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„Schwarzer Gassen Waffenschall“ und „Wie Sturmwind schwellt dein Flügelpaar“- Die Darstellung und Bewertung des Krieges in romantischer und expressionistischer Lyrik. Ein exemplarischer Vergleich der Kriegsmetaphorik in Georg Heyms „ Der Krieg“ (1911) und Emanuel Geibels „Kriegslied“ (1870) Freiherr-vom-Stein Schule Hessisch Lichtenau Fach: Deutsch Fachlehrerin: Frau Hohmann 2012 Jahresarbeit von Viktoria Umbach Freiherr-vom-Stein Schule 16.04.2012

Schwarzer Gassen Waffenschall und Wie Sturmwind … · Gliederung Vorwort I Dichter 1.1 Emanuel Geibel - Geschichte und Herkunft 1.2 Georg Heym – Geschichte und Herkunft II Literaturhistorische

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„Schwarzer Gassen Waffenschall“ und „Wie Sturmwind schwellt dein Flügelpaar“- Die Darstellung und Bewertung des Krieges in romantischer und expressionistischer Lyrik. Ein exemplarischer Vergleich der Kriegsmetaphorik in Georg Heyms „ Der Krieg“ (1911) und Emanuel Geibels „Kriegslied“ (1870) Freiherr-vom-Stein Schule Hessisch Lichtenau Fach: Deutsch Fachlehrerin: Frau Hohmann

2012

Jahresarbeit von Viktoria Umbach Freiherr-vom-Stein Schule

16.04.2012

Gliederung

Vorwort

I Dichter

1.1 Emanuel Geibel - Geschichte und Herkunft 1.2 Georg Heym – Geschichte und Herkunft

II Literaturhistorische und geschichtliche Einordnung

2.1 Geibels „Kriegslied“ im Lichte der Spätromantik 2.2 Heyms „Der Krieg“ im Lichte des Expressionismus

III Stilanalytische Annäherung an beide Gedichte

3.1 Die Darstellung und Bewertung des Krieges in Geibels „ Kriegslied“ 3.2 Die Darstellung und Bewertung des Krieges in Heyms „ Der Krieg“ 3.3 Vergleich IV Nachwort

V Literaturverzeichnis

VII Fachwortverzeichnis

Vorwort

Meine Jahresarbeit im Fach Deutsch behandelt das Thema „Die Darstellung und Bewertung

des Krieges in romantischer und expressionistischer Lyrik,

anhand eines exemplarischen Vergleichs der Kriegsmetaphorik in Georg Heyms „Der Krieg“

(1911) und Emanuel Geibels „Kriegslied“ (1870).“

Ich habe mir dieses umfangreiche Thema ausgesucht, um die unterschiedlichen

Interpretationen des Krieges aus der Epoche der Romantik und der Epoche des

Expressionismus gegenüberzustellen und zu analysieren. Des Weiteren ist es für mich

wichtig, die gegensätzlichen Meinungen der Dichter der damaligen Zeit zu untersuchen und

zu vergleichen, da die Zeitepochen von unterschiedlichen Merkmalen geprägt waren, welche

große Einflüsse auf die Werke und Ansichten der Dichter hatten. Ich interessiere mich sehr

für das Thema Krieg und finde es interessant, mich mit Kriegsmetaphorik zu beschäftigen, da

ich so die Möglichkeit habe, den Krieg

unter anderen Aspekten zu analysieren und ihn aus einem anderen Blickwinkel zu

konkretisieren. Die Kriegsmetaphorik beschäftigt sich nicht nur ausschließlich mit den

formalen Stilmitteln der romantischen und expressionistischen Lyrik. Es ist sehr wichtig die

geschichtlichen Ereignisse, also den geschichtlichen Werkkontext zu berücksichtigen, um

überhaupt Verbindungen zu diesem Thema herstellen zu können. Schon bei Bearbeitung der

Gliederung fiel mir auf, wie umfangreich dieses Thema ist, da es auf verschiedenste Themen

aus verschiedenen Epochen zurückzuführen ist, welche bis heute Einfluss auf die Dichtung

der Poeten des 21. Jahrhunderts haben und auch noch weiterhin eine wichtige Rolle spielen

werden.In meiner Jahresarbeit möchte ich mich auf den folgenden Seiten zunächst auf die

Dichter konzentrieren, wobei ich speziell auf die Literaturhistorische und geschichtliche

Einordnung der Gedichte in die Zeitepochen eingehen werde. Unter der Fragestellung: „Wie

wird das Wort Krieg in Geibels „Kriegslied“ und Heyms „Der Krieg“ dargestellt?“ werde ich

schwerpunktmäßig die verschiedenen Bedeutungen der Kriegsmetaphorik aus der Zeit von

1870 und 1911 analysieren.Somit möchte ich die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der

romantischen und expressionistischen Lyrik sichtbar machen und versuchen mich in beide

Dichter hineinzuversetzen, damit ich die metaphorischen Stilmittel besser verstehen und

bewertenkann.Letzten Endes möchte ich eine ausführliche Erläuterung über mein literarisches

Thema geben können.

1Emanuel Geibel 1815-1884

I Dichter 1.1Emanuel Geibel – Geschichte und Herkunft

Franz Emanuel August Geibel wurde als siebtes von acht Kindern am 17.

Oktober 1815 in Lübeck geboren.1 Er war Sohn des aus Hanau stammenden

reformierten Pfarrers Johannes Geibel und der Kaufmannstochter Elisabeth

Louise Ganslandt. Die streng religiöse Richtung des Vaters verleugnet sich

nicht in Geibels Gedichten, soweit ersich auch von allen Kirchendogmen

entfernte. Den Sinn für Beobachtung feiner Form in Kunst und Leben hat er, auch wenn sein

Vater der Dichtung zugeneigt war, von seiner französisch abstammenden Mutter Elisabeth.

Wie seine Geschwister erhielt Emanuel von ihr seine musikalische Begabung.Ostern 1824

wurde Geibel Sextaner des Katharinengymnasiums in Lübeck, dem er bis zum Frühjahr 1835

als Schüler angehörte. Danach beschäftigte er sichin Bonn mit demStudium und befasste sich

mit Theologie und ausschließlich klassischer Philologie. Hier schloss er sich demnach 1834

der Burschenschaft „Ruländer“ Bonn an.Danach ging er 1836 nach Berlin, wo er mit

Chamisso, Arnim und Eichendorff Freundschaft schloss.21838 erhielt Geibel durch seine

Beziehungen gemeinsam mit Ernst Curtius eine Anstellung als Hauslehrer beim russischen

Gesandten in Athen, die bestimmend für seine klassische Dichtung war. Nachdem der junge

Dichter 1841 auf dem Schloss Escheberg bei Zierenberg verweilte, widmete er sich der

Dichtung und veröffentlichte 1842 seine ersten Werke. Insbesondere die patriotisch-

preußenfreundlichen Gedichte fanden beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV großen

Anklang und so kam es, dass Geibel 1842 vom König eine lebenslange Pension von300

Talern erhielt. Das erlaubte ihm, sich von den Hauslehrertätigkeiten abzuneigen, seine

dichterische Neigungen auszudehnen und sich dem Reisen zu widmen.1852 heiratete er die 17

jährige Amanda Trummer und erhielt 1852 eine Ehrenprofessur für deutsche Literatur und

Poetik von Maximilian II. Noch im selben Jahr trat er in Münchender königlichen Tafelrunde

bei, wobei er 1864 wegen seiner preußenfreundlichen Gesinnung angefeindet wurde, seine

lebenslange Pension verlor und gezwungen wurde,aus der königlichen Tafelrunde

auszutreten. Emanuel Geibel galt als Spätromantiker, dessen Werke einem klassizistischen

Schönheitskult folgen. Seine Gedichte warennoch vom Stil der Romantik beeinflusst und

sollten formvollendet und einzig auf die Ästhetik reduziert sein. In der 2. Hälfte des 19.

