1
Seite 30 / Montag, 15. Januar 2001, Nr. 12 Frankfurter Allgemeine Zeitung Betrieb und Praxis im Überblick N ichts hat das Marketing jedoch so er- schüttert wie das plötzliche Auftau- chen des ominösen „E“. Mit den neuen elektronischen Medien, speziell dem In- ternet, sind nämlich nicht nur neue Ab- satz- und Kommunikationsmodi entstan- den. Vielmehr werden dadurch auch zahl- reiche Leitbilder des klassischen Marke- ting in Frage gestellt. Marketing für die breite Masse nach dem Push-Prinzip? Pu- stekuchen: Im Internet zählt die individu- elle Ansprache, bei der der Konsument selbst bestimmt, was er sehen, kaufen und an Zusatzinformationen erhalten will. Auch andere klassische Paradig- men, wie zum Beispiel die strenge Ab- grenzung vom Wettbewerb (kompetitiver Konkurrenzvorteil), die Konzentration auf einige wenige Distributionswege oder die Orientierung an festen Zielgrup- penrastern, werden zunehmend durch die neuen Realitäten des E-Marketing konterkariert. Die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern (coopetition), die Steue- rung eines breiten Distributionsmixes (multi-channeling) und ein adaptives Zielgruppenverständnis gehören schließ- lich längst zum Alltag der „E-conomy“. Dies zeigt, daß zumindest in der Praxis ein radikales Umdenken bereits stattge- funden hat. Wie aber sehen die Eckpfei- ler dieses neuen Marketing aus konzep- tioneller Sicht aus, und welche Herausfor- derungen ergeben sich daraus für die un- ternehmerische Praxis? Vielfalt der Schnittstellen Eine der zentralen Herausforderungen für das Marketing der Zukunft ist die enorme Multiplizierung der Schnittstel- len zum Kunden. War der Kontakt zwi- schen Herstellern und Verbrauchern frü- her meist nur auf einige wenige Bereiche (traditioneller Handel, klassische Wer- bung) beschränkt, so hat die Digitalisie- rung der Märkte die Zahl der Schnittstel- len (interfaces) zwischen Kunden und Unternehmen deutlich erhöht (Internet, Extranets, M-Commerce, T-Commerce). Das „E“ im E-Marketing steht daher nicht nur für die verstärkte Nutzung elek- tronischer Medien, sondern auch für eine konsequente Ausdehnung der Aktionsfel- der im Marketing (extended marketing) und die effiziente Ausgestaltung der Schnittstellen zwischen Unternehmen, Kunden und der sonstigen Umwelt. König Kunde Die Kundenorientierung gehörte im- mer schon zu den zentralen Handlungs- maximen eines erfolgreichen Marketing. In Zeiten des „E“ haben sich jedoch die Vorstellungen darüber, wie man eine effi- ziente Kundenorientierung am besten er- reichen kann, fundamental verändert. Waren in den achtziger und neunziger Jahren die meisten Kundenmanagement- systeme noch darauf ausgerichtet, mög- lichst umfangreiche Daten von möglichst vielen Kunden zu sammeln, um diese dann mit standardisierten Angeboten be- dienen zu können, so konzentrieren sich in Zeiten des E-Commerce die meisten Kundenmanagementsysteme darauf, Nachfrager individuell und in Abhängig- keit von ihren jeweiligen Bedürfnislagen anzusprechen. Nicht mehr die möglichst exakte Einordnung des Kunden in feste Zielgruppensegmente, sondern eine opti- male Bedürfnisbefriedigung gemäß der Regel „24/7/w/w“ (24 hours a day, seven days a week, wherever you are, whatever you want) stehen dabei im Vordergrund des New Marketing. Es ist offensichtlich, daß sich die Machtverhältnisse am Markt durch diese Entwicklung deutlich ver- schieben werden. John Hagel III. und Arthur G. Armstrong sprechen in die- sem Zusammenhang auch von „umge- drehten“ Märkten (reverse markets), auf denen in zunehmendem Maße Konsu- menten die Umstände marktlicher Trans- aktionen (den Preis oder die endgültige Konfiguration eines Produkts) bestim- men. Durch den Wegfall von Rabattge- setz und Zugabeverordnung wird diese Machtverschiebung zukünftig noch deut- licher hervortreten. Flexibilität Je stärker Unternehmen diese Macht- verschiebung zu spüren bekommen und je mehr sie ihr durch eine möglichst indi- viduelle Kundenansprache im World- wide Web, über das Handy, das digitale Fernsehen und sonstige Schnittstellen be- gegnen wollen, um so breiter und varia- bler müssen auch die Instrumente sein, mit denen die Bedürfnisse von Kunden erfaßt und befriedigt werden. In der No- vemberausgabe des Harvard Business Re- view haben David Kenny und John F. Marshall das „kontextuelle Marketing“ gleich