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Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem und seine Lösungsmöglichkeiten Dr. jur. Jens Bortloff Kaufmännischer Leiter Stellv. Museumsdirektor TECHNOSEUM Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit Museumsstraße 1 68165 Mannheim [email protected] Vortrag anlässlich der Arbeitstagung des Museumsverbands Baden-Württemberg e. V. Tübingen, 30. März 2019 Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik. Ein Problem und seine Lösungen ©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim Hinweis: Die folgenden Übersichten sind Teil eines Vortrags, sie dienen zur Illustration und Erleichterung des Verständnisses. Nur aus dem Vortrag selbst ergibt sich ein Gesamtbild der Situation. Die Darstellungen sind zur Erleichterung des Verständnisses vereinfacht und können die volle Komplexität und Einzelfallbezogenheit der Problematik nicht vollständig widergeben. 1 Mitglied im Vorstand des Deutschen Museumsbundes e. V. (DMB) Sprecher des Arbeitskreises Verwaltungsleitung im DMB

Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem ... · Modelle des Einsatzes von Personal in der ausführenden Vermittlung in Museen Anstellung Mischmodell Outsourcing

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Page 1: Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem ... · Modelle des Einsatzes von Personal in der ausführenden Vermittlung in Museen Anstellung Mischmodell Outsourcing

Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem und seine Lösungsmöglichkeiten

Dr. jur. Jens Bortloff

Kaufmännischer LeiterStellv. Museumsdirektor

TECHNOSEUM Stiftung Landesmuseum für Technik und ArbeitMuseumsstraße 168165 [email protected]

Vortrag anlässlich der Arbeitstagung des

Museumsverbands Baden-Württemberg e. V.

Tübingen, 30. März 2019

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

Hinweis: Die folgenden Übersichten sind Teil eines Vortrags, sie dienen zur Illustration und Erleichterung des Verständnisses. Nur aus

dem Vortrag selbst ergibt sich ein Gesamtbild der Situation. Die Darstellungen sind zur Erleichterung des Verständnisses vereinfacht

und können die volle Komplexität und Einzelfallbezogenheit der Problematik nicht vollständig widergeben.

1

Mitglied im Vorstand des Deutschen Museumsbundes e. V. (DMB)

Sprecher des Arbeitskreises Verwaltungsleitung im DMB

Page 2: Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem ... · Modelle des Einsatzes von Personal in der ausführenden Vermittlung in Museen Anstellung Mischmodell Outsourcing

Inhalt

A. Tätigkeitsformen in Museen – Überblick

B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen – Überblick

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit: Wie damit umgehen?

D. Reduzierungsmöglichkeiten bei Nachzahlung

2Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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A. Tätigkeitsformen in Museen – Überblick

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Arbeitnehmer /

Arbeitnehmerinnen

(bzw. Tarifbeschäftigte)

Beamtinnen

/ Beamte

Abzubis

Ehrenamtliche

Kräfte

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B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen: Risiken

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Risiken bei Scheinselbständigkeit:

Betriebsprüfung: (Sozialversicherungsrecht)

4 Jahre zurück Sozialversicherungsbeiträge mit

Säumniszuschlägen

und

entsprechend Lohnsteuernachzahlung (Steuerrecht).

„Einklagen“ der Person (Arbeitsrecht)

Strafbarkeit (Strafrecht, § 266a

StGB)

Katastrophale ÖA

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B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen: das rechtliche Problem

Arbeiten für jemand anderen

5

unentgeltlich

Dienstvertrag

seltener: Werkvertrag

entgeltlich

Arbeitsvertrag

Sozialversicherungs-

recht

Arbeitsrecht

Steuerrecht

Unfallversicherung

etc.

Abhängig

beschäftigt?

Lohnsteuer?

Arbeitsunfall?

oder Ehrenamt

Geldzahlung noch

angemessen

niedrig?

Liegt Vergütung iSv

Arbeitslohn vor?

nur Auslagenersatz

betroffene

Rechtsgebiete:

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B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen: Arbeitsvertrag?

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Grundsatz: Jede Tätigkeit kann als freier Mitarbeiter, durch Arbeitnehmer oder ehrenamtlich erfolgen.

Es kommt auf die konkrete Ausgestaltung an.