Jahrhunderts galt Geibel als einer der bekanntesten deutschen Dichter. Seine patriotischen

Werke entsprachen einem scharfen Kontrast zu den Jungdeutschen und den Naturalisten, von

denen er angefeindet wurde. Zu seinem bekanntesten Werk zählt das Gedicht „Wanderlied“

bzw. „Der Mai ist gekommen“, das er 1841 verfasste. Einzelne Aspekte seiner Werke wurden

auchim Nationalsozialismus verwendet: „ Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“

wurde von seinem Gedicht „ Deutschlands Beruf“ entnommen. Erwähnenswert sind Geibels

Übersetzungen in französischer, spanischer, griechischer und lateinischer Lyrik. 1852 brachte

Geibel mit Heyse, den er noch aus der Studentenzeit kannte, undAdolf Friedrich v. Schack

das „Spanische Liederbuch“ und „ Romanzero der Spanier und Portugiesen“ heraus. Als dritte

genossenschaftliche Sammlung reihte sich darandie mit dem Schweizer Leuthold ausgeführte

1Volkmann, Christian: Emanuel Geibel als literarischer Repräsentant. „König Dichter“: Emanuel Geibels Aufstieg zum literarischen Repräsentanten seiner Zeit. o.J. Online in Internet: URL: http://zkfl.uni-luebeck.de/emanuel-geibel.html [Stand 02.04.2012] 2Goedeke, Karl: Emanuel Geibel. Familie. Erster Teil, Leipzig 1885, S. 13

Arbeit: „ Fünf Bücher französischer Lyrik vom Zeitalter der Revolution bis

auf unsere Tage in Übersetzung von 1862.Am 6. April 1884 starb Emanuel

Geibel in Lübeck, wo er als Stadtdichter verehrt und zum Ehrenbürger ernannt worden war.3

1.2 Georg Heym - Geschichte und Herkunft

Georg Heym wurde am 30. Oktober 1887 im schlesischen Hirschberg als

ältestes Kind des wohlhabenden Staatsanwaltes Hermann Heym und seiner

Ehefrau Jenny geboren.

Aufgrund der Autorität seines Vaters wurde Heyms Kindheit durch eine

konservative Haltung geprägt, unter der er nach eigenen Angaben sehr litt.

Er empfand starke Abneigungen gegenüber Tradition und Konvention, welche erals

einengend empfand und die er in seinem Vater und der Sozialdemokratie verkörpert sah.Seine

schulische Bildung begann er in dem Zeitraum von 1900-1905 als Schüler an dem

Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin – Wilmersdorf, setzte sie jedoch später am

Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Neuruppin fort. In diesem Zeitraum begann Heym mit

seinen ersten dramatischen Schriften, schon als 12 jähriger hatte er erste Gedichte verfasst. Ab

1907 studierte Heym auf Wunsch seines Vaters Jura, zunächst in Würzburg, und schloss 1910

in Berlin sein Studium mit der Staatsprüfung ab.1911 veröffentlichte der Dichter das in

Leipzig erschienene Werk „ Der ewige Tag“, welches als einer der bedeutendsten Beiträge

zum deutschen Expressionismus galt. Heyms literarischen Werke wurden größtenteils durch

seine Vorbilder der französischen Moderne, Arthur Rimbaud und Charles Baudelaire, geprägt,

weshalb er auch von seinem ersten Verleger Kurt Wolff, als „ deutscher Baudelaire“

bezeichnet wurde. Charakterisierend für Georg Heyms Werke sind die naturalistischen

Einfärbungen, in denen er apokalyptische Vorstellungen, dunkle Welten,

Untergangsstimmungen und eine dämonische wirkende Realität bildhaft macht. Ebenfalls

werden Unsicherheit, Unheimlichkeit und Angst thematisiert, die in seinem Leben eine große

Rolle spielten, da er unter den bestehenden bürgerlichen Verhältnissen sehr litt. In seinen

Werken realisierte der Poet mit regelhafter Gleichmäßigkeit die gleichen Vers- und

Strophenmaße. Sein Stil hat etwas von einer formalen Festlegung, einer bestimmten Ordnung

in der poetischen Technik, was für ihn sehr wichtig war. Wichtig zu erwähnen ist seine

Bildlichkeit der Farben, die ein optisches Schauen hervorrufen. Die expressionistischen,

dunklen Metaphern und die abstrakten Themen standen im Gegensatz zur Auffassung des

3Ritter, Chr.: Geibel – Biografie und Lebenslauf.o.J. Online in Internet: URL: http://gedichte.xbib.de/biographie-

_Geibel.htm [Stand 02.04.2012]

2Georg Heym 1887-1912

gebildeten Bürgertums, das sich an der Romantik, am Biedermeier

und an der Klassik orientierte. Mit seinen Werken übte er Kritik auf

die bürgerliche Gesellschaft, aber auf auch seinen Vater aus, der als

sehr jähzornig galt. Nichtsdestotrotz schuf er ebenfalls zahlreiche

Gedichte, welche die Liebe und die Natur thematisieren. Seine

Prosawerke befassen sich mit Irren und Kranken, sprich den Außenseitern der Gesellschaft,

die sich in einer entfremdeten Welt ohne Ausweg befinden. Schlussfolgernd werden Georg

Heyms Gesamtwerke als zerrissen empfunden, so wie er es selbst in einer Tagebuchnotiz

beschrieb: „Ich liebe alle, die in sich ein zerrissenes Herz haben.“ Heute gilt der bekannte

Dichter als Vorbild und Anregung vieler Nachkommen, darunter Gottfried Benn, Georg

Trakl, Jakob von Hoddis und anderen. Georg Heym ertrank am 16. Januar in Berlin mit

vierundzwanzig Jahren in der Havel bei einem Versuch, einem Freund aus dem gebrochenen

Eis herauszuhelfen. Er wird heute als Vollender des Expressionismus betrachtet, gehört

jedoch zu den Frühexpressionisten.4

II Literaturhistorische und geschichtliche Einordnung

2.1 Geibels „Kriegslied“ im Lichte der Spätromantik

„Jede literarische Strömung hat ihre bestimmten Merkmale, die sich sowohl im geistigen

Gehalt, als auch in der ihr, eigentümlichen Bevorzugung einer bestimmten Dichtungsgattung,

manifestieren.“5In der Romantik (1798-1835) zählten, die raue Wirklichkeit und den oft sehr

schwierigen Alltag (Zeit der Koalitionskriege und der Unterdrückung Europas durch

Napoleon) durch Poesie zu verklären und damit die Zustände zu überwinden, zu den

Hauptmerkmalen. Man unterscheidet in der Romantik zwischen 3 Phasen: 1. Die

Frühromantik (1798-1802), die Jena Romantik, 2. Die Hochromantik (ab 1805), die

Heidelberger Romantik und 3. Die Spätromantik (ab 1813),die Berliner Romantik.6Die

Romantik konkretisierte sich auf die Entwicklung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins.

1806 wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aufgelöst, und es kam zur

Gründung des Rheinbundes. Von 1807-1814 wurden die preußischen Reformen eingeleitet,

also z.B. die Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit und Bildungsreform. Im Jahre 1812 begann

der bekannte Russlandfeldzug Napoleons.Ein Jahr danach fanden die Befreiungskriege statt 4Porsche, Susanne: Georg Heym. o.J. Online in Internet: URL: http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=598&RID=1 [Stand 02.04.2012] 5Hauptmerkmale romantischer Dichtung. o.J. Online in Internet: URL: http://www.romantik-

referat.de/facetten/hauptmerkmale.html [ Stand 02.04.2012 ] 6Pohl, Wolfgang: Romantik (1798-1835).o.J. Online in Internet: URL: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/romantik.htm [Stand 12.04.2012]

3Romantik

und vom 16.10.-19.10.1813 entflammte die Völkerschlacht bei Leipzig. Zwei Jahre nach

diesem Ereignis am 18.06.1815 kämpfte Napoleon in der Schlacht bei Waterloo. Im selben

Jahre wurde der Wiener Kongress eingeleitet, bei welchem die Neuordnung Europas

besprochen und geregelt wurde.

"Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie."7Die Romantikerbevorzugten

alles „Wunderbare“. Sie spürten den Geheimnissen der menschlichen Seele nach und wollten

dadurch die Literatur bereichern. Sie versuchen somit die „dunklen Geheimnisse“ der Welt zu

erfassen.Die Epoche lehnte die Wirklichkeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19.

