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18o6 KLINISCttE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 38 17. SEPTEMBER 1926 beobachten. So wertvoll gewil3 ffir den Einzelnen die Er- kenntnis der verschiedenen Witteruligsfaktoreli ist, so kann dieses Wissen ffir seine Gesundheit erst danli fruchtbar werden, wenn er weiB, wie sein eigener IZ6rper auf Abkfih- lungsreize alitwortet. Aus unsereii Er6rterungen ergebeii sich auch gewisse Aus- blicke ffir die Frage, in welcher Richtung sich die weitere Mitarbeit des Hygienikers bet der Erforschung der Erk~l- tuligskrankheiten zu bewegen hat. Es scheint besonders wichtig, die Beziehungen zwischen bestimmten Abki~hlungsarten ulid ihren Abl~i~hlungs/olgen zu studieren. Auf Grund der- artiger Beobachtuligen ist es in sp~terer Zeit vielleicht m6g- lich, auch die Bedeutulig abkfihlender Faktoren als aus16sende Ursache ffir das Auftreten bakterieller Erkrankungen zu erkennen, bei denen die Atemwege als Eintrittspforte dieneli. Dieser Zusammenhang scheint ja nach allgemeiiieli Erfah- rungen und statistischen FeststelIuligen m6glich zu sein; die experimentelle Prfifulig derartiger Beziehungen im Selbst- versuch muB sich aber auf die leichteren Erk~ltungskrank- heiten, wie Schiiupfen u. dgl., beschr~nken. Tierversuche, deren Ergebnisse allerdings aus den verschiedelisten Grfinden nicht auf den Menscheli unmittelbar fibertragen werden k6nnen, sind"nicht zu entbehren, wenn die Bedeutulig ab- kfihlender Reize ffir das Auftreten ernsterer Erk~ltungskrank- heiten stiidiert werden soil. Auch alidere disponierende Momente (EinfluB der ErnAhruiig) k6nnen gleichzeitig mit einer Abkfihlung im Tierversuch daraufhin ulitersucht wet- den, inwieweit sie die Empfindlichkeit des tierischen K6rpers ffir eilie Infektioii zu steigern verm6gen. Als abkfihlende Reize kommen hierbei IIur solche in Frage, denen die Ver- suchsfiere auch unter natfirlichen Verh~ltnissen ausgesetzt sind. 1)ber die Ergebnisse weiterer Selbstbeobachtungen und voii entsprechenden Tierversuchen wird demn~chst berichtet werden. SCHWIERIGKEITEN BEI DER ARZTLICHEN LEICHENSCHAU. Von Prof. Dr. BERG, Direktor des Gerichts~trztlichen Instituts. Von der ~ gew6hliliehen ]3esiehtigung und Beurkundung der Todesf~lle, die der Arzt bet den in seiner Praxis Gestor- benen ausfibt, soll bier IIicht die t~ede sein. Sie ist in allen gr613eren Orten des 1Rheinlandes durchgeffihrt ulid leistet im allgemeinen das, was yon ihr erwartet werden dart. Frei- lich ha~c sie die Hoffnung der lVfedizinalbeh6rden, durch sie zu ether einwalidfreien Statistik der Todesursachen zu kom- men, nich~c erffillt. Der Grulid liegt in der h~ufig ungenau eingetragenen Bezeichnung der Todesursache. Soweit ich als Gerichtsarzt ~rztliche Sterbeurkuliden zu Gesicht bekomme, finde ich oft die Diagnose ,,Herzl~hmung" oder ,,Herz- sehw~che", eine ffir die Statistik ganz unbrauchbare und die wirkliche Todesursache verschleiernde Angabe, w~thrend sich jeder Mediziner selber sagen mfil3te, dab nicht~der Enderfolg des Grundleidelis, sondern dieses selbst angegeben werden muB. Ieh will vielmehr an dieser Stelle auf Schwierigkeiteli und M~ngel der /~rztlicheli Leichenschali hinweisen, die mir mit ether gewissen Regelm~13igkeit in der Begutachtung pl6tzlieher und gewaltsamer Todesf~lle entgegengefreten silid, F~lle, zu denen der n~chst erreiehbare oder zuf~llig erreichs Arzt geholt worden war. Vorausbemerken"m6chte ich, dab der gutachtende Arzt sich in solehen F/~llen in ether oft schwierigen Lage befindet. Eigentlich hat er das seinige getan, wenn er den eingetretenen Tod festgestellt hat. DaB das nicht framer einfaeh ist, set nebenbei bemerkt. Bet elektrisehen Unf~llen z.B. hat JXLLINEK framer wieder darauf aufmerksam gemacht, dab der dutch den Strom anscheinend urns Leben Gekommene meist IIur scheintot ist ~und durch stundenlange kfinstliche Atmung wieder zum Leben gebracht werden kanli. Indessen wird dem vorsichtigen Arzt in der Feststellung des Todes kaum ein Irrtum begegnen. Aber damit ist nun seine Aufgabe nicht ersch6pft. Denn nun kommt die Polizei mit dem Totenschein und verlangt, die Todesursache zu wissen. Ist diese aus groben Verletznngen oder den begleitenden Umst~ndeli nicht ohne weiteres zu ersehen, daiin kanli der gewissenhafte Arzt nur eilitragen: Todesursache IIicht erkelinbar. Start dessen ist mir in solchen F~llen, wo ~uBere Spuren Iehlten, der irreleitende ,,I-terz- schlag" wiederholt auf der Urkunde begegnet. Aber auch da, wo ~uBere!~;Verletzungen vorhaliden waren, sind aus ihnen oft zu weitgehende Schltisse auf die Todesursache gezogen worden, die sich bet der Sektion als irrig herausstellten. Ich habe fiberhaupt bet Arzten die Neigung beobachtet, sich auf Fragen des IRichters fiber Diiige zu/~uBern, die ihrem Wisseiis- bereich fernlagen. ]Bei eilier Schwurgerichtsverhalidlung in Wesffalen'rerlebte ich es, daB~ein Facharzt ffir Hautkrank- heitei1, der~eiliem Uiiterslichungsgefangelien Salvarsaiispritzen verabfolgt hatte, fiber diesen Gefangenen eili ganz verfehltes psychiatrisches Gutachten erstattete, anstatt, wie es seine Pfiicht und sein gutes Recht geweseli w~re, zu sagen: das ist nicht meine Sache. Wenn dem Arzt bet der Leichensehau der Tote nicht v611ig eiitkleidet und bet gater Beleuehtung vorgewiesen wird, dann smite er eine Begutachtuiig ganz ablehnen. Vor Jahren obduzierte ich auf Antrag einer Versicherungsgesellschaft eine Wasserleiche, die beh6rdlich ant Grulid der ~rztlichen Leiehenschau als ertrunken freigegeben war; ich land einen t6dlicheli DurchschuB durch die Brust, der an der bekleideten Leiche nicht bemerkt wordeli war. Gerade SchliBverletzungen bieten der Beurteilung Schwie- rigkeiteli. Ich Ifihre 2 FMle aus der jfingsten Vergaligenheit an, Kopfdurchschfisse, die infolge falscher Deutung dutch den ersten Gutachter unangeliehme Folgen fiir die als T~tter Verd~chtigten hatten. Eine Frau, die ein ehebrecherisches Verh~ltnis unterhielt, getter, als sie eines Abends sp~t von ihrem Freunde heimkehrte, mit ihrem Manne in Streit. Sie fliichtete durch das ebenerdige Fenster in den Garten. Man h6rte einen SchuB fallen. Die Frau wurde tot im Garten gefunden; die Pistole des Ehemannes lag neben ihr. Ein sofort herbeigerufener Arzt fand einen Durchschul3 quer dutch den Vorderkopf nnd erM~rte das groge Schugloch an der rechten SchlXfe ffir den AusschuB und das kleinere an der linken Ifir den EinschuB. Da die Frau nicht linksh~ndig war, erschien ihm ein Selbstmord nicht ffir wahrscheinlich. Die Folge war die Verhaftnng des Ehemannes. Bet der folgenden Leichen6ffnung konnte ich dem Richter den DurchschnB als den typischen SeIbstm6rderschuB mit anfgesetzter Mfindung an der rechten Schl~fe (Platzwunde!) vorweisen, woranf dann der Mann enthaftet wurde. Der Arzt h~tte bet der Leichenschau .sich auf die Feststelhmg ether t6d- lichen SchuBverletzung ohne n~here Deutung beschr~nken mflssen. Der andere Fall war etwas verschr~.nkter: Spazierg~nger h6rten im Stadtwatd 3 Schtisse fallen und Ianden, der Schallrichtung nach- gehend, einen bewuBtlosen Mann mit KopfschuB. Eine Feuer- waffe fehlte, dagegen land sich ein Abschiedsbrief in der Tasche bet den Papieren. Der Verletzte starb bald nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Der Arzt stellte 3 SchuB16cher feat, eins an der reehten SchlAfe, 2 an der linken. Da auch die Wertsachen des Toten vermiBt wurden, so wurde T6tung durch fremde Hand angenommen. Ein junger Arbeiter, der als erster zu dem An- geschossenen gegangen war, wurde festgenommen. Die Sektion konnte aber auch in diesem Falle den typischen Selbstm6rder- schuB dartun: EinschuB mit aufgesetzter Mfindung rechts, schein- bar doppelter AusschuB links, indem neben dem Spalt, den das austretende GeschoB gerissen hatte, noch ein zweiter IIautspalt gleicher GrSl3e yon einem abgesprengten Knochensplitter ver- ursacht war. Pistole und Wertsachen hatte der junge Arbeiter dem verletzten Selbstm6rder fortgenommen. Dies Beispiel zeigt, dab Ein- lind AusschuB h/~ufig dutch die bloBe ]3esichtigung nicht voneiiiander unterschieden wet- den k6nnen. Sogar bei der LeichenSffiiung, wenn Knochen- schfisse Iehlen, kann die Uiiterscheidulig manchmal nut dutch die mikroskopische Uiitersuchung der SchuBstelleli gelingen. Dazu kommt, dab der Leichenschauer an kriminellen Be- funden ohne den Richter nichts ~ndern dart. Sogar das Wasehen mid S,,tlibern der Wuliden ist verboten, weft dadurch wichtige Befunde, wie Pulverschmauch und lose aufliegeiide Miinitionsbestandteile, mit entfernt werden. In einem Fall yon Mord dnrch Halsabschnitt hatte der ttausarzt die klaHende

Schwierigkeiten bei der Ärztlichen Leichenschau

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18o6 K L I N I S C t t E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr. 38 17. SEPTEMBER 1926

beobachten. So wertvoll gewil3 ffir den Einzelnen die Er- kenntnis der verschiedenen Witteruligsfaktoreli ist, so kann dieses Wissen ffir seine Gesundheit erst danli fruchtbar werden, wenn er weiB, wie sein eigener IZ6rper auf Abkfih- lungsreize alitwortet.

Aus unsereii Er6rterungen ergebeii sich auch gewisse Aus- blicke ffir die Frage, in welcher Richtung sich die weitere Mitarbeit des Hygienikers bet der Erforschung der Erk~l- tuligskrankheiten zu bewegen hat. Es scheint besonders wichtig, die Beziehungen zwischen bestimmten Abki~hlungsarten ulid ihren Abl~i~hlungs/olgen zu studieren. Auf Grund der- artiger Beobachtuligen ist es in sp~terer Zeit vielleicht m6g- lich, auch die Bedeutulig abkfihlender Faktoren als aus16sende Ursache ffir das Auftreten bakterieller Erkrankungen zu erkennen, bei denen die Atemwege als Eintr i t tspforte dieneli. Dieser Zusammenhang scheint ja nach allgemeiiieli Erfah- rungen und statistischen FeststelIuligen m6glich zu sein; die experimentelle Prfifulig derartiger Beziehungen im Selbst- versuch muB sich aber auf die leichteren Erk~ltungskrank- heiten, wie Schiiupfen u. dgl., beschr~nken. Tierversuche, deren Ergebnisse allerdings aus den verschiedelisten Grfinden nicht auf den Menscheli unmit telbar fibertragen werden k6nnen, sind"nicht zu entbehren, wenn die Bedeutulig ab- kfihlender Reize ffir das Auftreten ernsterer Erk~ltungskrank- heiten stiidiert werden soil. Auch alidere disponierende Momente (EinfluB der ErnAhruiig) k6nnen gleichzeitig mit einer Abkfihlung im Tierversuch daraufhin ulitersucht wet- den, inwieweit sie die Empfindlichkeit des tierischen K6rpers ffir eilie Infektioii zu steigern verm6gen. Als abkfihlende Reize kommen hierbei IIur solche in Frage, denen die Ver- suchsfiere auch unter natfirlichen Verh~ltnissen ausgesetzt sind.

1)ber die Ergebnisse weiterer Selbstbeobachtungen und voii entsprechenden Tierversuchen wird demn~chst berichtet werden.

SCHWIERIGKEITEN BEI DER ARZTLICHEN LEICHENSCHAU.

V o n

Prof. Dr. BERG, Direktor des Gerichts~trztlichen Instituts.

Von der ~ gew6hliliehen ]3esiehtigung und Beurkundung der Todesf~lle, die der Arzt bet den in seiner Praxis Gestor- benen ausfibt, soll bier IIicht die t~ede sein. Sie ist in allen gr613eren Orten des 1Rheinlandes durchgeffihrt ulid leistet im allgemeinen das, was yon ihr erwartet werden dart. Frei- lich ha~c sie die Hoffnung der lVfedizinalbeh6rden, durch sie zu ether einwalidfreien Statistik der Todesursachen zu kom- men, nich~c erffillt. Der Grulid liegt in der h~ufig ungenau eingetragenen Bezeichnung der Todesursache. Soweit ich als Gerichtsarzt ~rztliche Sterbeurkuliden zu Gesicht bekomme, finde ich oft die Diagnose , ,Herzl~hmung" oder ,,Herz- sehw~che", eine ffir die Statistik ganz unbrauchbare und die wirkliche Todesursache verschleiernde Angabe, w~thrend sich jeder Mediziner selber sagen mfil3te, dab nicht~der Enderfolg des Grundleidelis, sondern dieses selbst angegeben werden muB. Ieh will vielmehr an dieser Stelle auf Schwierigkeiteli und M~ngel der /~rztlicheli Leichenschali hinweisen, die mir mit ether gewissen Regelm~13igkeit in der Begutachtung pl6tzlieher und gewaltsamer Todesf~lle entgegengefreten silid, F~lle, zu denen der n~chst erreiehbare oder zuf~llig erreichs Arzt geholt worden war. Vorausbemerken"m6chte ich, dab der gutachtende Arzt sich in solehen F/~llen in ether oft schwierigen Lage befindet. Eigentlich ha t er das seinige getan, wenn er den eingetretenen Tod festgestellt hat. DaB das nicht framer einfaeh ist, set nebenbei bemerkt. Bet elektrisehen Unf~llen z .B . hat JXLLINEK framer wieder darauf aufmerksam gemacht, dab der dutch den Strom anscheinend urns Leben Gekommene meist IIur scheintot ist ~und durch s tundenlange kfinstliche Atmung wieder zum Leben gebracht werden kanli. Indessen wird dem vorsichtigen Arzt in der Feststellung des Todes kaum ein I r r tum begegnen.

Aber damit ist nun seine Aufgabe nicht ersch6pft. Denn nun kommt die Polizei mit dem Totenschein und verlangt, die Todesursache zu wissen. Ist diese aus groben Verletznngen oder den begleitenden Umst~ndeli nicht ohne weiteres zu ersehen, daiin kanli der gewissenhafte Arzt nur eilitragen: Todesursache IIicht erkelinbar. Start dessen ist mir in solchen F~llen, wo ~uBere Spuren Iehlten, der irreleitende ,,I-terz- schlag" wiederholt auf der Urkunde begegnet. Aber auch da, wo ~uBere!~;Verletzungen vorhaliden waren, sind aus ihnen oft zu weitgehende Schltisse auf die Todesursache gezogen worden, die sich bet der Sektion als irrig herausstellten. Ich habe fiberhaupt bet Arzten die Neigung beobachtet, sich auf Fragen des IRichters fiber Diiige zu/~uBern, die ihrem Wisseiis- bereich fernlagen. ]Bei eilier Schwurgerichtsverhalidlung in Wesffalen'rerlebte ich es, daB~ein Facharzt ffir Hautkrank- heitei1, der~eiliem Uiiterslichungsgefangelien Salvarsaiispritzen verabfolgt hatte, fiber diesen Gefangenen eili ganz verfehltes psychiatrisches Gutachten erstattete, anstatt, wie es seine Pfiicht und sein gutes Recht geweseli w~re, zu sagen: das ist nicht meine Sache.

Wenn dem Arzt bet der Leichensehau der Tote nicht v611ig eiitkleidet und bet gater Beleuehtung vorgewiesen wird, dann smite er eine Begutachtuiig ganz ablehnen. Vor Jahren obduzierte ich auf Antrag einer Versicherungsgesellschaft eine Wasserleiche, die beh6rdlich ant Grulid der ~rztlichen Leiehenschau als ertrunken freigegeben war; ich land einen t6dlicheli DurchschuB durch die Brust, der an der bekleideten Leiche nicht bemerkt wordeli war.

Gerade SchliBverletzungen bieten der Beurteilung Schwie- rigkeiteli. Ich Ifihre 2 FMle aus der jfingsten Vergaligenheit an, Kopfdurchschfisse, die infolge falscher Deutung dutch den ersten Gutachter unangeliehme Folgen fiir die als T~tter Verd~chtigten hatten.

Eine Frau, die ein ehebrecherisches Verh~ltnis unterhielt, getter, als sie eines Abends sp~t von ihrem Freunde heimkehrte, mit ihrem Manne in Streit. Sie fliichtete durch das ebenerdige Fenster in den Garten. Man h6rte einen SchuB fallen. Die Frau wurde tot im Garten gefunden; die Pistole des Ehemannes lag neben ihr. Ein sofort herbeigerufener Arzt fand einen Durchschul3 quer dutch den Vorderkopf nnd erM~rte das groge Schugloch an der rechten SchlXfe ffir den AusschuB und das kleinere an der linken Ifir den EinschuB. Da die Frau nicht linksh~ndig war, erschien ihm ein Selbstmord nicht ffir wahrscheinlich. Die Folge war die Verhaftnng des Ehemannes. Bet der folgenden Leichen6ffnung konnte ich dem Richter den DurchschnB als den typischen SeIbstm6rderschuB mit anfgesetzter Mfindung an der rechten Schl~fe (Platzwunde!) vorweisen, woranf dann der Mann enthaftet wurde. Der Arzt h~tte bet der Leichenschau .sich auf die Feststelhmg ether t6d- lichen SchuBverletzung ohne n~here Deutung beschr~nken mflssen.

Der andere Fall war etwas verschr~.nkter: Spazierg~nger h6rten im Stadtwatd 3 Schtisse fallen und Ianden, der Schallrichtung nach- gehend, einen bewuBtlosen Mann mit KopfschuB. Eine Feuer- waffe fehlte, dagegen land sich ein Abschiedsbrief in der Tasche bet den Papieren. Der Verletzte starb bald nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Der Arzt stellte 3 SchuB16cher feat, eins an der reehten SchlAfe, 2 an der linken. Da auch die Wertsachen des Toten vermiBt wurden, so wurde T6tung durch fremde Hand angenommen. Ein junger Arbeiter, der als erster zu dem An- geschossenen gegangen war, wurde festgenommen. Die Sektion konnte aber auch in diesem Falle den typischen Selbstm6rder- schuB dartun: EinschuB mit aufgesetzter Mfindung rechts, schein- bar doppelter AusschuB links, indem neben dem Spalt, den das austretende GeschoB gerissen hatte, noch ein zweiter IIautspalt gleicher GrSl3e yon einem abgesprengten Knochensplitter ver- ursacht war. Pistole und Wertsachen hatte der junge Arbeiter dem verletzten Selbstm6rder fortgenommen.

Dies Beispiel zeigt, dab Ein- lind AusschuB h/~ufig dutch die bloBe ]3esichtigung nicht voneiiiander unterschieden wet- den k6nnen. Sogar bei der LeichenSffiiung, wenn Knochen- schfisse Iehlen, kann die Uiiterscheidulig manchmal nut dutch die mikroskopische Uiitersuchung der SchuBstelleli gelingen. Dazu kommt, dab der Leichenschauer an kriminellen Be- funden ohne den Richter nichts ~ndern dart. Sogar das Wasehen mid S,,tlibern der Wuliden ist verboten, weft dadurch wichtige Befunde, wie Pulverschmauch und lose aufliegeiide Miinitionsbestandteile, mit entfernt werden. In einem Fall yon Mord dnrch Halsabschnitt hat te der t tausarzt die klaHende

17. SEPTEMBER 1926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr. 38 18o 7

Wunde s~iuberlich vern~iht. Bisweilen sah ich Sehlingen um den Hals mit ten durchgeschnitten, Knebel aus dem Munde gezerrt. Solche Ver~inderungen haben nut dann Berechtigung, wenn der Tod noch nicht eingetreten ist.

Die Verwechslung yon postmortalen Verletzungen mit vitalen bei der Leichenschau ist h~iufig, richtet abet keinen Schaden an. Bei unsern Rheinleichen linden sich fiberaus h~iufig zwei Arten yon postmortalen t3esch~idigungen: einmal eine Abschindung des Vorderhauptes, die manchmal die HHaut bis auf den Sch~idel durchl6chert. Sic kommt dadurch zustande, dab die Leichen mit dem Kopf voran am Grunde des Stromes treiben, his sic durch das Fiiulnisemphysem den Auftrieb zur Oberfl~iche bekommen. Sodann die groben Ver- letzungen dutch Schiffsschrauben usw.

Die erw~ihnten Schwierigkeiten bei der ~irztlichen Leichen- schau werden bei einer Zentralisierung derselben vermieden. In Deutschland hat meines Wissens zuerst Hamburg damit den Anfang gemacht. Bei der t3egrtindung des Gerichts- ~rztlichen Insti tutes an der Medizinischen Akademie in Dtissel- doff habe ich eine iihnliche Einrichtung wie in Hamburg ins Leben gerufen. Alle polizeilich beschlagnahmten Leichen werden meinem Ins t i tu t zugeffihrt, wo alle Hilfsmittel zur Untersuehung und Ermit telung der Todesursache vorhanden sind und ein schnelles Zusammenarbeiten mit den Jtrzten und ]~eh6rden gew~ihrleistet ist.

B E I T R A G Z U M V E R L A U F D E R K R I E G S M A L A R I A .

V o n

Oberregierungs-Medizinalrat Dr. E. GRAF, a. o, Professor fOr soziale Medizin.

W:thrend in den t(riegen i864, I866 und 187o/71 die Malaria unter den deutschen Truppen eine nennenswerte :Rolle nicht gespielt hatte - - im Deutsch-Franz6sischen Kriege waren nur 5 , 5 % aller Infektionskrankheiten Xrgechselfieber- erkrankungen ~) - - , erfuhren in1 Weltkriege die Malaria- erlcrankungen insbesondere unter den auf den sfid6sflichen IZriegsschaupl~itzen operierenden Truppen trotz richtiger und im allgemeinen streng durchgeffihrter Chininprophylaxe yon Jahr zu Jahr eine derartige Zunahme, dab sie gegen Ende des Krieges die Schlagfertigkeit des Heeres nicht unerheblich beeinfluBten. Der Gesamtkrankenzugang an Malaria betrug in den Jahren 1914 his 1918 15,96 ~ o der Kopfst~irke; er fibertral die Erkrankungen an den drei hauptsi~chlichsten Kriegsseuchen - - Cholera, Fleckfieber und T y p h u s - - um fast das Doppelte [W. I-IoFFMAZCN~)].

Als nun an Stelle einer bis ins kleinste geregelten plan- vollen Demobilmachung mit Zurfickhaltung aller Infektions- kranken - - darunter auch der Geschlechtskranken - - in den Lazaretten bis zu einem Zeitpunkt, wo eine Obertragungs- gefahr auf die ]~evSlkerung nicht mehr bestand, die rasche Aufl6sung des Heeres erfolgte nnd die Plasmodientr~iger, ohne die bisherige Prophylaxe, wie es notwendig war, eine Zeitlang Iortzusetzen, sich fiber ganz Deutschland zerstreuten, da war die Gefahr gro~3, dab in zahlreichen Gegenden, in denen auch die Anophelesmficke heimisch ist, gr613ere Malariaherde unter der Bev61kerung sich zeigen wfirden. Diese Gefahr mnBte um so naheliegender erscheinen, als die Zahl der chinin- resistenten F~ille im Kriege dauernd zugenommen hatte und ~ndererseits die heimische Bev61kerung dutch die Wirkung der Hungerblockade in ihrer Widerstandskraft gegen Infek- tionen aller Art stark geschw~icht war. Auch die Zusammen- dr/~ngung der Menschen in unzureichenden Wohnungen muBte Malariafibertragungen auf die Bev61kerung begfinstigen. Bis jetzt ist abet yon dem Auftreten gr6Berer Malariaherde in Deutschland nach dem Kriege nichts bekanntgewordenS), und nut da, wo die Malaria schon im Frieden endemisch herrschte - - insbesondere in Schlesien und Ostfriesland ~ , fanden in den ersten Nachkriegsjahren zahlreiche Neuerkrankungen statt. Ein gfinsfiger Umstand war zweifellos, dab die Ent- lassung der Truppen im wesentlichen in die Wintermonate fiel und his zum Frfihjahr 1919 - - dem Beginn der Malaria-

,,saison" - - wiederum eine sachgem~13e t tehandlung der Gametentfiiger eingese{zt hatte, in der die Arzte nunmehr besondere Erfahrungen gesammelt batten.

Ober den Umfang, in dem zurfickgekehrte Kriegsteilnehmer die Malaria auf die Bev61kerung fibertragen haben, I/igt sich Genaues nicht ermitteln denn die Malaria ist nur in einzelnen Bundesstaaten - - in P r e u f l e n nut in den Regierungsbezirken A u r i e h und O p p e l n - - anzeigepflichtig. Es starben an Malaria 4)

im Jahre 19o 5 . . , , 1 9 o 6

,, ,, 19o7 ,, ,, 19o8 . . . . 19o9 ,, ,, 1910 ,, ,, I911 ,, ,, 1912 . . . . 1913 ,, 1914

28 im Jahre 1915 23 . . . . 1916 22 1917 15 . . . . 1918 25 . . . . I919 25 ,, ,, 192o 18 . . . . 1921 17 . . . . 1922 18 . . . . 1923 I9

�9 . . 19 116 276 353 94 49 49 6o 63

Die gegenfiber der Vorkriegszeit h6heren Mortalit~ts- ziffern der letzten Jahre lassen sich zwanglos als Todesf~tlle yon Kriegsteilnehmern deuten.

Von noch gr6i3erem Interesse mugte sein zu erfahren, was aus den vielen Tausenden aus dem Felde zurfickgekehrter Plasmodientr/iger wurde. Hierbei war folgendes zu berfick- sichtigen: Die Malaria des Krieges war, wo sie auch auftrat, ein Dienstbesch~digungsleiden, und der Wunsch nach 1Rente wie auch die ]3erechtigung zur Heilbehandlung auf Reichs- kosten mul3ten die N i c h t g e h e i l t e n mit wenigen Ausnahmen zur Kenntnis der Versorgungsbeh6rden kommen lassen. Von den geheilt Gebliebenen haben sicher viele die Versorgungs- beh6rden nicht besch/iftigt, so dab jede Statistik nu t eine iKorrektur nach der gfinstigen Seite zul~I3t. Andererseits sind auch viele unberechtigte Rentenantr~ige gestellt worden, die es erforderlich machten, alle Angaben fiber noch vor- handene Anf~ille und sonstige Folgen der frfiheren Erkrankung sorgf~iltig auf ihre Berechtigung nachzuprfifen. So entstanden bei den nicht aufgel6sten Lazaretten bald gr6Bere oder kleinere Malariastationen mit der vornehmlichen Aufgabe der /3e- obachtung der Antragsteiler. Hierbei wurden anfangs auch die l~ vietfach angewendet, aber immer mehr aIs nicht ganz unbedenklich und auch als racist nnn6tig wieder verlassen. Aus einer solchen Malariastation beim Versorgungskrankenhaus Dfisseldorf hat NEUKIRCtt 5) berichtet. Er konnte feststellen, dab yon 236 in den Jahren 1919 und i92o Untersnchten 20% eine ffihlbar vergr6Berte Milz hatten, 78% jedoch ein vollkommen normales ]31utbild. Nur in drei F:tllen konnten Malariaplasmodien gefunden werden. Eine noch bestehende Malaria wurde angenommen in 29%. der F/~lle, entsch/~digungspflichtige Nomplikationen in 23%. Bei letzteren handelte es sich in der fiberwiegenden Zahl um Neu- ras• und andere (Herz- und Gef~13-) Neurosen. NE::- ::IRe:: lie/3 die Frage des Zusammenhanges der Nenrosen mit der Malaria often: ,,Die nerv6sen St6rungen m6gen h:~ufiger sein als bei maderen Kriegsbesch:tdigten, doch I/~/31 sich das bei meinem Material zahlenm~13ig nicht beweisen."

Um den weiteren Verlauf der Malariaerkrankungen des Krieges festzustellen, habe ich das Material des Versorgungs- amts Dfisseldorf benutzt und m6chte, ohne auf Einzelheiten n~her einzugehen, fiber die Nachforschungen und Nachunter- suchungen im folgenden kurz berichten. Im voraus sei be- merkt, dab die Nachuntersuchungen mit wenigen Ausnahmen, die genfigend gekl/irt schienen, fachXrztlich erfolgten, und eingehende Nachforschungen nach den Arbeits- und Erwerbs- verh~ltnissen sowie nach alien Erkrankungen bei Kranken- kassen und Arbeitgebern vorgenommen wurden. Hat uns doch die t{rfahrung gelehrt, dab die tCriegsbesch~digten, auch wenn sic nicht in Krankenkassen versichert sind, yon der freien /irzttichen t~ehandlung ihres Kriegsleidens durch die Kranken- kassen stets weitgehenden Gebrauch machen, woraus wieder der SchluB berechtigt ist, daB, wo die Krankenkasse nicht in Anspruch genommen wurde und Arbeitsunterbrechungen nicht stattfanden, einer etwaigen Angabe, noch ,,an h~iufigen