Wann liegt ein Arbeitsvertrag (und meist Lohnsteuerpflicht und Sozialversicherungspflicht) vor?

Antwort: § 611a Abs. 1 BGB:

„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung

• weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit

• in persönlicher Abhängigkeit

verpflichtet.

Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.

Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.

Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen.

Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die

Bezeichnung im Vertrag nicht an.“

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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Für die

Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V)

Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI)

Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III)

Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI)

sind „versicherungspflichtig ….Personen ….,

die im Sinne des § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs (SGB) IV (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)

gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.“

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B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen: Sozialversicherungspflichtig?

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Was heißt Beschäftigung?

§ 7 Abs. 1 SGB IV:

„Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit,

i n s b eso nde r e in einem Arbeitsverhältnis.

Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach

Weisungen und eine

Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“

8

B. Freie Mitarbeit und ihre Grenzen: Sozialversicherungspflichtig?

Bundessozialgericht (BSG):

„Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

Die rot hervorgehobenen Aspekte treten bei der Prüfung stets in den Hintergrund, da Museumsführer im Museum arbeiten müssen. Unternehmensrisiko: Beauftragung.

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C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und

Vermittlungsarbeit: Wie damit umgehen?

9Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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1. Wie kann ausführendes museumspädagogisches Personal noch selbständig sein?

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit: Wie

damit umgehen?

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Gemäß LSG-Urteil (Museumsführerfall*) noch selbständig, wenn …

• …KEIN Zeit, Dauer, Ort und A r t d e r A u s f ü h r u n g umfassendes WEISUNGSRECHT vorliegt

• Person NICHT in den Betrieb EINGEGLIEDERT ist und …

ART DER AUSFÜHRUNG: Wie intensiv ist Museumsführer in den Führungsbetrieb eingebunden? d. h.

• in welchem Umfang bestimmt Museumsführer den Führungsinhalt und

• die Art und Weise der Führungsgestaltung (Stichwort Dozent),

• sonstige Umstände der Dienstleistung und

• inwieweit wird er zur Nebenarbeit herangezogen (z. B. noch Aufsichtsfunktion)?

EINGLIEDERUNG: Anpassungszwang für FM

Auf Grund von für alle geltenden organisatorischen Gründen

= Sachzwänge

Auf Grund des vom Auftraggeber geäußerten betriebspolitischen Willens zur

Ausführung = Weisung

*Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 24.2.2015, Az: L 11 R 5165/13

bei „Dienst höherer Art“ = naturgemäß wenig Vorgaben

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1. Wie kann ausführendes museumspädagogisches Personal noch selbständig sein?

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Nach Ansicht der DRV BW: Einzelfall entscheidet, LSG-Entscheidung hat nur Einzelfallcharakter, keine

Leitentscheidung.

Daher: wohl weitere Urteile, insbesondere des Bundessozialgerichts nötig, um DRV von dieser

Rechtsmeinung zu überzeugen.

LSG-Urteil ist eine juristische Leitentscheidung für die Zukunft, aber:

Sicher nur: Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV

(sog. Statusfeststellungsverfahren, Antrag-Nr. V0027, s. Webseite der DRV, Erläuterungen V0028)

C. Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik: Folgen für

die Bildungs- und Vermittlungsarbeit

GESAMTWÜRDIGUNG aller Umstände: Was spricht für, was gegen Beschäftigung?

Gewichtung erforderlich:

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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2. Auswirkungen

a) Für die Museen (1)

Ausführende museumspädagogische Kräfte können selbständig tätig sein, wenn sie nicht weisungsabhängig

und nicht eingegliedert sind. Ob dies so sein soll, muss jedes Museum individuell entscheiden:

Museumsführer Weisungsfreiheit wirklich möglich?

Betreuer von Kindergeburtstagen? Weisungsfreiheit wirklich möglich?

Workshop-Leitungen? Weisungsfreiheit wirklich möglich?

Faustregel: FM ok, wenn wie VHS-

Dozenten, aber: zurück zu den Ur-Anfängen der Museumspädagogik?

„Immer lauter und zahlreicher werden die Mahnungen derer, die wünschen, daß von den offiziellen Museumsorganen Führungen regelmäßig veranstaltet und in das Museumsprogramm aufgenommen werden. Tatsächlich hat die Berliner Nationalgalerie eingeführt, daß an bestimmten Tagen für jedermann öffentliche Vorträge vor den Bildern von einem der Beamten gehalten werden, und zahlreiche Museen sind diesem Vorbild gefolgt.“

Aus: Otto Homburger, Museumskunde, Abschnitt: Die praktischen Aufgaben der Museen, 1924.

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Vorführkräfte? Weisungsfreiheit wirklich möglich?

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2. Auswirkungen

a) … für die Museen (2)

Welche Qualitätskontrolle erscheint noch möglich bei freien Mitarbeitern?

Weitere Tendenzen aus der Rechtsprechung:

„Leiter des Besuchsdienstes ist bei ersten Probeauftritten zugegen und hat sich so vor Beginn der Zusammenarbeit von deren

intellektuellen und rhetorischen Fähigkeiten überzeugt“ (LSG Berlin-Brandenburg vom 15.7.2011 – Bundesratsführer),

aber: solange damit nicht die Inhalte der Besucherführung feststehen!

„wie die Führungen im vorgegebenen Rahmen der Pflichtstationen im Einzelnen ausgestaltet sind, bleibt (den Besucherführern)

überlassen (LSG Berlin-Brandenburg vom 15.7.2011 – Bundesratsführer).

Vergütung von Fortbildungsveranstaltungen, „mag empirisch ungewöhnlich sein. Es ist aber …. ein Indiz für die

Unselbständigkeit. An diesen besteht jedoch kein Anwesenheitszwang“ (LSG Berlin-Brandenburg vom 15.7.2011 –

Bundesratsführer).

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

„bloße, abstrakte Beschreibung der … zu erbringenden Leistung“ zulässig, im Sinne von „strukturierten didaktischen

Empfehlungen“, Benennung von „Lernfeldern“ und „Literaturempfehlungen“

„Keine Vorgaben, die Schulleitung ggf. im Wege einer Weisung … hätte wirkmächtig durchsetzen können.“

(BSG vom 14.8.2018 – Musikschullehrer; Az. B 12 R3/17 R))

Spezialfrage: Ausfall der Führung:

FM hat Anspruch auf Ausfallhonorar, wenn Gruppe nicht

kommt, § 615 BGB. Dies kann aber vertraglich

ausgeschlossen werden.

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2. Auswirkungen …

b) Für die museumspädagogischen Kräfte

Wenn selbständig und damit weisungsfrei = Dozenten, so LSG-Verständnis und DRV

Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für Dozenten

Anzeigepflicht nach 3 Monaten Tätigkeit

Aber Vorteil:

• Status dürfte damit für DRV geklärt sein,

• daher dann wohl eher nicht Gegenstand einer Betriebsprüfung.

Übungsleiterpauschale kann genutzt werden § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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3. Perspektiven: Modelle in der Praxis

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Modelle des Einsatzes von Personal

in der ausführenden Vermittlung in Museen

Anstellung Mischmodell Outsourcing

Führungen

ohne

inhaltliche

Weisungen

und

Kontrolle*

Freie

Mitarbeiter

Rahmenvertrag

mit

Einzeltages-

arbeitsverträgen

Anstellung

mit festen

Arbeitszeiten

Jahresarbeits-

stundensoll und

Praxis der Termin-

vereinbarung

„Arbeit auf Abruf“

vereinbart

(TECHNOSEUM)

Kinder-

geburtstage/

Workshops

Angestellte

Museums-

diensteHamburg/

Berlin

VHS

organisiert

Gesamt-

vergabe an

Dienstleister

Einzel-

vergabe

an Freie

Mitarbeiter

mit Rahmen-

vertrag* mit

Buchungs-

service

+

* = Scheinselbständigkeit kann hier

relevant sein.

MPZ

München(i. S. v.

Agentur, d. h.

Vermittlung,

Zahlung an

Schule)

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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3. Perspektiven: Folgende Grundmodelle gibt es in der Praxis

Betriebsform Beschreibung

Freie Mitarbeit Tätigkeit auf Honorarbasis, inhaltlich weisungsfreie Tätigkeit, nur Themenvorgabe. Wenn nicht als rentenversicherungspflichtig gemeldet: Statusfeststellungsverfahren dringend zu empfehlen; wenn dann bestätigt und Praxis nicht vom Papier abweicht: rechtssicher

Modell VHS „Vorträge vor den Bildern“,inhaltlich weisungsfreie (Lehr-)Veranstaltungen, nur Themenvorgabe.Museumspädagogische Kraft meldet sich als rentenversicherungspflichtig, Statusfeststellung dürfte entbehrlich oder unzulässig sein, vergleichsweise rechtssicher

Anstellung Arbeitsvertrag, Voll- oder Teilzeit, nur Ausführung oder auch Ausarbeitung von KonzeptionenRechtssicher, volles museumspädagogisches Gestaltungspotenzial mit Qualitätskontrolle, regelmäßige Präsenz

Modell TECHNOSEUM Arbeitsvertrag mit Teilzeitmodell Jahresflexible Arbeitszeit, „Arbeit auf Abruf“, aber mit Terminvereinbarung und pauschalierten Arbeitspaketen.Präsenz nur bei Bedarf, hoher Verwaltungsaufwand

Auftrag an Dienstleister Dienstleister erbringt die museumspädagogischen ProgrammeSchulung z. T. auch durch MuseumskräfteVergabeverfahren erforderlichGrenze zu Arbeitnehmerüberlassung zu beachten

Modell Vollübertragung an Dienstleister

wie oben, aber auch mit Buchungsannahme

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

Page 17: Scheinselbständigkeit in der Museumspädagogik Ein Problem ... · Modelle des Einsatzes von Personal in der ausführenden Vermittlung in Museen Anstellung Mischmodell Outsourcing

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Exkurs: Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter?

Wirklich trennbar oder ein einheitliches Arbeitsverhältnis?

Modell Arbeitsvertag und freie Mitarbeit ist nicht empfehlenswert, wenn der Tätigkeitsbereich

ähnlich ist, z. B. in der Bildung und Vermittlung. Hohes Risiko!

Voraussetzung: „lupenreine“ freie Mitarbeit liegt vor, keine Scheinselbständigkeit

(BAG 27.6.2017, Az. 9 AZR 851/16 - Berliner Musiklehrerin -)

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Dies auch im Sinne des Sozialversicherungsrechts!

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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Exkurs: Gleichzeitige Beschäftigung als Arbeitnehmer und freier Mitarbeiter?

Fall: Berliner Musikschullehrerin (BAG 27.6.2017, Az. 9 AZR 851/16)

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Grundsätze der Rechtsprechung Bundesarbeitsgericht:

Allgemeinbildende Schulen: Lehrkräfte = Arbeitnehmer

Volkshochschulen / Musikschulen: Lehrkräfte können Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter sein,

„auch wenn es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander

abgestimmte Kurse mit vorher festgelegtem Programm

handelt“.

Arbeitnehmer dann, wenn Schule

• zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig bestimmen oder

• Unterrichtsgegenstand oder

• Art und Ausmaß der Nebenarbeiten festlegen,

• intensivere Kontrolle der Leistung von Schülern und des Unterrichts oder

• sonstige Weisungen erteilen kann.

(zur Erinnerung: LSG BW: Museumsführer können Arbeitnehmer oder freie Mitarbeiter sein)

Scheinselbstständigkeit in der Museumspädagogik.Ein Problem und seine Lösungen©2/2019 Dr. Jens Bortloff, Mannheim

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Checkliste*

C. Scheinselbständigkeit in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit:

Wie damit umgehen?

Freie Mitarbeit

Thema wird vorgegeben, aber nähere Leistungsbeschreibung nur abstrakt

Es erfolgt eine „Gesamtwürdigung“ aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls!

Praxis entspricht dem Honorarvertrag (bei Abweichung entscheidet die Praxis allein!)

„Honorarvertrag“ mit ausdrücklicher Betonung: kein Arbeitsvertrag, Steuer- und Sozialversicherung führt der FM ab

FM besorgt (Unterrichts-) Materialien

- zeitliche Lage der Leistung,

- inhaltliche und methodische Gestaltung des Unterrichts,

Vom Auftraggeber wird nicht einseitig bestimmt oder ist bestimmbar:

- Art und Ausmaß von Nebenarbeiten,

- intensivere Kontrolle des Leistungsstands der Schüler, des Unterrichts,

* = Aufzählung kann nicht abschließend sein.