Jahrhunderts radikal ab. Sie sah die Gesellschaft geprägt vom Gewinnstreben und vom bloßen

Nützlichkeitsdenken des beginnenden industriellen Zeitalters. Der Aufklärung und den

aufblühenden Naturwissenschaften warfen die Romantiker vor, sie würden alles mit dem

Verstand erklären, alles auf seine Nützlichkeit und Verwertbarkeit untersuchen und keine

Geheimnisse mehr lassen. Der bürgerliche Alltag erschien den Romantikern als grau, ohne

Abwechslung, "prosaisch", beherrscht vom eintönigen bürgerlichen Berufsleben.8 In dieser

Welt ist der sogenannte „Philister“ ³ zuhause, der völlig in Normalität und Alltag aufgeht,

den die „kümmerliche Sorge für morgen“ umtreibt und dem daher alle Bereiche des

Übernatürlichen verschlossen bleiben. Die Romantik sah nicht den praktisch handelnden,

wirklichkeitsnahen Menschen als ihr Ideal an, sondern den sehnsuchtsvollen, herumirrenden

Träumer, dessen Leben berufslos und haltlos dahinfließt und der im Genießen, nicht im

Handeln, den höchsten Zweck des Lebens sieht. Somit sollten z.B. Träume der Dichter

dichterisch erfasst und für die Bürger anschaulich gemacht werden.Dadurchfokussierten sie

die Wirklichkeit als eine erträumte Märchenwelt. Das Märchen wird zum Ideal ihrer Dichtung

und schließlich zur romantischen Dichtungsgattung an sich. Da man nun sein Augenmerk

darauf setzte Gedichte gefühlvoll zu verfassen, begannen die Dichter, durch Anwendung

metaphorischer Stilmittel, zu denen z.B. Wunder, Dämonie, Traum und Mondnacht gehörten,

ihren Gedichten eine neue Stilrichtung zu geben.

Geprägt wird die Epoche hauptsächlich durch die Französische Revolution, welche nach

Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit strebte. Die Menschen konzentrierten sich auf ihre neu

erhaltenen Menschenrechte und fixierten sich auf die europäische Gemeinsamkeit. Gleichzeit

wurde der Begriff „Nation“ wichtig für die Identität des Vaterlandes. Ebenfalls erwachte der

Patriotismus in den Kämpfen gegen Napoleon, an denen unter anderemErnst Moritz Arndt

teilnahm. Nach dem nationalen Aufbruch führte die Ernüchterung durch die restaurative 7 Schlegel Friedrich: Literaturwelt .com. Romantik 1798-1835 o.J. Online in Internet: URL: http://www.literaturwelt.co m/epochen/romantik.html [ Stand 02.04.2012] 8Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen

bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 301 ff.

Politik seit dem Wiener Kongress 1815, wie z.B. Buch- und Pressezensur, einerseits zum

Rückzug in die private Idylle des Biedermeier (1815-1848) und andererseits zur politisch-

revolutionären Literatur im Jungen Deutschland (1830-1848).9

Geibels „Kriegslied“ ist charakteristisch für diese Epoche, da in seinem Gedicht wesentliche

Merkmale der Spätromantik enthalten sind, wie z.B. das Motiv „Nacht“, welche ein Symbol

für die Einsamkeit darstellt. Der Inhalt der romantischen Lyrik war auf der einen Seite von

einer „volkliedhaften Einfachheit“ geprägt, enthielt jedoch formal ein

„Höchstmaß an sprachlicher Kunst“, in welcher das lyrische Ich stets

im Vordergrund stand.

2.2 Heyms „ Der Krieg“ im Lichte des Expressionismus

Der Expressionismus (1906-1925) befasste sich mit der Ausdruckskunst

der Innenwelt, was bedeutet, dass innerlich gesehene Wahrheiten und

Erlebnisse verdeutlicht werden sollten. In dieser Epoche stand das

innere Erlebnis über dem äußeren Geschehen, also geistige und seelische „Kräfte“ sollten nun

in den Vordergrund treten. Der Expressionismus lässt sich in den Frühexpressionismus (1906-

1910) und in den Hochexpressionismus (ab 1915) einteilen.

Die expressionistischen Ideale richteten sich gegen Autorität und Industrialisierung, sowie

gegen Selbstzufriedenheit und Imperialismus. Zum wichtigsten historischen Ereignis des

Expressionismus zählt der Erste Weltkrieg (1914-1918) und seine Folgen.10 Ebenfalls prägend

für diese Epoche war die Marokkokrise von 1905-1911 und die Entstehung des

Nationalsozialismus in Deutschland und des Faschismus in Italien. Zu dieser Zeit ereignete

sich ebenfalls der Unabhängigkeitskrieg von Indien mit Groß-Britannien. Die

Novemberrevolution von 1918 in Deutschland, welche die Monarchie beseitigte, führte zur

Errichtung einer parlamentarischen Republik. Am 19.01.1919 ging Friedrich Ebert, durch die

Wahlen der Nationalversammlung, als erster Präsident der Weimarer Republik hervor. Am

11.08.1919 wurde die Mehrheit der Nationalversammlung der Weimarer Verfassung

angenommen. Expressionistische Themen waren die Großstadt, der Ich-Zerfall, der

Weltuntergang, Tod, Krankheit und der Krieg. Während die Epik (erzählende Dichtung) in

den Hintergrund trat, da die Dichter die Psychologie und Kausalität zur Erklärung von

9 Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in : Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 303 ff. 10Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen

bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 510 ff.

4Farbsymbolik

Mensch und Welt radikal ablehnten, gewannen Drama und Lyrik an Bedeutung. Die

Betrachtung des menschlichen Individuums rückte hinter die Erfassung des Wesens der

Dinge. In den Dramen konnten die expressionistischen Dichter ihre Ideen der Wandlung und

Steigerung wirkungsvoll demonstrieren. Die expressionistische Sprache wurde durch

Subjektivität und Ekstase gekennzeichnet, wobei die grammatischen Normen dabei oft

gebrochen wurden. Sehr charakteristisch für diese Epoche ist der reiche Gebrauch von

Metaphern und die Verwendung einer großen Farbsymbolik, welches ebenfalls Merkmale von

Heyms „Der Krieg“ sind, wie z.B.: „Schwarzer Gassen Waffenschall.“ „Die Sprache des

Expressionismus ist nicht einheitlich. Sie ist ekstatisch übersteigert, metaphorisch,

symbolistisch überhöht und versucht, die traditionelle Bildungssprache zu zerstören. Sie

betont die Ausdrucksfähigkeit und Rhythmen, die fließen, hämmern oder stauen können.

Sprachverknappung, Ausfall der Füllwörter, Artikel und Präpositionen, Worthäufung,

nominale Wortballungen, Betonung des Verses, Wortneubildung und neue Syntaxformung

sind typisch expressionistische Stilmerkmale“.11Die expressionistische Lyrik ist gemischt

vom Traditionsbruch und der Beibehaltung traditioneller lyrischer Formen. Viele

expressionistische Gedichte sind zudem von gebrochenen Versen, metaphorischen Stilmitteln,

Veranschaulichung durch Bildlichkeit und Farbsymbolik gekennzeichnet. Ebenfalls

kennzeichnend waren schockierende Elemente, von denen viele expressionistische Dichter

Gebrauch machten, um den Bürgern ihre realistischen Gedanken zu vermitteln.

„Vielleicht wird in der Geschichte des Expressionismus eine Kontinuität zwischen der

Anfangsphase und der Kriegsbegeisterung 1914 theologisch rekonstruiert, die Relevanz des

Faktors „Vitalismus“ in der dichterischen essayistischen Kriegsmetaphorik viele

Expressionisten fällt aber auf.“12Die Dichter der damaligen Zeit fühlten sich in ihrer

Lebensumwelt gefangen und hatten das Gefühl einer dunklen und angsteinflößenden

Vorahnung. Die Annahme, in einer apokalyptischen Zeit zu stehen, verband sich oft mit der

Vorstellung und der Hoffnung, dass ein kommender Krieg die kritisierte Gesellschaft

vernichtet, damit sie erneuert werden könnte. In dem Gedicht wird deutlich, dass die

Expressionisten den Krieg visionär gesehen haben, ihn herbeiredeten oder vor ihm warnten.

