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PROFI HOBBY - H offnung keimte in mir auf, als ein Freund 1997 davon berichtete, dass bei ei- nem Landmaschinenhändler in Moosinning ein Schlüter Super 650 V auf dem Hof steht, der zu kaufen sei. Suchte ich doch schon seit einiger Zeit genau solch einen Schlepper. Die legendären Schlüter-Feldtage in Frei- sing, die ich schon als Kind besuchte, hat- ten mich mit dem Schlepper-Virus infiziert, der nun scheinbar völlig ausbrach. Die Zeit war reif für einen eigenen Traktor. Als ich meiner Familie von der Absicht er- zählte, meinte meine Mutter nur, ob ich denn total verrückt geworden sei. Es seien doch genug Traktoren auf dem Hof meines Bruders. Und schließlich sei ich es, der im- mer davon predige, dass der Betrieb völlig übermechanisiert sei. „Natürlich hast du Recht, ich werde mir für das Geld lieber ein schnelles Motorrad kaufen“, war meine Ant- wort. Schon hatte sie nichts mehr gegen ei- nen Traktor. Der Kauf kam tatsächlich zustande, und zwei Wochen später fuhr der Schlüter wieder in Richtung seiner Geburtsstätte Freising. Dort hatte er am 23. Dezember 1966 das Werks- gelände verlassen, um über 30 Jahre lang im schweren landwirtschaftlichen Einsatz seine Dienste zu leisten. Aber auch auf unserem „Kastelbauer-Hof“ wurde der Super 650 V im ersten Jahr nicht geschont. Es sollten sich bis zum Winter al- le Wehwehchen zeigen, um sie dann beim Herrichten des Schleppers zu beheben. So standen in den ersten Monaten Arbeiten an wie Getreidetransport, Strohpressen oder Mistfahren. Kurz nach der Rübenernte begann die De- montage. Da ich von Beruf Schreiner bin, fehlte mir einfach die Erfahrung auf dem Gebiet des Landmaschinenmechanikers. Deshalb fotografierte ich nach jedem Teil, das ich abschraubte, die entsprechende Stel- le am Traktor und nummerierte die Fotos. Auf die Weise konnte ich den Schlüter spä- ter in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammenbauen. Am Motor selbst musste nichts gemacht werden, da der Vor- besitzer ihn vor nicht allzu lan- ger Zeit erst überholt hatte. Aber das Ge- triebe verlor einiges an Öl, zum Glück mussten wir nur einige Deckel neu abdich- ten. Im Heckhubwerk hatte sich der Vorbe- sitzer mit einem Zusatzzylinder „verewigt“, der wahrscheinlich von einem Claas-Mäh- drescher stammt. Da der Schlepper aber so weit wie möglich wieder im Originalzustand auferstehen sollte, entfernten wir den Zu- satzhubzylinder wieder. Leider war die Heckanbauplat- te mit dem Schweißbrenner be- arbeitet worden, um überhaupt Youngtimer Schlüter Super 650 V: Zurück zu den Wurzeln In einem Schlüter-Prospekt von 1967 heißt es: „Einen 65-PS-Schlepper, der einen Sechszylindermotor mit 5 892 cm 3 Hubraum hat, finden Sie nicht alle Tage. Es sei denn, bei einem Schlüter-Besitzer. Und den können Sie mit Recht beneiden.“ Manfred Hierhager (27) aus Schaidenhausen, unweit von Freising, hat sich diesen Traum erfüllt. Wie es dazu kam, beschreibt er im folgenden Beitrag. Franz Hierhager senior genießt die Kraft und Geschmeidigkeit des Sechszylin- ders. Anders als bei gleich starken Schleppern erübrigt sich eine Ballastierung. profi 92 Nr. 11/01 Manfred Hierhager mit seinem Schlüter 650 V beim Pflügen. Vier Schare sind für den 65-PS-Schlepper kein Problem. Fotos: Manfred (5) und Franz Hierhager

Schlüter Super650

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Page 1: Schlüter Super650

PROFI HOBBY-

Manfred Hierhagermit seinem

Schlüter 650 Vbeim Pflügen. Vier

Schare sind für den65-PS-Schlepper

kein Problem.Fotos: Manfred (5)

und FranzHierhager

Youngtimer Schlüter Super 650 V:

Zurück zu den Wurzeln

In einem Schlüter-Prospekt von 1967 heißt es: „Einen 65-PS-Schlepper, der einen Sechszylindermotor mit5 892 cm3 Hubraum hat, finden Sie nicht alle Tage. Es sei denn,bei einem Schlüter-Besitzer. Und den können Sie mit Rechtbeneiden.“ Manfred Hierhager (27) aus Schaidenhausen, unweit von Freising, hat sich diesen Traum erfüllt. Wie es dazu kam, beschreibt er im folgenden Beitrag.