Keine sonstige organisatorische Eingliederung (Teilnahme an Besprechungen, Weiterbildung freiwillig, bei

Teilnahme Vergütung)

- sonstige Gegenstände.

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D. Reduzierungsmöglichkeiten bei Nachzahlung

Studenten: Hier KV-Beitrag schon enthalten

Geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV)- Minijob (450,- Euro) oder - Kurzfristig Beschäftigte (saisonal) 50 Tage bzw. 70 Tage / Jahr, wenn nicht mehr als 450,- monatlich übersteigtEinkommen ist insoweit steuer- und sozialversicherungsfrei. Bei Nachzahlung ist im Fall Minijob diese auf die Pauschale reduziert.

Übungsleiterpauschale

§ 14 I S. 3 SGB IV i. V. m. § 3 Nr. 26 EStG

„Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 und 26a des Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen gelten nicht als Arbeitsentgelt.“

§ 3 Nr. 26 EStG bezeichnet als steuerfreie Aufwandsentschädigung „nebenberuflicher Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher,

Betreuer oder vergleichbarer nebenberuflicher Tätigkeiten“ bis zur Höhe von 2. 400,- Euro.

Museumsführer ist nicht aufgeführt, aber vergleichbar, da pädagogische Ausrichtung besteht und auf andere Menschen durch persönlichen

Kontakt Einfluss genommen wird, um auf diese Weise geistige oder leibliche Fähigkeiten zu entwickeln. So auch VHS-Dozenten. (s. a. OFD-

Verfügung Frankfurt/M zum Stadtführer).

D. h.: sozialversicherungsfrei sind:

450, Euro geringfügig beschäftigt

200,- Übungsleiterpauschale

650,- insgesamt monatlich = 7.800,- / Jahr

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Organisatorisch für Betriebsprüfung

Buchhaltung: • Jahresweise Ermittlung des Honorarvolumens für jede Kraft

Enge Zusammenarbeit mit (museums-)pädagogischer Abteilung:

• Dokumente aufheben bzw. sammeln (Beauftragungen, Rechnungen etc.)• Wie ist / war die Anleitung, inhaltliche Vorgaben/Konzepte ausgegeben?• Zeugen: Wer kann aussagen, erforderlichenfalls vor Gericht?• Kollegen aus den betroffenen Bereichen miteinbinden, da ggfls. Zeugen• Adressen der Honorarkräfte sammeln und ggfls. aktualisieren (Übungsleiterpauschale-Versandaktion)

Honorarkräfte: Wer kann evt. positive Aussagen im Verfahren machen? (Aber „keine Pferde scheu machen“)

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Maßnahmen gegen Eingliederung in Betrieb:

Kein Postfach, keine E-Mail-Adresse etc.Ungleichbehandlung zu Tarifbeschäftigten „pflegen“

Inhaltliche Maßnahmen:

Bewahrung der „inhaltlichen Freiheit“ (Konsequenz aus Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom Juli 2011), d. h. keine „Konzepte“ vorgeben, zumindest einschränken (Widerspruch zu Qualitätsbewahrung), Keine Kontrolle

Sonstige Maßnahmen:Evt. im Vertrag mit Honorarkräften VOL/B Bestandteil machen (s. Urteil LSG Berlin/Brandenburg)

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Literaturempfehlungen und Hinweise

Zum spezifischen Thema “Scheinselbständigkeit und ausführende museumspädagogische Kräfte“ gibt es meines Wissens keine Literatur. Die Schriften über Scheinselbständigkeit im Allgemeinen geben keine Hinweise auf die konkrete Lage im Bereich Bildung und Vermittlung in Museen, sondern beschreiben die allgemeine Lage, die für die konkrete Beurteilung in dieser Frage nicht weiterhelfen.

Hilfreich sind momentan ausschließlich die angegebenen Gerichtsurteile (s.o).

Im Übrigen sind sinnvoll:

Zum Statusfeststellungsverfahren s. http://www.clearingstelle.de/formulare.html

Zu § 7 Sozialgesetzbuch IV: Text und Erläuterung SGB IV, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung, 13,- Euro, zu beziehen über die Deutsche Rentenversicherung Bund:https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/02_fachliteratur/02_kommentare/kommentar_sgb_IV.html

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