Somit kann dies zweideutig gesehen werden: Auf der einen Seite kann der Krieg als

Metapher, für die Veränderung und den Aufbruch zu etwas neuem, gesehen werden. Auf der

anderen Seite könnte man das Gedicht so deuten, dass Georg Heym, als expressionistischer

Vertreter versucht in seinem Gedicht die Bürger vor dem Krieg zu warnen, da er realistisch 11 Pohl, Wolfgang: Expressionismus 1905-1925. Merkmale expressionistischer Literatur. o.J. Online in Internet: URL: http://www.pohlw.de/literatur/epochen/express.htm [Stand 02.04.2012] 12 Thomas ANZ, „Vitalis mus und Kriegsdichtung“, in Wolfgang J. MOMMSEN (Hrsg.), Kultur und Krieg, d ie Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München Oldenburg, 1996, S. 237

denkt und sich den katastrophalen Folgen des eintretenden Krieges bewusst ist. Somit zählt

Heyms „Der Krieg“ zu der literarischen Form

desVerkündungsdramas, welches in diesem Fall den Krieg und

seine Konsequenzen ankündigt.13

III Stilanalytische Annäherung an beide Gedichte

3.1 Die Darstellung und Bewertung des Krieges in Geibels

„Kriegslied“

Emanuel Geibel 1815-1884 „Kriegslied“ (1870)

1 Empor mein Volk! Das Schwert zur Hand!

2 Und brich hervor in Haufen!

3 Vom heil’gen Zorn ums Vaterland

4 Mit Feuer laß dich taufen!

5 Der Erbfeind beut dir Schmach und Spott,

6 Das Maß ist voll, zur Schlacht mit Gott!

7 Vorwärts!

8 Dein Haus in Frieden auszubau’n

9 Stand all dein Sinn und Wollen,

10 Da bricht den Hader er vom Zaun

11 Vo Gift und Neid geschwollen.

12 Komm über ihn und seine Brut

13 Das frevelhaft vergossne Blut!

14 Vorwärts!

15 Wir träumen nicht von raschem Sieg,

16 Von leichten Ruhmeszügen,

17 Ein Weltgericht ist dieser Krieg

18 Und stark der Geist der Lügen.

19 Doch der einst unsrer Väter Burg,

20 Getrost, er führt auch uns hindurch!

21 Vorwärts!

13Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 513 ff.

5Ludwig Meidner „Die brennende Stadt“

22 Schon läßt er klar bei Tag und Nacht

23 Uns seine Zeichen schauen,

24 Die Flammen hat er angefacht

25 In allen deutschen Gauen.

26 Von Stamm zu Stamme lodert uns fort:

27 Kein Mainstrom mehr, kein Süd und Nord!

28 Vorwärts!

29 Voran denn, kühner Preußenaar,

30 Voran durch Schlacht und Grausen!

31 Wie Sturmwind schwellt dein Flügelpaar

32 Vom Himmel her ein Brausen,

33 Das ist des alten Blüchers Geist,

34 Der dir die rechte Straße weist.

35 Vorwärts!

36 Flieg, Adler, flieg! Wir stürmen nach!

37 Ein einig Volk in Waffen.

38 Wir stürmen nach, ob tausendfach

39 Des Todes Pforten klaffen.

40 Und fallen wir: flieg Adler, flieg!

41 Aus unserem Blute wächst der Sieg.

42 Vorwärts!

Gedichtanalyse und Interpretation

Das Kriegslied aus dem Jahr 1870 von Emanuel Geibel befasst sich mit dem Thema Krieg,

geschrieben im Paarreim und besteht aus 6 Strophen mit jeweils7 Versen durch

abwechselnden Gebrauch von männlich und weiblichen Kadenzen. Das Metrum ist ein 4

hebiger Jambus (u-b-u-b). Epochal ist das Kriegslied von Emanuel Geibel in der Spätromantik

(1815-1830) anzusiedeln.

Geibels Kriegslied ist ein Aufruf an die deutsche Bevölkerung, in den Krieg gegen Frankreich

zu gehen. Der historische Hintergrund beruht auf dem „Siebziger Krieg“,dem deutsch-

französischen Krieg aus den Jahren 1870/71.14

14Gedichtinterpretation: Emanuel Geibel- Kriegslied ( Spätromantik); Vergleich zum Expressionismus

o.J.Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/24/gedichtinterpretation-emanuel-geibel-

Bereits in der Einleitung versucht der Dichter die Deutschen aufzurufen, in den Krieg zu

ziehen, indem er versucht, den Hass gegen Frankreich zu schüren, was sich gut an den

vorhandenen Apostrophen erkennen lässt (Z.1: „Empor mein Volk! Das Schwert zur Hand!“).

Dabei entehrt er gleichzeitig die Religion (Z.6: „Das Maß ist voll, zur Schlacht mit Gott!).

Hier wird die Aufbruchsstimmung des Dichters, in den Krieg zu ziehen, deutlich, da er schon

in der ersten Strophe vom„Erbfeind“ (Z.5) Frankreich spricht. Er benutzt diesen Ausdruck, da

aufgrund der Spaltung des vereinten Frankreichs die deutsche und die französische

Bevölkerungentstanden ist. Jedoch ist es wichtig zu erwähnen, dass Geibel einen jahrelangen

Konflikt der deutsch-französischen Geschichte aufgreift, nämlich die Zerspaltung von

Frankreich war die Folge eines kriegerischen Erbfolgestreits, den Kaiser Ludwig I. mit seinen

drei Söhne führte. 1843, nach dem Tod Ludwigs I wurde Frankreich zerteilt, und die Söhne

stellten die Kaiser und Könige in ihrem in Anspruch genommenen Gebiet. Seit diesem

Zeitpunkt galt das deutsch-französische Verhältnis als sehr angespannt. Ein weiterer wichtiger

und historischer Grund Geibels beruht auf den Konflikten zwischen Napoleon III. und Otto

von Bismarck, was auf die Emser-Depeschezurückzuführen ist, die letztlich Auslöser für den

Deutsch – Französischen Krieg 1870/71 wurde. Durch eine List hatte Bismarck Frankreich

provoziert, das daraufhin Preußen den Krieg erklärte und nun als Kriegstreiber gesehen

wurde. Diese Vorstellungen und Gedanken hat Geibel in seinem Kriegslied umgesetzt.15In

Zeile 8 spricht der Dichter von dem friedvollen Deutschen, während er Frankreich als

Provokateur und streitlustig darstellt, da die Deutschen sich lediglich verteidigt hätten, als der

Krieg begann. In Zeile 10 erkennt man eine Personifizierung Frankreichs, („Da bricht den

Hader er vom Zaun“) was ebenfalls auf die Vorurteile des Dichters gegen Frankreich

hindeuten soll. Somit beschimpft Geibel die Franzosen in Zeile 12.ff als „Brut“ („Komm über

ihn und seine Brut das frevelhaft vergossene Blut!“). In der 3. Strophe (ab Z. 15) erzählt

Geibel von einem anstrengenden und beschwerlich zu erringenden Sieg, wobei er diesem sehr

optimistisch und selbstbewusst entgegen strebt. Durch seine Aufforderungen will Geibel in

der Bevölkerung ein sogenanntes „Wir-Gefühl“ schaffen, man könnte meinen, er will sie

durch denKrieg zum wohlverdienten Siege führen und schafft damit eine Bürgernähe. Zudem

bemüht Geibel „den Geist der Urväter“, (Z.19ff.)um an den Erbkonflikt zu erinnern.

Die 4. Strophe hat Geibel so strukturiert, dass er nun versucht, dem Hörer bewusst zu machen,

dass eine ernstzunehmende Kriegsgefahr von den Franzosen ausgehe und man unmittelbar vor

kriegslied-spaetromantik-vergleich-zum-expressionismus .html [ Stand 02.04.2012 ] 15Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen

bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 401 ff.

einem Krieg stehe. (Z.22 ff.: Uns seine Zeichen schauen, die Flammen hat er angefacht“)

Geibel macht natürlich absichtlich Druck, um den Hörer in Angst und Schrecken zu versetzen

und um das Gefühl zu verstärken, gegen Frankreich vorzugehen. Des Weiteren sind

metaphorische Stilmittel in Geibels Kriegslied enthalten, um den Druck auf Frankreich

auszudehnen, z.B. Hyperbeln (Z.38ff: Wir stürmen nach, ob tausendfach Des Todes Pforten

klaffen“), Paradoxen, die den Deutschen die Angst vor einer Niederlage nehmen sollen (z.B.