zum zentralen Leitbild zukunfts- orientierter Absatzpolitik erklärt: Egal, wo sich ein potenzieller Kunde jeweils be- finde (im Supermarkt, auf Reisen, bei der Arbeit oder zu Hause vor dem Fern- seher oder Computer). Die zentrale Auf- gabe des Marketing bestehe immer dar- in, sich dem jeweils gegebenen Kontext flexibel anzupassen und Tools zur Verfü- gung zu stellen, die es ermöglichen, situa- tive Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Das „Wie“ im Marketing (sprich die Um- fassenheit, Schnelligkeit, vor allem aber auch die situative Angemessenheit der In- teraktion mit dem Kunden) wird dem- nach zukünftig mindestens genauso wich- tig für den Erfolg eines Unternehmens sein wie das eigentliche Angebot. Ein Beispiel für eine derart flexible Kunden- ansprache liefert der amerikanische Kos- metik- und Pharmahersteller Johnson & Johnson. Dieser hatte im vergangenen Jahr die Werbeeinspielungen für sein Kopfschmerzmittel Tylenol so automati- siert, daß immer dann Promo-Banner des Produkts auf Broker- und Finanzsei- ten erschienen, wenn die Kurse fielen. Automatisierung Ohne ein hohes Maß an Automatisie- rung wären die hier beschriebenen Verän- derungen im praktischen Marketing kaum umzusetzen. ACRM-Systeme (A steht für Analytical, CRM für Customer Relationship Management) wie sie unter anderen von Siebel Systems, Oracle, Peoplesoft, Nortel Networks, Broadvisi- on oder Vignette angeboten werden, ge- hören daher heute zu den am meisten nachgefragten Produkten am Markt für Firmensoftware. Die besondere Kunst be- steht nun darin, diese Instrumente so ein- zusetzen, daß sie dem Verbraucher einen optimalen Service bieten, ohne ihn dabei zu entmündigen. Kunden von Delta Air- lines werden beispielsweise über das neue CRM-System der Fluggesellschaft direkt über Verspätungen und Engpässe informiert und auf neue Maschinen um- gebucht. Einen ganz ähnlichen Service bietet das amerikanische Internet-Reise- büro Biztravel: Eine Stunde vor Antritt einer Reise versorgt dieses seine Kunden per SMS, E-Mail oder Pager mit individu- ellen Informationen (aktuelle Abflug- zeit, Hotels, Parkmöglichkeiten, Wetter). Ähnliche Serviceleistungen haben längst schon den B2B-Bereich erfaßt. So kön- nen zum Beispiel Handelskunden von Nestlé in Amerika seit Juli 2000 ihre Be- stellungen von Schokoladenriegeln und anderen Produkten direkt über die Web- site Easy Order (www.nestleEZorder) ab- wickeln. Zur Optimierung der Kommuni- kations- und Transaktionsprozesse mit Zulieferern hat Nestlé gemeinsam mit Danone, Henkel und einer Vielzahl wei- terer Konsumgüterhersteller den Extra- net-Marktplatz CPGmarket.com geschaf- fen. Eines der zentralen Probleme, denen sich das Marketing heute gegenübersieht, ist seine zunehmende Zerfaserung. Längst schon ist das herkömmliche Marketingin- strumentarium durch neue Tätigkeitsfelder (Sponsoring, Eventmarketing, Investor Re- lations) ergänzt worden. Lassen sich die meisten dieser Aktivitäten noch relativ ein- fach unter die klassischen „4P“ (Produkt-, Preis-, Distributions-, Kommunikationspoli- tik) subsumieren, so gilt dies kaum für ein zeitgemäßes Kundenmanagement. Dieses liegt quer zum herkömmlichen Marketing- mix und faßt unterschiedlichste Aktivitäten aus verschiedenen Teilbereichen des Marke- ting zusammen. Es ist daher durchaus ange- messen, vom „Prozeßmanagement“ als fünftem „P“ eines zeitgemäßen Marketing- mix zu sprechen. Dieses fünfte „P“ steht symbolisch für die Einbindung des Kunden in einen integrativen Loop, der von der ge- zielten Kontaktaufnahme, der Information und dem Kauf bis hin zur fortdauernden In- teraktion mit dem Kunden reicht. Netzwerke Vordenker der neuen Medienwelten wie Marshall McLuhan haben schon vor Jahrzehnten in der Vernetzung das zentra- le Merkmal zukünftiger Kommunikati- ons-, Lebens- und Wirtschaftsformen er- kannt. Daß auch die Marketingwelten zu- nehmend von diesem Paradigma geprägt sind, ist unter anderem daran zu erken- nen, daß das Relationship Management in der Marketingpraxis zunehmend an Be- deutung gewinnt. Nicht ohne Grund häu- fen sich am Stellenmarkt die Ausschrei- bungen für Positionen wie die eines Head of Cooperations, Client Relationship Ma- nagers, Leiters Investor Relations oder Ex- perten Interne Kommunikation. Ein we- sentliches Kennzeichen dieser neuen Netz- welten ist, daß in ihnen