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Franz Hierhagersenior genießt die Kraft undGeschmeidigkeitdes Sechszylin-ders. Anders als bei gleichstarkenSchleppernerübrigt sich eineBallastierung.

Hoffnung keimte in mir auf, als einFreund 1997 davon berichtete, dass bei ei-nem Landmaschinenhändler in Moosinningein Schlüter Super 650 V auf dem Hof steht,der zu kaufen sei. Suchte ich doch schon seiteiniger Zeit genau solch einen Schlepper.Die legendären Schlüter-Feldtage in Frei-sing, die ich schon als Kind besuchte, hat-ten mich mit dem Schlepper-Virus infiziert,der nun scheinbar völlig ausbrach. Die Zeitwar reif für einen eigenen Traktor.Als ich meiner Familie von der Absicht er-zählte, meinte meine Mutter nur, ob ichdenn total verrückt geworden sei. Es seiendoch genug Traktoren auf dem Hof meinesBruders. Und schließlich sei ich es, der im-mer davon predige, dass der Betrieb völligübermechanisiert sei. „Natürlich hast duRecht, ich werde mir für das Geld lieber einschnelles Motorrad kaufen“, war meine Ant-wort. Schon hatte sie nichts mehr gegen ei-nen Traktor.Der Kauf kam tatsächlich zustande, und zweiWochen später fuhr der Schlüter wieder inRichtung seiner Geburtsstätte Freising. Dorthatte er am 23. Dezember 1966 das Werks-gelände verlassen, um über 30 Jahre langim schweren landwirtschaftlichen Einsatzseine Dienste zu leisten.Aber auch auf unserem „Kastelbauer-Hof“wurde der Super 650 V im ersten Jahr nichtgeschont. Es sollten sich bis zum Winter al-le Wehwehchen zeigen, um sie dann beimHerrichten des Schleppers zu beheben. Sostanden in den ersten Monaten Arbeiten anwie Getreidetransport, Strohpressen oderMistfahren.

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er in umgekehrter Reihenfolgeieder zusammenbauen.m Motor selbst musste nichtsemacht werden, da der Vor-esitzer ihn vor nicht allzu lan-

profi 92 Nr. 11/01

ger Zeit erst überholt hatte. Aber das Ge-triebe verlor einiges an Öl, zum Glückmussten wir nur einige Deckel neu abdich-ten. Im Heckhubwerk hatte sich der Vorbe-sitzer mit einem Zusatzzylinder „verewigt“,der wahrscheinlich von einem Claas-Mäh-drescher stammt. Da der Schlepper aber soweit wie möglich wieder im Originalzustandauferstehen sollte, entfernten wir den Zu-

satzhubzylinder wieder. Leider war die Heckanbauplat-te mit dem Schweißbrenner be-arbeitet worden, um überhaupt

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Die Restauration des Hecks war sehr aufwändig, hat sich abergelohnt. Gerade mal 2 040 kp (2 090 daN) Hubkraft sind für 65 PSnicht sehr üppig, vor 35 Jahren war das aber Spitze.

Dieses Foto dokumentiert dieWiedergeburt des Schlüter 650 V

am besten, denn ähnlich dürfteer im Winter 1966 kurz vor dem

Lackieren im Werk Freising

Platz für den Zylinder zu schaffen. Alsomusste eine andere Platte besorgt werden,was aber schwieriger war als angenommen.Nur zu einem weit überzogenen Preis hät-te ich sie bei einem Traktorschlächter kau-fen können. Darum entschloss ich mich, diefehlenden Teile nachzubauen und anzu-

Das Armaturenbrett des 650 V ist eine Augenweide.Unter dem Lenkrad der Ganghebel, seitlich derKonsole die Gruppenschaltung.

ausgesehen haben.

