seit jenem Augenblick hat er immer gelächelt und gelacht.Die Herzen der Kinder sind so rein. Heutzutage sind die Älteren unfähig, eine so reine Liebe zu verstehen. Liebe ist so heilig. Sie gibt grenzen-losen Mut und Duldsamkeit. In welche Notlage wären die Kinder an ir-gend einem anderen Ort geraten! Hier konnten sie sich weiter entwik-keln, weil sie bei Swami waren. Swami kümmert sich um sie mit der Liebe von tausend Müttern. Diese Wahrheit wird nicht verstanden, selbst nicht von vielen Asketen. Sie wiederholen den Namen Gottes und sitzen in Meditation. Aber mit welchem Ziel? Sie sind in Egoismus und Bindung versunken.Was not tut, ist vollkommener Glaube; einfach ausgedrückt: Liebe. Ver-harrt in der Liebe und führt ein würdiges Leben. Die Liebe wird euch

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jede Art Kraft geben, die ihr zur Erhaltung eures Lebens braucht. Wenn ihr das Göttliche in allem erkennt, werdet ihr mit allem gesegnet sein.

Die Schüler sollten begreifen, dass ich Interesse am Wohlergehen ei-nes jeden Kindes habe. Ständig erkundige ich mich nach allen von ih-nen bei der Aufseherin. Die Schüler, die sich Bhagavans grenzenloser Liebe nicht bewusst sind, fühlen sich niedergeschlagen, wenn sie den-ken, Swami spreche nicht mit ihnen. Aber mein Blick ruht auf allen. Der Junge, der vorhin sprach, sagte, er habe eine Mutter verloren, aber tau-send Mütter gefunden. Wieviele können so etwas behaupten? Der Jun-ge begann seine Rede mit einem Appell an „Mutter Sai“. Es ist dieser Glaube, der ihre Stütze ist und sie alle Probleme überwinden lässt.Entfaltet deshalb dieses Liebesprinzip. Darüber hinaus müsst ihr Dis-ziplin entwickeln. In den letzten Monaten scheint die Disziplin in Pra-shanti Nilayam zurückgegangen zu sein. Sobald das Bhajansingen be-endet ist, stehen die Devotees auf und machen eine Menge Lärm. Ge-nauso ist es, wenn Leute zum Interview gerufen werden. Sobald sie den Interviewraum betreten haben und die Tür sich geschlossen hat, stehen die Menschen auf dem Tempelplatz auf und beginnen ge-räuschvolle Unterhaltungen, wie auf einem Marktplatz. Nach einer An-sprache von Bhagavan sollten die Devotees darüber nachdenken und sich nicht in eitlem Geschwätz ergehen. So entsteht ein Missklang so-wohl auf der Männer- als auch auf der Frauenseite des Tempelplatzes. Ein solches Gerede sollte es nicht geben, weder in Prashanti Nilayam noch ausserhalb in den Geschäften. Disziplin ist wie ein Schatten - er sollte euch folgen, wohin ihr auch geht. Bhagavan wünscht von euch allen nur Disziplin. Wenn eine Ansprache oder das Bhajansingen zu Ende ist, sollt ihr in Stille weggehen. In euren Wohnungen mögt ihr dann über eure privaten Angelegenheiten reden. Aber es gilt die Regel, über-all Zurückhaltung im Sprechen zu üben. Das hilft, die Energie zu er-halten. Übermassiges Reden reizt die Nerven. Es könnte sein, dass ihr das, was ihr gerade gehört habt, wieder vergesst.Darüber hinaus geben die Älteren den Schülern ein schlechtes Bei-spiel, wenn sie vor deren Augen Unterhaltungen führen. Ihr solltet dar-an denken, dass die Stimme Gottes in der Tiefe der Stille hörbar wird. Zurückhaltung beim Sprechen erfordert auch das Vermeiden harter Worte. Liebenswertes Sprechen und ständiges Denken an Gott helfen euch dabei, alle weltlichen Dinge zu vergessen.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 4.7.)

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5. Juli

Spirituelle Übungen und Kontrolle der Sinne

Was nützen alle spirituellen Übungen ohne Kontrolle der Sinne?Welchen Wert hat es, Yoga zu praktizieren ohne Duldsamkeit?

Was nützt es, den Namen Gottes zu rezitierenohne den Frieden des Geistes?

All dies ist wie das Pflügen eines unfruchtbaren Feldes.

Studenten!

„Durch beharrliche Bemühung kann der Erfolg errungen werden“, sagt das Sprichwort. Eine Ameise kann ohne zu rasten etliche Kilometer zu-rücklegen. Aber selbst der himmlische Adler Garuda, der König der Vö-gel und das Reittier Vishnus, kann sich ohne den Willen zu fliegen nicht zwei Fuss vom Boden erheben. Genauso kann ein Mensch ohne gute Gedanken und gute Taten, die wiederum auf guten Gedanken basie-ren, nichts Rechtes vollbringen. Dhruva konnte schon als Kind aufgrund seiner unbeirrbaren Entschlossenheit und seiner strengen spirituellen Praxis alles erreichen, was er wollte, trotz der schweren Prüfungen die er durchzustehen hatte. Dank seiner erhabenen Gedanken wurde er zum Status des Polarsterns am Firmament erhoben. Ebenso kann je-der Mensch, der Glauben und Entschlusskraft besitzt, ungeachtet sei-nes Alters oder seiner Fähigkeiten, erreichen, was er möchte. ihr kennt viele Geschichten von Weisen, die sich strenger Busse unterzogen, sie aber nicht durchzuhalten vermochten, weil es ihnen an Glauben und Entschlossenheit mangelte. Vishvamitra wurde wiederholt auf seinem Weg zurückgeworfen, entweder durch den Verlust der Selbstbeherr-schung oder dadurch, dass er der Versuchung nachgab.Auf jedem Gebiet ist beständige Übung unerlässlich. So haben bei-spielsweise die Teilnehmer am Bhajansingen ihren Gesang durch stän-diges Üben verbessert. Der Weise Durvasas konnte trotz all seiner Bussübungen keinen Frieden finden, da er seine Launen nicht unter Kontrolle hatte. Auch die Eigenschaft der Vergebungsbereitschaft, die mit Frieden einhergehen sollte, ist unentbehrlich.

„Vergebenkönnen ist Wahrheit,ist Rechtschaffenheit,

ist die Essenz der Veden,

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ist Gewaltlosigkeit und Opfer,es ist die Quelle von Freude und allem Anderen“.

(Telugu Gedicht)

Vergebungsbereitschaft ist für jeden Menschen wie ein drittes Auge.

Um all dies zu erreichen, ist Liebe die grundlegende Erfordernis. Ohne Liebe kann es kein Leben geben. Ein Student, der vorher sprach, sagte: „Das Leben ist ein Traum, verwirkliche ihn.“ Was ist ein Traum? Das ganze Leben ist ein Traum. Am Tag sitzt ihr hier und hört Swamis An-sprache. Das ist kein Traum. Ihr seht mit euren Augen, hört mit euren Ohren, nehmt mit eurem Geist auf und reinigt euer Herz. All das sind offensichtliche Beweise direkter Wahrnehmung. Aber inwieweit ist dies wirklich? Wenn ihr nachts schlafen geht, verblassen all diese direkten Wahrnehmungen. In euren nächtlichen Träumen erfahrt ihr Freude und Kummer. Wie lange hält dies an? Solange, bis ihr aufwacht. Dann er-scheinen alle Träume unwirklich. Im Wachzustand existiert die Traum-welt nicht, und im Traumzustand nehmt ihr die Welt des Wachzustan-des nicht wahr. Was wir haben, ist also ein Tagtraum und ein Nacht-traum, die sich voneinander unterscheiden. Aber in beiden Zuständen seid ihr anwesend. Daher seid ihr allgegenwärtig. Wenn der Wach- so-wie der Schlafzustand als Träume erfahren werden, wird das Leben selbst zum Traum. „Verwirklicht ihn“. Das heisst, dass ihr die wahre Na-tur dieser Zustände erkennen müsst.Der Student sagte: „Das Leben ist Liebe, geniesse es“. Wahrlich, Liebe ist Gott. Purandaradasa besang die Herrlichkeit der Liebe des Devotee für Gott: „So wie der Lotos den See schmückt, der Mond das Himmels-zelt und die Wellen den Ozean, so ist für deine Devotees. oh Herr, Liebe die höchste Zierde.“ Nichts verleiht einem Devotee grössere Schönheit, als seine Liebe für das Göttliche.Denn Liebe ist Göttlichkeit. Liebt alle und teilt eure Liebe selbst mit Je-nen, denen es an Liebe fehlt. Liebe ist wie der Kompass eines See-fahrers: In welche Richtung man ihn auch drehen mag, die Kompass-nadel der Liebe zeigt den Weg zu Gott. Bringt in jeder Handlung des täglichen Lebens eure Liebe zum Ausdruck. Aus jener Liebe wird die Göttlichkeit aufsteigen. Das ist der leichteste Pfad zur Gottverwirkli-chung. Aber warum beschreiten die Menschen ihn nicht? Weil sie hin-sichtlich der Mittel und Wege, Gott zu erfahren, völlig falsche Vorstel-lungen haben. Sie betrachten Gott als ein entferntes Wesen, das nur durch mühselige, spirituelle Praxis erreicht werden kann. Gott ist über-all. Es ist nicht notwendig, nach Gott zu suchen. So wie Alles, was ihr

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seht, eine Offenbarung des Göttlichen ist, so sind alle Menschen, die ihr seht, Formen der Göttlichkeit. Berichtigt eure fehlerhafte Sichtweise, und ihr werdet Gott in allen Dingen erfahren.

Entwickelt das Empfinden der spirituellen Einheit mit allen Wesen. Die Macht der Liebe ist unermesslich. So viele von euch sind hier zusam-mengekommen. Was hat euch alle hierhergeführt? Der Hauptgrund ist allein die Liebe. Ihr habt euch so zahlreich hier eingefunden, weil ihr Swami liebt und weil Swami euch liebt. Ihr alle seid aus eigenem Ent-schluss gekommen. Es ist Liebe, die uns verbindet.Sprecht und handelt liebevoll, denkt in Liebe und tut alles mit liebevol-lem Herzen. Es ist nicht notwendig, die Perlen des Rosenkranzes oder der Japamala zu zählen oder in Meditation zu sitzen. während euer Geist mit weltlichen Dingen beschäftigt ist. Die spirituelle Übung, sich Gott zu vergegenwärtigen, die ihr ausführen müsst, besteht darin, dass ihr euch der Göttlichkeit in euch ununterbrochen erinnert. Dies ist die höchste Botschaft der Veden.Erkennt, dass der Pfad der göttlichen Liebe der leichteste, süsseste und sicherste Weg zu Gott ist.

(Ansprache in Prashanti Nilayam. 5.7.)

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11. Juli

Studenten!

Heutzutage ist das Leben voller Verwirrung. Das Wort Gott wird auf ver-schiedene Weise gedeutet. Die wahre Bedeutung des Wortes Gott ist Licht. Dieses Licht ist in jedem. Die Alten sprachen von Strahlen, Leuch-ten, Herrlichkeit, um dieses Licht zu benennen. Dieses Licht wandelt sich in Dunkelheit, und die Dunkelheit wandelt sich zu Licht. Licht und Dunkelheit können nicht gleichzeitig miteinander existieren. Man spricht auch von Weisheit und Unwissenheit. Aus der Dunkelheit ge-langt man ans Licht, und Licht verwandelt sich in Dunkelheit.Im Vedanta spricht man von Abhava (ohne Empfinden) und Bhava. Bhava hat verschiedene Bedeutungen: Eine Bedeutung ist es, zu Gott voller Empfindung zu beten; eine zweite, Gott als mit Eigenschaften versehen zu betrachten; ein dritte, an Gottes Spiele zu denken; eine vierte, den Namen Gottes zu singen. Wenn er diesen vier Wegen folgt, versteht der Mensch seine Wirklichkeit. Das Herz ist das Zentrum all dieser vier Arten von Empfindung.

Gott befindet sich nicht in einem fremden Land, sondern in deinem Kör-per. Sünde befindet sich nicht in einem fernen Land, sondern haftet dei-nen eigenen Handlungen an. Gott oder Sünde sind nicht an einem weit entfernten Ort, sondern in deinem eigenen Körper. Der Körper ist ma-teriell, Gott ist der Innewohnende. Der Körper ist das Feld, Gott ist der Kenner des Feldes. Ihr solltet den Unterschied kennen zwischen der individuellen Seele und dem Kosmischen. Das Individuum richtet sich nach dem Körper, Gott nach der Seele und dem göttlichen Geist. Das Individuum schwankt und ist unbeständig, Gott ist der immer beständige Zeuge. Der Langsame und Stetige gewinnt das Rennen. Seid stetig, das ist das wahre Zeichen der Göttlichkeit. Nur die individuelle Seele wankt und schwankt wie ein Pendel. Körper, Vergnügen, Freude, Schmerz, Schwierigkeiten gehen alle vorüber. Auch die Jugendzeit geht vorbei, gleich einer vorbeiziehenden Wolke, die kommt und geht. Die Jugend-zeit kommt vor der Mitte des Lebens und verschwindet wie Wohlstand. Wohlstand ist wie fliessendes Wasser. Du hast einen 100-Rupi-en-Schein und sagst: „Dieser Geldschein gehört mir”. Die Geldnote lacht dich aus: „Du Narr, wie lange werde ich bei dir bleiben? Wenn du zum Markt gehst, werde ich dich sogleich verlassen. Ich werde nicht

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lange bei dir bleiben. Ich habe so viele Gesichter gesehen. Ich wechsle von Hand zu Hand und verliere dabei meine Form.“ Jugend und Reichtum sind vergänglich. Wie lange bleiben Frau und Kinder? Woher kamen die Kinder? Sind sie dir nachgefolgt? Nein. Vor der Geburt hattest du keine Kinder, und nach dem Tod sind sie nicht mehr da. Vor der Hochzeit hattest du keine Ehefrau, und nach dem Tod hast du keine Ehefrau. Erst nach der Hochzeit sprichst du von „meiner Ehefrau“, erst nach der Geburt von „meinem Sohn“. Frau und Kinder sind nur zeitweilig da.Aber zwei Dinge dauern an: Wahrheit und guter Ruf. Der Körper mag sterben, aber der Name wird bleiben. Wahrheit bleibt in allen drei Zeiten unverändert. Wahrheit existierte, bevor wir geboren wurden, sie exi-stiert während unseres Lebens und danach. Sie ändert sich nicht. Es gibt nur eine Wahrheit, keine zweite. Wahrheit und guter Ruf dauern an. Was bleibt bestehen und was wird vergehen? Wahrheit ist Gott. Wir sind die Verkörperung der Wahrheit. Wahrheit erwirbt man nicht neu. Wenn ihr in Abgeschiedenheit seid, wird sich die Wahrheit manifestie-ren. Was ist unter Abgeschiedenheit zu verstehen? Viele deuten es auf eine falsche, verdrehte Weise. Ihr behauptet, Abgeschiedenheit be-stehe darin, sich in einen Raum einzuschliessen und alle Fenster und Türen zu schliessen. Das ist nicht Abgeschiedenheit, das ist Einsam-keit. Ihr denkt, es sei ein abgeschiedenes Leben, in den Wald zu gehen, euch unter einen Baum zu setzen und die Zeit im Gebet zu verbringen. Das ist nicht Abgeschiedenheit. Abgeschiedenheit bedeutet, wo immer ihr seid, an einem Strand, auf der Strasse, in einer Versammlung, euren Geist auf Gott zu konzentrieren. Richtet euren Geist auf Gott. Lasst eu-ren Geist nicht wegen eures Körpers oder wegen Rücksichtnahme auf eure Familie schwanken. Der Geist sollte ausschliesslich die Verbin-dungsstelle zwischen euch und Gott sein. Abgeschiedenheit heisst, sich auf Gott zu beziehen. Nichts, nicht einmal ein Moskito, sollte sich in den Weg stellen. Das ist Abgeschiedenheit. Wo immer ihr seid, in einem Zug, Bus oder Flugzeug: denkt an Gott. Das ist Abgeschieden-heit. Geht mit Niemandem Verbindungen ein, sondern meditiert und konzentriert euch auf Gott; dadurch entsteht das Feuer der Liebe.

Wenn sich in einem dichten Wald die Zweige der Bäume gegeneinan-der reiben, entsteht Feuer. Entsprechend erzeugt die Beziehung zwi-schen euch und Gott das Feuer der Liebe. Vergleicht diese Liebe mit der Liebe zu euren Kindern und eurer Familie: Diese dauert nicht an, ist nicht stetig, wird sicherlich vergehen. Aber die Beziehung zwischen

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euch und Gott unterliegt keiner Täuschung. Wer diese Liebe zur ewigen Wahrheit besitzt, hat alles auf der Erde unter seiner Kontrolle.

Hariscandra sagte: „Rama, es reicht aus, wenn ich die Stärke deiner Gnade besitze. All die neun Planeten werden dann unter meiner Kon-trolle sein.“ Auch Surdas (der blinde Krishna-Verehrer) sagte: „Was nüt-zen Augen, wenn ich dich, oh Gott, nicht sehen kann?“ Krishna erschien Surdas in Gestalt eines Kuhhirten. Er fragte Surdas: „Wohin gehst du?“ Surdas fragte: „Wer bist du?“ Krishna antwortete: „Ich bin der Kuhhirte.“ Kuhhirte hat zwei Bedeutungen: zum einen der, der Kühe hütet, zum anderen Gopala Krishna. Surdas sagte: „Ich gehe nach Dvaraka.“ - Krishna: „Das ist nicht der rechte Weg.“ - Surdas: „Was ist der rechte Weg?“ - Krishna: „Ich werde ihn dir zeigen.“ Er rief Surdas herbei und sagte: „Weisst du, wer ich bin?“ - „Du bist ein Kuhhirte.“ Krishna: „Woher weisst du das?“ - Surdas: „Du selbst hast es gesagt.“ - Krishna: „Aber weisst du, welche Art Kuhhirte ich bin? Ich bin Gopala. Du bemühst dich, zu dem Ort zu gehen, wo Gopala Krishna ist, nach Dwaraka. Soll ich dir zuvor das Augenlicht gewähren, um Gopala zu sehen?“ Surdas sagte: „Ich will es nicht. So viele haben Augen - was nützt es ihnen? Wie viele sind fähig, dich zu sehen? Niemand. Ich möchte Augen, um nur dich zu sehen. Die Menschen haben Ohren, aber sie sind taub, weil sie nicht deinen Melodien lauschen. Wenn ich Gott selbst habe, wozu eine Familie? Ich will dies nicht. Wenn du an meiner Seite bist, wofür brauche ich dann den Berg Meru, der einem alles gibt, wonach man fragt? Oh Gopala! Du bist kein gewöhnlicher Kuhhirte, du bist Gopala Krishna selbst!“ Krishna sagte: „Woher weisst du das?“ - „Deine Stim-me, deine süssen Worte sagen es mir. Gott spricht Worte voller Süsse. Alles, was sich auf Gott bezieht, ist Süsse.“

Tulsidas verglich die Hände, Füsse und das Gesicht Gottes mit der Lo-tosblume. Warum dieser Vergleich? Die Lotosblume wird im Schlamm geboren und lebt auf der Wasseroberfläche. Sie nimmt nichts auf, we-der von dem Schlamm, indem sie geboren wurde, noch von dem Was-ser, auf dem sie schwimmt, aber sie kann nicht einen Augenblick ohne den Schlamm und das Wasser leben. Eure früheren Leben, all die Ver-gangenheit ist dieser Schlamm. Die Gegenwart ist das Wasser, aber ihr steht auf der Oberfläche des Wassers. Ohne die Vergangenheit gäbe es keine Gegenwart. Beide sind da, aber ihr nehmt nichts davon auf. Das ist die wahre Bedeutung der Lotosblume. Obwohl sie auf der Wasseroberfläche lebt, nimmt sie weder den Schlamm noch das Was-

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ser auf. Ihr seid in der Gegenwart. Die Vergangenheit ist der Schlamm. Nehmt nichts auf von dem, was um euch herum ist.

Prapancha ist die Manifestation der fünf Elemente. Pra bedeutet Leuch-ten. Wo immer ihr hingeht, findet ihr diese fünf Elemente; sogar wenn ihr auf den Mond geht, tragt ihr sie mit euch. Sogar der Teufel kann ohne diese fünf Elemente nicht existieren. Ich bin in diese Welt geboren, aber habe keine Beziehung zu ihr. Die Frauen tragen Lidschatten auf, aber ihre Augen werden dadurch nicht berührt. Wir essen alles mögliche öli-ge Zeug, aber die Zunge ist nie ölig oder klebrig. Obwohl ich auf der Welt bin, werde ich von ihr nicht berührt, weder von Schmerz noch von Freude, weder von Bindung noch von Bindungslosigkeit. Ich habe kei-nerlei Verbindung mit Vereinigung oder Trennung. Das ist die atmische Beziehung. Der Geist muss auf Gott gerichtet werden. Dies ist Abge-schiedenheit.Es gibt keinen Ort, wo Gott nicht ist. Gott ist überall gegenwärtig. Alles ist göttlich. Ihr braucht nach Gott nicht gesondert zu suchen. Gott leuch-tet in euch in der Form von Wahrheit. Diese Wahrheit begleitet euch immer. Die Verbindung von Wahrheit und Rechtschaffenheit führt zu göttlicher Liebe. Nichts geht darüber hinaus. Wer ein Leben der Wahr-heit führt, wird niemals gewalttätig sein. Wer das befolgt, wird niemals gewalttätig sein. Wer Frieden bewahrt, wird niemals gewalttätig sein. Wer voller Liebe ist, wird niemals gewalttätig sein. Wo immer man die Prinzipien von Wahrheit, Rechtschaffenheit, Frieden und Liebe findet, findet man auch Gewaltlosigkeit. Ihr solltet deshalb diesem Satz prin-zipiell einen Platz in eurem Leben sichern. Wahrheit sollte auf der Zun-ge tanzen, beide Hände sollten den Weg des rechten Handelns gehen, in eurem Herzen solltet ihr Liebe erfahren und in eurem Geist Frieden. Wo Wahrheit ist, werden Rechtschaffenheit und Frieden nachfolgen, und ihr werdet keinen gewalttätigen Gedanken denken. Heute findet man auf der ganzen Welt Gedanken voller Gewalt, weil diese Haupt-prinzipien fehlen. Ihr solltet deshalb als erstes Liebe entwickeln. Wenn ihr Liebe habt, wird sich euch Alles unterwerfen. Gebt niemals die Liebe auf. In allen Ansprachen weise ich auf die Bedeutung von Liebe und Recht-schaffenheit hin. Es ist wie Einatmen und Ausatmen. Worum immer es geht - Liebe und Rechtschaffenheit sind die zugrundeliegende Strö-mung. Sprich die Wahrheit, handle recht. Beides sollte euer ganzes Le-ben hindurch gegenwärtig sein.

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Studenten! Ihr studiert so viele Dinge. In welchem Ausmass beachtet ihr Liebe und Rechtschaffenheit? Ihr solltet dienen, um euer Ego zu tö-ten. Ego, Pomp und Show sollten bezwungen werden. Viele beten zu Swami: Swami, gib mir ein gutes Herz. Gib mir Kraft, dass ich den Weg der Rechtschaffenheit gehen kann. Wer so fragt, ist überhaupt kein De-votee. Warum? Ihr betet für ein gutes Herz, aber in Wirklichkeit habt ihr ein gutes Herz. Es ist keine Banktransaktion, wo etwas gegeben und empfangen wird. Ihr habt ein gutes Herz, oder ihr habt es nicht. Das Essen wird auf dem Teller serviert, aber der Hunger wird erst gestillt, wenn ihr esst. Wenn ihr nicht esst, wie könnt ihr erwarten, dass ihr satt werdet? Wenn ihr esst, bekommt ihr Energie. Aber ihr esst nicht und dient nicht der Menschheit. Praktiziert, folgt Allem, was gesagt wird. Worin besteht heute die Umsetzung? Die meisten Devotees besuchen Versammlungen, wo Geschichten über Gott erzählt werden, Vorträge gehalten oder Gesprächskreise organisiert werden. In diesen Ver-sammlungen findet man die Schwingungen der Losgelöstheit. Schwin-gung, Empfindung, Losgelöstheit sind da, aber wie lange halten sie an? Sobald der Diskurs endet, enden auch diese Gedanken. Ihr bewahrt sie nicht einmal, bis ihr nach Hause kommt. Was bringt es, in dieser Weise vielen Diskursen zuzuhören? Ihr hört ihnen zu, aber ihr befolgt sie nicht. Wenn ihr das Gehörte umsetzt, dann wisst ihr um das Ergeb-nis. Wenn ihr ausprobiert und „esst“, kennt ihr das Ergebnis und werdet Stärke und Kraft haben. Ihr wisst nicht um den Geschmack. Warum esst ihr nicht? Ihr seid immer noch schwach, denn ihr verdaut nicht alles, was gesagt wird. Ihr solltet essen und verdauen. All das ist der Einfluss des Eisernen-Zeitalters. Spiritualität ist zu einer Art Modeerscheinung geworden, Mode ohne Mitgefühl. Wenn ihr Mitgefühl entwickelt, rennt das „Modische“ weg. Jemand fragt: „Wo bist du gewesen?“ - „Ich war beim Diskurs, um zu-zuhören.“ - „Was wurde dort gesagt?“ - „Viele Dinge.“ - „Erzähl uns we-nigstens ein bisschen!“ - Aber nichts ist in den Kopf eingedrungen! Es gab einen Devotee, der 16 Jahre lang täglich alle Reden über die Geschichte Ramas hörte. Das Ramayana lehrt Loslösung. Im Rama-yana ist das ganze Leben voller Schwierigkeiten. Der Gelehrte erklärte, man müsse regelmässig teilnehmen und dürfe nicht einen einzigen Tag versäumen. Er hatte den Ehrgeiz, vor grossen Menschenmengen zu sprechen, und fürchtete, die Menge würde kleiner. Er sagte, es würden nur dann die rechten Ergebnisse eintreten, wenn man keinen Tag ver-säumte. Eines Tages musste der Devotee woanders hingehen und fragte den Gelehrten: „Sir, kann ich meinen Sohn an meiner Stelle schicken?“ Der Pandit sagte, der leere Sitz sollte belegt sein, es mache

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nichts aus, wenn er seinen Sohn schicke. Der Mann ging nach Hause und dachte: „Was wird dieser Gelehrte über Entsagung sagen? Er emp-fand Traurigkeit, weil der Pandit darüber sprach, dass Leben, Ehefrau und Familie vergänglich seien. Er fürchtete, wenn er seinen Sohn schik-ken würde, würde dieser ein Asket oder Mönch werden. Deshalb fragte er den Pandit: „Sir, eure Gedanken sind sehr wohlgefällig, aber was geschieht, wenn ihr von Bindungslosigkeit sprecht und mein Sohn von zu Hause wegrennt? Der Pandit antwortete direkt, um es seinem Her-zen einzuprägen: „Sir, ihr habt meinen Reden 16 Jahre lang zugehört, aber bis zu welchem Ausmass habt ihr Bindungslosigkeit entwickelt? Glaubt ihr, euer Sohn würde ein Asket werden, nur weil er einen Tag lang meiner Rede zuhört?“ Hier ist es dasselbe: Ihr kommt Jahr um Jahr hierher, aber habt nicht einen Bruchteil, nicht einmal ein wenig Bindungslosigkeit entwickelt. Es ist so angenehm, solange ihr hier seid. Ihr fühlt euch glücklich. Sobald ihr den Darshanplatz verlasst, kehrt alles zur Normalität zurück. Was ist der Nutzen so vieler Diskurse über einen so langen Zeitraum hin-weg? Jeden Tag gibt es eine Ansprache, aber die Zuhörer empfinden Müdigkeit. Habt ihr wenigstens ein Wort des Gesagten aufgenommen? Immer noch sagt ihr zu Bhagavan: „Ich will dies, ich will das, tue dies für mich.“ Wie erwartet ihr Befreiung? Schämt ihr euch nicht einmal, dar-um zu fragen? Fühlt ihr euch nicht gedemütigt? In welchem Ausmass praktiziert ihr? Wisst um Folgendes: All diese Jahre hindurch habt ihr Diskursen zugehört, aber immer noch keine Lösung entwickelt. Euer Geschäft läuft gut. Dennoch wollt ihr, dass Swami dies, das, jenes für euch tut. Wenn ihr Bhagavan folgt, wird er alles für euch tun, ohne dass ihr fragen müsst. Folgt seiner Anwei-sung. Im Umsetzen seid ihr Nullen, im Fordern Helden. Ihr seid bereit zu Essen, aber rennt vor Arbeit davon! Ihr befolgt und praktiziert nichts von dem, was gesagt wird. Deshalb: Als Erstes gehorcht. Folgt wenigstens ein oder zwei Worten des Ge-sagten. Es gibt eine Anzahl heiliger Texte, aber sie sind nicht nur dafür da, durchgelesen zu werden. All die religiösen Schriften sind nicht nur zum Lesen, sondern zum Praktizieren gedacht. Ihr lest sie wieder und wieder. Jahrelang studiert ihr das Ramayana. All dies Lesen ist einfach ein Davonrennen vor euch selbst. Warum solltet ihr sie dann lesen? Praktiziert wenigstens eines, das ist genug. Ein Löffel Kuhmilch ist ge-nug, für was braucht es Tonnen von Eselsmilch? Deshalb: Praktiziert das Gesagte. Redet nicht zu viel. Führt ein fried-volles Leben. Habt nicht zu viele Kontakte und Verbindungen. Gebt nie-mals die Liebe auf. Falls Hilfe nötig ist, gebt sie. Helft immer, verletzt

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niemals. Es ist genug, wenn ihr wenigstens dies praktiziert. Sprecht wohltuend und sanft. Nur wenn ihr praktiziert, habt ihr die positiven Er-gebnisse des Zuhörens. Wir leben in einem Ashram, aber warum soll-ten wir hier sein? Um frei von aller Besorgnis zu sein. Obwohl ihr hier seid, habt ihr so viele Bindungen und seid voller Leiden. Ihr solltet nicht müde sein oder irgendeine Anstrengung spüren. Es sollte kein Leid sein; Ashrama (ashram) bedeutet: ein Ort, wo der Mensch ohne Kampf, Bedrängnis und Anspannung ist. So viele Dinge hört ihr wieder und wieder. Ihr solltet ihnen zuhören und zugleich beginnen, sie zu praktizieren.

(Übersetzungsvorlage: Transkription von Anil Kumars englischer Simultanüber-setzung. Im Verlauf dieser Übersetzung gehen manchmal Teile verloren bzw. gibt es eine unklare Übersetzung, so dass zeitweilig frei interpretiert übersetzt werden muss. Prashanti Nilayam. 11.8.96)

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15. Juli

Verkörperungen der göttlichen Liebe!

Alle Formen des Universums sind voller Frieden. Alle Lebewesen, mit all ihren Sinnen, sind die Widerspiegelung von Schönheit. Das liegt dar-an, dass in jedem Geschöpf, in Allem was lebt, ein und dasselbe gött-liche Prinzip wirkt: Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (sat-chit-ananda). Es gibt drei ewig gültige Prinzipien: Wahrheit, Güte und Schönheit - aber der Mensch ist unfähig, seine eigene Schönheit zu erkennen.Schon Plato, ein Schüler von Aristoteles, sagte, das gesamte Funda-ment des Universums bestehe aus diesen drei Prinzipien: Wahrheit, Güte, und Schönheit. Wahrheit ist die Basis von allem. Wahrheit ist un-veränderlich in allen drei Sphären. Güte ist die wahre Göttlichkeit. Denn: Güte ist Göttlichkeit. Wenn jemand diese drei Prinzipien erken-nen kann - Wahrheit, Güte und Schönheit -, dann wird er auch wissen, was die menschliche Qualität ist. Heutzutage liest der Mensch all die Epen, studiert die Bibel, vertieft sich in den Koran, liest heilige Texte und die Bhagavadgita. Obwohl er sich all diese wichtigen Texte aneignet, kann er all das in seinem Geist an-gesammelte und gehortete Wissen nicht in die Praxis umsetzen. Er liest und verehrt heilige Texte wie die Brahmasutras und die Bhagavadgita. Doch ist das alles nur verdünnte Buttermilch, wohingegen gelebte Lie-be vergleichbar ist mit rahmiger, gekochter Milch. Ihr lasst diese köst-liche Milch für die verdünnte Buttermilch stehen, und trinkt diese ver-dünnte Buttermilch - warum?Nur die Praxis verleiht eurem Leben Kraft. Ruhm, Gelehrsamkeit, Pomp, Aufstieg - das sind alles Äusserlichkeiten. Nur die Praxis ist wich-tig, nicht Propaganda. Wo ist für Denjenigen, der nicht glücklich sein kann die Freude in all dem Wohlstand und Reichtum? Das ist vergleich-bar mit dem Hund, der seinen Durst in der Pfütze stillt, obwohl neben ihm fliessendes Wasser ist. Das ist das Schicksal eines geizigen, eines gierigen Menschen. Der Mensch hat viele Möglichkeiten, sich zu ver-gnügen, er hat so viel Wissen, Möglichkeiten und Fähigkeiten - aber wozu? Wenn er gierig ist, ist alles andere umsonst. Der Geiz ist eine Auswirkung des Eisernen Zeitalters. Der Mensch isst nicht richtig und dient auch nicht Anderen. Es macht nichts, dass er nicht teilen mag, aber er erträgt es auch nicht, Andere glücklich zu sehen. Ist das menschlich oder tierisch? Die Tendenz, Dinge anzuhäufen, und die Dummheit, alles Mögliche zu horten, findet man nicht einmal bei Tieren.

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Bei den Menschen allerdings wird dieser Trend von Tag zu Tag schlim-mer. So ist es denn gekommen, dass trotz aller spirituellen Praktiken, dem Singen des Gottesnamen und der Gottesverehrung allgemein, Künstlichkeit vorherrscht. Gottesverehrung ohne Glauben und Liebe ist nutzlos. Ihr braucht nicht studiert zu sein, auch nicht in den heiligen Schriften, ihr mögt die innere Bedeutung der grossartigen Bücher nicht kennen, es genügt, wenn ihr Glauben und Liebe habt.Was könnt ihr am Ende mitnehmen? Den Körper benutzt ihr zum Han-deln. Um ihn grosszuziehen und zu schützen nehmt ihr allerlei Leid auf euch. Ihr müht euch ab, um den Lebensunterhalt für eure Familie zu sichern. Aber Geiz wird den Menschen ruinieren. All der Respekt, den er in der Gesellschaft geniesst, wird verbrennen, und der Mensch wird von seinem Reichtum getrennt werden. Dies ist ein Mysterium des Ei-sernen Zeitalters. Gier ist in diesem Eisernen Zeitalter so eine Art Mode geworden. Der Mensch hat keine Spur von Opferbereitschaft mehr. Die uralte Kultur Indiens beinhaltet die Lehre, dass nur Derjenige Unsterb-lichkeit erlangen kann, der Opfer bringt. Solange der Mensch Geld be-sitzt, wird er sogar Gott seinen Gehorsam verweigern. Sobald das Geld aufgebraucht ist, wird er anfangen, die Welt um sich herum wahrzu-nehmen. Bis dahin wird er der Welt gleichgültig gegenüberstehen. Was ist diese Welt? Was ist dieses Leben? Wie lange währt es? Was erreicht ihr in dieser Lebensspanne? Überhaupt nichts. Alles sind vorüberzie-hende Wolken.

Studenten! In euren jungen Jahren gebt ihr euch sehr viel Mühe mit dem Lernen und seid auch sonst sehr aktiv. Alles ist vorübergehend. Nur eins ist permanent, und das ist die göttliche Liebe. Das Leben, das die göttliche Liebe nicht verdient - wozu soll das gut sein? Vielleicht lebt man lange, aber am Ende, wenn man zurückgehen muss, kann man nichts mitnehmen. Der Mensch kann theoretisch eine Lebensspanne von 100 Jahren haben, aber man kann nicht darauf vertrauen, tatsäch-lich so viele Jahre zu leben. Ob ihr nun erwachsen seid oder jugendlich, alt oder gerade geboren, ob in der Stadt oder in den Wäldern, im Wasser oder sonstwo - wann werdet ihr sterben? Niemand weiss das. Nur eines ist sicher - der Tod. Solange ihr lebt, mit all eurer Intelligenz, solltest ihr zunächst einmal euch selber, eure wahre Natur kennen. Was ist aus den Königen geworden, die einstmals die Königreiche regierten? Ihr müsst arbeiten und Geld verdienen, so dass ihr keine Schulden ma-chen müsst. So wie ihr ein- und ausatmet, so müsst ihr eines Tages doch aufgeben. Man muss Geld verdienen - aber man muss auch Opfer bringen. Ihr könnt nicht Reichtümer anhäufen und sie festhalten. Was

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ihr horten und scheffeln müsst, ist: Rechtschaffenheit. Rechtschaffen-heit ist permanentes Eigentum. Ihr müsst das jetzt erkennen. In einem Dorf lebten ein Geizhals und ein noch grösserer Geizhals. Der Geizhals ist der jüngere Bruder, und der noch grössere Geizhals ist der ältere. Sie häuften ein grosses Vermögen an, aber gaben nicht einen einzigen Paisa wieder aus. Sie assen noch nicht einmal so viel, dass sie satt wurden. Sie besassen massenhaft Geld, aber sobald das Licht länger als fünf Minuten brannte, bekamen sie wegen des hohen Strom-verbrauchs Angst. Eines Tages starb ein naher Verwandter im näch-sten Dorf, zehn Meilen entfernt. Es war so Brauch, den Hinterbliebenen einen Kondolenzbesuch abzustatten. Der ältere Bruder überlegte, wenn er den Bus nehmen würde, müsste er fünf Rupien zahlen. Also sagte er dem jüngeren Bruder am nächsten Morgen in aller Frühe, er solle eine kleine Öllampe anzünden, damit er einige Dinge einpacken könne. Der jüngere Bruder war ein gieriger Mensch. Als der ältere Bru-der gegangen war, löschte er die Lampe wieder aus, damit nicht so viel Öl verbraucht würde. Nach einer halben Stunde kam der ältere Bruder wieder zurück. Er war drei Meilen hin und drei Meilen zurück gegangen, insgesamt sechs Meilen. Er klopfte an die Tür. Der jüngere Bruder frag-te erst, wer an der Tür sei und dann: „Warum bist du zurückge-kommen?“ „Als ich das Haus verliess, habe ich vergessen, dir zu sagen, du sollest die Öllampe löschen. Deswegen komme ich, dich daran zu erinnern.“ Der jüngere Bruder sagte: „Bruder, bin ich denn nicht intelligent genug? Ich habe die Lampe ausgeblasen, sobald du gegangen warst. Aber du, Bruder, du bist drei Meilen hin und drei Meilen zurückgegangen. Stell dir doch bloss einmal den Verschleiss deiner Schuhe vor. Die sind jetzt bestimmt ganz runtergelaufen.“ Doch der Bruder antwortete: „Nein, nein, Bruder, ich bin doch kein Dummkopf. Ich habe die Schuhe na-türlich ausgezogen und in der Hand getragen.“ Das ist Geiz. Wenn das Geld euch nicht glücklich macht, wozu braucht ihr es dann? Macht wenigstens Andere glücklich damit, oder ihr solltet wenigstens selber glücklich sein. Mit keinem von Beiden, wozu soll da all das Geld gut sein? Ähnlich ist es mit dem Studieren heute. Ihr solltet nicht studieren, damit ihr hinterher einen Job bekommst. Ihr solltet, was ihr gelernt habt, für das Wohl und den Fortschritt eures Dorfes und der Gesellschaft einsetzen. Es ist nutzlos, wenn ihr euch dahingehend be-schränkt, nur zu graduieren. Ein akademischer Grad ist so eine Art Bett-lerschale. Mit dieser Bettlerschalen-Graduierung klappert ihr die Büros ab. Ihr solltet euch selbst erhalten können. Ihr solltet eurem Dorf in Al-lem, was gerade ansteht, dienen. Baut in euren Dörfern Gemüse an.

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Kümmert euch um eine gute Kanalisation und allgemein um die Auf-rechterhaltung von Sauberkeit im Dorf. In euren Dörfern gibt es viele arme Menschen. Ihr müsst sie über Hygiene aufklären und sie darüber informieren, wie sie sich von Krankheiten fernhalten können. Bringt ih-nen Alles bei, was ihr gelernt habt und seid Anderen eine wirkliche Hilfe.

Sobald ihr fertigstudiert habt, lasst ihr euch beim Arbeitsamt registrieren und bewerbt euch auch um Jobs im Ausland. Ihr solltet euren Dörfern dienen. Ihr seid in diesem Dorf geboren und aufgewachsen, seid dort zur Schule gegangen. Das Dorf hat euch all das ermöglicht. Durch die Gesellschaft habt ihr also all eure Fähigkeiten bekommen. Solltet ihr nicht eurem Dorf und eurer Gesellschaft Dankbarkeit entgegenbrin-gen? Ihr werdet in die Gesellschaft hineingeboren, wachst in der Ge-sellschaft auf und sterbt in der Gesellschaft. Erweist der Gesellschaft Dank. Heutzutage weiss man überhaupt nicht mehr, was ein grosszü-giger Geist ist. „Ich“ und „Mein“ sind weitestgehend vorherrschend. Was ist aber mit dem Rest der Menschen? Alle sind Kinder Gottes, alle sind Brüder. Ihr solltet ohne jeden Konflikt zusammenleben, in Brüder-lichkeit, Zusammenarbeit und Verständnis. Einheit ist sehr wesentlich. Diese Einheit beschränkt sich nicht auf ein „Hallo“. Ihr solltet zusam-menarbeiten, und wenn ihr zusammenarbeitet, werdet ihr verdienstvoll sein. Studenten sollten grosszügig sein. Weitet eure Herzen. Wo ist in eurem Körper das Herz? Das einfache, physische Herz ist das Haupt-schaltbrett für euren Körper. Ich spreche nicht von diesem Herzen. Das spirituelle Herz befindet sich im ganzen Körper. Es hat keine Grenzen, keine Beschränkungen. Dieses Herz ist überall vorhanden, es umfasst Alles ringsumher. Daher sind Alle, die euch begegnen, und Alle, mit de-nen ihr von Herzen verbunden seid, eure Verwandten. Mit diesem Ver-ständnis solltet ihr Einheit erreichen können. Diese Studien dienen nicht dem materiellen Lebensunterhalt - ihr studiert, um euch Kultur an-zueignen und sobald euch das gelungen ist, ist es nicht mehr so schwie-rig, den Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn ihr die Rechtschaffenheit beschützt, wird euch wiederum Recht-schaffenheit beschützen. Ihr müsst also darauf achten, dass die Ge-sellschaft sich auf dem richtigen Pfad bewegt. Wenn jeder Dorfbewoh-ner rechtschaffen lebt, wird sich der ganze Ort entwickeln. Jede Kultur, sei es nun in Bharat oder Anderswo, wird mehr in den Dörfern befolgt, als in den Städten. So sind die Werte Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Verständnis und Toleranz eher in Dörfern als in Städten zu finden. In den Städten gibt es Banken, Universitäten und alles Mögliche, aber ihr findest dort eine Menge Ungerechtigkeiten, Horror und Terror. In den

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Dörfern findet man dagegen eher Aufrichtigkeit und Integrität. In den Dörfern gibt es auch Stammesstrukturen. Und innerhalb dieser Stam-mesverbände finden wir Wahrheit und Rechtschaffenheit, nicht in den Städten. Nur sie folgen unserer Kultur und schützen sie. Was macht ihr, sobald ihr gebildet seid? Ihr verbrennt eure Kultur, eure Moralität. Ihr verbrennt die menschliche Qualität. Was ist diese menschliche Qua-lität? Der Mensch ist vor zigmillionen Jahren geboren worden, aber die menschliche Qualität ist noch nicht geboren. Der Mensch ist geboren worden, nicht aber die Menschlichkeit. Wann erwartet ihr, dass sie kommt? Ihr geht durch so viele Leben. Wie viele liegen noch vor euch? Eigentlich sollte mit dem Menschen auch die menschliche Qualität ge-boren werden. Sprecht die Wahrheit. Es gibt tatsächlich kaum Jemand, der wahrhaftig spricht. Sobald der Mensch den Mund aufmacht - ein Haufen Lügen. Und wenn er dann in Aktion tritt und seine Hand benutzt, dann ist es nicht tugendhaft. Wie könnt ihr das menschliche Qualität nennen? Tiere und Vögel halten sich an einen bestimmten Verhaltenskodex. Sie hal-ten sich an bestimmte Zeiten und an die Vernunft - der Mensch heut-zutage kennt weder geregelte Zeiten noch Vernunft. Wozu braucht ihr dann ein Studium? Warum studiert ihr all dies unbrauchbare Zeug? Es ist durchweg verdorbenes Zeug. Ihr solltet das studieren, was der Ge-sellschaft helfen wird. Lernt, um die menschliche Qualität in Ehren zu halten. Helft mit, die Beziehung der Menschen untereinander zu ent-wickeln.Heutzutage hasst ein Dorf das Andere und es gibt Feindschaften zwi-schen den Provinzen. Anderswo ist es nicht anders. Es gibt so viele Konflikte und interne Machtkämpfe zwischen Dörfern und Provinzen. Korrigiert zunächst euch selber. Seht zu, dass euer Dorf perfekt ist, seht zu, dass eure Provinz perfekt ist. Ihr alle habt Konflikte zu Hause. Ihr seid nicht in der Lage, sie zu kontrollieren. Wie könnt ihr behaupten, Andere seien dafür verantwortlich? Welches Recht masst ihr euch da an, welche Macht habt ihr? Zunächst müsst ihr bei euch zu Hause Wohl-tätigkeit üben. Korrigiert euer Zuhause. Behaltet eure menschlichen Qualitäten. Bedenkt, dass alle Mitmenschen Kinder Gottes sind. Das ist das wichtigste Erziehungsprinzip.Aber überall denkt ihr nur an Geld. Wofür ist das Geld? Zum Verbrennen - oder was? Was tut ihr mit Geld? Helft ihr diesem Land? Ihr helft Kei-nem. Bietet ihr es wenigstens Jemandem an? Gebt ihr es für erziehe-rische Aktivitäten aus? All dieses Geld ist wie etwas, das tief verborgen in einer Grube liegt - daher solltet ihr euer Leben nicht damit verschwen-den um hinter Geld herzujagen. Nutzt euer Leben für die Liebe. Für den

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Körper braucht ihr Geld. Aber seid bereit, für menschliche Qualitäten euer Leben zu opfern. Seid bereit, für Gott eure Bindungen, euren Geist, euren Körper und eure Seele hinzugeben. Hütet die Wahrheit, folgt dem Pfad der Recht-schaffenheit. Diese sind zwei Hauptprinzipien des menschlichen Le-bens. Unter allen Umständen, selbst in einer Situation, die euch ins Ge-fängnis bringen könnte, solltet ihr die Wahrheit sagen. Seid sogar in dem Moment, bevor ihr geköpft werdet bereit, die Wahrheit zu sagen! Nehmt Harishcandra als ein Vorbild. Trotz aller Schwierigkeiten und Nöte, die er hatte, hielt er sich immer konsequent an die Wahrheit. Dass er sein Leben lang nur Wahrheit sprach, hat ihn letztendlich beschützt. Welchen Dünger bietet ihr der Wahrheit an? Liebe ist der Dünger! Ihr müsst also Liebe entwickeln. Sie sollte nicht auf „Ich“ und „Mein“ be-schränkt sein. Wenn ihr euch auf „Ich“ und „Mein“ begrenzt, dann solltet ihr in die Wälder gehen - warum solltet ihr dann hier sein? Warum solltet ihr in der Gesellschaft leben? Wenn ihr in der Gesellschaft lebt, und euch auf euch selber und eure Familie beschränkt, dann leidet ihr of-fensichtlich an einer ernsthaften Erkrankung. Solange ihr in der Ge-sellschaft lebt, wünscht euch das Wohlergehen der Gesellschaft. Ihr solltet mit Anderen sein und Einheit entwickeln und nicht dieser Krank-heit anheimfallen, nur für euch und eure Familie dazusein. Das ist eine arge Krankheit. Ihr solltet in der Gesellschaft als Vorbild dastehen, um die Wahrheit und Rechtschaffenheit zu beschützen. Wenn Studenten solchen Idealen folgen, dann werden sie emanzipiert sein.

Studenten! Ihr werdet die zukünftigen Führer und Väter dieses Landes sein. Befolgt also Wahrheit. Arbeitet nicht in einem falschen Sinn daran, Führungspositionen zu erhalten. Ihr wisst, wo dieses Land heute steht. Selbst wenn Harishcandra heutzutage kommen und vor euch stehen sollte, ihr brächtet es fertig, ihn hundert Lügen aussprechen zu lassen. Das ist eine Auswirkung des Eisernen Zeitalters. Heute gibt es keinen Harishcandra. Die Wahrheit ist davongelaufen, um genau zu sein. Was immer ihr findet, alles ist Lug und Trug. Recht-schaffenheit ist nicht mehr angesagt. Was ihr findet, ist Unrechtschaf-fenheit. Diese Situation müsst ihr bereinigen. Wie? Wo müsst ihr das, was ihr sagt, praktizieren? Es ist nicht genug, wenn ihr das Richtige sagt, ihr müsst es auch tun. Also solltet ihr das sagen, was ihr denkt, und was ihr sagt, solltet ihr in die Tat umsetzen. Solange ihr euch an diese zwei Prinzipien der Wahrheit und der Recht-schaffenheit haltet, solange seid ihr echte Studenten. Wenn ihr diese

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Zwei nicht befolgt, seid ihr keine echten Studenten, sondern gehört zu denen, die sinnliche Freuden suchen.

(Nach der Ansprache und Bhajan sprach Swami weiter:)

Hier ist noch ein wichtiger Punkt. In unserem Institut gehen alle Stu-denten wie Brüder einer Familie in gegenseitiger Fürsorge miteinander um. Jedermann weiss, wo die Prioritäten in anderen Institutionen lie-gen. Hier wird den Menschen Wert beigemessen, die Liebe geben. Ihr habt den Jungen vorhin gehört, der in Sanskrit sprach. Er hat Nieman-den der ihn unterstützt. Er verlor seine Eltern, und seine Grosseltern sorgen für ihn. Stellt euch bloss einmal die Situation vor: Dieses Kind spricht heute hier vor euch allen in Sanskrit. Er hat seinen Kummer ver-gessen. Er ist mehr und mehr glückselig geworden. Sais Liebe ist un-ermesslich. Wenn ihr solchen Menschen wie diesem Jungen, begegnet, dann soll-tet ihr ihnen helfen hoch aufzusteigen. Draussen, wie ihr wisst, sind die Ingenieur-Fachschulen und die medizinischen Fakultäten usw. schlim-mer als die Hölle. Was passiert draussen? Alle Neuen sehen sich den grössten Schwierigkeiten gegenüber, alles im Namen der inneren hier-archischen Strukturen der Studentenschaft. Nach einer Woche möch-ten sie am liebsten davonlaufen. Die Unterstufenschüler sollten die Oberstufenschüler als ihre älteren Brüder ansehen. Ihr solltet sie wie eure eigenen Brüder annehmen. Ihr solltet für alle Annehmlichkeiten sorgen. Ihr solltet ihnen dabei helfen, glücklich zu sein. Das ist das, was Bhagavan hier tut, und er will, dass auch ihr das tut. Obwohl die Ausbildung hier gratis angeboten wird, gibt es auch einige Studenten, die Stipendien erhalten. Nicht ein einziger Paisa wird auf irgendeine Art und Weise, in irgendeiner Form von ihnen verlangt - keine Semestergebühren, keine Examensgebühren, keine Laborgebühren, absolut gar nichts.Ihr solltet ideale Jungen sein. Wenn ihr Jemanden seht, der in den Strassen bettelt, solltet ihr ihn ansprechen und ihm sanft sagen: „Wa-rum bettelst du?“ Helft ihm, weiterzukommen. Gebt ihm, was er im Mo-ment gerade braucht. Jesus hat mit zwei Fischen einen Hungrigen ge-speist. Wie ist es möglich, jeden Tag Fisch zu servieren? Dann kaufte er ein Netz und lehrte: „Mit diesem Netz könnt ihr euren Lebensunterhalt bestreiten!“ Unsere Studenten sollten ähnlich handeln. Ihr solltet An-deren zuerst helfen, ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen zu kön-nen. Alle Anderen sind eure Brüder.

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Alle gehören einem Institut an. Alle Angehörigen dieses Instituts sind Geschwister. Ihr habt diese Herzenswärme und Liebe. Ihr solltet eure Herzen, eure Gefühle weiten. Das ist das, was die Studenten heute ler-nen sollten. Gewährt Ego und Angeberei keinen Raum. Entwickelt mehr und mehr Liebe. Seid Vorbilder in der Gesellschaft, dann werden solche Studenten im Leben vorwärtskommen und sich verbessern. Die-jenigen, die in früheren Zeiten etwas darstellten, sind von dieser Art ge-wesen. Erziehung führt zur Bescheidenheit, und aus Bescheidenheit entsteht das Recht auf Anerkennung, was dann Geld nach sich zieht. Die Be-scheidenheit ist die Krone.Wenn ihr traurigen Studenten begegnet, kümmert euch darum, dass sie nicht länger traurig sind. Macht sie glücklich, damit sie alle traurigen Ereignisse vergessen. Weil Bhagavan diesem Jungen jetzt eine gol-dene Kette gegeben hat, hat dieser all seine Traurigkeit vergessen. Bh-agavan tut all diese Dinge, um ein ideales Beispiel für alle zu sein.Was immer Bhagavan sagt, das tut er auch. Also hat Bhagavan das volle Recht zu sagen: „Das einzig wahre Studium der Menschheit ist der Mensch selber!“ Führe das Leben eines Menschen und nicht eines Tieres oder Dämonen. Habt kein Herz aus Stein. Euer Herz sollte schmelzen und fliessen.

(Übersetzung der Simultanübersetzung von Anil Kumar)

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17. Juli

Wir mögen viele Blumen darbringen undunseren Herrn damit verehren,

aber er wird diese Blumen nicht annehmen.An diesen Blumen wird er sich nicht erfreuen.

Wenn wir aber die Blume unseres Herzens anbieten,dann empfängt der Allmächtige und

Mitfühlende unsere Gebete und nimmt sie an.Vergesst diese Worte nicht!

(Lied)

Studenten!

Seit alten Zeiten bringen die Menschen die verschiedenen Arten der Blumen und verehren damit Gott. Diese Blumen sind aber vergänglich und kurzlebig. Ihren Duft verströmen sie nur in diesem Moment. Ihr habt jedoch eine Blume, die nicht verwelkt und vergeht. Die wird von Gott akzeptiert. Unter euren Händen habt ihr die Blume eures Herzens in euch. Sie ist jederzeit wohlduftend, sie verändert sich nicht und sie bleibt immer bestehen. Solch eine Blume muss Gott dargeboten wer-den. Von all den acht Arten von Blumen, durch die Gott verehrt wird, ist die Blume des Mitgefühls mit allen lebenden Wesen die wichtigste. Seht, dass Gott in allen lebt. Die Namen und Formen mögen unter-schiedlich sein, aber es ist derselbe Gott, der überall gegenwärtig ist. Deswegen ist die Blume des Mitgefühls wohlduftend, aromatisch und sehr kostbar. Ihr braucht nicht herumzugehen und nach vergänglichen Blüten zu suchen. Dafür braucht ihr weder Zeit noch Geld zu ver-schwenden. Doch da gibt es die eine Blüte, die unvergänglich und ewi-ge Wahrheit ist, die Blume des Mitgefühls in eurem Herzen. Derjenige, der das Geheimnis und die Bedeutung einer solchen Blume kennt, be-sitzt die höchste Weisheit. Einmal kam Narada zu Sanat Kumara und bat: „Guruji, bitte gib mir die vollständige Weisheit. “Sanat Kumara sagte: „Narada, ich werde ganz bestimmt danach trachten, dass du diese umfassende Weisheit er-langst. Lass mich deine Befähigungen und Qualifikationen wissen.“ Na-rada erwiderte: „Ich bin durch die vier Veden und die sechs heiligen Tex-te gegangen, und ich kenne jedes Wort und die Bedeutung eines jeden Wortes, das darin steht. Ich kenne auch die Geheimnisse aller Rituale, die darin beschrieben sind. Ich kenne auch alle Früchte aller Handlun-gen, die in den Veden erwähnt werden. Das sind meine Qualifikatio-

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nen.“ Sanat Kumara sagte: „Narada, da bist du also durch alle Veden, Upanishaden und Shastras gegangen, aber wieviel davon hast du prak-tiziert? Hast du nur etwas davon wirklich praktiziert? Dann hättest du diese umfassende Weisheit erlangt.“Narada, der ein Experte und Gelehrter aller vierundsechzig Formen des Wissens war, konnte den höchsten Zustand der Glückseligkeit nicht ge-niessen. Da ihr doch so viel gelernt habt, wie kommt es, dass ihr nicht glücklich seid? Findet ihr Glücklichsein in der Ausbildung, im Gebiet der Hand-lung oder im Studium? Nein! Wo findet ihr diese Glückseligkeit? Glück-seligkeit liegt darin, dass ihr das, was ihr studiert, auch praktiziert. Wenn ihr euer Leben damit verbringt, so viele Bücher wie möglich durchzu-lesen, wann könnt ihr sie dann noch praktizieren? Ihr lest und lest immer weiter. Wann übt ihr? Wie könnt ihr ohne Praktizieren erwarten, glück-selig zu sein? All die köstlichen Gerichte auf einem Teller müssen ge-gessen und verdaut werden, erst dann werden sie euch Stärke geben. Die moderne Erziehung ist auf Textwissen beschränkt. Es reicht nicht, dass ihr mit den Texten vertraut seid. Ihr solltet auch praktische Erfah-rung erlangen. Ihr solltet es in eurer eigenen Erfahrung verwirklichen. Ihr solltet zumindest einen Bruchteil von dem, was ihr lernt, praktizieren. Dann kostet ihr die Glückseligkeit. Jeder liest viele spirituelle Bücher und Texte. Alle religiösen Texte ver-treten das gleiche Prinzip, ob es nun die Bibel, der Koran oder die Bha-gavadgita ist. In welchem Ausmass üben die Anhänger der jeweiligen Religionen die Prinzipien aus, die dort erwähnt sind? Weil sie nicht das praktizieren, was da geschrieben steht, sind sie voller Eifersucht und Hass. Sie bringen Einander um. Woher nur, bekommt ihr diese Eifer-sucht, die Emotionalität, diesen Ärger? Habt ihr wirklich die Essenz der heiligen Texte erfahren? Weil ihr sie nicht in euer Handeln übertragen habt, gibt es Schwierigkeiten für euch. Kennt die innere Bedeutung! Es reicht schon, wenn ihr ein Buch lest und zumindest einen Grundsatz praktiziert.