Kommunikation nicht einseitig verläuft (one-to-many), son- dern verteilt (many-to-many). Dies stellt nicht nur enorme Herausforderungen an die Unternehmensorganisation, sondern bringt auch völlig neue Marktmodelle mit sich. Neben den durch zentrale Institutio- nen geprägten Marktplätzen gewinnen zu- nehmend auch nach dem Peer-to-peer- Prinzip strukturierte Märkte, auf denen Anbieter und Nachfrager direkt miteinan- der in Austauschbeziehungen treten, an Bedeutung. Der amerikanische Marke- ting-Professor Andrew McAfee spricht in diesem Zusammenhang bereits von einer „Napsterisierung“ der Märkte, eine Ent- wicklung, die den B2B- wie den B2C-Be- reich gleichermaßen erfaßt. Segmentierung Die beschriebenen Transformationen des Marketing durch das „E“ haben an der eigentlichen unternehmerischen Kern- aufgabe nicht wirklich etwas verändert. Nach wie vor geht es für jeden Unterneh- mer darum, Produkte so anzubieten, daß sie bei möglichst geringem Aufwand und mit möglichst hohen Erträgen abgesetzt werden können. Diese Prämisse markiert eine natürliche Grenze für jede Form des flexiblen und individualisierten Marke- ting. Jeder Kunde eine eigene Zielgrup- pe? Klingt gut, ist aber aus Rentabilitätsge- sichtspunkten kaum umzusetzen. Gefragt sind daher Segmentierungsansätze, die eine effiziente Marktbearbeitung ermögli- chen und dennoch flexibel genug sind, um auch schwankende Verbraucherneigun- gen aufgreifen zu können. Ein Vorbild hierfür liefert das Digitale Fernsehen. Ne- ben dem komplett individualisierten Fern- sehprogramm (One-to-one-Casting) gilt dort gerade die Gestaltung von Programm- schemata nach dem „Multicasting-Prin- zip“ als Erfolgsmodell. Hierbei wird eine Vielzahl von Programmpaketen so zusam- mengestellt, thematisch kategorisiert und „on demand“ größeren Zuschauergrup- pen zugänglich gemacht, daß selbst Kun- den mit wechselnden Bedürfnislagen opti- mal bedient werden können. Derartige Leistungsschemata, die fertige Produkt-/ Dienstleistungsmodule mit individuellen Angebotsoptionen verknüpfen, sind für das Marketing insgesamt wegweisend. Wenn, wie inzwischen auch in Deutsch- land der Fall, die Marke immer häufiger als „das wichtigste Kapital des Unterneh- mens“ (Jean-Noël Kapferer) bezeichnet wird, so ist darin keine bloße Übertrei- bung selbstverliebter Markenexperten zu sehen, sondern schlichtweg die Einsicht in eine klare Notwendigkeit. Die Marke ist die einzige Größe, die angesichts der zu- nehmenden Komplexität und Dynamik marktlicher Entwicklungen noch als zuver- lässiger Orientierungsanker für Konsu- menten wie Manager dienen kann. Sie ist es, die den vielfältigen Auftritt eines Un- ternehmens wie eine Art Rahmen (frame) zusammenhält. Natürlich muß auch das Markenmanagement heute verstärkt neue Wege beschreiten. Eine verstärkte Com- munity-Orientierung, dialogische Kommu- nikationskonzepte und eine hochgradige Vernetzung mit den multiplen Umfeldern einer Marke (Milieus, Szenen, Produkt-, Themen-, Bilderwelten) gehören daher heute genauso zu einem erfolgreichen Markenmanagement wie eine klare Mar- kenpositionierung, die Wahrung der CI/ CD und eine zukunftsgerichtete Markenin- novation. Diese umzusetzen und gleichzei- tig Wiedererkennbarkeit und Kontinuität in der Entwicklung zu bieten, darin ist die wohl wichtigste Herausforderung eines zeitgemäßen Markenmanagements zu se- hen. So gesehen, übernehmen Markenma- nager gerade in Zeiten des „E“ eine zen- trale Funktion. Es ist ihre Aufgabe sicher- zustellen, daß der innere Zusammenhang und die Strahlkraft des Markenauftritts auch dann nicht verlorengeht, wenn Unter- nehmen den Radius und die Frequenz ih- rer Marketingaktivitäten, im digitalen wie im nichtdigitalen Bereich, deutlich erhö- hen. Ästhetik In den ausdifferenzierten Lebens- und Arbeitswelten der Hypermoderne lassen sich klare Marketingbotschaften nur noch schwer durchsetzen. Dies hängt zum einen mit der Flut kommunikativer Botschaften zusammen, denen wir tagtäg- lich ausgesetzt sind. Hinzu kommt jedoch auch eine gewisse Ermüdung der Mas- sen, die an die „großen Erzählungen“ (Jean-François Lyotard) des Marketing nicht mehr so recht glauben wollen. Ob die Kommunikation eines Unterneh- mens funktioniert, ist daher auch immer weniger eine Frage der transportierten Botschaft als vielmehr ihrer ästhetischen Verpackung. Es sind die gut gemachten, witzigen, aufmerksamkeitsstarken Bot- schaften, die unser Ohr wie unser Auge am ehesten treffen. Marketingmanager sind hier in vielerlei Hinsicht gefordert: Sie müssen ästhetische Rahmungen schaf- fen, die für den Konsumenten wiederer- kennbar sind und sich auf die unter- schiedlichsten Bereiche übertragen las- sen. Es versteht sich von selbst, daß diese Rahmungen zum Profil des Unterneh- mens, den von diesem angebotenen Pro- dukten und Dienstleistungen, den Stilprä- ferenzen der Kunden und den allgemei- nen ästhetischen Entwicklungen im Um- feld passen müssen, eine Herausforde- rung, die nur in Zusammenarbeit von De- signern und Marketingexperten sinnvoll gemeistert werden kann. Abschied vom USP Was bleibt bei all den hier beschriebe- nen Transformationen noch übrig vom klassischen Marketing? Müssen wir tat- sächlich Abschied nehmen von den lieb- gewonnenen Prinzipien und Denkmodel- len traditioneller Marketingarbeit? Eines ist sicher: Einige Konventionen wie zum Beispiel die, man könne heute seine Ver- marktungsbemühungen immer noch auf einen einzelnen Verkaufsvorteil (USP) stützen, bedürfen einer dringenden Revi- sion. Es ist vielmehr die kreative Kombi- nation verschiedener Vorteile (die „uni- que sampling proposition“), welche für den Absatzerfolg in den hochkomplexen Produkt- und Dienstleistungswelten von morgen entscheidend sein wird. Vielleicht gehen die hier beschriebe- nen Entwicklungen sogar noch weiter. Vielleicht gibt es ja irgendwann das Mar- keting, wie wir es heute kennen, über- haupt nicht mehr. So überraschend wäre das nicht. Es ist schließlich ein Kennzei- chen hochgradig ausdifferenzierter und vernetzter Welten, daß in ihnen Funkti- onsbereichsgrenzen tendenziell ver- schwinden. In vielen Unternehmen der New Economy ist das Marketingmanage- ment heute schon auf Tätigkeiten des Brand & Communication Management beschränkt. Klassische Marketingfunktio- nen wie etwa das Produktmanagement, die Distributionspolitik oder das Preisma- nagement werden statt dessen von Busi- ness Development Managern, Content- Verantwortlichen, CRM-Experten, Sy- sops (systems operators) und natürlich den Kunden selbst übernommen. Und? Wäre eine derartiges Auflösung des Marketing wirklich so schlimm? Schließlich würde man damit sogar Heri- bert Meffert, einem der Urväter des Mar- keting in Deutschland, gerecht, der schon vor Jahren prophezeit hat, vom Marke- ting, wie wir es heute kennen, sei bald nichts mehr übrig. Nicht weil es sich bis dahin komplett überflüssig gemacht habe, sondern im Gegenteil: Weil es dann so selbstverständlich zum unterneh- merischen Handeln gehören würde, daß man gegebenenfalls sogar auf einen eige- nen Funktionsbereich „Marketing“ ver- zichten könnte. Dr. Christoph Herrmann ist Gastprofessor an der Hochschule der Künste Berlin im Bereich Ge- sellschafts- und Wirtschaftskommunikation und Autor und Herausgeber verschiedener Fachbü- cher zum Thema E-Marketing, Markenführung, Trendmanagement und Design. Das neue Marketing Die Herausforderung durch die elektronischen Medien / Wie aber sehen die Eckpfeiler dieses neuen Marketing aus konzeptioneller Sicht aus? / Von Christoph Herrmann Neue Zeiten prägen neue Begriff- lichkeiten: Turbomarketing, Hy- permarketing, Permission Marke- ting, Marketing by World- making. Stecken dahinter nur vor- übergehende Modeerscheinungen oder doch fundamentale Verände- rungen, die eine grundsätzliche Neuorientierung des Marketing notwendig machen? Tatsache ist, daß sich die meisten Unterneh- men seit Jahren in immer komple- xer werdenden Umfeldern behaup- ten müssen. Abnehmende Pro- duktlebenszyklen, ausdifferenzier- te Angebots- und Nachfragestruk- turen, zunehmende Globalisie- rungstendenzen, dynamische Ver- braucherneigungen, all dies sind Faktoren, die selbst konservative Vertreter der Marketingzunft im- mer häufiger von der Existenz ei- nes Hyperwettbewerbs sprechen lassen. Entsprechend zahlreich sind inzwischen die Stimmen, die zu einer Neuorientierung im Mar- keting auffordern. Sie reichen von radikaltransformatorischen Über- legungen, wie sie unter anderen der Worpsweder Trendforscher Gerd Gerken in seinen Buchpubli- kationen anstellt, bis hin zu mode- raten Ansätzen, in denen eine eher vorsichtige „Rekonstruktion des Marketingansatzes“ (Klaus-Pe- ter Wiedmann) angeregt wird. re.

Seite30/Montag,15.Januar2001,Nr.12 Betrieb und Praxis im ... · lichkeiten: Turbomarketing, Hy-permarketing, Permission Marke-ting, Marketing by World-making.Stecken dahinter nur

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Seite 30 / Montag, 15. Januar 2001, Nr. 12 Frankfurter Allgemeine ZeitungBetrieb und Praxis im Überblick

N ichts hat das Marketing jedoch so er-schüttert wie das plötzliche Auftau-

chen des ominösen „E“. Mit den neuenelektronischen Medien, speziell dem In-ternet, sind nämlich nicht nur neue Ab-satz- und Kommunikationsmodi entstan-den. Vielmehr werden dadurch auch zahl-reiche Leitbilder des klassischen Marke-ting in Frage gestellt. Marketing für diebreite Masse nach dem Push-Prinzip? Pu-stekuchen: Im Internet zählt die individu-elle Ansprache, bei der der Konsumentselbst bestimmt, was er sehen, kaufen

und an Zusatzinformationen erhaltenwill. Auch andere klassische Paradig-men, wie zum Beispiel die strenge Ab-grenzung vom Wettbewerb (kompetitiverKonkurrenzvorteil), die Konzentrationauf einige wenige Distributionswegeoder die Orientierung an festen Zielgrup-penrastern, werden zunehmend durchdie neuen Realitäten des E-Marketingkonterkariert. Die Zusammenarbeit mitWettbewerbern (coopetition), die Steue-rung eines breiten Distributionsmixes(multi-channeling) und ein adaptivesZielgruppenverständnis gehören schließ-lich längst zum Alltag der „E-conomy“.Dies zeigt, daß zumindest in der Praxisein radikales Umdenken bereits stattge-funden hat. Wie aber sehen die Eckpfei-ler dieses neuen Marketing aus konzep-tioneller Sicht aus, und welche Herausfor-derungen ergeben sich daraus für die un-ternehmerische Praxis?

Vielfalt der Schnittstellen

Eine der zentralen Herausforderungenfür das Marketing der Zukunft ist dieenorme Multiplizierung der Schnittstel-len zum Kunden. War der Kontakt zwi-schen Herstellern und Verbrauchern frü-her meist nur auf einige wenige Bereiche(traditioneller Handel, klassische Wer-bung) beschränkt, so hat die Digitalisie-rung der Märkte die Zahl der Schnittstel-len (interfaces) zwischen Kunden undUnternehmen deutlich erhöht (Internet,Extranets, M-Commerce, T-Commerce).Das „E“ im E-Marketing steht dahernicht nur für die verstärkte Nutzung elek-tronischer Medien, sondern auch für einekonsequente Ausdehnung der Aktionsfel-der im Marketing (extended marketing)und die effiziente Ausgestaltung derSchnittstellen zwischen Unternehmen,Kunden und der sonstigen Umwelt.

König Kunde

Die Kundenorientierung gehörte im-mer schon zu den zentralen Handlungs-maximen eines erfolgreichen Marketing.In Zeiten des „E“ haben sich jedoch dieVorstellungen darüber, wie man eine effi-ziente Kundenorientierung am besten er-reichen kann, fundamental verändert.Waren in den achtziger und neunzigerJahren die meisten Kundenmanagement-systeme noch darauf ausgerichtet, mög-lichst umfangreiche Daten von möglichst

vielen Kunden zu sammeln, um diesedann mit standardisierten Angeboten be-dienen zu können, so konzentrieren sichin Zeiten des E-Commerce die meistenKundenmanagementsysteme darauf,Nachfrager individuell und in Abhängig-keit von ihren jeweiligen Bedürfnislagenanzusprechen. Nicht mehr die möglichstexakte Einordnung des Kunden in festeZielgruppensegmente, sondern eine opti-male Bedürfnisbefriedigung gemäß derRegel „24/7/w/w“ (24 hours a day, sevendays a week, wherever you are, whateveryou want) stehen dabei im Vordergrunddes New Marketing. Es ist offensichtlich,daß sich die Machtverhältnisse am Marktdurch diese Entwicklung deutlich ver-schieben werden. John Hagel III. undArthur G. Armstrong sprechen in die-

sem Zusammenhang auch von „umge-drehten“ Märkten (reverse markets), aufdenen in zunehmendem Maße Konsu-menten die Umstände marktlicher Trans-aktionen (den Preis oder die endgültigeKonfiguration eines Produkts) bestim-men. Durch den Wegfall von Rabattge-setz und Zugabeverordnung wird dieseMachtverschiebung zukünftig noch deut-licher hervortreten.

Flexibilität

Je stärker Unternehmen diese Macht-verschiebung zu spüren bekommen undje mehr sie ihr durch eine möglichst indi-viduelle Kundenansprache im World-wide Web, über das Handy, das digitaleFernsehen und sonstige Schnittstellen be-gegnen wollen, um so breiter und varia-bler müssen auch die Instrumente sein,mit denen die Bedürfnisse von Kundenerfaßt und befriedigt werden. In der No-vemberausgabe des Harvard Business Re-view haben David Kenny und John F.Marshall das „kontextuelle Marketing“gleich zum zentralen Leitbild zukunfts-orientierter Absatzpolitik erklärt: Egal,wo sich ein potenzieller Kunde jeweils be-finde (im Supermarkt, auf Reisen, beider Arbeit oder zu Hause vor dem Fern-seher oder Computer). Die zentrale Auf-gabe des Marketing bestehe immer dar-in, sich dem jeweils gegebenen Kontextflexibel anzupassen und Tools zur Verfü-gung zu stellen, die es ermöglichen, situa-tive Bedürfnisse optimal zu befriedigen.Das „Wie“ im Marketing (sprich die Um-fassenheit, Schnelligkeit, vor allem aberauch die situative Angemessenheit der In-teraktion mit dem Kunden) wird dem-nach zukünftig mindestens genauso wich-tig für den Erfolg eines Unternehmenssein wie das eigentliche Angebot. EinBeispiel für eine derart flexible Kunden-ansprache liefert der amerikanische Kos-metik- und Pharmahersteller Johnson &Johnson. Dieser hatte im vergangenenJahr die Werbeeinspielungen für seinKopfschmerzmittel Tylenol so automati-siert, daß immer dann Promo-Bannerdes Produkts auf Broker- und Finanzsei-ten erschienen, wenn die Kurse fielen.

Automatisierung

Ohne ein hohes Maß an Automatisie-rung wären die hier beschriebenen Verän-derungen im praktischen Marketingkaum umzusetzen. ACRM-Systeme (Asteht für Analytical, CRM für CustomerRelationship Management) wie sie unteranderen von Siebel Systems, Oracle,Peoplesoft, Nortel Networks, Broadvisi-on oder Vignette angeboten werden, ge-hören daher heute zu den am meistennachgefragten Produkten am Markt fürFirmensoftware. Die besondere Kunst be-steht nun darin, diese Instrumente so ein-zusetzen, daß sie dem Verbraucher einenoptimalen Service bieten, ohne ihn dabeizu entmündigen. Kunden von Delta Air-lines werden beispielsweise über dasneue CRM-System der Fluggesellschaftdirekt über Verspätungen und Engpässeinformiert und auf neue Maschinen um-gebucht. Einen ganz ähnlichen Servicebietet das amerikanische Internet-Reise-büro Biztravel: Eine Stunde vor Antritteiner Reise versorgt dieses seine Kundenper SMS, E-Mail oder Pager mit individu-ellen Informationen (aktuelle Abflug-zeit, Hotels, Parkmöglichkeiten, Wetter).Ähnliche Serviceleistungen haben längstschon den B2B-Bereich erfaßt. So kön-nen zum Beispiel Handelskunden vonNestlé in Amerika seit Juli 2000 ihre Be-stellungen von Schokoladenriegeln undanderen Produkten direkt über die Web-site Easy Order (www.nestleEZorder) ab-wickeln. Zur Optimierung der Kommuni-kations- und Transaktionsprozesse mitZulieferern hat Nestlé gemeinsam mitDanone, Henkel und einer Vielzahl wei-terer Konsumgüterhersteller den Extra-net-Marktplatz CPGmarket.com geschaf-fen.

Eines der zentralen Probleme, denensich das Marketing heute gegenübersieht,

ist seine zunehmende Zerfaserung. Längstschon ist das herkömmliche Marketingin-strumentarium durch neue Tätigkeitsfelder(Sponsoring, Eventmarketing, Investor Re-lations) ergänzt worden. Lassen sich diemeisten dieser Aktivitäten noch relativ ein-fach unter die klassischen „4P“ (Produkt-,Preis-, Distributions-, Kommunikationspoli-tik) subsumieren, so gilt dies kaum für einzeitgemäßes Kundenmanagement. Diesesliegt quer zum herkömmlichen Marketing-mix und faßt unterschiedlichste Aktivitätenaus verschiedenen Teilbereichen des Marke-ting zusammen. Es ist daher durchaus ange-messen, vom „Prozeßmanagement“ alsfünftem „P“ eines zeitgemäßen Marketing-mix zu sprechen. Dieses fünfte „P“ stehtsymbolisch für die Einbindung des Kundenin einen integrativen Loop, der von der ge-zielten Kontaktaufnahme, der Informationund dem Kauf bis hin zur fortdauernden In-teraktion mit dem Kunden reicht.

Netzwerke

Vordenker der neuen Medienweltenwie Marshall McLuhan haben schon vorJahrzehnten in der Vernetzung das zentra-le Merkmal zukünftiger Kommunikati-ons-, Lebens- und Wirtschaftsformen er-kannt. Daß auch die Marketingwelten zu-nehmend von diesem Paradigma geprägtsind, ist unter anderem daran zu erken-nen, daß das Relationship Management inder Marketingpraxis zunehmend an Be-deutung gewinnt. Nicht ohne Grund häu-fen sich am Stellenmarkt die Ausschrei-bungen für Positionen wie die eines Headof Cooperations, Client Relationship Ma-nagers, Leiters Investor Relations oder Ex-perten Interne Kommunikation. Ein we-sentliches Kennzeichen dieser neuen Netz-welten ist, daß in ihnen Kommunikationnicht einseitig verläuft (one-to-many), son-dern verteilt (many-to-many). Dies stelltnicht nur enorme Herausforderungen andie Unternehmensorganisation, sondernbringt auch völlig neue Marktmodelle mitsich. Neben den durch zentrale Institutio-nen geprägten Marktplätzen gewinnen zu-nehmend auch nach dem Peer-to-peer-Prinzip strukturierte Märkte, auf denenAnbieter und Nachfrager direkt miteinan-der in Austauschbeziehungen treten, anBedeutung. Der amerikanische Marke-ting-Professor Andrew McAfee spricht indiesem Zusammenhang bereits von einer„Napsterisierung“ der Märkte, eine Ent-wicklung, die den B2B- wie den B2C-Be-reich gleichermaßen erfaßt.

Segmentierung

Die beschriebenen Transformationendes Marketing durch das „E“ haben ander eigentlichen unternehmerischen Kern-aufgabe nicht wirklich etwas verändert.Nach wie vor geht es für jeden Unterneh-mer darum, Produkte so anzubieten, daßsie bei möglichst geringem Aufwand undmit möglichst hohen Erträgen abgesetztwerden können. Diese Prämisse markierteine natürliche Grenze für jede Form desflexiblen und individualisierten Marke-ting. Jeder Kunde eine eigene Zielgrup-pe? Klingt gut, ist aber aus Rentabilitätsge-sichtspunkten kaum umzusetzen. Gefragtsind daher Segmentierungsansätze, dieeine effiziente Marktbearbeitung ermögli-chen und dennoch flexibel genug sind, umauch schwankende Verbraucherneigun-gen aufgreifen zu können. Ein Vorbildhierfür liefert das Digitale Fernsehen. Ne-ben dem komplett individualisierten Fern-sehprogramm (One-to-one-Casting) giltdort gerade die Gestaltung von Programm-schemata nach dem „Multicasting-Prin-zip“ als Erfolgsmodell. Hierbei wird eineVielzahl von Programmpaketen so zusam-mengestellt, thematisch kategorisiert und„on demand“ größeren Zuschauergrup-pen zugänglich gemacht, daß selbst Kun-den mit wechselnden Bedürfnislagen opti-mal bedient werden können. DerartigeLeistungsschemata, die fertige Produkt-/Dienstleistungsmodule mit individuellenAngebotsoptionen verknüpfen, sind fürdas Marketing insgesamt wegweisend.

Wenn, wie inzwischen auch in Deutsch-land der Fall, die Marke immer häufigerals „das wichtigste Kapital des Unterneh-mens“ (Jean-Noël Kapferer) bezeichnetwird, so ist darin keine bloße Übertrei-bung selbstverliebter Markenexperten zusehen, sondern schlichtweg die Einsicht ineine klare Notwendigkeit. Die Marke istdie einzige Größe, die angesichts der zu-nehmenden Komplexität und Dynamikmarktlicher Entwicklungen noch als zuver-lässiger Orientierungsanker für Konsu-menten wie Manager dienen kann. Sie istes, die den vielfältigen Auftritt eines Un-ternehmens wie eine Art Rahmen (frame)zusammenhält. Natürlich muß auch dasMarkenmanagement heute verstärkt neueWege beschreiten. Eine verstärkte Com-munity-Orientierung, dialogische Kommu-nikationskonzepte und eine hochgradigeVernetzung mit den multiplen Umfelderneiner Marke (Milieus, Szenen, Produkt-,Themen-, Bilderwelten) gehören daherheute genauso zu einem erfolgreichenMarkenmanagement wie eine klare Mar-kenpositionierung, die Wahrung der CI/CD und eine zukunftsgerichtete Markenin-novation. Diese umzusetzen und gleichzei-tig Wiedererkennbarkeit und Kontinuitätin der Entwicklung zu bieten, darin ist diewohl wichtigste Herausforderung eineszeitgemäßen Markenmanagements zu se-hen. So gesehen, übernehmen Markenma-nager gerade in Zeiten des „E“ eine zen-trale Funktion. Es ist ihre Aufgabe sicher-zustellen, daß der innere Zusammenhangund die Strahlkraft des Markenauftrittsauch dann nicht verlorengeht, wenn Unter-nehmen den Radius und die Frequenz ih-rer Marketingaktivitäten, im digitalen wieim nichtdigitalen Bereich, deutlich erhö-hen.

Ästhetik

In den ausdifferenzierten Lebens- undArbeitswelten der Hypermoderne lassensich klare Marketingbotschaften nurnoch schwer durchsetzen. Dies hängtzum einen mit der Flut kommunikativerBotschaften zusammen, denen wir tagtäg-lich ausgesetzt sind. Hinzu kommt jedochauch eine gewisse Ermüdung der Mas-sen, die an die „großen Erzählungen“(Jean-François Lyotard) des Marketingnicht mehr so recht glauben wollen. Obdie Kommunikation eines Unterneh-mens funktioniert, ist daher auch immerweniger eine Frage der transportiertenBotschaft als vielmehr ihrer ästhetischenVerpackung. Es sind die gut gemachten,witzigen, aufmerksamkeitsstarken Bot-schaften, die unser Ohr wie unser Augeam ehesten treffen. Marketingmanagersind hier in vielerlei Hinsicht gefordert:Sie müssen ästhetische Rahmungen schaf-fen, die für den Konsumenten wiederer-kennbar sind und sich auf die unter-schiedlichsten Bereiche übertragen las-sen. Es versteht sich von selbst, daß dieseRahmungen zum Profil des Unterneh-mens, den von diesem angebotenen Pro-dukten und Dienstleistungen, den Stilprä-ferenzen der Kunden und den allgemei-nen ästhetischen Entwicklungen im Um-feld passen müssen, eine Herausforde-rung, die nur in Zusammenarbeit von De-signern und Marketingexperten sinnvollgemeistert werden kann.

Abschied vom USP

Was bleibt bei all den hier beschriebe-nen Transformationen noch übrig vomklassischen Marketing? Müssen wir tat-sächlich Abschied nehmen von den lieb-gewonnenen Prinzipien und Denkmodel-len traditioneller Marketingarbeit? Einesist sicher: Einige Konventionen wie zumBeispiel die, man könne heute seine Ver-marktungsbemühungen immer noch aufeinen einzelnen Verkaufsvorteil (USP)stützen, bedürfen einer dringenden Revi-sion. Es ist vielmehr die kreative Kombi-nation verschiedener Vorteile (die „uni-que sampling proposition“), welche fürden Absatzerfolg in den hochkomplexenProdukt- und Dienstleistungswelten vonmorgen entscheidend sein wird.

Vielleicht gehen die hier beschriebe-nen Entwicklungen sogar noch weiter.Vielleicht gibt es ja irgendwann das Mar-keting, wie wir es heute kennen, über-haupt nicht mehr. So überraschend wäredas nicht. Es ist schließlich ein Kennzei-chen hochgradig ausdifferenzierter undvernetzter Welten, daß in ihnen Funkti-onsbereichsgrenzen tendenziell ver-schwinden. In vielen Unternehmen derNew Economy ist das Marketingmanage-ment heute schon auf Tätigkeiten desBrand & Communication Managementbeschränkt. Klassische Marketingfunktio-nen wie etwa das Produktmanagement,die Distributionspolitik oder das Preisma-nagement werden statt dessen von Busi-ness Development Managern, Content-Verantwortlichen, CRM-Experten, Sy-sops (systems operators) und natürlichden Kunden selbst übernommen.

Und? Wäre eine derartiges Auflösungdes Marketing wirklich so schlimm?Schließlich würde man damit sogar Heri-bert Meffert, einem der Urväter des Mar-keting in Deutschland, gerecht, der schonvor Jahren prophezeit hat, vom Marke-ting, wie wir es heute kennen, sei baldnichts mehr übrig. Nicht weil es sich bisdahin komplett überflüssig gemachthabe, sondern im Gegenteil: Weil esdann so selbstverständlich zum unterneh-merischen Handeln gehören würde, daßman gegebenenfalls sogar auf einen eige-nen Funktionsbereich „Marketing“ ver-zichten könnte.

Dr. Christoph Herrmann ist Gastprofessor ander Hochschule der Künste Berlin im Bereich Ge-sellschafts- und Wirtschaftskommunikation undAutor und Herausgeber verschiedener Fachbü-cher zum Thema E-Marketing, Markenführung,Trendmanagement und Design.

Das neueMarketingDie Herausforderung durch die elektronischen Medien / Wie aber sehen die Eckpfeiler dieses neuen Marketing aus konzeptioneller Sicht aus? / Von Christoph Herrmann

Neue Zeiten prägen neue Begriff-lichkeiten: Turbomarketing, Hy-permarketing, Permission Marke-ting, Marketing by World-making. Stecken dahinter nur vor-übergehende Modeerscheinungenoder doch fundamentale Verände-rungen, die eine grundsätzlicheNeuorientierung des Marketingnotwendig machen? Tatsache ist,daß sich die meisten Unterneh-men seit Jahren in immer komple-xer werdenden Umfeldern behaup-ten müssen. Abnehmende Pro-duktlebenszyklen, ausdifferenzier-te Angebots- und Nachfragestruk-turen, zunehmende Globalisie-rungstendenzen, dynamische Ver-braucherneigungen, all dies sindFaktoren, die selbst konservativeVertreter der Marketingzunft im-mer häufiger von der Existenz ei-nes Hyperwettbewerbs sprechenlassen. Entsprechend zahlreichsind inzwischen die Stimmen, diezu einer Neuorientierung im Mar-keting auffordern. Sie reichen vonradikaltransformatorischen Über-legungen, wie sie unter anderender Worpsweder TrendforscherGerd Gerken in seinen Buchpubli-kationen anstellt, bis hin zu mode-raten Ansätzen, in denen eineeher vorsichtige „Rekonstruktiondes Marketingansatzes“ (Klaus-Pe-ter Wiedmann) angeregt wird. re.