Z.40: „Und fallen wir: flieg Adler flieg!) und Metaphern (z.B. Z.31: „Wie Sturmwind

schwellt dein Flügelpaar“). In der letzten Strophe in Zeile 41 stärkt Geibel das

Selbstbewusstsein der Deutschen, indem er sagt: „Aus unserem Blute wächst der Sieg.“

Durch die ebenfalls gekennzeichneten Imperativsätze, wie z.B. „Vorwärts!“, könnte das Lied

durchaus als Propaganda - oder Staatslyrik gesehen werden.16 Bestätigend dafür ist, dass

Emanuel Geibel eine enge Verbundenheit zum preußischen König hatte, da er von ihm eine

Pension von 300 Talern erhielt.17 Die lyrische Sprache ist bei diesem Lied leicht verständlich

und einsehbar gehalten. Da dieses Gedicht normalerweise in Form eines Liedes geschrieben

wurde, schließe ich daraus, dass es sich für Mundpropaganda anbieten lässt. Das bedeutet,

dass jeder Teil der Bevölkerung,also auch die nicht-alphabetisierten Menschen, dieses Lied

verstehen kann, was wiederum Geibels Wille (das deutsche Volk gegen die Franzosen

aufzubringen)realistischer wirken lässt, da ihm jeder Aufmerksamkeit schenken und dem Lied

zuhören kann. Letztendlich gesagt ist das Lied sehr eingängig, präzise und metaphorisch.

Interessant zu wissen wäre noch, von welcher Melodie das Lied begleitet wird. Bei einem

Marsch z.B. könnte Emanuel Geibels Intension unterstützt werden, um die Bevölkerung in

„Wallung zu bringen“ und einen sogenannten „Kriegsenthusiasmus“ zu entwickeln.18

16Gedichtinterpretation: Emanuel Geibel- Kriegslied ( Spätromantik); Vergleich zum Expressionismus . o.J.

Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/24/gedichtinterpretation-emanuel-geibel-kriegslied-spaetromantik-vergleich-zum-expressionismus .html [ Stand 02.04.2012 ] 17 Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 402 ff. 18 Gedichtinterpretation: Emanuel Geibe l- Kriegslied ( Spätromantik); Vergleich zum Expressionismus. o.J. Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/24/gedichtinterpretation-emanuel-geibel-kriegslied-spaetromantik-vergleich-zum-expressionismus .html [ Stand 02.04.2012 ]

3.2 Die Darstellung und Bewertung des Krieges in Heyms

„Der Krieg“

Georg Heym (1887-1912) „Der Krieg“ (1911)19

1 Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,

2 Aufgestanden unten aus Gewölben tief.

3 In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,

4 Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

5 In den Abendlärm der Städte fällt es weit,

6 Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,

7 Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.

8 Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

9 In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.

10 Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.

11 In der Ferne wimmert ein Geläute dünn

12 Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

13 Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an

14 Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.

15 Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,

16 Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

17 Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,

18 Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.

19 Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,

20 Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

21 Über runder Mauern blauem Flammenschwall

22 Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.

23 Über Toren, wo die Wächter liegen quer,

24 Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.

25 In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein

26 Einen roten Hund1 mit wilder Mäuler Schrein.

19aus: Gedichte gegen den Krieg; hrsg. von Kurt Fassmann, Frankfurt (2001) 1961, S. 88ff.

6Inga Schnekenburger -„Der Krieg“

27 Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,

28 Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

29 Und mit tausend roten Zipfelmützen weit

30 Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,

31 Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,

32 Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.

33 Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,

34 Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.

35 Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht

36 In die Bäume, daß das Feuer brause recht.

37 Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,

38 Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.

39 Aber riesig überglühnden Trümmern steht

40 Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,

41 Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,

42 In des toten Dunkels kalten Wüstenein,

43 Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,

44 Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.20

Gedichtanalyse und Interpretation

Das Gedicht „ Der Krieg“ aus dem Jahr 1911 von Georg Heym befasst sich mit dem Thema

Krieg. Es ist im Paarreim (a-a-b-b) geschrieben und besteht aus 11 Strophen mit jeweils 4

Versen und durchgehend männlichen Kadenzen1.Des Weitern ist das Metrum ein Trochäus

(b-u-b-u).

Auffällig ist bereits die Einleitung des Gedichts, in der Heym den Krieg als Personifikation

benutzt und ihn ebenfalls als Allegorie auftauchen lässt. In der Einleitung(Strophe 1-4) wird

der Krieg als gefährliche und unheimliche schwarze Gestalt präsentiert. Der Krieg wird in

diesem Werk als eine lebendige Person verkörpert, die in einem hinterlistigen Schlaf ruhte

und nun langsam erwacht und sich unerkannt anschleicht.21 Bereits hier, personifiziert der

20 aus : Gedichte gegen den Krieg; hrsg. von Kurt Fassmann, Frankfurt (2001) 1961, S. 88 ff. 21Gedichtinterpretation: Georg Hey m – Der Krieg (Expressionismus) o.J. Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/15/gedichtinterpretation-georg-heym-der-krieg-expressionismus .html [Stand 02.04.2012]

Dichter den Krieg als menschenähnlichesWesen, welches wie in Vers 1 erläutert wird, „lange

schlief“ und nun aus den tiefen Gewölben erwacht(Strophe 1 Vers 2). Heym schildert in

diesem Gedicht die Situation vor dem Krieg, die Kriegsbegeisterung der Menschen, die beim

Ausbruch des Krieges in Ungewissheit und Angst umschlägt. Anschließend geht er auf die

grausamen Folgen eines Krieges ein, die in der totalen Vernichtung enden. Man kann das

Werk in drei Sinnabschnitte einteilen: Die ersten 4 Strophen stellen die Kriegsvorbereitungen

dar, Strophe 5 bis 9 schildern Zerstörungsvorgänge des Kriegs und die letzten beiden

Strophen zeigen ein Bild der Verwüstung. In den ersten beiden Versen spricht GeorgHeym

über den „Deutsch-Französischen Krieg“ (1871/71), den Deutschland gegen Frankreich

letztendlich gewonnen hat. Trotz des Friedensabkommens nach Beendigungdes Krieges

wurde das deutsch-französische Verhältnis weiterhin von starken Spannungen geprägt.Genau

auf diesen Konflikt will Heym in der Einleitung seines Werkes hinaus, welchen er durch

Anaphern hervorhebt (Vers 2 „Aufgestanden“). Im 3. Vers wird der Krieg als „groß und

unerkannt“ beschrieben, welcher„den Mond in der schwarzen Hand zerdrückt“. Hierbei

benutzt Heym Hyperbeln, um der Angst vor dem Krieg mehr Ausdruck zu verleihen.22 Die

Dämmerung wird hier als Metapher gedeutet, welche den Menschenuntergang zu Zeiten des

Krieges symbolisieren soll. In der 2. Strophe beschreibt der Dichter eine Stadt, welche im

späteren Verlaufdes Gedichts durch ein Inferno vollständig zerstört wird. Dabei deutet Heym

auf die zerstörerische Kraft und die „bösen Absichten“ des Krieges hin. Im sechsten

Versbenutzt Heym das Synonym Dunkelheit und Schatten, wobei er diese Begriffe, welche

normalerweise dieselbe Bedeutung haben, trennt und trotzdem zusammenhängenderwähnt. In

der dritten Strophe wird die beängstigende Wirkung beschrieben, die von der namenlosen

Figur ausgeht, wobei ein Wechsel vom „er“ zum „es“ zu beobachten ist.Den Menschen wird

die Bedrohung nun bewusst und sie bekommen Angst, was Heym formal durch Asyndeton,

also kurze Sätze ohne Bindungswörter unterstreicht: „Es wird still. Sie sehn sich um. Und

keiner weiß.“

(Z. 7,8). Den Menschen wird nun bewusst, dass es keine Möglichkeiten mehr gibt den Krieg

aufzuhalten, da die Stille ebenfalls ein Zeichen für die Ankündigung des zerstörerischen

Krieges ist.23 Das in der Ferne „zitternde Geläut“ repräsentiert Kirchenglocken (Strophe 3

Vers 11), welche ebenfalls wieder personifiziert werden. Damalswurden Kirchenglocken

nicht nur zur Zeiten des Gottesdienstes genutzt, sondern auch als Alarmsignale, sodass die

Bewohner informiert und bei Angriffen gewarntwerden konnten. In der dritten Strophe ist 22 Martini Fritz: Hey m- Stadler, in : Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Achte Auflage, Stuttgart, 1957, S.514 ff. 23 Große, Wilhe lm (1988): Interpretationen zur Expressionistischen Lyrik. Hollfeld: Bange, Königs

Erläuterungen und Materialien.

außerdem die Rede von „zitternden Bärten“, welche expressiv die Angst der Menschen

ausdrücken sollen.

In der 4. Strophe bereitet sich der Krieg mit einem Kriegstanz auf die bevorstehende Schlacht

vor (Z.13ff) und motiviert seine menschlichen Kriegsleute bzw. Mitstreiter zum Angriff,

wobei er sich eine Kette aus Totenschädeln um den Hals hängt (Z. 15), was als Metapher für

die Opfer des Krieges gedeutet werden kann. Der darauffolgende Abschnitt handeltvon den

Folgen des Krieges und der Zerstörung der Stadt (Z.17„Einem Turm gleich tritt er aus die

letzte Glut“). Mit diesem Vergleich macht Heym deutlich, dass derKrieg jegliche Hoffnungen

und Träume der Menschen zerstört hat. Im nächsten Vers benutzt der Dichter eine

Hyperbelindem er beschreibt, die Flüsse seien schon vollerBlut und in den Schiffen lägen

Leichen, welche bereits erbleicht wären (Z.19ff). Zu Beginn der 5. Strophe tritt das

Ungeheuer auf. Es wird mit einem Turm verglichen, womit erneut in einem anderen Bild

seine Größe und Macht betont wird. In der 6. Strophe erläutert Heym einen „ roten Hund“,

wobei er hier auf den HöllenhundKerberos anspielt, welcher aus der griechischen Mythologie

stammt und den Eingang zur Unterwelt bewacht. In der darauffolgenden Strophe jagt der

Krieg Kerberosdurch die Stadt (Z.26) und benutzt eine Inversion, indem er den Satzbau

umstellt. In Zeile 27 sorgt Heym für Verwirrungen: „ Aus dem Dunkel springt der Nächte

schwarze Welt“. Dieser Satz beinhaltet einen Pleonasmus, was so viel bedeutet, dass er

umgangssprachlich Wiederholungen verwendet. In der 7. Strophe ist die Rede von„Hohen

Zipfelmützen“, welche als Metapher für die Flammen und Brandherde in der Stadt gedeutet

werden sollen. Die letzten beiden Verse der 8. Strophe handeln davon,wie der Krieg mit

seiner Feuerbrunst von der Stadt auf die Natur übergeht und die Wälder zerstört (Strophe 8

Vers 33). Auch hier verwendet Heym wieder eine Personifikation(„Flammen fressend“).

„Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt“, werden als Metapher verwendet. Im letzten

Abschnitt des Gedichts, welcher aus Strophe 9 und 10 besteht, hat das Kriegsschaubild ein

Ende. Es wird beschrieben, dass sich die zerstörte Stadt „lautlos in den Abgrund Bauch“

geworfen habe (Z.38). Daraus kann manschließen, dass die Bewohner der Stadt aufgegeben

haben und sich nicht zur Wehr gesetzt haben, da sie wie oben schon erwähnt, vom Krieg

teilweise „überrumpelt“wurden. Der Krieg hat somit gesiegt, durch sein Inferno die Stadt

zerstört und geht nun als offensichtlicher Sieger aus der Schlacht hervor (Z.39). Mit den

„sturm zerfetzten Wolken“ sind die Rauchwolken der zerstörten Wälder gemeint. Schließlich

beschreibt Heym, dass der Krieg nun die „Nacht weit verdorrt“ habeund „Pech und Feuer“ auf

Gomorrha „träufet“ (Z.43). Gomorrha und Sodom waren die Städte, welche sich der Sünde

verschrieben hatten und von Gott durch Schwefelund Feuer zerstört wurde, also macht Heym

hier einen biblischen Vergleich. Besonders auffällig ist, dass Georg Heym in diesem Gedicht

stark auf die Farbmetaphorik anspielt. Die Farben schwarz, rot und gelb überwiegen

gegenüber den Farben blau und weiß. Diese Farben sind typische Merkmale des

Expressionismus, da sie in diesemWerk mit Kälte, Schatten, Blut, Tod, Rauch und Feuer

assoziiert werden. Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass das komplette Gedicht sich mit

einem Klimax bis zum Ende der 9. Strophe steigert.24 Mit den Personifikationen des Krieges

will Heym auf die Menschen aufmerksam machen, die durch ihr verantwortungsloses und

rücksichtsloses Verhalten, alles zerstören und sich letzten Endes selbst vernichten. Ein

lyrisches Ich ist in diesem Gedicht nicht vorhanden, sondern nur Beobachter, welche

diekatastrophalen Auswirkungen des Krieges beschreiben.25

3.3 Vergleich

Im Folgenden sollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Gedichte miteinander

verglichen und verdeutlicht werden.Jeder Dichter, gleichgültig aus welcher Zeit er stammt,

versucht durch seine lyrischen Werke der Bevölkerung gewissen Nachrichten zu vermitteln,

in denen sich ihre Gefühle und Intensionen wiederspiegeln. Jedes Gedicht muss aus einem

anderen Blickwinkel interpretiert und analysiert werden. Durch die Verwendung von

metaphorischen Stilmitteln, verleihen die Poeten ihren Gedichten mehr Ausdruck und können

z.B. durch Metaphern gewisse Begriffe ihrer Werke bildlich veranschaulichen, um ihre

Werke für die Bevölkerung besser zu vereinheitlichen. Bei den vorliegenden Gedichten stand

die Veranschaulichung des Krieges im Vordergrund, weshalb ich mich schwerpunktmäßig auf

die metaphorische Darstellung des Krieges aus expressionistischer und romantischer Sicht

beziehen werde. Ich beginne mit Emanuel Geibels „Kriegslied“ aus der Spätromantik. Der

Dichter dieses Werkes hält sich mit der Verwendung von Stilmittel eher zurück, um ein

größeres Textverständnis für die Bevölkerung darzubieten, weshalb dieses Werk auch in

einfacher und sehr begreiflicher Sprache verfasst wurde. Geibel war es in erster Linie wichtig,

seinem Inhalt gesondertes Verständnis zu geben, da er die Deutschen um jeden Preis gegen

die Franzosen anstiften wollte. In der 1. Zeile verwendet er Apostrophen in Form von

Imperativsätzen, um die Menschen aufzufordern in den Krieg zu ziehen (Z.1: „Empor mein

Volk! Das Schwert zur Hand!“). Durch geschickte metaphorische Verschönerung versucht

24Martini, Fritz (1948): Was war Expressionismus? Deutung und Auswahl seiner Lyrik. Urach: Port Verlag. 25 Gedichtinterpretation: Georg Heym – Der Krieg (Expressionismus) o.J. Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/15/gedichtinterpretation-georg-heym-der-krieg-expressionismus .html [Stand 02.04.2012]

Geibel die Deutschen als „gute und friedvolle Bürger darzustellen“, indem er Euphemismen

verwendet (z.B. Z.8f: „Dein Haus in Frieden auszubau’n Stand all dein Sinn und Wollen“).

Im Gegensatz dazu verwendet er bei Frankreich Personifikationen, wobei er bei Frankreich

von dem „Erbfeind“ redet

(Z.5: „ Der Erbfeind beut dir Schmach und Spott“). Desweitern beschimpft Geibel die

Franzosen als „Brut“ bzw. Gesindel, wobei er bei diesem Ausdruck dem Hörer signalisiert,

dass die Franzosen den Deutschen weit unterlegen wären (Z.12: „Komm über ihn und seine

Brut“). In der 3. Strophe erläutert der Dichter, dass es sich bei dem Krieg gegen Frankreich

nicht um einen „leichten Ruhmeszug“ handele, sondern der Krieg vielmehr ein „Weltgericht“

darstellen würde, was er durch Hyperbeln tatkräftig unterstützt (Z.15ff: „Wir träumen nicht

vom raschen Sieg.“).

Natürlich unterstützt er das Ganze mit den immer wiederkehrenden Imperativsatz am Ende

jeder Strophe: „Vorwärts!“ Außerdem sind metaphorische Wortwiederholungen am

Satzanfang vorhanden, um den Hörer bestimmte Begriffe permanent in das Gedächtnis zu

rufen (z.B. Z.29ff). In Zeile 31 verwendet der Dichter eine Metapher, um seinen

Kriegsenthusiasmus zu Verbildlichen und den Deutschen zu zeigen, dass es an der Zeit läge

eine Veränderung zu schaffen, welche einzig durch den Krieg bewirkt werden könne. Durch

die Verwendung von Hyperbeln, wie oben schon erwähnt, möchte Geibel im 38. Vers: „Wir

stürmen nach, ob tausendfach“, der deutschen Bevölkerung Mut zusprechen, um zu zeigen,

dass die Deutschen den Franzosen vielzählig überlegen sind und versucht an den

Solidaritätsgedanken anzuknüpfen. In Zeile 40 versucht Geibel ebenfalls den Deutschen die

Zweifel an den Krieg zunehmen, was er durch den Gebrauch von Paradoxen unterstützt und

die Deutschen als „Adler“ verbildlicht (Z.41: „Und fallen wir: flieg Adler, flieg!). Geibel hat

aus List auf den Adler zurückgegriffen dader Adler, der König der Lüfte ist und als stärkster

Vogel gilt, welcher am höchsten fliegt und anderen Vögeln überlegen ist. Daraus Folgend soll

natürlich die Kriegslust der Deutschen durch das progressive Werkgeweckt und gleichzeitig

das Ehrgefühl der Bevölkerung gestärkt werden. Man erkennt also, dass bei diesem Gedicht

die Metaphorik genutzt wurde, um einen Kontrast zwischen Deutschland und Frankreich

darzustellen bzw. zwischen „Gut und Böse“ zu unterscheiden und durch Verschönerung und

Verbildlichungen die Absichten Emanuel Geibels zu verstärken, sodass die Deutschen

aufgefordert werden Frankreich zu bekämpfen. Am wichtigsten sind jedoch die

Imperativsätze, welche in jeder Strophe wiederholt verwendet werden, um die Aufforderung

Geibel tatkräftig zu fördern.

Nun möchte ich die Darstellung des Krieges in Heyms „Der Krieg“ analysieren. Das Gedicht

beginnt in Form einer Anapher, indem Heym die ersten beiden Zeilen mit dem Wort

„aufgestanden“ einleitet, wodurch er anfangs den Rhythmus etwas erschwert. Dem Wort

kommt durch die Inversion zusätzlich Bedeutung zu. Damit soll auch formal betont werden,

dass sich etwas Großes und Schreckliches erhebt und heraufkommt, was sich vorher untätig

oder abwartend verhielt. Die Anapher erweckt in jedem Fall die Aufmerksamkeit des Lesers,

der aufhorcht und sich fragt, was passieren wird. Der Krieg, wird zunächst nur durch das

Personalpronomen, „er“ bezeichnet und ist noch „unerkannt“ (Z.1, 3), was einen bedrohlichen

Eindruck schafft. Diesem Etwas wird in der 3. und 4. Zeile der ersten Strophe hyperbolisch

Größe und Macht zugesprochen, indem es mit der schwarzen Hand den Mond zerdrückt (Z.

4). Die schwarze Gestalt entpuppt sich als eine Personifizierung bzw. eine Allegorie des

Krieges. Der Krieg ist groß und unerkannt und es heißt, dass er „lange schlief“ (Z.1, 1). Er ist

also stets präsent, aber er wird von den Bürgern nicht als Gefahr erkannt. Heym könnte hier

die Kriegsbereitschaft der Menschen verdeutlichen. Durch die Allegorie und Personifizierung

wird der Krieg in gewisser Hinsicht vermenschlicht und als etwas dargestellt, was zu den

Menschen gehört und in Abständen wiederkommt. In Zeile 6 deutet Heym auf eine

Bedrohung hin, welche auch wieder auf den Krieg deuten soll. (Z.6: „Frost und Schatten einer

fremden Dunkelheit.“) Auffallend ist auch das Motiv der „Dämmerung.“ Im Expressionismus

verweist das Motiv der Dämmerung auf den Zustand der Welt, also nicht nach innen, ins

Persönliche, Individuelle, wie in der Romantik, sondern auf die Umwelt, auf Umwälzungen

und Krisen der Zeit, und dient dazu, diese umso drastischer sichtbar zu machen.Während des

Kriegstanzes trägt der Krieg eine Kette, bestückt mit Schädeln, um den Hals (Z.16). Diese ist

eine Metapher für die Opfer, die der Krieg schon gefordert hat. Seine Macht wird in der

darauffolgenden Strophe durch den Begriff „Turm“ verbildlicht dargestellt. Das Symbol

„Turm“ ist für Heym Werke ein typisches expressionistisches Merkmal. Genauso wie die

Farbsymbolik, die der Dichter in seinem Werk zur Veranschaulichung des Krieges verwendet.

Im Expressionismus wurden meist grelle, expressive Farben verwendet, die beim Leser

bestimmte Assoziationen auslösen sollten. Die wichtigsten Farben in diesem Gedicht sind die

typisch expressionistischen Farben Rot, Schwarz und Gelb. Sie dienen hier dazu, die

inhaltliche Aussage zu untermauern und das Ausmaß der Zerstörung ausdrucksstark

aufzuzeigen. Diese Farben werden mit negativen Assoziationen wie Tod, Zerstörung und

Finsternis in Verbindung gebracht. Wichtig zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass Heym auf

die griechische Mythologie zurückgreift und dabei auf Kerberos, den Höllenhund anspielt,

welcher ein Symbol für die Unterwelt war (Z.21).Letztendlich versucht Heym die Zerstörung

und die verhängnisvollen Folgen des Krieges darzustellen, weshalb er in der letzten Strophe

auf die sündhafte Stadt Gomorrh anspielt, welche ebenfalls komplett zerstört wurden.26 Es

herrscht somit eine gewisse Endzeitstimmung. Dieses Werk wurde vor dem Ersten Weltkrieg

verfasst, was darauf hindeutet, dass viele Menschen schon von einer Vorahnung geprägt,

aufgrund der herrschenden Kriegsangst durch die Marokkokrise. Heym stellt dar, dass Krieg

nichts als Zerstörung bringt, worin eine Warnung mitschwingt. In dem Werk zeigt sich der

bittere Vorwurf, dass niemand diese Warnung ernst nehmen wird.27 Viele Anzeichen deuteten

1911 auf einen großen Krieg hin, aber verhältnismäßig wenige Menschen fürchteten ihn, was

Heym verurteilt.28

Abschließend möchte ich nun sagen: Beide Dichter nutzen die Metaphorik, um ihre

Intensionen bildhafter darzustellen und eine Nachricht an die Bevölkerung zu übermitteln.

Während Geibel von seiner Kriegslust geleitet wird, stellt der die Deutschen als die „Guten“

und die Franzosen als die „Schlechten“ dar, um einen Krieg zu entfachen. Ganz anders Heym.

Der Dichter versucht die Menschen vor dem Krieg zu warnen und verwendet die sogenannte

„Kriegsmetaphorik“, um die fatalen Seiten des Krieges zu verdeutlichen. Dabei verwendet er

alle möglichen Stilmittel, wie Neologismen, Metaphern, Personifizierungen, Anaphern und

Farbsymboliken, um den Krieg als so schrecklich und schaurig wie nur möglich darzustellen.

Beide Dichter versuchen somit die „schlechten“ Seiten durch Personifizierungen (bei Geibel:

Frankreich und bei Heym: Der Krieg) darzustellen und vermenschlichen sie. Das könnte man

natürlich auch so deuten, dass nur der Mensch alleine zu solchen Dingen, wie der Krieg, im

Stande ist, weshalb Heym ihm in seinem Werk verbildlicht. Heym war expressionistischer

Denker, was daraufhin deutet, dass er eine andere Ansicht über den Krieg hegte als Geibel.

Die Expressionisten galten als Freidenker und Individualisten. Sie wollten etwas Neues

schaffen und die Menschen vereinheitlichen, das kann man ebenfalls an den Neologismen,

also Wortneubildungen, in ihren Gedichten erkennen.29Die Menschen sollen sich durch

Geibels Solidaritätsgedanken kritiklos in den Krieg stürzen. Des Weiteren bringt Geibel in

seinem Lied immer wieder Gott in den Zusammenhang, der auf der Seite der Deutschen

steht.Die Expressionisten dagegen befassten sich weniger mit den Gedanken an einen Gott.

Zusammenfassend möchte ich noch Bezug auf dieses Zitat von Heym nehmen: „Ach, es ist

furchtbar. […] Es ist immer das gleiche, so langweilig, langweilig. Es geschieht nichts, nichts,

26 Gedichtinterpretation: Georg Heym – Der Krieg (Expressionismus) o.J. Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/materia l/15/gedichtinterpretation-georg-heym-der-krieg-expressionismus.html [Stand 02.04.2012] 27Martini, Fritz: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Achte Auflage, Stuttgart 1957, S. 511 ff. 28Senff, Annabelle: Typische Vertreter des Expressionismus, 1. Auflage 2005,S.6 29 Martini Fritz: Heym- Stadler, in: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Achte Auflage, Stuttgart, 1957, S.510 ff.

nichts. Wenn doch einmal etwas geschehen wollte, was nicht diesen faden Geschmack von

Alltäglichkeit hinterläßt. […] Oder sei es auch nur, daß man einen Krieg begänne, er kann

ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig wie eine Leimpolitur auf alten

Möbeln.“30

Der Krieg ist in Heyms Augen also eine Veränderung zu etwas Neuem und Unergründeten.

IV Nachwort

Zu Beginn meiner Jahresarbeit war ich mir nicht im Klaren, wie umfangreich und wichtig

mein Thema überhaupt ist. Ich hatte mich schon oft aus geschichtlicher Hinsicht mit dem

Krieg beschäftigt. Jedoch nicht aus metaphorischer. Mir war also nicht bewusst, dass man die

Möglichkeit hat, den Krieg ebenfalls aus anderen Blickwinkeln analysieren und interpretieren

zu können. Da ich nun meine Jahresarbeit vollendet habe, konnte ich selber viel Neues über

die Kriegsmetaphorik in Erfahrung bringen.

Mein Ziel war es, meine Leitfrage: „Wie wird der Krieg in Geibels Kriegslied und Heyms der

Krieg dargestellt?“, beantworten zu können.Somit spiegelte ich zu aller erst die Kontraste der

damaligen Epochen und die unterschiedlichen Ansichten der Dichter wieder, um anschließend

die unterschiedliche Verwendung der Stilmittel nachvollziehen und interpretieren zu können.

Wichtig war esnatürlich, die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Zeit zu

berücksichtigen, welche prägend für die Epochen waren. Nachdem ich nun wichtige Details

erfahren habe, konnte ich die Gedichte mit meinem neu gewonnenen Hintergrundwissen

analysieren und gesondert auf die Darstellung des Krieges in beiden Werken eingehen.

Letztendlich möchte ich nun sagen, dass es sehr interessant war sich mit diesem Thema so

intensiv zu beschäftigen, da ich viel Neues über die Geschichte aus metaphorischerHinsicht

gelernt habe und selber viel erarbeiten konnte.

30 Gedichtinterpretation: Emanuel Geibel-Kriegslied (Spätromantik); Vergleich zum Expressionismus. o.J. Online in Internet: URL: http://www.antikoerperchen.de/material/24/gedichtinterpretation-emanuel-geibel-kriegslied-spaetromantik-vergleich-zum-expressionismus.html [Stand 02.04.2012]

V Quellenangaben

5.1 Literaturverzeichnis:

„Deutsche Literatur Geschichte“, Herausgeber:Fritz Martini, Alfred Kröner Verlag

Stuttgart 1957

„Typische Vertreter des Expressionismus“, Herausgeber: Annabelle Senff, 1. Auflage

2005

„Emanuel Geibel“, Herausgeber: Karl Goedeke, Erster Teil, Leipzig 1885

„Georg Heym“, Herausgeber: Peter Schünemann, C.H.Beck 1986

„Gedichte gegen den Krieg“, Herausgeber: Kurt Fassmann, Frankfurt (2001) 1961

„Interpretationen zur Expressionistischen Lyrik“, Herausgeber Wilhelm Große,

Hollfeld: Bange, Königs Erläuterungen und Materialien, 1988

„Kultur und Krieg, die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten

Weltkrieg“, Herausgeber Wolfgang J. Mommsen, München Oldenburg, 1996,

5.2 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Emanuel Geibel; entnommen am 05.04.2012

http://www.plattpartu.de/kuenst/luebeck/luebeck_biller/rk_08_gr.jpg

Abbildung 2: Georg Heym; entnommen am 02.04.2012

http://3.bp.blogspot.com/P0hSSIFpzMM/TxQKBAH7WkI/AAAAAAAAAKc/s1Eg86aUQg

k/s1600/heym-g.jpg

Abbildung 3: Romantik; entnommen am 02.04.2012

http://media.viennablog.at/21145/20070730-akatrinf2703.jpg

Abbildung 4: Farbsymbolik Expressionismus; entnommen am 03.04.2012

http://www.google.de/imgres?q=expressionismus+farbsymbolik&start=92&hl=de&g

bv=2&biw=1123&bih=460&addh=36&tbm=isch&tbnid=yoFTZ7eLNtIZvM:&imgrefurl=h

ttp://www.seilnacht.com/farbe.htm&docid=9Ttrqhw1-

il5jM&imgurl=http://www.seilnacht.com/Lexikon/farbkug1.gif&w=365&h=319&ei=

Hf1-

T_GYMonltQaQne2gBA&zoom=1&iact=hc&vpx=649&vpy=4&dur=49&hovh=210&hovw

=240&tx=127&ty=16&sig=114148813877256307441&page=6&tbnh=124&tbnw=142&n

dsp=20&ved=1t:429,r:3,s:92,i:11

Abbildung 5: Ludwig Meidner „Die brennende Stadt“; entnommen am

04.04.2012http://peinture-de-nuit.fr/home/images/24.jpg

Abbildung 6: Inga Schnekenburger - „Der Krieg“; entnommen am 07.04.2012

http://www.google.de/imgres?q=Der+Krieg_inga&hl=de&gbv=2&biw=1121&bih=460

&tbm=isch&tbnid=dtqdEp83o47WcM:&imgrefurl=http://www.onlinekunst.de/friede

n/heym_krieg.html&docid=CIhDxPRS6idUOM&imgurl=http://www.onlinekunst.de/fr

ieden/krieg_inga.jpg&w=548&h=400&ei=sB6AT46ODdDKsgam_fHDBA&zoom=1&iact=

hc&vpx=85&vpy=163&dur=411&hovh=104&hovw=136&tx=155&ty=152&sig=11414881

3877256307441&page=1&tbnh=104&tbnw=136&start=0&ndsp=15&ved=1t:429,r:0,s:0

,i:66

5.3 Internetquellen:

http://www.antikoerperchen.de/material/24/gedichtinterpretation-emanuel-

geibel-kriegslied-spaetromantik-vergleich-zum-expressionismus.html

http://www.antikoerperchen.de/material/15/gedichtinterpretation-georg-heym-

der-krieg-expressionismus.html

http://gedichte.xbib.de/biographie_Geibel.htm

http://www.in-output.de/AKE/akerom.html

http://www.ifan-online.de/ungewu/heft6/node13.html

http://www.literaturwelt.com/epochen/romantik.html

http://www.literaturwelt.com/epochen/express.html

http://www.pohlw.de/literatur/epochen/express.htm

http://www.romantik-referat.de/facetten/hauptmerkmale.html

http://www.whoswho.de/templ/te_bio.php?PID=598&RID=1

http://zkfl.uni-luebeck.de/emanuel-geibel.html

VI Fachwortverzeichnis

Anmerkung: Alle kursivmarkierten Begriffe, werden im Folgenden erklärt.

Allegorie = Bildhafte Darstellung eines Gedanken, einer Idee

Anapher= Wortwiederholung am Satzanfang

Apostrophen = Die Abwendung des Dichters vom anwesenden Publikum und Hinwendung zu

einem zweiten /imaginären Publikum oder Personen

Asyndeton = Reihung gleichgeordneter Wörter, Satzteile oder Sätze ohne verbindende

Konjunktion

Euphemismen = Verschönerung einzelner Wörter/ Begriffe

Farbmetaphorik = Wurde in Kunst und Lyrik angewandt. Wurde meist von Expressionisten

verwendet, um verschiedenen Begriffe zu veranschaulichen und bedeutsam zu machen. Jeder

Farbe wurde eine andere Bedeutung zugewiesen

Hyperbeln= Übertreibender Ausdruck

Inversion= Abweichende Wortstellung

Kadenzen = Männliche (stumpfe) Reime (einsilbig): Not/Tod, Mut/Gut; Weibliche

(klingende) Reime (zweisilbig mit Betonung auf der vorletzten Silbe): singen/klingen,

sagen/fragen

Klimax = Steigerung auf einen Höhepunkt

Metaphern= Verbildlichung

Metrum= Versmaß, z.B. Jambus, Trochäus

Neologismen = Wortneubildungen

Paradoxen= Widerspruch von zwei Dingen/ Begriffen

Personifikation = Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Personen ordnet man zur

Verdeutlichung abstrakten Begriffen, unbelebten Dingen, Pflanzen oder Tieren zu.

Synonym = anderes Wort für Analyse. Dient zur exakten Beschreibung von Sachverhältnissen

und Gegenständen.