„Ein Löffel Kuhmilch ist genug, wozu braucht ihr Tonnen von Esels-milch?” (Lied)

Die Übung wird zu einem einfachen Weg. Wenn ihr aber nicht Alles was in den Büchern steht übt, bedeutet das, dass ihr eure Zeit, eure Hand-lung und euren Körper verschwendet. Die Essenz aller heiligen Texte ist es, die Blüte des Mitgefühls Gott dar-zureichen. Dasselbe Prinzip des Atman ist überall gegenwärtig. Die

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wahre Weisheit liegt in der Erkenntnis der Einheit in der Vielheit. Vielfalt in der Einheit zu sehen, bedeutet Unwissenheit. Heute gibt es viele Intellektuelle in dieser Welt, die Vielfältigkeit statt Einheit sehen. Und es gibt nur ein, zwei edle Seelen, welche die Einheit in der Vielfalt erfahren. Deshalb solltet ihr alle Anstrengungen unter-nehmen, die Einheit in der Vielfalt zu erkennen. Die Studenten der Na-turwissenschaft wissen sehr wohl, dass die Atome sehr klein sind und dass es keine Materie ohne Atome gibt. Die Materie ist unterschiedlich in Name und Form, aber ihre Atome sind grundsätzlich dieselben.

„Er ist in einem Atom, im kleinsten und winzigsten von allem Kleinen, und er ist im Grössten von allem Grossen”. (Lied)

Wenn ihr das einmal auf der Ebene des Atoms versteht, werdet ihr auch alles Andere wissen. Dies ist das Hauptprinzip des Vedanta. Es ist die wahre Bedeutung eures Lernens. Dies ist das Ziel aller Pfade und ihre Essenz, seien es der Pfad von Barmherzigkeit, Liebe oder von Mitge-fühl.Heute gibt es kein Mitgefühl. Alles ist so hart, hart wie ein Stein. Keiner kann dieses harte Herz schmelzen. Wie könnt ihr es denn schmelzen? Das Herz schmilzt durch Liebe. Da gibt es nichts auf dieser Welt, was die Liebe nicht schmelzen kann. Mit dieser Liebe könnt ihr alles in der Welt erreichen. Und so besteht jeder Student und so gesehen jeder Mensch aus Liebe. Ihr solltet diese Liebe nicht zu selbstsüchtigen Zwecken nutzen. Es gibt sogar eine Spur Selbstsucht in der Liebe der Mutter, der Liebe des phy-sischen Vaters oder der Geschwister. Diese Selbstsucht gibt es auch in der Liebe zwischen den Ehepartnern. In der göttlichen Liebe jedoch gibt es nicht einmal die Spur von Selbstsucht oder Selbstbezogenheit. Deshalb solltet ihr ernsthaft arbeiten, um diese göttliche Liebe zu ver-dienen. Da gibt es einen Wolkenbruch. Wenn ihr jetzt euren Topf nicht gera-dehaltet, könnt ihr kein Wasser darin sammeln. Die Gnade Gottes ist wie ein heftiger Wolkenbruch. Sie ist überall, aber ihr haltet diesen Teil eures Herzens nicht gerade. Manchmal entstehen bestimmte Gefühle in eurem Herzen. Ihr wisst, dass alle Wolken, die durch die Sonne entstehen, sie auch wieder ver-decken. Wird Wasser lange Zeit nicht genutzt, wird es von Algen, die gerade aus diesem Wasser entstehen, bedeckt. Im Alter wird die Sicht durch den Star verschwommen, er entsteht aus dem Auge und verdeckt die Sicht dieses Auges. Asche, die aus dem Feuer kommt, bedeckt das

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Feuer. Genauso ist das Mitgefühl im neutralen Zustand eures Herzens gegenwärtig. Aber ihr beachtet es nicht oder richtet es auf falsche Din-ge. Und dieses so sanfte Mitgefühl versteinert dann im HerzenEs gibt zwei Aspekte Gottes; der Eine ist der Formhafte, der andere der Formlose. Es gibt den Aspekt der Form im formlosen Aspekt Gottes, und genauso gibt es den formlosen Aspekt in der Form Gottes. Hier habt ihr Eis. Es hat seine Form. Aber Eis besteht aus Wasser, das keine Form hat. Wasser, das keine Form hat, ist die Ursache von Eis. Weil beide vereint sind, ist es so stark. Genauso wie wir es beim Eis und beim Wasser vorfinden, ist es auch mit dem Unterschied zwischen Gott mit einer Form und dem formlosen Gott. Die Sesamsamen enthalten Öl. Man muss den Prozess kennen, mit dem man Öl aus den Sesamsamen gewinnen kann. Nur durch blosses Fragen wird das Zuckerrohr euch kein Jaggery ge-ben, ihr müsst es zuerst zerquetschen. Der Saft ist im Zuckerrohr, durch das Quetschen könnt ihr den Saft herausziehen und ihn kochen. Wenn ihr jedoch das Zuckerrohr voller Mitgefühl behaltet und es verschont, dann wird es vertrocknen. Das Mitgefühl und die Süsse sind dann nutz-los. Sie werden sich nicht entfalten. Genauso ist euer Körper ein Zuckerrohr. Wenn er nicht gequetscht wird, ohne Leiden und Probleme ist, kann dieses Mitgefühl nicht ent-stehen. Das wird Verfeinerung genannt, Mitgefühl und Süsse können ohne Bearbeitung nicht hervortreten. Seit alten Tagen wurde deshalb in Indien diesem Gedanken des Kul-tivierens ein Ideal zugemessen. Wenn ihr Gold zum Goldschmied bringt und es ihm gebt, was wird er tun? Er wird es ins Feuer legen und er-hitzen. Er wird es behämmern und ausdehnen, er wird es biegen, in eine Form giessen und dann zu einem schönen Schmuckstück formen. Was ist aber, wenn ihr dem Goldschmied das Gold gebt und zu ihm sagt: „Mach meinem Gold keine Unannehmlichkeiten, hämmere es nicht, lege es ja nicht ins Feuer, aber mache mir ein Schmuckstück dar-aus.“ In gleicher Weise sagt ihr: „O Gott, wir geben dir unser Herz, o Gott, wir geben es dir, wir reichen dir unseren unsteten, schwankenden Geist dar.“ Wenn ihr im jetzigen Eisernen Zeitalter jedoch Gott euer Herz und euren Geist darbietet, betet ihr: „O Gott, gib meinem Herzen und meinem Geist nie irgendwelche Schwierigkeiten oder Probleme.“ Wie ist es dann möglich, sie zu berichtigen? Es sind nur die Schwie-rigkeiten, die zur Stärke führen. Ihr findet euer Glück durch Schwierig-keiten. Wenn es nicht heiss ist, kauft ihr keinen Ventilator. Nur wenn ihr hungrig seid, wollt ihr überhaupt essen. Es ist nur die Schwierigkeit, die euch Freude gibt.

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In den Zeiten von Wohlergehen und Vergnügen beten die Leute nicht zu mir, aber in den schwierigen Zeiten wollen sie mich. In den guten

Zeiten erwarten sie nichts. Dann werden sie egoistisch. (Lied)

Vergnügen ist ein Intervall zwischen zwei Schmerzen. Ihr müsst allen Kummer, alle Trauer und Schwierigkeiten durchstehen, nur dann wer-det ihr Mut fassen. Ihr solltet zwischen Gedanken, Worten und Taten Harmonie entstehen lassen. Durch die Einheit in dieser Dreiheit findet ihr die menschlichen Werte. Das wahre Studium der Menschheit ist der Mensch. Die Studenten soll-ten sich dieses wichtige Wissen aneignen. Das Studium und die Kultur sollten zusammengehen. Ohne die zwei Flügel kann ein Vogel nicht fliegen, ein Fahrzeug kann ohne Räder nicht fahren. Deswegen solltet ihr euer Leben so führen, dass ihr eine vollkommene Balance zwischen Erziehung und Kultur aufrechterhalten könnt. Verfeinerung bedeutet, dass alle schlechten Qualitäten aufgegeben und gute Qualitäten genährt werden. Ihr versteht das Geheimnis dieser ewigen Wahrheit nicht. Aber wenn ihr es einmal kennt, könnt ihr un-terscheiden. Wenn ihr dann grossen Schwierigkeiten gegenübersteht, wankt ihr nicht. Deshalb solltet ihr eine zielgerichtete Sichtweise und einen steten Geist entwickeln. Wie bekommt ihr sie? Wenn ihr einmal einen starken Glauben habt, werdet ihr diese beiden besitzen. Deswe-gen müsst ihr Glauben entwickeln. In was? Glauben in euch und als nächstes Glauben in Gott. Wenn ihr keinen Glauben in euch selber habt, wie könnt ihr dann Glauben an Gott entwickeln? Das ist das Ge-heimnis der Grösse. Wer ist Gott? Ihr seid Gott. Diese Wahrheit zu erkennen, seid ihr aus-serstande. Gott ist in euch, in eurem eigenen Körper. Der Körper ist der Tempel, sein Bewohner ist Gott. Welche Art von Tempel ist der Kör-per? Der Körper ist ein wandelnder Tempel! Er folgt euch, wohin immer ihr auch geht. Gott ist in euch, um euch, unter euch. Deshalb solltet ihr volles Vertrauen in diese ewige Wahrheit haben. Ihr müsst euch in einer solchen Art und Weise verhalten, dass ihr euer Gewissen zufrieden-stellt. Deswegen müsst ihr alles praktizieren, was ihr lernt. Ihr mögt viele Dinge auf dem spirituellen Wege lernen, praktiziert wenigstens ein oder zwei davon.

Studenten! Statt tonnenweise Vorträge zu halten, reicht es, ein Gramm Praxis zu haben. Ein Gramm reicht! Das wird eure Krankheit heilen. Ihr lasst euch den Kopf mit allen weltlichen Ansichten vollstopfen. Ihr wollt immer wissen, was hier und da geschieht. Ihr wisst nicht, was aufge-

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nommen werden soll. Alle unnötigen Dinge werden aufgesaugt. Aber für die notwendigen Dinge gibt es dann keinen Platz mehr. Deswegen solltet ihr nur das Wissen in euch aufnehmen, das euch zu einem wahr-haftigen Leben führt. Das ist euer ideales Leben. So viele bestausgebildete, höchst qualifizierte Intellektuelle wurden in der grossen Stadt Kalkutta geboren. Aber wo finden wir ihre Namen? Nur in Büchern. An Ramakrishna Paramahamsa dagegen, der keinerlei formale Ausbildung und nicht einmal eine Ahnung vom Alphabet hatte, erinnert man sich bis zum heutigen Tag. Die Studierten sind auf die Bü-cher beschränkt, während der Name von Ramakrishna in alle Herzen eingeschrieben ist. Deswegen solltet ihr in die Herzen und nicht in die Bücher kommen. Neben der Ausbildung ist auch die Verfeinerung wichtig. Heute weiss niemand, was diese Verfeinerung ist. Viele haben sich damit beschäf-tigt und Forschungen angestellt. Sogar Ilya Tolstoi erforschte lange die Kultur und konnte zu keiner Erkenntnis kommen. Letztlich kam er zum Schluss, dass Kultur die Art des Lebens ist. Was ist diese Lebensart? Ein schlechter Mensch hat seine ihm eigene Lebensart. Ihr braucht eine direkte Lebensart, einen direkten Weg, der euch zur Glückseligkeit führt. Wann könnt ihr sie bekommen?

Glückseligkeit, höchstes Glück, Weisheit, nicht dual, Eins, unbeweg-lich, ewig, rein, für alles Zeuge, jenseits des Verstehens, ohne Eigen-

schaften. (Lied)

Gott ist jenseits von Eigenschaften. Die Grundeigenschaften (Gunas), sind für alles verantwortlich, die ganze Welt, der ganze Körper besteht aus ihnen. Aus den drei Grundeigenschaften Gelassenheit oder Rein-heit, Aktivität und Trägheit entstehen etwa 3‘000 Eigenschaften. Eine Geige hat vier Saiten. Auf diesen vier Saiten können alle Melodien gespielt werden. Genauso entsteht aus den drei Grundeigenschaften die Vielheit. Die Wissenschaftler wissen das. Es gibt tatsächlich nur eine Farbe: Weiss. Weiss ist wichtig, Weiss ist Reinheit. Reinheit führt zur Einheit, Einheit führt zu Göttlichkeit. Ihr soll-tet zuerst die Reinheit kennen. Aber sie ist darauf beschränkt, dass ihr euch weiss anzieht. Ihr solltet ein weisses Herz haben, ein selbstloses und reines Herz. Alles, was ihr aussen trägt, ist eine Widerspiegelung des inneren Wesens. So sollte alles, was aussen gesehen wird, auch im Inneren präsent sein. Wenn ihr Innen auf die eine Art seid, und nach aussen etwas Anderes ausdrückt, ist das Betrug.

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Die Kauravas waren hundert an der Zahl. Was geschah mit ihnen? Es reicht, wenn ein guter Sohn das Licht der Familie ist, dann wird die gan-ze Familie erleuchtet. Wenn ihr im Wald eine Jasminranke findet, was für ein guter Geruch wird euch zuteil! Deswegen solltet ihr eure heiligen Gedanken, Gefühle und Empfindungen mit anderen Leuten teilen. Ihr solltet niemanden verletzen. Ihr solltet auch niemandem folgen, ausser eurem eigenen Gewissen. Helft immer, verletzt nie! Wenn ihr diese drei fundamentalen Prinzipien in euch habt, werdet ihr euch nie wandeln, und die drei Welten werden sich in euch vereinigen. Aber ihr müsst es in vollem Vertrauen befolgen.

Harishcandra konnte alles Leiden ertragen, um das Prinzip der Wahr-heit heiligzuhalten, deswegen erinnern wir uns noch heute an ihn. Ist es der Körper, der wichtig ist? Er ist schmutzig. Er ist voller Gebrechen und verfault wie eine Papaya. Er kann diese Grenze nicht überschrei-ten. Oh Geist, denke nie, dass dieser Körper beständig ist. Ergib dich

Gott. (Lied)

Der Körper ist wie eine Wasserblase. Der Geist ist wie ein verrückter Affe. Folgt weder dem Körper, noch dem Geist. Folgt eurem Gewissen. Es ist euer Zeuge. Folgt eurem Zeugen, dem Gewissen. Die Studenten von heute sind verrückte Affen, nicht nur gewöhnliche Affen. Deswegen nehmt euch die Zeit zu unterscheiden. Ist es gut oder schlecht? Ist es später schlecht? Beeilt euch nicht. Eile bewirkt Ver-schwendung, Verschwendung führt zu Sorge. Seid nie in Eile. Seid im-mer im Frieden und behaltet die Fassung.Diese weite Geisteshaltung ist heute nicht zu finden. Man bittet Gott: „Oh Gott, es scheint Gewitter und Regen zu geben, lass alles den An-deren passieren, aber nicht uns!“ Das ist nicht anständig! Ihr solltet je-den Tag für das Wohlergehen von Allen beten und darum, dass Alle glücklich sein sollen.

Die Studenten sollten ihren Glauben in dieser Hinsicht stärken. Sie soll-ten erkennen, dass alle Religionen heilig sind und deshalb niemanden mit einer anderen Religion kritisieren. Alle Religionen führen zum sel-ben Ziel, und alle beten zum selben Gott. Gebt Hass auf, entwickelt Lie-be und Mitgefühl. Teilt die Gefühle und Gedanken des Mitgefühls und der Liebe mit den Anderen und lebt ein gutes Leben.

(Transkription von Anil Kumars Übersetzung, 17.7.)

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27. Juli

Die Liebe zu Gott geht über alle Verwandtschaft hinaus

Glückseligkeit entspringt totaler Liebe;Wahrheit und Verzicht führen zu Frieden;

Ohne Liebe gibt es kein Wohlsein;Horch auf! Oh tapferer Sohn Indiens!

Studenten!

Es kann keinen Menschen geben, der nichts von Liebe weiss. Das Uni-versum ist von Liebe durchtränkt. Liebe ist unbeschreibbar. Sie steht über dem Fassungsvermögen des Geistes und der Sprache. Narada verkündete: „Liebe ist mit Worten nicht zu erfassen.“Wie kann ein gewöhnlicher Mensch, der in dieser Welt der Erschei-nungen lebt, eine solche Liebe verstehen? Diese Liebe ist ein Ausdruck Gottes. Wie der Kompass des Seefahrers ist sie immer auf Gott aus-gerichtet, wo immer sie vorhanden ist. Wie Öl eine Lampe zum Brennen bringt, so erleuchtet die Liebe das Leben selbst. Was im gewöhnlichen weltlichen Leben als Liebe bezeichnet wird, ist keine wirkliche Liebe. Es ist nur die eine oder andere Form von Bindung, die auf menschlichen Beziehungen in der Familie oder in der Gesellschaft beruht.Wahre Liebe ist rein, selbstlos, frei von Stolz und voller Wonne. Eine solche Liebe kann nur durch Liebe erreicht werden. Alle weltlichen Bin-dungen sind nicht wirkliche Liebe. Sie sind vorübergehend. Die ewige, reine Liebe entspringt dem Herzen. In der Tat existiert sie immer und durchdringt alles. Wie kommt es, dass der Mensch unfähig ist, eine so allesdurchdringende Liebe zu erkennen? Es kommt davon, dass des Menschen Herz heute öde und verschmutzt geworden ist. Das Herz ist mit allen möglichen Wünschen gefüllt, und es ist kein Platz darin, den die reine, unbefleckte Liebe einnehmen könnte. Nur wenn die welt-lichen Bindungen aus dem Herzen hinausgeworfen werden, entsteht Raum, in dem die wahre Liebe bleiben und wachsen kann.

Wenn sich ein Mensch vom Kind zum Erwachsenen entwickelt hat, wechseln seine Bindungen von der Familie zu Freunden, zur eigenen Familie und zum Erwerb von Wohlstand. Im Auf und Ab seines Strebens nach Wohlstand fängt er an, ein Bedürfnis nach Gott zu spüren. Dieser

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endlose Wechsel von Bindung und Trennung kann nicht wahre Liebe genannt werden, denn diese ist spirituell und anhaltend.Es ist die Eigenschaft der wahren Liebe, zu geben und nicht zu be-kommen. Wie viele lassen sich heute in der Welt finden, die gerne ge-ben? Sogar ein Vater zögert, sich für seine Kinder von seinem Besitz-tum zu trennen. Nur Gott kann der unendliche Geber sein. Daher ist Liebe eine göttliche Eigenschaft. Obwohl die Liebe in jeder menschli-chen Zelle wohnt, tritt sie wegen der Verschmutzung des Herzens nicht in Erscheinung. Ein Mensch ohne Liebe in seinem Herzen ist so gut wie tot.

Ein Lehrer rief einst alle seine Schüler zusammen und sagte ihnen, er werde ihnen etwas äusserst Süsses geben, welches sie vor Insekten und Nagetieren schützen sollten. Die Schüler fanden verschiedene Wege, das Geschenk des Gurus zu schützen. Einer aber ass die Süs-sigkeit, verdaute sie und erhielt beträchtliche Kraft und Energie davon.Was ist die Lehre dieser Geschichte? Sie bedeutet, dass die vom Leh-rer gelernten Unterweisungen nicht nur sicher aufbewahrt werden soll-ten. Die süsse Botschaft des Lehrers sollte als Heiligtum im Herzen ver-wahrt werden. Sie sollte Teil eures Wesens werden. Dann erlangt ihr Energie und Kraft. Nehmt euch Alles was ihr seht, hört oder lest zu Her-zen und setzt es in die Praxis um. Erst dann erreicht ihr die volle Ge-nugtuung, aus den Lehren Nutzen zu ziehen. Hören genügt nicht. Ihr müsst das Gehörte aufnehmen und verdauen. Es muss im täglichen Leben angewendet werden. Das Gebet, welches die Gopikas an Krish-na richteten, war, dass die süsse Musik, die von seiner Flöte floss, ihre trockenen Herzen mit göttlicher Liebe füllen möge. Ein reines Herz ist wichtig für das Vorankommen im spirituellen und in anderen Bereichen.

Die göttliche Liebe ist allumfangend, und der ganze Kosmos ist in ihr enthalten. Daher ist es wichtig, dass der Mensch die Natur dieser Liebe versteht. Heute wird die Welt von Unordnung, Gewalttätigkeit und Un-ruhe beherrscht. Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Korruption und Unsitt-lichkeit sind allgegenwärtig. Alle diese sind das genaue Gegenteil von Liebe. Nur durch die göttliche Liebe kann die Welt verwandelt werden.Spirituelle Liebe muss von Liebe oder Bindung die mit dem Körper, Geist oder Intellekt zu tun hat, unterschieden werden. Die Bindungen haben mit der Welt zu tun, und sie sind die Quelle des Leidens.

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Es gibt vier Arten von göttlicher Liebe:

Die eine ist wie eine Lampe, die in einem Raum steht. Die Lampe be-leuchtet nur den Raum. Diese Art eigennütziger Liebe beschränkt sich auf eine begrenzte Gruppe und erstreckt sich nicht auf Andere. Sie ba-siert auf Eigennutz.

Die zweite kann mit dem Mondlicht verglichen werden. Dieses Mond-licht ist sowohl drinnen wie draussen sichtbar. Es ist aber nicht sehr glänzend. Das Licht ist matt. Diese Art Liebe erstreckt sich auf eine grössere Gruppe, ist aber nicht sehr stark.

Die Dritte ist wie Sonnenlicht. Sie erleuchtet das Innere wie das Äussere mit Glanz. Aber sie ist nicht ununterbrochen, wie auch die Sonne nachts nicht sichtbar ist. Aber dies ist keine dauernde Abwesenheit, denn die Sonne „erhebt“ sich ja wieder. In Wahrheit ist die Sonne immer da. In gleicher Weise mag diese selbstlose Liebe manchmal als abwesend erscheinen, aber sie kommt wieder.

Die Vierte Liebe ist immer da, drinnen, draussen, überall, jederzeit, un-ter allen Umständen. Dies ist göttliche Liebe. Sie ist unvergänglich. Sie ist ewig. Sie wohnt Jedem inne. Wenn diese Liebe durch eine Person offenbart wird, wird der Frieden erreicht, der das Verstehen übersteigt.

Wie sich die göttliche Liebe in einem Devotee offenbart, zeigt das Bei-spiel Vibhishanas, des jüngeren Bruders Ravanas. Aus Liebe zu Rama unterwarf sich Vibhishana vielen Demütigungen von Seiten Ravanas. In der Schlacht gegen die Dämonen in Lanka töteten Rama und Laksh-mana in den ersten zwei Tagen viele der grossen Dämonenkrieger. Am dritten Tag stand ein schrecklicher Krieger vor ihnen. Vibhishana sagte zu Rama: „Wenn du diesen Krieger besiegst, wird dir ganz Lanka ge-hören. Er ist ein grösserer Krieger sogar als Ravana.“ Rama kämpfte den ganzen Tag mit diesem gewaltigen Dämon, konnte ihn aber nicht besiegen. Rama war im Begriff die Schlacht für diesen Tag aufzugeben. Da sagte Vibhishana, der hinter Rama stand: „Dies ist nicht der Mo-ment, den Kampf aufzugeben. Du musst all deine Kraft zusammenraf-fen und den Feind vernichten. Du darfst diese Gelegenheit nicht ver-säumen. Ich sage dir dies aus meiner Liebe zu dir.“ Angefeuert durch Vibhishana kämpfte Rama weiter und vernichtete seinen Gegner.Der schreckliche Krieger fiel auf dem Schlachtfeld. Im Augenblick, in dem Vibhishana vernahm, dass der Krieger tot war, fiel auch er zu Bo-

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den. Nachdem er sich erholt hatte durch das Singen von Ramas Na-men, stand Vibhishana auf und gestand Rama: „Swami! Dies ist ein Zei-chen von Schwäche meinerseits. Ich hätte solcher Schwäche nicht un-terliegen dürfen. Wie konnte ich solcher Schwäche zum Opfer fallen, obwohl ich mich so mit deiner Liebe erfüllt hatte?“ Rama bemerkte: „Schon gut. Aber warum bist du so plötzlich zusammengesunken?“ Vib-hishana antwortete: „Swami! Das geschah wegen körperlicher An-hänglichkeit. Es war wegen elterlicher Zuneigung. Jener gewaltige Krieger war mein Sohn.“

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 27.7.)

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30. Juli

Sucht den Guru in euch

All die Sterne sind Brahman,Auch die Sonne ist Brahman,

Der Mond ist Brahman, das Wasser ist Brahman,Der Himmel ist Brahman, Vaikuntha ist Brahman,Die Mutter ist Brahman, der Vater ist Brahman,

Die Sprache ist Brahman, das Lebewesen ist Brahman,Die Geburt ist Brahman, die Nahrung ist Brahman,

Der Tod ist Brahman,Alle Tätigkeiten sind Brahman, der Körper ist Brahman,

Die ganze Natur ist Brahman,Das Leben ist Brahman, diese Versammlung ist Brahman,

Sai, der diese Wahrheit verkündet, ist Brahman.(Telugu Gedicht)

Der Baum, aus Erde entstanden, zerfällt wieder zu Erde.Der Mensch, der aus Brahman hervorgegangen ist,

wird wieder eins mit Brahman.Diese Wahrheit ist nicht leicht zu erkennen.

Das ist das Geheimnis dieser wundervollen Schöpfung.(Telugu Gedicht)

Verkörperungen des Brahman!

Der in die Erde gesäte Same wird zu einem Spross und wächst mit der Zeit zu einem mächtigen Baum heran. Die Zweige, Blätter, Blüten und Früchte eines Baumes scheinen sich alle voneinander zu unterschei-den. Überdies werden sie für verschiedene Zwecke verwendet. Aber alle sind unterschiedliche Formen der Erde, der sie entsprangen.Wenn ein Mensch in einiger Entfernung ein Seil sieht und den Verdacht hegt, dass es eine Schlange sein könnte, beginnt er sich zu fürchten. Bald erscheint jemand und versichert ihm, dass es sich nicht um eine Schlange, sondern um ein Seil handelt. In dem Moment, in dem er er-kennt, dass das, was er für eine Schlange gehalten und wovor er sich geängstigt hat, nur ein Seil war, ist die Furcht verschwunden. Während des ganzen Hergangs war das Seil nur ein Seil.

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Genauso verwechselt der Unwissende die gegenständliche Welt mit Brahman, bis der Wissende ihm enthüllt, dass das, was er für die Natur gehalten hat, in Wirklichkeit Brahman ist.Alles, was man im gesamten Universum sieht, ist eine Offenbarung Brahmans. Einige Menschen halten dem entgegen: „Wo ist Brahman, und was sind schon wir kleinen Menschenwesen? Wie können wir eins mit dem allumfassenden Brahman sein?“ Das ist nicht richtig. Ihr seid jenes allmächtige, alldurchdringende Brahman. Aufgrund eurer weltli-chen Sichtweise erkennt ihr die Wahrheit nicht. Ihr trennt euch selbst von der Göttlichkeit. Alles, was ihr seht, ist Brahman. Nach Gott als nach etwas sich von euch Unterscheidendem zu suchen, ist Täuschung. Aber der Mensch kann diese Wahrheit nicht leicht erkennen.Wenn ihr die endlose Folge von Wellen und Schaumkronen des Oze-ans betrachtet, scheinen sie alle voneinander getrennt zu sein, aber die Wahrheit ist, dass sie alle eins sind. Das Wasser in den Wellen wie in den Schaumkronen stammt aus demselben Ozean und hat die glei-chen Eigenschaften. Wie die Wellen dem Ozean, so entspringen un-zählige Lebewesen dem unendlichen Meer von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (sat-cit-ananda). Während Gott der Zustand von Wahr-heit, Erkenntnis, Unendlichkeit ist, lebt der Mensch im Zustand von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit.

Verkörperungen des göttlichen Atman! Wenn ihr eure Sicht mit Liebe erfüllt, wird sich euch die ganze Göttlichkeit der Schöpfung zeigen.Der Kosmos erscheint euch als Offenbarung einer Mannigfaltigkeit, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Niemand bemüht sich, die göttliche Einheit zu entdecken, die der Vielfalt zugrundeliegt.

In jedem menschlichen Wesen sind sowohl die Göttlichkeit als auch das Prinzip von Maya gegenwärtig. Wie ist dies zu verstehen? Sein-Be-wusstsein-Glückseligkeit stehen für das Göttliche im Menschen, wäh-rend die Namen und Formen, die der Mensch wahrnimmt, Ausdruck des Maya-Prinzips, der Täuschung sind.Wie der Wind die Ursache der Meereswellen ist, so lässt der Wind der Maya aus dem Ozean von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit zahllose Lebewesen entstehen. Daher sind die Wesen, die aus dem Ozean von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit hervorgegangen sind, Manifestatio-nen des Göttlichen. Die Göttlichkeit ist überall. Aber aufgrund seiner Unwissenheit wird der Mensch das Opfer zahlreicher Schwierigkeiten.

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Der heutige Tag wird Guru Purnima genannt. Das ist nicht ganz richtig. Der Tag erhielt seinen Namen, weil einige „Gurus“ eine Gelegenheit suchten, Gaben von ihren Schülern zu empfangen. Der richtige Name für diesen Tag lautet Vyasa Purnima. Vyasa wurde an diesem Voll-mondtag geboren. An so einem Tag vollendete er seine Arbeit an den vier Veden, und auch die Niederschrift der achtzehn Puranas schloss er an einem solchen Tag ab. Im Lauf der Zeit wurde aus Vyasa Purnima Guru Purnima.Die wahre Bedeutung von Guru ist: „Einer, der das Dunkel der Unwis-senheit vertreibt“. Eine andere Bedeutung des Wortes ist: „Jemand. der jenseits von Attributen und Formen ist, nämlich das Höchste Selbst (Brahman).“ Warum nach jemand suchen der euch lehrt, wenn dieser Jemand in euch ist? Einer, der Andere lehrt, hatte selbst einen Lehrer. Der Eine, der keinen Guru über sich hat, ist der wahre Lehrer. Jene Sanskrit Strophe, die den Guru als Brahma, Vishnu und Shiva und als das höchste Absolute (Parabrahman) preist, ist falsch ausgelegt wor-den. Die richtige Annäherung besteht darin, Brahma, Vishnu und Shiva als Guru anzusehen. Diese Drei werden durch die drei Grundeigen-schaften (guna) versinnbildlicht: Brahma steht für Aktivität (rajas), Vish-nu für Reinheit (sattva) und Shiva für Trägheit (tamas) Der gesamte Kosmos ist aus diesen Grundeigenschaften gebildet. Die drei Grund-eigenschaften sind in jedem Menschen gegenwärtig. In Gestalt der drei Grundeigenschaften wohnt das göttliche Dreigestirn in jedem mensch-lichen Herzen.

Daher seid ihr euer eigener Guru. Ihr braucht ihn nicht woanders zu suchen. Die heutigen sogenannten Gurus vergeben einige Mantren und wollen an Guru Purnima Spenden empfangen. Während sie den Mantra ins Ohr flüstern, wird die Hand nach der Gabe ausgestreckt. Das ist es, was heutzutage geschieht. Dergleichen lässt nicht auf einen wahren Guru schliessen.Ihr seid euer eigener Guru. Ihr habt alle Möglichkeiten in euch. Darauf weist der Gayatri Mantra hin. Ihr müsst jederzeit die euch innewohnen-de Göttlichkeit fühlen, die auch in jedem Anderen gegenwärtig ist. Wenn ihr Jemandem helft oder ihm Nahrung gebt, müsst ihr empfinden, dass die Göttlichkeit in euch das Göttliche im Anderen speist.

Verkörperungen des göttlichen Atman! Weil ihr euch getrennt fühltet, habt ihr viele Jahre lang falsche Pfade eingeschlagen. In Wahrheit seid ihr Teil eines Ganzen. Diese Gesamtheit ist Teil der Schöpfung. Jen-seits der Schöpfung ist die kosmische Fülle, und das, was über diese

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Energie hinausgeht, ist das höchste allumfassende Selbst. Als Verkör-perung der Göttlichkeit seid ihr all dies. Ihr müsst vom Einzelwesen zur Verwirklichung des allumfassenden Selbst fortschreiten.Alle sind Offenbarungen der Göttlichkeit. Ihr mögt euch fragen, ob ihr je die Kräfte und Fähigkeiten von Swami besitzen werdet. Folgt mir. Es ist eure Bestimmung, diese Kräfte zu erlangen. Jene Macht ist in euch verborgen, aber ihr seid euch dessen nicht bewusst. Ihr wollt Glück-seligkeit erfahren. Wenn ihr wirklich Swami folgt, werdet ihr jene Glück-seligkeit in euch entdecken. Und das ist nicht Alles. Ihr werdet jene Wonne überall finden, wohin ihr euch auch wendet. Diese Glück-seligkeit könnt ihr nicht in der gegenständlichen Welt finden, da sie voll-kommen in euch selbst ist. Seht euch selbst jederzeit und unter allen Umständen als das Göttliche Brahman an. So werdet ihr eins mit der Göttlichkeit werden.Richtet euren Geist auf Gott, und ihr werdet göttliche Glückseligkeit er-fahren. Darum rät euch Swami gelegentlich, was ihr tun und was ihr lassen solltet. All dies geschieht nicht um meinetwillen, sondern zu eu-rem Besten, damit ihr den Pfad der Gottverwirklichung einschlagt, um euch die höchste Wahrheit über das Brahman zu lehren und euer hei-liges Leben zu einem beispielhaften werden zu lassen.Jeder sollte danach streben, ein vorbildlicher Mensch zu werden. Das heisst, dass jeder sich an dem Massstab seiner Göttlichkeit messen muss. Stellt euch vor, wie glücklich alle wären, wenn die Welt von die-sem reinem, erhabenen und heiligen Ideal erfüllt wäre. Erkennt, dass Gott euer Führer ist. Er ist der Lehrer aller Lehrer. Warum sehnt ihr euch nach Gurus geringeren Formats, wenn ihr solch einen alldurchdringen-den Guru habt? Alle sind Gottes Kinder. Wie die Bhagavadgita verkün-det, sind alle Verkörperungen der Göttlichkeit. Vishnu wird als der Herr beschrieben, der in seinen vier Händen Muschelhorn, Diskus, Keule und Lotos hält. Diese vier Attribute stehen für die kosmische Kraft des Klangs, das Rad der Zeit, die Macht des Herrn und für das Herz, in dem der Herr wohnt.In der Art, mit der die Verehrer Vishnus und Shivas dieselbe Gottheit anbeten, liegt eine gewisse Naivität. Die Anbeter Vishnus preisen ihn als Venkataramana, während die Verehrer Shivas ihn als Venkatesh-vara feiern. Für die Anhänger jeder dieser Gruppen ist es eine beson-dere Genugtuung, einen besonderen Namen zu verwenden, obgleich der Gott, den sie anbeten, ein und derselbe ist. Die Namen unterschei-den sich, aber der Herr ist Einer. Shiva wird „der Herr des Viehs“ ge-nannt und Krishna als „der Herr der Kühe“ (gopala) verehrt. Die Kenn-zeichen von Shiva und Vishnu weisen Gemeinsamkeiten auf. Tren-

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nende Unterscheidungen sind bei der Verehrung der Göttlichkeit fehl am Platz.

Studenten sollten von einem Musikinstrument wie der Vina lernen: Ihre Saiten erzeugen verschiedene Töne, aber wenn die Saiten verstimmt sind, beleidigt die Musik das Ohr. Wie beim Spiel der Vina sollte auch unter den Anhängern unterschiedlicher Glaubensrichtungen eines Landes Harmonie herrschen.

Shirdi Sai Baba pflegte zwei Rupien von den Devotees zu verlangen, die zu ihm kamen. Die beiden Rupien symbolisierten Ernsthaftigkeit und Hingabe. Diese beiden Eigenschaften erwartete er von seinen De-votees. Die Verbindung dieser beiden ist wesentlich für spirituellen Fortschritt. Nur dann kann Glückseligkeit aufblühen wie eine Pflanze aus der Saat.Gebt von heute an alle Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten auf und konzentriert euch auf die Verwirklichung des allumfassenden Selbst (Brahman). Alle sind Verkörperungen des Brahman. Wenn eng-herzige Meinungsverschiedenheiten vermieden werden, können mit der Zeit alle diese Wahrheit erkennen. Entwickelt durch beständige Übung das Empfinden des Einsseins im Geist. Wenn ihr gemäss Swa-mis Anweisungen handelt, muss dieses Empfinden in euch wachsen. Die Grundvoraussetzung ist Liebe zu Gott.

(Prashanti Nilayam, 30.7.)

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31. Juli

Jemand mag alle Veden beherrschen,Gedichte und Bücher schreiben,

aber wenn sein Herz nicht rein ist,kann er sich selbst ruinieren.

Verkörperungen der göttlichen Liebe!

Seit jeher haben in der indischen Kultur die Menschen auf der Basis der vier Lebensziele, nämlich Handeln gemäss der Göttlichen Ord-nung, Wohlstand, Wunscherfüllung und Befreiung, die heiligen Schrif-ten studiert. Die Veden drücken Wahrheit aus, so wie sie von Sehern und Weisen erfahren wurde. Die Wurzel des Wortes „veda“ ist „vid“, das bedeutet Weisheit, Wissen. Die Wahrheiten der Veden umfassen alle Zeiten in allen drei Welten. Die Veden beziehen sich auf Handlungen in der Welt, die dem Wohlergehen der Welt dienen; dadurch sind sie auf die Dualität bezogen und gehören somit zum Bereich der Unwis-senheit.Auf der Grundlage der Ichkeit unterrichten die Veden die gesamte Menschheit. Anfangs bildeten die Veden eine Einheit. Sie wurden in alten Zeiten ausschliesslich von Weisen von Generation zu Generation weitergegeben. Die menschliche Bevölkerung war zu der Zeit zahlen-mässig sehr begrenzt. Später wurden die Veden, die eine Einheit bil-deten und göttliche Ideale lehren, in drei Teile aufgeteilt: Rigveda, Sa-maveda und Yajurveda. Später kam Atarvana-Veda hinzu. Yajurveda wurde später in Shukla-Yajurveda und Krishna-Yajurveda unterteilt. Die Veden haben neun Bezeichnungen; eine davon ist „shruti“, das Ge-hörte. In jenen Zeiten gab es keine Druckereien oder Papier, sondern die Lehren wurden mündlich weitergegeben und durch Zuhören auf-genommen. Deshalb werden die von den Weisen gehörten Klänge „Shruti“, das „Gehörte“, genannt. Dennoch beziehen sich die Veden auf die Welt. Jedes Veda ist eine Sammlung aus jeweils drei Schriftgat-tungen: Brahmana (rituelle Erklärung), Aranyaka (Waldtext, als Lektüre für den im Wald verbrachten Lebensabschnitt gedacht; Anm. d. Übers.) und Vedanta (Ende der Veden, die Upanishaden).Brahmana ist voller Mantren und Rituale und wird in günstigen Zeiten angewendet. Wenn der Familienvater in das Lebensstadium des Rück-zugs von der Welt eintritt, wird Aranyaka benutzt. Wenn dieses Le-bensstadium des Rückzugs in den Wald (vanaprashta) abgeschlossen

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und vervollkommnet ist, ist der Waldeinsiedler fähig, den Zustand des Sannyasin, der vollkommenen Entsagung, zu leben. In diesem Lebens-abschnitt sollten sowohl Ehemann als auch Ehefrau ihr Heim verlassen und nordwärts reisen, bis sie sterben. Sie sollten unter keinem Dach und zwischen keinen Mauern leben. Sie sollten sich sowohl Sonne als auch Regen aussetzen. Ehemann und Ehefrau leben dann wie Bruder und Schwester. Am Vollmondtag sollten sie ihre Nahrung nach und nach reduzieren und bei Neumond völlig aufhören, Nahrung zu sich zu nehmen. Mitfühlende Menschen sollten ihnen keine Nahrung auf einem Teller servieren, sondern sie sollten ihr Essen im Freien von einem Blatt zu sich nehmen. In diesem Lebensabschnitt sind harte Kasteiungen notwendig; aber all diese Handlungen sind immer noch weltlich und die-nen der Kontrolle des Geistes. Dennoch ermöglichen diese Handlun-gen nicht, Gott zu schauen.Die Veden beschränken sich in ihrer Reichweite auf die Lebensreise auf Erden. Aber Vedanta dient dem spirituellen Ziel. Vedanta (wörtl.: Ende der Veden, die abschliessenden Teile, vor allem die Upanisha-den; Anm. d. Übers.) lässt sich in drei Phasen zusammenfassen: Ta-raka, Sankhya und Amanaska. Diese drei Stadien bilden die Essenz des Vedanta. Taraka wird auf verschiedene Weise interpretiert. Es gibt fünf ritualistische Zeichen, die man prüfen und erforschen sollte, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie nicht notwendig sind. Dann kann man Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit (sat-cit-ananda) schauen und erfahren. Dies dem Geist zu ermöglichen, ist rettend, hinüberführend (taraka).Sankhya bedeutet die fünf Körperhüllen, die fünf Sinnesorgane, die fünf Elemente, die fünf Lebensatem (pancaprana), der Körper, der Geist, der Intellekt, die innere Antriebskraft, die individuelle Seele, insgesamt 25 Aspekte. Man sollte jede Kategorie überprüfen und erkennen, dass man selbst zu keiner davon gehört. Man sollte daran glauben, dass man die Transzendenz erreichen kann, und dann erkennen, dass das ei-gene Ich Atman, das Göttliche Selbst, ist. Diese Erkenntnis und Erfah-rung wird durch die Erforschung der inneren wie auch der äusseren Welt erreicht. Amanaska (ohne Denken und Sinneseindrücke) bedeu-tet, dass diese vergängliche Welt Brahman, das Göttliche, ist. Es gibt nichts Zweites. Alles ist Gott. Es gibt keinen Geist, keine Dualität, keine Gedanken und keine Gegengedanken. Man nennt dieses Stadium den Rückzug des Geistes. Was dann bleibt, ist nur Liebe. Diese Liebe ist Wahrheit. Liebe und Wahrheit sind eins. Ich gebe euch ein Beispiel für die Macht der Liebe: Yashoda (Krishnas Ziehmutter) irrte auf der Suche nach Krishna auf den Wegen umher. Krishna hatte einen Körper, aber

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da Krishna überall ist, warum sollte man nach ihm suchen? Radha er-schien. Auf die Frage, wo Krishna sei, schloss sie die Augen und dachte voll intensiver Liebe an ihn. Sogleich manifestierte sich Krishna, und auch Yashoda konnte ihn sehen. Sie hielt die Liebe der Mutter zu ihrem Sohn für etwas Grosses, aber jetzt verstand sie die grössere Liebe. Radhas Liebe zu Krishna war heilig, frei von Ego und rein. Wenn eine Spur Ego existiert, wird Gott nicht erscheinen. Yashodas Augen wurden durch diesen Vorfall geöffnet. Radha erklärte, dass Glaube an Krishna zu vollkommener ganzer Liebe führt. Als Krishna zurückkehrte, um-armte ihn Yashoda und sagte: „Du isst nicht, was ich dir gebe. Du be-suchst die Häuser der Gopis und isst dort reichlich.“ Die innere Bedeu-tung dieser Geschichte liegt darin, dass für Gott nicht das Haus der Mut-ter, sondern das Haus seiner Devotees wichtig ist. Gott manifestiert sich dort, wo selbstlose reine Liebe ist. Aber die Gottergebenen leiden auf-grund von Bindung an den Körper, der Bindung an die persönliche Ge-genwart und Gestalt des Avatars bzw. des Gurus.Der vorhergehende Sprecher, Jumsai, sagte, dass vor Millionen von Jahren die Sonne aufgrund eines Heliumüberschusses explodierte. Jumsai ist ein grosser Wissenschaftler und denkt deshalb an seine Wis-senschaft. Als die Sonne in Teile zerbarst, wurden diese Teile zu Ster-nen, und auch die Milchstrasse entstand aus der Sonne.Wo eine Form ist, ist auch Geburt und Tod. Jumsai stellte fest, dass, sogar wenn die Form verschwunden ist, etwas Dauerhaftes verbleibt. Ein kleines Beispiel: Wir haben einem bestimmten Tier den Namen „Kuh“ gegeben. Sogar wenn die Kuh stirbt, bleibt die Bezeichnung Kuh bestehen. Die Bezeichnung Mensch bleibt bestehen, auch wenn der Mensch stirbt. Dasselbe gilt, wenn Atman, das Höchste Selbst, einen Körper annimmt. Atman bleibt bestehen, sogar wenn der Körper ver-schwunden ist.Jumsai sagte auch, man sollte nach der Wahrheit suchen. In Wahrheit besteht keine Notwendigkeit, nach der Wahrheit zu suchen. Wahrheit ist überall; wo kannst du dann nach ihr suchen? Wenn es einen Ort gä-be, wo Wahrheit nicht ist, dann könntest du nach Wahrheit suchen. Worte der Wahrheit, die du sprichst, mögen verschwinden, nicht aber Wahrheit selbst. Entsprechend ist das Wesen Brahmans, des Gött-lichen, veränderungslos. Es existiert immer. Es existiert in Form der Sonne, in Gestalt von Licht, als Bewegung, als Bewusstheit, als Ge-wissen, als Bewusstsein in all diesen Formen. Wie könnt ihr über die spirituelle Form des Göttlichen entscheiden! Alle Formen sind in der Wahrheit enthalten. Dies ist die Lehre des Vedanta.

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Es gab einen grossen Weisen namens Brahmangaru. Er lehrte: Ohne zu wissen oder zu vergessen, im Wachzustand, Traumzustand oder Tiefschlaf, ohne Verwirrung oder Störung: die individuelle Seele ist hin-überführend, rettend. Atman, das Göttliche Selbst, ist nicht die fünf Sin-ne, noch die fünf Elemente, noch die fünf Körperhüllen. Es hat nichts mit den fünf Lebensprinzipien zu tun.Diese Prinzipien beziehen sich auf den Körper, aber Atman ist jenseits davon. Das Wesen des Göttlichen ist alldurchdringend. Brahman ist in allen Formen, in aller Materie. Wenn ihr den Beweis dafür haben möch-test, dass der Körper Materie ist, fragt die Ärzte. Sie werden euch er-zählen, dass der Körper aus vier Stück Seife, neun zwei Inch grossen Nägeln, zwei Eimern Wasser, neunhundert Phosphorstreichhölzern, Blei fünf Bleistiften entsprechend, Zink usw. besteht. Das alles zusam-men bildet den Körper, und der Gesamtwert beträgt nicht einmal zwei Rupien. Für diese zwei Rupien Materialwert werden Millionen ausge-geben. Man kann aus diesen Materialien einen Körper bilden, aber wo-her erhält man die Schwingung, die ihm Leben gibt? Das ist Brahman, das Göttliche. Die Lebensschwingung (prana) betritt den Mutterleib nach ungefähr vier Monaten und neun Tagen. In diesem Stadium nimmt die Vibration, dieses Leben, seinen Anfang. Bis dahin hat der Embryo die Form eines Fussballs. Wenn die Lebensschwingung eindringt, be-ginnt Bewegung, und der Embryo wird oval. Wer sendet diese Vibra-tion? Kam sie von der Mutter? Nein, niemand kann das tun. Die Energie ging vom Inneren der Materie aus. Materie und Energie bilden einen Körper. Im Körper sind beide Prinzipien von Maya, der Täuschung, und Brah-man, dem Göttlichen, gegenwärtig. Im Vedanta finden sich subtile Ge-heimnisse. Wir betrachten dieses Leben als menschlich, aber es ist nicht nur menschlich, es ist göttlich.Ihr alle hört durch das Mikrophon, in das Bhagavan spricht. Aber ohne Strom könnte niemand etwas hören. Das Mikrophon ist Materie, der Strom ist Energie. Wenn Brahman und Maya zusammenkommen, ent-steht die kosmische Form des Herrn. Die kosmische Form dehnt sich ständig aus.Ein König, ein Held oder ein grosser Gelehrter kommen nicht einem Gottergebenen gleich. Ohne Liebe kann man nicht erlöst werden. Ihr alle schaut Bhagavan an. Schaut nach Innen und seht ihn dort. Die äus-sere Sicht ist nutzlos. Schaut nach Innen. Wenn ihr die innere Schau habt, könnt ihr die wahre Form sehen. Schaut deshalb nicht nach aus-sen.

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Ein Haus hat einen Hausherrn. Alle nutzlosen Gegenstände werden nach draussen geworfen, aber die Wertgegenstände werden Innen aufbewahrt. Die Diener sehen das Aussen, der Hausherr das Innen. Deshalb kennt nur der Meister das Wertvolle.Ihr alle seht nur das Äussere. Deshalb seid ihr alle Diener. Schaut nach Innen, werdet der Hausherr. Gott ist der Hausherr. Wenn ihr zu Gott werdet oder zu Gott gehört, habt ihr alles Wertvolle. Entwickelt Freund-schaft mit Gott. Swami wird dorthin kommen, wo ihr seid.Der Hausherr ist auf der Veranda. Wenn ihr ihm begegnen wollt, trefft ihr zuerst auf einen grossen Hund. Dieser Hund ist Maya, das Prinzip der Täuschung, welches das Unwirkliche als wirklich erscheinen lässt und die wahre Grundlage der Schöpfung, das Göttliche, verbirgt. Wenn ihr Maya beherrscht, könnt ihr in das Hausinnere gelangen. Oder ihr ruft: „Herr, Herr!“ Dann wird der Hausherr herauskommen, euch be-grüssen und euch ins Innere begleiten. Wenn ihr allein geht, könnte der Hund euch beissen. Um Maya zu beherrschen, müsst ihr erkennen, dass Maya und der Meister ein und dasselbe sind. Das ist Nichtdualität. Oder ihr singt Bhajans und ruft nach dem Meister. Das ist Dualität. Der Herr kommt zu Hilfe, wenn man seinen Namen ständig singt. Ihr mögt fragen, wie das möglich ist bei all euren Pflichten, Studium usw.Die Menschen denken darüber nach, wie sie nach Hause kommen oder was sie studieren sollen. Zweifelt nicht. Betrachtet jede eurer Hand-lungen als Opfergabe für Gott. Wenn ihr einen Fluss einmal überquert habt, braucht ihr kein Boot mehr. Bis ihr Gottes Gnade erlangt, solltet ihr alles dafür tun. Ihr solltet dem Boot, das euch den Fluss überqueren half, dankbar sein. Verbrennt das Boot nicht. Wenn ihr die Spiritualität erfahren habt, teilt sie. Denkt darüber nach, vertieft euch darin, statt zu schwätzen. Alles Reden ist nutzlos. Lest, was ihr lesen sollt, aber be-schäftigt euch in der übrigen Zeit mit heiligen Gedanken. Das ist wahre Bewusstheit. Bewusstheit ist vollkommene Weisheit. Durch ausgiebi-ges Reden erlangt ihr keine Weisheit. Lebenskraft und Strahlung gehen verloren. Sprecht nicht unnötig.Aber wenn ihr zuseht, wie jemand sündigt, und nichts sagt, erhaltet ihr die Hälfte dieser Sünde. Als Draupadi entkleidet wurde, blieben Bhish-ma und die anderen Ehemänner still. Später sagte Krishna zu Bhishma, Dronacarya und den anderen: Ihr seid keine spirituellen Lehrer. Die Sünde ist nicht nur auf Duryodhana begrenzt. Die Sünde kommt auf euch alle. Wer die Sünde begeht, wer dabei zuschaut und wer den Sün-der ermutigt, das sind alles Sünder. Bhishma musste, von Pfeilen durchbohrt, sechsundfünfzig Tage auf seinem Bett liegen. Warum dieses Ende? Es war die Folge seines Feh-

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lers, jemanden nicht zu korrigieren, welcher der Korrektur bedurfte. Dronacaryas Ende entstand aufgrund von Körperverhaftung. Es gibt drei Arten von Bindung: Geld, Ehepartner und Kinder. Sie sind die Ur-sache vieler sündvoller Handlungen.

Krishna sagte zu Arjuna: „Denke während des Kampfes auf dem Schlachtfeld an mich.“ Vor dem Kampf war Arjuna entmutigt. Krishna sprach aufbauende Worte zu ihm. Als sie unterwegs waren, sagte Krishna: „Was für ein schöner Pfau!“ Arjuna stimmte zu. Daraufhin stell-te Krishna fest: „Oh, es ist ein Adler!“ Wieder pflichtete Arjuna bei. Krish-na fragte Arjuna, ob er denn kein Unterscheidungsvermögen besässe! Arjuna erwiderte, dass, was immer Krishna spräche, die Wahrheit sei: „Krishnas Wort ist wichtiger als das, was ich sehe.“ Daraufhin sagte Krishna: „Du bist ein Devotee“, und lehrte ihn die Bhagavadgita. Man kann nur demjenigen Etwas beibringen, der dem Lehrer vertraut. Folgt mit vollem Glauben Swamis Anweisungen und in einem Moment wer-det ihr Swami erhalten. Gebt Gott alles hin. Versucht, die Absicht da-hinter im Vedanta zu finden. Vedanta ist sehr einfach. Es ist sehr leicht, weiche Butter zu zerdrücken, aber es ist noch leichter, Vedanta zu fol-gen. Gott ist weicher und süsser als Butter. Um Ghee zu erhalten, muss man die Butter erhitzen und erweichen. Setzt euch dem Feuer der Weisheit aus, um Gott zu erhalten.Es braucht Glauben und Liebe, um die Göttlichkeit zu erreichen. Wenn ihr Glauben und Liebe besitzt, wird sogar Gott zu einer Marionette in euren Händen.Alle sind eins. Seid zu Jedem gleich. Seid nie ein Liebhaber, denn dann seid ihr nur fähig, ein oder zwei zu lieben. Werdet zu Liebe selbst, dann könnt ihr Jeden lieben. Die Liebe in Jedem ist dieselbe.Ich habe heute mit einer Auslegung des Vedanta begonnen. Jeder klei-ne Mantra im Vedanta ist voller Bedeutung. Ich werde jeden Tag ein Mantra aufgreifen und seine Bedeutung in einfachen und leicht ver-ständlichen Begriffen erklären. Die Essenz des Vedanta kann in einer kleinen Botschaft zusammengefasst werden; aber diese kleine Bot-schaft kondensiert die Bedeutung von 15‘000 Mantren. Ich werde euch die Bedeutung dieser Mantren enthüllen. Nur Göttlichkeit kann dies tun.Dass ihr diese menschliche Form seht, könnte euch dazu verleiten, sie als beiläufig zu behandeln oder sie liebevoll als eine menschliche Ver-körperung anzusehen. Das ist nicht korrekt. Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht der Geist, ich bin nicht die Unterscheidungskraft, ich bin nicht das innere Bewusstsein und nicht die innere Antriebskraft. Ich bin

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kein bestimmtes Objekt. Dieser Körper wurde für euer Wohl angenom-men.Ein kleines Beispiel: Hier ist ein Becher, er wird gebraucht, um das Was-ser darin zu halten. Ihr habt einen Behälter für Öl, einen Docht und eine Lampe. Aber können sie einzeln Licht erzeugen? Es braucht Jeman-den, der den Docht anzündet. Ihr habt Blumen, Faden und Nadel, aber es braucht Jemanden, um eine Girlande daraus zu machen.Bhagavan erklärt heute seine eigene Wahrheit. Ihr habt bisher nicht ein-mal einen kleinen Bruchteil meiner Wirklichkeit verstanden. Niemand kann jemals das Wesen dieser Wirklichkeit voll erfassen. Unter Män-nern bin ich ein Mann, unter Frauen eine Frau. Unter Kindern bin ich ein Kind. Wenn ich allein bin, bin ich Gott. Das ist meine Wahrheit. Der Grund liegt darin, dass ich entsprechend dem Niveau eines Jeden Be-reichs zu handeln habe. Wenn ein alter Mann mit Puppen spielt, würden die Kinder ihn auslachen. Wenn ein Junge am Stock geht, werden die Älteren ihn auslachen. Ein alter Mann sollte am Stock gehen, Kinder mit Puppen spielen. Wenn ich bei Kindern bin, mache ich sie glücklich, indem ich ihnen Spielzeug und Süssigkeiten gebe. Die Sucher der ve-dantischen Wahrheit lehre ich Vedanta. Leute mit Familie lehre ich die Pflichten des Familienstandes. Ich lehre die Menschen das, was ihnen angemessen ist. Warum tue ich all dies? Damit die Menschen von Swa-mi lernen können.Ihr müsst wissen, dass ihr all dies aufgrund eures extrem guten Schick-sals erlebt. Diese Art Segnung hat Niemand bei keinem anderen Avatar erhalten. Euer gutes Los trägt dann immense Frucht, wenn ihr diese Gelegenheit zum Lernen gut nutzt und von Swamis Lehren profitiert.Ihr werdet zu gegebener Zeit sehen, dass sogar die Blinden und Un-wissenden erklären werden: Swami ist Gott.Im menschlichen Leben setzt die Täuschung die Menschen verschie-denen Tests aus. Ergebt euch unter keinen Umständen der Täuschung. Besteht erfolgreich alle Tests. Dann wird Bhagavan Freude an euch haben. Versenkt euch in das Liebesprinzip. Die wahre Natur des Lie-besprinzips ist unbeschreiblich.Vedanta ist wichtiger als die Veden. Liebe ist mächtiger als Meditation oder die Rezitation des Namens Gottes. Der Herr kümmert sich nicht darum, wieviel ihr Irgendjemandem gegeben habt, wieviele Arme ihr gespeist oder wieviel Kleider ihr verteilt habt. Derlei Berechnungen könnt ihr den Steuerämtern geben. Was ihr Swami anbieten sollt, sind eure Gefühle. Sogar wenn das, was ihr gebt, klein ist, schätze ich das Gefühl, mit dem ihr es gegeben habt. Ich bin nicht an der Anzahl oder der Vielfalt der Dinge, die ihr gebt, interessiert. Betrachtet das Beispiel

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Rukminis. Mit einem einfachen Tulsiblatt, das sie mit reiner Hingabe opferte, konnte sie Krishna aufwiegen. Kuchela opferte eine Handvoll gedörrten Reis und verdiente Krishnas grenzenlose Gnade. Das eine kleine Reiskorn, das Draupadi Krishna opferte, reichte aus, damit Krish-na den Hunger Durvasas und seiner Anhängerschaft befriedigen konn-te. In dieser Weise haben alle göttlichen Inkarnationen gezeigt, wie so-gar kleine Gaben, die Devotees mit einem reinen Herzen gaben, grosse Belohnungen mit sich bringen können.Gebt all die schlechten Eigenschaften in euch auf. Vertreibt das Ego und entwickelt den Geist der Ergebung. Dann werdet ihr Glückseligkeit erfahren.

(Als Übersetzungsvorlage lag eine Transkription der Simultanüberset-zung vor, die sich als ziemlich mangelhaft erwiesen hat. Ergänzt bzw. verbessert wurde sie durch die Teile der Ansprache, die als Ausschnitte in der Sanathana Sarathi erschienen sind. Dennoch verbleiben in ei-nigen Teilen der Ansprache Unklarheiten, die leider mangels vollstän-diger Übersetzungsvorlage in Kauf genommen werden müssen.

(Prashanti Nilayam, 31.7.)

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15. August

Die wahren Verwandten des Menschen

Wahrheit ist die Mutter,Weisheit ist der Vater,

Rechtschaffenheit ist der Bruder,Mitgefühl ist der Freund,

Frieden ist der Ehepartner,Vergebungsbereitschaft ist der Sohn.

Allein diese sechs sind die wahren Verwandten eines Jeden.

In diesem gewaltigen, gegenständlichen Universum sehen wir den Kör-per als die Mutter an. Aber schon der Name des Körpers zeugt von sei-ner Vergänglichkeit (sharira - „das, was verfällt“). Die Körper von Mutter und Sohn sind beide nicht von Dauer. Daher ist für jeden Menschen Wahrheit die wirkliche Mutter (satya mata). Wahrheit ist das, was von der Zeit nicht berührt wird, sie ist ewig und unterliegt keinerlei Wandel. Deshalb achteten die Weisen seit jeher die Wahrheit als göttlich. So sollte Wahrheit als die eigentliche Mutter eines Jeden angesehen wer-den.„Weisheit ist der Vater“. Ist euer Vater Derjenige, der euren Körper gros-szieht und behütet? Er ist nur der Beschützer. Der wahre Vater ist die Weisheit, die von Gott kommt. Die Upanishaden rühmen Wahrheit und Weisheit als göttlich.„Rechtschaffenheit ist der Bruder“. Die eigenen Brüder, ob älter oder jünger, können nur vom weltlichen Standpunkt als solche betrachtet werden, denn der wahre Bruder eines jeden ist Rechtschaffenheit, die göttlich ist.„Mitgefühl ist der Freund“. Die Menschen sehen verkörperte Wesen als ihre Freunde an, aber das ist nicht richtig. Der einzig wahre Freund ist Mitgefühl.„Frieden ist der Ehepartner”. Der wirkliche Ehepartner eines Jeden ist Frieden, ohne ihn ist kein Dasein möglich. Frieden ist der Schmuck, der einem Menschen Glanz verleiht. Er ist göttlich.„Vergebungsbereitschaft ist der Sohn“. Nicht Jeder erlangt sie leicht. Aufgrund des Einflusses des Eisernen Zeitalters sind die Söhne heut-zutage mehr darauf erpicht, sich das Vermögen ihrer Eltern anzueig-nen, als ihnen zu dienen und sich um sie zu kümmern. Shri Rama war ein Sohn, der die Ehre und den guten Ruf seines Vaters so hoch ach-

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tete, dass er bereit war, dafür ins Waldexil zu gehen und dort allen Schwierigkeiten zu trotzen. Darum wird Rama als wahrhafte Verkör-perung des Mitgefühls gepriesen. Solch ein Sohn ist wahrlich die Gött-lichkeit selbst. Vergebungsbereitschaft als Sohn zu haben, heisst, gött-lich zu sein.Diese sechs Eigenschaften sind die wahren Verwandten jedes Men-schen. Der Mensch wurde als solcher geboren, um sie zu leben. Diese grundlegenden menschlichen Werte sind heute in Vergessenheit ge-raten. Die Menschen erinnern sich an das, was gestern oder heute ge-schah, aber die grossen, überlieferten Wahrheiten der Vergangenheit sind aus ihrem Gedächtnis entschwunden. Dies hat zur Folge, dass die Menschheit unaufhörlich von Leid und Sorgen geplagt wird.Die Menschen haben ihre alte Kultur vergessen und verlieren sich in den vergänglichen Werten der modernen Welt. Dies solltet ihr Studen-ten vor Augen haben und geloben, die menschlichen Werte aufrecht-zuerhalten.

Ihr solltet heutzutage nicht nach Stipendien, Gelehrsamkeit oder Wohl-stand trachten, sondern nach der grössten aller Eigenschaften: selbst-loser Liebe. In seiner vorangehenden Ansprache sagte der Rektor, dass ihr euch darauf vorbereiten solltet, „Soldaten“ zu werden. Nur sollt ihr nicht „Soldaten“ werden. Die Bezeichnung „Soldaten“ hat einen po-litischen Beigeschmack, ihr hingegen sollt „Liebende des Selbst“ wer-den. Pflegt die menschlichen Werte. Vergesst nicht, dass ihr in Indien geboren seid, die reine Luft Indiens atmet und in Indien lebt und gross werdet. Die Einwohner Indiens wurden als Hindus bezeichnet. Was be-deutet „Hindu“? In seiner Ansprache sagte Anil Kumar vorhin, dass Hin-dus jene sind, die Niemanden schädigen. Das ist nicht richtig. „Hindu“ steht für die fünf folgenden Eigenschaften: „H“ für Menschlichkeit (hu-manity)‘ „I“ für Individualität (individuality)‘ „N“ für Nationalität (nationa-lity), „D“ für Göttlichkeit (divinity) und „U“ für Einigkeit (unity). Diese bil-den die Hindu-Tradition.Diese fünf Eigenschaften sind die fünf Lebensenergien und die fünf Le-bensprinzipien. Die Inder vergangener Tage, die Halt und Kraft aus die-sen fünf Werten schöpften, schätzten sie als die Essenz ihrer Kultur.„Samskrita“ bezeichnet etwas Verfeinertes oder Geläutertes. Um einen silbernen Becher herzustellen, müsst ihr das Silber schmelzen, bear-beiten und zu einem Becher formen. Erst wenn das Metall diese Pro-zesse durchlaufen hat, kann es zu einem Becher werden. Und so ist es mit allen nützlichen Dingen. Das Rohmaterial muss bearbeitet wer-den, bevor es zu etwas Nützlichem werden kann.

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Jedenfalls sollten die Menschen sich fragen, von welchem Nutzen ihr unaufhörliches Streben nach materiellen Dingen ist, wenn sie darüber Gott vergessen. Den lieben langen Tag werden die Menschen überall von nicht endenwollenden Wünschen und Befürchtungen umgetrie-ben. Nur eine wirkliche Geistesbildung kann diese Begehren und Sor-gen in ein sinnvolles Tun verwandeln.Daher offenbarten die alten Weisen den Indern die vier Ziele mensch-licher Existenz: Rechtschaffenheit, Wohlstand, Wunscherfüllung und Befreiung.Heutzutage haben die Menschen das Erste und das Letzte dieser vier Ziele - Rechtschaffenheit und Befreiung aufgegeben und widmen sich ausschliesslich dem Erwerb von Wohlstand und sinnlichen Vergnü-gungen. Das Streben nach Wohlstand und Sinnengenuss muss durch Rechtschaffenheit geadelt und geläutert werden. Die Erlangung von Besitz wie auch der Genuss sinnlicher Freuden sollten auf rechtem Ver-halten beruhen. Das ganze Leben muss auf Rechtschaffenheit grün-den, nur dann ist Wohlstand von wirklichem Wert.Das menschliche Leben kennt sowohl materiellen wie geistigen Reich-tum. In der Verbindung materieller Fülle für das tägliche Leben und spi-rituellen Wohlstands zur Erreichung der höchsten Glückseligkeit liegen Sinn und Ziel menschlichen Lebens.Die grundlegenden menschlichen Werte sind heute in Vergessenheit geraten, und das menschliche Leben ist herabgewürdigt worden. In un-seren Tagen sind die Preise von allem unverhältnismässig angestie-gen. Selbst ein Besenstiel ist sehr teuer. Der Wert des Menschen aber ist gesunken, weil er die Eigenschaften, die ein menschliches Wesen haben sollte, nicht mehr besitzt. Menschliche Werte sind für den Men-schen unverzichtbar. Sie machen sein Menschsein aus. Diese Werte müssen sich im täglichen Leben zeigen. Eure Worte wie eure Taten sollten von der Heiligkeit dieser Werte zeugen.

Oh ihr Studenten!Hört auf meine Worte:

Vermeidet grobes Reden.Zuviel Sprechen ist schädlich.

Müssiges Herumstreunen ist eine schlechte Gewohnheit.Lasst euer Licht leuchten und werdet zu einer Lichtquelle für Andere.

(Telugu Gedicht)

Als Erstes sollten Studenten lernen, freundlich zu sprechen und über-mässiges Reden zu vermeiden. Sie sollten nicht wie Ratten und Katzen

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herumstreunen. Dies ist Teil der Bildung, die sie sich zu eigen machen müssen.

In der indischen Kultur gibt es drei grundlegende Elemente: Moral, Rechtschaffenheit und Spiritualität. Das sind die drei Aspekte des Men-schen. Zunächst die Moral. Sie beruht auf reinen Gedanken. Wenn die Gedanken rein sind, ist die Sprache aufrichtig. Aus dieser Rechtschaf-fenheit erwächst Spiritualität. Gedanke, Wort und Tat müssen eine Ein-heit bilden. Was immer ihr lernen oder tun mögt, die grundlegende Er-fordernis für ein rechtschaffenes Leben ist Liebe. Liebe fördert wahr-heitsgemässes Sprechen, das gemäss der Bhagavadgita liebenswür-dig und hilfreich sein sollte.In Weisheit liegt Liebe. Weisheit ohne Liebe ist wie die Überbleibsel ei-nes Zuckerrohrs, aus dem der süsse Saft herausgepresst wurde. Rechtschaffenheit muss in Liebe wurzeln. Von welchem Nutzen ist Wohltätigkeit oder eine gute Tat, wenn keine Liebe in ihr ist? Im Frieden und in allen anderen Qualitäten ist Liebe. Sie ist die Unterströmung, die durch die Wahrheit und die anderen Eigenschaften fliesst. Ohne Liebe kann es keine echte Beziehung zwischen zwei Menschen geben. Allein Liebe stärkt und fördert die Einheit. Darum sind Liebe und Einig-keit für die Menschheit unentbehrlich. Unglücklicherweise sind die Menschen durch den Verlust der beiden Augen Liebe und Einheit mo-ralisch blind geworden. Liebe ist die Kraft, die Menschen miteinander verbindet. Leider ist Indien, obwohl es seine Freiheit erlangt hat, weit davon entfernt, einig zu sein. Lasst uns einen Blick in die Vergangenheit werfen. Ihr habt schon von Kaiser Ashoka gehört. Die Spitze der As-hoka-Säule mit den Gestalten der vier in alle Himmelsrichtungen blik-kenden Löwen ist das Staatswappen des unabhängigen Indien.

Kaiser Ashoka pflegte anlässlich seines Geburtstags seinen Unterre-genten Geschenke zu überreichen. Heute ist der fünfzigste Unabhän-gigkeitstag Indiens. Zur Feier von Ashokas fünfzigstem Geburtstag hat-ten sich alle Lehnsherren in der Hauptstadt eingefunden. Ein Regent aus dem Osten unterbreitete dem Kaiser folgende Botschaft: „Eure Ho-heit! Ich habe heuer dreimal mehr Einkünfte zusammengetragen als in vorhergehenden Jahren und biete sie der kaiserlichen Schatzkam-mer an“. Der Kaiser schien erfreut über dieses Anerbieten und nahm es an.Dann kam ein Lehnsherr aus dem westlichen Gebiet und sprach: „Eure Majestät! Ich habe in meinem Königreich die öffentlichen Ausgaben und die Gehälter der öffentlichen Bediensteten soweit wie möglich ge-

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kürzt und dadurch sechsmal mehr Abgaben erbracht, als ich in früheren Jahren zu geben pflegte“. Der Kaiser ersuchte den König, wieder sei-nen Platz einzunehmen.Ein Regent der nördlichen Region machte folgende Mitteilung: „Oh Herr! Wegen der Dürre in meinem Königreich bin ich nicht fähig, eurer Hoheit irgendetwas anzubieten. Aufgrund des geringen Ernteertrags konnte ich von meinen Untertanen keinerlei Steuern erheben“. Der Kai-ser drückte seine Billigung aus und bat den König, wieder Platz zu neh-men.Als nächster kam ein Lehnsherr aus dem Süden des Reichs. Er be-richtete dem Kaiser: „Eure Majestät! Ich musste dieses Jahr die Steuern erhöhen und die Ausgaben reduzieren, um Unruhen in verschiedenen Teilen des Königreiches niederzuschlagen und alle aufrührerischen Elemente festnehmen zu lassen. Dadurch wurde der Frieden im gan-zen Königreich wiederhergestellt. Das ist meine Gabe an den Kaiser“. Dieser ersuchte ihn, wieder seinen Platz einzunehmen.Dann erhob sich der Regent von Magadha von seinem Sitz, näherte sich dem Kaiser und sprach: „Eure Hoheit! Meine ganze Sorge gilt dem Wohl meines Volkes. Ich habe alle von den Menschen erbrachten Ab-gaben dazu verwendet, Schulen und Krankenhäuser für sie zu errich-ten und ihnen andere Annehmlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Um Trinkwasser zu gewinnen, liess ich Brunnen graben und Reservoirs er-richten, um einen Vorrat davon zu schaffen. Ohne dem Volk irgend-welche Härten aufzuerlegen, verwendete ich all die von ihm erwirt-schafteten Mittel zu seinem eigenen Nutzen. Alle Menschen sind glück-lich. Anstatt die Bezüge der Staatsangestellten zu kürzen, erlaubte ich ihnen, das von den Menschen eingenommene Geld zum Wohl des Vol-kes zu verwenden und ermutigte sie dadurch, ihrer Verantwortung mit freudigem Eifer nachzukommen. Daher kann ich dem Kaiser bei dieser Gelegenheit nur meine Liebe anbieten. Ich schenke eurer Majestät das Wohlergehen meines Königreichs. Mein Volk lebt in Frieden und Über-fluss“.Kaiser Ashoka war höchst erfreut, als er diese Worte hörte. Er rief seine Begleiter und bot dem Herrscher von Magadha Geschenke von einer Art an, wie sie noch niemand vorher erhalten hatte.

Worin liegt die Bedeutung dieser Episode? Sie zeigt, dass das einzige Anliegen der Herrschenden das Wohlergehen ihres Volkes sein sollte. Sie müssen Sorge tragen, die Menschen mit dem Lebensnotwendigen zu versehen. Der König errichtete Herbergen und Tempelanlagen, liess Strassen anlegen und baute Schulen und Krankenhäuser für das täg-

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liche Leben. Wenn all dies zur Verfügung steht, wird keine Unzufrie-denheit im Volk aufkommen.Um Frieden unter den Menschen zu sichern, muss das Empfinden des Einsseins im Geist entwickelt werden. Wie die Bhagavadgita erklärt: „Mein Selbst ist auch das Selbst, das in allen Wesen wohnt“. Wo dieses Empfinden herrscht, kann es keinen Raum für irgendwelche Meinungs-verschiedenheiten oder Streitigkeiten geben. Wie kann Jemand andere hassen, wenn er sieht, dass der Geist in ihm der gleiche ist, der auch in den Anderen wohnt? Wird jemand sein Spiegelbild hassen? Jeder liebt sich selbst.

In diesem Zusammenhang möchte ich euch ein Gedicht in Erinnerung rufen, das ich im Alter von sieben Jahren schrieb. Es lautet folgender-massen:

Muss man euch helfen oder seid ihrauf irgend Jemandes Freundschaft angewiesen,

um euer Gesicht im Spiegel zu betrachten?Braucht ihr eine Lampe

oder eine andere Lichtquelle,um den Mond am Himmel leuchten zu sehen?

Warum braucht ihr dann einen Guru,um den Atman in euch zu erkennen?

Es ist Atman, der euer Gott, euer Brahma, Vishnu und Shiva ist.Wozu benötigt, wer das verstanden hat, einen Lehrer?

So sollte jeder begreifen, dass derselbe alldurchdringende göttliche Geist in jedem Wesen wohnt. Alle sind Verkörperungen der Göttlichkeit. Wenn Jeder von diesem heiligen Empfinden erfüllt ist, wird es keinen Raum für Konflikte oder Chaos geben.Heutzutage haben die Menschen diese heilige Wahrheit vergessen. Al-lenthalben findet man nur Hass. Neid greift um sich. Überall hat die Selbstsucht die Oberhand gewonnen und das Eigeninteresse herrscht vor. Durch diese üblen Tendenzen wurde die Reinheit menschlicher Beziehungen verdorben.Die Beziehung, die ihr pflegen solltet, ist jene der Einheit im Geist. „Ich und du sind eins“. Das ist die Wahrheit, die ihr erkennen müsst. Wer ist jenes „du‘? Ein anderes „ich“. Jeder erfährt sich selbst als „ich“. In der Erklärung „Ich und du sind eins“ steht das „du“ für Gott, der in Jedem wohnt. Der erste Name Gottes ist „ich“. Dann kommt. Jeder Mensch bezeichnet sich selbst stets als „ich“.

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Wenn jemand sagt: „Ich bin ein Mann“, so ist die Bezugnahme auf „Mann“ begrenzt und vergänglich, aber das „ich“ ist beständig und von Dauer.

Deshalb verkünden die Schriften: „Brahman ist Wahrheit, Erkenntnis und Unendlichkeit. Der Ausdruck „ich“ bezieht sich auf Brahman. Daher der bedeutende Lehrsatz: „Ich bin Brahman“. Jenes Brahman ist nicht die in Filmen dargestellte vierköpfige Schöpfergottheit, sondern der ab-solute, allumfassende Geist. Brahman ist unendliche Liebe. Es ist all-durchdringend und von grenzenloser Ausdehnung. Das bedeutet, dass es keinen Ort im Kosmos gibt, an dem Liebe nicht gegenwärtig ist.Ein im Bhagavatam geschildertes Vorkommnis veranschaulicht dies: Ein Hirtenmädchen (gopika) hörte es an der Türe klopfen und konnte sich nicht entscheiden, ob sie die Tür öffnen solle oder nicht. Während sie nachdachte, erkannte sie, dass der Draussenstehende derselbe war, der auch in ihrem Innersten wohnte. „Wenn das so ist, was spielt es für eine Rolle, ob die Tür geöffnet oder geschlossen ist?“Derselbe Glanz, der in dir wie in jedem Anderen leuchtet, ist Brahman. Jenes Hirtenmädchen erfuhr die Göttlichkeit als kosmische „Stätte“ bar aller Ein- oder Ausgänge. „Wenn der Herr des Universums in mir wohnt, wozu dann eine Tür oder ein Willkommen?“ (Bhagavan sang ein Lied, das den Zwiespalt des Hirtenmädchens und ihr dann tiefempfundenes Entzücken ausdrückte, als sie ihr Einssein mit Gott erkannte.)Alles ist in euch. Das Herz enthält alles. Es ist die Quelle von Stärke und Schwäche. Ein Mensch mit reinem Herzen ist voller Mut, während ein Mensch mit einem schuldbeladenen Herzen schwach ist. Liebe ist die Kraftquelle. Überwindet alle Furcht dadurch, dass ihr Liebe zu Gott entwickelt. So öffnet sich die Tür eures Herzens und ihr erfahrt göttliche Glückseligkeit, die der wahre Wohnort Gottes ist, was durch den Aus-druck „Kailasa“ symbolisiert wird.

Studenten! Reinigt mit den Wassern der Liebe eure Herzen. Verwendet das Reinigungsmittel Ernsthaftigkeit. Dann wird das Herz wie ein Stern leuchten, wie ein „Diamant des Himmels“. Jeder Student sollte sein wie ein Stern, der am Firmament funkelt. Entwickelt Liebe und nehmt immer mehr Anteil am Wohl des Volkes. Verwirklicht das Ziel der Einheit mit Gott. (Bhagavan erläuterte die Bedeutung des indischen Grusses (na-maskara und wie man die Rezitation des Gottesnamens ausführen soll-te). Erlöst euer Leben dadurch, dass ihr alle liebt und allen dient.

(Prashanti Nilayam am 15.8.)

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17. August

Die Schuld des Menschen gegenüber Gott

Die Furcht vor Sünde ist untergegangen;böse Taten sind normal geworden;

die Hingabe zu Gott ist verschwunden;die Welt ist umhüllt von unbeschreiblichen Missetaten.Oh Mensch! Nur die Besinnung auf den Namen Gottes,

dem Zufluchtsort aller Entsagenden,wird dir Glück verleihen.

(Telugu Gedicht)

Hingabe allein verleiht das höchste Geschenk;Hingabe allein zerstört die Krankheit

der weltlichen Existenz;Hingabe allein schürt das Verlangen nach Gott;

Hingabe allein ist der Weg zur Befreiung.(Sanskrit-Sloka)

Verkörperungen der Liebe! Um das Höchste zu verwirklichen, ist der Weg der Hingabe der einzig königliche Weg. Er ist das Allheilmittel für alle weltlichen Leiden und für die Krankheit von Geburt und Tod. Hin-gabe ist das wirkungsvollste Mittel für das Erwachen spirituellen Ver-langens.Die Upanishaden sind das grosse spirituelle Vermächtnis des alten In-dien. „Der gesamte Kosmos ist der Wohnort Gottes” erklären die Upa-nishaden. Wenn die volle Bedeutung dieses einen Sinnspruchs von den Indem verstanden und praktiziert wird, wird das Land von allen Schwierigkeiten befreit sein. Jeder, der ganz tief an diese Erklärung glaubt, wird von allen Sorgen frei sein.Die Upanishaden erklären: „Das bist du”. Diese Wahrheit sollte tief in den Herzen der Devotees eingegraben sein. Genauso sollte die be-deutende Redensart: „Ich bin Gott” in den Herzen aller menschlichen Wesen bewahrt sein. „Wahrlich, alles ist Brahman - Brahman durch-dringt alles im Kosmos”.

Der Mensch sollte erkennen, wie viel er Gott schuldet, der ihn mit so vielen Dingen für sein Leben und seinen Komfort versorgt hat. Das Ge-bet ist die Ausdrucksform des Menschen, Gott dafür zu danken. Es ist auch der Weg, um die Bewusstwerdung des ewig Göttlichen in sich

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selbst zu erkennen. Die Upanishaden rufen den Menschen auf; die Glückseligkeit in sich selbst zu entwickeln. Das Gebet ist wesentlich, um Liebe zu Gott zu entwickeln. Das Gebet sollte von ganzem Herzen kommen. Ravana verehrte Sita, ohne jedoch seine dämonische Natur aufzugeben. Daher konnte er die Gnade Gottes nicht gewinnen.

Dem Herrn gefallen selbst die einfachsten Dinge, die ihm voller Hingabe dargereicht werden. Es reicht aus, wenn ein Devotee seinen Körper, seinen Verstand und sein Herz darreicht und Freudentränen aus seinen Augen treten.Die Schüler sollten den höchsten Wert menschlicher Geburt erkennen. Der innewohnende Geist ist bei Jedem dasselbe Göttliche. Die Formen mögen verschieden sein, aber der Geist ist in allen derselbe. Er ist rein, unveränderlich und zeitlos. Er ist immer glückselig. Er ist Nektar. Jeder sollte dieses göttliche Prinzip erkennen.Der Körper ist wie ein Streitwagen. Er ist für die Lebensreise notwendig. Aber ihr seid die Wagenlenker, nicht der Wagen. Die vier Lebensziele sind die vier Räder des Wagens.

Schüler! Während ihr den Wagen lenkt, müsst ihr auf die Beschaffen-heit der Strasse achten. Ihr müsst erkennen, wie der Körper vorherr-schenden Umständen entsprechend für verschiedene Zwecke in der Gesellschaft gebraucht wird. Ihr solltet wissen, wie man sich Älteren, Lehrern und Eltern gegenüber verhält und vor allem, wie man Gott liebt. Ihr solltet bei der Ausübung eurer Pflichten euer Unterscheidungsver-mögen einsetzen. Nur dann gelingt euch eine sanfte und sichere Le-bensreise.

Betrachtet den Körper als einen Schrein, in dem das Göttliche einge-bettet ist. Reicht alle Handlungen Gott dar. Heutzutage werden viele zu Sklaven von Reichtum, Macht, Ansehen oder Titeln. Schüler sollten nicht solche Sklaven werden. Sie sollten heilige Ideale aufrechterhal-ten. „Hilf immer, verletze nimmer“. Macht dies zu eurem Motto.

(Prashanti Nilayam am 17.8.)

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18. August

Das Hohelied harter Arbeit

Seit Wissenschaft und Technik so grosse Fortschritte gemacht haben, ist es dem Menschen ermöglicht worden, den Weltraum zu erkunden und in die Tiefen der Meere zu tauchen. Er hat aber noch nicht gelernt, wie ein menschliches Wesen auf der Erde zu leben. Für einen Men-schen ist es wichtiger, zu lernen, wie man ein gutes Leben auf der Erde führt, als den Weltraum zu erkunden. Das Leben des Menschen grün-det sich auf der Erde.Das vordringliche Ziel des Menschen sollte es sein, die Einheit zu er-kennen, die der Vielfalt der phänomenalen Welt zugrundeliegt. Das, was eins ist, in viele Teile zu zergliedern, ist einfach. Es ist aber schwie-rig, die Einzelteile wieder zu einer bedeutungsvollen Einheit zusam-menzufügen. Im Prozess des Zusammenfügens kann die Nützlichkeit der Dinge begriffen werden. Sowohl die Rolle der Vielfalt wie die der Einheit im Leben muss richtig begriffen wer-den.Wenn ein Schneider aus einem Stück Stoff eine Jacke nähen soll, muss er ihn zuerst in verschiedene Stücke zerschneiden und diese danach zu einer Jacke zusammennähen. Die Schere wird zum Zerschneiden des Stoffes benutzt. Die Nadel wird zum Zusammennähen der ver-schiedenen Stücke gebraucht. Heutzutage neigen die Menschen dazu, sich eher wie die Schere als wie die Nadel zu verhalten, mit dem Er-gebnis, dass der Scharfsinn der Menschen sich nur darauf richtet, die Gesellschaft zu spalten, statt sie zu vereinen.

Da ist eine Familie mit drei Personen: Vater, Mutter und Sohn. Jedes Mal, wenn der Vater seine Einkünfte nach Hause brachte, war die Mut-ter froh. Immer, wenn er mit leeren Händen zu Hause erschien, wurde sie ärgerlich. Der Sohn beobachtete den Wechsel von Glück und Kum-mer im Hause. Da der Vater die häuslichen Schwierigkeiten nicht mehr ertragen konnte, besuchte er einen Tempel der Göttin Kali. Er betete: „Oh Göttin! Ich kann die Schwierigkeiten im Hause nicht mehr aushal-ten. Ich kann nicht mehr mit meiner Frau zusammenleben. Sorge bitte dafür, dass sie bald stirbt.“ „So sei es!“, erklärte die Göttin. Die Frau starb.Der Sohn, der dies beobachtet hatte, ging zum Tempel der Kali. Er be-tete intensiv zur Göttin. Sie erschien vor ihm und fragte, was er wolle.

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„Erwecke bitte meine Mutter wieder zum Leben,“ bat er. „So sei es!“, erklärte die Göttin.Der Vater wünschte den Tod der Mutter herbei, der Sohn ihre Wieder-belebung. Ihre Gebete drehten sich um Tod und Leben. Haben solche Gebete irgendeine Bedeutung? Wie viel klüger wäre es gewesen, wenn sie um das Geschenk der Güte gebetet hätten. Der Vater hätte doch die Göttin gewiss bitten können: „Oh Göttin. Schicke meiner Frau ein gütiges Verständnis.“ Die Gebete von Vater und Sohn führten lediglich zu Tod und Geburt. (Swami sang das Lied „bhaja govindam“, in dem Adi Shankaracarya die Lage des Menschen, der im Kreislauf von Ge-burt und Tod gefangen ist, beklagt, und Govinda der einzige Erlöser ist).Welche Dummheit, im endlosen Kreislauf von Geburt und Tod zu ver-bleiben. Was ist das Ziel des Lebens? Es besteht darin, nach gewissen Idealen zu leben. Der Vizekanzler (der vorher gesprochen hatte) sprach von der Sitte, jedes Jahr in einer Feierstunde seiner dahingeschiede-nen Vorfahren zu gedenken. Der Vizekanzler sagte, dass die jungen Menschen während dieser Zeremonie an die Gestorbenen mit Dank-barkeit und Liebe denken sollten. Die Kinder sollten ihre Dankbarkeit zuerst und am allermeisten ihren Eltern gegenüber ausdrücken, weil sie ihr Leben und alles, woran sie sich erfreuen, ihren Eltern verdanken. Am Jahrestag ihres Dahinscheidens sollte an sie mit Dankestränen ge-dacht werden.Studenten sollten die überragende Bedeutung der Zeit erkennen. Die meisten verschwenden drei Viertel der Zeit, die ihnen zur Verfügung steht. Sie gehen nutzlosem Geschwätz und Skandalgeschichten nach. Andere herunterzumachen führt dazu. Gott herunterzumachen.

Indien könnte ein reiches Land sein, wenn seine Menschen hart arbei-ten würden, anstatt faul und nichtsnutzig zu sein. Indien ist mit Land, Flüssen und anderen natürlichen Ressourcen gut ausgestattet. Indien ist abhängig von anderen Nationen geworden, weil sein Volk nicht hart genug arbeitet. Wir borgen von so vielen anderen Nationen. Warum? Lasst uns unsere natürlichen Reichtümer gut nutzen. Dann können wir unsere Menschen mit Leichtigkeit ernähren. Die Menschen sollten hart arbeiten. Das ist vorteilhaft für ihre Gesundheit und ihre Lebensfreude. Heutzutage verschwenden die Menschen mit bedeutungslosen Erör-terungen und Streitfragen eine Menge Zeit und Energie.

Studenten! Erkennt, dass das, was ich denke, sage und tue in vollkom-mener Harmonie ist. Daher gibt es auch keinerlei Vergesslichkeit oder Schwäche irgendeiner anderen Art. Schaut sie an, die Jugendlichen

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von heute. Sie machen überdrüssige Gesichter und sehen schon ver-braucht aus. Sie sollten glücklich und heiter sein.

Vergegenwärtigt euch, wie die Briten, eine kleine Nation, über ein aus-gedehntes Land wie Indien herrschten, bevor wir unsere Freiheit er-hielten. Die Briten konnten das tun, weil die Inder ihre Nation zugunsten eigennütziger Interessen verrieten. Jeder Student sollte seine in ihm steckende Kraft erkennen. Sie kommt ganz und gar vom Göttlichen.

Studenten sollten moralische Werte pflegen. Der Niedergang der mo-ralischen Werte ist verantwortlich für den beklagenswerten Zustand, in dem sich unser Land befindet. Das Wichtigste, was heutzutage not tut, besteht aus drei Punkten: Furcht vor der Sünde, Liebe zu Gott und Mo-ral in der Gesellschaft.

(Prashanti Nilayam am 18.8.)

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20. August

Shirdi Sai Babas erstes Wunder

In seiner Ansprache vom 20. August im Sai Kulwant Mandap schilderte Bhagavan die Umstände, die Baba als zehnjährigen Burschen veran-lassten, sein erstes Wunder zu tun, nämlich einen toten Jungen wieder lebendig zu machen, der kurz vorher versucht hatte, Baba zu töten.

Sathya Sai Baba sagte:

Wer mit physischen Augen sieht, erkennt lediglich die Natur. Wer aber die spirituelle Sichtweise hat, betrachtet das ganze Universum als Gott. Aus der Sicht der Liebe erscheint jedes Ding göttlich.

Ein junger Mann, der Adi Shankaracaryas Philosophie studiert hatte, kam zu mir und sprach: „Swami! Shankara sagt: Brahman ist wirklich, die vielfältige Welt ist unwirklich. Bitte, lass mich wissen, was wirklich und was unwirklich ist“. Ich antwortete ihm: „Du Einfältiger, überlass es doch der Natur, das Wahre und das Unwahre aufzuzeigen. Befasse dich vielmehr mit deiner eigenen Wahrheit. Du brauchst nicht nach dem Wesen der Erscheinungswelt zu forschen. Bringe keine Einwände! Wie will ein Mensch, der seine eigene, wahre Natur nicht kennt, die Fähig-keit besitzen, die Wahrheit des Kosmos oder sonst Irgendwas zu er-kennen? Ein Mensch betrachtet seinen sichtbaren Körper als wirklich und den unsichtbaren Geist als unwirklich. Er weiss nicht dass das Un-sichtbare die Ursache seiner Freuden und Leiden ist.“

„Es soll niemand denken,dass Schönheit, Jugend und Kraft immer andauern.

Schon winkt das Greisenalter in der Ferne mit all seinen Beschwerden.“(Telugu Gedicht)

Es gibt zwei Wesenheiten im Menschen: der Körper und der innewoh-nende Geist. Der Körper wird von drei Einflüssen beherrscht: vom Wind, von der Galle und von Schleim. Durch den Einfluss des Windes entstehen 80 Arten von Krankheiten. Die Galle ist verantwortlich für 82 verschiedene Leiden und der Schleim ist die Ursache für 224 andere Krankheiten. Zusammen sind es 386 Typen von Krankheiten, die von diesen drei Einflüssen herstammen. Angesichts dieser Vielzahl von Krankheiten, die den Körper befallen können, trachteten die Weisen

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von ehedem danach, die Bindung an den Körper aufzugeben, ohne sei-ne Pflege im Hinblick auf die wesentlichen Ziele, denen er zu dienen hatte, zu vernachlässigen.Viele dieser Krankheiten sind heimtückisch und mögen in einer schein-bar starken Person unbemerkt bleiben. Tatsächlich verbirgt sich Krank-heit in fast jeder Handlung des Menschen, vom Atmen bis zum Essen. Der Körper ist von Natur aus vergänglich. Aber der innewohnende Geist ist unsterblich. Mit Hilfe des vergänglichen Körpers muss der ewige Geist erfahren werden. Die Menschen sind mit der Suche nach vor-übergehenden Sinnesvergnügen so sehr beschäftigt, dass sie den blei-benden Segen vergessen, den sie vom Geistigen erhalten können. Die Menschen sollten erkennen, dass wahres Glück nur durch die Verei-nigung mit Gott gewonnen wird.

Manche Leute denken, dass Gott einigen wenigen sehr viel Gnade schenkt, anderen Menschen gegenüber gleichgültig ist, und wieder an-dere völlig unbeachtet lässt. Wer solche Gedanken hat, geht in die Irre. Vor Gott sind alle gleich. Ihr könnt euer wahres Bild nur in einem Spiegel sehen, der auf der Rückseite mit dem Quecksilber der Liebe beschich-tet ist. Wenn jemand sagt, er habe Gott nicht erfahren, ist das nicht Got-tes Fehler. Das Gefühl, dass Gott einigen seine Gunst bezeige und an-deren nicht, wird aus Eifersucht geboren.(An dieser Steile erzählte Swami eine Begebenheit aus der Knabenzeit von Shirdi Sai Baba):

Als Shirdi Sai Baba etwa 10 Jahre alt war, brachte Patel ihn zu Venkusa. Patel hatte einen Traum gehabt, in dem ihm gesagt wurde: „Patel! Du wirst wohl nicht mehr lange leben. Der Junge, den du bis heute grossge-zogen hast, kann nicht irgendjemandem anvertraut werden. Da lebt ein Mann namens Venkusa an einem bestimmten Ort. Du bringst den Jun-gen zu ihm und überlässt ihn seiner Fürsorge.“Venkusa gab einer Anzahl von Jungen spirituellen Unterricht. Bevor je-ner Bub ihm gebracht wurde, hatte Venkusa eine Vorausschau seines Kommens. Er rief dem Jungen entgegen: „Komm! Komm! Ich habe all diese Jahre auf dich gewartet.“ Er sprach liebevoll mit ihm und forderte ihn zum Essen auf. Vom ersten Tag an entwickelte Venkusa eine gros-se Liebe zu diesem Jungen. Als die anderen Schüler das sahen, wur-den sie neidisch und besprachen die Sache untereinander: „Wie kommt es, dass der Lehrer so viel Liebe für den Neuen zeigt? Wir sind seit Jah-ren hier, aber eine solche Liebe hat er uns nicht bezeigt.“ Das sagten Einige von ihnen, und Andere meinten: „Der hat Glück, dass er so viel

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Liebe kriegt.“ Wieder Andere sagten: „Vielleicht erwartet unser Lehrer Geld von Patel, weil er ein wohlhabender Mann ist.“

Die Liebesbeziehung zwischen Venkusa und dem jungen Baba wuchs stetig von Tag zu Tag. Einmal gingen die Beiden zu einem Wald, der Shikhara hiess. Nachdem sie weggegangen waren, machten die an-deren Jungen einen Plan, wie sie den jungen Baba beseitigen könnten. „Dann wird Venkusa eine grössere Liebe zu uns haben“, dachten sie. Sie gingen zum Wald und versteckten sich hinter einer Hütte. Einer der grösseren Jungen nahm, wie es der Plan vorsah, einen grossen Zie-gelstein und schleuderte ihn auf Baba. Venkusa hatte eine grosse Liebe zu Baba. In dem Augenblick, als er den Ziegelstein bemerkte, sprang er vor Baba hin und wurde so vom Ziegelstein verletzt. Was auf Baba gezielt worden war, traf Venkusa. Das Blut strömte von Venkusas Kopf.Baba riss sofort einen Streifen Stoff von seiner Kleidung und verband Venkusas blutenden Kopf. Während sie noch über die Wunde spra-chen, kamen einige Jungen auf sie zugerannt und schleppten einen to-ten Körper mit sich. Das war der Körper des Jungen, der Baba töten wollte. „Wer Andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, sagt das Sprichwort. Die Jungen weinten: „Guruji! Vergib uns“, und sie fielen ihm zu Füssen. Venkusa sagte zu ihnen: „Kinder! Ich bin alt geworden. Die-ser junge Mensch hier wird das ganze Werk weiterführen, das ich getan habe. Die Liebe allein kann euch beschützen. Wenn keine Liebe da ist, kann niemand euch retten.“ Als die Jungen diese Worte hörten, fielen sie Baba zu Füssen und legten den toten Körper vor ihn hin. Baba brach in Lachen aus. Warum lachte er? Nicht, weil er sah, dass der Junge, der ihn töten wollte, nun selber tot war. Er wusste, dass der Tod zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Lage kommen konnte. Selbst in diesem jungen Alter wusste Baba um diese Wahrheit in bezug auf den Körper. Baba stand über der Zeit, und das Alter berührte ihn nicht. Er war das kosmische Wesen. Er sagte zu den Jungen: „Heute ist dieser Junge gestorben. Morgen seid vielleicht ihr an der Reihe. Niemand ist un-sterblich.“ Die Jungen weinten: „Wie können wir dieses Unglück seinen Eltern erklären?“Baba antwortete: „Berichtet den Eltern, was wirklich geschehen ist.“ Die Jungen wussten, ihre Schande würde offenbar, wenn sie die Wahrheit sagten. Wenn sie aber etwas erzählten, was nicht geschehen war, wür-den sie nicht die Wahrheit sagen. Baba, der ihre Verlegenheit bemerk-te, fragte sie: „Was wollt ihr denn jetzt?“ „Bitte, gib dem Jungen das Le-ben zurück.“ Da legte Baba den Kopf des toten Jungen auf seinen

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Schoss und strich mit seiner Hand darüber. Der Junge wurde wieder lebendig. Das war Shirdi Sai Babas erstes Wunder.

Die Studenten sollten erkennen, dass der Körper aus Stoffen besteht, die von der Erde kommen, und dass er zur Erde zurückkehren wird, wenn das Leben ausgelöscht ist. Der Körper ist wie ein Gefäss aus Ton, das seinen Zweck eine Zeitlang erfüllt, und wenn es dann zerbrochen ist, wird es im Lauf der Zeit wieder mit dem Ton vereint, aus dem es gemacht wurde. Ein Same, der in den Boden gesät wird, wächst zu ei-nem Baum mit Ästen. Blüten und Früchten heran. Alle Bestandteile des Baumes sind aus der Erde gekommen. So ist auch der Körper aus den fünf Elementen gemacht. Er muss in rechter Weise gebraucht werden. Die Essenz des Vedanta kann in einem Satz zusammengefasst wer-den: „Der Atman, das Göttliche Selbst in euch ist dasselbe wie Gott.“ Nur diejenigen. die das nachempfinden können, können Gott erfahren.

(Prashanti Nilayam am 21.8.)

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21. August

Erkenntnis und Hingabe

Alles im Kosmos besteht aus den fünf grundlegenden Elementen, wel-che Manifestationen des Göttlichen sind. Das Göttliche hat keine se-parate Form. Diese Wahrheit wird von der Menschheit nicht erkannt. Avatare kommen, um die Unwissenheit der Menschen zu zerstören. Avatare erscheinen nicht in einer einzigen Form. Der Grund dafür ist, dass alle Geschöpfe auf der Welt ihre spezielle Funktion haben. Säuge-tiere, Vögel, Insekten, Ameisen und Moskitos weichen in ihrer Lebens-führung nicht von ihrer jeweiligen Rolle ab. Nur der Mensch hat seine Pflichten vergessen. Vögel beachten „Vernunft und Jahreszeit”. Allein der Mensch kümmert sich nicht um darum. Deshalb muss der Avatar in menschlicher Form erscheinen, um die verirrten Menschen wieder auf den rechten Weg zu bringen. Daher wird gesagt, dass „Gott in menschlicher Form erscheint“. Falls Gott in irgendeiner anderen Form kommt, sagen wir mal als Vogel, dann wird er fortgejagt. Der Mensch wird ihm keine Beachtung schenken. Wenn der Avatar in der Form ei-nes Büffels erscheint, wird er mit einem Stock fortgejagt. In diesem Zu-sammenhang sind zwei Punkte zu beachten.Es waren einmal zwei Brüder, Jnanadeva und Bhaktideva. Beide gin-gen auf eine Reise. Unterwegs wurden sie durstig. Bhaktideva sagte zu Jnanadeva: „Ich bin durstig, aber ich kann nirgendwo Wasser se-hen.“ Jnanadeva sagte: „Lass uns schauen, ob es irgendwo in der Nähe einen Brunnen gibt.“ Als sie ein Stück gegangen waren, bemerkten sie einen alten Brunnen, auf dessen tiefem Grund Wasser war. Jnanadeva verkündete: „Durch Erkenntnis kann ein befreiter Bewusstseinszu-stand erreicht werden“.Er nahm sofort die Form eines Vogels an, flog hinunter zum Wasser in dem Brunnen, löschte seinen Durst und kam nach oben. Aufgrund des höchsten Wissens, das er besass, das Wissen von der Einheit des Selbst, hatte Jnanadeva die Fähigkeit, jede gewünschte Form anzu-nehmen.Bhaktideva konnte nicht hinab in den Brunnen steigen. Er sass nah beim Brunnen und betete mit tiefer Liebe zu Gott. Nach einiger Zeit stieg das Wasser des Brunnens bis zu seinen Füssen. Da er seine nassen Füsse bemerkte, öffnete er seine Augen und sah, dass das Wasser im Brunnen über den Rand getreten war.

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„Erkenntnis“ verlangt, dass man seine Form ändert. Doch „Hingabe“ er-fordert keine solche Änderung. Intensive, gebende Hingabe genügt. Was der Devotee braucht, wird ihm zufallen. Es gibt nichts Grösseres als Hingabe.Bhaktideva schrieb Jnanadeva einen Brief. Es war ein leeres Blatt Pa-pier, das er in einem Umschlag abschickte. Als Jnanadeva den Brief öffnete, stellte er fest, dass er unbeschrieben war. Dann begann Jnana-deva, seine Antwort zu schreiben. Seite um Seite. Er konnte kein Ende finden mit dem Schreiben. Sein ganzes Leben wurde von ihm mit Un-tersuchungen und Nachforschungen verbracht. Es blieb keine Zeit für irgendwelche praktischen Tätigkeiten. Das Leben der meisten Wissen-schaftler spielt sich auf diese Weise ab: endlose Experimente, ohne jede Erfahrung. Diese Art endloser Beschäftigung mit Fragen und For-schen hat keinerlei Nutzen. Hingabe ist leichter als der Pfad der Er-kenntnis. Mit Hingabe, ständigem Singen des Namens und liebevoller Erinnerung Gottes kann alles erreicht werden.

Studenten! Sorgt dafür, dass die euch innewohnende Liebe nicht in fal-sche Richtungen gelenkt wird. In gesellschaftsfeindliche Aktivitäten oder auf Wege, die den Wünschen eurer Eltern entgegenstehen. So-weit es die Liebe zu Gott betrifft, braucht ihr euch niemandem zu un-terwerfen.Wenn ihr Gott von ganzem Herzen liebt, erfahrt ihr eine nicht zu über-treffende Glückseligkeit. Das war die Erfahrung der Gespielinnen Krish-nas. Das ist als die Erfahrung der Vereinigung mit Gott, beschrieben worden.

Studenten! Was ihr auch im Leben macht, niemals dürft ihr Gott ver-gessen. Was für Positionen ein Mensch auch erreicht, ob Präsident oder Premierminister, wenn er Gott vergisst, ist er nichts. Der Held wird zur Null, wenn er Gott vergisst. Diese Beamten kommen und gehen. Ihr dürft niemals euren Gauben an den Höchsten aufgeben. Das ist der Weg der Erlösung für den Menschen.

Warum suchst du Gott hier und dort?Ist er nicht in deinem Herzen?

Diene und erhalte die Liebe Gottes.Das ist der Weg, das Göttliche zu verwirklichen.

Studenten! Demut ist das Kennzeichen von Erziehung. Demut verlangt nach Handlungen, die frei von Egoismus und Wichtigtuerei sind. Die

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dem Menschen innewohnende Güte ist von der Asche der Bindung und des Hasses bedeckt. Entfernt die Asche, und die Güte wird sich offen-baren.Es gibt drei Wege, das Selbst zu erkennen. Einer ist, sich für das äus-sere Ich zu halten. Das ist Dualismus. Der Zweite ist: „Ich bin die Indi-vidualseele“ - das verkörperte Selbst. Das ist qualifizierte Nichtzweiheit. „Ich bin das Höchste Selbst“ ist Nicht-Zweiheit. In allen drei Begriffen ist „Atman“ die gemeinsame Wesenheit. Der Körper, das Individuum und das Absolute sind getrennt. Alle drei sind in der gleichen Person gegenwärtig, wie es klar aus dem Gayatri Mantra hervorgeht. „Bhur-bhuvah-svah“ stehen für den Körper (bhur), die Lebenskraft (bhuvaha) und den Atman (svah). Der Körper ist träge Materie. Die Lebenskraft belebt den Körper und vibriert in jeder Zelle.

Die Kraft des Geistes ist durch Kabirs Leben veranschaulicht. Er war ein armer Weber, der den Armen aus seinem Einkommen zu helfen pflegte. Während seiner Arbeit am Webstuhl sang er ständig den Na-men Ramas. Die in einem so hingebungsvollen Geist gewobenen Klei-der wurden hoch geschätzt. Trotzdem verkaufte er seinen Stoff zu an-gemessenen Preisen und gab ihn oft kostenlos an jene, die sich die Ausgabe nicht leisten konnten.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine aktuelle Begebenheit er-wähnen. Zur Zeit sind ungefähr 25 griechische Devotees hier. Sie lan-deten mit dem Flugzeug in Bangalore, schnallten sich ihr Gepäck auf den Rücken, und mit Wasserflaschen in den Händen machten sie sich zu Fuss auf den Weg nach Prashanti Nilayam. So gross ist ihre Hin-gabe. Bei jedem Schritt wiederholten sie den Mantra „Om Shri Sathya Sai Babaya Namah!“ und erreichten Prashanti Nilayam. Ich ging ihnen entgegen und empfing sie bei ihrer Ankunft am Mandir. Ich fragte sie: „Habt ihr Schmerzen in den Beinen?“ Sie sagten: „Oh Herr! Ganz und gar nicht. Wir können auch noch zehn Meilen weitergehen, wenn nötig, und auf dem ganzen Weg singen. Wären wir mit dem Auto gekommen, hätten wir nicht so an den Namen des Herrn denken können.“Kabir hatte die Gewohnheit, wenn er ging bei jedem Schritt „Ram! Ram!“ zu wiederholen. Die Grösse seiner Hingabe wurde im ganzen Land bekannt. So hörte auch ein Herrscher jener Zeit von ihm. Als der König erkannte, wie arm und hilflos Kabir war, sandte er ihm in einer Sänfte verschiedene Geschenke. Kabir sah die Sänfte auf sein Haus zukommen, als er von seinem Bad im Fluss zurückkehrte. Erstaunt fragte Kabir die vier Träger der Sänfte: „Was soll das? In unserem Haus

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sind wir nur zu zweit. Für wen bringen vier von euch die Sänfte her? Wir sind beide ganz gesund.“ Das war eine Anspielung darauf, dass gewöhnlich nur Tote von vier Trägern auf einer Bahre getragen werden. „Bitte meldet dem König, dass wir wohlauf sind“, sagte Kabir.Die Träger der Sänfte sagten: „Wir haben in der Sänfte Kleider, Vorräte und andere Geschenke des Königs gebracht, der mit dir und deiner Not-lage Erbarmen hat. Der König hat uns befohlen, dir diese anzubieten, denn er hält dich für eine hilflose Person.“ Kabir sagte: „Oh, hat der Kö-nig das gesagt? Ich bin aber nicht hilflos. Mein oberster Herr ist Bha-gavat. Ich bin nicht ohne einen Meister, der mich beschützt. Rama allein ist hilflos. Es gibt keinen Herrn über ihm. Ihr tätet gut, all diese Dinge Rama anzubieten.“ Seht, wie intensiv sich Kabir mit der Bedeutung des Wortes „ohne Herrn” beschäftigte. Niemand auf der Welt ist ohne einen Herrn. Nur Gott ist allein, da es keinen Meister über ihm gibt. Jeder hat einen Meister. Nur Gott hat niemanden über sich.Manche Leute kommen zu Swami und sagen: „Swami! Mach uns nicht zu Herrenlosen. Ich pflege ihnen zu erklären: „Nicht ihr seid Herrenlos. Ich bin Herrenlos! Betrachtet niemals euch als Herrenlos“Viele Leute fühlen sich elend und verloren, weil sie die Art und Weise Gottes nicht begreifen. Jenen, die fest an Gott glauben, kann es an nichts mangeln. Zuallererst müsst ihr euch von Bindungen und Hass befreien. Entwickelt Liebe.

Befreit euch von eurem Ego und eurer Besitzgier. Hier ist ein kleines Beispiel. Bhagavan gibt euch das beste Beispiel. Wie? Ihr sitzt alle auf euren Plätzen. Ich selbst gehe zu euch, beuge meinen Rücken, strecke meine Hand aus, um eure Briefe entgegenzunehmen. Wenn ich es vor-gezogen hätte, zu sitzen und euch zu bitten, mir eure Briefe zu bringen, was wäre falsch dabei? Dennoch, ohne Egogefühl gehe ich zu Jedem von euch, um ein Beispiel zu geben. Das ist Sais Ideal.So viele sind von so weit hergekommen - würden sie davor zurück-scheuen, ein paar Schritte zu Swami zu gehen? Aber um zu zeigen, dass ich frei von Ego bin, handle ich auf diese Weise, um euch eine Lehre zu geben. Ich habe keine Bindungen an irgend Jemand, nach denen ich die einen als ,mein‘, die anderen als ,nicht mein‘ behandeln würde. Alle seid ihr mein, und ich bin euer. Jeder Student und jeder De-votee sollte diese Wahrheit erkennen. Dies ist, was die Bhagavadgita kundtut: „Ich bin der innewohnende Geist in allen Wesen. Ihr mögt fra-gen: Warum ist Gott denn nicht sichtbar? Warum sind einige nahe bei Gott und andere fern? Das ist nicht Gottes Schuld. Die Menschen sind so tief in weltliche Angelegenheiten eingetaucht.

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Die modernen jungen Menschen sind ganz verrückt auf ihre Spiele, ih-ren Zeitvertreib. Mit dem Ergebnis, dass sie lächerliche Lieder singen, alberne Spiele spielen und sich auf bedeutungsloses Geschwätz ein-lassen. Es liegt ihnen nichts daran, am Bhajansingen teilzunehmen oder sich an frommen Aktivitäten zu beteiligen. Einige hören den An-sprachen mit einem Ohr zu und lassen sie zum anderen Ohr wieder hinaus. Sehr wenige hören zu und nehmen sich zu Herzen, was sie ge-hört haben. Einige wiederholen nur das Gehörte wie die Papageien.Leider gibt es heute keine guten Lehrer und sehr wenige ernsthaft in-teressierte Redner. Die Studenten müssen echtes Interesse für die Lehren entwickeln. Sie müssen alle Arbeit in Gottesdienst verwandeln. Gott beurteilt niemanden nach seiner äusseren Erscheinung. Das war die Lektion, die Ashtavakra den Gelehrten am Hof des Königs Janaka erteilte, als sie über seinen verkrüppelten Körper lachten. Er lachte sie aus und sagte zu ihnen: „Ich dachte, ihr seid grosse Gelehrte. Ich sehe aber, ihr seid nur eine Ansammlung von Flickschustern. Ihr beurteilt ei-nen Menschen nach der Haut auf seinem Körper.“

Studenten sollten einen festen Glauben an Gott haben und ihre Wün-sche auf ein Minimum reduzieren. Ihr müsst Sinnenfreuden gering-schätzen. Wann immer weltliche Wünsche in eurem Gemüt auftreten, behandelt sie wie Abfall, der weggeworfen werden muss. Auf diese Weise werden die Studenten den Weg der Reinheit betreten. Dann wird das Göttliche euch willkommen heissen und mit Glückseligkeit erfüllen. Es gibt kein grösseres Ziel, keine höhere Bestimmung.

(Prashanti Nilayam am 20.8.)

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27. August

Die Grösse von Bali und Prahlada

Verkörperungen der Liebe!In dieser Welt der Erscheinungen sind physische Beziehungen wie die zu Eltern, Brüdern, Schwestern, Ehefrau und Kindern natürlich. Aber spirituell gesehen sollte der Mensch Beziehungen entwickeln, die dau-erhaft, heilig und transzendental sind.Die wahren Verwandten eines Menschen sind die Wahrheit als Mutter, die Weisheit als Vater, die Rechtschaffenheit als Bruder, das Mitgefühl als Freund, der Frieden als Ehepartner und die Fähigkeit des Verge-bens als Sohn. Die physischen Beziehungen sind zeitlich begrenzt und müssen vergehen. Aber die sechs grossen Tugenden sind die wahren und unvergänglichen Beziehungen.

„Die höchste Pflicht eines Jeden ist es,die Liebe Gottes zur gesamten Schöpfung fliessen zu lassen.

Jeder Mensch lebt nicht um seiner selbst willen,sondern um der Gesellschaft zu dienen.

Sich nicht ständig mit seinem Körper zu beschäftigenist der Weg zur wahren Selbstzufriedenheit.Welchen Wert hat die menschliche Geburt,

wenn der Mensch nicht reine Liebe zu allen Wesen offenbart?“(Telugu Gedicht)

Der Mensch vollzieht eine Vielzahl von spirituellen Übungen, um Selbstverwirklichung sowie das Glück der Einheit mit dem Göttlichen zu erreichen. Diese Übungen umfassen die neun Formen der Vereh-rung. In diesen Formen der Gottesverehrung wird Gott als Mutter, Va-ter, Freund oder Meister angesehen. Die höchste Form der Verehrung ist es, Gott und den einzelnen Menschen als Eines zu sehen. „Du bist ich und ich bin du“. Diese Haltung befreit den Menschen von Bindun-gen. Die Menschen unterscheiden sich in Gestalt und Namen. Einheit unter ihnen kann nur durch das Gefühl des Einsseins im Denken er-reicht werden, durch die Erkenntnis, dass der gesamte Kosmos vom Göttlichen durchdrungen ist.Gott ist die Ursache, die Welt ist die Wirkung. Warum nur ist der Mensch in diesem wundervollen Universum unfähig zur Erkenntnis seiner wah-

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ren Natur? Göttlichkeit ist gegenwärtig in jedem Atom des Kosmos. Ihr müsst verstehen, dass ihr diese Göttlichkeit seid.Diese Wahrheit ist vor langer Zeit von Prahlada erklärt worden. Der Kai-ser Bali, dessen Rückkehr zur Erde für einen Tag im Jahr wir heute am Onam-Fest feiern, war Prahladas Enkel. Bali gehörte zu einer Linie von grossen Asketen. Sein Vater Virocana war ebenfalls berühmt für seinen Opfergeist. Er betrachtete das Wohlergehen seines Volkes als sein ei-genes Wohlergehen.Mein Vorredner, Herr Wellington, sagte, dass Dienst an der Menschheit Dienst für Gott ist. Dieses Prinzip wurde von Virocana hochgehalten. Der Herrscher Bali folgte auch dieser Regel.

Einmal versammelten sich mehrere Personen um Buddha und baten ihn, sie etwas von Gott zu lehren, da er dem spirituellen Pfad schon so lange gefolgt war. Buddha schwieg. Niemand ist fähig, Diskussionen über Gott zu führen. Gott ist im „Ja“ und im „Nein“; er ist in Rechtschaf-fenheit und in Rechtlosigkeit, in Wahrheit und in Unwahrheit. Wie kann man über Jemanden diskutieren, der allgegenwärtig ist? Das ist nur Zeitverschwendung. Gott ist die Verkörperung von Rechtschaffenheit, Wahrheit und von Gewaltlosigkeit. Deshalb ermahnt der Vedanta die Menschheit: Sprich die Wahrheit, folge der Rechtschaffenheit.Einige Menschen versammelten sich um Ramakrishna Paramahamsa und fragten ihn: „ Sir! Haben Sie Gott gesehen?“ Ramakrishna lachte herzlich. Er antwortete: „Ja! Ich habe Gott gesehen, so wie ich euch sehe. Alles ist eine Form Gottes. Allerdings ist eure Sichtweise anders. Ihr seht alle Personen als menschliche Wesen. Aber alles, was ihr seht, ist göttlich. Warum gelingt es euch nicht, das Göttliche zu sehen? Ihr weint über eure Frau, eure Kinder, euren Wohlstand und eure Position. Habt ihr jemals auf die gleiche Weise nach Gott geschrieen? Nein. Wenn ihr intensiv nach Gott ruft, wird er vor euch erscheinen.“ Sobald ihr eure schlechten Eigenschaften aufgebt, werdet ihr Gott erfahren.

Als der Herr als Vamana zum Opferritual des Herrschers Bali kam, emp-fing ihn der Herrscher ehrfurchtsvoll und fragte ihn nach seinen Wün-schen. Vamana sagte: „Ich wünsche mir drei Fuss deines Landes, ge-messen mit meinen Füssen.“ Bali antwortete: „Warum seid ihr den gan-zen Weg gekommen, um nach nur drei Fuss Land zu fragen?“ Vamana erklärte: „Das ist alles, was ich mir wünsche.“ Shukracarya, der Lehrer des Herrschers, warnte diesen davor, das Geschenk zu gewähren, da der Bittsteller keine gewöhnliche Person sei. Aber der Herrscher er-

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klärte entschieden, dass es keine grössere Sünde gäbe als die, sein Versprechen nicht zu halten. Er stand zu seinem Wort.Kaiser Bali steht beispielhaft für Jemanden, der sein Wort hält. Dies ist der Grund, warum ihn die Menschen aus Kerala bis zu diesem Tag ver-ehren und zu seinem Gedächtnis das Onam-Fest feiern.

Was wird heute angebetet?Es ist die Wahrheit.

Ohne Wahrheit ist nichts von Wert.Ohne die Werte Wahrheit,

Rechtschaffenheit, Frieden und Liebesind alle Erziehung und alle anderen Fähigkeiten ohne Nutzen.

(Telugu Gedicht)

Liebe ist der höchste Wert. Nicht die weltliche Liebe, sondern die gött-liche Liebe ist kostbar. Diese göttliche Liebe umschliesst jede andere Form von Zuneigung zu Freunden und zu Anderen. Pflegt die dauer-hafte Freundschaft Gottes.Herrscher Bali war bereit, alles, auch sich selbst, Gott zu opfern. Dies ist seine Grösse. Es ging nicht um das Geschenk von nur drei Fuss Land. Er bot sich selbst Gott dar.

„Ich gebe dir alles, was mein ist:meine Familie, meinen Wohlstand und mich selbst.

Ich behalte nichts für mich.Rette mich, oh Herr, der ich Zuflucht bei dir gesucht habe.“

(Sanskrit-Shloka)

„Das Herz, welches du mir gegeben hast, biete ich dir an;was sonst kann ich zu deinen Lotosfüssen niederlegen?“

(Telugu Gedicht)

In diesem Geist gab sich Bali dem Herrn hin.

Viele Schüler kennen die vollständige Geschichte Prahladas nicht, des Grossvaters von Bali. Wenn Jemand für seinen edelsten Charakter zu rühmen ist, so kann es allein Prahlada sein. Einstmals besiegte Indra Prahlada und erfreute sich des Himmels. Später überwältigte Prahlada Indra und entzog ihm das Reich der Götter. Indra war verloren und suchte den Rat seines Hohenpriesters, um sein Königreich zurück-zugewinnen. Der Priester sagte ihm, dass Prahlada ein grosses Op-

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ferritual vollführte, „Vishvajit“ genannt; und dass er die Form eines Brah-manen annehmen und Prahlada um ein Geschenk bitten solle. Prahl-ada werde stets geben, was immer man von ihm wünsche. Indra ging zu Prahlada in der Gestalt eines armen Brahmanen. Prahlada hiess ihn willkommen und fragte ihn nach seinem Wunsch. Wie es ihm zuvor von seinem Hohepriester geraten worden war, bat er Prahlada, ihm seinen Charakter zu schenken. Prahlada fragte den Brahmanen, welchen Nut-zen sein Charakter für ihn habe. Der Brahmane antwortete, dass es keine Notwendigkeit gäbe, dies zu erörtern. Er habe seinen Wunsch geäussert als Antwort auf Prahladas Angebot, aus Anlass des Vishvajit-Opfers Jedem zu geben, was er wünsche. „Bist du bereit zu geben, oder nicht‘?“ Prahlada gab sofort in gebührender Form, was der Brahmane erbeten hatte.Innerhalb weniger Minuten trat eine leuchtende Flamme aus Prahlada hervor. Als er die strahlende Form erblickte, fragte er: „Wer bist du?“ Die leuchtende Figur warf sich vor Prahlada nieder und antwortete: „Ich bin dein Charakter. Bisher war ich in dir. Ich förderte deinen Namen und Ruhm. Nun hast du mich als Geschenk weggegeben. Deshalb verlasse ich dich.“

Kurz nachdem der Charakter Prahlada verlassen hatte, kam eine an-dere wundervolle und leuchtende Form aus Prahlada heraus. Er fragte: „Wer bist du, oh König?“ Die strahlende Figur antwortete: „Prahlada! Ich bin dein Ansehen. Nachdem dich dein Charakter verlassen hat, habe ich keinen Platz mehr in dir. Bisher war ich der Diener des Cha-rakters. Da der Charakter dich verlassen hat, habe ich zu folgen.“Prahlada war verwirrt. Sodann trat eine weitere wundervolle, leuchten-de, weibliche Form aus Prahlada heraus. Dieser fragte sie respektvoll: „Mutter! Wer bist du?“ „Prahlada! Nach dem Weggang von Charakter und Ansehen habe ich, genannt die Göttin des königlichen Wohlstan-des, keinen Platz mehr in dir.“ Indra, der in der Form eines Brahmanen gekommen war, nahm alle drei mit sich.Im gleichen Augenblick verlor Prahlada sein Königreich. Ihr könnt dar-aus ersehen, wie sehr eines Menschen Ruf und Gedeihen vom eigenen Charakter abhängen. Charakter ist eine höchst göttliche Eigenschaft. Deshalb heisst es von Gott, er habe sechs Eigenschaften, darunter Rechtschaffenheit, unendlicher Wohlstand, grenzenloses Gedeihen, unbeschreiblicher Ruhm und unergründliche Weisheit.Prahlada war die Verkörperung von Charakter. Nachdem Indra ihm sei-nen Charakter weggenommen hatte, heiratete er später und bekam ei-nen Sohn mit Namen Virocana. Ihr mögt aus dieser Geschichte erken-

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nen, welche Bedeutung dem Charakter im spirituellen Prozess beige-messen wird. Dieser Charakter sollte nur Gott dargeboten werden und niemandem sonst. Gott ist absolut selbstlos und deshalb wird es für dich keinen Verlust bedeuten, wenn du deinen Charakter Gott darbietest.Keiner anderen Beziehung darf erlaubt werden, die Oberhand über die Beziehung zwischen dem Devotee und Gott zu haben. Bali ignorierte die Warnungen seines Lehrers und erfüllte sein Vamana gegebenes Versprechen. Bharata missbilligte die Handlung seiner Mutter, welche zu seiner Trennung von Rama führte. Prahlada ordnete sich seinem Vater nicht unter, als seine Verehrung für Narayana zur Debatte stand. Mira erlaubte es nicht, dass das Verhalten ihres Ehemannes ihrer Ver-ehrung für Krishna im Weg stand.Was immer auch geschehen mag, du solltest Gott nicht aufgeben. Gott ist der einzige unfehlbare Beschützer.

(Swami erzählte die Geschichte von Abhimanyu, wie dieser den Segen seiner Mutter erhalten hatte, ehe er zu einem Zeitpunkt in die Schlacht ging, da Arjuna weggegangen und Krishna nicht erreichbar war, um ihn um Rat zu fragen. Aber ihr Segen hatte keinen Wert, da Gottes Stärke nicht verfügbar war. Abhimanyu starb in der Schlacht als mutiger Held. Alle Formen von Kraft: physische und materielle Stärke, menschliche Kraft, etc., sind nutzlos ohne die göttliche Kraft an deiner Seite. Gött-liche Unterstützung und Rechtschaffenheit sind die beiden Dinge, die wesentlich für den Erfolg sind. Welche spirituellen Übungen man auch immer ausüben mag - der Mensch sollte sich darauf konzentrieren, die Verschmelzung mit dem Göttlichen zu erreichen; denn dies ist das vor-rangige Ziel.

(Prashanti Nilayam am 27.8.)

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1. September

Gott ist die einzige Zuflucht

Brahman ist die Form der Liebe,Brahman ist durchdrungen von Liebe,die Liebe ist nur der Liebe verpflichtet,

Derjenige, der von Liebe erfüllt ist,kann die Einheit mit Gott erleben.

Weder vom Himmel über uns,noch von der Unterwelt oder der Erde,

sondern durch das Beseitigendes Knotens der Unwissenheit im Herzen

erlangt man Befreiung, sagen die heiligen Schriften.

Verkörperungen der Liebe!

Befreiung fällt nicht vom Himmel. Sie kann auch nicht aus der Unterwelt kommen oder auf der Erde gefunden werden. Befreiung kann erst er-langt werden, wenn die Unwissenheit aufgelöst wird. In diesem uner-messlich grossen Universum lebt jedes Wesen gemäss seinen eigenen Gesetzen. Nur der Mensch, der das Geschenk dieser so kostbaren menschlichen Geburt erhielt, erkennt den Zweck seiner Existenz nicht und missachtet seine Pflichten.Der Mensch ist in sinnlichen, weltlichen Vergnügungen gefangen und vergisst seine spirituelle Bestimmung. Alle Gelehrsamkeit ist ohne Selbsterkenntnis wertlos. Ravana, Bhasmasura und Kamsa fehlte es weder an Gelehrsamkeit noch an religiöser Praxis. Doch bezog sich all dies auf die äussere Welt und nicht auf die Entwicklung des Geistes im Inneren. Deshalb änderten sich ihre grundlegenden dämonischen Eigenschaften nicht.Erst wenn unreine und unheilige Gedanken aus dem Gemüt entfernt werden, kann es von heiligen Gefühlen erfüllt werden. Um dauerhafte Glückseligkeit zu erleben, muss das Herz geheiligt werden, indem man es mit Liebe füllt. Durch diese Liebe kann das höchste Wissen erlangt werden.

Die Samen der Liebe zu säen, die Pflanze der Geduld aufzuziehen und die Früchte des Friedens durch hingebungsvollen Dienst an der Ge-

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sellschaft zu verteilen, das sollte sich die heutige Jugend als Wichtig-stes Ziel vornehmen.Das Geheimnis des Friedens liegt nicht in der äusseren Welt, sondern in jedem Einzelnen. Jeder sollte erkennen, dass das gesamte Univer-sum vom Göttlichen durchdrungen ist. Heute ist die Welt voll Streit. Es ist nicht möglich, zwischen einem Menschen und einem Dämon zu un-terscheiden. Der Mensch, der sich aus dem Tier entwickelte, regrediert wieder zum Tier, anstatt zum Göttlichen weiterzugehen. Die erste Pflicht des Menschen ist es, die menschlichen Werte Wahrheit, Recht-schaffenheit, Frieden und Liebe zu leben. Der Mensch ist heute von Bindungen und Hass erfüllt. In dem Moment, in dem er sie abwirft, wird er seine Göttlichkeit erkennen.

Studenten! Ihr müsst erkennen, dass der spirituelle Weg leichter ist als eure akademischen Studien. Bildung sollte dazu dienen, das Herz zu läutern und nicht dazu, den Verstand mit nutzlosem Ballast zu füllen.Heute hat das Land jedes Gefühl für ethische und spirituelle Werte ver-loren. Üble Praktiken sind im Land weit verbreitet. Unkontrollierter Ego-ismus und unersättliche Wünsche sind die Gründe für das heutige Übel. Gibt es im Streben nach weltlichen Dingen dauerhaftes Glück? Kei-nesfalls. Spät im Leben sucht der Mensch, nachdem er alle Erfahrun-gen des Familienlebens gemacht hat, sogar in seinen letzen Jahren ein Glück, das ihn meidet. Wo kann man Glück finden? Tyagaraja gab die Antwort, als er davon sang, dass man Glück nicht durch Wohlstand fin-det, sondern nur durch die Verehrung Ramas.

„Weltlicher Komfort kann nicht erzwungen werden. Doch das spirituelle Ziel sollte man stets im Auge behalten. Das Mass an Sinnesfreuden sollte begrenzt werden. Das verdiente Geld sollte zum Wohl der Allge-meinheit eingesetzt werden. Die Kultur Indiens hat immer die Entsa-gung gepriesen. Unsterblichkeit kann nur durch Verzicht erlangt wer-den, sagen die heiligen Schriften. Die Studenten sollten erkennen, dass nur Gottes Liebe selbstlos und grenzenlos ist. Selbst die Liebe der El-tern, der Familie, der Kinder enthält eine Spur E-goismus. Doch Gottes Liebe kennt keinerlei Egoismus. Weiht alle eure Handlungen Gott. Übergebt Gott alle eure schlechten Eigenschaften. Gott wird euch das geben, was gut für euch ist.“Wie gut sind Verwandte? Der Lehrer erklärte dem Schüler immer wie-der, dass es keinen Wert hat, sich auf die eigene Mutter, den Vater, die Brüder, die Verwandten, auf Wohlstand oder Besitz zu verlassen. Sie sind alle vergänglich. Deshalb sollte er auf der Hut sein. Deshalb

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seid wach, seid wach. Er lehrte ihn auch, dass das Leben bis zum Ende voller Leid ist und er deshalb stets wachsam sein sollte. Der junge Mann sagte zu dem Guru, dass diese Lehre wohl für Einsiedler wie den Guru richtig sein möge, doch nicht für einen gewöhnlichen Menschen wie ihn zutreffe. Er sagte zu dem Guru: „Ich habe aussergewöhnliche Eltern und eine gute Frau, die ohne mich niemals isst. Sie alle lieben mich. Wie kann ich sie verleugnen?“ Der Guru antwortete: „Ich werde dir die Wahrheit meiner Lehre beweisen.“ Er gab dem Schüler eine Pille und sagte, dass er, nachdem er sie genommen habe, wie tot sein würde, doch sich dessen, was um ihn herum geschehe, bewusst sei, obwohl ihn die anderen für tot halten würden. „Dann wirst du die Wahrheit er-kennen.“Der Jüngling kehrte nach Hause zurück, nahm die Pille und fiel tot um, wie es schien. Die Mutter kam, rief den Vater und fing an, den Tod des Sohnes zu beklagen. Die Ehefrau kam herbei, als sie das Weinen der Mutter hörte und rief, als sie den Körper ihres Mannes sah: „Ich bin die einzige Tochter meines Vaters. Wenn mein Mann geht, was passiert dann mit mir?“ Alle, die über dem Körper klagten, riefen: „Was soll mit mir geschehen?“ Andere Verwandte kamen und beklagten den Tod ei-nes jungen Mannes, der tugendhaft und spirituell ausgerichtet war. Zu diesem Zeitpunkt kam der Lehrer. Alle machten ihm Platz. Der Guru fragte die Mutter, den Vater und die Frau, warum sie wehklagten. Sie alle sprachen von dem schmerzlichen Verlust, den sie durch den Tod des jungen Mannes erlitten hatten. „Was wird aus mir?“ fragte jeder. Der Guru bat die Mutter, ein Glas Wasser zu holen. Er schloss die Au-gen wie zum Gebet und sagte dann zu ihnen: „Wenn jemand dieses Wasser trinkt, so wird er sterben. Doch der junge Mann wird wieder le-bendig.“ Er bot das Wasser erst der Ehefrau an, als derjenigen, die dem jungen Mann am teuersten war. Sie sagte: „Ich bin das einzige Kind meiner Eltern. Wenn ich sterbe, werden sie zusammenbrechen, des-halb kann ich das Wasser nicht trinken.“ Der Guru sagte: „Dein Ehe-mann wird leben. Warum gibst du nicht dein Leben?“ Sie antwortete: „Der tote Mann ist sowieso nicht mehr. Warum sollte ich sterben?“Dann fragte der Guru die Mutter. Sie sagte: „Meine Tochter ist zur Ent-bindung gekommen. Sie ist hilflos. Und ich habe noch zwei Töchter, die ich verheiraten muss. Wie könnte ich sie verlassen?“ Als der Vater gefragt wurde, antwortete er: „Ich bin das Familienoberhaupt. Wenn ich gehe, bleiben nur zwei Frauen zurück, meine Frau und meine Schwie-gertochter. Meine Frau wird Witwe. Ohne männliches Familienmitglied im Haus sind sie hilflos. Wie kann ich mein Leben aufgeben?“ Alle drei weigerten sich, das Wasser zu trinken. Sie gingen ins Haus und ent-

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warfen einen meisterhaften Plan. Sie kamen wieder heraus und sagten: „Swami! Du bist voll Mitgefühl. Du hast keine anderen Bindungen. Bitte trinke du das Wasser und mache so unseren Sohn wieder lebendig. Wir werden ein marmornes Grabmal für dich bauen.“In diesem Augenblick besprengte der Guru den Körper des jungen Mannes mit dem Wasser. Dieser stand auf. Der Guru fragte ihn: „Was sagte deine Frau? Und deine Mutter und dein Vater?“ Er antwortete: „Sie sagten alle, ich solle sterben.“

Der Guru bemerkte:

„Die Welt ist vergänglich. Geburt bedeutet Elend, Alter bedeutet Elend. Es gibt Schwierigkeiten mit der Frau. Das ganze Leben ist erbärmlich.

Sei deshalb achtsam.“(Sanskrit-Vers)

Solange man lebt, scheinen alle den Körper zu lieben. Dies geschieht nur aus egoistischen Gründen. Nur Gott ist völlig selbstlos. Wenn ihr diesen Gott liebt, könnt ihr ein normales Leben führen. Nichts ist falsch. Was ihr auch tut, behandelt es als ein Geschenk für Gott. Seht Gott in jedem. Hegt keine schlechten Gefühle gegenüber Anderen. Bindet euch an niemanden übermässig. Bindet euch nur an Gott. Liebt alle. Doch verlässt euch auf Niemanden ausser auf Gott. Erkennt die Ver-gänglichkeit des Körpers und setzt euer Vertrauen nur auf Gott. Sucht Zuflucht bei ihm. Dieses Vertrauen ist das, was im gegenwärtigen Ei-sernen Zeitalter am meisten gebraucht wird. Der Verlust des Glaubens ist für den Streit und das Chaos im Land verantwortlich.

Liebe Studenten! Ihr seid das Opfer einer rein weltlichen Erziehung ohne spirituelle Wurzeln. Meditiert so oft es euch möglich ist über Gott. Das wird euch eine gute Zukunft sichern. Verdient die Wertschätzung der Gesellschaft durch Dienen.

(Prashanti Nilayam am 1.9.)

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1. September

Die Menschlichen Werte und die Göttlichkeit

Zieh die Pflanzen auf Kampfer,dünge sie mit wohlriechendem Moschus,

giesse sie mit Rosenwasser -dennoch wird nichts der Zwiebel ihren typischen Geruch nehmen!

Schüler und Studenten!

Zum Wachstum der menschlichen Werte und zum Erreichen der Gött-lichkeit ist Entwicklung auf körperlicher und geistiger Ebene nötig. Das Leben als Mensch wird euch nicht gegeben, damit ihr die Zeit auf dieser Erde auf weltliche, materielle, oberflächliche Weise verbringt. Was ihr auf diese Weise erfahrt, erfahren Tiere genauso. Was macht das Leben als Mensch besonders? Von allen Lebensformen ist das Leben als Mensch am schwersten zu erlangen. In welcher Beziehung ist dieses Leben etwas Besonderes? Tiere essen genauso wie ihr. Alles Ange-nehme, das Sichwohl-Fühlen, das ihr euch wünscht, wollen und ge-niessen die Tiere auch. Ihr empfindet Zuneigung, Liebe für eure Fami-lienangehörigen - die Tiere empfinden genauso. Wozu braucht ihr Bil-dung und Erziehung? Zu welchem guten Wissen, zu welcher Weisheit führt euch die Ausbildung? Ihr nutzt sie, um euren Lebensunterhalt zu verdienen. Dadurch zeichnet sich das Dasein als Mensch nicht aus! Und es ist erst recht kein Zeichen von göttlichem Leben. Wer als Mensch geboren wurde, sollte um seinen Ursprung und seine ureigene Herrlichkeit wissen.Das Leben des Menschen ist an zwei Prinzipien gebunden: Göttliches Gesetz und Handlung. Wenn sich das Leben allein aufs Handlung, aufs Arbeiten ausrichtet, so könnt ihr sehen, dass Tiere dasselbe leisten. Es geht nicht nur darum, körperlich aktiv zu werden - ihr müsst unter-scheiden können, kritisches Urteilsvermögen anwenden, euren Intel-lekt gebrauchen und dann erst handeln. Bevor ihr etwas tun wollt, solltet ihr euch also fragen: Ist das dem Status eines Menschen gemäss oder entspricht es dem Stand eines Tieres? Dem menschlichen Leben wohnt die Göttlichkeit inne. Das ist unendlich, unvergleichlich. Dieses Menschenleben, das göttlich ist, dem Leben anderer Geschöpfe gleich-zusetzen, ist unwürdig.

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Die menschliche Gesellschaft muss tätig sein. Wie? Was muss sie tun? Woher kommt ihr Tun? Vom allesdurchdringenden Göttlichen. Aus dem göttlichen Sein kam zuerst der Klang und der Raum (akasha), aus dem Raumelement die Luft, aus dem Luftelement Feuer, aus dem Feuer das Wasser, aus dem Wasser die Erde. Die Ernteerträge kommen von der Erde. All eure Nahrung bezieht ihr aus diesen Ernten. Der Mensch ist das Ergebnis seiner Nahrung. Der grobstoffliche, menschliche Körper entsteht aus der Nahrung, die der Mensch aufnimmt. Eure Nahrung wird hauptsächlich aus Körnern gewonnen. Diese sind ein Produkt der Erde. Die Erde ist das Resultat des Wassers. Wasser wird aus dem Feuer geboren. Das Feuer kommt von der Luft, die Luft aus dem Raum. Der Raum kommt aus Gott, aus Brahman. So könnt ihr die tiefe Be-ziehung sehen, die zwischen Nahrung, Glückseligkeit und Gott Brah-man besteht. Das Leben als Mensch, das mit Nahrung beginnt, soll in Glückseligkeit enden. Diese Glückseligkeit ist Gott-Sein.

Ewige Glückseligkeit, allerhöchstes Glück,

einzigartige, alleinige Verkörperung der Weisheit,göttliche Glückseligkeit.

Woher bekommt ihr diese unendliche Glückseligkeit? Einzig der Weise hat sie! Wissen, Weisheit bringt also Glückseligkeit und versetzt euch in die Lage, den Aufenthalt auf der Erde zum glücklichen Ende zu brin-gen. Der Mensch von heute versteht nicht, was Glücklichsein ist. Er denkt, dass materielle Annehmlichkeiten Glück sind. Er hält dieses weltliche Glück für real. Diese Glücksgefühle gehen immer vorüber. Wollt ihr denn solch ein Glück? Die Dinge der Welt sind Wolken, die vorüberziehen. Das Glück, das ihr durch sie erfahrt, ist ebenso vor-übergehend.

Ich habe dies schon oft gesagt. Warum wird der Lehrstoff immer aufs neue wiederholt? Viele Studenten denken: „Warum wiederholt Swami sich dauernd, warum sagt er die wichtigen Dinge so oft?“ Ich frage euch: Warum füttert ihr denn immer wieder denselben Magen? Warum wascht ihr dasselbe Gesicht immer wieder? Es ist doch dasselbe Ge-sicht! Warum wascht ihr es dreimal täglich? Warum esst ihr dreimal am Tag? Ihr ahnt nicht, wieviele Säcke Reis ihr bisher schon verbraucht habt, wieviele ihr noch verzehren werdet und wieviel Geld ihr dafür auf-wendet. Was unternehmt ihr nicht alles, um denselben spannenlangen Magen immer wieder zu füllen! Ihr lernt so unendlich viel - nur um zu

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lernen, wie man sich einen vollen Magen sichert! Das führt nicht zum vollkommenen Glück!Wofür lebt denn die Menschheit? Man kann von ihr nicht den Weg der Hingabe lernen - wie könntet ihr dann von ihr lernen, wie man zu Gott findet? Wieviele Säcke Reis verbraucht ihr, um diesen kleinen Magen zu füllen. Und dennoch ist der Magen nie voll genug. Darum müssen Dinge immer wieder gesagt und betont werden, damit sie assimiliert, verdaut und in Handlung umgesetzt werden.

„Sei nicht stolz auf deine Jugend,deine Freunde, deinen Reichtum!Von einem Moment zum andern

kann dir die Zeit dies alles nehmen.Lass ab von der Illusion dieser Welt,

verbinde dich mit der zeitlosen, ewigen Wahrheit.Singe den Namen Gottes, verehre Gott.

Du Tor, denke ständig nur an Gott!“

Euch steht so viel Zeit zur Verfügung, die ihr nutzbringend verwenden könntet, die ihr aber mit Gerede verschwendet. Wieviele akademische Grade wollt ihr erwerben? Ihr lest so viele Bücher. Ihr habt so viel Wis-sen. Was nützt euch das alles? In welchem Mass setzt ihr alles in die Tat um? Ach! Nichts, nicht einmal ein Bruchteilchen! Wenn ihr etwas auf dem Teller habt, müsst ihr die Hand in Bewegung setzen, wenn es den Magen erreichen soll. Eure ganze Bildung, all die Titel, die ihr er-werbt, tragen nur durch Praxis, durch Anwendung des Gelernten, Früchte. Was nützt Bildung, die sich nicht im Handeln äussert? Sie ist Zeitverschwendung! Eine Last für die ganze Erde und Nahrungsver-schwendung! Das ist nicht eure Aufgabe. Ihr müsst um die Missstände in der heutigen Gesellschaft wissen. Mit all der Ausbildung, die euch hier zuteil wird, müsstet ihr die nötigen Fähigkeiten haben, die Gesell-schaft zum Guten zu verändern. Den Studenten obliegt es, die zerrüt-tete Gesellschaft in Ordnung zu bringen. Diese Elite, Leute, die fähig und würdig sein sollten, sind heutzutage unwürdig und unfähig. Jeder ist nur selbstsüchtig. Da ihr so voller Egoismus seid, lebt ihr wie Tiere. Das zeugt nicht von Bildung und guter Erziehung. Das Leben als Mensch ist euch gegeben, damit ihr Ideale setzt. Was für Ideale? Den idealen Menschen sollt ihr vorleben!Gestern habe ich über den Sinn und Wert des Lebens gesprochen. Selbst ein totes Kaninchen hat noch einen Wert. Der menschliche Kör-per ist wertlos. Wenn euch jemand zu Hause besucht, gebt ihr seinen

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Schuhen sogar einen Platz - aber einem toten Menschenkörper wollt ihr im Haus keinen Platz geben. Ist das der Wert des Menschen? Sicher nicht.Woher seid ihr gekommen? Erinnert euch, woher ihr kommt, geht an den Ursprung zurück, erinnert euch an euer Göttliches Selbst. Das ist es, was von euch erwartet wird. Um die Wahrheit zu erkennen, solltet ihr euch klarmachen, dass Gott allem innewohnt. Überall, wohin ihr schaut, müsst ihr Gott erkennen. Die ganze Welt ist voll Gott. Die ganze Welt ist Glückseligkeit. Es gibt kein Leid. Warum fühlt ihr dann Leid? Warum seid ihr unglücklich? Warum ertränkt ihr euch selbst in euren kleinlichen Wünschen? Die Hauptursache liegt darin, dass ihr so an eu-rem Körper hängt. Er, der sich eigentlich ganz dem Geist (Atman) zu-wenden sollte, hat völlige Hinwendung zum Körper entwickelt.Der Körper besteht aus den fünf Elementen. Er wird sterben. Der Be-wohner des Körpers aber ist mit keinerlei Stempel versehen - weder Geburt noch Tod, Befreiung noch Bindung kennzeichnen ihn. Wozu wird euch dieser Körper gegeben? Um ein geheiligtes Leben mit guten Handlungen, guten Gedanken und erhabenen Empfindungen zu ver-bringen.Am Hof des Königs Janaka gab es eine Person, die weise und voller Opferbereitschaft war, das war Gargi. Sie forderte Yajnavalkya heraus. Yajnavalkya hatte einst Katyayani geheiratet und später auch noch Maitreyi zur Frau genommen. Kaiser Janaka war ein Karmayogi, einer, der Gott in allen Handlungen sieht. Er berief eine Versammlung ein, um die ewige Wahrheit herauszufinden. Seine Frage war: „Was ist ewi-ge Wahrheit, und was ist vorübergehende Wahrheit? Der Körper ist nicht von Dauer, der Bewohner des Körpers ist unvergänglich. Welcher Weg führt zur Erkenntnis über den Bewohner?“Einundzwanzig Tage lang wurde debattiert. Schliesslich erhob sich Yajnavalkya und sprach: „Ich will jede an mich gerichtete Frage beant-worten. Ich bin ein Weiser.“ Auf der Stelle erhob sich Gargi und fragte: „Was beinhaltet deine Weisheit?“ Yajnavalkya sagte: „Advaita darsha-na jnanam - überall nur Eins zu sehen, dieses Wissen, das ist es; ich nehme deine Frage an.“ „Warum denkst du dann dualistisch?“ fragte Gargi. „Du hast nur zwei Ehefrauen, Katyayani und Maitreyi, warum nimmst du mich nicht auch noch zur Frau?“ Darauf wusste Yajnavalkya nichts zu erwidern. „Eine Ehefrau, ein Ehemann, eine Schwiegermut-ter, ein Onkel, ein Bruder, ein Vater - kann man jemanden, der diese Art Einheit sieht, einen Weisen nennen? Nur wer das Prinzip der Einheit versteht, nämlich, dass es nur ein göttliches Sein, Atman, gibt, ist wahr-

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lich ein Weiser!“ Von diesen Worten Gargis war die ganze Versamm-lung erschüttert.„Yajnavalkya!“ fuhr sie fort, „Herr! Im Geheimen erfährst du Erfüllung deiner weltlichen Wünsche. Was du heimlich geniessest, geniessen auch die Hunde auf der Strasse. Der eine tut es offen, der andere im Verborgenen. Was ist also das Wissen, das den Menschen ausmacht? Was bedeutet es? Der Wissende sieht alles gleichwertig. Kann einer, der dieses Wissen nicht besitzt, Antworten geben?“

(Sathya Sai Baba rezitiert ein rasantes Gedicht, das selbst Telugusprachige sich ausserstande erklären, zu übersetzen.)

Jeder in der Versammlung war erschrocken über Gargis Ausführungen und Fragen. Gargi war unverheiratet. Niemand konnte je begreifen, welchen Grad an Weisheit und Verständnis sie erreicht hatte.

Gargi sprach weiter:

„Die Welle ist die Zier des Meeres,Die Häuser sind des Dorfes Zier,Den Himmel schmückt der Mond,

Die Weisheit ist die Zier des Menschen.“

Nach einundzwanzig Tagen wurde die Versammlung beendet. Kaiser Janaka sollte nun einen Ehrentitel verliehen bekommen, denn er war ein Karmayogi, der rechtschaffen und selbstlos handelte, ein Jnanayo-gi, d. h. ein Weiser, und er war ein Rajayogi, ein König der Yogis. Daher trug er auch den Namen Vaidehi. Vaidehi bedeutet: nicht an den Körper gebunden sein, kein Körperbewusstsein haben. Das ist wahre Weis-heit. Janaka beschloss, dass Gargi allein würdig war, die Auszeichnung zu verleihen. In dieser Versammlung grösster Gelehrter jener Zeit war Gargi die würdigste Person; nur sie war geeignet, Janaka den Ehrentitel zuzusprechen.Ein Unterschied zwischen Mann und Frau besteht nur auf der Ebene des Körpers. Wissen, Weisheit, Gott, das Ziel - das ist für Alle dasselbe. Es gibt keinen Unterschied zwischen „Mann und Frau“ oder „alt und jung“. Auf der Ebene von Alter, Rang, Gesellschaft besteht kein Un-terschied; so etwas wie Kaste oder Status gibt es nicht. Einzig Eins exi-stiert. Ein Sein, das von den Weisen vielfältig beschrieben wird. Das Wissen und Fühlen, dass es nur Eins gibt, nämlich Gott, das ist der Weisheit letzter Schluss. Diese Wahrheit ist nicht so leicht zu entdek-

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ken. Ihr müsst euch mit aller Kraft bemühen. Wer sich auf den Weg be-gibt, wird das Ziel erreichen.Durch ständiges Üben und Wiederholen lernt ihr, schön zu singen. Wenn man sich angewöhnt, die bitteren Neem-Blätter zu kauen, schmecken sie uns schliesslich süss. Steter Tropfen höhlt selbst den harten Stein. Durch wiederholtes Reiben können wir ein Stück San-delholz auf die Hälfte reduzieren. Je mehr man den Diamanten schleift, desto strahlender wird er. Je öfter ihr das Singen übt, desto besser könnt ihr es. Singen können wir nicht von Geburt an; wir müssen es üben.

Swami singt einen Vers aus der Bhagavadgita (Vers 12, Kap. 12):

„Wohl ist das Wissen besser als der Fleiss,doch ist die Liebe besser als das Wissen,

und die Entsagung besser noch;denn wer in Liebeskraft entsagt, ist nah dem Ziel.”

„Wahrlich, Wissen und Weisheit ist besser als Meditation. Weisheit ist höher zu schätzen als nur Wissen allein.

Besser als Meditation ist das Verzichtenauf die Früchte des Handelns;

auf Verzicht folgt sofort der Frieden.“

Alles kommt nur durch Übung zu uns: Gehen, Sprechen, Lesen, Schrei-ben usw. Selbst diese einfachen Dinge müsst ihr lernen und üben. Müsst ihr nicht üben, um Motorrad fahren zu können? Manchmal ver-letzt ihr euch sogar dabei. Viele Leute nehmen dieses Üben auf sich. Sie fallen oft. Geben sie deshalb das Fahren auf? Aber auf dem spiri-tuellen, dem religiösen Sektor, wenn da ein Wunsch nicht sofort erfüllt wird, gebt ihr gleich auf. Für Weltliches seid ihr bereit, alle möglichen Schwierigkeiten auf euch zu nehmen, Hindernisse zu überwinden und vorwärtszustreben. Das ist nicht das Ziel! Der Mensch muss zur Erfül-lung gelangen. Warum? Das ist seine Bestimmung. Dafür seid ihr ge-boren. Das ist euer wirkliches Ziel. Wenn ihr dieses Ziel erreicht, erfahrt ihr Erfüllung aller menschlicher Werte.Ihr solltet euch einen guten Namen machen und dieses Leben zum Gu-ten wenden. Wenn ihr schwierige Zeiten durchmacht, seid ihr sehr trau-rig. Wenn ihr Angenehmes erfahrt, fühlt ihr Glück und Genuss. Warum seid ihr einmal traurig und einmal glücklich? Ohne Schwierigkeiten fehlt dem Glücklichsein der richtige Wert.

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Swami singt:

Ihr begeht ein Unrecht. Wenn die Folgen euch heimsuchen, leidet ihr.Ihr tut nicht, was ihr sollt - aber mir gebt ihr schliesslich die Schuld!Ihr sündigt, die Folge davon ist, dass ihr Schwierigkeiten bekommt.

Ihr sät giftige Saat, aber ihr erwartet nur die süssesten Früchte.Wenn euer Baum schliesslich bittere Frucht trägt, ist das Menschlich-

keit?

Ihr sät diese giftige Saat, aber ihr wollt nur süsse Früchte. Die bitteren Früchte schmecken euch nicht - also schiebt ihr Gott die Schuld zu. Das ist gegen das Naturgesetz! Wie der Same ist, so ist auch die Frucht. Wenn ihr gute Früchte wollt, müsst ihr von vornherein gute Samen sä-en.Ach - zu Beginn ist das Ehe- und Familienleben voller Glück. Was für ein Glück ist das? Ich habe es euch wieder und wieder gesagt: All dieses weltliche sogenannte Glück vergeht mit jeder Minute.Ein Paar heiratet eines Morgens. Am Abend gehen sie barfuss im Park spazieren. Der Mann entdeckt einen Dorn auf dem Weg und hält die Frau mit grossen Gesten und süssen Worten zurück, damit sie sich nicht verletzt. Nach drei Monaten gehen sie wieder spazieren. Der Mann entdeckt wieder ein Hindernis auf dem Weg und sagt: „Pass auf!“ Mehr nicht. Nach sechs Monaten ist die Liebe entschwunden. Das Ehe-paar macht einen Spaziergang am Strand, unter vielen anderen Leu-ten. Der Mann sieht einen Dorn, die Frau tritt hinein, und er beschimpft sie: „Kannst du nicht sehen, wo du hintrittst? Pass doch auf! Siehst du nicht mal den Dorn, der da auf dem Weg liegt?“ Die ganze weltliche Liebe verringert sich mit jedem Augenblick. Göttliche Liebe aber wächst von Tag zu Tag.Wer eine Mauer baut, steigt ganz natürlich Tag um Tag höher. Im glei-chem Mass, wie die Höhe der Mauer zunimmt, kommt der Mensch im Leben empor. Wer aber eine tiefe Grube gräbt, geht leider buchstäblich zu Grunde, er landet ganz unten. Wer gräbt, gerät in die Tiefe; wer eine Wand errichtet, gelangt höher und höher. Ja, wer aufbauend wirkt, wird immer höhere Höhen erreichen. Ob ihr euch im Leben erhebt oder zu-grunde richtet, hängt ganz von eurem Tun ab.Manche halten sich für unfehlbar und drehen immer alles so hin, dass sie tadellos dastehen. Was kann man da machen? Manche geben den Eltern und Vorgesetzten in der Familie die Schuld für ihr Misslingen. Das ist ein erstklassiger Trick! Was kann man tun, wenn jemand einfach

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nicht einsichtig sein will? Kann man denn Jemanden zwingen, Gift zu trinken? Jeder ist einzig und allein selbst für seine Lage verantwortlich.

„Eure Freude ist euer Himmel, euer Leid ist die Hölle.Ihr schafft euch euer Leid selbst; eure Wünsche sind schuld daran.“

Für euer Glücklichsein sind eure Gedanken verantwortlich. Kontrolliert eure Gedanken und beherrscht sie. Ihr solltet nur gute Gedanken he-gen. Nur durch gute Gedanken kommt das menschliche Leben, kom-men die menschlichen Werte zum Erblühen.Die Missstände nehmen in der ganzen Welt zu, überall. In allen Ländern finden wir Unfrieden und Unzufriedenheit. Um diesen Unfrieden zu be-seitigen, müsst ihr den Frieden nähren. Ihr müsst Gottes heiligen Na-men verbreiten. Auf jedem Weg und mit jedem Zentimeter solltet ihr Gottes Namen denken und verbreiten. Nur dann zieht Frieden in euer Leben ein.Schaut! Wenn ihr Bhajan-Lieder singt, sind die Klänge, die Klangwellen hier in der Luft. Ihr bezweifelt vielleicht, dass sie sich ausbreiten, es ist aber so. Jemand spricht in Delhi im Radiosender. Was von dort, von Delhi, gesendet wird, könnt ihr gleichzeitig sogar hier in Prashanti Ni-layam hören. Die Klangschwingungen, die im Raum, in der Luft, sind, könnt ihr hören. Alles kommt von den Schwingungen, den Wellen, die sich überall hin ausbreiten. Wenn ihr immer Gottes heiligen Namen im Munde führt, verbindet sich dieser mit der Luft. Diese heilige Luft, diese göttliche Klangschwingung, wird Luftverschmutzung beseitigen. Wenn ihr diese geheiligte, saubere Luft einatmet, entstehen in euch erhabene Gefühle. Wenn ihr aber die Luft verschmutzt, müsst ihr natürlicherweise diese verunreinigte Luft atmen. Von dieser eingeatmeten verschmutz-ten Luft kommen ebenso verschmutzte Gedanken.

Wie die Flamme, so der Rauch. Wie der Rauch, so die Wolke.Wie die Wolke, so der Regen. Wie der Regen, so die Ernte.

Wie die Ernte, so die Nahrung.

Aus dem, was ihr kocht, kommen eure Gedanken. Nahrung, Kopf und Gott gehören zusammen. Ihr müsst den Zusammenhang zwischen die-sen Dreien sehen. Gesundheit ist für Schüler wichtig. Ihr solltet sehr sorgfältig auf eure Nahrung achten. Esst nicht unüberlegt überall, wo es euch gerade in den Sinn kommt.Ihr redet immer von reiner Ernährung. Ihr sagt, dass Milch, Joghurt und Obst reine Qualitäten besitzen. Es gibt Grenzen. Wenn ihr zuviel von

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diesen Dingen zu euch nehmt, machen sie euch träge. Wenn ihr Schü-ler vorwiegend reine Gefühle und Gedanken fördern wollt, müsst ihr euer Bad morgens zwischen 5 und 6 Uhr nehmen. Das Bad zwischen 5 und 6 Uhr ist göttlich. Ein Morgenbad, zwischen 6 und 7 Uhr ist menschlich. Morgens zwischen 8 und 9 Uhr zu baden, ist dämonisch. Die frühen Morgenstunden sind voller Segen. Sie sind lebensförderlich. In dieser Zeit könnt ihr ein reines Herz und gute segensreiche Gedan-ken entwickeln. Entsprechend heilig wird dann euer ganzes Leben.Ihr solltet kein Essen zu euch nehmen, das sehr kalt ist. Reste vom Vor-tag solltet ihr nicht mehr essen. Die Nahrung sollte genügend Öl ent-halten. Essen ohne Öl solltet ihr nicht zu euch nehmen. Heutzutage sa-gen die Ärzte, zuviel Öl würde Cholesterin entwickeln. Der Arzt hat viel-leicht zuviel Cholesterin - ihr nicht. Ein gewisses Mass an Cholesterin muss im Körper vorhanden sein. Alles sollte im angemessenen Mass dasein. Zuviel Öl solltet ihr also auch nicht zu euch nehmen, aber doch so viel, wie nötig ist. So ist es mit allem.Was ist nun wirklich eine reine Qualität? Wie könnt ihr reine Nahrung aufnehmen? Wenn das Essen lecker ist, schlagt ihr euch bis obenhin voll, so dass nicht einmal mehr Luft aus dem Magen kommen kann. So viele Leute überessen sich bei Hochzeiten. Sie können nicht genug bekommen. Am liebsten möchten sie ganz schnell verdauen, damit sie noch mehr einfüllen können. Sie sagen sich wie ein Mantra vor: „Schnell verdauen, schnell verdauen!“, dann kommt ein bisschen Luft hoch, und sie meinen, nun sei wieder Platz da, der aufgefüllt werden kann.Was ist reines Essen? Wenn ihr zum Essen geht, solltet ihr euch leicht fühlen, und nach dem Essen genauso. Ihr aber rennt zu Tisch, schlingt in Eile grosse Portionen hinunter, und wenn ihr voll seid, könnt ihr euch kaum erheben, so schwer fühlt ihr euch. Das ist nicht Reinheit, sondern Trägheit! Ihr solltet die Mahlzeit beenden, bevor ihr euch ganz voll fühlt; ihr müsst das Gefühl haben, dass noch etwas in den Magen hinein-passen würde.Einige Gemüse haben eine reine Qualität. Grüne Blattgemüse sind sehr gut. Wir haben so viele verschiedene Gemüse. Viele Krankheiten kommen vom Gemüse. Wenn ich euch offen alles über den Gemü-seanbau erzählen würde, verginge euch der Appetit völlig. Es gibt klei-ne Chilischoten. Normalerweise reicht die Schärfe so einer Schote für eine Mahlzeit von einer Familie von 5-6 Personen. Durch die verrückten Düngemethoden werden diese kleinen Chilis heutzutage viel grösser. Selbst für eine einzige Person gibt solch eine Schote nicht genug Schär-fe her. Aber nicht nur das - wo wachsen diese Dinge? Die Art und Weise, wie Gemüse heute angebaut wird, ist die Ursache vieler Krankheiten.

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Die Regierung sorgt für nichts und stellt sich blind. In Bangalore findet ihr allerhand Arten verschiedener Gemüse. Da gibt es Blumenkohl von gigantischen Ausmassen und Gurken gross wie Köpfe. Aber wie wach-sen diese Dinge? Die Felder werden mit den Abwässern der Stadt be-rieselt. Das Gemüse wird mit dem Wasser der Stadtkanalisation grossgezogen! Das ist die Quelle vieler Krankheiten, verursacht von der Regierung höchstselbst! Ich begreife nicht, wie man das Zeug es-sen kann! Die Regierung weiss genau, wie die Abwässer genützt wer-den. Wieso essen sie - nun ja, sie sind halt hungrig. Sie sind auch nur Büffel. (Im Telugusprachgebrauch wird das Wort männlicher Büffel mit der Bedeutung „nutzloser Kerl“ gebraucht; Anm. d. Übers.).Dieses Gemüse ist die Ursache von Herzanfällen und Krebs. Es wird mit Pestiziden behandelt. Die Dorfbewohner wissen nicht, wie sie damit umgehen müssen. Stadtleute waschen und schälen das Gemüse vor dem Kochen. Die Dorfbevölkerung weiss nichts vom Schälen. Die Leu-te schneiden das Gemüse einfach klein und verarbeiten es so, und es-sen es eventuell sogar roh. Die Pestizide, welche die Insekten vernich-ten sollen, zerstören so die Menschen.Das Fühlen und Denken der Menschen ist total verdreht. Je mehr Rein-heit der Mensch will, desto mehr Unreinheit schafft er. So sind die hei-ligen, reinen Gedanken und Gefühle völlig verschwunden, und schlech-te sind hereingekommen.Ihr solltet mit allem, was mit eurer Nahrung zu tun hat, äusserst um-sichtig umgehen. Zum Beispiel Milch: Vollmilch sollt ihr nicht trinken. Allerdings ist Vollmilch heute auch gar nicht zu kriegen, die Produzen-ten tun ja schon Wasser für uns hinein. Und im Studentenwohnheim wird noch einmal Wasser dazugetan (grosser Beifall und Gelächter der Schüler). Natürlich ist das Wasser nötig, weil ihr ja keine Vollmilch trin-ken solltet. Ein Glas Wein ist besser als ein Glas Vollmilch. (Swami be-nutzte hier eine Telugu-Redeweise, die in etwa besagt: „Wähle von zwei Übeln das Kleinere.“ Der Satz ist durchaus nicht als Empfehlung gedacht, Wein zu trinken; Anm. d. Übers.) Warum keine Vollmilch? Sie fördert die trägen Tendenzen. Ihr könnt damit die Muskeln entwickeln, aber das ist nicht das Wichtige für den Menschen, das ist kein mensch-licher Wert. Über die Milch brauchen wir also nicht weiter nachzuden-ken - die Milchverkäufer mischen sie bereits mit Wasser. Ihr solltet das essen, was euch Kraft gibt. In eurem Alter solltet ihr ausreichend Reis und Chappatis (Brotfladen aus Weizenmehl und Wasser) essen. Wa-rum? Damit ihr eure Gedanken unter Kontrolle bekommt. Um eure Ge-danken zu bekämpfen, braucht ihr geistige Stärke. Willenskraft bezieht

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ihr nur aus der Körperkraft. Wenn euer Geist stark ist, könnt ihr mit allen Problemen und Ängsten dieser Welt fertigwerden.

Schüler und Studenten! Viele Leute essen Fleisch. Versteht mich nicht falsch, ich sage nicht, dass die Leute schlecht sind, aber nicht-vege-tarisches Essen ist sehr schlecht. Fleischesser bekommen dieselben Krankheiten, welche die Tiere haben. Das sind Tiere - ihr seid Men-schen. Wenn der Mensch sich von Tieren ernährt, wird er auch zum Tier.Das Rauchen ist ebenfalls eine sehr schlechte Angewohnheit. Was ge-schieht dabei? Das Rauchen zerstört die Lungen. In den Lungen wird das Blut gereinigt. Für den Körper sind Herz und Lungen äusserst wich-tig. Daher wird in der Herzchirurgie extra diese Herz-Lungen-Maschine eingesetzt. Im Körper sind sehr viele Blutgefässe, wie Schläuche. Die-se Schläuche werden durch das Rauchen hart und dick. Wenn sie sich so verengen, kann das Blut nicht mehr richtig zirkulieren. Das führt dann zu Herzrhythmusstörungen. Das Rauchen ist die Hauptursache für Herzerkrankungen.Ich kenne die Werbung für „Gold Flake-Zigaretten“ sehr gut - obwohl ich sie nie gesehen habe! Da gibt es eine grosse Anzeige, darauf steht „Gold Flake-Zigaretten“ - und ganz klein darunter: „Der Rauch ist giftig.“ Warum lässt die Regierung so etwas zu? Die Regierung nimmt pro Tag 10 Millionen an Steuern durch Zigaretten ein. 10 Millionen jeden Tag! Die Regierung interessiert sich nicht für die Gesundheitsschäden, wel-che die Leute davontragen, sie sieht nur die Einnahmen. Dabei sterben Menschen vom Rauchen.Wie kann man herausfinden, dass es schädlich ist? Ein kleines Bei-spiel: Ihr raucht ja alle nicht. Wenn ihr aber mal einem Raucher bege-gnet, haltet ihm ein weisses Tuch vor den Mund, wenn er gerade einen Zug von der Zigarette genommen hat. Wenn er ausatmet, schlägt sich gelbgrüne Farbe am Tuch nieder. Das reine weisse Tuch wird durch den Rauch gelb. Wenn das Tuch schon so schmutzig wird, was ge-schieht dann erst in eurem Körper? Verschmutzung im ganzen Körper! Im Rauch ist eine Säure, die hochgefährlich ist.Schüler und Studenten sollten also nur reine Nahrung zu sich nehmen. Sie sollten dadurch Körper- und Geisteskraft entwickeln und so die Kraft der Seele stärken. Dann gibt es auch keine Zweifel mehr auf dem spirituellen Weg. Ihr habt so viele Zweifel, und das liegt nur an eurer Ernährung. Durch eure Ernährung handelt ihr euch allerhand Probleme ein. Die Nahrung erzeugt Unruhe und Gereiztheit. Übermässiges Wün-

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schen und Ärger werden durch die Nahrung verursacht. Darum solltet ihr äusserst vorsichtig sein - wenigstens in allem, was mit eurer Ernäh-rung zu tun hat. Ihr solltet so gesund sein, dass ihr niemals und unter keinen Umständen irgendwelche Medikamente braucht. Ob ihr es glaubt oder nicht: Dieser Körper wird in zwei Monaten 71 Jahre alt sein. Bis zum heutigen Tag habe ich nicht eine einzige Tablette eingenom-men. Meine Gesundheit ist tadellos. Ich bin bereit, jede Schwierigkeit auf mich zu nehmen. Ich spreche dabei rein von der körperlichen Ebe-ne, nicht von spiritueller Kraft. Woher kommt diese Gesundheit? Mas-shalten beim Essen!Nahrung und Verhalten hängen zusammen. Die Studenten haben sehr schlechte Gewohnheiten, die völlig eliminiert werden sollten. Mit aller Kraft solltet ihr euch sagen: „Ich bin ein Mensch!“ Wenn euch ungehö-rigerweise schlechte, verrückte Gedanken kommen, solltet ihr euch so-fort sagen: „Ich bin kein Tier, ich bin ein Mensch!“ Wiederholt das zehn-mal. Mit aller Kraft. Weist die Gedanken zurück, sagt: „Sitz!“ (Wie bei der Hundedressur; Anm. d. Übers.) Dann gehen diese Tiergedanken von euch. Das geht ganz einfach. All diese Gedanken kommen von der Nahrung und den Gewohnheiten.Ihr seid auf dem spirituellen Weg, und ihr solltet hoch aufstreben, eine hohe Stufe erreichen, Spiritualität in die ganze Welt hinausstrahlen und mit Anderen teilen. Nur dann wird das Übel, das sich in der Welt aus-breitet, werden Angst und Unfrieden völlig ausgerottet.

Schüler und Studenten! Denkt euch nicht nur als Menschen. Ihr seid alle göttlich. Jeder ist göttlich. Falls Jemand fragen sollte: „Wo ist Gott?“, sagt: „Ich bin Gott.“ Ihr müsst mutig sein und das vollbringen. Übt es, wendet es praktisch an! Dafür sagt euch der Veda ständig „Ich bin Gott“. Wenn ihr dieses Gefühl, diesen Gedanken dauernd hegt, diesen Ge-danken „ich bin Gott“, dann wird euch das falsche Denken, die Täu-schung verlassen, und ihr werdet wirklich Gott sein!

(Übersetzungsvorlage: Die englische Simultanübersetzung, ergänzt durch Swamis unmittelbare Telugu-Ansprache. 1.9.)

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4. September

Krishnas Leben und Botschaft

Süsser als Zucker,schmackhafter als dicke Milch,

sehr viel süsser als Honigist das Singen des göttlichen Namens.

Rezitiere, oh Geist, allezeitden nektargleichen Namen Krishnas.

Verkörperungen der Liebe!

Es ist einfach, die Spiele oder die unendlichen Kräfte Gottes zu kriti-sieren oder herabzusetzen. Aber es ist sehr schwer, die Wahrheit über das Göttliche zu verstehen. Das allgegenwärtige Göttliche ist in Beiden, der Wahrheit und der Unwahrheit, vorhanden. Es ist in Beiden, der Rechtschaffenheit und der Ungerechtigkeit. Es befindet sich im Guten und im Bösen. Wie kann irgend jemand im Hinblick auf eine solche alles durchdringende Göttlichkeit bestimmen, was gut und was schlecht ist?Seit frühester Zeit haben Menschen verkündet, was göttlich ist. Aus ih-ren Erfahrungen heraus erklärten sie, dass das Göttliche eine Form und unzählige glückverheissende Eigenschaften hat. Der Kosmos funktio-niert auf der Basis von drei Arten von Handlungen. Schöpfung, Erhalt und Auflösung sind die drei Prozesse. Die Wahrheit dieser Phänomene kann von Niemandem zu keiner Zeit und an keinem Ort bestritten wer-den, ob er ein Anhänger der Veden ist oder ein Wissenschaftler, ein Techniker oder ein weltlicher Mann. Während dies die Menschen be-fähigt hat, das Göttliche zu beschreiben, hat es nicht dazu gedient, Gott sichtbar werden zu lassen. Aber sie waren in der Lage, die Mittel und Wege aufzuzeigen, durch die man Gott erfahren kann.

Man kann Jemanden auf einen entfernten Stern wie den Polarstern auf-merksam machen, indem man diesen in Bezug setzt zu einem nahen physikalischen Gegenstand wie zum Beispiel einem Baum. So haben die Veden und die heiligen Schriften, wenn sie auch das Göttliche nicht sichtbar machten, geholfen, den Pfad aufzuzeigen, der zur Erkenntnis des Göttlichen führt.

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Der Anblick eines dichten Waldes erweckt Freude. Die Sicht auf einen hohen Berg erregt Staunen. Sieht man das Strömen eines Flusses, frohlockt man. All dies sind Beweise für die Kraft des Göttlichen.Die Sterne leuchten. Die Planeten drehen sich. Die Sonne glüht weiter. Der Wind weht. All dies sind Zeichen für die Arbeit des Göttlichen. Wenn ihr den Funken eines Feuers seht, könnt ihr daraus auf die Natur des Feuers schliessen. Wenn ihr die Natur eines Wassertropfens kennt, könnt ihr die Natur des Ganges verstehen. Genauso gilt, wenn ihr die Natur des Atoms versteht, so könnt ihr die Natur des gesamten Kosmos verstehen. In Erkenntnis dieser Wahrheit wurde in den Upanishaden erklärt: „Das Göttliche ist feiner als das Atom und riesiger als das Rie-sigste.“

Der Mensch ist wirklich eine Manifestation des Göttlichen mit zahlrei-chen Kräften. Es ist das Göttliche, das leuchtend in jedem menschli-chen Wesen erstrahlt. Wegen seiner Bindung an den Körper jedoch ist er unfähig, eine Bindung an das Göttliche Selbst (Atman) zu entwickeln.Um die Allgegenwart des Göttlichen in allen Dingen zu erkennen, müsst ihr euch auf die Suche nach der Wahrheit machen. Was ist die Wahr-heit? Wo ist sie? Wie nach dem suchen, das überall ist? Man muss zwi-schen der scheinbaren Wirklichkeit und der unveränderlichen Realität unterscheiden. Es hat den Anschein, dass die Sonne jeden Tag auf- und untergeht. In Wirklichkeit aber entstehen diese scheinbaren Phä-nomene durch die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Son-ne. Ebenso ist das, was über euch durch die äussere Beobachtung als wirklich angenommen wird, nicht euer wirkliches Selbst. Die Wirklich-keit geht über Körper und Sinne hinaus. Sie ist das strahlende Göttliche in euch.Die spirituelle Suche schliesst das Aufrütteln des Herzens durch die Meditation mit ein. Dann strömen Eigenschaften wie Mitgefühl aus dem Herzen. Das menschliche Herz, das ein Ozean aus Milch sein sollte, hat sich in einen Ozean von Salzwasser verwandelt, in dem es von Kreaturen wie Hass, Sinnenlust und Gier nur so wimmelt.

Die Kindheitsepisoden, die sich auf Krishna beziehen, haben eine eso-terische Bedeutung. Als Krishna beispielsweise von seiner Pflegemut-ter, Yashoda, getadelt wurde, weil er Schlamm gegessen habe (wie Ba-larama, Krishnas Bruder, behauptet hatte), antwortete Krishna: „Mut-ter, bin ich ein Kind, oder bin ich ein dummer Kerl oder ein verrückter Narr der Schlamm isst?“ Dieserart bestätigte Krishna, obwohl er noch ein Kind war, indirekt seine Göttlichkeit. Auf diese indirekte Weise erteilt

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das Göttliche der Menschheit grundlegende Lektionen. Gottes Taten sollten nicht nach den äusseren Ereignissen beurteilt werden, sondern nach ihrer inneren Bedeutung. Überdies sind viele Veränderungen der normalen Lebensweise notwendig, um die Wege Gottes zu verstehen. Adi Shankaracarya wies in seinem Lied „Bhaja Govinda“ darauf hin, wie selbst eine kurze Erfahrung des Göttlichen einen Gläubigen in Entzük-ken versetzt. Dieses Glück kann man nur durch das Göttliche Selbst erlangen. Die Erfahrungen der Hirtenmädchen (gopika) und der Hirten (gopala) von Brindavan während Krishnas früher Jahre in Repalle sind missverstanden und falsch ausgelegt worden. Krishna war nur fünf Jah-re in dem Dorf Es ist absurd, anzunehmen, dass sich ein fünf Jahre altes Kind in anstössiger Weise benahm. Nachdem er nach Mathuri gegan-gen war, kehrte Krishna nicht nach Repalle zurück.Dem reinen und göttlichen Leben Krishnas etwas Unschickliches zu-zuschreiben, ist reine Gotteslästerung. Die wahre Natur des Göttlichen muss richtig verstanden werden. Göttlichkeit ist das alles durchdrin-gende kosmische Bewusstsein, das in allem vorhanden ist. Die Natur dieses Bewusstseins sollte verstanden werden. Es ist das reine Be-wusstsein „cit“, das jeden Gegenstand der Schöpfung erleuchtet. „Cit“ erleuchtet, was existiert und macht es so erkennbar. Das Dasein ist „sat“. Erkenntnis ist cit“. Die Verbindung von „sat“ und „cit“ verleiht Be-friedigung durch Erfreuen am Gegenstand „tripti“. Dies ist Seligkeit (an-anda). „Sat-cit-ananda“ ist die Natur eines jeden Wesens. Das Göttliche durchdringt alles drinnen und draussen. Das Bewusstsein des Gött-lichen verleiht Seligkeit. Aber nur Wenige sind in der Lage, dies zu be-greifen.

Einmal verliess ein Mann Haus und Hof, weil er die Schwierigkeiten in der Familie nicht mehr ertragen konnte. Später, nachdem er Einiges Geld verdient hatte, machte er sich auf, nach Hause zurückzukehren. Ein junger Sohn, der im Hause war, als der Vater fortging, war so voller Kummer über die Abwesenheit des Vaters, dass er nach einiger Zeit starb. Bevor der Mann nun sein Dorf erreichte, suchte er während eines Sturms Schutz in einer Hütte. Dort hatte er einen Traum, in dem er sich als König in einem Palast sah, in dem er mit sechs prinzlichen Söhnen lebte. Der Traum gefiel ihm. Ein Donnerschlag weckte ihn auf Er wun-derte sich, was mit den schönen Dingen geschehen war, über die er sich bis jetzt so gefreut hatte. Es wurde ihm klar, dass alles ein Traum gewesen war. Da war keine Spur von den sechs Söhnen. Am Morgen erreichte er sein Zuhause. Als die Frau ihren Mann sah, brach sie in Tränen aus. Einerseits war sie glücklich über die Rückkehr ihres Ehe-

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manns. Andererseits war sie von Trauer über den Tod ihres Sohnes erfüllt. Der Vater fragte sie: „Wo ist unser Sohn?“ Sie antwortete, dass er gestorben sei, weil er die Trennung vom Vater nicht ertragen konnte. Der Mann war bestürzt. Er fühlte sich weder traurig noch glücklich. Er stand da wie angewurzelt. Die Frau fragte: „Wie kommt es, dass der Verlust deines Sohnes, den du so liebtest, dich nicht bewegt? Was ist der Grund?“ Darauf erzählte er ihr den bemerkenswerten Traum, den er in der vorigen Nacht gehabt hatte. In dem Traum waren seine sechs Söhne gestorben. „Soll ich über den Verlust jener sechs Söhne trauern oder über den Verlust des einen Sohnes? Um wen sollte ich weinen? Im Traumzustand waren sie meine Söhne. Dieser Sohn war mein Kind im Wachzustand. Was in beiden Zuständen vorhanden war, ist die Wirklichkeit. Alles andere ist vergänglich.“ Zu dieser Erkenntnis ge-langte er.

Wenn Leute heute zu spiritueller Seligkeit gelangen wollen, müssen sie drei Prinzipien folgen: Zuerst müssen sie wissen, was man wissen muss. Zweitens müssen sie aufgeben, worauf sie verzichten müssen. Drittens müssen sie das Ziel erreichen, das erlangt werden muss. Wenn man diese drei beachtet, kann die Seligkeit verwirklicht werden. Was ist es, das ihr wissen müsst? Was ist diese Welt? Wie lange werdet ihr leben? Wir sehen viele sterben. Kommen und Gehen geschieht stän-dig. Wenn ihr die vergängliche Natur der physischen Welt versteht, wer-det ihr die Seligkeit erleben.Als Nächstes: Was ist es, das ihr aufgeben müsst? Die Täuschung, durch die das Unwirkliche als wirklich angesehen wird und das Wirkli-che als unwirklich behandelt wird. Die Leute nehmen an, dass die Welt der Illusion (Maya) sie im Griff hat, und dass sie im Elend gefangen sind. Das Elend hat keine Gliedmassen, um euch zu fassen. Ihr seid es, die das Elend festhalten. Das verdankt ihr eurer Unwissenheit. Wenn ihr euch von dieser Unwissenheit befreit, werdet ihr Seligkeit erfahren.Welches ist das Ziel, das ihr erreichen müsst? Ihr müsst zurückgehen zu der Quelle, von der ihr kommt. Ihr kommt aus dem Atman und ihr müsst zurückkehren zum Atman.Dieses versuchten die Upanishaden zu vermitteln, als sie verkündeten: „Führe mich aus der Unwirklichkeit zur Wirklichkeit“. Wo Wahrheit ist, existiert die Unwahrheit als ihr Schatten. „Führe mich aus der Dunkel-heit ins Licht“. Was ist Dunkelheit und was ist Licht? Nur das Licht exi-stiert. Dunkelheit ist lediglich die Abwesenheit von Licht. Die Entdek-kung des Lichts führt zur Beseitigung der Dunkelheit.

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„Führe mich vom Tod zur Unsterblichkeit“. Geburt und Tod sind nur mit dem Körper verbunden. Euer Göttliches Selbst kennt weder Geburt noch Tod. Was geboren wird stirbt. Tod bezieht sich auf den Körper und nicht auf das Göttliche Selbst. Der Atman ist ewig. Er ist die Wahr-heit. Ihr müsst diese Erkenntnis erlangen, um bleibende Seligkeit zu erfahren. Um dauerhafte Seligkeit zu erfahren, müsst ihr festen Glau-ben an Gott entwickeln.

Heute feiern wir den Geburtstag Krishnas. Wo wurde er geboren? In einem Gefängnis. Was waren seine Besitztümer? Nichts. Im Gefängnis geboren, wurde er zum Haus Nandas (Krishnas Pflegevater) gebracht, und dann ging er nach Mathura. Er besass nichts. Aber er wurde die grösste Persönlichkeit der Welt. Was zeigt das? Weltlicher Besitz ist nicht das Geheimnis von Grösse. Krishnas Grösse bestand in seinem dauernden Zustand der Seligkeit.Wenn ihr den Unterschied zwischen Krishna und Rama erkennt, werdet ihr das Wesen von Krishna besser einschätzen können. Am Anfang lä-chelte Krishna stets. Seine Aufgabe führte er später aus. Bei Rama kam die Tat zuerst und dann das Lächeln. Krishna brachte die Frauen zum Weinen, Rama weinte der Frauen wegen. Rama zog nur in den Kampf, wenn er einen überzeugenden Grund dafür hatte. Krishna provozierte den Konflikt, um dann sein Ergebnis zu bestimmen. Das Krishna-Prin-zip schwelgt in Freude, das Rama-Prinzip basiert auf dem Konzept der Pflicht.Das Ramayana, die Lebensgeschichte Ramas bezweckt, die Herr-schaft von Wahrheit und Rechtschaffenheit auf der Erde zu fördern. Der Krishna-Avatar sollte der Welt eine ewige Botschaft vermitteln. Er such-te nichts für sich. Er behielt nichts für sich. Er gab Alles den Menschen. Er erschlug seinen Onkel mütterlicherseits, Kamsa, einen dämoni-schen König. Er brachte Kamsas Vater Ugrasena auf den Thron. Er trachtete nicht nach dem Königreich. Er nahm sich der Pandavas an, schlug die Kauravas und krönte Dharmaja zum Kaiser. Er machte sich nicht selbst zum König. Er war ein König ohne Krone. Er war der König der Könige. Er hatte kein eigenes Königreich. Aber er regierte über die Herzen von Millionen. Es ist diese grundlegende Wahrheit, die durch das Krishna-Prinzip verkündet wird.Wenn ihr es eingehend erforscht, werdet ihr feststellen, dass jeder Ava-tar sich inkarnierte, um eine besondere Botschaft zu vermitteln und eine bestimmte Mission auszuführen.

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Die Hirtenmädchen pflegten sich bei Yashoda über Krishnas Streiche zu beschweren. Aber was auch immer Krishna im Spass sagte oder als Streich ausführte, war auf Wahrheit gegründet. Krishna frönte nie der Unwahrheit, nicht einmal bei einem Spass. Aber jene, welche die innere Bedeutung seiner Aussagen nicht verstanden, bezichtigten ihn der Lüge. Diese Art Missverständnis ist eine Krankheit aller Zeitalter gewesen.Wenn eine Gopika sich bei Yashoda darüber beschwerte, dass Krishna nachts das Haus eines Kuhhirten betreten und Unsinn angestellt hatte, wandte Krishna seiner Mutter gegenüber ein, wie er denn irgendwohin nach draussen habe gehen können, während er neben ihr geschlafen habe. Die Wahrheit war, dass er dank seiner göttlichen Kraft an beiden Orten gewesen war. Krishna vollbrachte eine Menge solch verblüffen-der Wunder. Bei jeder Beschwerde hatte er ein überzeugendes Alibi. Indirekt enthüllte Krishna seine Göttlichkeit. Krishna erklärte seiner Mutter die Wege des Göttlichen in einer Weise, die sie verstehen konn-te. Krishna pflegte die Häuser der Kuhhirten zu besuchen und Dick-milch und Milch zu trinken. Die symbolische Bedeutung für diese Hand-lungen ist Krishnas Vorliebe für Reines, dargestellt durch reine weisse Dickmilch und Milch. Krishna erklärte Yashoda, warum er die Butter in den Häusern der Hirtinnen lieber ass als die Butter, die Yashoda ihm anbot. Die Herzen der Hirtenmädchen waren rein und von selbstloser Hingabe für Krishna erfüllt. Ihre Hingabe war der mütterlichen Zunei-gung Yashodas überlegen, die einen Hauch von Selbstsucht in sich barg. Krishna sagte zu Yashoda: „Ich werde von den Herzen derer an-gezogen, die rein und selbstlos sind.“

Krishna war den Hirtinnen nach seinen Streichen immer entwischt. Aber einmal, aus Mitleid mit ihnen, wollte er einen Hinweis liefern, durch den sie ihn aufspüren konnten. Eines Tages lagen sie alle um ihre Häu-ser herum auf der Lauer, um Krishna zu fangen. Krishna ging verstohlen in eines der Häuser, zerbrach einen Topf mit Milch und versteckte sich leise. Die Hirtinnen stellten fest, dass er den Topf zerbrochen hatte und versuchten, ihn zu finden. Die milchweissen Fussabdrücke, die er hin-terlassen hatte, gaben ihnen sein Versteck preis. Dann enthüllte er ih-nen die spirituelle Wahrheit, dass, wenn sie sich immer an die Füsse des Herrn klammern, sie ihn auch erfahren werden. „Folgt meinen Fussspuren, und ihr werdet mich finden“, sagte Krishna zu den Hirten-mädchen.Im Bhagavatam entsprechen die Lektionen, die ihr lernt, eurem Be-wusstseinszustand. Um die Wunder des Herrn zu verstehen, die im

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Bhagavatam erzählt werden, müssen euch Krishnas Spiele gefallen, und ihr müsst ihre tiefere Bedeutung verstehen. Zum Beispiel bedeutet die Geschichte, wie Krishna den Hirtinnen während des Bades ihre Kleider wegnahm, in Wirklichkeit, dass man, um den Herrn zu erken-nen, die Bindung an den Körper aufgeben muss, der ja die Hülle der Seele ist. Diese Geschichten sollten nicht leichtfertig oder profan ver-standen werden.

Im Falle von Radha rührte Krishna ihr Herz an und gab ihr den Nektar göttlicher Seligkeit. Radha hatte keine Bindung an ihre engste Ver-wandtschaft. (Swami sang mit süsser Stimme ein Lied von Radha, in dem sie ihrem Kummer über die Trennung von ihm Ausdruck gibt). Krishna erschien vor ihr, bevor Radha ihr Leben aufgab und segnete sie. Gott wird für einen Gläubigen alles geben einschliesslich sich selbst. Niemand kann sich mit ihm messen in Bezug auf das Opfer, das er der Gläubigen wegen bringen wird. Krishna fragte Radha, was sie im letzten Moment ihres Lebens wünsche. Radha sagte: „Ich wünsche nichts, ausser noch einmal der Musik deiner Flöte zuzuhören, bevor ich sterbe“. „Singe, oh Krishna, sprich zu mir, um mein Herz mit Seligkeit zu erfüllen,“ sang Radha. „Nimm aus den Veden das Wesentliche und lass es in die ewige Musik deiner Flöte einfliessen, oh Krishna“. Krishna nahm seine Flöte heraus und spielte darauf; und als Radha ihre Augen schloss, warf er sie weg. Er rührte sie nie wieder an. Er weihte die Flöte Radhas Entzücken.So dienten alle Geheimnisse Krishnas dazu, das Leid seiner Anhänger zu lindern. Krishna nutzte all seine Kräfte, um seinen Devotees zu die-nen. Wenn der Sinn der Bhagavatam-Geschichten richtig verstanden wird, kann man die Kraft des Herrn verstehen.Im Leben von Mira Bai zum Beispiel gibt es eine Geschichte, als Ranas Schwester Mira eine Tasse Milch zu trinken gab, die Gift enthielt. Mira trank sie als eine Opfergabe an Krishna. Das Resultat war, dass Krish-na das Gift aufnahm und nur die süsse Milch für Mira übrig liess. Indem ihr alles, was ihr esst, Gott darbringt, bevor ihr es esst, wird die Nahrung gereinigt und gesegnet.Die Hirtinnen waren ungebildet und unschuldig. Aber ihre Liebe für Krishna war rein und ausschliesslich. Selbst während ihrer täglichen Arbeit kreisten ihre Gedanken um Krishna. Daher erlebten sie unbe-schreibliche Freude.

Devotees sollten Einigkeit entwickeln, die alle Grenzen von Kaste, Weltanschauung und Nationalität überschreitet. (Swami erzählte die

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Geschichte von Suguna, die nicht bemerkte, dass sie sich die Hand ver-brannte, als sie die Gestalt Krishnas in der Flamme einer Lampe sah. Swami sang ein Lied, das die Freude der Hirtenmädchen ausdrückte, als sie Suguna im Zustand göttlicher Entrücktheit sahen).Krishnas Geheimnis und seine Wunder sind jenseits der Worte. Er war Alles für alle. Er ist der Bewohner im Herzen eines Jeden. Es gibt keinen Platz für religiöse Unterschiede. Die Studenten sollten beschliessen, den ursprünglichen Ruhm Bharats (Indien) wiederherzustellen, indem sie ein vorbildliches Leben führen. Verkündet der ganzen Welt die Bot-schaft der Einigkeit.Swami wird in Nilayam keine Trauungen abhalten. Aber der Kalyana-mantapam kann für Trauungen genutzt werden, falls das gewünscht wird. Swami wird jedoch Massentrauungen und Massen-Einweihungen vornehmen. Swamis Gnade und Liebe werden für euch da sein, wo im-mer ihr sein mögt. Ihr könnt heiraten, ein weltliches Leben in einer Fa-milie führen und der Nation dienen.Heute ist Gokulashtami, der Tag, der als Krishnas Geburtstag gefeiert wird. Aber nicht diese Feier ist wichtig. Was wichtig ist, ist das Fest-halten an Krishnas Lehren. Krishna unterscheidet sich nicht von seinen Lehren. Swami kann auch nicht getrennt werden von seinen Lehren. Die Bhagavadgita ist Krishna, und Krishna ist die Bhagavadgita.

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 4.9.)

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5. September

Die Macht, die Gläubige anzieht

Der unweise Mensch denkt an die äussere Welt;Der Weise meditiert über Vishnu.

Der Erste wird ein weltlicher Mensch,Der Andere verwirklicht Gott.

Höre, oh tapferer Sohn Indiens!

Verkörperungen der Liebe!

Obgleich der Mensch von Geburt an die Verkörperung von Sein-Be-wusstsein-Glückseligkeit (sat-cit-ananda) ist, sucht er, da er sich dieser Wahrheit nicht bewusst ist, sein Glück in der gegenständlichen Welt. Dies ist so, weil er die physische Welt als letztendliche Realität ansieht und darüber sein wahres göttliches Wesen vergisst. Das ist ein Zeichen seiner Unwissenheit. Wenn jemandes Blick auf Gott gerichtet wird, ver-schwindet diese Unwissenheit.Viele Menschen sehnen sich nach Gott, beten ihn an oder meditieren über ihn. Auf diese Weise kann Gott nicht verwirklicht werden. Alle die-se Aktivitäten beruhen auf Getrenntsein von Gott. Erforderlich ist das Empfinden des Einsseins. Wie kann dieses erlangt werden? Dadurch, dass ihr das Empfinden pflegt: „Ich und du sind eins“. Dieses Einssein ist jenseits der Reichweite des Geistes oder der Sinne. Nur die Intuition kann erfahren, was jenseits der Sinne ist. Um die Einheit mit Gott zu erkennen, muss man keine Busse, Rezitation des Gottesnamens oder andere strenge Askese üben. Liebe allein ist genug. Das ist die Bot-schaft des Vedanta.Als Adi Shankaracarya zu einer Reise durch das Land aufbrach, um die Lehre der Nichtdualität (advaita) zu verbreiten, traf er den grossen vedischen Gelehrten Mandana Mishra. Da sie ein philosophisches Streitgespräch führen wollten, hatten sie Jemand zum Schiedsrichter zu ernennen, der den Sieger des Disputes zu küren hatte. Adi Shan-karacarya, der die Schau von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besass, wählte die Frau Mandana Mishras. Ubhayabharathi zum Schiedsrichter. Sie war eine Frau, die über persönlichen Bindungen stand. Das Streitgespräch fand statt und Ubhayabharathi entschied zu-gunsten Adi Shankaracaryas. In unwiderlegbaren Worten erklärte sie, dass Mandana Mishra den Disput verloren hatte. Auf der Stelle nahm

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Mandana Mishra den Stand eines Mönches an. Danach folgte auch Ub-hayabharathi, als Mandana Mishras bessere Hälfte, diesem Beispiel und wurde eine Entsagende.

Ubhayabharathi gründete einen eigenen Ashram, in dem nur Frauen als Schülerinnen zugelassen waren. Eines Tages war sie mit einigen ihrer Schülerinnen auf dem Weg zum Ganges, um ein Bad zu nehmen, als sie einen in die ockerfarbene Robe gekleideten Sadhu sah, der unter einem Baum ruhte und seinen Kopf auf ein Wassergefäss gelegt hatte. Er war nur dem äusseren Anschein nach und nicht von ganzem Herzen ein Entsagender. Das aus einem Kürbis gemachte Wassergefäss hatte er unter seinen Kopf gelegt, damit es ihm niemand wegnehmen könne, falls er einschlafen sollte. Um dem Sadhu eine Lektion in wahrer Ent-sagung zu erteilen, sprach Ubhayabharathi laut zu ihren Schülerinnen: „Mädchen! Seht euch dieses Mannes Entsagung an! Er hat die Bindung an dieses wertlose Wassergefäss nicht aufgegeben und sorgt sich um dessen Sicherheit.“ Als er diese Worte hörte, wurde der „Vairagin“ (ein Mensch, der sich von Bindungen und Leidenschaften gelöst hat) zornig, und als Ubhayabharathi vom Fluss zurückkam, warf er demonstrativ seine Kürbisflasche nach ihr. Da rief Ubhayabharathi: „Wie schade! Ich dachte, dass der Sadhu nur das Opfer von Bindung sei, aber jetzt sehe ich, dass er auch voller Ego ist. Würde er sein Wassergefäss nach mir geworfen haben, wenn er nicht voller Ego wäre?“ Sie stand vor dem Sadhu und sagte zu ihm: „Dein Ego wächst mit deiner Anhaftung. Das passt nicht zu dem Mönchsgewand, das du trägst. Du kannst nicht ein wirklich Entsagender sein, solange du erfüllt bist mit Bindung und Selbstsucht. Gib die Verhaftung an den Körper auf und entwickle Bin-dung an das Göttliche Selbst (Atman).“ Sie lehrte diese Lektion in ru-higer und überzeugender Weise.

In der Sphäre der Weisheit existieren keine Unterscheidungen von Ge-schlecht, sozialem Status oder Glaubensbekenntnis. Als der Sadhu Ubhayabharathis Worte hörte, warf er sich ihr zu Füssen, bat sie um Vergebung und sprach: „Oh Mutter! Weil ich Niemanden hatte, der mich solcherart die Wahrheit lehrte, führte ich dieses Doppelleben. Von jetzt an bist du mein Guru“. In ihrem Leben folgen die Menschen unter-schiedlichen Formen spiritueller Übung.

Welch ockerfarbenes Gewand sie anhaben mögen,welche geweihte Girlande sie auch immer tragen,

oder wie schnell sie den Rosenkranz auch beten mögen:

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Letztendlich müssen sie zu Baba kommen.Seine Gnade ist unverzichtbar

für Jeden, gleich welchen Ranges.Nur seine Gnade kann euch erlösen.

(Telugu Gedicht)

So viele beschäftigen sich mit äusserlichen oder formalen spirituellen Praktiken verschiedener Art. Aber inwieweit helfen euch diese, die gött-liche Gnade zu erlangen? Sucht ihr nach dem Pfad, der euch helfen wird, die Liebe Gottes zu gewinnen? Wenn ihr ernsthaft in eurem In-neren sucht, werdet ihr die Antwort finden.Von den neun Arten der Hingabe ist das Pflegen der Freundschaft mit Gott am wichtigsten. Der Freundschaft folgt die vollkommene Hingabe an das Göttliche.

Einst beklagte ein grosser Devotee, dass alle seine Glieder und Organe völlig nutzlos seien, solange nicht jedes von ihnen dazu verwendet wird, der Göttlichkeit zu dienen, die Göttlichkeit zu sehen oder von den Herr-lichkeiten der Göttlichkeit zu hören. Dasselbe Empfinden beseelte den Heiligen Surdas, als er sagte, dass das Geschenk des Augenlichts wertlos für ihn sei, wenn die Augen nicht die schöne Gestalt Gottes schauen könnten. Jene, deren Ohren nicht den Liedern zum Lobpreis Gottes lauschen, könnten genauso gut taub sein. (Swami sang einige Lieder, die den bedauernswerten Zustand jener beklagen, welche die ihnen von Gott gegebenen Organe nicht dazu benutzen, die Göttlichkeit zu erfahren). Wahres Menschsein besteht darin, alle seine Sinne und Glieder für heilige Zwecke zu verwenden, nicht darin, sie auf verschie-dene Weise zu missbrauchen.Ein Mensch, der Glauben besitzt, braucht sich nicht darum zu sorgen, wer sich um ihn kümmert, wenn er seine ganze Zeit den Gedanken an Gott widmet. Der Herr, der für das Ganze Sorge trägt, wird sich um seine Devotees kümmern. Diesem Glauben verlieh Purandaradasa in seinen Liedern nachdrücklich Ausdruck.

Wie Wenige erkennen die Wunder in Gottes Schöpfung. Im Ei ist ein Küken, aus einem kleinen Setzling entsteht ein mächtiger Baum, und ein menschliches Wesen wird von einem anderen menschlichen We-sen geboren. Wer ist für all dies verantwortlich? Nur der göttliche Wille. Ohne diese wunderbaren Kräfte des Göttlichen zu erkennen machen die Menschen viel Aufhebens von ihren Errungenschaften.

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Seht, was hier geschieht. Was ist es, das Menschen aus Australien, Argentinien und anderen Ländern hierherkommen lässt? Welche Kraft zieht sie hierher? Würden sie ohne die Anziehungskraft des Göttlichen hierherkommen? Tyagaraja verherrlichte in einem Lied die Macht Ra-mas, wie diese Hanuman dazu befähigte, den Ozean zu überspringen und wie Lakshmana und Bharata veranlasst wurden, ihn zu verehren.Es ist dieselbe magnetische göttliche Kraft, welche die Menschen aus der ganzen Welt anzieht und zu Bhagavan kommen lässt.

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 5.9.)

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7. September

Der Advent von Adi Shankaracarya

Ton ist immer die gleiche Substanz. Man kann aber viele verschiedene Gegenstände daraus machen, die unterschiedliche Formen und Na-men haben. Ebenso kann man aus Gold die unterschiedlichsten Schmuckstücke formen. Kühe von unterschiedlichen Farben geben dieselbe weisse Milch. Das Höchste Selbst ist eines, bewohnt aber un-zählig viele Körper von unterschiedlichen Namen und Formen.Betrachtet ihr einmal genau, was sich im Kosmos abspielt, werdet ihr sehen, dass sich aus derselben Grundsubstanz viele Dinge heraus-gebildet haben, die alle anders gestaltet sind. Aus einem einzigen Sa-menkorn entsteht z.B. ein Baum, der verschiedene Teile hat: Äste, Blät-ter, Blüten und Früchte. Diese verschiedenen Dinge unterscheiden sich in Form, Name und Funktion, sind aber alle aus ein und demselben Sa-men entstanden.„Einer bin ich, vielfältig will ich sein.“ Es gibt drei Faktoren, die an diesem Geschehen beteiligt sind. Um ein Gefäss herzustellen, bedarf es eines Töpfers, welcher der Verursacher, das ausführende Instrument ist. Der Töpfer ist die Ursache und das Gefäss die Wirkung. Die Grundsub-stanz, aus der das Gefäss hergestellt wird, ist der Ton. Das Gefäss mag zerfallen, aber der Ton bleibt Ton. Aus der immer gleichen Substanz, dem Ton, macht der Töpfer ein Gefäss. Der Töpfer bleibt vom Schicksal des Gefässes unbeeinflusst. Der Ton, aus dem das Gefäss gemacht ist, bleibt bestehen.Die Analogie trifft auch auf das Gold, den Goldschmied und die Schmuckstücke zu, die aus dem Gold gemacht werden. Der Analogie entsprechend ist Gott der unveränderliche Schöpfer, der die unzählig vielen Dinge erschafft, die in der Schöpfung enthalten sind und deren Namen und Formen veränderlich sind. Ihr müsst den Zusammenhang, in dem die drei Komponenten zueinander stehen, richtig verstehen. Ohne Ton kann der Töpfer kein Gefäss herstellen. Ohne Töpfer, nur aus dem Ton, kann kein Gefäss entstehen. Beide, Töpfer und Ton, sind notwendig, damit ein Gefäss entstehen kann. Der Schöpfer ist die aus-führende Ursache (das Instrument) der Schöpfung. Die Körper sind den Tongefässen vergleichbar. Sie werden für verschiedene Zwecke ge-braucht und sind eine Quelle der Freude. Doch ebenso wie die Gefässe vergänglich sind, sind auch die Körper vergänglich. Wenn ihre Zeit vor-bei ist, zerfallen sie. Der Schöpfer jedoch ist unvergänglich. Die Grun-

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delemente, aus denen die Körper zusammengesetzt waren, bleiben bestehen. Nur die Körper sind vergangen. Die Körper können zu guten oder zu schlechten Zwecken benutzt wer-den.

Das Göttliche hat fünf Namen. Der Erste ist Paranama. Der Zweite vyu-hanama. Der Dritte ist vibhavanama. Der Vierte antaratmanama. Der Fünfte arcananama. Unter diesen fünf Namen wirkt das Göttliche im Kosmos.Paranama bezieht sich auf den Wohnort des Höchsten, Vaikuntha. Vai-kuntha bedeutet das, was nicht dem Wandel unterliegt. Dort wohnt der Höchste unter dem Namen Paranama. Niemand kann in diese Wohn-stätte des Herrn eintreten. Der Herr wohnt dort als strahlendes Licht. Er überschaut alles, ist aber für Niemanden sichtbar. Niemand kann seine Form erblicken. Der zweite Name ist Vyuhanama. Dieser Name bezieht sich auf den Herrn, der auf der Weltenschlange im Milchozean ruht. In dieser Form können nur die Devas (die verschiedenen himmlischen Wesen) den Herrn sehen. Nur die Wesen, die über besondere Kräfte verfügen, kön-nen ihn dort wahrnehmen. Gewöhnlichen Wesen ist das nicht möglich. Der Herr in seiner Vyuha-Gestalt erfüllt die Wünsche der Himmelswe-sen (Deva). Ihr kennt alle die Geschichte von Hiranyakashipu. Er be-kämpfte die Götter (Deva) auf alle erdenkliche Art und Weise. Darum gingen sie zum Herrn, der auf der Schlange im Milchozean ruht und beteten zu ihm. Er erhörte ihre Gebete und versprach ihnen, sich auf der Erde zu inkarnieren.Der dritte Name ist Vibhavanama. Dieser Name bezieht sich auf die ver-schiedenen menschlichen Gestalten, in denen sich der Herr als Avatar von Rama und Krishna auf der Erde verkörpert, um die Guten zu be-schützen und die Bösen zu bestrafen und sie auf den rechten Weg zu-rückzuführen. Die Inkarnationen, die als die zehn Avatare verehrt wer-den, gehören in die Kategorie Vibhavanama. In dieser Form offenbart der Herr die Beziehung zwischen Gott und den Gottliebenden.Der vierte Name ist Antaratmanama. In dieser Form durchdringt der Herr jedes Teilchen eines menschlichen Wesens als der innewohnen-de Geist. Dieser innewohnende Geist ist göttlich.Der fünfte Name ist Arcananama. Er bezieht sich auf die Form, in der Gott verehrt, gepriesen und angebetet wird, um damit seine Gnade auf sich zu ziehen.

Avatare des Herrn sind Äon für Äon in diesen verschiedenen Formen immer wieder auf der Erde erschienen. Das mag Menschen, die Kinder

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der heutigen Zeit sind, sehr verwundern. Wenn sie z.B. hören, wie die Welt in der Zeit des Goldenes Zeitalters aussah, werden sie meinen, das sei unglaublich und undenkbar. In jenem Zeitalter lebten die Men-schen hunderte von Jahren. Ihre Körper waren nicht klein wie die der heutigen Menschen. Sie waren Giganten. Ihre Arme waren fast zwei Meter lang. Wie sah das Leben dieser Menschen aus? Im Goldenen Zeitalter war Jemand am Leben, solange seine Knochen noch in Ord-nung waren. Alle anderen Teile des Körpers mochten zerfallen, aber im Skelett hielt sich das Leben.

Im Silbernen Zeitalter waren die Menschen nicht mehr so gross. Auch ihre Lebensspanne war kürzer. Das Leben hielt sich im Körper, solange der Mensch noch Muskeln und Fleisch hatte.

Im Goldenen Zeitalter und im Silbernen Zeitalter spielte das Handeln im Einklang mit der Göttlichen Ordnung die überragende Rolle. „Rechtsschaffenheit ist die Wurzel dieser Welt“.Die Menschen standen in sehr enger Beziehung zu Gott. Nahrung war nicht so wichtig.

Im Kupfernen Zeitalter blieb Jemand am Leben, solange Blut in seinem Körper floss. Wie ihr wisst, lag Bhishma von Pfeilen durchbohrt auf sei-nem Lager, nachdem er in der Schlacht von Kurukshetra verwundet worden war. Solange Blut in seinem Körper war, lebte er. Er lebte noch 56 Tage. Im Kupfernen Zeitalter wurde der Kopf wichtig. Im Kupfernen Zeitalter begann der Niedergang, und reich zu sein wurde wichtiger als alles Andere. „Reichtum ist die Wurzel dieser Welt“. Der Krieg zwischen den Kauravas und den Pandavas entbrannte wegen ihres Streits um Besitzrechte.

Im jetzigen Eisernen Zeitalter dauert das Leben so lange an, wie Nah-rung im Körper ist. Ohne Nahrung kann der Mensch nicht überleben.Im Eisernen Zeitalter ist weder Rechtschaffenheit noch Reichtum so wichtig wie Mitgefühl. Weil es an Mitgefühl mangelt, gibt es heute so viel Elend auf der Welt.In den ersten Jahrhunderten des Eisernen Zeitalter waren der Bud-dhismus und der Jainismus die vorherrschenden Religionen. In jener Zeit (788 n. Chr. A.d.Ü.) wurde in einem Dorf namens Kaladi in Kerala ein Kind geboren, der spätere Adi Shankaracarya. Seine Eltern hiessen Shivaguru und Aryamba. Damals gab es häufig kriegerische Ausein-

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andersetzungen zwischen den Herrschern der verschiedenen Stämm-me.Diese Kriege bewirkten, dass sich die Menschen in den verschiedenen Gebieten feindselig gegenüberstanden. Das Gefühl der nationalen Ein-heit war verlorengegangen. Mit dem Verlust der Einheit ging einher, dass sich alle möglichen schlechten Gewohnheiten breitmachten. Un-wahrheit, Ungerechtigkeit, Unehrlichkeit und schamloses Verhalten waren an der Tagesordnung. Aber damit nicht genug: Selbst die ge-bildeten Pandits, die Gelehrten und Intellektuellen jener, Zeit fingen an, die Veden auf abartige Weise auszulegen. Das Antlitz der heiligen Schriften wurde angeschwärzt, mit dem Erfolg, dass der Glaube des Volkes an die Veden und die anderen heiligen Schriften unterhöhlt wur-de.In solchen Zeiten geschieht es, dass Gott oder ein göttlich inspirierter Heiliger oder Messias auf die Erde kommt, um die Bösen auf den rech-ten Pfad zurückzuführen und um die Herrschaft der Göttlichen Ord-nung, des ewigen Gesetzes, wiederherzustellen. Solche Inkarnationen werden Arcananama-Formen des Göttlichen genannt. Die Arcaavata-ras sind Amshavataras, d.h. Verkörperungen von Teilaspekten. Solche Avatare inkarnieren von Zeit zu Zeit - nicht nur in Indien, sondern in allen Ländern der Erde.Die Vibhavavataras (wie Rama und Krishna) waren Verkörperungen al-ler Aspekte des Göttlichen (Purnaavatara). Jesus erklärte zunächst, er sei ein Gesandter Gottes. Wer sind die Ge-sandten Gottes? Es gibt zwei Kategorien: Avadhuta und Yamaduta. Yamaduta sind Gesandte, die den Menschen Schaden zufügen. Avad-hutas sind Gesandte, die Schutz gewähren. Jesus gehörte zu der letz-teren Kategorie. Nach einer gewissen Zeit erkannte er seine eigene in-nere Göttlichkeit. Da erklärte er: „Ich bin der Sohn Gottes.“ Auf diese Weise verkündete er sein Recht, an allen Qualitäten Gottes teilzuha-ben. Nachdem er alle Qualitäten Gottes besass, verkündete er: „Ich und mein Vater sind eins.Die gleiche dreistufige Entwicklung kann man in den Feststellungen Za-rathustras beobachten. Zuerst erklärte er: „Ich bin im Licht.“ Dann sagte er: „Das Licht ist in mir.“ Zuletzt erklärte er: „Ich bin das Licht.“ Diese drei Erklärungen kann man mit den drei Systemen der indischen Phi-losophie vergleichen: Dualismus (wörtlich: Zweiheit, dvaita, A.d.Ü.), Qualifizierter Nicht-Dualismus (wörtlich: Qualifizierte Nicht-Zweiheit, vishishtadvaita, A.d.Ü.) und Nicht-Dualismus (advaita, A.d.Ü.).Adi Shankaracarya betrachtete sich selbst als Diener Gottes, der die Aufgabe hatte, die Lehre vom Nicht-Dualismus zu verkünden.

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Adi Shankaracaryas Vater, Shivaguru, verstarb, als Adi Shankaracarya kaum drei Jahre alt war. In diesem Kontext ist es interessant zu beob-achten, wie das Göttliche arbeitet: Zehn Tage vor seinem Hinscheiden hatte der Vater Shivaguru eine Vision von einer Lichterscheinung. Die-se Lichterscheinung enthielt eine Botschaft für Shivaguru. Die Bot-schaft hiess: „Vollziehe die Einweihung deines Sohnes.“ Shivaguru be-eilte sich, der Botschaft Folge zu leisten. Der Dreijährige wurde in den Gayatrimantra eingeweiht und begann ihn zu rezitieren.Als Shivaguru gestorben war, widmete sich die leidgeprüfte Mutter ganz und gar der Erziehung des kleinen Jungen. Sie brachte ihn zu ei-nem Guru, der dem Kind das Wissen der verschiedensten heiligen Schriften vermittelte. Als Adi Shankaracarya 16 Jahre alt war, hatte er das Studium der vier Veden und der sechs philosophischen Systeme abgeschlossen.Normalerweise reichen für dieses Studium nicht einmal fünfzig Jahre aus. Adi Shankaracarya war ein Wunderkind. Man brauchte nur etwas zu erwähnen - schon hatte er es verstanden. Selbst sein Guru staunte über den Genius des Jungen.Unterdessen plante seine Mutter, ihn zu verheiraten und besprach die Frage mit seinem Guru. Der Junge war strikt dagegen. „Ich möchte ein Samnyasin sein. Einer, der der Welt völlig entsagt hat,“ sagte er. „Ich möchte meinen Leib, meinen Geist und mein Alles Gott weihen. Alles ist ein Geschenk Gottes. Ich habe mich Gott ganz ergeben.“

Die Mutter war verzweifelt über den Entschluss ihres Sohnes. Eines Ta-ges ging sie hinunter zum Fluss, um ein Bad zu nehmen. Adi Shanka-racarya folgte ihr und beschwor sie: „Mutter! Bitte erlaube mir, ein Sam-nysin zu werden!“ Aber sie gab ihre Zustimmung nicht. Als sie im Was-ser stand, um zu baden, sprang Adi Shankaracarya auch hinein. Er schwamm ein kleines Stück flussabwärts, hob seinen Arm in die Höhe und rief: „Mutter! Ein Krokodil hat mich gepackt. Erlaube mir wenigstens jetzt, ein Mönch zu werden!“ Die Mutter sagte: „Wenn du dich vor dem Krokodil retten kannst, indem du ein Mönch wirst, dann tue es lieber, damit du am Leben bleibst!“ Da kam Adi Shankaracarya wieder aus dem Fluss heraus und sagte zu seiner Mutter: „Im Meer des weltlichen Lebens hätte mich ein Krokodil in Form einer Ehefrau beinahe zum Er-trinken gebracht. Als du mir erlaubtest, ein Mönch zu werden, kam ich aus den Fängen des Krokodils frei. Niemand könnte jemals einen Mönch heiraten!“Völlige Entsagung bedeutet nicht einfach nur einen Wechsel der Farbe des Gewandes. Es bedeutet auch einen Wechsel der eigenen Cha-

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raktereigenschaften. Adi Shankaracarya fiel seiner Mutter zu Füssen und nahm von ihr den Abschiedssegen, um fortan das Leben eines Ent-sagenden zu führen. Bei dieser Gelegenheit nahm ihm seine Mutter das Versprechen ab, dass er bei ihr sein würde, wenn ihre letzte Stunde gekommen sei.

Adi Shankaracarya trat seine Wanderschaft an, in deren Verlauf er alle heiligen Stätten des Landes besuchte. Er hatte die ganze Reise zu Fuss zurückzulegen. Er suchte jede Versammlung von Gelehrten auf, und in den Debatten besiegte er sie alle. Er trat für die Lehre des Nicht-Dua-lismus ein. Er sagte: „Die Körper sind verschieden, die Formen sind ver-schieden, aber das innere Selbst ist ein und dasselbe. Das Göttliche ist in allem gegenwärtig, so wie der Saft des Zuckerrohres immer der-selbe ist, egal, aus welchem Rohr du ihn herausgepresst hast.“ Er traf auch auf Mandana Mishra, der ein grosser Verfechter der Lehre des Handelns war. In der Debatte siegte Adi Shankaracarya über Mandana Mishra.Auf diese Weise zog Adi Shankaracarya durch das ganze Land und wanderte mehrmals von Kashmir bis Kanyakumari und zurück. Er über-zeugte die Gelehrten von der Wahrheit des Nicht-Dualismus. „Das Selbst ist eines, es gibt kein Zweites.“Es gelang Adi Shankaracarya, alle Gelehrten von der Wahrheit des Nicht-Dualismus zu überzeugen. Die Menschen lassen sich von der Vielfalt der Namen und Formen täuschen. Doch die Wurzel der ganzen Verschiedenheit ist das eine Göttliche. Ohne diese Wurzel kann nichts existieren. Diese Tatsache wird von allen Glaubensrichtungen aner-kannt. Gott ist einer und das Ziel ist eines. Die Lehre des Nicht-Dua-lismus ist nicht so leicht zu verstehen. Man muss sie den Schülern in einfachen und verständlichen Begriffen erklären.Adi Shankaracarya starb im frühen Alter von 32 Jahren. Doch er hatte seine Aufgabe erfüllt, für die er gekommen war. Bevor er starb, sam-melte er fünf Lingas (Symbole des Göttlichen) und stellte sie an fünf verschiedenen heiligen Stätten auf: In Puri, Dvaraka, Shringeri, Ben-ares und Kanci. In Kanci errichtete er den Yoga Linga. Einer der Mön-che dort war Suresha. Er war kein anderer als Mandana Mishra, bevor er die Mönchsweihe erhielt.Dadurch, dass Adi Shankaracarya diese Symbole des Göttlichen auf-stellte, stärkte er den Geist der spirituellen Einheit unter den Menschen und tat viel dafür, dass sich im ganzen Lande wieder Harmonie aus-breiten konnte. Unglücklicherweise begannen einige seiner Schüler, seine Lehre zu entstellen und ihm ihre eigenen Ansichten in den Mund

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zu legen. Vidyaranya war auch ein Schüler von Adi Shankaracarya. Zu-letzt distanzierten sich die Schüler voneinander, und einer widersprach der Ansicht des anderen.In ähnlicher Weise entwickelten sich auch unter den elf Jüngern Jesu unterschiedliche Auffassungen, und ihre Gemeinschaft fiel auseinan-der. Nur Matthäus blieb Jesus treu. Er verbreitete das Evangelium. Pe-trus war der erste Jünger Jesu, aber er verleugnete ihn, als man ihn befragte.Ramanuja, der nach Adi Shankaracarya kam (ca. 1055 - 1137, A.d.Ü.), entwickelte eine abgewandelte Form von Adi Shankaracaryas Nicht-Dualismus. Dann kam Madhvacarya, der den Dualismus lehrte. (Swami sagte an dieser Stelle, er werde ihre Lehren in den folgenden Anspra-chen erläutern).

Wenn der Zweig eines Baumesunaufhörlich gegen einen anderen reibt,

sprühen Funken von den Zweigen.Wenn man über längere Zeit Buttermilch schlägt,

bekommt man Butter, aus der man wiederum ghee erhält.Wenn man unaufhörlich bestrebt ist,

sein Selbst zu erforschen,verwirklicht man das Göttliche in sich.

(Telugu Gedicht)

„Durch Ausdauer kann alles erreicht werden“ sagt ein Sprichwort in Te-lugu. Die Bhagavadgita erklärt, dass man durch ständige Übung die Weisheit erwirbt, die letztendlich zu Entsagung) führt. Jede Aktivität im Leben basiert auf Übung. Ebenso ist ständiges Üben notwendig, um das Göttliche zu verwirklichen. Blosse Wiederholung des Gottesna-mens ist nicht genug. Hingabe sollte sich in sozialem Dienst ausdrük-ken. Jeder Dienst, der das Wohlergehen der Gesellschaft zum Ziel hat, wird zum Gottesdienst.

„Das eine Selbst wohnt in unzähligen Körpernwie Butter in Milch, Öl in Körnern,

Duft in einer Blume und Feuer in einem Reisigbündel“.(Sanskrit-Shloka)

Diese Wahrheit wird im Vedanta verkündet. Heutzutage verschwendet die moderne Jugend, die diese Wahrheit nicht erkennt, in jeder Hinsicht ihr Leben.

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Adi Shankaracarya erklärte, dass allen Formen, Namen und Eigen-schaften nur eine Realität zugrunde liegt, die allein wirklich und unver-änderlich ist. Dies ist die Lehre von Advaita oder Nicht-Dualität. Aus einem Mangokern wächst ein Baum mit Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten, ein Jedes mit unterschiedlicher Form und Verwendung. Aber all die unzähligen Dinge, die aus dem Samen entstanden sind, ver-danken ihre Existenz diesem Samen, aus dem der Baum hervortrat. Diese Wahrheit erklärte Krishna in der Bhagavadgita, als er sagte: „Er-kenne mich als den Samen, als den Ursprung aller Wesen.“ Alle Dinge im Universum sind Manifestationen der einen Göttlichkeit.Gestern erzählte ich, wie Adi Shankaracarya schon in frühen Jahren den Weg der Entsagung ging und wie er seinen Guru Govinda traf. Go-vindas Lehrer war Gaudapada. Gaudapada hob die Verse des Rigveda hervor, in welchen die Einheit des Göttlichen dargelegt wird. Adi Shan-karacarya übernahm diese Lehre von Govinda und beherrschte alle Ve-den und Shastras mit vierzehn Jahren. Ernsthaftes Trachten nach Wis-sen führt zu vollkommener Weisheit.

Eines Tages verwickelte Govinda Adi Shankaracarya in ein philoso-phisches Gespräch, um zu testen, inwieweit Adi Shankaracarya die Schriften beherrschte. Es war ein Wortgefecht zwischen Lehrer und Schüler. Adi Shankaracarya empfand für den Meister Ehrfurcht und war voller Demut. Daher fiel er dem Meister vor dem Gespräch zu Füssen und bat ihn um Erlaubnis, mit ihm diskutieren zu dürfen. Mit Billigung des Meisters begann er, mit erstaunlicher Fertigkeit zu argumentieren und widerlegte die Aussagen des Lehrers aufgrund seiner enormen Schriftkenntnis.Er legte seine Ansichten entsprechend der vedischen Quellen unter an-gemessener Berücksichtigung weltlichen Verständnisses dar und zeig-te, wie der innere Pfad mit dem äusseren in Einklang gebracht werden könne.

Adi Shankaracarya war tief beunruhigt über das Verhalten der grossen vedischen Gelehrten jener Zeit, die mehr darauf bedacht waren, mit ih-rer Gelehrsamkeit der heiligen Schriften Geld zu verdienen, als spiri-tuelles Wissen daraus zu gewinnen. Sie vergassen, dass Wissen nicht für kommerzielle Zwecke benutzt werden sollte. Auch heutzutage be-trachten viele Studenten Bildung als Mittel, den Lebensunterhalt zu ver-dienen. Das ist völlig falsch. Man sollte für seinen Lebensunterhalt ar-beiten. Aber Wissen sollte zur Erlangung von Weisheit gesucht werden.

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Adi Shankaracarya suchte eine Änderung in der Anwendung der Kennt-nisse heiliger Schriften herbeizuführen.

„Welchen Nutzen hat die Aneignung jeglicher Art von Wissen,wenn man nicht an Gott denkt und

seine Hände nicht zur Anbetung Gottes nutzt?All solches Wissen ist reine Verschwendung.“

(Telugu Gedicht)

Adi Shankaracarya war tief betrübt über das Verhalten der Gelehrten. Sein Lehrer, Govinda, sah Adi Shankaracaryas Traurigkeit. Auch Gau-dapada, Govindas Guru, war unglücklich über den Stand der Dinge. Beide waren über die erhabenen Gefühle des jungen Adi Shankara-carya hocherfreut. Sie beide erkannten, dass Adi Shankaracarya be-stens befähigt war, mit den heiligen Lehren der Veden die herrschen-den ungerechten und unmoralischen Tendenzen in der Gesellschaft zu bekämpfen. Sie riefen Adi Shankaracarya und sagten ihm: „Kind! Du brauchst nicht länger hier zu bleiben. Brich schon morgen auf nach Kas-hi. Du musst die grossen Gelehrten in Kashi kennenlernen und die Leh-re in der ganzen Welt verbreiten. Niemand anderer kann diese Mission erfüllen.“Die Studenten von heute sollten erkennen, dass sie die kraftvollsten Werkzeuge sind, um all die Übel unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu korrigieren.

Mit der Erlaubnis beider Lehrer machte sich Adi Shankaracarya auf den Weg nach Kashi. In jenen Zeiten gab es keine modernen Transport-mittel. Adi Shankaracarya musste den ganzen Weg nach Benares zu Fuss gehen. Der sechzehn Jahre alte Junge versammelte seine Schü-ler und ging nach Kashi. Auf dem Weg sah er einen Gelehrten, der unter einem Baum sass und Grammatikregeln paukte. In diesem Augenblick begann er den berühmten Lobgesang „bhaja Govindam“ zu kompo-nieren (Swami rezitierte die erste Strophe von bhaja Govindam).

„Du stumpfsinniger Bursche!Warum vertiefst du dich in Grammatikregeln?

Sie werden dich nicht retten, wenn der Tod an der Tür klopft.Verehre stattdessen Govinda!

In der Todesstunde wird nichts undniemand der abschiednehmenden Seele folgen,

wenn sie den Körper verlässt.

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Nur die Erinnerung an den Namen Gotteswird dich jederzeit begleiten.”

Adi Shankaracarya gab dem Gelehrten den Rat, den Namen Gottes zu singen, anstatt Grammatikregeln zu lernen. Nachdem er ihm diese Lektion erteilt hatte, setzte er den Weg nach Kashi mit seinen Schülern fort. Adi Shankaracaryas Lehren verbreiteten sich überall. Die Pandits von Benares beriefen in der heiligen Stadt eine grosse Zusammenkunft von Gelehrten ein. Zahlreich versammelten sie sich in grosser Gala. Nichts fehlte an Protzerei bei dieser Versammlung. Adi Shankaracarya erschien ganz einfach. Er trug eine Dhoti die bis zu seinen Knien her-abging, und ein Tuch über seinen Schultern. Als die Gelehrten ihn sa-hen, kam ihnen alles wie ein Scherz vor. Einige bemerkten: „Er trägt nicht einmal eine Gebetskette. Ein Pandit sollte eine imponierende Er-scheinung sein. Was kann uns dieses Bürschchen schon erzählen?“ Sie sprachen zu ihm: „Wir haben erfahren, dass du bewandert bist in allen Veden und Shastras, dass du kompetent bist in Grammatik und Logik und ein grosser Vertreter der nichtdualistischen Lehre.“

Adi Shankaracarya sang sodann das Lied „bhaja Govindam“, verwies auf die vergängliche Natur materiellen Reichtums und ermahnte alle, weltliche Wünsche aufzugeben. Er erklärte, dass Gelehrte Gleichmut besitzen und den Wunsch nach Reichtum als Folge eigenen Handelns aufgeben sollten. „Gebt das Verlangen nach Geld auf! Entwickelt Sehn-sucht nach Gott“, ermahnte Adi Shankaracarya in aufrüttelnden Wor-ten. Dann gab er eine ausgezeichnete Darlegung der tieferen Zusam-menhänge der Nichtzweiheit.Alle Gelehrten und ihre Schüler waren erstaunt über den Vortrag des jungen Adi Shankaracarya. Sie erkannten, dass da Jemand war, der nicht nur ein grosser Lehrer war, sondern auch selber praktizierte, was er lehrte. Diese Einheit von Gedanke, Wort und Tat ist das Merkmal der Grösse. Adi Shankaracarya war in der Tat die Verkörperung von Einheit und Reinheit in Gedanke, Wort und Tat.Viele Gelehrte standen auf und überhäuften ihn mit Fragen. Er beant-wortete sie alle mit vollendeter Leichtigkeit. Er legte dar, dass Advaita das Einssein im Geiste bedeute und dass das Bewusstsein dieser Ein-heit wahre Weisheit sei. Allein spirituelle Weisheit ist wahre Weisheit. Die Gelehrten von heute, so erklärte er, haben dies nicht erkannt.

Adi Shankaracarya wies darauf hin, dass, auch wenn es viele Namen und Formen gebe, es nur ein Selbst gebe. Dieses Selbst wohnt in jedem

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Herzen. Er ermahnte die Gelehrten, ihre Herzen zu reinigen und den Weisungen des Gewissens zu folgen. Adi Shankaracarya stellte klar heraus, dass es unterschiedliche Glaubensbekenntnisse gibt, aber nur einen Gott. Adi Shankaracarya ermahnte die Pandits, mit einem aus-reichenden Einkommen zufrieden zu sein und sich nicht nach Reichtum zu sehnen. Umfassendes Wissen und niedere Wünsche passen nicht zusammen.

Die Studenten sollten erkennen, wie ein junger in Kaladi geborener Bur-sche Kerala und Indien Ruhm und Ehre brachte. Studenten sollten menschliche Werte wie Liebe, Mitgefühl, Rechtschaffenheit und Wahr-heit kultivieren und wirklich menschlich werden. Jeder Student sollte danach streben, wie Adi Shankaracarya ein ideales Leben zu führen.In diesem Zusammenhang sollte ich erwähnen, dass Adi Shankaraca-rya in dem Lied „bhaja Govindam“ den Verzicht auf alle weltlichen Bin-dungen empfiehlt. Die Menschen mögen denken, dass Swami den Stu-denten weltfremde Lehren erteilt. Das bekümmert mich nicht, denn das, was ich sage, ist die Wahrheit. Wird Entsagung sehr leicht erworben? Nein. Menschen, die seit Jahren zuhören, haben sich nicht im Gering-sten verändert. Zu denken, dass eine einzige Ansprache eine grosse Wandlung bewirke, ist pure Einbildung. Nur wenige Glückliche erfahren solch eine Verwandlung. Es kann keinen grösseren Segen geben, als wenn in einem Jeden wahrhafte Entsagung gefördert wird.Die Nähe zu Gott wird den Geist der Entsagung wecken, sogar wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Im Verzicht liegt Erfüllung. Und das eigene Leben ist erlöst.

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 7.9.)

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9. September

Adi Shankaracaryas Aufruf an die Jugend

Was macht es schon,wenn die Kleingeistigen edle Seelen verunglimpfen?

Verliert der mächtige Elefant etwa seine Grösse,wenn Hunde bellen?

Verkörperungen des Göttlichen Selbst!

Alle Dinge, die ihr in der Welt seht, haben irgendeine Farbe. Wir glau-ben, dass diese Farben den jeweiligen Dingen eigen sind. Das ist aber nicht so. Die Farben sind in Wirklichkeit eine Spiegelung unserer eige-nen Sichtweise. Der Himmel erscheint blau, wenn wir ihn anschauen. Die Farbe des Ozeans scheint dunkelblau zu sein. Wir sagen, dass der Himmel und der Ozean blau sind. Das ist falsch. Weder der Himmel noch der Ozean sind blau. Es sind die Weite des Raums und die Tiefe des Ozeans, welche diesen Eindruck von Blau hervorrufen. Wenn ihr etwas Seewasser in eure Hand giesst und es betrachtet, werdet ihr fest-stellen, dass es farblos ist. Es zeigt nicht die Farbe, die ihr euch vorstellt.Genauso sind Gut und Böse abhängig von Gedanken und Gefühlen. Die wahre Farbe eines Objektes ist nicht wahrnehmbar. Ebenso tritt auch die wahre Form nicht in Erscheinung. Elektrische Energie wird durch ein elektrisches Wasserkraftwerk erzeugt. Der elektrische Strom ist für uns nicht sichtbar, obwohl die verschiedenen Einsatzzwecke der Energie offensichtlich sind. So gehen auch alle Wesen, alle lebenden Geschöpfe, aus dem göttlichen Prinzip hervor. Doch dieses Prinzip ist nicht sichtbar. Wir können nur die Wesen sehen, die aus diesem Prinzip hervorgehen, sowie ihr gutes und schlechtes Verhalten.

Nachdem Adi Shankaracarya seine Lehre des Advaita (Nicht-Zweiheit) in Kashi verbreitet hatte, fand in der heiligen Stadt eine Versammlung grosser Gelehrter statt. Adi Shankaracarya, der in dieser Versammlung war, schloss für einen Moment seine Augen und hatte die Vision seiner Mutter, die sich in grosser Not befand.Umgehend löste er die Versammlung auf und begab sich nach Kaladi. Er erreichte seine Mutter, als sie im Sterben lag, und, wie er es ver-sprochen hatte, benetzte er ihre Lippen mit Tulasi-Wasser und führte pflichtgemäss alle vorgeschriebenen Handlungen aus.

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Zu dieser Zeit betrachteten die Einwohner Kaladis Adi Shankaracarya Handlungen mit Missfallen, denn ihrer Ansicht nach sollte ein Samn-yasin nicht zu den Tätigkeiten eines Haushaltsvorstands zurückkehren und Rituale ausführen. Samnyasa bedeutet, alle Wünsche aufzuge-ben. Die orthodoxen Gelehrten waren der Überzeugung, dass eine Per-son, die Samnyasa übe, nicht die letzten Riten für Mutter oder Vater ausführen sollte. Dies gehöre zu den Pflichten eines Haushälters.Damit die Studenten die Tragweite dieses Vorfalls begreifen können, werde ich die Bedeutung von Samnyasa erklären. Ehe sich jemand Samnyasa verpflichtet, wird „viraga homa“ durchgeführt, was bedeutet, dass er gleichsam stirbt, all seine früheren weltlichen Verpflichtungen aufgibt und ein neues Leben beginnt, in dem er eine neue Form an-nimmt und ein neues Gewand trägt. Die alte Form wird weggeworfen, und der alte Name wird ebenfalls abgelegt. Die Person bekommt einen neuen Namen, der einen Bezug zu dem asketischen Orden hat. Dem Namen wird das Wort „Ananda - göttliche Glückseligkeit” angehängt, obwohl wenige von ihnen Ananda erfahren. Wenn man diese Zeremo-nie über sich hat ergehen lassen, wo ist danach noch Platz für Mutter oder Vater?

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Vorfall erwähnen, der sich während einer Reise zutrug, die ich mit Burugula Ramakrishna Rao, dem damaligen Gouverneur von Uttar Pradesh, unternahm. Er war ein guter Devotee und beherrschte mehrere Sprachen. Er war ein sehr in-telligenter Mensch. Er beschloss, die Reise nach Badrinath und Keda-math „in der Gesellschaft des Herrn selbst” (Bhagavan Baba) zu ma-chen. Als sie hörten, dass Swami nach Badrinath reiste, schlossen sich fast 200 Devotees Bhagavans Gruppe an. Ramakrishna Rao und seine Frau waren sehr reine und fromme Leute, die jeden Tag erst dann ihr Essen zu sich nahmen, wenn die 200 Devotees mit Swami gegessen hatten. Dergestalt war ihre Hingabe! Wenn die Devotees sich zur Mahl-zeit hinsetzten, servierte Ramakrishna Rao selbst Wasser für alle. Er erlaubte seinen Angestellten oder Anderen nicht, diesen Dienst zu ver-sehen. Er pflegte zu erklären: „Ich bin ein Diener Swamis und kein Gou-verneur.“

Früher war Ramakrishna Rao Erster Minister von Andhra Pradesh in Hyderabad. Als Swami zu jener Zeit dorthin fuhr, standen Tausende von Menschen in Malakpet Schlange, um Swamis Darshan zu bekom-men. Die freiwilligen Helfer drängten die Devotees in die Schlange, da-mit alles schneller ging. Ich möchte, dass die Studenten erkennen, was

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für ein liebevolles Herz Ramakrishna Rao hatte. Er stellte sich in die Schlange. Der Generalinspektor der Polizei näherte sich Ramakrishna Rao und beschwor ihn, mit ihm zu kommen und sich nicht in die Schlan-ge einzureihen. Ramakrishna Rao sagte zu ihm: „Politisch bin ich viel-leicht Erster Minister. Spirituell aber bin ich ein einfacher Devotee! Ich bin kein so hervorragender Devotee.“ So war der hingebungsvolle Geist von Ramakrishna Rao!

Wir kamen alle in Rishikesh an. Ramakrishna Rao hatte die Unterbrin-gung der gesamten Gesellschaft in einem grossen Gästehaus und na-hegelegenen Häusern organisiert. Da kamen Shivananda und eine Gruppe seiner Devotees zu dem Gästehaus und baten Swami, am nächsten Tag Swami Shivanandas Ashram zu besuchen. An jenem Tag sei zufällig Shivanandas 70. Geburtstag. Swami bemerkte: „Es ist nicht Shivanandas Geburtstag, sondern Kuppuswamis Geburtstag. Bevor er als Entsagender den Namen Shivananda annahm, war sein Name Kuppuswami gewesen. Er war Arzt. Dieser Kuppuswami hörte auf zu existieren, als er sich Samnyasa weihte. Da nahm er den Namen Shivananda an. Das war vor 26 Jahren. Daher ist der Swami als Shi-vananda erst 26 Jahre alt. Es ist der 70. Geburtstag von Kuppuswami und erst der 26. Geburtstag von Shivananda“. Shivananda sagte: „Swa-mi! Nie zuvor hat mir jemand diese Wahrheit auf so nachdrückliche Wei-se gesagt.“Dieser Körper ist 70 Jahre alt. Die Menschen erkennen die körperliche Form, doch sie erkennen nicht die Basis, die diesen Körper erhält. Die-se Wahrheit kann nur von göttlichen Persönlichkeiten wie Avataren ver-standen werden, von Niemandem sonst. Von dem Moment der Geburt bis zu seinem Ende hat dieser Körper eine Form und einen Namen.Menschen, die sich zu Advaita bekennen, erinnern sich oft an ihr Leben, bevor sie sich Samnyasa weihten, und sie fahren fort, daran zu denken, während sie ihr Leben als Entsagende führen.

Adi Shankaracarya war mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Niemand in seinem Dorf war bereit, ihm zu helfen. Er musste die Be-erdigungsfeier seiner Mutter durchführen. Die örtlichen Nambudiri-Brahmanen erklärten, dass sie den Leichnam nicht berühren könnten. Ihrer Ansicht nach verstiess Adi Shankaracarya gegen die in den Schrif-ten festgelegten Anordnungen.Ohne Hilfe zu erhalten, trug Adi Shankaracarya den Leichnam selbst in den Hinterhof des Hauses und verbrannte ihn. Was Adi Shankara-carya damals tat, wird noch heute in Kaladi praktiziert. Wenn die Alten

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sterben, werden ihre Körper im Hinterhof ihrer Häuser verbrannt. Es gibt für sie keinen separaten Verbrennungsplatz. Wenn ihr nach Kerala kommt, werdet ihr dort Häuser finden, deren Frontseite zur Strasse zeigt, wogegen der Hof nach hinten offen ist. Jeder, der dorthin geht, muss ein reinigendes Bad nehmen.Auf diese Weise erfüllte Adi Shankaracarya das seiner Mutter gege-bene Versprechen. Adi Shankaracarya machte sich dann wieder auf den Weg nach Kashi. Die Art und Weise, in der ihm die Leute von Kaladi begegneten, erfüllte ihn mit tiefem Schmerz. Adi Shankaracarya ging den ganzen Weg nach Kashi zu Fuss, nur mit einem Stock in der Hand und einer Öllampe, die ihm bei Nacht den Weg zeigte.

Beim Anblick der jungen Männer und Frauen, die seinen Weg kreuzten, sagte Adi Shankaracarya zu seinen Jüngern, dass die jungen Leute mehr Begeisterung für sinnliche Freuden hätten als für die Erforschung des Atman. Es ist schade, dass die Leute dem Körper verhaftet sind, der doch ein Behältnis für viele schmutzige Dinge ist. Sie lassen sich von den äusserlichen, physischen Reizen des Körpers verführen. Es ist eine Schande! Was für ein Jammer, dass die Menschen sich so an diesen vergänglichen Körper klammem! Wie lange kann Jugend wäh-ren? Adi Shankaracarya belehrte die Leute an Ort und Stelle über die Vergänglichkeit sinnlicher Genüsse.Seine Botschaft war eine Warnung an die Jugend, sehr sorgfältig dar-auf zu achten, was sie für ein Leben führten. Sie sollten ihre Anhaftung an den Körper aufgeben. (In diesem Zusammenhang erzählte Swami ausführlich die Geschichte eines Prinzen, der die Tochter eines Kauf-manns wegen ihrer Schönheit heiraten wollte. Das Mädchen, das sich Gott hingegeben hatte und unverheiratet bleiben wollte, ersann einen Plan, um den Prinzen von seiner Besessenheit zu heilen. Sie liess ihm die Nachricht zukommen, dass sie den Prinzen heiraten würde, wenn sie ihm nach einer Woche noch gefiele. Inzwischen nahm sie eine Rei-he von starken Abführmitteln, sammelte alle Entleerungen in Gefässen und ging dann zu dem Treffen mit dem Prinz. Zu diesem Zeitpunkt war sie so abgemagert, dass all ihr jugendlicher Charme verschwunden war. Sie sagte dem Prinzen, dass all die Schönheit, die er in ihr gesehen hatte, in den Gefässen enthalten sei. Der Prinz begriff die Lektion und beschloss ebenfalls, ledig zu bleiben und sich dem Dienst für Gott zu weihen.)

Auf diese Weise versuchte Adi Shankaracarya, den Geist der Men-schen vom Denken an sinnliche Freuden abzubringen und die Gedan-

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ken auf Gott auszurichten. Adi Shankaracarya forderte nicht alle jungen Männer auf, das Mönchsgelübde abzulegen. Er ermahnte sie, ihre Pflicht zu tun und ihren Körper in den Dienst des Göttlichen zu stellen. Er predigte die Wahrheit, lebte sie und verbreitete sie in der Welt.Die heutige Jugend ist zum Sklaven ihrer Sinne geworden und benimmt sich wie die niederen Tiere.Adi Shankaracarya wies darauf hin, dass es mit dem weltlichen Leben wie mit den Szenen auf einer Leinwand sei. Sie kommen und gehen, doch die Leinwand bleibt. Er verkündete: „Das Selbst ist wirklich. Die Welt ist Illusion”. Adi Shankaracarya erklärte ebenfalls: „Das Universum ist von Gott durchdrungen.” Als Gelehrte den Widerspruch zwischen den beiden Behauptungen aufzeigten, sagte Adi Shankaracarya: „Weltliches Leben ist eine Illusion, da es beständig kommt und geht”. Gleichzeitig wird dieses weltliche Leben wie die bewegten Szenen auf einer fest installierten Leinwand gelebt. In diesem Vorgang verschmel-zen die Welt und das Göttliche zu einem Ganzen, ungefähr so, wie die Leinwand und der Film, der auf ihr abläuft, eins werden. Dies war der von Adi Shankaracarya gepredigte Non-Dualismus. Be-trachtet das Göttliche als das Fundament und führt euer weltliches Le-ben unter Beachtung seiner Vergänglichkeit. Ohne das Göttliche gibt es keinen Kosmos. Demzufolge muss der Mensch das Eine Göttliche Prinzip erkennen, das allen Wesen innewohnt. Es mag verschiedene Namen tragen. Das Ewige Göttliche ist ohne Geburt und ohne Namen.(Swami beschrieb Shankaras erfolgreiche Debatten mit Mandana Mishra und seiner Frau, Ubhayabharathi die Beide das Mönchsgelübde ablegten. Dann ging Adi Shankaracarya nach Kaschmir.)

Der Herrscher von Kaschmir war ein grosser Förderer der Gelehrten. Adi Shankaracarya wollte diese in Debatten besiegen. In dem Moment, als Adi Shankaracarya Kashmir betrat, schlossen sich die Tore des Tempels von Kanakadurga. Alle Versuche, sie zu öffnen, blieben ver-geblich. Alle Schriftgelehrten gingen zum Tempel und beteten zur Göt-tin. In Beantwortung ihrer Gebete sprach die Göttin mit ätherischer Stimme: „Adi Shankaracarya ist ein grosser Lehrer. Doch er ist mit ei-nem Makel behaftet. Erst, wenn der Makel entfernt ist, werden sich die-se Tore öffnen.“ Adi Shankaracarya sang daraufhin Hymnen zum Lob Shivas. zu fasten erkannte, dass er einen Fehler begangen hatte, als er in den toten Körper des Königs von Kashi eingetreten war, um die Erfahrung eines Haushälters zu gewinnen, damit er die Debatte mit Ub-hayabharathi der Frau von Mandana Mishra, weiterführen konnte. Um für diese Verfehlung zu büssen, beschloss er, elf Tag, ohne Essen und

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Wasser zu fasten, um strenge spirituelle Übung durchzuführen. Am zwölften Tag öffneten sich die Tore des Tempels ganz von allein. Dies zeigte die Kraft von Adi Shankaracaryas Entschlossenheit und Busse.Krishnamurthy und Sandipan Chatterji (die vorher gesprochen hatten) erwähnten „Prema - Liebe“ und riefen die Studenten dazu auf, die Liebe zu kultivieren. Welche Art Liebe sollten sie entwickeln? Adi Shankara-carya gab die Antwort. Die Liebe sollte aus dem Atman kommen. Wahre Gebete sollten aus der Seele und nicht aus dem Körper kommen. Diese Liebe ist Gott. Lebt in Liebe.

Adi Shankaracarya predigte den jungen Menschen ständig die Doktrin der Nicht-Anhaftung, da er erkannte, dass in vielen Leben entwickelte Bindungen nicht durch das Anhören von ein oder zwei Reden aufgelöst werden können. (In diesem Zusammenhang erzählte Swami die Ge-schichte eines Geschäftsmannes, der fürchtete, dass sein Sohn eine Abneigung gegen die Welt entwickeln würde, wenn er den Reden eines Gelehrten über die Grösse des Verzichts zuhörte. Der Gelehrte versi-cherte dem Kaufmann, dass der Vortrag an nur einem Tag seinen Sohn nicht bekehren würde, wo doch eine Reihe von Vorträgen keine Wir-kung auf den Vater gehabt hatte.) Wenn ständige Reinheit im täglichen Leben erforderlich ist, sollen die Bemühungen um spirituelle Reinigung nicht abreissen. In dieser Weise predigte Adi Shankaracarya der Ju-gend die Philosophie von Verzicht und Loslösung. Die Studenten soll-ten sich an Gott als ihren einzigen wahren Freund und Förderer halten. Wenn ihr festen Glauben habt, wird sich das Göttliche für euch mani-festieren. Das ist die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahr-heit.Heutzutage sprechen viele Schriftgelehrte über Advaita, die Nicht-Zweiheit, doch Wenige praktizieren es. Advaita muss gelebt und nicht nur mit Worten wiederholt werden! Erkennt diese Wahrheit.

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 9.9.)

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10. September

Die Überwindung der Anhaftung

Mit welchem Geschick die Zunge es schafft,sich zwischen den Zähnen zu bewegen,

ohne von ihnen gebissen zu werden!Der Mensch sollte sich die Zunge zum Vorbild nehmen,

um die Lebensgefahren zu vermeiden!Vergiss nicht diesen wohlgemeinten Rat, oh Mensch!

Adi Shankaracarya sah die menschliche Existenz in der Welt als die eines Schauspielers auf der Bühne, der seine Rolle spielt, indem er ge-

boren wird, heranwächst und stirbt.

„Das Leben des Menschen ist wie ein Wassertropfen,der ruhelos auf einem Lotosblatt schimmert.

Es ist angefüllt mit Kummer und Sorgen.Löse die Fesseln, die dich binden an dieses Leben

und betritt den Weg der Hingabe an Krishna,oh Mensch, dem die Weisheit mangelt.“

(Telugu Gedicht)

Das Leben des Menschen ist wie ein Haus mit vielen Räumen. Die Räu-me sind die Wünsche. Wünsche und Enttäuschungen sind an der Ta-gesordnung. Immer mehr Zweifel kommen auf. Er wird von Ängsten ge-quält und Ängste verfolgen ihn, wo immer er geht oder steht. Er ist ge-fangen in einem Labyrinth von Problemen. Wie kann er dort je heraus-finden? Sogar das Glück, das er vom Leben zu erhalten glaubt, ist durchsetzt mit Ängsten. Es gibt kein Freisein von Ängsten. Wie kann dieses Freisein errungen werden? Wo es keine Anhaftungen gibt, gibt es auch keine Ängste. Wie kann man in diesen Zustand gelangen? Durch unmittelbare Nähe zum Göttlichen.Adi Shankaracarya ermahnte die Menschheit, sie möge ihre Ängste da-durch überwinden, dass sie sich um Nicht-Anhaftung (vairagya) bemü-he und die Reise zum Göttlichen Selbst (Atman) antrete. Durch Selbst-Verwirklichung kann die wahre Natur der Angst verstanden werden. Freude und Kummer, Gewinn und Verlust, Licht und Dunkelheit sind Gegensatzpaare, bei denen das Fehlen des einen Teils gleichbedeu-tend ist mit dem Erscheinen seines Gegenteils. Für beide ist die letzte Ursache der Atman, von dem alle Dinge herrühren.

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Hier ist eine Blume. Sie hat viele Blätter. Diese Blätter sind alle ver-schieden voneinander. Aber alle Blätter sind aus ein und demselben Stiel herausgewachsen. Atman hat seinen Sitz im Stiel, von dem die Blätter herstammen. Wir sehen die Blume als ein einziges Objekt. Es ist eine Blume, aber sie hat viele Blätter. Die Blätter sind alle aus dem einen Stiel hervorgegangen.

Dieselbe Analogie kann man auch auf die unendlich vielen Wellen an-wenden, die sich aus dem Ozean erheben. Es sind viele und verschie-dene Wellen, aber sie bestehen alle aus der gleichen Substanz wie das Meer. Aus den Wellen erhebt sich die Gischt, die aus der gleichen Ma-terie besteht wie die Wellen und der Ozean, aber unterschiedlich davon ist in Form und Name. Alle drei kommen aus dem Ozean.Die drei Zustandsformen repräsentieren die drei Arten der Beweisfüh-rung bei logischen Schlüssen: Erkenntnis durch unmittelbare Wahr-nehmung, indirekte Erkenntnis und Erkenntnis durch Schlussfolgerun-gen. Dies ist die logische Basis für die Nicht-Dualität (Advaita). Alle drei werden auch die dreigeteilte Manifestation, das atmische Prinzip ge-nannt. Im Menschen finden wir das „Drei-in-einem“-Prinzip in der Ein-heit von Körper, Geist und Seele. Der Körper funktioniert auf der Grund-lage des Geistes. Der Geist gründet auf dem Atman. Für alles ist der Atman die Grundlage. Atman ist die Basis für das Menschsein. Das ist der Grundsatz der Nicht-Dualität. Auch wenn die Menschen diese Wahrheit nicht anerkennen und von den zahllosen, flüchtigen Objekten der Erscheinungswelt überzeugt sind, werden sie zuletzt doch das at-mische Prinzip verwirklichen.

(Bhagavan erzählte dann die Geschichte, wie Buddha Erleuchtung zuteil wurde.)

Nach langer Zeit bekam Suddhodhana einen Sohn, der Siddhartha ge-nannt wurde. Der König hielt Siddhartha ausschliesslich im Palast, da-mit er über das Leiden in der Welt nichts erführe. Einmal machte er ihn mit einem seelisch sehr hochstehenden Pandit bekannt, der zum Palast gekommen war. Der Pandit war ein Prophet. Er sagte zum König: „Sud-dhodhana! Dieser Junge wird ein Entsagender werden. Und er wird ein grosser Weisheitslehrer für das Volk werden.“ Suddhodhana war dar-über tief bestürzt. Da er begriff, dass der Prinz die völlige Loslösung (Vairagya) entwickeln könnte, wenn er hinausginge, hielt er den Prin-zen davon ab. Der König verheiratete ihn, als er sein 18. Lebensjahr erreicht hatte und krönte ihn als rechtmässigen Erben.

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Nach seiner Krönung hatte Siddhartha den Wunsch, sich das König-reich anzuschauen. Er hatte nicht die Absicht, sich als Herrscher auf den Palast zu beschränken und wollte wissen, wie die Leute lebten. Deswegen wollte er durch das Land reisen. Trotz seiner Befürchtungen stimmte der König der Bitte des Prinzen zu, weil er nun verheiratet war und es unwahrscheinlich schien, dass er das aufgab.

Siddhartha setzte sich in seine Kutsche und brach zu einer Fahrt durch die Hauptstadt auf. Er sah eine vom Alter gebeugte Frau, die, auf ihren Stock gestützt, sich auf der Strasse fortschleppte. Er fragte den Kut-scher: „Wer ist diese seltsame Gestalt, die sich dort auf der Strasse be-wegt?“ „Mein Herrscher! Wenn man alt wird, krümmt sich der Rücken und man wird schwach. Das ist eine alte Frau.“ Der Prinz fragte: „Pas-siert dies allen Menschen, wenn sie alt werden?“ Der Kutscher antwor-tete: „Es ist unausweichlich. Es ist ein Gesetz der Natur.“Die Kutsche fuhr weiter. Unter einem Baum sass ein kranker Mann, der hustete und wehklagte. Der Prinz erkundigte sich, was mit dem Mann unter dem Baum los sei. Der Kutscher antwortete: „Der menschliche Körper ist anfällig für eine Vielzahl von Leiden. Dieser Mann dort leidet an einer ernsten Erkrankung. Niemand weiss, wann er von einer Krank-heit heimgesucht wird.“ Das merkte sich der Prinz.Die Kutsche fuhr weiter. Vier Menschen trugen einen Leichnam auf ei-ner Totenbahre. Der Prinz fragte, was es sei, das die Menschen trügen. Der Kutscher antwortete: „Ein Toter.“ „Was ist ein Toter?“ fragte der Prinz. „Ein Toter lebt nicht mehr.“ „Und wir?“ „Wir leben.“ Der Prinz frag-te weiter: „Verliert jeder einmal sein Leben?“ „Ja, der Tod ist unver-meidbar, er kommt früher oder später.“ Der Prinz hörte dies. Er liess das Schwert aus seiner Hand fallen und fuhr zum Palast zurück.An diesem Abend ass er nicht. Er ging zu Bett, konnte aber nicht ein-schlafen. Neben ihm schliefen seine Frau Yasodhara und sein kleiner Sohn. Er betrachtete sie sehr eingehend. Da blitzte der Gedanke in ihm auf: „Alles ist Kummer“. Dann kam er zu der Erkenntnis: „Alles ist erfüllt von Angst, Angst, Angst“. Als nächstes erklärte er: „Alles ist vergäng-lich, vergänglich, vergänglich“. Schliesslich erklärte er: „Alles ist Leere, Leere, Leere“. Nach diesen Erklärungen verliess er den Palast.Was für ein grosser Verzicht ist das! Wir sehen eine Menge leidender Personen, alte Menschen und auch Verstorbene, doch wie viele be-kommen das Gefühl, verzichten zu wollen, nachdem sie solche Szenen gesehen haben? Nur Siddhartha empfand so. Um eine solche Herr-schaft über die Sinne zu erlangen - um alle Anhaftungen aufzugeben - ist Gottes Gnade nötig.

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Das Gleiche zeigt folgende Geschichte, in der ein Prinz zur Jagd in ei-nen Wald ging. Da er durstig und müde war, ging er zu einem Ashram, um sich auszuruhen und Wasser zu trinken. Der Weise dieser Einsie-delei fragte ihn, wer er sei und was ihn zum Ashram gebracht hätte. Der Prinz antwortete: „Mein Name ist Jitendriya und ich komme vom Königreich Jitendriya. Ich brauche Wasser zum Trinken.“ Der Weise bot ihm Wasser an und bat ihn, sich zu setzen. Er wollte herausfinden, ob der Fremde seinem Namen gemäss lebte (Jitendriya bedeutet: seine Sinne vollständig besiegt zu haben). Es gibt viele, die Namen wie Dhar-maraja (König der Rechtschaffenheit) führen, die aber ihrem Namen keine Ehre machen. Der Weise bat den Prinzen, ihm seine königlichen Kleider zu übergeben und das Gewand eines Einsiedlermönchs zu tra-gen. Er nahm die Gewänder des Prinzen, bestreute sie mit rotem Puder und machte sich auf den Weg nach Jitendriya. Am Palasttor wurde der Weise von der Wache ehrerbietig begrüsst und nach dem Grund seines Besuches befragt. Er gab an, der Prinz sei in den Wäldern von einem wilden Tier getötet worden und er brächte die Kleidung des Prinzen. Er bat darum, diese Nachricht dem König zu überbringen. Der Tor-wächter lächelte und fragte: „Warum haben sie die Kleidungsstücke hierher gebracht? Wer kann dem Tod entgehen? Jeder, der geboren wird, ist dazu bestimmt, zu sterben. Geburt und Tod gehören zusam-men.“(Swami erzählte von der Praxis der Eisenbahn, an jedem Waggon das Datum anzubringen, an dem er in die Werkstatt muss, um überholt und neu gestrichen zu werden. So hat auch jeder Mensch ein „Rückkehr-datum“, auch wenn dieses nicht sichtbar ist.)

Nachdem der Weise die Worte des Wachtposten gehört hatte, ging er hinein, um den König selber zu treffen. Er erzählte ihm, dass sein Sohn gestorben wäre und begann zu weinen. Als der Samnyasin (ein Sam-nyasin ist ein Mensch, welcher der Welt entsagt hat und in völliger Be-sitzlosigkeit lebt) so wehklagte, lachte der König und sagte zu ihm: „Du trägst das ockerfarbene Ge-wand, aber deine Worte passen nicht für Jemanden, welcher der Welt entsagt hat. Warum weinst du? Es besteht kein Grund, in Kummer und Leid zu verfallen. In der Abenddämmerung kehren hunderte von Vögeln zu einem Baum zurück, um sich auszu-ruhen, den sie am nächsten Morgen wieder verlassen. Was für eine Beziehung besteht zwischen den verschiedenen Vögeln? Ist es nicht ebenso mit dem Baum meiner Familie, auf dem meine Frau und meine Kinder eine Zeit lang bleiben, um ihn dann wieder zu verlassen? Nie-mand weiss, wann und wohin Jemand weggehen wird. Es besteht kein

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Grund dafür, darunter zu leiden, wenn es passiert. Es ist ein Gesetz der Natur.“ Der Weise empfand den Vater als herzlosen Menschen. Dann ging er zur Königin, wobei er dachte, dass sie als Mutter unter dem Verlust ihres Sohnes leiden würde. Er sagte zu ihr: „Mutter! Dein Sohn ist tot. Hier sind seine Kleider.“ Aber auch sie lachte: „Oh Sadhu! Du bist Jemand, der allem Weltlichen entsagt hat. Wie kannst du ir-gendein Interesse für das Vergängliche hegen? Das Leben ist wie eine Herberge, in der die Reisenden eine Zeit lang bleiben und dann wei-tergehen. Jeder hat seine eigene Zeit, zu der er abreist. Es gibt keinen Grund zu leiden, wenn irgend jemand die Welt verlässt.“Zuletzt ging der Weise zu der Frau des Prinzen, um herauszufinden, ob nicht wenigstens sie anders reagieren würde. Er berichtete auch ihr über den Tod ihres Ehemannes. Sie bemerkte: „Wenn es regnet, fallen Blätter von den Bäumen. Wenn es eine Überschwemmung gibt, kom-men zwei Holzstückchen für eine Zeit lang zusammen und trennen sich dann wieder. In diesem Ozean des Lebens bin ich so ein Holzstück, der Prinz war ein anderes. Wir kamen zusammen und sind jetzt wieder auseinander gegangen. Warum also überrascht sein oder darüber jam-mern? Der Grund dafür wäre entweder Anhaftung oder Besitzdenken. Den Ereignissen selbst kann man nichts vorwerfen, da sie so gesche-hen müssen. Warum sich also darüber grämen?“

Der Weise erkannte, dass das, was der Prinz über das Königreich er-zählt hatte, der Wahrheit entsprach. Nun wollte er den Prinzen selber auf die Probe stellen. Er kehrte in die Einsiedelei zurück und rief vor dem Prinzen aus: „Oh Prinz! Dein Königreich ist von Eindringlingen ver-heert worden und dein Vater und deine Mutter werden gefangen ge-halten. Du musst sofort aufbrechen, um das Königreich zurückzuer-obern und deine Eltern zu befreien. Mache dich bereit zum Krieg!“Der Prinz erwiderte: „Alles, was geschehen ist, geschah in Überein-stimmung mit Gottes Willen. Ich brachte dieses Königreich nicht mit, als ich geboren wurde. Kann ich es mitnehmen, wenn ich sterbe? Wa-rum also sollte ich Krieg führen, um es zurückzuerobern? Es ist nicht mein Königreich. Mein Königreich ist das Reich des Geistes. Dieses strebe ich zu verwirklichen. Es ist das Königreich Gottes, das ich zu er-langen suche, und das kann nicht dadurch erreicht werden, dass man Krieg führt. Allein durch die Liebe kann es gewonnen werden. An an-deren Königreichen liegt mir nichts.“

Da warf sich der Samnyasin vor dem Prinzen nieder und bekannte: „Wir tragen zwar die Kleider der Entsagenden, aber wir besitzen noch keine

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der Eigenschaften von wahrhaft Entsagenden. Doch wie viele, die im weltlichen Leben sind, führen ihr Leben frei von weltlichen Anhaftun-gen!“(Swami erzählte noch eine Geschichte, um den Punkt ganz klarzuma-chen, dass, welche Rolle man auch immer im Leben zu spielen hat, man in ihr wahr sein sollte.)Einmal erschien ein Schauspieler in der Verkleidung eines Shankara-carya an einem Königshof und erklärte mit scharfen Worten den un-wirklichen Charakter aller menschlichen Beziehungen und die Ver-gänglichkeit weltlichen Besitzes. Der Schauspieler vermochte Advaita die Lehre von der Nicht-Dualität so kraftvoll darzustellen, dass der Kö-nig seinem Minister auftrug, ihn mit einem Teller goldener Münzen zu beschenken. Aber der „Shankaracarya“ weigerte sich entschlossen, das Geschenk anzunehmen und sagte, dass es für einen Shankara-carya unwürdig sei, ein solches anzunehmen. Am nächsten Tag er-schien derselbe Schauspieler als wunderschöner Tänzer und führte dem König eine ausgezeichnete Tanzdarbietung vor. Der König war von dem Tanz so beeindruckt, dass er den Minister anwies, dem Tänzer einen Teller voll goldener Münzen zu überreichen. Doch dieses Mal lehnte der „Tänzer“ das ihm angebotene Geschenk ab, weil es ihm für seine Darbietung als zu gering erschien. Der Minister, der erkannt hat-te, dass es sich bei dem Tänzer um die gleiche Person handelte, die tags zuvor als Shankaracarya gekommen war, fragte nun den Schau-spieler, was der Grund dafür sei, dass er am Tag zuvor den Teller golde-ner Münzen verweigert, an diesem Tag jedoch mehr verlangt habe. Der Schauspieler erklärte, dass er das frühere Angebot abgelehnt habe, weil er seine Rolle als Entsagender spielte. Aber in der Rolle des Tän-zers war er frei, mehr zu fordern, weil es für einen Tänzer ganz natürlich sei, so viel Geld wie möglich zu verdienen.

Adi Shankaracarya rief die Menschheit dazu auf, zu erkennen, dass sie als Menschen Hochachtung vor den menschlichen Werten empfinden und sie praktizieren sollten; andernfalls würden sie ihre wahre Rolle ver-raten. Adi Shankaracarya reiste durch das Land und ermahnte die Men-schen, ihr Leben spirituell auszurichten und sich über die tierischen Ei-genschaften zu erheben. Seine Schüler nahmen die Essenz von Adi Shankaracarya Lehre auf und wurden Meister in der Auslegung des Ad-vaita. Eine Zeit lang beeinflusste die Lehre des Advaita ganz Indien, doch im Lauf der Zeit verlor sie ihren Einfluss.Studenten! Ich möchte gar nicht, dass ihr alle Samnyasins werdet und alles aufgebt. Alles, was ich mir von euch wünsche, ist, dass ihr wei-

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terhin eure Pflichten erfüllt, Glauben an Gott habt und erkennt, dass es eine fundamentale Wirklichkeit gibt, die allem zugrunde liegt. Wenn ihr dies verwirklichen könnt, wird sich in euch zu eurer je eigenen Zeit die Loslösung vollziehen. Loslösung kann nicht erzwungen werden. In dem Mass, wie eure Liebe zu Gott zunimmt, entwickelt sich die Gleich-gültigkeit gegenüber weltlichen Dingen auf ganz natürliche Art und Wei-se.

(Ansprache in Prashanti Nilayam, 10.9.)

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3. Oktober

Padhuga-Fest

Verkörperungen der göttlichen Liebe!

Das Leben als Mensch ist das allerhöchste, wertvollste und kostbarste. Als Mensch geboren zu sein und nicht um das Geheimnis des Bewoh-ners des menschlichen Körpers zu wissen, die innere Bedeutung dieser Geburt und dieses Lebens nicht zu kennen, ist eine unglückliche An-gelegenheit. Es ist das Ziel des menschlichen Lebens, das eigene wirk-liche Selbst zu erkennen. Der Mensch weiss noch nicht um seine Wirk-lichkeit; er lässt sich im Spinnennetz der vergänglichen Freuden dieser Welt einfangen und wird so zum Opfer von Schwierigkeiten, Leiden und Verlusten.Zur Umkehr und Befreiung der Menschheit haben Seher von alters her neun Wege der Hingabe gelehrt und weithin bekannt gemacht. Auf je-dem dieser neun Wege kann man sein Leben zum Guten wenden und Glückseligkeit erfahren:

Hören, Lernen, heilige Texte und Geschichten hören. Singen zum Lob Gottes. Ständiges Denken an Gott, seinen Namen und seine Form. Hin-gabe dem Herrn darbringen. Lobpreis und Verehrung Gottes. Rituelle Anbetung, zeremonieller Gottesdienst. Freundschaft, Gott als einzigen Freund in allen und allem sehen. Hingabe, Vertrauen in das Selbst. Sich dem Willen der inneren göttlichen Gegenwart gänzlich anvertrauen. Das Göttliche Selbst als einzige eigene Realität erkennen.

Um in den Genuss des Gottnahe-Seins zu kommen, diese Nähe zu er-fahren, sich an diesem grossen göttlichen Schatz zu erfreuen, ist der einfachste und hindernisfreieste Weg derjenige, Gottes Herrlichkeit zu preisen, die dauernde Wiederholung und das Nachsinnen über den Na-men des Herrn. In diesem Eisernen Zeitalter gibt es keinen einfacheren Weg als den, sich ständig an den Namen des Herrn zu erinnern. Für den Gelehrten wie den Analphabeten, den Weisen und den Toren, für Alle ist dieser Weg der einfachste, und jeder sollte ihm folgen.Der Mensch hat seine Herkunft vergessen. Er hat vergessen, dass er aus dieser alten Familie von Sehern und Weisen stammt. Er lässt sich vom Weltlichen, Vergänglichen faszinieren und verführen und verliert auf diese Weise sein Leben.

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Gott stellt sich selbst die Frage: „Wer ist mir lieb? Wer liebt mich?“ Wer wunschlos ist, ohne Absicht, ist mir sehr lieb. Wer mich liebt, ist ohne Wünsche, ohne Begehren.Heutzutage gibt es praktisch Niemanden auf der Welt, der ohne Wün-sche ist. Jeder hat Vorlieben und Abneigungen und ist wählerisch. Alle Freuden, die ihr durch die Sinne erfahrt, sind kurzlebig. Die Sinnen-freuden sind vergänglich, nicht von Dauer, sondern nur eine Augen-blicksangelegenheit. Viele Menschen hängen sich an solche Wünsche.Es gibt ein transzendentales Prinzip, das jenseits der Sinne ist - es ist der beste Weg, der Weg, der nach oben führt, der auf das Gute aus-gerichtet ist. Die Wünsche aller Geschöpfe erhalten ihren Antrieb aus einer dieser zwei Möglichkeiten.Jede Handlung, die ihr mit dem Gefühl unternehmt, dass ihr Gott ge-fallen, ihn zufriedenstellen wollt bringt euch Gott näher. Alles, was ihr beginnt, jedes Tun müsst ihr mit dem Glauben unternehmen, dass es Gottes Werk ist. Wenn ihr in diesem Gefühl handelt, werdet ihr frei von Wunsch und Begehren. Das bedeutet, dass ihr ohne Eigeninteresse, ohne Selbstsucht und nur aus Liebe zu Gott handelt, um ihn glücklich zu machen und um Gott zu offenbaren. Ganz ohne Wunsch, ohne Ab-sicht zu sein, ist praktisch unmöglich. Wunsch, Absicht, Motivation muss vorhanden sein, aber was ihr tut, muss Gott gefallen. Dann kommt das zweite Prinzip, Reinheit. Das bedeutet innere und äussere Sauberkeit. Äussere Sauberkeit ist vielleicht nicht immer mög-lich, aber innere Reinheit muss da sein. Gott möchte Reinheit des Her-zens, d.h. ein reines Bewusstsein. Bei allem Tun kommt es auf diese Bewusstseinsreinheit an. Ein Becher mag von aussen nicht ganz sau-ber sein - wenn er innen rein ist, könnt ihr ihn mit Wasser füllen und unbeschadet gebrauchen. Was will Gott also? Innere Reinheit! Das ist die zweite Eigenschaft. Wer keine Wünsche hat und innere Reinheit besitzt, ist der göttlichen Liebe würdig.Das dritte Prinzip ist der Entschluss, unaufhörlich an Gott zu denken. Jederzeit und unaufhörlich dient er allen selbstlos und erwartet keinerlei Belohnung für sein Tun. Das ist sein fester Entschluss. Wer jederzeit, unter allen Umständen, ungeachtet aller Hindernisse immer an Gott festhält, der ist der Liebe Gottes würdig. Diese Entschlossenheit bein-haltet, dass man sich von Unglück nicht niederschlagen und von Freu-de nicht davontragen lässt. Seid immer auf der Suche nach der Wahr-heit und fühlt Gleichmut bei allem, was geschieht - das ist die richtige Entschlossenheit. Von denen, die so sind, heisst es: „Diese sind mir äusserst nahe und lieb!“

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Der Erste empfindet Wunschlosigkeit. Der Zweite besitzt innere Rein-heit, der Dritte ist der Entschlossene. Durch die Entschlossenheit be-kommt ihr Abstand von euren Verbindungen und Verwandtschaftsbe-ziehungen. Ihr seid Zeuge von allem, was geschieht, ohne mit irgen-detwas oder irgendjemandem eine Verbindung einzugehen. Gutes oder Schlechtes, Ruhm oder Stellung in dieser Welt oder einer anderen - von alledem bleibt ihr unberührt, ihr seid nur Zeuge. Das gilt auch in bezug auf gesellschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen. Richtet euer Denken niemals auf Politik oder weltliche Wünsche. Das ist Gleichmut. Das bedeutet unbeteiligt sein, alles gelassen hinneh-men. Ob eine Gruppe von Menschen euch zustimmt oder eine andere euch herabsetzt oder beschimpft - es berührt euch nicht. Ihr lasst euch von Ehrung oder Verunglimpfung nicht beeinflussen, sondern hält nur am Gedanken an Gott fest. „Solch ein Mensch ist mir der Allerliebste“, sagte Krishna. Diesen Gleichmut solltet ihr zur Basis eures täglichen Lebens machen; so bringt ihr eure spirituellen Bemühungen zur Erfül-lung.Was kommt dann als Fünftes? Ihr solltet dafür sorgen, dass keinerlei Raum für Ego oder Besitzdenken bleibt. Denkt nicht: „Ich will die Früch-te meiner Taten geniessen.“ Ihr sollt nicht die Ergebnisse eures Tuns ersehnen, keine Belohnung erwarten. Ihr solltet nicht stolz sein und denken: „Das habe ich gemacht, das habe ich vollbracht!“ Keinerlei Ego-Gefühl sollte vorhanden sein, kein Gefühl von „ich“ und „mein“. Al-les ist dein! Gibt es ein mein? „Mir gehört nichts, ich habe nichts“ - in diesem Gefühl solltet ihr alles, jede Handlung, jeden Gedanken Gott opfern. Nur wer so beschaffen ist, hat die Möglichkeit, den göttlichen, segensreichen, immer neuen Zustand, den Zustand des Gottseins zu erkennen und zu erfahren.

Alle eure Bemühungen zielen heutzutage darauf ab, Gott zu erreichen. Im Augenblick eurer Geburt habt ihr Gott schon erreicht. Von allen Da-seinsformen als Lebewesen ist das Leben als Mensch am schwersten zu erreichen. Jede menschliche Gestalt ist Gottes Gestalt. Gott mani-festiert sich in der menschlichen Gestalt. Ihr braucht Gott also nicht ex-tra zu erreichen. Ihr müsst nur die Wahrheit, die Wirklichkeit erkennen und euch entsprechend verhalten. Es ist unbedingt nötig, dass ihr euch im vollen Bewusstsein sagt, dass Gott in euch ist. Also - wo ist Gott? Er ist nicht irgendwo draussen in der Welt, nicht in Tempeln, nicht an heiligen Stätten oder Wallfahrtsorten - Gott hat nur einen Aufenthalts-ort: im Herzen. Da ist Gott. Gott ist im ganzen Universum. Gott ist in allen Lebewesen. Im Herzen aller Geschöpfe leuchtet Gott.

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Ihr vergesst, dass Gott in euch ist. Verschiedene heilige Stätten auf-zusuchen mit der Vorstellung, dass Gott „da irgendwo“ ist, zeugt von grösster Unwissenheit. Gott ist euch so nahe, näher bei euch denn Ir-gendetwas sonst. Dennoch solltet ihr Dinge verrichten, die Gott gefal-len. Wem auch immer ihr dient, denkt, dass ihr es für Gott tut, dass ihr Gott dient.Die Upanishaden sagen: „Wen immer ihr grüsst, ihr habt Gott gegrüsst. Irgendjemand zurückzuweisen und auszuschliessen, heisst Gott zu-rückzuweisen, ihn ausschliessen.“Die Ursache von gut und schlecht liegt in eurem Tun. Ihr bezeichnet das mit den vagen Begriffen „Sünde“ oder „Verdienst“. Sünde ist nicht irgendwo fern von euch. Ebensowenig ist es das Gute, es ist der Lohn für gute Taten. All dies hängt einzig mit dem Tun eines jeden Einzelnen zusammen. Gut und schlecht, Strafe und Belohnung erwerbt ihr durch euer eigenes Tun. Darum müsst ihr Gutes tun. Ihr müsst euch unter Aufbietung aller Kräfte bemühen, Gott, eure Göttlichkeit zu erkennen.Um Gutes zu tun, unterzieht ihr euch vielen spirituellen Übungen. Das Einsetzen der Padhugas ist z.B. eine solche Übung. Das Aufstellen der göttlichen Sandalen mit den Fussabdrücken Gottes, zur rituellen Ver-ehrung, als Abbild Gottes, ist keine neuzeitliche Erfindung, keine neue Methode. Seit dem Goldenen Zeitalter, dem ersten der vier Weltzeit-alter, haben die Rishis (Seher, Weise) dies praktiziert und sich daran erfreut und diese Erfahrung der Welt weitergegeben. Sie nahmen Zu-flucht zu den Lotosfüssen des Herrn, und das gab ihnen die Entschlus-skraft, ihre asketischen Übungen erfolgreich durchzuführen.Das ist noch nicht Alles. Die Philosophie des Dakshinamurti lehrt vor-nehmlich die Verehrung der göttlichen Padhugas und des Meisters. Auch Adi Shankaracarya gelobte, die göttlichen Fussabdrücke auf die-se Weise zu verehren.(Sai Baba zitiert einen Vers aus einer Lobeshymne auf Shiva, die Adi Shankaracarya komponiert hatte. Der Vers endet mit den Worten:)

„Darum, ewiger, gütiger, alles gewährender Gott,nehme ich Zuflucht zu deinen Füssen.

Mein ganzes Glück liegt in der Hingabe an deine Füsse.Deine Füsse sind in meinem Herzen, nicht irgendwo in Kailasa,

nicht irgendwo in Vaikhuntaund nicht irgendwo im Götterhimmel!“

Himmel, Vaikhunta, Kailasa sind nur Namen. Es gibt diese Himmel nicht. Einzig und allein euer Herz ist der Himmel. Euer Herz ist der al-

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leinige Himmel. Euer Herz ist Kailasa. Was ihr Vaikhunta nennt, ist in euch; es ist das Herz, und darin ist alles enthalten. Die ganze Welt, die gesamte Schöpfung ist im Herzen.Als Rama gebeten wurde, nach Ayodhya zurückzukehren, sagte er nein. Bharata liess nicht von seiner Bitte ab, er wollte unbedingt, dass Rama zurückkehrte. Rama blieb genauso fest bei seinem Entschluss. Aber Rama und Bharata waren doch Brüder. Rama besass feste Ent-schlusskraft, sein jüngerer Bruder zeigte die gleiche Beharrlichkeit. Vai-sishta sah sehr wohl, dass keiner der beiden nachgeben würde, und er sagte: „Bharata, Rama ist in den Wald gezogen, weil er sich dem Befehl seines Vaters beugt. Es ist nicht angemessen, ihn um Rückkehr zu bitten. Es ist besser, wenn wir seine Sandalen auf dem Herrscher-thron von Ayodhya einsetzen. Diese Padhugas werden das Reich re-gieren.“ Das war ein kluger Plan. Bharata nahm Ramas Sandalen, die Padhugas, mit nach Ayodhya und setzte sie dort auf den Herrscher-thron.Von alters her gibt es in Indien diese Methode, die Füsse zu verehren in der Form von Dienst an den Lotosfüssen, zeremonielle Verehrung der Lotosfüsse und Aufstellen der Füsse bzw. der Fussabdrücke auf Sandalen oder einem Tuch als Sinnbild Gottes zur zeremoniellen Ver-ehrung. Seit undenklichen Zeiten, über Generationen hinweg bis in die heutige Zeit hat Indien der ganzen Welt dieses Prinzip spirituellen Reichtums vorgelebt. Diese heilige alte Kultur Indiens wird heutzutage von den Indern vergessen.Wenn früher Schüler ihre Lehrzeit zu Füssen eines Meisters beendet hatten und in den Familienstand eintreten sollten, nahmen sie beim Ab-schied die Sandalen ihres Guru mit. Diese wurden auf immer im Haus gehalten und verehrt. So erinnerte man sich an den Meister und seine heiligen Eigenschaften und erweckte diese Qualität auf diese Weise im Haus.Dies hat jedoch alles mit äusserlichen Verbindungen und Beziehungen zu tun. Was ist echte, wirkliche Verbindung? Die wahre Anwendung liegt darin, die Padhugas im Herzen zu tragen. Für den Anfang mögt ihr diese äusserliche Verehrung praktizieren - enden müsst ihr aber auf der rein geistigen Ebene der innewohnenden Göttlichkeit. All dies be-zieht sich auf den Weg des selbstlosen Handelns. Wenn ihr diesen Weg beschreitet, müsst ihr euer Herz mit Hingabe füllen und schliesslich durch den Weg des Wissens Befreiung erreichen. Einzig dieser Weg der Weisheit gibt euch Befreiung. Ihr solltet die Zeit bis zum Lebens-ende nicht nur mit körperlicher, weltlicher Aktivität verbringen.

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So wie Schüler von einer Klasse immer in die nächsthöhere versetzt werden, müsst auch ihr Stufe um Stufe voranschreiten. Ihr müsst um das Wesen dieser drei Wege - selbstloses Handeln, Verwirklichung durch Hingabe, Gewahrsein der Wirklichkeit durch ein tieferes Erken-nen und Wissen - wissen. Die meisten Menschen folgen nur dem Weg des Handelns. Wir haben den Körper bekommen, um damit tätig zu sein. Die Menschheit ist ans Handeln gebunden. Mit diesem Körper solltet ihr alle in der Welt nötige Arbeit verrichten. Dabei müsst ihr die Göttlichkeit des Geistes erkennen.Für alle steht also am Anfang der Weg des Handelns. Ihr solltet darauf achten, dass ihr Handlungen ausführt, die Gott gefallen - so weit mög-lich. Was gefällt Gott, was erfreut ihn? Denkt bei allem, was ihr tut: „Ich tue es, um Gott zu gefallen.“ Überlegt zuerst: „Wird das, was ich zu tun beabsichtige, Gott erfreuen oder nicht?“ Schaut, dass ihr innerlich da-mit auch zufrieden seid. Innere Erfüllung, Zufriedenheit muss dasein. Dahingehend müsst ihr forschen, und dann erst handeln. Was ihr auch tut, tut es mit reinem Herzen. Ihr solltet niemals etwas tun, weil Andere euch dazu zwingen wollen. Gebt keinem Druck von aussen, von An-deren nach. Tut nur das, wozu ihr euch in eurem Innersten gedrängt fühlt. Nicht von aussen!Was die Padhugas anbelangt, hat unser Subramaniam viel Erfahrung. In seinem Alter hat er eigentlich nicht mehr die Kraft für grosse Reisen. Nur sein Glaube, sein Vertrauen und seine Hingabe machen es mög-lich, dass er all dies unternimmt. Einzig die göttliche Energie gibt ihm die Kraft dazu.Was auch immer über die Padhugas gesagt werden mag, was auch geschehen mag - lasst euch absolut nicht beeinflussen. Wer um die Geheimnisse dieser Wege weiss, wird sie gehen und sich Gott nähern. Wenn ihr Gott nahe sein wollt, müsst ihr jede Handlung mit Liebe füllen. Ihr dürft niemals gegen die göttlichen Gesetze handeln. Dies sind die zwei Grundprinzipien der indischen Kultur: „Sprich die Wahrheit, handle gemäss deiner Pflicht. Sprich die Wahrheit und verhalte dich gemäss rechtschaffener Grundsätze. Ihr müsst an der Wahrheit festhalten und niemals die Rechtschaffenheit aufgeben.Jeder Familienvater hat sich um die vier Lebensziele: - Rechtschaffen-heit, Wohlstand, Wunscherfüllung und Befreiung zu kümmern. Von die-sen vier Lebenszielen ist Rechtschaffenheit das erste. Rechtschaffen-heit entspricht den Füssen. Der ganze Körper stützt sich allein auf die Füsse. Ohne Füsse kann der Körper sich nicht aufrecht halten. Auf den Füssen ruhen die Schenkel, diese entsprechen dem Wohlstand. Der Bauch entspricht der Wunscherfüllung. Alle Arbeit verrichtet ihr nur um

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des Bauches, des Magens willen. Dieser ist abhängig von der Kraft der Schultern und Arme. Die Kraft der Schultern entspricht dem Krieger- und Herrscherstand. Alle diese Lebensziele hängen von der Recht-schaffenheit ab. Heutzutage habt ihr den Anfang vergessen. Ebenso habt ihr das Ende, die Befreiung vergessen. Ihr seid völlig vom Streben nach Wohlstand und der Wunscherfüllung absorbiert. Was nützt euch das? Ihr solltet euch auf die Füsse des Herrn stützen und den Kopf, die Befreiung, nicht vergessen, einzig das ist wichtig, so wird die göttliche Natur ausge-drückt; das ist Gott (Brahman). Der Kopf, das Gesicht entspricht dem Unterscheidungsvermögen, dem Brahmanenstand. Das ist das göttli-che Sein. Der Kopf ist Gott (Brahman), er symbolisiert Befreiung.Wenn ihr mit den Füssen zu tun habt, solltet ihr euch erinnern, dass die Füsse in bezug zur Rechtschaffenheit stehen. Den Wohlstand und die Wunscherfüllung müsst ihr in Relation zur Rechtschaffenheit stellen und dadurch das Ziel, Befreiung erreichen. Befreiung könnt ihr nicht ir-gendwo finden. Befreiung ist Zerstörung der Täuschung, das Ver-schwinden der Verblendung, der Identifizierung mit dem Körper. Ihr müsst euch bemühen, diese Bindung zu verringern. Welche Art von Verbindung ist aber nötig? Bindung an Gott, die solltet ihr ersehnen. In jeder Hinsicht müsst ihr euch Gott wünschen. Wenn ihr immer nur Gott wollt, wird all euer Tun Gott erfreuen.Gottesdienst, Verehrung, Ritual, Zeremonie solltet ihr daher nur mit sol-chen hehren, heiligen Gedanken verrichten. Ihr solltet die Zeremonie der Verehrung der Padhugas nicht auf künstliche, oberflächliche Weise erledigen. Die alte Kultur Indiens hat mit dem Herzen zu tun, nicht mit etwas Künstlichem. Keine Künstlichkeit! Alle Gedanken und Gefühle sollten aus dem Herzen kommen und nicht irgendwie erzwungen wer-den. Was auch immer eure spirituelle Übung sein mag, sie soll Gott er-freuen. Das allein wird der wahren Bedeutung von Wunschlosigkeit ge-recht. Als Mensch in dieser Welt völlig wunschlos zu leben, ist unmöglich. Manch einer mag es vielleicht behaupten, aber niemand kann es. Ihr könnt tausendmal darüber reden, aber ihr könnt es nicht ein einziges Mal durchführen. Es ist leicht zu sagen, aber sehr schwierig zu prak-tizieren; selbst für einen alten, weisen Grossvater und auch für dessen Grossvater. Etwas zu sagen, ist leicht, es zu tun, ist sehr schwer. Ihr solltet also in der Praxis beweisen, was ihr heute sagt. Erst im Handeln beweist ihr eure Kraft. Auf dieses Handeln kommt es heute an, das ist das Allerwichtigste. Ihr solltet nicht nur äusserlich, in der Gestalt, Mensch sein, sondern euer Menschsein auch in eurem Tun beweisen.

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Als heute morgen die Mantras gesungen wurden, schmolzen alle Her-zen. Selbst wer die Sprache nicht verstand, war tief berührt. Unser ve-discher Gelehrter hat mit grosser Klarheit gesungen. Ich muss offen sa-gen: Ich bin durch viele indische Staaten gereist - Tamil Nada, Kerala, Uttar Pradesh -, nirgendwo wird Sanskrit deutlich und korrekt ausge-sprochen. Dieser Gelehrte aber singt mit vollkommener Deutlichkeit. Jeden Buchstaben singt er so, dass er das Herz anrührt. Darum konnte ihm auch jeder mit Leichtigkeit folgen.Als Ramakrishna Rao Gouverneur von Kerala war, reiste er mit uns nach Badhrinath. Dort gab es einen Sanskrit-Gelehrten, einen „nam-puddhipodi pandit“. Das heisst, dieser war sehr bewandert im Sanskrit. Als er sang, hielt Ramakrishna Rao sich die Ohren zu und rief: „Pandit! Du bringst unsere Mutter Sanskrit um!“ Der Pandit sang so: (Sai Baba singt mit Stakkato, schnell und mit verzerrter Aussprache vor.) „Shan-takara, bhujangashayana, padmanabham“ - aber so sollte es sein (Ba-ba singt sehr weich, langsam, mit deutlicher Aussprache jedes Buch-stabens und mit Gefühl vor). Nicht so! (Baba wiederholt noch einmal, zur Erheiterung der Zuhörer, die „falsche“ Rezitation.) Seht ihr, was man dem Sanskrit antun kann!? Aber dieser Gelehrte, der aus Tamil Nadu kommt, hat eine klare, deutliche Aussprache. In der Tat macht er es besser als die Gelehrten in Andhra Pradesh. Durch solch einen Gelehrten wird unser Subrahmanyam bei seiner grossen Aufgabe sehr entlastet.Das Bild, das sich uns heute morgen bot war hocherfreulich. Alles, was geschah, und wie es geschah, war ein Augenblick des Himmels - es war der Himmel, es war svarga (Himmel) und vaikuntha (der Himmel Vishnus). Es war nicht so, dass alle sozusagen programmgemäss fröh-lich waren; nein, jeder fühlte von sich aus tiefes Glück. Jeder blieb von selbst ganz in der Stille und war auf das Ritual konzentriert.Der Pandit hat auch jedes Wort erläutert. Solche Gelehrte, die wirklich lehren, die Bedeutung erklären und ihre Lehre in die Praxis umsetzen sind heutzutage kaum zu finden. Unter diesem Mangel leidet Indien zur Zeit. Niemand denkt an das Wohlbefinden und das Wohlergehen der Gesellschaft. Man bekommt nur Sätze wie „Pflicht ist Gott“ zu hören, und ansonsten machen alle weiter wie bisher. Dieser Gelehrte aber ist nicht so. Er hat die Bedeutung eines jeden Wortes erklärt, so dass es das Herz ergriff. Er brachte alle dazu, ihren Gottesdienst gut und richtig zu verrichten. Solche Menschen sind ein Beispiel für den Spruch „wie du fühlst und denkst, so wirst du sein“. Wie der Lehrer, so der Schüler. Wie der Herr, so die Schöpfung.

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Nun zu unserem Dr. Gadia. Ihr kennt ihn alle. Sein Grossvater war Kaka Dixit in Shirdi (ein bekannter Anhänger des Shirdi Baba; A. d. Ü.). Er hat seinen Grossvater nie gesehen - ich aber habe ihn gesehen! Die Verbindung mit dieser Familie besteht weiterhin, auch mit dem jet-zigen Avatar. Kaka Dixits Sohn Dixit lebte mit seiner Frau dreissig Jahre bei mir in Brindavan. Kaka Dixit hatte seinem Sohn sein Tagebuch ge-zeigt und gesagt: „Du musst nahe bei Sai Baba bleiben.“ Er hatte ge-schrieben: „Egal, was für Probleme auf dem Weg auftreten mögen - verlass niemals Baba.“ So kam Gadia zu mir. Ich schickte ihn ins Ma-nipal Krankenhaus in Bangalore, damit er dort Medizin studiert. Als er mit dem Studium fertig war, wollte er sich in Bangalore niederlassen. Ich sagte aber: „Bleib nicht hier, geh nach London.“ So gibt es eine in-nige Verbindung zwischen Bhagavan und seiner Familie. Vater, Gros-svater, Urgrossvater. In gleicher Weise ist jeder mit mir verbunden. Ohne diese alte Verbindung kann niemand hierher kommen. Ihr wisst nichts über diese Verbindung - ich weiss alles. Diese Verbindung be-steht schon über viele Leben hinweg. Auf der göttlichen Ebene sind wir von Anbeginn der Zeit verbunden. Diese Atman-Verbindung ist ewig. Sie ist unvergänglich und unendlich. Solch tiefe Verbindungen sollten wir niemals aufgeben.Ihr solltet euch zurück zu eurem Ursprung begeben. Das sagt auch das Bhagavata purana: „Es ist ganz natürlich, dass sich Lebewesen wieder zurückbegeben an ihren Herkunftsort.“ Ihr seid von Atman gekommen. Zu Atman sollt ihr wieder zurückkehren. Seid bei eurem Aufenthalt hier auf Erden niemals nachlässig in den Pflichten, die mit diesem Körper verbunden sind, bis ihr dies erreicht habt.Ihr vergesst, woher ihr gekommen seid. Ihr sucht nach neuen Wegen. Viele kommen zu mir und bitten: „Herr, zeig uns einen Weg!“ Ich brau-che euch nichts zu zeigen. Geht denselben Weg zurück, den ihr ge-kommen seid. Woher seid ihr gekommen? Ihr kommt nicht aus Madwai oder aus Salem. Ihr seid nicht von Madras oder Madurai gekommen. Euer Körper kommt von dort, aber ihr selbst kommt von Atman. Ihr seid nicht der Körper. Ihr seid nicht der Geist. Ihr seid nicht der Intellekt. Ihr sagt: „Mein Geist, mein Intellekt“, damit sagt ihr: „Ich bin nicht der Geist, nicht der Intellekt.“ Der Vedanta sagt: „neti, neti, neti“ (wörtl. na iti = nicht dies), das heisst „dies nicht, dies nicht“. Ihr seid nicht der Körper, nicht der Geist, nicht das Denken, nicht der Intellekt, nicht die Sinne, ihr seid einzig und allein Atman.Ihr seid Kinder der Unsterblichkeit, Kinder Gottes. Wer ein Sohn der Unsterblichkeit ist, kann doch nicht das Gegenteil, die Falschheit wol-

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len. Welches ist der Weg zur Unsterblichkeit? Ausrottung der Unmoral ist der einzige Weg. Also müsst ihr euch der schlechten Eigenschaften wie Begierde, Hass, Neid entledigen - dann wird Unsterblichkeit erreicht. Nur die schlechten Eigenschaften trennen euch von Gott. Wenn ihr Abstand nehmt von diesen, seid ihr Gott immer ganz nahe. So müsst ihr euch also nach und nach von den tierischen Eigenschaften trennen und göttliche Ei-genschaften entwickeln. Wahrheit, Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Moral, Integrität, Ehrlichkeit, Opferbereitschaft - das sind göttliche Ei-genschaften, die ihr in euch wachsen lassen müsst. Begierde, Zorn, Habgier, Verblendung, Stolz, Neid - diese Eigenschaften gehören zu den Tieren. Leider nehmt ihr sehr schnell diese Tiereigenschaften an - Ärger, Zorn kennzeichnen den Hund. Wenn euch der Ärger packen will, dann sagt: „Ich bin kein Hund, ich bin ein Mensch! Ich bin kein Hund, ich bin ein Mensch!“ Sagt es so lange, bis diese Hundeeigenschaft von euch geht.Manchmal haben wir Affengewohnheiten und -eigenschaften. Nicht von normalen Affen, von verrückten Affen. Dann müsst ihr denken: „Ich bin kein Affe, ich bin ein Mensch!“ Das müsst ihr wiederholen, dann wei-chen diese Tiereigenschaften von euch. Ihr braucht keine spirituellen Übungen abzuhalten. Es ist nicht nötig, Namenswiederholung, aske-tische Übungen oder Meditation auszuüben. Alles liegt im Erforschen. Als erstes müsst ihr Nachforschungen anstellen. Was ist mit „nachfor-schen“ gemeint? „Was ist Wahrheit, was ist unwahr? Was ist richtig, was ist falsch?“ Wenn ihr damit beginnt, zu untersuchen und zu unter-scheiden, was vergänglich und was von Dauer ist, beschreitet ihr den Weg der Wahrheit.Ihr wurdet als Mensch geboren. Weil ihr euch in vergangenen Leben Gutes verdient habt, konntet ihr als Mensch geboren werden. Wenn ihr nun als Mensch geboren wurdet und davon keinen rechten Gebrauch macht, was nützt euch dann die Gelegenheit, Mensch zu sein? Jeder-zeit, auch in Zukunft, solltet ihr als Mensch geboren werden. Eigentlich reicht es, einmal geboren zu sein. Wünscht euch kein weiteres Mal!Ein kleines Beispiel: Ihr habt die Zeitung von heute in der Hand. Ihr lest sie von vorn bis hinten. Wollt ihr diese Zeitung morgen noch einmal le-sen? Morgen müsst ihr die neue Tageszeitung lesen. Wird es eurem Daseinszweck gerecht, wenn ihr immer wieder dieselbe eingefahrene Spur benutzt, immer wieder dasselbe lest, dasselbe wiederkäut, immer wieder geboren werdet, immer wieder dasselbe tut? Ist es wirklich das, was ihr wollt? Immer wieder geboren werden und sterben, geboren wer-den und sterben? Sorgt dafür, dass ihr nicht mehr wiedergeboren wer-

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det! Diesem Zweck, diesem Ziel dienen alle Rituale und Gottesdienste wie Askese, Gottesdienst, Rezitieren des Namens Gottes und Befolgen von Prinzipien und Gelübde ablegen.Ihr seid nun also hier. Euer jetziges Leben ist ein grosses Glücksge-schenk. Ein grosses Geschenk, das ihr aufgrund von Verdiensten aus früheren Leben empfangen habt. Solch ein Leben als Mensch soll nicht vergeudet werden. Nutzt jede Sekunde für Bedeutsames, erweist euch so als dieses Geschenkes würdig.Durch Hingabe an Gottes Füsse, durch gemeinsamen Gottesdienst und individuelle Verehrung der Füsse wollt ihr Gott erreichen. Ihr müsst ganz fest darauf vertrauen, dass Gott bei euch ist, wenn ihr die Pad-hugas bei euch habt. Wenn ihr hierher in den Tempel kommt, lasst ihr eure Schuhe draussen. Ihr und eure Sandalen, das sind zweierlei. Mit den Sandalen Gottes verhält es sich anders. Niemals und nirgendwo könnt ihr eine Trennung zwischen ihm und den Padhugas machen. Wenn ihr die Padhugas in einem Zimmer aufstellt, habt ihr Gott in die-sem Zimmer. Mit solch erhabenen und heiligen Gedanken müsst ihr im-mer im Gefühl dieser ewigen Wahrheit sein. Gott ist unveränderlich und unerschütterlich. „Er ist die immer reine, wache, freie und makellose Verkörperung des Eigenschaftslosen, Fehlerlose, Ewigen und Bestän-digen”. Das ist euer Lippenbekenntnis, aber ihr verhaltet euch nicht ent-sprechend. Ihr müsst in Übereinstimmung mit euren Worten handeln. Das ist mit dem Satz gemeint: „Der Menschheit obliegt es zu lernen, was ein Mensch ist.“ Gedanken, Worte und Taten müssen eine voll-kommene Drei-Einheit sein. Das müsst ihr heute lernen. Die guten und heiligen Gedanken und Gefühle, die euer Geist hegt, muss der Mund formulieren; was euer Mund äussert, muss die Hand ausführen. Das wird im Vedanta „Reinheit der drei Handlungsorgane“ genannt. Ohne diese Einheit könnt ihr die Vervollkommnung der Weisheit nicht errei-chen. Alle Gottesdienste, Rituale, Gelübde usw. sollen nur der Reinheit des Herzens, der Läuterung des Bewusstseins dienen. Diese Reinheit des Herzens, des Bewusstseins dient der Vervollkommnung der Weis-heit.

Verkörperungen der göttlichen Liebe! Verdienste, die ihr in vielen frü-heren Leben gesammelt habt, ermöglichen euch, diesen Weg des Gleichseins mit Gott zu beschreiten. Wieviele Menschen leben in In-dien? Wieviele davon nutzen diese Gelegenheit? Kaum einer. Wieviele wollten hierherkommen, sind aber wieder zurückgetreten? Seht zu, dass ihr dieses heilige Geschenk, das euch heute zuteil wird, diese grosse Gelegenheit, festhaltet und euch bewahrt. Es ist sehr schwer,

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solch eine Gelegenheit zu bekommen. Heiligt sie, nutzt sie, macht den besten Gebrauch davon.Es wird noch viel Grossartiges geschehen - z.B. 1998, wie Dr. Gadia bereits erwähnte. Unser Subramaniam Chettiar sollte dann auch bester Gesundheit sein. Er ist bereit, aber seine körperliche Kraft reicht nicht. Wenn er den festen Willen hat, werden seine guten Gedanken ihm alle nötige Kraft verleihen. Unser Pandit muss sich auch fest dazu ent-schliessen. Der Pandit muss die tiefe Bedeutung der Philosophie der Padhugas verkünden und verbreiten und so die Menschen von ihrer inneren Dunkelheit und Unwissenheit befreien.

(Baba ruft Subramaniam und den Gelehrten nacheinander auf und ma-terialisiert für beide goldene Armreifen.)

Zum Abschluss sang Sai Baba den bhajan „bhajana bina sukha shanti nahi“.

(Vollständige Fassung der Ansprache vom 3.10., übersetzt aus dem Telegu ins Deutsche)

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22. Oktober

Dasarafest

Gott ist Liebe. Liebe ist seine Form. Wenn ihr nicht einmal einen Bruch-teil dieses Geistes der Liebe erfahren habt, wie könnt ihr dann Glück erwarten aus all dem, was um euch herum ist, aus dem Materiellen, aus den verschiedenen Aktivitäten, die ihr unternehmt?Der Mensch versteht und interpretiert Liebe heutzutage auf verschie-dene Weise. Ein Kind denkt nicht über Fragen nach wie: „Wer bin ich, warum bin ich geboren, für wessen Wohl bin ich geboren?” Dieses Kind weiss überhaupt nichts, aber es findet Frieden auf dem Schoss seiner Mutter. Dieses Kind lehrt die Welt, dass Liebe nichts weiss von warum, wo, wieso usw. Die Liebe ist das Erste, was dem Herzen entspringt, und diese Liebe bringt später den Gedankenprozess in Gang. Der erste aus dem Herzen kommende Klang ist diese Liebe. Die Upanishaden lehren, Liebe sei die Wurzel dieses Baumes des Lebens, und Weisheit sei die Frucht. Aber Bhagavan behauptet, dass man so nicht unter-scheiden und klassifizieren sollte. Der gesamte Baum des Lebens ist Liebe. Leben ist Liebe, und Liebe ist Leben.Einst ging ein Devotee zu Christus und fragte: „Was soll ich tun, um mich zu schützen?” - „Oh Narr”, antwortete Christus, „es ist Gott, der alle schützt. Wenn du diesen liebenden Gott liebst, wird dieselbe Liebe dich beschützen.” Dasselbe findet ihr in der Bhagavadgita, als Arjuna Krishna fragte: „Wer ist dir, Herr, am liebsten?” Krishna antwortete: „Derjenige mit stetigem, selbstlosem, starkem Glauben ist mir am näch-sten.” Darüber hinaus sagte er: „Du solltest das Wesen dieser Liebe kennen, die in Jedem einheitlich und in gleicher Weise gegenwärtig ist. Wer alle gleichermassen liebt, ist mir am liebsten.”Es gibt nichts, was Liebe in dieser Welt nicht vollbringen könnte. Liebe kann sogar Wut besänftigen. Üble Qualitäten wie Eifersucht, Show, Zorn, werden durch Liebe überwunden. Wenn ihr Liebe und himmli-schen Nektar (amrita) miteinander vergleicht, findet ihr, dass Nektar nicht süsser ist als Liebe.Einst traf Buddha auf seinem Weg einen eifersüchtigen Dämonen. Der Dämon hob sein Schwert und drohte: „Buddha, sei bereit, von mir als Nahrung verschlungen zu werden!” Buddha erwiderte lächelnd: „Oh, du Dämon voller Eifersucht, ich liebe auch dich!” Als der Dämon diese Worte der Liebe hörte, wurde sogar er transformiert, verwandelte sich in eine Taube und flog davon.

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Wenn durch das Hören eines Wortes der Liebe eine solche Transfor-mation erreicht werden kann, wieviel mehr wird dann geschehen, wenn ihr diese Liebe besitzt und praktiziert? Mittels dieser Liebe könnt ihr al-les erreichen und jeden Wunsch erfüllen. Ihr könnt sogar Gott durch Liebe erreichen! Was sollte dann nicht durch Liebe erreichbar sein?Liebe hat fünf Namen: Frieden, Dienstbereitschaft, Zuneigung, Freund-schaft und Süsse. Es sind Synonyme des Wortes Liebe. Ihr könnt euch fragen: „Wie kann Frieden ein Synonym für Liebe sein? Was ist unter Frieden zu verstehen?” Ihr denkt, Frieden bestehe darin, Schweigen zu bewahren und euren Mund zu verschliessen. Aber Friede bedeutet Freiheit von allen üblen schlechten Gedanken, üblen Neigungen und Launen. Friede ist ein Zustand, wo Hass und Abneigung völlig zerstört sind und ihr Gleichheit, Gleichmut und Brüderlichkeit erfahrt. Es be-deutet: Wenn ihr alle schlechten Eigenschaften aufgebt, bleibt nur Ei-nes zurück: Göttlichkeit.Das wird im Vedanta auf verschiedene Weise beschrieben. In dieser Welt gibt es so viele Dinge zu wissen. Die Veden, Upanishaden und Brahmasutras messen der Selbsterforschung viel Wert bei. Ihr solltet auf dem Weg der Selbsterforschung voranschreiten und euch fragen: „Wer bin ich?” Dieser Weg führt zur Befreiung. Es gibt in dieser Welt so viele Dinge, so Vieles, was ihr wissen könnt. Wenn ihr all diese My-riaden äusserer Dinge beiseite lasst - was gewinnt ihr, wenn ihr euch selbst erkennt?Das Wort „Ich” erstreckt sich auf das ganze Universum. Es besteht im Englischen aus einem Buchstaben: „I”. Es ist nur eins, nicht zwei - das ist Göttlichkeit. In diesem Wort „Ich” ist alles enthalten. In der Bhaga-vadgita steht wiederholt geschrieben: „Ich bin eins; ergib dich diesem Einen; nur ich kann dir Befreiung verleihen.” In jedem Lebensabschnitt steht dieses „Ich” im Vordergrund. Dieses einbuchstabige Wort ist sehr machtvoll. Vom höchsten Millionär bis zum Ärmsten, vom Gelehrten bis hin zum Ungebildeten, jeder benennt sich als „Ich” und sagt: „Ich bin gekommen, ich gehe, ich habe gesehen, ich spreche.” All diesem Äus-seren ist das „Ich” gemeinsam. Was ist nun aber dieses „Ich”?Im Vedanta gibt es zwei Worte: 1. idi - dies, 2. ich. Was ist dies? (Swami zeigt ein Taschentuch.) Dies ist ein Taschentuch. Dies ist ein Becher (Swami zeigt auf seinen Becher). Dies ist ein Tisch (Swami deutet dar-auf). Wer ist dies? (Swami zeigt auf Anil Kumar, den Übersetzer.) Ein Mensch. Was ist dies? (Swami zeigt auf die Halle.) Ein Gebäude. Es ist nicht möglich, irgend etwas ohne diesen Begriff „dies” zu erforschen. Diese gesamte äussere Welt ist nichts als „dies”. Das Kind, das noch nicht einmal richtig sprechen kann, greift die Hand der Mutter und fragt

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ständig: „Was ist dies, Mutter, für was ist dies gedacht?” Alles ist „dies”. Diese sichtbare Welt wird „dies” (idi) genannt. Es ist das Sichtbare. Die-ses Sichtbare wird vom „Ich”, dem Sehenden, gesehen. Ich ist der Se-her, die ganze Welt ist das Gesehene, Sichtbare. Ihr lest etwas, fasst etwas an, tut etwas - alles gehört zum Bereich des „dies”.Es gibt zwei Fragen: 1. die körperbezogene: was? 2. die spirituelle: wa-rum? Spirituelles Wissen kombiniert Beide. Im Vedanta fragt man nach dem Warum, weltliches Wissen beschränkt sich auf was. Warum dreht sich die Erde? Wissenschaftler stellen fest, dass die Erde sich dreht, aber sie sagen nicht warum. Sie dreht sich um die Sonne. Warum? Kei-ne Antwort. Die Sterne leuchten in der Nacht, nicht am Tag. Warum nicht? Niemand kann diese Frage „warum” beantworten. Nur spirituel-les Wissen gibt Antwort auf die Frage nach dem Warum.Aber beiden Fragen ist eines gemeinsam. Ein kleines Beispiel: Ein Schauspieler namens Rama spielt die Rolle Ravanas. (Rama war Ava-tar, eine Inkarnation des Göttlichen, Ravana war der Dämon, der Ra-mas Ehefrau Sita raubte, Anm. d. Übers.). Diese Person Rama spielte in der Kleidung Ravanas die Rolle Ravanas. Obwohl Rama Ravanas Rolle spielte, war Rama als Zeuge in dieser Rolle gegenwärtig. Alles Handeln bezog sich auf Ravana, aber es machte dennoch aus Rama (Gott) keinen Ravana (Dämon). In Ravana ist Rama enthalten, aber in Rama ist kein Ravana zu finden. Das gesamte Universum ist ein Dra-ma, das sich ewig fortsetzt. Das Göttliche Selbst (Atman) bleibt in allem als Zeuge enthalten. Während er die Rolle Ravanas spielte und üble Taten tat, hatte Rama nichts damit zu tun.Alles, was ihr erlebt, ist eine Art Schauspiel. Der Mensch spielt die Rolle eines Schauspielers. Er betrachtet sich als Direktor, als den Handeln-den. Aber Rama (Gott) bleibt als Zeuge gegenwärtig. Deshalb ist alles, was ihr in dieser Welt seht, ein Gewand, das ihr anzieht. Es bezieht sich nur auf die Welt. Aber was ist die Basis dieser Welt? Es ist Atman.Die ganze Welt bezieht sich auf materielles Wissen. Atman, der ewige Zeuge, ist spirituell. Hier müsst ihr einen Sachverhalt klar erkennen. Wissen umfasst 25 Aspekte: Die fünf Handlungssinne, die fünf Wahr-nehmungssinne, die fünf Lebenshüllen, die fünf Lebenskräfte, Ver-stand, höhere Unterscheidungskraft und Intuition, Bewusstsein/Psy-che und Ego. Woher kommen diese 24 Aspekte? Sie sind alle von der individuellen Seele erschaffen. Es ist alles eine Schöpfung eures Gei-stes. Deshalb ist die individuelle Seele der 25. Aspekt. An dem Tag, an dem die individuelle Seele erkennt, dass alle 24 Aspekte ihre eigene Schöpfung sind, steht sie getrennt davon. Dann verbleibt nur eines: Die Göttlichkeit, der 26. Aspekt.

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Alle Sinne ergeben 24 Aspekte. Alle Erfahrungen sind Schöpfungen des Geistes. Nachts schläft ihr und träumt. Ihr existiert im Traum, geht mit euren Freunden ins Kino und zu einem Picknick. Im Traum erfreut ihr euch am Picknick, an den Freunden, am Wasser, am Kino. Woher kommt das alles? Es ist eine Schöpfung eures Geistes. Im Traum seht ihr euren eigenen Leichnam. Wie ist das möglich? Es ist ebenfalls die Schöpfung eures eigenen Geistes. Wenn einmal diese ganze Schöp-fung verschwunden ist, manifestiert sich die Göttlichkeit, die der Zeuge von all diesem ist. Alles, was ihr erschaffen habt, ist Vibration, Schwin-gung, die sich mit Materie verbindet. Im Gayatri Mantra heisst es: Bhur, Bhuvah, Svaha. „Bhur” ist Materialisation, ist Materie; „Bhuvah” ist Vi-bration, Schwingung, Lebenskraft; „Svaha” ist Strahlung, Weisheit. Weisheit und Strahlung sind der Zeuge. Vedanta bezeichnet dies als Brahman, das Göttlich-Absolute, und als Weisheit. Es ist nichtdual. Was ist darunter zu verstehen? Der Tag, an dem ihr alles Selbster-schaffene aufgebt und die ewige Wahrheit verwirklicht, die das eigene Selbst ist, ist spirituell. Wo ist dann Glückseligkeit? Ihr selbst verkörpert Seligkeit. Wo ist Wahrheit? Ihr seid die Verkörperung von Wahrheit. Sprecht deshalb immer die Wahrheit. Ihr verkörpert Liebe - seid Liebe! Ihr seid die Verkörperung von Frieden - seid Frieden! Ihr selbst verkör-pert Frieden, Wahrheit, Liebe. Warum suchst ihr danach? Ihr seid selbst Liebe, sucht aber im Aussen danach.Ein kleines Beispiel: Jemand geht in einen Raum und sucht dort etwas. Er kann alles sehen, vieles, was er zuvor nicht sah. Aber eines kann er nicht sehen: sich selbst. Er findet alles im Raum, nur nicht sich selbst. In dieser weiten sichtbaren körperlichen Welt sucht der Mensch alles und findet alles, was er sucht, aber er findet nicht den, der sucht. Das ist das Geheimnis der Spiritualität. Der Mensch sucht im Aussen nach Wahrheit, aber er verkörpert selbst die Wahrheit. Wenn Glückseligkeit in euch ist, wie könnt ihr sie dann vom Aussen erwarten? Ihr trägt eine Halskette und sucht aussen nach ihr - wie könnt ihr sie finden? Ihr habt eine Brille auf der Nase, aber sucht aussen danach. Alles ist in euch, aber ihr sucht im Aussen. Warum? Aufgrund der Identifikation mit dem eigenen Körper. Der Mensch verbringt sein Leben in völliger Identifi-zierung mit seinem Körper. Deshalb seid ihr weit von der Wahrheit ent-fernt und von der Liebe abgeschnitten.Ihr behauptet: „Ich habe Liebe. Ich liebe meine Eltern, meine Schwe-stern” usw. Das ist nicht Liebe. Liebe zu Eltern, zwischen Schwestern und Brüdern usw. ist bis zu einem gewissen Ausmass von Eigeninter-esse gefärbt. Atmaprema ist die selbstlose Liebe. Die Liebe des Gött-lichen Selbst (Atman) ist wahrhaft selbstlos. Mit dem Göttlichen Selbst

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ist nicht der Körper gemeint. Dieses Ich ist ausschliesslich Ich. Es hat keine spezifische Form. Es gleicht Nektar. Dieser nektargleiche gött-liche Geist wird Liebe genannt. Von allen Formen der Liebe ist sie die Süsseste. Wenn ihr durch dieses Stadium geht, vergesst ihr euch selbst.Die schwarze Biene kann sich in starkes Holz hineintreiben; sie ist sehr kraftvoll. Sie fliegt zur Blume, um Honig zu erhalten. Die Blütenblätter sind so zart. Abends schliessen sie sich. Dieser schwarzen Biene, die so stark ist, dass sie sich in Holz bohren kann, ist es nicht möglich zur Blüte zu gelangen, obwohl deren Blätter so zart sind.Die Biene hat ihr eigenes Kraftpotential vergessen und ist deshalb ge-bunden. Das ist das gegenwärtige Elend des Menschen. Er verkörpert Gott, hat aber seine eigene Wahrheit vergessen. Deshalb findet ihr überall in der Welt Leid und Rastlosigkeit. Nirgendwo ist Frieden. Trau-rigkeit liegt nicht in der Welt, sondern in euch. Weil ihr euer Göttliches Selbst vergesst und euch mit dem Körper identifiziert, geht ihr durch Traurigkeit und Leid. Ihr hält euch für den Körper. Das ist ein grosser Irrtum! Es ist nicht falsch zu sagen: „Das ist mein Körper”, aber ihr könnt niemals behaupten: „Ich bin der Körper”. Wenn ihr die Augen schliesst, ist es stockdunkel, auch wenn um euch herum starke Glühbirnen leuch-ten. Die Sonne scheint, aber wenn ihr eure Augen schliesst, könnt ihr die Sonne nicht sehen, sogar wenn ihr die Augen Richtung Sonne wen-det. Entsprechend leuchtet die Göttlichkeit im gesamten Universum und Friede ist überall, aber ihr erkennt es nicht. Warum? Weil ihr ein-gehüllt seid von der Bindung an den Körper.Ein kleines Beispiel: Hier ist eine Kerze. Nehmt ein Gefäss mit neun Löchern und stellt es über die Kerze. Die Kerze ist eine Lichtquelle, aber aufgrund der neun Löcher sieht es aus, als wenn neun Lichter da seien. Wenn ihr das Ganze mit einem dicken Tuch umhüllt, findet ihr kein Licht mehr. Wenn ihr das Gefäss zerbrecht, entdeckt ihr, dass nur ein Licht da ist. Es gibt nur ein Licht - das ist Einheit. Ihr bedeckt es mit dem neun-löchrigen Gefäss - dem Körper. Ihr mögt Kosmetik, Puder und ich weiss nicht was alles benutzen - aber letztlich ist dieser Körper nichts anderes als ein Gefäss mit neun Löchern. Der Körper verströmt nur faulen Ge-ruch, niemals Duft oder Aroma. Seid ihr der Körper? Er ist nicht das wahre Ich. Dieses ist verhüllt durch das Netzwerk weltlicher Wünsche. Beseitigt das starke dichte „Tuch” der Dunkelheit und Dumpfheit. Als nächstes müsst ihr das „Gefäss” der Emotion und Leidenschaft zer-brechen. Dann wird keine Unterschiedlichkeit oder Vielfalt mehr sein, sondern nur Einssein. Ihr seid sowohl durch das Tuch der Trägheit und Unwissenheit als auch durch das Gefäss von Leidenschaft bedeckt.

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Wie könnt ihr dann Licht sehen? Wie erwartet ihr spirituelles Wissen, ohne die trägen Eigenschaften aufzugeben? Ohne die leidenschaftli-che Qualität aufzugeben, könnt ihr keine Hingabe entwickeln. Die Qua-lität der Reinheit, Ausgewogenheit und Klarheit ist die Höchste. Oh, ihr Söhne Bharats, hört darauf! Ihr wollt spirituelles Wissen ohne das träge Temperament aufzugeben. Wie ist das möglich? Ohne die Leiden-schaft aufzugeben, könnt ihr keine Hingabe entwickeln. Wenn ihr euer Herz mit den aktiven Eigenschaften wie Zorn, Eifersucht und Neid füllt, woher soll dann Hingabe kommen? Hingabe ist so süss. Sie ist rein und sanft. Wie soll sie anwesend sein, wenn Gewalt herrscht? Wenn ein Tiger in einen Kuhstall eindringt, glaubt ihr, die Kühe blieben stehen? Keine wird dort bleiben! Wenn so viele Tiger, nämlich Ärger, Gier, Hab-gier, Eifersucht da sind, wie erwartet ihr dann, dass die reine Qualität der Ausgewogenheit Zugang findet?Um Gott zu erlangen, entwickelt Liebe. Liebe ist da. Liebe ist euer Le-ben, und diese Liebe ist Gott. Ihr müsst diese Liebe kennenlernen. Wie? Es ist nur durch spirituelles Wissen möglich. Ihr müsst all das aufgeben, was durch Eigenwillen, besonders durch den Kopf, getan wird. Wenn man eine schwache Kuh beständig füttert, wird sie stark. Andererseits, wenn man sie nicht füttert, wird sie schwach. Es ist der Geist der jeden ruiniert. In Wahrheit messt ihr dem Geist allen Wert bei! Ihr respektiert ihn sehr und verschafft ihm alle Annehmlichkeiten. Ihr haltet den Geist für göttlich und bittet ihn, den Platz in eurem Herzen einzunehmen. Des-halb ist der Geist so stark geworden, und er wird immer stärker. Nie-mand kann diesen Geist noch kontrollieren. Aus diesem Grund seid ihr hier. (Swami singt ein Lied, Anil Kumar übersetzt zunächst nicht, Swami schaut ihn an und singt weiter. Auf dem Band ist ein leiser Stossseufzer des Übersetzers zu hören: „Oh Swami!” ehe er weiter übersetzt).Für was braucht ein Affe eine perlenbesetzte Krone? Wenn Ihr den Af-fen einlädt, auf dem Thron zu sitzen, wird er still sein? Der Affe ist be-rühmt für seinen schwankendes Geeist. Er wird den Thron selbst ver-derben!Der Geist ist ein verrückter Affe. Wenn ihr ständig über den Geist nach-denkt, wird er stärker. Ihr solltet nicht über den Geist nachdenken. Wenn es notwendig ist, denkt an Gott, oder wendet Unterscheidungs-kraft an. Denkt niemals an den Geist. In Wirklichkeit steht dem Geist keinerlei Recht zu, dass ihr über ihn nachdenkt. Der Geist ist so niedrig und unbedeutend. Er ist voller Wünsche. Er führt euch immer den fal-schen Weg lang. Er führt euch immer in die Irre und führt zur Entwick-lung eines schlechten Charakters. Deshalb solltet ihr den Geist niemals respektieren. Wie solltet ihr euren Weg gehen? Weniger Gepäck

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schafft mehr Bequemlichkeit. Wenn ihr eure Wünsche reduziert, wird der Geist seine Macht verlieren. Hier ist ein Tuch. Es besteht aus mit-einander verwobenen Fäden. Wenn ihr dieses Tuch nicht mehr wollt, braucht ihr es nicht zu verbrennen. Beseitigt die Fäden, trennt sie von-einander und das Tuch verschwindet. Der Geist ist ein Bündel von Wün-schen. Wenn ihr einen Wunsch nach dem anderen beseitigt, ver-schwindet der Geist. Im Sprachgebrauch des Vedanta nennt man dies Loslösung, Entsagung. Was ist unter Entsagung zu verstehen? Es be-deutet nicht, in den Wald zu gehen und seine Familie und sein Eigentum zurückzulassen. Wahre spirituelle Disziplin und wahres Opfer besteht darin, seine schlechten Eigenschaften und das üble Temperament auf-zugeben. Um den Geist zu bändigen, müsst ihr eure Wünsche redu-zieren.Alles, auf das ihr euch als „dies” bezieht, ist die Welt. Auch der Körper gehört zum Sichtbaren. Die gesamte Welt mit all ihren Namen und For-men ist das Gesehene. Aber wer ist der Sehende? Es ist das Göttliche Selbst, Atman. Es ist der Zeuge von allem. In welcher Weise? Obwohl in einem Drama auf der Bühne alle Arten von Handlungen geschehen, ist Gott als der Zeuge gegenwärtig. Es sind keine zwei, sondern einer. Rama und Ravana waren ein und derselbe. Rama spielte nur die Rolle von Ravana. Die individuelle Seele und die Überseele sind eins. Atman nimmt die Rolle der individuellen Seele an und erscheint als abgeson-derte Wesenheit. Diese Welt ist eine Bühne, ein Drama, in dem die in-dividuelle Seele ihre Rolle spielt. Du magst gut spielen, aber Rama bleibt der Zeuge. Was ist der Grund? Ravana ist nur das Gewand, die Rolle, die Rama selbst angenommen hat.Ihr müsst dieses Gewand eines Tages ablegen. Aber Rama bleibt im-mer als Rama bestehen, ob er in der Rolle von Ravana oder von Rama da ist - in seiner Grundlage verändert er sich nicht. Nur die Bekleidung wechselt.Hegt niemals Zweifel der Art, dass Gott an einem Ort sei, aber nicht an einem Anderen. Die Göttlichkeit ist eins. Nur eines existiert, aber es nimmt viele Formen an. Ihr müsst um die Einheit in der Vielfalt wis-sen.Gott gibt also Antwort auf die Frage nach dem Warum. Weltliches Wis-sen beantwortet die Frage. Dies ist ein Mikrophon. Woraus besteht es? Man kann antworten: aus Stahl, usw. Aber woher kommt der Stahl? Es existiert eine ursprüngliche Grundlage, ohne die kein Wissenschaftler irgendetwas erzeugen kann. Hier ist Wasserstoff und Sauerstoff. Wel-cher Wissenschaftler erschuf Wasserstoff und Sauerstoff? Es ist Got-tes Schöpfung. Alles Leben ist eine Gabe Gottes. Sonne und Mond,

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Raum und Erde sind von Gott erschaffen. Und dies alles steht euch frei zur Verfügung. Gott verlangt dafür kein Geld von euch. Mittels dieser Dinge werden andere, käufliche Dinge erzeugt. Hier ist ein Silberbe-cher. Jemand fertigte ihn an, aber kein Mensch erzeugte das Silber.Alle Schüler verstehen folgendes Beispiel: Ihr geht ins Labor, nehmt Wasserstoff und Sauerstoff, fügt sie zusammen und erzeugt Wasser. Ihr denkt, ihr hättet Wasser erschaffen! Was für Toren ihr seid, zu glau-ben, ihr hättet Wasser erschaffen! Ihr habt nur Wasserstoff und Sau-erstoff zusammengefügt, die bereits vorher existierten. Ihr zeigt nur das Zusammengefügte, aber nicht die Hauptsache, die vorhandene Sub-stanz. Das Göttliche Selbst (Atman) ist die Basis von allem.Tatsächlich findet ihr in dieser Welt zwei Dinge: Das Gesehene und die Sicht. Durch spirituelle Praxis werden beide vereint. Das Gesehene geht in die Sicht ein, oder umgekehrt. Warum? Weil das Eine als zwei erscheint. Hier ist ein Same, bestehend aus zwei Hälften. Wenn beide Hälften da sind und ihr sie pflanzt, keimt der Same. Wenn ihr ihn zer-trennt, wird der Same niemals keimen. Es ist wie negativer und positiver Pol. Ist das Negative oder das Positive wichtig? Die Gegenwart des Po-sitiven erzeugt das Negative. Wer würde ohne das Vorhandensein von Strom eine Glühbirne herstellen? Wer ein Mikrophon? Nur weil der Strom existiert, nutzt man Mikrophon, Ventilator usw. Aufgrund des grundlegenden Atman-Prinzips findet man alles Übrige.

Verkörperungen der Liebe! Beachtet als Erstes das Zugrundeliegende. Ohne diese Grundlage könnt ihr nichts Anderes erzeugen. Aber ihr ver-gesst heute diesen wesentlichen Faktor und denkt, ihr erzeugt die Din-ge. Das ist töricht; es ist Unwissenheit.Viele Menschen haben das Geheimnis, die Wahrheit des Lebens in Worten ausgedrückt. Warum zollt ihr ihren Worten keine Beachtung und messt ihren Lehren keine Bedeutung bei? Viele lehren, dass der Körper schmutzig und unrein ist. Warum sorgt ihr euch dann um den Körper? Oh, du törichter Mensch! Du hast nie zugehört, wenn gesagt wird, dass dieser Körper vergänglich und jenseits davon die Weisheit des Geistes ist. Dieses Leben ist ein Ozean. Du Tor, warum hörst du nicht darauf? Warum hörst du nicht zu? Der Mensch erkennt nicht, dass es die Wahrheit ist und deshalb beachtet er es nicht.Ihr müsst jeden Aspekt klar verstehen. Wenn ihr im spirituellen Bereich Transformation erfahren wollt, müsst ihr gute Gewohnheiten entwik-keln und schlechte Angewohnheiten aufgeben. Eure schlechten An-gewohnheiten machen euer Wesen tierisch und dämonisch. Ihr seid keine Tiere oder Dämonen. Ihr seid als Mensch geboren und voller

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Göttlichkeit. Warum solltet ihr diese in euch verborgene Göttlichkeit ver-unreinigen? Der Vorredner Narasimhan sagte: „Nur mit Aufrichtigkeit können wir die Göttlichkeit erlangen.” Ihr sagt, Shraddha bedeute Glau-ben. Das ist nicht korrekt. Shraddha bedeutet Aufrichtigkeit, Glaube und Vertrauen, Ernsthaftigkeit, eine innere Gewissheit. Glaube ist Glaube. Shraddha hingegen bedeutet Interesse. Heute ist dieses In-teresse nicht zu finden. Kein Glaube, sondern der Mensch bleibt immer in Unwissenheit und Trägheit, schlimmer als ein Tier! Als Mensch sollte euer Verhalten vorbildlich für Andere sein. Jeder, der eure schlechten Eigenschaften sieht, macht sich über euch lustig. So Jemand hat kei-nen Platz in der Gesellschaft, sondern wird aus ihr ausgestossen. Wenn ihr gegen die Normen der Gesellschaft, gegen euer Menschsein verstosst, habt ihr nirgendwo einen Platz. Um von dieser Unreinheit frei-zuwerden, solltet ihr Gott verehren.Wenn ihr euch von den oben genannten 25 Aspekten entfernt habt, kennt ihr den 26., das Göttliche Selbst. Ramadas sagte: „Es gibt 25 As-pekte der Täuschung.” Wenn ihr diese als Illusion erkennt, verschwin-den sie von selbst. Ihr sagt Maya habe 25 Aspekte. Alle 25 sind Täu-schung. Warum solltet ihr der Täuschung folgen? Ihr tut das heutzu-tage. Deshalb seid ihr von Unwissenheit umgeben. Jeder weiss, was richtig und was falsch ist. Wenn ihr nicht den Anweisungen eures Ge-wissens folgt, gleicht ihr einem Dämon. Wenn ihr gegen das eigene Ge-wissen handelt, wie könnt ihr dann Respekt von Anderen erwarten? Was bringt es, auf dieser Erde zu leben, wenn ihr von den Menschen nicht respektiert werdet? Ihr seid in der Gesellschaft geboren und wachst in ihr auf. Ihr solltet eure Selbstachtung und Würde bewahren. Heute seid ihr voller Selbstsucht. Selbstsucht ist wie ein raubender Dä-mon. Ihr solltet Opfergeist kultivieren; das führt zu Freundschaft. Freundschaft ist nötig. Mit wem? Händchen zu halten, ist nicht Freund-schaft. Gott ist der einzige Freund. Wenn man diese Freundschaft hat, hat man auch Freude. Alle Freude entspringt dieser Freundschaft. In weltlichen Freundschaften liegt keine Freude.Ihr kennt folgende Geschichte: Kuchela war ein Jugendfreund Krish-nas. Er litt, weil er viele Kinder hatte und arm war. Er fühlte sich elend und traurig und fragte sich, wer ihm helfen würde. Er war ein Schul-freund Krishnas gewesen. Seine Frau erinnerte ihn an diese Freund-schaft: „Krishna ist Gott. Er ist dein Freund. Warum gehst du nicht zu ihm? Er wird all deine Probleme lösen.” Aber Kuchela zweifelte. Er war voller Zweifel, ob Krishna mit ihm sprechen und ihn sehen würde. Ein zweifelnder Thomas ist zum Untergang verurteilt und er wird bei jeder Gelegenheit versagen. Ihr solltet nicht zweifeln. Ihr solltet die feste

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Überzeugung haben und volles Vertrauen, dass Gott nicht vergisst. Ge-wöhnliche Menschen vergessen. Kuchela stärkte sein Vertrauen und wandte sich an Krishna. Andere Leute mögen vergessen, aber Gott wird sicher zu Hilfe kommen. Kuchela fürchtete, niemand würde ihn zur Türschwelle vorlassen. Aber Krishna hörte von Kuchelas Ankunft. Er rannte die ganze Strecke hin zu Kuchela, umarmte ihn und sagte: „Oh Freund, es ist so lange her, seid wir uns sahen! Was geschah in all die-ser Zeit mit dir?”Nur in Zeiten der Schwierigkeit denkt ihr an Gott. Ein kleines Beispiel: Die Pandavas kehrten nach dreizehn Jahren Exil zurück. Kunti erwies Krishna ihren Respekt, weil ihre Söhne die dreizehn Jahre beenden konnten. Krishna fragte Kunti: „Bist du glücklich? Um was immer du fragst, ich werde dir diese Gunst gewähren”. Sie sagte: „Krishna, ich will nichts. Wenn ich deine Nähe habe und deine Unterstützung, dann lass mich allen Tragödien, allen Schwierigkeiten im Leben widerstehen. Krishna, du hast uns unterstützt, bist immer mit uns, du hast uns so viele Male gerettet, als wir im Wald durch alle Schwierigkeiten gegangen sind. Wenn ich diese Nähe habe, bin ich bereit, allen Schwierigkeiten und Problemen zu begegnen.”Folgendes geschah im Leben Sathya Sais. Niemand weiss darum. Wir halten jedes Jahr Sommerkurse ab. Es wurde beschlossen, ein Stu-dentenwohnheim für die wachsende Zahl Studenten zu errichten. Swa-mi lud in diesem Jahr Schüler ein und ging nach Ooty, um dort den Som-merkurs abzuhalten. Der Kurs wurde erfolgreich durchgeführt und am nächsten Tag stand die Rückkehr nach Bangalore an. Swami sagte den Jungen: „Ihr seid nach Ooty gekommen und habt Augen, um zu sehen. Macht eine Aussichtsfahrt. Die Schöpfung, die ganze Umgebung ist so schön! Macht einen Ausflug.” Unsere Studenten sind so stur. Sie woll-ten, dass Swami sie begleitet. Aufgrund intensiver Liebe sagten sie: „Swami, du solltest mit uns kommen.” Bhagavan versuchte sie davon zu überzeugen, dass, wenn er mitkäme, grosse Menschenmengen sich versammeln würden, und sie würden nichts sehen. Aber die moderne Jugend ist sowieso eigensinnig. Die Schüler sagten, wir sind nicht be-reit, ohne dich zu gehen. Swami arrangierte Busse für den Transport nach Dodabeteet, dem höchsten Punkt in den Nilgiris. Die Studenten wollten dort Fotoaufnahmen mit Swami machen. Swami sagte: „Seid dort bereit, ich komme nach”. Nach einer halben Stunde fuhr Swami von Nandanavanam ab. Zwei Jungen kamen dorthin, erfuhren, dass Swami bereits abgereist sei und folgten ihm mit hoher Geschwindigkeit auf Motorrädern, um ihn zu sehen. Jemand im Auto sagte: „Dort sind ein paar Rowdies.” Swami erwiderte: „Sag das nicht, ohne die Wahrheit

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zu kennen. Sie sind gekommen, um mich zu sehen”. An einer Kurve wurde die Geschwindigkeit zu hoch, und sie stürzten von den Motor-rädern. Swami hielt seinen Wagen an und ginge nahe zu ihnen. Er wischte voller Sanftheit den Staub von ihnen ab und ermahnte sie, dass das nicht die rechte Weise sei, ihm zu folgen. „Ihr hättet das nicht tun sollen”, sagte er, und gab ihnen zwei Kamala-Orangen. Es waren ört-liche College-Studenten. Sie sagten: „Bhagavan, wir sind hierherge-kommen, um dich zu sehen. Aufgrund dieses Unfalls konnten wir dich sehen, dich berühren, mit dir sprechen und erhielten deine Göttliche Speise. Ohne diesen Vorfall hättest du uns nicht geliebkost. Wir kamen voller Aufrichtigkeit, dich zu sehen. Wir konnten dich berühren und mit dir reden. Für diesen dreifachen Segen sind wir zu jeder Schwierigkeit bereit!”Das war auch Kuntis Gebet. In schwierigen Zeiten denkt ihr natürli-cherweise an Gott, und Gott denkt ebenso an euch. In freudigen Zeiten gebt ihr dem weniger Raum, obwohl es von Gottes Standpunkt aus ge-sehen weder Freude noch Leid gibt. Kuchela kam und betrat den Pa-last. Er fragte nicht um das, weswegen er gekommen war. Den, der dei-ne Gedanken kennt, musst du nicht bitten! Kuchela wurde Essen ge-bracht, er ruhte eine Zeitlang und wurde in einer Sänfte zurückge-schickt. Dann erst fielen Kuchela seine Kinder ein und die Probleme, denen sie gegenüberstanden. Als Kuchela sein Heim erreichte, sah er ein grosses Gebäude dort stehen. Er sah seine Frau, geschmückt mit Edelsteinen, und sie kam und empfing ihn wie eine Königin. Sie fragte ihn, was Krishna sagte; er konnte nicht gleich antworten. (Swami singt):

„Als er von meiner Ankunft hörte, sandte er seine Diener,um mich zu empfangen. Im Moment, als er mich sah,

verliess er seinen Thron, kam und umarmte mich.Wie kann ich sein Mitgefühl beschreiben?

Er ist Liebe, er ist personifizierte Liebe.Gibt es Irgendjemanden in der Welt,

der einem allen Reichtum und Überflussim Austausch für eine Handvoll gedörrten Reis gibt?”

Wenn ihr aus ganzem Herzen diese intensive Liebe empfindet, wird kei-nerlei Mangel herrschen. Niemand, der voll auf Gott vertraute, hat je-mals gelitten. Es gibt Menschen, die sich aus Mangel an Liebe selbst ruinierten, aber völlig darauf vertrauten, dass ihr Geld sie stützen wür-de. Unglücklicherweise ruinierten sich viele aus Mangel an Glauben und stürzten von der Höhe in die Tiefe. Aber diejenigen, die volles Ver-

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trauen und Glauben haben, erheben sich vom tiefsten Grund zum Wohnsitz Gottes selbst empor! Glaube ist deshalb sehr wichtig. Glau-be, Glaube, Glaube allein ist äusserst wichtig. Glaube erhält man durch Liebe. Das Gesehene und die Sicht werden eins. Alles könnt ihr durch Liebe erreichen.Dörfler aus ganz Andhra Pradesh kamen in den letzten vier Tagen hier-her und genossen ihr Hiersein. Sie nannten es einen Himmel. Die Dörf-ler sind unschuldig, ihr Herz ist heilig und sie haben starken Glauben. Die Kultur Indiens wird in den Dörfern bewahrt. Ihre Glückseligkeit über-stieg alles Mass. Das ist wahre Hingabe. Die Seligkeit, die diese Men-schen aus Andhra Pradesh erlebten, brachte das Herz eines jeden zum Schmelzen. Bhagavan segnet alle, die aus den Dörfern hierherkamen, dass sie glücklich, immer glückselig sind und ein heiliges Leben führen. Bhagavan segnet euch alle und beendet seinen Diskurs.

(Übersetzung vom Tonband der englischen Simultanübersetzung, die manchmal (aufgrund der Geschwindigkeit, mit welcher der Simultanübersetzer arbeiten muss) nicht ganz vollständig beziehungsweise „eindeutig” ist. Um die Authentizität zu be-lassen, wurde die Ansprache in der deutschen Übersetzung nicht gekürzt oder sti-listisch verändert, sondern weitgehend original belassen. Prashanti Nilayam, 22.10.)

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19. November

Der Ruhm der Frauen Indiens (Bharat)

Die Furcht vor Sünde ist verschwunden,schlechte Taten nehmen überhand,

Hingabe an Gott wird beiseite geschoben.Um diese Neigungen zu bekämpfen,

ist das Rezitieren des Namens Gottesdas einzige Gegenmittel, oh Mensch!

Wenn Frauen hinaus zur Arbeit gehen,wer wird sich um das Heim kümmern?Wenn Mann und Frau ins Büro gehen,

wer wird für die Kinder sorgen?Geldverdienen mag einige Probleme lösen,

aber wie wird es häusliche Probleme Überwinden?Ehrlich gesagt, erleben berufstätige Frauen wenig Glück.

Liebende Verkörperungen des Göttlichen Selbst!

Es ist nicht meine Ansicht, dass Frauen nicht ausgebildet werden soll-ten. Sie sollten eine Ausbildung haben. Ihr könnt auch eine Arbeit auf-nehmen. Aber ihr solltet so leben, wie es den Verpflichtungen und der Ehre der Frau entspricht. Der erste Titel, der einer Frau gegeben wird, ist „Göttin des Heims“. Von der Frau wird erwartet, dass sie dem Heim und der Familie allen Wohlstand, Ehre und einen guten Namen verleiht. Sie wird bezeichnet als „Göttin des Heims“ und nicht als „Büro-Göttin“. Ein anderer Titel für eine Frau ist „Die bessere Hälfte“. Dies bedeutet, dass sie die bessere Hälfte ihres Ehemannes ist und nicht seine Part-nerin in seinem Beruf. Der dritte Titel ist „Herrin des Hauses“. Sie ist die Herrin im Haus und nicht im Büro. „Begleiterin des Mannes auf dem Wege zu Gott“ ist der vierte Titel, der einer verheirateten Frau verliehen wird. Das besagt, dass das Heim der Wohnsitz aller Rechtschaffenheit ist. Das Heim ist der Geburtsort aller Regeln für gutes Verhalten, die geheiligt sind dadurch, dass sie seit uralten Zeiten eingehalten wurden.Was wir heute bewahren und schützen müssen, sind Wahrheit und Rechtschaffenheit und nicht die Nation. Wenn Wahrheit und Recht-schaffenheit geschützt werden, werden diese die Nation schützen.

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Deshalb sollte im Heim die Rechtschaffenheit gepflegt werden. Ein Heim ist kein gewöhnlicher Ort.

„Das Heim ist wahrhaftig eine Universität,die viele Fächer lehrt.

Das Heim ist ein Zentrum von Behaglichkeit und Vergnügen,das Freude bereitet.

Das Heim ist ein Tempel,der selbst den Schöpfer, Brahma, zum Singen bringt

und Andere zum Tanzen.Das Heim mit dem Ehemann ist eine Schule für die Ehefrau.“

(Telugu Gedicht)

Das Heim ist der Wohnsitz von Rechtschaffenheit, die das Land be-hütet und beschützt. Das Heim ist der Leuchtturm, der die Welt erhellt und trägt. Frauen sollten erkennen, dass es unabhängig von ihrer Bil-dung oder Stellung ihre erste Verpflichtung ist, das Heim zu schützen. Für Hunderttausende von Studenten und Kindern, die zur Schule ge-hen, ist die Mutter die erste Lehrerin. Vom Moment der Geburt an ist die Mutter für jeden die Lehrmeisterin. Wenn solch eine Lehrerin das Heim verlässt, um andere Kinder zu lehren, wer lehrt dann ihre Kinder?Für indische Frauen ist es die erste Pflicht, ihr Heim zu verbessern und es nach vorbildlichen Regeln zu führen. Das Heim und die Familie ist die grundlegende soziale Einrichtung überall auf der Welt. Wenn sich das Heim verbessert, wird die ganze Welt besser sein. Welches Ver-gnügen und welche Befriedigung man auch immer in dieser Welt der Erscheinungen erlangen mag - wenn das Zuhause ohne Freude ist, wird es zur Hölle. Das Heim ist der Himmel selbst. Es ist die Pflicht der Frauen, es als solchen zu erhalten. Es gibt ein Sprichwort in Andhra: „Zuerst sorge für dein Heim, und dann denke an andere Dinge.“ Seit uralten Zeiten beruhen der Name und der Ruhm Indiens auf der Gross-artigkeit seiner Frauen.(Bhagavan sang ein Lied in Telugu, das die Grösse von Savitri preist, die den Totengott dazu brachte, ihren Mann wieder zum Leben zu er-wecken; die Kraft von Candramati die ihren Mann in seiner Entschlos-senheit unterstützte, alles für die Wahrheit zu opfern; die Reinheit von Sita, die durch eine Feuerprobe ging; und Damayanti, die mit Stand-haftigkeit alle Schwierigkeiten ihres Ehemannes teilte. Indien war an-gesehen wegen solch heldenhafter Frauen, deren Tugend und Mut Bei-spiel für die gesamte Menschheit ist).

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Als Frau in einem solchen Land geboren zu werden, wo es solche he-roische Frauen gab, ist wahrhaftig ein Vorrecht. Sollte nicht der heilige Fluss Ganges wie eine Mutter verehrt werden? Ist nicht Indien das Land, in dem die Kuh, die Erde und die Veden als Mutter verehrt wer-den? Es muss begriffen werden, dass es für indische Frauen nicht an-gemessen ist, ihre heilige Berufung zu vergessen und sich - im Wider-spruch zu ihrem grossen Erbe - in Aktivitäten ausserhalb des Hauses zu engagieren.(Bhagavan sang ein Lied, das die Eigenschaft des geduldigen Ertra-gens rühmt, die ein Merkmal der Menschen in diesem heiligen Land war; die Liebe zur Mutter und zum Mutterland; und dann die Bereit-schaft, sogar sein Leben zu opfern, um seine Ehre aufrechtzuerhalten. Unglücklicherweise sind diese Eigenschaften heute verlorengegan-gen). Indien war auf dem Gebiet der Spiritualität der Führer der ganzen Welt. Durch alle Zeitalter hindurch trat die Hindu-Tradition für das Wohler-gehen der gesamten Menschheit ein. Die Könige und Frauen im alten Bharat brachten grosse Opfer, um diese Ideale hochzuhalten. Jeder muss geloben, diese grossen Ideale wieder aufleben zu lassen und auf-rechtzuerhalten.Die grossen Epen, das Ramayana und Mahabharata und die grösste Schrift, das Bhagavathapurana, vermitteln der gesamten Menschheit die bedeutende Lektion, die verheerende Auswirkungen unkontrollier-te, unmoralische Begierden haben. Ravana, der ein grosser Gelehrter und Krieger war, wurde das Opfer einer schlimmen Leidenschaft. Hi-ranyakashipu fand sein Ende wegen seines starken Hasses gegen Gott, trotz der Tatsache, dass er ein Meister aller Wissenschaften war und durch seine Bussübungen viele Fähigkeiten erlangt hatte. Dury-odhana war das Opfer unheilbaren Neides und unstillbarer Gier nach Macht und Besitz.Viele Frauen haben in der Vergangenheit eine grosse Rolle gespielt, indem sie versucht haben, ihre Männer davon zurückzuhalten, üblen Taten zu frönen. Mandodari war ein bemerkenswertes Beispiel solch einer Frau, die versuchte, Ravana klarzumachen, wie falsch sein Ver-halten war. Aber Ravana schenkte ihr keine Beachtung.

Frauen, die ihr die Verkörperung des Göttlichen Geistes seid! Zumin-dest von jetzt an müsst ihr euch bemühen, das Heim zu heiligen und die Familie dem göttlichen Pfad zuzuführen. Frauen müssen die riesige Kraft des Geistes verstehen in Bezug auf das Gute und das Böse und dafür sorgen, dass seine Kraft nur dazu benutzt wird, Gutes zu tun. Der

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Geist kann aus einem Menschen einen Dämon oder einen Gott ma-chen. Der Geist ist unter der Kontrolle des Verstandes. Der Verstand wird beherrscht vom Atman. Verwirklichung des Göttlichen Selbst wird Kontrolle über alles bewirken.Der schreckliche Zustand, der in der Welt vorherrscht, ist Jedem be-kannt. Die Wurzel von all dem ist, dass die Menschen die ihnen inne-wohnende Göttlichkeit nicht erkennen. Ausufernde Begierden, ange-heizt von Selbstsucht, sind der Grund all dieser Nöte. Die wichtigste Voraussetzung ist Vertrauen in das eigene Selbst. Ohne dieses Ver-trauen kann nichts erreicht werden.Die Menschen sind auf der Suche nach Frieden. Aber wie kann er ge-sichert werden? Glaube an Gott ist unentbehrlich. Dieser Glaube muss in der Familie erzeugt werden. Nur dann werden die Kinder erhabene Gedanken entwickeln. Sie sind die zukünftigen Bürger der Nation. Des-halb müssen sie gut erzogen werden. Unglücklicherweise vernachläs-sigen Mütter aus wohlhabenden Familien heute ihre Kinder. Sie lassen die Kinder in der Obhut von Kindermädchen, und die Kinder lieben die Kindermädchen mehr als ihre Mütter.In alten Zeiten entwickelten sich die Kinder, die mit der Milch ihrer Mutter ernährt wurden, zu guten Menschen. Heute werden Kinder nicht mit Muttermilch, sondern mit Dosenmilch ernährt. Mit dem Ergebnis, dass die Kinder eine „Dosen“-Mentalität entwickeln. Wenn die Mütter ihr Heim nach den richtigen Regeln führen, werden sie damit die Nation beschützen. Mütter sollten in den Kindern die Liebe für Wahrheit und Rechtschaffenheit fördern und ihnen Geschichten über das Leben grosser Frauen und Männer erzählen. In früheren Zeiten pflegten die Alten den Kindern alles über die grossen Helden und Heiligen des Lan-des zu erzählen. Wo sind heutzutage solche Alten?Moderne Jugendliche machen sich sogar über solche alten Leute lu-stig. Es ist die Saat dieser alten Menschen, die unsere uralte Kultur bis heute am Leben erhalten hat. Nur die Frauen der Nation können die alte Kultur unseres Landes wiederbeleben und ihren Ruhm wiederher-stellen. Die Kultur Bharats ist heilig. Jedermann stand aus dem Bett auf mit dem Namen Gottes auf den Lippen. Ihr wisst alle, dass man in Kashi sterbenden Menschen den Namen Rama ins Ohr rezitiert. Die Absicht dabei ist, dass der Sterbende sich im Zeitpunkt des Todes an den Na-men Gottes erinnert, aus dem Glauben heraus, dass die Wiedergeburt in Beziehung steht zu den Gedanken vor dem Tod.Lehrt die Kinder heilige Dinge und nicht unsinnige Verse. In den alten Tagen waren die ersten Worte, die ein Kind in der Schule lernte „Om Namah Shivaya“ oder „Om Namo Narayanaya“. Heute besteht das hei-

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lige Ritual, dem Kind die Anfangsgründe der Sprache beizubringen, darin, es Kinderreime wie „Baa baa, schwarzes Schaf” zu lehren. Sind das die Sachen, die unsere Kinder lernen sollten? Was in die Herzen der Kinder gepflanzt werden sollte, sind heilige Namen wie Rama und Krishna.Caitanya, ein grosser Heiliger, pflegte seine Zunge dazu zu ermahnen, sich am Rezitieren der süssen Namen des Herrn zu erfreuen „Govinda, Damodara“ und „Madhava“. Wie sollten sich Devotees heute beneh-men? Ihre Erscheinung sollte kühl und sanft sein wie der Mond. Ihre Sprache sollte weich sein wie Butter. Ihre Herzen sollten süss sein wie Honig.Sitalakshmi (die früher gesprochen hatte) hatte einen Teil eines Ge-dichtes von Swami zitiert. (Swami trug einige andere Verse dieses Ge-dichtes vor). „Oh Bruder, öffne deine Augen und sieh den Herrn Sai, der in deinem Herzen ist und nicht in Shirdi oder in Parthi.“ Füllt eure Herzen mit göttlichen Gedanken und Gefühlen. Wie benehmen sich Gläubige heute? Da sie denken, dass Gott in den Wallfahrtsorten Badrachala, Tirupati, Badrinath oder Kedamath ist, bereiten sie sich auf lange Pilgerfahrten vor. Aber sie wollen die Erklärung nicht anerken-nen, dass Gott im eigenen Herzen wohnt und man nicht hinausgehen und ihn suchen muss. Sie haben kein Vertrauen zu dem Gott, der ihnen so nahe ist. Sie sind bereit, jegliche Kosten auf sich zu nehmen, um Gott zu suchen, von dem behauptet wird, er sei in irgendeinem fernen Ort. Die Aussage, dass Gott irgendwo anders sei, ist eine Täuschung. Die Wahrheit ist, Gott lebt in euch. Die Leute vergessen, dass die Gött-lichkeit in ihnen ist, um sie zu führen. Jedermann sollte gut sein, gut denken und gut handeln und sich guter Ergebnisse erfreuen. Dies ist wahrhafte spirituelle Praxis.Habt volles Vertrauen zu Gott als dem euch Innewohnenden. Entwik-kelt reine, allumfassende Liebe. Diese allein wird von Dauer sein. Alle anderen Eigenschaften kommen und gehen. Lernt, in Liebe zu leben. Frauen sind die Quelle der Liebe. Hingabe wird als weibliche Eigen-schaft angesehen, während Weisheit für männlich gehalten wird. Ver-steht mich nicht falsch, wenn ich sage, dass für die Anwesenheit aller männlichen Devotees hier die Frauen allein verantwortlich sind. Sie sind es, die durch ihre heiligen Gefühle ihre Männer hierher brachten. Ihr Wirken ist in jeder Hinsicht heilig. Sie suchen nicht nur ihr eigenes Leben zu heiligen, sondern auch das Leben aller Anderen in der Fa-milie. Frauen sollten nicht geringschätzig behandelt werden. Die Bha-gavadgita sagt, dass Frauen mit sieben Arten von Kraft ausgestattet

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sind, während die Männer nur drei haben. Es ist sündhaft, auf Frauen herabzusehen.Betrachtet zum Beispiel diese Tatsache: Es gibt zahlreiche Frauen, die versucht haben, die Erinnerung an ihre verstorbenen Männer wach-zuhalten oder ihr Andenken zu ehren. Wie viele Männer haben das für ihre Frauen getan? Viele beeilen sich, schnell eine zweite Frau anzu-schaffen. In dieser Hinsicht ist Indien ein Beispiel für die Welt gewesen.Wo immer Frauen geehrt werden, da sind Wohlstand und Glück. Frau-en sollten nie beleidigt oder respektlos behandelt werden. Ein Heim, in dem die Hausfrau Tränen vergiesst, wird allen Wohlstand verlieren. Dies ist die uralte Vorstellung von der Rolle der Frauen in ihrem Heim.

(Prashanti Nilayam, 19.11.)

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22. November

Haltet an Wahrheit und Rechtschaffenheit fest

Unser Vaterland schenkte der Weltedle Seelen, die in allen Erdteilen berühmt sind

Es ist das Land, das sich von westlicher Herrschaft befreite.Dieses Bharat ist geachtet für seine Wissenschaft.

Es ist das geheiligte Land, das herausragtals Meister in den Gebieten der Musik;

der Literatur und der heiligen Lehre.In diesem Bharat geboren, das bekannt ist für seine schönen Künste

und seine landschaftliche Schönheit,ist es eure Pflicht, zu Ruhm und Wohlstand

des Vaterlandes beizutragen.

Indien, das in vergangenen Zeiten bekannt war für die Erfolge seiner Bildung auf verschiedenen Gebieten, ist heute konfrontiert mit einer Kri-se seines Erziehungssystems. Dieses System misst nur der Erlangung von akademischen Graden Bedeutung bei. Soll man diese Grade er-werben, um sein Essen bezahlen zu können, der Gesellschaft zu die-nen oder um Weisheit zu erlangen? Weder die Studenten, noch die Ver-antwortlichen oder die Eltern scheinen sich um diese Fragen zu küm-mern.Verdient eine Erziehung, die weder der Gesellschaft noch der Nation nützt, überhaupt diesen Namen? Jedes Jahr lassen die höheren Lehr-anstalten hunderttausende von Diplomierten auf die Welt los. Was ist ihre Zukunft? Was ist das Ziel des Erziehungssystems? Was ist der Sinn all dieser Studien? Wenn ihr diese Fragen stellt, werdet ihr her-ausfinden, dass das Erziehungssystem mechanisch geworden ist. In der heutigen Erziehung findet ihr nicht die Spur von Charakterbildung, keine Achtung der Werte und keinen Respekt vor der Tradition. Bildung wird um selbstsüchtiger Ziele willen erstrebt, nicht um der Gesellschaft zu dienen.Es gibt in Indien gegenwärtig 200 Universitäten. 90‘000 höhere Lehr-anstalten und fast 10 Millionen Studenten. Was ist das Ergebnis dieser enormen erzieherischen Bemühungen? Was geschieht mit diesen Mil-lionen von Studenten und was bewirken sie in der Welt? Die Bildungs-einrichtungen scheinen hauptsächlich Fabriken zu sein, die Absolven-ten hervorbringen. Selbst die Erziehungsbehörden scheinen eher mit

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statistischem Fortschritt, als mit wirklichen Leistungen des Erziehungs-systems zufrieden zu sein. Schulen und Hochschulen schiessen über-all wie Pilze aus dem Boden, mit oder ohne amtliche Genehmigung. Es wird vorgetäuscht, Bildung zu erwerben, ohne dass Irgendjeman-dem bewusst ist, was wirklich darunter zu verstehen ist.

„Was nützen all die Kenntnisse,wenn man weder gute Eigenschaften

noch moralische Werte besitzt?“(Telugu Gedicht)

Wozu wird akademisches Wissen erworben? Um Andere zu betrügen, zur Unterstützung eigennütziger Interessen oder um selbstsüchtiger Vergnügungen wegen? Heutzutage wird Bildung weitgehend für diese Zwecke benutzt, statt das Wohl der Gesellschaft oder der Nation zu för-dern. Eine Bildung, die keinem nützlichen Ziel im täglichen Leben dient, ist vollkommen wertlos.Die heutige Erziehung fördert in grossem Ausmass rein verstandes-betonte Klugheit.

„Was ist gut daran, wenn der Kopf voller übler Gedanken ist,die Ohren nur Klatsch hören,

aus den Augen der Neid schaut undder Geist Missetaten ausbrütet?“

(Telugu Gedicht)

Alles, was edel im menschlichen Leben ist, wird so zerstört. Die Stu-denten heute haben sich von allem Veredelnden entfernt.Anstatt den Leidenden und Bedürftigen zur Seite zu stehen, wird die gebildete Jugend in wachsendem Ausmass zum Problem für die Ge-sellschaft. Aber nicht sie ist zu tadeln. Die Schuld daran trägt das Er-ziehungssystem. Indische Regierungen haben viele Ausschüsse ein-gesetzt, um über Reformen des Systems zu berichten. Von den Zeiten eines Morarji Desai bis zum heutigen Tage wurden diese Komitees ge-bildet. Niemand weiss, was mit den Berichten dieser Ausschüsse ge-schehen ist. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Irgendjemand in ver-antwortlicher Position sich darum kümmert, wie unsere jungen Men-schen zu nützlichen und vorbildlichen Bürgern unserer Nation erzogen werden können. Statt hoher Ideale hegen die Studenten heutiger Tage hohe Ansprüche. Aber was Not tut, sind nicht Begehren, sondern Ide-ale.

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Studenten sind sich der Grösse des menschlichen Lebens nicht be-wusst. Sie verstehen die Bedeutung der Einheit von Gedanke, Wort und Tat nicht. Statt Einheit und Harmonie gibt es nur Zwietracht und Spal-tung. Alle Probleme entstehen aus dieser Uneinigkeit. Kultur ist weit wichtiger als blosses Wissen.

„Die westliche Erziehunghat den Respekt für die indische Kultur untergraben,

die Grenzen von Wahrheit und Rechtschaffenheitim täglichen Leben verwischt,

die Faszination für fremde Sprachen gefördertund die Liebe zu den Muttersprachen ausgelöscht,

die Normen gesellschaftlichen Verhaltens zerrüttet unddie Achtung für die Lehrer zerstört“

(Telugu Gedicht)

Die höheren Werte der Bildung verschwanden allmählich. Erziehung wird in wachsendem Mass kommerzialisiert, besonders in den berufs-bildenden Studiengängen wie Ingenieurwissenschaft und Medizin. Ich kann nicht verstehen, wie Studenten Freude daran haben, diese aus-serordentlich kostspieligen Studiengänge zu absolvieren.Zunächst einmal sollten Studenten mit den Problemen des täglichen Lebens umzugehen wissen. Sie müssen Allgemeinbildung und einen gesunden Menschenverstand erwerben. Praktisches Wissen ist wich-tiger, als mit Büchern vertraut zu sein. Es ist diese Art „pseudo-gelehr-ter“ Erziehung, die junge Menschen in die Irre geführt und dazu verleitet hat, unwürdige Leben zu leben.

Studenten! Ihr seid die Kinder von Mutter Indien. Ihr müsst die grosse Kultur Indiens hegen und pflegen. In diesem Vaterland geboren, atmet ihr seine geheiligte Luft, trinkt sein heiliges Wasser und lebt von der Nahrung, die dieses Land euch schenkt. Tretet in seine heiligen Fussstapfen und widmet euch im Geist der Hingabe dem Dienst an der Gesellschaft. Ihr müsst euch selbst verändern, in Übereinstimmung mit unserer alten Kultur. Nur dann könnt ihr euch zu Recht als Menschen bezeichnen. Andernfalls wird all eure Bildung wie das Pflügen eines un-fruchtbaren Feldes sein.Euer eigenes Betragen legt Zeugnis davon ab, wie ihr lebt. Gebt nicht Jemand anderem die Schuld. Beginnt mit der Reinigung eures Geistes. Dann werden eure Gedanken, eure Ansichten und euer Verhalten rein werden. Heutzutage werden die Handlungen der Menschen von

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Selbstsucht und Eigeninteresse beherrscht. Selbst wenn Jemand ei-nen Anderen zu lieben scheint, geschieht es nur aus Eigennutz. Ei-geninteresse ist unvermeidlich, aber es sollte sich in Grenzen halten. So lange sie Studenten sind, scheinen die jungen Menschen wohler-zogen zu sein, aber sowie sie die Hochschulen verlassen und in die Welt hinausgehen, werden sie verdorben.

Studenten! Wo immer ihr sein mögt, bleibt in guter Gesellschaft. Fördert und tut Gutes. Haltet an rechtschaffenem Verhalten fest. Von Natur aus sind alle Studenten gut. Aber das gesellschaftliche Umfeld verschmutzt ihren Geist. Durch schlechten Umgang werden sie verdorben. Daher sollten sie sorgfältig darauf achten, in wessen Gesellschaft sie sich be-wegen. Sie müssen drei lebenswichtige Grundsätze vor Augen haben.

Erstens: Erfreut euch am Wohlergehen aller Lebewesen.Zweitens: Habt umfassendes Wissen von allen Dingen. Drittens: Entwickelt alle Fähigkeiten gleichermassen.

Wenn ihr diese Qualitäten entwickelt, wird euer Leben beispielhaft. Ge-genwärtig ist die Welt voller Gewalttätigkeit und Angst. Die Wurzel von all diesem ist Selbstsucht. Haltet an der Wahrheit fest. Wahrheit ist euer Lebensatem. Wahrheit überschreitet die Kategorien der Zeit. Sie ist un-veränderlich. Sie ist unbesiegbar. „Nur die Wahrheit wird siegen“ ist der Wahlspruch unserer Nation. Auch die Chinesen verehren die Wahrheit, obgleich sich ihre Kultur von unserer unterscheidet. Wahrheit ist die Grundlage wirklichen Wohlstandes.Es gibt eine Geschichte von Prahlada: Einst gewann Indra von Prahl-ada dessen Charakter. Als der Charakter Prahlada verliess, gingen nacheinander auch die Göttinnen des Ruhmes, des königlichen Wohl-standes und der Tapferkeit weg. Prahlada liess sie ziehen. Als aber die Wahrheit sich anschickte, zu gehen, bat Prahlada die Göttin, ihn nicht zu verlassen. In dem Augenblick, in dem die Wahrheit bei Prahlada blieb, kehrten auch die anderen Göttinnen zurück, die Ruhm, Wohl-stand und Tapferkeit repräsentieren.

Studenten! In welche Situation ihr in eurer beruflichen Laufbahn auch kommen mögt, ergebt euch niemals der Unwahrheit. Ihr müsst Recht-schaffenheit aufrechterhalten, was bedeutet, gemäss den Weisungen eures Gewissens zu handeln. Folgt immer dem Diktat eures Gewis-sens. Das ist die Bedeutung des Lehrsatzes der Upanishaden: „Sprich

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die Wahrheit und handle rechtschaffen“. Das war der Rat, den die Ris-his ihren Schülern gaben, wenn sie ihre Studien vollendet hatten.

Studenten! Dies ist eine grosse Gelegenheit in eurem Leben. Seht den Tag dieser Eröffnungsfeier als heiligen Tag an. Nehmt euch die guten Ratschläge zu Herzen, die euch gegeben wurden. Lebt ein rechtschaf-fenes Leben und verdient euch einen guten Namen. Das ist alles, was ich wünsche. Bringt euren Eltern und dem Institut, an dem ihr studiert habt, einen guten Ruf.Legt jede Furcht ab, ausser der Furcht, von der Wahrheit abzuweichen. Ihr solltet keine Angst haben, denn ihr seid keine Tiere. Auch solltet ihr in anderen keine Furcht erwecken, denn ihr seid keine wilden Bestien. Ihr seid menschliche Wesen. Wenn ihr gemäss dieser Wahrheit han-delt, werdet ihr der Gesell-schaft von Nutzen sein.Ich segne euch alle in der Hoffnung, dass nicht nur ihr ein gutes Leben führen mögt, sondern dass ihr auch eure Freunde und alle Anderen, die mit euch Umgang haben, dazu bewegt, ein würdiges Leben zu le-ben.

(Prashanti Nilayam, 22.11.)

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23. November

Füllt euer Herzen mit Liebe

Ob jemand ein grosser Gelehrter ist,oder ein Herrscher in einem herrschaftlichen Haus,

oder ein Held, der grosse Siege errungen hat,oder ein notleidender Krüppel in Armut:

Ohne Liebe im Herzen ist er ein Nichts. Ein gottergebener Mensch in Liebe ist der Verehrung würdiger.

Von welchem Nutzen sind Menschen in Indien,die Steine vor Freude singen lassen können?

Menschen, die mit den Köpfen ihrer Feinde spielenund Macht über das Land ausüben können?

Wenn sie das Klagen der Unterdrückten nicht zurKenntnis nehmen, wann wollen sie dann auf das

Schreien der Armen reagieren?

Verkörperungen der Liebe!

Der Kosmos ist von Liebe erfüllt. Liebe ist Rechtschaffenheit. Liebe ist Wahrheit. Das Universum ist auf Liebe gegründet. Der Mensch hat sich im vergänglichen Vergnügen des weltlichen Lebens verlo-ren und dieses höchste Liebesprinzip vergessen.Was ist der Grund? Die Selbstsucht ist grösser geworden, und die Selbstlosigkeit hat sich verringert. Engstirnigkeit hat sich weit ver-breitet. Grosszügigkeit des Herzens nimmt ab. Wünsche haben zu-genommen. Ideale verschwinden. Das menschliche Leben wird von Egoismus und Selbstinteresse beherrscht.Die alten Weisen erhoben Opferbereitschaft auf die höchste Stufe. Sie beteten die Rechtschaffenheit an. Heute sind diese hohen Ideale in Indien vergessen. Als Folge davon wird das Land von Unruhen al-ler Art heimgesucht.Ein Herz ohne Liebe ist wie ein Friedhof. Die Liebe ist ein Beweis für die Existenz des Göttlichen. Sie ist alldurchdringend. Sie ist die Grundlage für die menschliche Einheit. Nur wenn die Selbstsucht verschwindet und der Glaube an Gott wächst, wird die menschliche Einheit erreicht werden. So sollte also jedes menschliche Wesen sein Herz mit Liebe erfüllen.

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Gott ist Liebe; Liebe ist Gott.Liebe ist verbunden mit Liebe.Wenn jemand voller Liebe ist,

ist er reif für die Einheit mit Gott.

Es ist für jeden lebenswichtig, dieses Prinzip der Liebe zu erkennen und zu praktizieren. Zu allen Zeiten hat die Liebe existiert unter den Guten und den Bösen, im Wald oder im Palast, in Abhängigkeit oder in Losgelöstsein, im Verhalten eines Menschen sowie in seinem Re-den, im Geist wie auch im Handeln. Sie ist alldurchdringend.

Die mächtigste Waffe zur Zerstörung der zügellosen Kräfte des Bösen in der heutigen Welt ist die Liebe. Bedauerlicherweise folgen die Men-schen nicht dem rechten Pfad, um diese heilige Liebe zu erlangen. Liebe ist der Samen für Liebe. Sie ist sowohl die Zweige, die Blumen als auch die Frucht. Um sich der Frucht der Liebe zu erfreuen, müsst ihr Liebe praktizieren.Anstatt dass der Mensch die wahre Natur der Liebe zu erkennen trachtet, jagt er lieber nach Reichtum und Macht. Ohne Zweifel sind Wohlstand und Macht notwendig, aber nur innerhalb gewisser Gren-zen. Wenn der weite Ozean über seine Begrenzungen hinaus an-schwillt, wird er für sein schlechtes Verhalten getadelt. Menschlicher Körper und Geist werden nur gesund sein, wenn man Nahrung in Massen zu sich nimmt. Übermässiges Essen verursacht verschiede-ne Störungen. Alles in der Welt stösst auf seine Grenzen. Die Liebe jedoch hat keine Grenzen. Liebe ist mit Worten nicht auszudrücken. Der Fluss der Liebe ist das Leben spendende Wasser für Jeden. Wie kann man diese Liebe gewinnen? Nicht durch Singen des Namen Gottes, Meditation oder das Studium der Schriften. Gott wohnt nicht in den Veden oder Puranas. Gott wohnt im Herzen und sollte dort ge-sucht werden. Die Menschen sollten ihren Mund schliessen und ihr Herz öffnen. Dann werden sie den göttlichen Segen erfahren.Heutzutage ist die Liebe fast ganz verbannt worden. Wo Liebe vor-herrschen sollte, ist Hass an ihre Stelle getreten. Eifersüchteleien ha-ben unrechtmässigerweise den Platz des Mitgefühls eingenommen. Der Mensch kann wahres Glück nur erfahren, wenn die entsprechen-den Eigenschaften ihren bestimmten Platz einnehmen. Wandelt euer ganzes Leben in eine Geschichte der Liebe um. Es wird euch dann an nichts fehlen, um glücklich zu werden. Allen Reichtum und jede Posi-tion werdet ihr dazu erhalten. Die Liebe erobert alles.

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Was ist das Wesen dieser Liebe? Wenn ihr zu Gott betet, solltet ihr ein Gefühl völliger Hingabe haben. Wenn ihr wirkliches Verlangen habt, Gott zu erkennen, und hungrig und durstig nach Gott seid, dann müsst ihr diese alles verzehrende Liebe kultivieren. Eine blosse Wunschäus-serung genügt nicht. Ihr solltet danach streben, die Einheit mit Gott zu erfahren. Wenn euer Herz voll Selbstsucht ist, wie könnt ihr das Gött-liche durch blosses Wünschen erfahren?Heutzutage gibt es verschiedene Arten von Liebe. Sie bezieht sich auf das Körperbewusstsein, aber nicht auf das Göttliche Selbst, das die Basis ist. Spirituelle Liebe beginnt mit der Vorstellung „Ich bin dein Diener“ und gipfelt in der Idee von „Er und ich sind eins“. Ohne dieses Empfinden könnt ihr nicht das Gefühl von Einheit erfahren. „Der At-man und ich sind eins“. Dieser Atman ist Brahman. Das ist Liebe. Das ist Wahrheit. Das ist Rechtschaffenheit.

Die Menschen haben sich mit den vier Zielen des menschlichen Le-bens beschäftigt: Rechtschaffenheit, Wohlstand, Wunscherfüllung und Befreiung. Aber es gibt ein fünftes Ziel: die Liebe. Nur wenn die Liebe erreicht wird, wird die Welt ein irdisches Paradies werden. Wo Liebe herrscht, ist kein Raum für Hass oder Neid. Liebe kann nichts zu tun haben mit schlechten Gedanken und Handlungen. Liebe sollte standhaft und unerschütterlich sein. Wenn Jemand von einem „Swa-mi“ zum anderen springt, von einer Form der Verehrung zur Anderen, wird er niemals die Liebe Gottes erfahren. „Ein Wort, ein Weg“, das sollte das Ziel sein.Heute haben sich hier Tausende von Menschen versammelt. Was hat sie hier zusammengebracht? Liebe ist der Hauptgrund. Ohne Liebe wären wenige von euch von so fernen Orten hergekommen. Wie drückt sich diese Liebe aus? Es ist ein Prozess des Gebens und Neh-mens. Ihr müsst Gottes Liebe empfangen. Und ihr müsst eure Liebe darreichen. Aber beides sind ein und dieselbe Liebe. Gottes Liebe spiegelt sich in euren Körpern wider. Das ist die Bedeutung der Erklä-rung in der Bhagavadgita: „Ein Teil von mir ist in jedem Wesen im Kos-mos enthalten.“Dieses göttliche Element in euch sollte nicht missbraucht werden. Es sollte zum Wohl der Anderen genutzt werden. Das göttliche Prinzip der Liebe wird mit engherzigen Vorstellungen gehandhabt. Von alters-her begrüssten die Weisen dieses Prinzip mit offenen Armen. Narada erklärte: „Ein Mensch, der die göttliche Liebe erreicht hat, wird voll-kommen, unsterblich und zufrieden”. Er betrachtete die göttliche Lie-be als das Höchste über allen Dingen. So wie eine Süssigkeit ohne

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Zucker keine Süsse hat, so kann ohne Liebe nichts im Leben einen Wert haben. Euer Herz ist von Natur aus mit Liebe erfüllt. Aber ihr be-achtet diese Fülle nicht und lauft dem Bedeutungslosen nach. Eure wirkliche Nahrung kommt von dieser göttlichen Liebe und nicht von anderen, wertlosen Vergnügen. Jede Zelle im menschlichen Körper ist erfüllt mit Liebe. Es ist diese mikrokosmische Liebe, die den gan-zen Kosmos erfüllt.

Ihr habt es nicht nötig, anderswohin auf die Suche nach Liebe zu ge-hen. Es ist alles in euch. Ein Mann macht jede Anstrengung, um Reichtum anzuhäufen. Dieselbe Anstrengung ist erforderlich, um den Reichtum der Liebe zu erwerben. Die Menschen von heute investie-ren ihre Vermögenswerte an Liebe in jämmerliche Unternehmungen. Stattdessen sollten sie ihre Liebe auf der göttlichen Bank der Hingabe anlegen. Diese Vermögensanlage ist nicht nur sicher, sondern sie bringt euch wachsende Erträge in Form von Glück. Euer Herz ist die Bank, in der eure Liebe zu Gott angelegt werden sollte. Guthaben ir-gendwo anders sind unsicher. Guthaben laufen Gefahr, verloren zu gehen. Aber die Anlage in eurem Herzen ist immun gegen jegliche Art von Diebstahl oder Verlust. Macht eure Anlage sicher durch die Ver-sicherung in eurem Herzen. Dies ist vollkommen sicher, obwohl es keine Riegel, Türen oder Schlösser hat. Diese Liebe ist als „Die Form des ewigen Nektars” beschrieben worden. Nektar schmeckt nur dem Gaumen. Aber göttliche Liebe schenkt ewige Seligkeit, die süsser als Nektar ist. Jeder sollte sich entschliessen, diese nektargleiche Liebe zu gewinnen.

Heute ist eure erste Pflicht, Opferbereitschaft wieder auf den Thron zu heben. Nur wenn Opferbereitschaft die Herrschaft hat, wird die Liebe wieder zu ihrem Recht kommen. All eure verborgenen Potentiale wer-den sich dann von selbst entfalten. Ihr werdet Erfolg haben in all euren rechtmässigen Vorhaben. Wenn die Liebe das herrschende Prinzip wird, werden Leid und Enttäuschung verschwinden. Deshalb erklären die Veden, dass das Opfer allein der Schlüssel zur unsterblichen Se-ligkeit ist.

„Gott ist Liebe. Wie könnt ihr hoffen,Gott ohne Liebe zu verwirklichen?“

(Telugu Gedicht)

Wie könnt ihr diese Liebe in euch in die Tat umsetzen? Benutzt eure

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Hände zum Klatschen, wenn ihr die Namen von Rama, Krishna und Anderen singt. Sprecht die Namen des Herrn mit eurem Mund aus. Wenn ihr wirklich Gott erfahren wollt, müsst ihr euch immer an den Na-men des Herrn erinnern, wie Prahlada: „Om Namo Narayanaya“. Singt den Lobpreis des Herrn wie Radha und Mira. Verehrt den Herrn wie Jayadeva, Gauranga und Tukaram. Vergiesst Tränen der Hinga-be vor dem Standbild des Herrn, wie Ramakrishna Paramahamsa. Dann werdet ihr den Herrn erfahren. Die Menschen weinen wegen nichtiger Dinge, aber sie vergiessen nicht eine Träne für den Herrn. Es gibt zwei Arten von Tränen: Tränen der Freude und Tränen der Trau-er. Für Gott sollt ihr Tränen der Freude vergiessen.

Als Krishna in einer Waagschale aufgewogen werden sollte, konnte der gesamte Schmuck von Satyabhama sein Gewicht nicht aufwie-gen. Dann kam Rukmini und erklärte, dass allein das Singen des Na-mens Krishna seinem Gewicht gleichkommen würde. Durch das zusätzliche Opfern eines Blattes, einer Blume oder von etwas Wasser würde die Waagschale sich zuungunsten Krishnas neigen. Während Rukmini noch sprach, legte sie ein Tulsiblatt auf die Waagschale. Und siehe da! Diese senkte sich. Das Tulsiblatt trug das volle Gewicht der grenzenlosen Liebe Rukminis zu Krishna. Alle Juwelen von Satyabha-ma waren erfolglos. Doch Rukminis Anrufung des Namens Krishna und ihre Darreichung des Tulsiblatt mit einem Herzen voller Liebe wo-gen Krishna auf. So kraftvoll sind der Name Gottes und eine liebevolle Opfergabe für den Herrn. Den Herrn kann man nicht durch Reichtum oder Gelehrsamkeit, Macht oder Position beeinflussen. Liebe allein kann ihn rühren.Wenn ihr den Herrn gewinnen wollt, müsst ihr eure Liebe darreichen, und nur Liebe allein. Heutzutage ist Liebe leider selten geworden. Selbst die materielle Liebe ist im Schwinden. Aber Gottes Liebe ist grenzenlos. In welcher Weise ihr ihn auch lieben mögt, er antwortet in gleichem Mass. Aber ohne Liebe habt ihr kein Recht, seine Liebe zu suchen. Wenn ihr mit schlechten Gefühlen und Gedanken zum reinen und unbefleckten Herrn betet, wie könnt ihr erwarten, seine Gnade zu gewinnen? Wenn ihr wenigstens in eurem Altarraum rein bleibt, mögt ihr einen Bruchteil göttlicher Liebe erlangen. Es gibt jede Anzahl fähi-ger Köpfe im spirituellen Bereich. Doch von welchem Nutzen sind ihre Vorträge, wenn sie nicht praktizieren, was sie predigen?

Verkörperungen des Göttlichen! Wenn ihr wirklich mit Hingabe erfüllt seid, dann bekundet eure Liebe zu Gott, der die wahrhafte Verkörpe-

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rung der Liebe ist. Wenn ihr echten Hunger und Durst nach Gott habt, nehmt an der göttlichen Liebe teil, um euren Hunger und Durst zu stil-len. Die göttliche Liebe ist das Einzige Allheilmittel für all eure Sorgen und Nöte, die aus unersättlichen Wünschen und enttäuschenden Be-strebungen kommen. Gottes Liebe ist wie das Leuchtfeuer eines Leuchtturms. Es zeigt euch den richtigen Weg. Steuert euer Boot auf den Leuchtturm der göttlichen Liebe zu. Ihr werdet dann gewiss an die Küste der Seligkeit gelangen.Ihr benötigt keine besondere Art Bussübung oder Meditation. Medi-tiert auf die Liebe. Füllt euren Geist mit Liebe. Betrachtet selbst eure täglichen Hausarbeiten als Opferdienste für Gott. Gott ist allgegen-wärtig. Seht Gott in allem und in jedem Wesen. Lasst die Liebe in eu-rem Herzen wachsen, wie der zunehmende Mond wächst. Göttliche Liebe schwindet nicht wie der abnehmende Mond. Lasst solch uner-schütterliche Liebe in eurem Herzen bewahrt sein. Wie Tukaram sag-te: „Rama im Herzen, Arbeit in der Hand”.Von heute an ist es die Pflicht eines Jeden, wahre, unbefleckte Liebe zu kultivieren. Mit Gottes Liebe könnt ihr Alles erreichen. Ohne diese Liebe werdet ihr nur in Elend versinken. Lasst das buddhistische Ge-bet euer Führer sein: Zuerst nehmt Zuflucht zu eurem Verstand. Rich-tet diesen Verstand auf den Dienst an der Gesellschaft. Dann werdet ihr Zuflucht in der Glückseligkeit finden.Trennt euch nicht von der Natur. Der Kosmos ist durchdrungen von Gott. Erkennt deshalb das Göttliche, selbst in eurem Feind. Sein Herz muss sich wandeln; wenn ihr sogar Denjenigen liebt, der euch Scha-den zugefügt hat, muss auch er sich ändern. Erlaubt eurer Liebe nicht, in irgendeiner Weise angegriffen zu werden.Wenn die Menschen zu Gott beten, erheben sich manchmal Zweifel, ob und wie der Herr antworten wird. Solche Zweifel stiegen sogar im Geist, von Radha auf. Aber alle Zweifel verschwanden, als sie erkann-te, dass das ganze Universum das Haus Gottes ist, und es unnötig sei, irgendeine Tür offen oder ge-schlossen zu halten. Nur die völlige Hingabe an Gott war notwendig. Die mystische Bedeutung der Lieder der Heiligen und Gottergebenen wie Radha und Mira sollten richtig verstanden werden.

Gott wird durch das Lied gerührt, das vom Herzen eines Gottesvereh-rers kommt. Er wird eins mit dem Devotee. Keine andere Form der Verehrung hat dieselbe Wirkung wie das Singen zum Ruhm Gottes aus vollem Herzen. Es genügt, wenn das Singen in eurem Inneren ge-schieht. Macht die Musik zum Reisepass für die Verschmelzung mit

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dem Göttlichen. Musik ist das Geschenk Gottes. Nur die Beschenkten können in süsser, flehentlicher und entzückender Weise singen. Wir haben hier M.S. Subbalakshmi. Seit jungen Jahren war sie der Musik, die ihr Herz erfüllte, ergeben. Diese Art seelenvoller Musik kann nicht von Jedem ausgeübt werden. Sie kann nur durch Gottes Gnade kom-men.Wenn ihr in der Öffentlichkeit singt, könnt ihr vielen Freude bereiten. Doch wenn ihr das nicht könnt, dann singt für euch selbst. Es wird euer Herz erfreuen und es süsser machen. Vertieft euch in jede Arbeit mit Liebe. Was immer ihr tut, betrachtet es als ein Geschenk von Gott. Wenn ihr Malaria habt, müsst ihr die bittere Chininmixtur zu euch neh-men. Aber das ist die Medizin für euer Leiden. Ebenso sollt ihr, wenn euch ein Unglück trifft, dieses als eine Art Medizin zu eurem Besten annehmen. Gold muss geschmolzen und geschlagen werden, um daraus ein Schmuckstück zu fertigen. Ein Diamant wird geschliffen, um ihn strahlender zu machen. So dienen auch Sorge und Mühe im Leben dazu, einen Menschen zu veredeln. Die Liebe sollte euch dazu befähigen, selbst Härten willkommen zu heissen, für euer eigenes Wohl.

Heute tritt dieser Körper in sein 71. Lebensjahr ein. Dieser Körper be-steht aus den fünf Elementen und ist im Wesentlichen unbeständig. Legt dem Körper nicht so viel Bedeutung bei. Nehmt euch das Liebes-prinzip zu Herzen, das euch übertragen wurde. Mein ganzes Leben ist mit Liebe erfüllt. Ich habe niemals Irgendjemandem zu irgendeiner Zeit irgendeine Art Leiden auferlegt. Ich habe niemals Jemandem ir-gendeinen Schaden zugefügt. Ich habe niemanden gehasst. Ich habe gegen Niemanden eine Abneigung. Was ist der Grund dafür? Es ist meine Liebe, die Andere umwandelt. Ich bin nun 71 Jahre alt. Aber niemand kann wissen, was der Grund für meine Kondition ist. Ich mag mich manchmal verhalten, als ob ich zornig wäre, aber der Zorn kommt nicht vom Herzen, sondern ist auf die Zunge beschränkt. Von Kopf bis Fuss bin ich nur mit Liebe angefüllt. Es ist diese Liebe, welche die ganze Welt angezogen hat.Ich wünsche nichts. Ich habe drei P‘s: Das eine ist Purity (Reinheit). Das zweite ist Patience (Geduld). Das dritte ist Perseverance (Aus-dauer). Diese drei haben mir die Achtung der ganzen Welt einge-bracht. Keine Einladungen wurden Jenen geschickt, die hier versammelt sind. Allein Swamis Liebe zog sie alle an wie ein Magnet. Manche mögen fragen, warum sie nicht zu Swami hingezogen wer-den, wenn dieser Magnet doch so kraftvoll sei. Der Grund ist, dass

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diese Menschen wie verrostetes Eisen sind, das kein Magnet anzie-hen kann. Lasst sie den Rost entfernen, und sie werden zum Magne-ten hingezogen. Ihr Hass und ihre Wünsche, ihr Neid und ihre Gier sind der Rost und der Staub, der sie bedeckt. Wenn ihr euch davon reinigt, werdet ihr, wo immer ihr seid, die Meinen sein, und ich werde der Eure sein. Die Hilflosen und Verlorenen unterstehen der Fürsorge Sais, wo immer sie sein mögen. Bringt die heilige Liebe in euren Her-zen hervor. Diese Liebe wird nicht nur euer Leben erlösen, sondern das Wohlergehen aller um euch herum fördern.Ihr braucht nichts zu opfern ausser eurer Liebe. In Prashanti Nilayam sind keine Opfer erlaubt. Nur die Liebe hat die Erlaubnis einzutreten.

(Prashanti Nilayam, 23.11.)

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25. Dezember

Verwirkliche Gott durch Liebe

Das Leben in der irdischen Welt ist vergänglich. Das Leben in dieser Welt der Erscheinungen ist nicht von Dauer. Jugend und Wohlstand vergehen. Sie sind wie vorüberziehende Wolken. Ehepartner und Kin-der, wie auch die anderen Verwandten, schwinden dahin in einem Au-genblick, wie der weisse Nebel. Rechtschaffenheit und Ruhm bleiben für immer.

Zwei Dinge überdauern im menschlichen Leben: eine rechtschaffene Lebensführung und ein guter Ruf. Im Verlauf der Menschheitsge-schichte entstanden verschiedene Religionen, um die moralische Ent-wicklung, das Gedeihen und die Wohlfahrt der Menschheit zu fördern.Die Vaishnavas haben Vishnu als den Höchsten geachtet. Shaivas haben Shiva den höchsten Rang eingeräumt. Die Verehrer von Gana-pati räumen Ganesha den ersten Platz ein. Sarasvati wird als das höchste Wesen verehrt von denen, die nach Wissen suchen. Mos-lems betrachten Allah als den höchsten Gott, Während Christen Jesus als den Retter preisen. Buddhisten verehren Buddha als den höchsten Erleuchteten. Jainas geben den höchsten Rang Mahavira. Die Parsen verehren Zarathustra. Sikhs betrachten Nanak als den grössten Leh-rer. Devotees von Baba verehren Sai als den Höchsten. Der Weise sieht all diese als gleich an. Alle Religionen sollten gleich hochge-schätzt werden, Denn Gott ist ein und derselbe Gott in allen Religio-nen.

Gott ist Wahrheit. Er ist Rechtschaffenheit.Er ist Frieden. Er ist die Verkörperung der Liebe.

(Telugu Gedicht)

Verkörperungen der Liebe! Es ist von grösster Wichtigkeit, zu verste-hen und auf dieser Grundlage zu handeln, dass der Sinn der Religion ist, die Einheit in der Vielfalt zu fördern, trennende Tendenzen zu überwinden und die Menschen dazu zu veranlassen, ideale Leben zu führen.

Die Essenz aller Religionen, die Botschaft aller Schriften und die Be-stimmung für alle Menschen sind die gleiche. Aber aufgrund von Selbstsucht, Engstirnigkeit und Verfolgung der eigenen Interessen

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wird Religion gebraucht als ein Vorwand, um Differenzen und Konflik-te zu schüren.

„Wenn du tiefgründig studierst, wirst du erkennen, dass alle Religio-nen nur lehren, was gut ist.

Wenn dein Geist gut ist,welche Religion kann dann schlecht sein?“

(Telugu Gedicht)

Moralität und Lauterkeit, Rechtschaffenheit und Nächstenliebe, Wahr-haftigkeit und Verwurzelung in der Tradition des Landes, Duldsamkeit und Gewaltlosigkeit sind die grundlegenden Lehren aller Religionen. Diese essentiellen Wahrheiten sind allen Religionen gemeinsam. Aber im Verlauf der Zeit haben die Menschen diese Wahrheiten ver-gessen und haben anstatt der Einheit trennende Tendenzen begün-stigt. Als ein Ergebnis davon ist der Respekt vor den menschlichen Werten verloren gegangen. Es ist wesentlich, die göttliche Einheit zu erkennen, die alle Vielfalt der menschlichen Existenz durchdringt.(Bhagavan gab eine kurze Darstellung der jüdischen Vorstellungen über die Erschaffung des Universums und sprach über die Geburt von Jesus als Sohn von Maria und Joseph.) Als sich der Name und Ruf von Jesus ausbreiteten, entwickelte sich in einer kleinen Gruppe von Juden Widerstand gegen ihn. Nach dem Tod seines Vaters betrachtete es der junge Jesus als seine Pflicht, seiner Mutter zu helfen und sie als göttlich zu verehren. Jesus lehrte als oberste Pflicht eines Jeden, den Eltern seine Dankbarkeit zu er-weisen. Jesus kam mit seiner Mutter nach Jerusalem, als er elf Jahre alt war. Seine Mutter war über seine Aktivitäten besorgt. Jesus kriti-sierte die Verhaltensweisen der Juden im Tempel von Jerusalem. Er wandte sich gegen die schädlichen Praktiken im Tempel und predigte die Allgegenwart Gottes in allen Lebewesen. Er ermahnte die Men-schen, Niemandem Schaden zuzufügen.Was er lehrte, war in Übereinstimmung mit den grundlegenden Leh-ren aller Religionen. Er betätigte sich in einem Werk der Barmherzig-keit gegenüber den Kranken und Armen. Er gab den Hungrigen zu essen. Das Volk, das seine Taten der Liebe und der Güte sah, erklärte ihn zu einem „Boten Gottes“. Jesus bezog sich stets auf Gott als den Vater. Später erklärte er: „Ich und mein Vater sind eins“. Jesus weihte sein Leben der Verkündung des Glaubens an den einen Gott, der al-len Menschen gemeinsam ist.Die Menschen feiern heutzutage die Geburtstage grosser heiliger

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Menschen, aber sie folgen nicht den Lehren der Meister. Es ist nichts Grosses in der Feier von Geburtstagen. Die Menschen müssen sich entschliessen, die Ideale der Meister hochzuhalten und gemäss ihren Lehren zu leben.

Swami berichtete von einem Buch, das in Grossbritannien etwa um 1530 n.Chr. zusammengestellt worden war und das alle Informatio-nen über Jesus enthielt, die in den vorangehenden Jahrhunderten ge-sammelt worden waren. In Russland wurde das gesamte Material in einem kleinen Buch zusammengefasst, das an einem Ort an der Schwarzmeerküste aufbewahrt wird. Swami materialisierte dieses kleine Buch durch eine Kreisbewegung seiner Hand und zeigte es der Zuhörerschaft. Er sagte:

Dies ist das Buch. Ihr könnt das Kreuz auf dem Buchdeckel sehen. Dieses Buch hat die Bestimmung, die gemeinsamen Züge aller Reli-gionen aufzuzeigen. Was in diesem Buch enthalten ist, ist nicht einmal in der Bibel zu finden. Es enthält eine vollkommen neue Darstellung des Lebens von Jesus. Nicht alle können die Wege des Herrn verste-hen. Um Gott verstehen zu können, muss man göttliche Gefühle ent-wickeln. In diesem Buch gibt es Bänder als Buchzeichen, welche auf die verschiedenen Glaubensrichtungen hinweisen durch einen Vers, der sich auf den betreffenden Glauben bezieht. Eine Seite enthält den Vers der Bhagavadgita, in welchem Krishna Arjuna ermahnt, alle sei-ne Überzeugungen aufzugeben und Zuflucht einzig in ihm zu suchen; und er versichert Arjuna, dass er ihn anschliessend von all seinen Sünden freisprechen werdeDie Essenz aller Glaubensbekenntnisse ist ein und dieselbe. Die vor-rangige Pflicht des Menschen ist die Hingabe an Gott. „Hingabe“ be-deutet, den Zustand zu erlangen, in dem der Gläubige sich eins fühlt mit Gott. Dieses Gefühl erwächst aus der Überzeugung, dass die glei-che Göttlichkeit in allen gegenwärtig ist. Die Körper der Menschen sind verschieden wie Glühbirnen, aber der durch sie fliessende Strom ist derselbe. Die Farben oder Wattstärken der Glühbirnen mögen ver-schieden sein. Aber der Strom, der sie zum Leuchten bringt, ist der-selbe. Dieses Buch enthält die vedische Aussage: „Einer bin ich, vielfältig will ich sein”. Derselbe Gott wohnt in allen Lebewesen. Es gibt keinerlei Rechtfertigungsgründe, auf der Grundlage der Religion Unterschiede zu propagieren. Es ist Anhaftung an den Körper, der für religiöse Differenzen verantwortlich ist. Betrachte den Körper nicht als bleibend. Er ist eine Wasserblase. Der Geist ist ein verrückter Affe.

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Folge keinem von beiden. Folge dem Gewissen. Dies ist die Hauptaussa-ge dieses kleinen Buches. Die Kultur von Indien hat diese Wahrheit erfah-ren in dem Konzept von Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit“ (sat-cit-ananda).Heutzutage lesen die Menschen alle möglichen Bücher und laufen allen Arten von „grossen Menschen“ nach. Sie untersuchen nicht, was Grösse ausmacht. Versteht, dass keiner grösser ist als Jeder von euch. Aber ihr habt die wirkliche Wahrheit über euch noch nicht entdeckt, wie ein Elefant, der von seiner eigenen Stärke nichts weiss. Ein Viehtreiber mit einem Sta-chelstock kann ihn lenken.Erkennt die Tatsache, dass das gesamte Universum in euch ist. Ihr habt alle Kräfte in euch. Ihr erhaltet sie vom göttlichen Geist in euch. Es ist die Göttlichkeit in euch, welche euch mit einem freien Willen ausstattet. Wah-rend sie die höchste Kraft des Geistes vergessen, setzen die Menschen stattdessen ihr Vertrauen in die Kräfte des Körpers, des Geistes und des Verstandes.

Verkörperungen der Liebe! Wenn ihr Gott verwirklichen wollt, wenn ihr die Göttlichkeit in euch erfahren wollt, wenn ihr euer wahres Selbst erkennen wollt, müsst ihr reine, unbefleckte Liebe entwickeln. Es ist diese Art von Liebe, die alle Menschen verbindet. Sie wird beschrieben als „das Seil der Liebe“.Heutzutage gibt es in der Christenheit eine Vielzahl von Gruppierungen, die alle ihre jeweiligen Lehrsätze verkünden. Während dieses Predigen weitergeht, gibt es sehr wenig praktische Anwendung im täglichen Leben. Praxis ist das Allerwichtigste. Es mögen Menschen dazu berechtigt sein, ihren Glauben zu verkünden. Aber dadurch wird nichts von Dauer erreicht. Nur das vorgelebte Beispiel zählt. Wenn ihr in die Tat umsetzt, was ihr pre-digst, werden Andere durch euer Beispiel inspiriert. Niemand beachtet die Lehren einer Person, die nicht praktiziert, was sie lehrt.Ich habe den Studenten oft erklärt, dass am nützlichsten von allen Formen des Wissens das praktische Wissen ist, das für alle von Bedeutung ist. Ihr müsst aus der Überzeugung heraus handeln, dass der gleiche göttliche Geist in allen wohnt.Diese Wahrheit missachtend ist der heutige Mensch verstrickt in selbst-süchtige Vorhaben. Diese Selbstsucht degradiert den Menschen auf das unterste Niveau. Um wahres Menschsein zu entwickeln, muss das Gefühl der spirituellen Einheit gestärkt werden. Dieses Gefühl der Einheit stellt die wahre Religion dar. Religion bedeutet „Verwirklichung“ eures wahren Gött-lichen Selbst.Entwickelt die Liebe zu Gott. Alle anderen Formen der Liebe sind nicht im

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geringsten Liebe, sondern nur flüchtige und vergängliche Bindungen. Die grösste Torheit des Menschen ist, seine Göttlichkeit zu verges-sen. Alle sollten verstehen, dass sie von Gott kommen. Alle sind Kin-der Gottes. Jeder sollte danach streben, Gott näher und näher zu kommen. Das ist spirituelle Übung. Ihr müsst fühlen, dass Gott in eu-rem Herzen wohnt. Ihr musst Mitgefühl im Herzen entwickeln, denn ohne dieses ist das Herz nur ein Stein.Dies ist die Botschaft von Jesus - die Botschaft der Liebe. Liebe ist Gott. Lebt in Liebe. Beginnt den Tag mit Liebe. Verbringt den Tag mit Liebe. Beendet den Tag mit Liebe. Dies ist der Weg zu Gott. Nur ein mit Liebe angefüllter Mensch ist dem Herrn lieb.Dieses Buch enthält die Erklärung: „Der Devotee, der voll von Liebe zu Gott ist, ist mir lieb“, sagt auch der Herr in der Bhagavadgita. Gott allein ist dein verlässlicher Freund in guten und schlechten Zeiten. Du musst seine Freundschaft erwerben.Heute sind hier viele Devotees aus Übersee. Sie sollten fest in ihrer Hingabe bleiben, welcher Veränderung in ihrer Lebenslage auch im-mer sie ausgesetzt sein mögen.Ihr mögt damit beginnen, Gott in einer bestimmten Gestalt mit einem bestimmten Namen zu verehren. Aber wenn ihr in Schwierigkeiten seid, erfahrt ihr Gott als Helfer. Wenn ihr einige Wünsche habt, betet ihr zu Gott, sie zu erfüllen. Ihr seid dann einer, der nach Vergünstigun-gen verlangt. Auf diesen verschiedenen Wegen hat der Devotee seine Beziehung zu Gott zu entwickeln.

(Um zu zeigen, wie Gott auf die Gebete der Devotees reagiert, erzähl-te Swami die Geschichte eines reichen Mannes mit vier Ehefrauen. Dieser Mann fragte sie, was er ihnen von einer Reise ins Ausland mit-bringen solle. Die erste Frau, welche spirituell erleuchtet war, erbat seine sichere Rückkehr. Die zweite Frau wünschte von ihm, dass er ihr einige heilige Bücher mitbringe. Die dritte Frau, welche leidend war, bat ihn, einige Medikamente mitzubringen. Die vierte Frau, eine „moderne“ Frau, bat ihn um Saris und Geschmeide. Der Kaufmann gab nach seiner Rückkehr den drei Frauen, was sie gewünscht hat-ten, und blieb bei seiner ersten Frau, weil sie kein anderes Verlangen hatte als das, ihn zurückzubekommen. Die Lektion aus dieser Ge-schichte ziehend, sagte Swami:)

Gott reagiert auf die Devotees auf die gleiche Weise. Denen, die nach Wohlstand streben, gibt er Reichtum. Wer nach Wissen strebt, dem hilft er, es zu erwerben. Diejenigen, welche leiden und zu Gott beten,

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werden die Erleichterung bekommen, um die sie beten. Gott baut Krankenhäuser für ihre Behandlung. Diejenigen, welche zu Gott beten um die Einheit mit ihm, werden ihn erfahren In dieser Weise antwortet Gott auf die vier Arten von Devotees.Die Devotees sollten allein Gott als wichtig betrachten und nicht ande-re weltliche Verlangen. Wenn Gott mit euch ist, sind alle anderen Din-ge leicht zu erlangen. So ist Gott euer wirklicher Wohlstand. Wirkliche Gesundheit ist Gott. Die Menschen sollten nach Gott-Verwirklichung streben, weil sie von Gott kommen und zu ihm zurückgehen müssen.Heute sind hier Devotees aus vielen Ländern; Deutschland, Japan, der Schweiz Anderen. Welche Glückseligkeit auch immer ihr hier er-fahren haben mögt, ihr müsst zurückkehren in eure Länder, wenn euer Geld zu Ende geht oder das Visum abläuft. Euer Ziel muss sein, ein permanentes Visum zu erlangen, um für immer hier bleiben zu können Dieses wird durch Gottes Gnade gewährt. Ihr könnt es durch Liebe und nur durch Liebe allein erhalten. Wenn ihr diese Liebe habt, ist eure Nähe zu Gott für immer gesichert.

Verkörperungen der Liebe! In jedem von euch ist Liebe. Entwickelt diese Liebe. Teilt sie mit Anderen. Wenn ihr diese Liebe habt, gibt es keine Notwendigkeit für euch, Ashrams aufzusuchen. Es gibt einige närrische Personen, die von einem Ashram zum anderen jagen. Dies ist reine Torheit. Es gibt keine Notwendigkeit, irgendwohin zu gehen. Gott ist in eurem Herzen. Bleibt fest bei einem Glauben. Wechselt eu-ren Glauben nicht täglich. Folgt einem Weg mit festem Glauben. Dies ist das Prinzip der Liebe.

(Prashanti Nilayam, 25.11.)

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Andere Titel aus dem Rosenkreis-Verlag

Sathya Sai Baba Der Welt-AvatarLehre und Offenbarungen

Zusammengestellt von Annrose Künzi614 Seiten, Hardcover, ISBN 3-9521968-2-7

Sathya Sai Baba ist der Welt-Avatar unserer Zeit. Er ist der Weltlehrer. Das heisst, das Göttliche hat sich in ihm als Menschen inkarniert, um uns erneut bewusst zu machen, dass auch wir göttlichen Ursprungs sind. In diesem Buch sind die Strahlen seiner Lehre so gebündelt, dass sie, wie durch ein Brennglas, auf die akuten menschlichen Probleme gerichtet sind.Seine Lehre zeichnet sich durch ihre Klarheit und Einfachheit aus, so dass je-der Mensch sie verstehen und in die Praxis umsetzen kann.Sathya Sai Baba ist hier, um uns die göttliche Liebe erneut zu beweisen, uns zu führen, zu belehren und uns die neuen Offenbarungen zu verkünden.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-3-5 auch in Englisch erhält-lich: “Teaching and Revelations”, 511 Seiten, Hardcover, mit umfangrei-chem Index zur themenbezogenen Suche.

Sathya Sai Baba Der Welt-AvatarAnkündigung und neues Wirken

Zusammengestellt von Annrose Künzi372 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-0-0

Der Tibetanische Meister Djwhal Khul, Autor eines umfassenden Werkes über esoterische Philosophie in Zusammenarbeit mit Alice A. Bailey, sagte am Anfang dieses Jahrhunderts: “Ich möchte hier behaupten und erklären, dass die grosse und befriedigende Antwort auf alle menschlichen Fragen und Bedrängnisse in der Doktrin der Avatare zu finden ist.”Sathya Sai Baba ist der Welt-Avatar unserer Zeit. Er ist der Weltlehrer. Die-ses Buch vermittelt eine vergleichende Gegenüberstellung der beiden gros-sen Lehren anhand von Zitaten aus rund 65 Büchern beider Quellen.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-4-3 auch in Englisch erhält-lich: “Announcement and New Activity”, 376 Seiten, broschiert.

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Amrita Vahinivon Sudha Aditya

110 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-1-9

Dieses kleine Buch entstand im Auftrag des Heiligen und Lehrers Sathya Sai Baba, der in Südindien lebt und weltweit von Millionen Menschen als Welt-Avatar verehrt wird.Es ist ein Leitfaden für den spirituellen Weg, den zu gehen wir alle aufgerufen sind. Das Schöne an diesem Buch sind die klaren Antworten auf Fragen, die alle suchenden Menschen beschäftigen.Wir leben in einer Zeit, in der sich ein grosser Umbruch abzeichnet. Die in diesem Buch beschriebenen Lehren machen deutlich, dass es jedem Men-schen möglich ist, spirituelle Qualitäten in das tägliche Leben einzubinden.

Des Menschen WegZusammengestellt von Annrose Künzi

70 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-5-1

Wir fragen uns: Was ist mit der Menschheit los? Diese Schrift versucht einige wichtige Hintergründe aufzudecken.Wir sind in kosmische, solare, planetarische, nationale und persönliche Ein-flüsse eingebunden. Darüber besser Bescheid zu wissen, lässt uns zuver-sichtlich und mutig den Weg weitergehen, der uns höheren Zielen entgegen-führt.

Ausgesuchte Zitate zum Thema aus den Lehren des Avatars Sathya Sai Baba und des Tibetanischen Meisters Djwhal Khul.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-9-4 auch in Englisch erhält-lich: “The Way of Man”, 88 Seiten, broschiert.

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Shamballa - Hierarchie - MenschheitDas grosse Dreieck

Zusammengestellt von Annrose Künzi439 Seiten, broschiert, ISBN 3-9521968-7-8

Es gibt drei grosse Energieströme, die sich in der Welt machtvoll auswirken. Diese werden den Lauf des Weltgeschehens bestimmen:Die erste und mächtigste Kraft strömt in die Welt aus Shamballa, aus dem planetarischen Zentrum, das den Willen Gottes kennt. Nur zweimal in der frü-hen planetarischen Geschichte liess diese Shamballa-Energie ihre Anwesen-heit direkt verspüren. Jetzt strömt diese Kraft wieder aus dem Heiligen Zen-trum aus. Sie verkörpert den Willensaspekt der gegenwärtigen Weltkrise und deren beiden Nebenwirkungen: erstens die Zerstörung dessen, was in den derzeitigen Erscheinungsformen, in Staatsführung, Religion und Gesellschaft unerwünscht und hinderlich ist.Zweitens die nach Synthese strebende Kraft, die das vereint und verbindet, was bisher getrennt war. Die Shamballa-Kraft ist so neu und unbekannt, dass es für die Menschheit schwer ist, sie als das zu erkennen, was sie ist, nämlich die Demonstration des wohltätigen Willens Gottes in neuer und machtvoller Wirksamkeit. Die zweite Hauptkraft ist die der Geistigen Hierarchie, des pla-netarischen Zentrums, wo die Liebe Gottes herrscht. Sie bahnt jetzt eine ihrer zyklischen Hauptannäherungen an die Menschheit an.Die Menschheit selbst ist das dritte planetarische Hauptzentrum, durch das einer der drei göttlichen Aspekte, nämlich die Intelligenz, zum Ausdruck kommt und in der Welt Wirkungen hervorbringt.Diese drei Zentren hängen untereinander eng zusammen.Es ist interessant, dass sie stets nur durch Menschen zu wirksamer Tätigkeit kommen. Diejenigen von euch, die bemüht sind, der Menschheit zu dienen und der Hierarchie zu helfen, müssen sich bemühen, mit den Kräften von Shamballa oder der Hierarchie in Verbindung zu kommen und die Gründe für die menschliche Not aufzuspüren.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9521968-8-6 auch in Englisch erhältlich: “Shamballa-Hierarchy-Mankind, The Great Triangle”, 382 Seiten, bro-schiert.

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MEDITATION IST LEBENGOTT MEDITIERT.

UND SOLANGE GOTT MEDITIERT,BLEIBT DAS UNIVERSUM IN MANIFESTATION.

Zusammengestellt von Annrose Künzi228 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-0-8

Das Thema Meditation beschäftigt seit Jahrzehnten immer mehr Menschen. Dieses Buch enthält Informationen über Hintergründe, Methodik und Ziel der Meditation aus den beiden grossen philosophischen Lehren des Welt-Ava-tars Sathya Sai Baba und von Alice A. Bailey/Tibeter.Meditation hat mit Sinnfindung zu tun, sie sollte nicht beim eigenen Selbst stehen bleiben. Das Individuelle hat sich im vergangenen Fische-Zeitalter zur Blüte entwickelt. Das Wassermann-Zeitalter hingegen konfrontiert uns wie-der mit der Gruppen-Verantwortlichkeit - nicht mehr allein mit der Verantwor-tung für Familie und Freunde, sondern immer mehr auch mit der Verantwor-tung für die “eine und unteilbare Menschheit”, das göttliche Geschlecht, von dem wir alle ein Teil sind. Meditation verbindet uns sowohl mit der Menschheit als auch mit unserer ei-genen Göttlichkeit und führt uns zu Gott, dem letzten Ziel.

Dieses Buch ist unter der ISBN 3-9522528-1-6 auch in Englisch erhältlich: “Meditation is Life”, 222 Seiten, broschiert.

LUCAS RALLISai Botschaften für Dich und mich

AUDIO-CDGelesen von:

Michael Schacht

Eine wunderschöne CD mit vorgetragenen Texten aus Lucas Ralli`s erstem Band. Aufgelockert durch ergreifende Musik von Gabriele und Gianluca Du-cros (Premasound) aus der CD “Embodiment of Love”. Der Originalgesang

von Sathya Sai Baba wird von Instrumentalmusik begleitet.

Ca. 51 Minuten, ISBN 3-9521968-6-X

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SATHYA SAI BABAMein geliebter Sathya Saayine

von Annrose Künzi

432 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-5-9

MEIN WEG ZU SATHYA SAAYINE

“Sathya Saayine ist dein Führer”, sagte er mir eines Morgens in der Meditati-on.Sathya Saayine ist der Name, den ich ihm vor langer Zeit gegeben habe, nachdem ich erkannt hatte, dass er die Instanz ist, die im September 1976 in Liebe ganz und gar von mir Besitz genommen hat. In der Rückschau erkann-te ich auch, dass immer er es war, der mir in irgendeiner Form, die mir in die-ser Zeit besonders wichtig war, den Weg gewiesen, Antwort gegeben, mich geheilt und getröstet hat. Von diesem gemeinsamen Weg und der spirituellen Führung erzähle ich nun. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Gott.

SATHYA SAI BABA UND JESUSZusammengestellt von Annrose Künzi

120 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-2-4

Wir hören die Geschichte, die vor 2000 Jahren geschah. Jetzt aber sind wir mitten in einem Geschehen, das in Zukunft Geschichte sein wird. Wir erleben den Advent und die Kreuzigung desjenigen, der Jesus Christus auf die Erde geschickt hat. Wenn der Meister Jesus vom Heiligen Stuhl des Papstes aus die Zügel der Christlichen Kirche wieder an sich nimmt, wie es verkündet wurde, dann wird einer, der tot ist und dessen Tod wir verherrlicht haben, wiedergekommen sein. Ein Meister ist sich seiner früheren Inkarnationen bewusst. An diesem Punkt werden die Verantwortlichen der Christlichen Kirche nicht mehr darum herum kommen, die Wiederverkörperungslehre, die im Jahre 553 nach Chris-tus verworfen wurde, wieder anzunehmen. Der Meister Jesus wird die Lehre an sich selbst beweisen. Dadurch wird die Christliche Kirche aus der Sack-gasse, in der sie heute ist, wieder herausfinden.

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DIE HEILIGEN GESÄNGE DER VEDENUND DIE DEVA-EVOLUTION

Zusammengestellt von Annrose Künzi238 Seiten, broschiert, ISBN 3-9522528-3-2

Wir stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Neue Erkenntnisse däm-mern herauf. Eine davon ist das Gewahrwerden der Deva-Evolution, die par-allel zur Menschen-Evolution verläuft. Wir erleben eine Annäherung der beiden Lebenslinien. Das Zeichen dafür sehen wir in den unzähligen Engel-durchsagen, von denen wir jetzt Kenntnis erhalten. Wir kennen diese hohen Wesen. Es sind Devas der höchsten Ebene, ebenso heilig, ebenso mächtig wie die höchsten Wesen der Menschen-Evolution.Wir sollten jetzt wissen, dass niedrigere Devas die menschliche Existenz erst möglich machen, indem sie mit ihrer eigenen Substanz unsere Körper auf-bauen, erhalten und zu gegebener Zeit auflösen.Die Devas reagieren zudem auf unsere Gedanken, Worte und Schwingungen und bringen sie in Objektivität. Das Medium, um mit den Devas aller Stufen in Kontakt zu treten ist der Schall.Da die Veden als Gesang übermittelt wurden, konnte von Anbeginn durch sie mit den Devas Verbindung aufgenommen werden. Wir erkennen nun, dass durch die Veden jedes Gebiet menschlichen Lebens mit den Devas in Verbin-dung gebracht und beherrscht werden kann.Der siebte Strahl der Zeremonie ist jetzt einer der Hauptstrahlen. Es liegt da-her nahe, dass wir über die Wirkung der Zeremonien, der Kraft der Mantren und des Gebets mehr wissen. Dass wir lernen, wie die gewünschten Devas gerufen und wieder aus ihrer Verantwortung entlassen werden.In den Lehren von Sathya Sai Baba, dem Welt-Lehrer und denen von Alice. A. Bailey/Tibeter finden wir das Wissen, wie wir mit diesen Kräften in Harmo-nie leben können.

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SATHYA SAI BABA - DER WELTAVATARAnsprachen aus den Jahren 1996 bis 2010

Ansprachen von 1996, 332 Seiten, broschiertAnsprachen von 1999, 428 Seiten, broschiertAnsprachen von 2000, 466 Seiten, broschiertAnsprachen von 2001, 390 Seiten, broschiertAnsprachen von 2002, 422 Seiten, broschiertAnsprachen von 2003, 330 Seiten, broschiertAnsprachen von 2004, 284 Seiten, broschiertAnsprachen von 2005, 238 Seiten, broschiertAnsprachen von 2006, 348 Seiten, broschiertAnsprachen von 2007, 226 Seiten, broschiert

Ansprachen von 2009 / 2010, 198 Seiten, broschiert

Sathya Sai Baba Der Welt-AvatarSPRICHT ÜBER DIE UNTERSCHEIDUNGSKRAFT

Zusammengestellt von Annrose Künzi262 Seiten, broschiert

Die Unterscheidungskraft ist auf dem spirituellen Weg weit entscheidender und weittragender als in weltlichen Angelegenheiten.

Das Unvermögen zwischen Richtig und falsch unterscheiden zu können, kann im spirituellen Bereich tragische Konsequenzen nach sich ziehen

Man könnte die Lehre darüber auch “Pfad der Unterscheidungskraft” nennen

Der Welt-Avatar Sathya Sai Baba spricht eindringlich davon, dass uns vor al-lem die Unterscheidungsfähigkeit in dieser Zeit des Chaos weiterbringt.

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Sathya Sai Baba Der Welt-AvatarSPRICHT ÜBER DIE ELEMENTE

Zusammengestellt von Annrose Künzi336 Seiten, broschiert

Die Schwierigkeiten denen die Menschheit in dieser Zeit des Chaos gegen-übersteht, haben mit den fünf Elementen zu tun.

Der Missbrauch der Elemente und die Verantwortungslosigkeit ihnen gegen-über haben die Menschen an den Rand ihrer Existenz gebracht.

Der Welt-Avatar Sathya Sai Baba belehrt uns eingehend darüber, wie wir aus dieser Sackgasse herausfinden können.

Dieses Buch ist auch in Englisch erhältlich: “Sathya Sai Baba, the Worl-davatar speaks about the elements”, 264 Seiten, broschiert.

Sathya Sai Baba Der Welt-AvatarSPRICHT ÜBER MANU, DEN GESETZGEBER

Zusammengestellt von Annrose Künzi68 Seiten, broschiert

MANU, der Mensch; der Inbegriff des Menschen; Manu gilt als der Stammvater der Menschheit und ihr Gesetzgeber, der die Opferhandlun-gen und religiösen Zeremonien, sowie die soziale Ordnung festgelegt hat. Insbesondere in den Puranas wird davon ausgegangen, dass jede Zeite-poche von einem Manu eingeleitet wird, der über diese herrscht. Der Manu dieses Zeitalters ist der 7. und trägt den Namen Vaivasvata, “der Sonnengeborene”. Die Manusmriti, das bekannte Gesetzbuch, geht auf den ersten Manu zurück. Sie bildet noch heute das Fundament der Reli-gion und des gesellschaftlichen Verhaltens vieler Menschen in Indien.

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Sathya Sai Baba Die Verkörperung GottesSPRICHT ÜBER GOTT

Zusammengestellt von Annrose Künzi346 Seiten, broschiert

Immer eindringlicher forschen Wissenschaftler nach dem Begriff “Gott”. Die Frage nach Gott wird in dieser Zeit des “Grossen Übergangs” von vielen Men-schen zudem noch intensiver gestellt.

Wir Christen werden zusätzlich davon verwirrt, dass in den ältesten heiligen Schriften der Welt, die in Indien in Form der Veden für die ganze Menschheit bewahrt werden, von verschiedenen Göttern gesprochen wird.

Wer könnte uns im Bemühen um Klarheit darüber authentischer Auskunft ge-ben, als die Verkörperung Gottes, Sathya Sai Baba selbst.

Dieses Buch ist auch in Englisch erhältlich: “Sathya Sai Baba, the World-avatar speaks about God”, 266 Seiten, broschiert.

Sathya Sai Baba Christus - Das LammSEIN ZWEITES KOMMENZusammengestellt von Annrose Künzi

302 Seiten, broschiert

In dieser Zeit können wir erkennen, dass das Zweite Kommen von Christus in der göttlichen Verkörperung von Sathya Sai Baba stattgefunden hat. Als Christus hatte er das Ziel und die Lehre für die Menschheit für den aktuellen Übergang des Menschen ins Fünfte Naturreich viele Male kundgetan. Es war seit Jahren ein Anliegen des Rosenkreis-Verlags, darüber zu informieren. Wir haben die Aufgabe übernommen, seine Identität als Christus und die neue Lehre über die Zeitlose Weisheit und Wahrheit, die uns direkt von ihm selbst geschenkt wurde, bekanntzumachen.

Die Schweiz hat zudem in dieser Zeit des Übergangs eine besondere Aufga-be. In Genf befindet sich eines der zwei grössten Einlasstore kosmischer spi-ritueller Energie. Die Arbeit an spirituellen Themen ist vor diesem Hintergrund Erfolg versprechend. Auch unsere Kultur kann wegweisend sein.

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SAI CHRISTUS UND DAS REICH GOTTESZusammengestellt von Annrose Künzi

188 Seiten, broschiert

Jesus Christus hatte zu seiner Zeit verkündet: „Das Reich Gottes ist hier” und wir sollten zuerst dieses Reich suchen. Das Reich Gottes ist die Hier-archie. Es ist der Ort, der von Christus gegründet wurde und an dem die Liebe Gottes in Verwahrung gehalten wird, die er verkündet hatte und die für die Menschheit durch ihn erfahrbar wird. Es ist der Wohnsitz unserer älteren Brü-der die das Ziel erreicht haben. Christus ist das Oberhaupt der Hierarchie. Es ist der Ort, der auch auf uns wartet, wenn wir die nötigen Schritte unternehmen, um den Weg zurück zu Gott zu gehen. Dieser Weg zurück wird „Der Ein-weihungsweg”, oder „Der Weg der Heiligkeit” genannt. Er bestätigt die Be-hauptung von Jesus Christus: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.”Nicht durch die Person Jesus, sondern durch den Weg, den Christus uns weist und für den er die Verantwortung trägt..

Man darf nicht vergessen, dass das von Christus hauptsächlich angestrebte Ziel bei seiner Wiederkunft nicht darin bestehen wird, Macht zu offenbaren, sondern das längst bestehende Reich Gottes öffentlich bekannt zu machen.

An diesem „Ende eines Zeitalters” steht der Mensch vor der Tür der günstigen Gelegenheit, und weil er im Begriff ist, seine eigene Göttlichkeit zu entdecken, wird er in das Reich der wirklichen Werte eintreten und wird mehr Wissen von Gott erlangen. Das Mysterium der Zweiten Geburt steht vor ihm, durch diese Erfahrung muss er hindurch. Dieses Göttliche im Menschen muss im Einzel-menschen und in der Menschheit geboren werden; so kann das Reich Gottes auf Erden ins Dasein gebracht werden. (TB, 22-68)

Die Menschheit als Ganzes ist heute zum erstenmal fähig, den grossen Schritt auf dem Pfad der Jüngerschaft und der Läuterung zu tun, der dem Pfad der Einweihung vorausgeht.

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