schweißen, was mit Hilfemeines Bruders auch gut gelang.Ein großes Loch in der Mo-torhaube war ein weiteresProblem, das es zu lösen galt.Dabei konnte mir ein be-freundeter Kfz-Meister hel-fen. Und so merkt man jetztnichts mehr davon, dass derAuspuff mal direkt durch dieMotorhaube ragte. Nach undnach baute ich alle Teile ab,befreite sie von Dreck und al-ter Farbe und reparierte sie,wenn es nötig war. Den Zeit-aufwand dafür hatte ich al-lerdings total unterschätzt!So dauerte es anderthalb

Welch ein Motor und welch eine Restaurationsarbeit! Der Halbrahmen ist am Getriebe,an der Kupplungsglocke sowieam Motor verschraubt und trägtden Vorderachsbock.

profi 93 Nr. 11/01

Jahre, bis ich die letzten Tei-le lackieren und den Schlep-per wieder fertig zusam-menbauen konnte.

HHiieerr eerrwwiieesseenn ssiicchh nnuunn ddiieeFFoottooss aallss uunnvveerrzziicchhttbbaarr..Denn wie sollte ich als Laienach über einem Jahr nochgenau wissen, wie alle Teilezusammengehören?Als schwierig erwies sich die Suche nach brauchbaren(und vor allem bezahlbaren!) Vorderradblechkotflügeln. Der Original-Schlüter-Farmer-Clubsessel fehlte ebenfallsnoch. Doch habe ich dieseTeile mittlerweile gefundenund werde sie bei Gelegen-heit aufbauen. Dann stehtder Schlepper wieder so da,wie er vor knapp 35 Jahrenausgeliefert wurde.Apropos ausgeliefert: AnfangSeptember kehrte meinSchlüter kurz zu seinen Wur-

zeln zurück. Auf dem Heimweg vom TÜV inFreising bemerkte ich, dass ein Tor der ehe-maligen Schlüter-Werke offen stand undunbewacht war. So nahm ich die Gelegen-heit wahr und drehte eine Runde auf demWerksgelände. Als Gründungsmitglied desSchlüter-Fan-Clubs Freising musste ich da-bei nicht einmal ein schlechtes Gewissenhaben. Für unser Vereinsarchiv suchen wirübrigens Prospekte und Unterlagen überSchlüter. Natürlich tauschen wir auch gerne.

EEnnttggeeggeenn mmeeiinneenn eeiiggeenneenn EErrwwaarrttuunnggeenn ffaahh--rree iicchh mmiitt mmeeiinneemm „„AAnnttoonn““ nniicchhtt nnuurr zzuummTTÜÜVV uunndd zzuu OOllddttiimmeerr--TTrreeffffeenn.. Nein, er darfauch noch richtig arbeiten. Und dabei habeich manchmal das Gefühl, dass mich wirk-lich der eine oder andere Landwirt um denSchlüter beneidet.

Schlüter Super 650 VMotor: Schlüter-Sechszylinder SD 100W 6, 5892 cm3 Hubraum, 48 kW/65 PSbei 1 800 min-1, maximales Drehmo-ment 28 mkp (ca. 285 Nm) bei 1 300 min-1, Tankinhalt 86 l

Getriebe: ZF A 216 II, 8 Vorwärts- und 4 Rückwärtsgänge, 28 km/h, Zapfwellemit 600 und 1 175 min-1

Hydraulik: ZF A 216 J, 175 bar Betriebs-druck, 2 050 kp (2 090 daN) Hubkraft

Abmessungen: Länge 4 205 mm, Breite1 950 mm, Höhe mit Sicherheitsrah-men 2 275 mm, Radstand 2 492 mm,Wendekreis mit Lenkbremse 8,6 m

Eigengewicht: 3 660 kg, zulässiges Gesamtgewicht 4 500 kg

Bereifung: vorne 11.2-24, hinten 18.4-30

Listenpreis 1966: 30 825 DM

DATEN-KOMPASS

■ Bauer, Lüttmann, Tietgens: Schlüter-Prospekte 1936-1993 – 69 DM■ Riedel: Schlüter-Traktoren Bärenstark – 69 DM■ Tietgens: Alle Traktoren von Schlüter – 85 DM■ Glienke, Hierhager: Schlüter-Schlepper im Einsatz – 49 DM

Dieser Bücher erhalten Sie über denprofi-Leserservice, Tel. 0 25 01/8 01-3 03.

Die bisher erschienenenSchlüter-Bücher: