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Seemacht im 21. Jahrhundert: Handbuch & Lexikon (Vorschau) – Nikolaus Scholik

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April 25, 2015: "The USS Theodore Roosevelt entered the Persian Gulf Saturday to conduct what a U.S. defense official called routine maritime security operations, days after U.S. warships were deployed to the Yemeni coast to counter an Iranian convoy." Washington (CNN). Meldungen wie diese gehen in regelmäßigen Abständen, vor allem in Krisenzeiten, durch die Weltpresse. Es ist für die interessierte Öffentlichkeit, aber auch für viele mit Fragen der öffentlichen Sicherheit, der internationalen Politik befasste Menschen schwierig, sich ein etwas näheres und klareres Bild über die damit verbundenen politischen, wirtschaftlichen und militärisch-maritimen Faktoren zu machen. Besonders in den Staaten des deutschsprachigen Raumes Europas/der Europäischen Union ist wenig Interesse und Beurteilungsvermögen bezüglich der maritimen Komponente im globalen Machtspiel gegeben oder zu erwarten. Das vorliegende Buch, als universitäres Lehrbuch konzipiert, möchte dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. In sieben Kapiteln wird der theoretische Unterbau über strategische Konzepte, die relevanten Interessensräume maritimer Machtpolitik - die Weltmeere -, die bedeutenden maritimen Mächte, ihre operationellen Konzepte und Mittel sowie den Stand der Führungs- und technisch-militärischen Systeme mit Seerelevanz berichtet, die jeweils vorhersehbare zukünftige Entwicklung analysiert und beurteilt. Ein Lexikon-Glossar der wichtigsten Definitionen, Erklärungen von Fachausdrücken und die Kurzbeschreibung technischer und waffentechnischer Systeme ergänzen die sieben Kapitel ebenso wie die zu besserem Verständnis eingefügten Grafiken und tabellarischen Zusammenfassungen von bedeutenden Fakten und analytischen Ergebnissen. Seemacht ist und bleibt bis tief in das 21. Jahrhundert der Schlüssel globaler Interessen und ihrer Realisierung auf der Weltbühne.

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SEEMACHTIM 21. JAHRHUNDERT

HANDBUCH & LEXIKON

NIKOLAUS SCHOLIK

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© caesarpress · wien 2015 · 1. Auflage

Bibliografische Informationen dieser Publikation verzeichnet die Österreichische Nationalbibliothek unter http://www.onb.ac.at

Kein Teil vorliegenden Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung & Satz: Thomas GimesiUmschlagbild: ATLANTIC OCEAN (Dec. 10, 2013); Ships from the George H.W. Bush Carrier Strike Group simulate a strait transit. The strike group is conducting a pre-deployment evaluation. (U.S. Navy Photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Justin Wolpert/Released)creative commons license

ISBN 978-3-902890-06-1 (Hardcover)

Weitere Informationen zum Verlag und dem aktuellen Programm finden Sie unterhttp://www.caesarpress.com

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Dieses Buch ist in Dankbarkeit den großen Denkern,Wissenschaftlern und Lehrern Hans J. Morgenthau (posth.),

Philip Bobbitt und Walter Laqueur gewidmet.

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INHALTSVERZEICHNIS

abbildungsverzeichnis VII

geleitwort IX

einführung 1

1 die theoretischen grundlagen von seemacht 5

Einleitung 7

Alfred T. Mahan 7

Hans Morgenthau 9

Kenneth Waltz 11

Stephen Walt 11

John Mearsheimer 12

Barry Posen 15

Samuel Huntington 18

Schlussfolgerungen 20

2 moderne maritime strategien 23

Einleitung 25

Vereinigte Staaten 28

China 36

Schlussfolgerungen 41

3 die ozeane: operationsräume und ihre gegebenheiten 43

Einleitung 45

Rechtlicher Rahmen 48

Streitfälle Pazifische Ostküste 52

Spezialfall Arktischer Ozean 55

Maritimer Transport 62

4 maritime mächte auf der globalen bühne 73

Einleitung 75

U.S. Navy 77

Europäische Union / Französische Marine & Royal Navy 90

Russische Marine 95

Chinesische Marine 99

Japan: Marineselbstverteidigungskräfte 104

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5 operative konzepte im vergleich: vereinigte staaten und china 107

Einleitung 109

Strategische Voraussetzungen 109

PLAN – Operatives Konzept 111

U.S. Navy – Operatives Konzept 115

Schlussfolgerungen 125

6 die see-engen von hormuz und malakka 129

Einleitung 131

Die Straße von Hormuz 131

Die Straße von Malakka 147

Schlussfolgerungen zu den See-Engen von Hormuz & Malakka 159

7 maritime waffen- und führungssyteme, die bedeutung techno- logischer dominanz

163

Einleitung 165

Die Trägerkampfgruppe 165

Asymmetrie im maritimen Kontext 174

Andere maritime Mächte 176

Submarine Fleets 179

Moderne Kampfführung und Waffensysteme 187

schlussfolgerungen 195

literaturverzeichnis 199

lexikon 209

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1 Die Theorien des politischen Realismus als Basis maritimer Realpolitik 17

Abb. 2 Entwicklung der U.S.-Seestrategie des 21. Jahrhunderts 19

Abb. 3 Entstehung einer maritimen Strategie 32

Abb. 4 PRC/PLAN „String of Pearls“ 37

Abb. 5 Seestrategische Ziele USA/PRC 40

Abb. 6 Öl-Transit – Globale Chokepoints 48

Abb. 7 Meereszonen im geltenden Seerecht 51

Abb. 8 Arktische Seestraßen 57

Abb. 9 Geopolitik in der Arktis 61

Abb. 10 Geografische Lage Vereinigte Staaten 78

Abb. 11 U.S. Navy Fleet Response Plan April – June 2010 86

Abb. 12 Geografische Lage Russland 96

Abb. 13 Geografische Lage China 100

Abb. 14 PLAN: 1. und 2. Inselkette 101

Abb. 15 Anti-Access/Area-Denial-Konzept der PLAN 113

Abb. 16 Das Joint Concept Development (JCD)-Führungsmodell 120

Abb. 17 „Request for Peace“ (RFF)-Kräfteanforderung USN 121

Abb. 18 Zusammensetzung CSG-5 126

Abb. 19 Operative Kernpunkte USA–PRC 127

Abb. 20 Hauptseewege und chokepoints 132

Abb. 21 Die Straße von Hormuz 138

Abb. 22 Öl- und Gaspipelines im Mittleren Osten 139

Abb. 23 Umgehungsmöglichkeiten der Straße von Hormuz 143

Abb. 24 Die Straßen von Malakka, Singapur, Sunda und Lombok 149

Abb. 25 Seewege im indo-pazifischen Großraum 154

Abb. 26 Einsatzweiten 168

Abb. 27 Der ASW-Ansatz der CSG 173

Abb. 28 Nukleare (strategische) Abschreckung im operativen Wandel 181

Abb. 29 Die U-Boot-Flotte der USA 183

Abb. 30 Die U-Boot-Flotte der PRC 185

Abb. 31 Die U-Boot-Flotte Russlands 185

Abb. 32 Die U-Boot-Flotten des Vereinigten Königreichs und Frankreichs 186

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GELEITWORT

Mit diesem verständlich gehaltenen Handbuch legt Dr. Nikolaus Scholik eine längst überfällige deutschsprachige Monographie zum Themenkomplex Mo-

derne Seemacht vor. In weiten Kreisen von Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik ruft allein der Begriff „Seemacht“ noch immer eher negative Assoziationen hervor: Vor dem geistigen Auge so manchen Betrachters ziehen Eindrücke aus dunkler Ver-gangenheit auf, etwa von der Skagerrak-Schlacht 1916 oder dem 1941 versenkten Kriegsmarine-Schlachtschiff Bismarck. In Zentraleuropa hat man sich eingedenk der Erfahrungen zweier Weltkriege und der kontinental geprägten Bedrohungs-wahrnehmung des Kalten Krieges bis 1990 auch über die Jahrtausendwende hin-weg überwiegend dahingehend eingerichtet, die Rolle von Seemacht in der Außen- und Sicherheitspolitik zu nivellieren. Die Befassung mit diesem zentralen Sujet der internationalen Beziehungen hat man nur allzu gern dem anglo-amerikanischen Raum zu überlassen. Jene verbreitete, für die kleineren Binnenländer Österreich und die Schweiz unter Umständen noch verständliche, aber für eine Industrie-, Export- und Mittelmacht wie die Bundesrepublik nicht nachvollziehbare Berüh-rungsangst hat zu einer umfassenden und beklagenswerten „Seeblindheit“ geführt. Diese bezeichnet die Unfähigkeit und den Unwillen, moderne maritime Macht (also nicht nur Seestreitkräfte, sondern auch die Handelsmarine, Küstenwache, Werft-industrie, maritime Ressourcen u.v.m.) entlang geopolitischer Linien im Sinne der Gesamtstrategie und der Einwirkung auf Ereignisse und Ergebnisse an Land zu ver-stehen, sie ferner in der gegenwärtigen Politik zu berücksichtigen sowie eingehend in der Politik- und bisweilen auch der Geschichtswissenschaft zu beforschen. Eine in weiten Teilen des deutschsprachigen Raumes zu konstatierende Aversion gegen die realistische Schule in den Internationalen Beziehungen und ein geradezu anti-geopolitisches Denken haben ihr Übriges dazu beigetragen, dass Seemacht aus den Augen und aus dem Sinn geraten ist.

Dabei lässt sich durchaus die These vertreten, dass Seemacht im Kern sogar noch an Bedeutung zugenommen hat. Gerade im maritim geprägten 21. Jahrhundert, in dem vielbeschworene 90% des Welthandels über See geht, 80% der Weltbevölke-rung an oder in Reichweite von Küsten lebt und rund 70% des Erdballs von Wasser bedeckt bleibt, kommt den Meeren und der politischen Machtausübung unter Zu-hilfenahme des Mediums See gesteigerter Einfluss zu. Damit ist natürlich nicht nur die Seekriegsführung auf, über und unter dem Wasser (sowie im nahen Weltraum, im Cyberspace sowie im elektromagnetischen Spektrum) gemeint, sondern auch die polizeiliche und diplomatische Nutzung des Meeres zum Zwecke der Durchset-zung von politischen Zielen – eine Trias, auf die bereits Ken Booth (1977) und Eric

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X GELEITWORT

Grove (1990) in ihren einschlägigen Werken zur Rolle von Seemacht in der Außen-politik hingewiesen haben. Die wirtschaftliche Bedeutung der See für das Wohler-gehen und den sozialen Frieden in den saturierten Nationen Mitteleuropas stellt mittlerweile sogar eine vierte wichtige Komponente der Nutzung des Meeres dar. Tatsächlich stehen schon lange nicht mehr Flottenschlachten oder Geleitzugopera-tionen im Mittelpunkt des seestrategischen und operativen Denkens, sondern viel-mehr Überwachungs-, Präventions-, Vorsorge- und Interventionsfähigkeiten von Marinen und Küstenwachen im Gesamtansatz eines Staates oder eines Bündnisses. Kurzum, „Sicherheitsvorsorge statt Seekrieg“ könnte die griffige Parole für moderne militärische Seemacht lauten.

Gleichzeitig ist in letzter Zeit verstärkt zu beobachten, dass Maritime Sicherheit in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt vieler Diskussionen gerückt ist. Der Begriff hat im Zuge der fortschreitenden Globalisierung, der Versicherheitlichung ganzer Politikbereiche und angesichts des griffigen Piraterieproblems an Afrikas und Südostasiens Küsten insbesondere in Zentraleuropa immens an Popularität gewonnen. Allerdings hat diese Entwicklung auch eine Kehrseite, denn statt die oben erwähnte „Seeblindheit“ zu lindern, ist der gegenteilige Effekt zu beobachten, nämlich die zunehmende Verwässerung des Themengebietes. Es erscheint vielfach politisch opportun, sich auf die vermeintlich seichteren Aspekte von Seemacht zu konzentrieren und die Aufgaben von Marinen im globalen maritimen System als lediglich etwas schwerer bewaffneten und zufälligerweise grau lackierten Polizei- und Küstenschutz zu artikulieren. Mehr noch: moderne Seemacht und maritime Sicherheit werden nur zu gern auf Umweltschutz, Schutz von Seeverkehrswegen weltweit oder Einsätze gegen Piraten, Schmuggler oder Terroristen reduziert. Da-für, so mahnte schon Samuel Huntington 1954 in einem wegweisenden Aufsatz, werden Seestreitkräfte aber nun mal nicht vorgehalten. Solch ein Ansatz verkennt nämlich die zentrale macht- und geopolitische, v.a. sicherheitspolitische Bedeutung der Ozeane. Umso wichtiger ist es, relevante Konstanten von Seemacht, auch über zeithistorische und strategische Wendepunkte der letzten Jahrzehnte hinweg, her-vorzuheben. Scheu vor militärischeren Themen ist dabei unangebracht.

Es stimmt schon: Die See ist ein schwierig zu erfassendes und noch viel schwie-riger politisch nutzbar zu machendes Medium. Nur mit dem Werkzeugkasten der theoretischen und bereits etablierten Grundlagen von Seemacht in den Internati-onalen Beziehungen erschließen sich die modernen maritimen Strategien der ge-genwärtigen Seemächte. Nur mit dem Verständnis für die ozeanische Umgebung als Operationsrahmen lässt sich begreifen, welche Rolle maritime Mächte auf der Weltbühne spielen können. Und nur wenn man das von Zentraleuropa lediglich scheinbar weit entfernten Ringen der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Volksrepublik China auch als maritim-operativen Gegensatz versteht, gelingt eine umfassendere Auffassungsgabe von Seemacht.

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XIGELEITWORT

Nur wer versteht, kann erklären: Auch dazu bietet dieses Buch wichtige Ansätze. Bisweilen werden Seemächte nur nach der Anzahl ihrer fahrenden und fliegenden Einheiten bewertet oder es werden Mittelzuweisungen aus den Verteidigungshaus-halten verglichen. Solche Analysen greifen allerdings viel zu kurz. Seemacht ist eben weitaus mehr als die bloße Anzahl von großen grauen und teuren Schiffen mit wei-ßen Ziffern an Bug oder Heck. Man kommt um eine differenzierte Betrachtung, die auch maritime Waffen- und Führungssysteme sowie die Bedeutung technologischer Dominanz einschließt, einfach nicht herum, wiewohl es die eine, definitive und letztgültige Bewertung von Seemacht zumindest aus dem Blickwinkel qualitativer Studien nicht geben kann. Das mag für den einen oder anderen unbefriedigend blei-ben, ist aber angesichts der Komplexität des Themenfeldes und den gegenwärtigen maritimen Dynamiken unumgänglich. Die Abhängigkeit der Industrienationen von funktionierenden Seeverbindungswegen, der Rückkehr des Strebens einiger Staa-ten nach Macht und Einfluss (zu nennen seien an dieser Stelle nur der Russland-Ukraine-Krieg und die territorialen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer) sowie der relative machtpolitische Niedergang von Europa und den USA werden uns noch in zunehmender Weise beschäftigen. Festzuhalten bleibt: alle relevanten sicher-heitspolitischen Problemzonen der Erde haben wichtige maritime Dimensionen. Insofern sind auch die kurzen Blicke auf geographische Rahmenbedingungen von moderner Seemacht, den seerechtlichen Rahmen, auf maritime Schwerpunktregi-onen und das Streifen des Seehandels, welche dieses Buch unternimmt, Schritte auf dem Weg, der „Seeblindheit“ in der deutschsprachigen Wissenschaft, Öffentlichkeit und unter den politischen Verantwortungsträgern endlich zu begegnen.

Man muss gar nicht darauf abstellen, dass Nikolaus Scholiks Buch schon etwas Besonderes ist, nur weil der Verfasser Österreicher ist und damit aus einem Land kommt, das in Folge des verlorenen 1. Weltkriegs vor fast 100 Jahren seinen direkten Seezugang und mithin seine militärische Seemacht völlig einbüßte. Man muss auch nicht darauf hinweisen, dass der Autor gewissermaßen ein Spätberufener ist, der erst nach einer erfüllten Karriere in der völlig unpolitischen Privatwirtschaft noch Studium und Promotion in der Politikwissenschaft aufnahm und sich erst dann ernsthafter (allerdings auch umso leidenschaftlicher) mit Fragen von Seemacht in den Internationalen Beziehungen auseinandersetzen konnte. Auch muss man ei-gentlich kaum unterstreichen, dass der Urheber trotz seines Lebensalters nicht vor-nehmlich rückblickend arbeitet, sondern äußerst aktuelle Seemachtproblematiken aufgreift und mit drastischen Warnungen für die kommenden Jahre und Jahrzehnte verbindet – obschon er freilich davon Abstand nehmen und diese Problematiken seelenruhig nachfolgenden Generationen überlassen könnte.

Die – derzeit noch überschaubare – strategische Community zwischen Berlin, Wien und Bern, die hier und da schon auf die Ozeane blickt, wird in den kommen-den Jahren, so uns die Zeit bleibt, gefragter Ansprechpartner sein, wenn es um die

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XII GELEITWORT

seewärtigen Problemlösungen sicherheitspolitischer Natur geht. Nikolaus Scholiks Werk ist daher ein deutlicher Appell an Wissenschaftler, Politiker, Medienvertreter, Verbände und Militärangehörige jeden Alters und jeder Position aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie die deutschsprachige Öffentlichkeit insgesamt, sich endlich mit moderner Seemacht zu beschäftigen. Dem Buch ist daher eine ent-sprechend weite und nachhaltige Verbreitung zu wünschen. Die verständlich gehal-tene Sprache und das wertvolle Glossar mögen viele Menschen dazu bringen, die Scheu vor der See zu überwinden und ein Verständnis für den Wert von Seemacht zu entwickeln.

Dr. Sebastian Bruns

Research FellowInstitut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK)Kiel, Januar 2015

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Eisenhower bereitet seine gigantischen Ope-rationspläne vor. Dies ist der erste Akt auf der Szene des größten militärischen Operationstheaters der modernen Zeitrech-nung. Die Macht der See tritt auf den Plan. Die See siegt immer über das Land.

raymond tournoux

EINFÜHRUNG

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Seemacht – per se die Fähigkeit, auf See militärisch wirken zu können – hat im Laufe der Geschichte immer eine entscheidende, wenngleich viele Jahrhunderte

lang untergeordnete Rolle gespielt. Einst und heute bestimmen Landstreitkräfte, oder anders gesagt, der Kampf auf dem Boden, die politisch-militärischen Ausei-nandersetzungen zwischen Staaten. Dies liegt vor allem daran, dass Landstreit-kräfte, reguläre wie irreguläre, durch das Besetzen gegnerischen Territoriums oder gar die strukturelle Zerstörung des Gegners das Endziel der Kampfhandlungen er-reichen. Bei Auseinandersetzungen auf See sind, auch bei verheerenden Niederla-gen, die Folgen nur indirekt spürbar. So gesehen ist es kaum verwunderlich, dass sich Geschichtsschreibung wie theoretische Überlegungen primär mit dem Krieg am Land beschäftigt haben, ungeachtet der Bedeutung von Seeschlachten in der moderneren Geschichte, also während in etwa der letzten 2.500 Jahre – „Die See [Macht, die] siegt immer über das Land“ (Tournoux, 1980).

Das hier vorliegende Handbuch der Seemacht möchte eine Lücke in der Publi-kation zu diesem Thema schließen. Die heute diesbezüglich in englischer Sprache verfügbaren Werke aller Art und aller Niveaus können kaum mehr gezählt werden – ein kurzer Blick in das Literaturverzeichnis genügt. Die seit drei Jahrhunderten bestehende globale maritime Dominanz englischsprachiger Staaten (Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten) sowie der dort herrschende hohe Stellenwert politikwissenschaftlichen Forschens und Lehrens haben zu diesem Umstand ge-führt oder zumindest wesentlich beigetragen. Während gerade noch Frankreich versucht, Stellenwert, Lehre und Forschung aufrecht zu erhalten, sind im deutsch-sprachigen Raum diesbezüglich nur vereinzelte Aktivitäten wahrzunehmen. Zu gering ist die Bedeutung der Politikwissenschaft, zu unbedeutend das Lehren im Bereich Internationale Politik und Strategie, das Erkennen der Wichtigkeit mari-timen Potenzials, entsprechender strategischer, nachfolgend operativer Konzepte und deren Umsetzung.

Das Handbuch ist in zwei Hauptteile gegliedert: sieben Kapitel stellen die the-oretischen, strategischen, operativen, system- und waffentechnischen Gegeben-heiten dar. Darüber hinaus werden die globalen maritimen Voraussetzungen (Räu-me, maritime Mächte, Potenzial) sowie die Rolle von Seemacht bei der Umsetzung der jeweiligen Strategien der großen Mächte analysiert und beurteilt. Für diesen Teil wurden Textelemente und Grafiken aus der Dissertation (Scholik, 2011) und Fachartikeln (veröffentlicht in der ÖMZ/Österreichische Militärische Zeitung 2013, 2014, 2015) eingesetzt. Abbildungen (Grafiken, Karten, schematische Ablaufdar-stellungen) ergänzen die einzelnen Kapitel und sollen in Symbiose mit dem Text für ein besseres Verständnis sorgen. Den zweiten Hauptteil stellt ein primär auf Abkürzungen, technische Begriffe und Rüstungssysteme des maritimen Bereichs

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4 EINFÜHRUNG

abzielendes Lexikon technischer, militärischer, operativer und systemrelevanter Fachbegriffe dar. Hinweise auf den Begriff im Lexikon (Seite) werden im laufenden Text oder in der relevanten Fußnote gegeben.

Das Handbuch wendet sich vor allem an Studenten der Politikwissenschaft, Ge-schichte und Staatswissenschaften, Hörer an Militär- und Verteidigungsakademien und hohen militärischen Schulen sowie den interessierten Laien im deutschspra-chigen Raum. Es soll Hilfe und Nachschlagwerk in den relevanten Bereichen und Anregung sein, sich mit der See und Seemacht im politischen/geopolitischen Sinn zu beschäftigen und dieser Materie jenes Gewicht zu verleihen, das in der Politik gesamthaft von großer Bedeutung ist und bleibt.

Das vorliegende Werk wäre ohne die Hilfe, Ermutigung von Kollegen, Freunden und Helfern nicht entstanden. Mein besonderer Dank gilt meinen Freunden und Kollegen Dozent Dr. Alfred Gerstl (Universität Wien) und Dr. Sebastian Bruns (Carl-Albrecht-Universität zu Kiel). Ihre immer positive Kritik und Hilfe waren ein ab-solut notwendiger Beitrag. Brigadier Mag. Wolfgang Peischel, PhD, Chefredakteur der ÖMZ (Landesverteidigungsakademie Wien) und Stefan Lechner (Grafik-ÖMZ) sowie Oberst Mag. Norbert Lacher (Theresianische Militärakademie Wiener-Neu-stadt) waren kameradschaftliche Begleiter und Helfer. Die ÖMZ hat dankenswerter-weise die Gestaltung und Professionalisierung vieler meiner Grafiken übernommen und der Verwendung in diesem Handbuch freundlich zugestimmt. Mein Verleger, Dr. Thomas Gimesi, Caesarpress, hat mit unendlicher Geduld und fast schon asi-atisch anmutender Weisheit in Phasen des Zweifelns und Suchens um die ideale Lösung von vielerlei Problemen immer Ruhe und Geduld ausgestrahlt – dafür ein großes Dankeschön. Für alle Fehler, Unklarheiten oder Unterlassungen trage ich die alleinige Verantwortung.

Nikolaus ScholikWien, Juli 2015

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Page 15: Seemacht im 21. Jahrhundert: Handbuch & Lexikon (Vorschau) – Nikolaus Scholik

Mackinder bezeichnete die beiden Arten politischer Eroberer als „land-wolves and sea-wolves“.

1 – DIE THEORETISCHEN GRUNDLAGEN VON SEEMACHT

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Page 16: Seemacht im 21. Jahrhundert: Handbuch & Lexikon (Vorschau) – Nikolaus Scholik

Es werden im Überbau der Geopolitik (Mackinder) und des Klassischen Realismus (Morgen-

thau) in einer kurzen historischen Konstellation die Haupttheoretiker Mahan und Corbett so-

wie modernere Ansätze (Waltz, Mearsheimer, Walt, Posen und Huntington) vorgestellt und

als Grundlagen erklärt. Eine kurze historische Konstellation zeigt die Bedeutung des Faktors

See in Auseinandersetzungen und die Folgen gewonnener bzw. verlorener Seeschlachten

im Spiegel der neueren Geschichte. Das Ziel des 1. Kapitels ist die übergeordnete Darle-

gung theoretischer Erkenntnisse und Thesen bezüglich maritimer Macht und ihre Bedeu-

tung auf der globalen Bühne im 21. Jahrhundert.

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EINLEITUNG

Im Zentrum der theoretischen Betrachtung von Seemacht stehen zwei Eckpfeiler von Machtpolitik, nämlich die Geopolitik und der klassische Realismus mit seinen

weiterentwickelten Zweigen. Machtpolitik bedingt neben den Umsetzungsmitteln wie Diplomatie, wirtschaftlicher Stärke und militärischem Potenzial auch theore-tische, strategische und konzeptionelle (also die Planung und Umsetzung betref-fende) Elemente. Wiewohl wissenschaftlich fundierte theoretische Überlegungen erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt und festgelegt wurden, haben ge-nerelle Lehren und Gesetzmäßigkeiten schon immer eine Rolle gespielt: von Tuky-dides über T. Moore, T. Hobbes, N. Machiavelli, die französischen Aufklärer und I. Kant hin bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden politisch-theoretische Über-legungen angestellt und den Entscheidungsträgern als Hilfe bei der Beurteilung des gegnerischen und der Festlegung des eigenen Verhaltens/Vorgehens angeboten.

ALFRED T. MAHAN

Der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts parallel zur wissenschaftlich-theoretischen Entwicklung verlaufende technische Fortschritt mit dem Dampfantrieb, dem Schiffbau aus Stahl, der Entwicklung von drehbaren Geschütztürmen für immer weitreichendere Gefechtsdistanzen führte zu einem rasanten Anstieg der Bedeu-tung maritimen Potenzials bei politischen Problemen und eventuell nachfolgenden militärischen Auseinandersetzungen. A. T. Mahan1 hat erstmals in der modernen Geschichte gegen Ende des 19. Jahrhunderts die strategische Bedeutung von See-macht untersucht und offen gelegt. Alle Überlegungen Mahans waren naturgemäß von der amerikanischen Position und den damals notwendigen Zielsetzung bei Machtprojektion bestimmt. Ohne den wissenschaftlich-geopolitischen Ansatz von Mackinder2 bezüglich Land-Seemacht, Beherrschung von Räumen aus der geogra-fischen Lage des Staates und der damit verbundenen Rohstofflage (Geopolitik) zu kennen, hat Mahan die Lage und nachhaltige Entwicklung der Vereinigten Staaten, ihre Rolle als Seemacht, weil Handels- und politische Macht, klar vorhergesehen.

1 Alfred Thayer Mahan (*1840, †1914); Columbia University, Naval Academy, ab 1861 Marineoffizier, 1872 Commander. 1887 Präsident des Naval War College, Rear Admiral. 1890: The Influence of SeaPower upon History. 1897: The Interest of America in Sea Power. Veröffentlichungen zu Taktik und Strategie von Seegefechten.

2 Halford John Mackinder (*1867, †1941); trat nach dem Studium an der Oxford-University1886 in die Royal Geographical Society ein und wurde 1887 an seiner Universität zum ersten außerordentlichen Pro-fessor für Geographie ernannt. 1904 Essay: The Geographical Pivot of History. Nachfolgend Direktor der Londoner School of Economics (1904–1908) war er auch Mitglied im britischen Unterhaus (1909–1922).

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8 1 – DIE THEORETISCHEN GRUNDLAGEN VON SEEMACHT

Während Mackinder eine erste wissenschaftliche Theorie bezüglich Machtpolitik (die Hartland-Theory)3 im Rahmen der Geopolitik (Lage-Raum-Rohstoffe-Verbin-dungswege) darlegte, hat Mahan schon früher die operationellen Notwendigkeiten aus der maritimen Strategie der Vereinigten Staaten heraus definiert: weltweiter Handel, der naturgemäß damals wie heute einer starken Handelsmarine bedurfte, musste geschützt werden. Das militärische Instrument, die Kriegsmarine, musste so beschaffen sein, dass jeder potentielle Gegner von Übergriffen abgeschreckt, im Kriegsfall in einem entscheidenden Gefecht geschlagen werden konnte. Mahan un-terscheidet – je nach strategischer Ausrichtung und operativer Stärke – zwischen einem primär offensiven Konzept, der Fleet in Dispersal, und einem eher passiven, der Fleet in Being. Ersteres Konzept geht von einer permanenten Präsenz auf den entscheidenden Ozeanen und somit von maritimer Projektion aus, das zweite muss aber, trotz geringerer operativer Kräfte und Stärke, beachtet werden, weil ständig mit vorhandenen und einsetzbaren Kräften gerechnet werden muss. Im Wesent-lichen werden diese beiden Konzepte auch heute noch beachtet, wie noch darge-stellt wird. Es bleiben somit die Kernpunkte offensive oder defensive Seemacht und maritime Projektion (Mahan) sowie die Bedeutung der geografischen Gegeben-heiten eines Staates (Mackinder) für seine Politik/Strategie und die Ausrichtung des operativen Konzeptes bestehen und analyserelevant.

Mit dem Ersten Weltkrieg hat nach Bobbitt4 das Jahrhundert des Langen Krieges begonnen. Zunächst der Japanisch-Russische und der Erste Weltkrieg, dann der Zweite Weltkrieg und der Kalte Krieg haben in Bezug auf Ablauf, Bedeutung und die theoretisch-strategischen Basiselemente Mahan und Mackinder bestätigt. Eine einzige Seeschlacht (Tshushima, 27./28.05.1905) entschied den Krieg zu Gunsten der aufsteigenden asiatischen Macht Japan; Russland, eine europäisch-asiatische Großmacht, scheiterte auf dem Land (Eroberung Port Arthurs) nach dem Verlust der Seeschlacht und den daraus resultierenden logistischen und kräftemäßigen Fol-gen. Die Seemacht Japan begann ihren Aufstieg in Ostasien zur dominanten Macht, um vierzig Jahre später an der vor allem maritimen Stärke der Vereinigten Staaten zu zerbrechen. Der Erste Weltkrieg selbst war primär ein Landkrieg auf dem euro-päischen Kontinent mit den zwei großen Frontabschnitten im Osten Frankreichs und an der deutschen Ostgrenze zu Russland. Aber auch in diesem ersten, globalen

3 Mackinders geopolitische Kernthese: „Who rules East Europe commands the Heartland. Who rules the Heartland commands the World-Island. Who rules the World-Island commands the world.”

4 Philip Chase Bobbitt (*1948), amerikanischer Militärstratege, Verfassungsrechtler, Hochschullehrer und Autor. 2002: The Shield of Achilles. War, Peace and the Course of History; 2008: Terror and Consent. The Wars for the 21. Century. Bobbitts These (in: The Shield of Achilles) vom Jahrhundert (20.) des Lan-gen Krieges stellt die großen kriegerischen Auseinandersetzungen des vergangenen Jahrhunderts als ei-nen einzigen langen Krieg mit Unterbrechungen dar: Erster Weltkrieg, Spanischer Bürgerkrieg, Zweiter Weltkrieg, Korea-Krieg, die Vietnam-Kriege sowie der Kalte Krieg enden mit der Charta von Paris 1990 (im Rahmen der OSZE).

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