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,,Was verschafft uns die Ehre, Anthony?", fragte Kenny, stand auf und ging in die Küche. ,,Ich habe schlechte Neuigkeiten.", antwortete ich und lehnte mich gegens Treppengeländer. ,,Um was geht es?", wollte Zane wissen. ,,Caspar." Alle hielten erschrocken die Luft an. Kenny kam mit einer Kanne Glühwein zurück zu uns ins Wohnzimmer. ,,Danke, Kenny, nicht für mich.", sagte ich kopfschüttelnd und steckte die Hände in die Hosentaschen. ,,Kein Glühwein?", fragte Liv überrascht und setzte sich neben Chris auf die riesige Couch. ,,Ich bin im Dienst.", erklärte ich. ,,In welchem Dienst?" Ich sah meine alten Freunde mit einer hochgezogenen Augenbraue an. ,,Ihr habt ihr nichts von mir erzählt?" ,,War bisher nicht nötig.", meinte Kaylee schulterzuckend. ,,Also, ich bin Anthony Hunter. Ich bin ein Ninja aus Konoha Gakure und momentan im Dienst. Vor ein paar Minuten ist Kell zu uns gekommen und hat uns um Hilfe gebeten. Caspar hat sich Teddie geschnappt.", erklärte ich Liv und sah sie dabei an. ,,Und das sind verdammt schlechte Nachrichten." ,,Ähm, Anthony, solltest du jetzt nicht eigentlich beim Familienfest sein?", fragte Isabelle. ,,Schön wär's.", schnaubte ich. ,,Dank Caspar ist erst einmal Arbeit angesagt." ,,Dann machen wir uns mal an die Arbeit.", meinte Jake. ,,Wo könnte Caspar sein?" ,,Afrika.", antworteten wir alle wie aus der Pistole geschossen. ,,Genau. Also sagen wir Clutch und Sarah bescheid." ,,Die beiden werden erst einmal ein bisschen brauchen, bis sie etwas herausgefunden.", seufzte Nick. ,,Wie ist es mit einem Suchzauber?", fragte Skyler mich. ,,Wenn er funktionieren würde, gerne.", antwortete ich bitter. ,,Er funktioniert nicht?", fragte Kenny verblüfft. Missmutig sah ich ihn an. ,,Also können wir das schon mal vergessen.", sagte Cameron. ,,Dann bleibt uns nur die alte Kartenmethode." ,,Funktioniert auch nicht.", meinte ich. ,,Ich habe es mit einigen Zaubersprüchen probiert, aber NICHTS! Und ein Muster gibt es auch nicht." ,,Verdammt!", fluchte Chris. ,,Moment mal!", mischte sich Liv ein. ,,Ich glaube, ich habe da eine Idee." Eilig stand sie auf und holte eine Karte von Afrika aus der Kommode, die sie dann auf dem

Selena Hunter von Wolkenland

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Die Story von einer jungen Frau, die ein zerstörtes Königreich wieder aufbauen muss

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,,Was verschafft uns die Ehre, Anthony?", fragte Kenny, stand auf und ging in die Küche. ,,Ich habe schlechte Neuigkeiten.", antwortete ich und lehnte mich gegens Treppengeländer. ,,Um was geht es?", wollte Zane wissen. ,,Caspar." Alle hielten erschrocken die Luft an. Kenny kam mit einer Kanne Glühwein zurück zu uns ins Wohnzimmer. ,,Danke, Kenny, nicht für mich.", sagte ich kopfschüttelnd und steckte die Hände in die Hosentaschen. ,,Kein Glühwein?", fragte Liv überrascht und setzte sich neben Chris auf die riesige Couch. ,,Ich bin im Dienst.", erklärte ich. ,,In welchem Dienst?" Ich sah meine alten Freunde mit einer hochgezogenen Augenbraue an. ,,Ihr habt ihr nichts von mir erzählt?" ,,War bisher nicht nötig.", meinte Kaylee schulterzuckend. ,,Also, ich bin Anthony Hunter. Ich bin ein Ninja aus Konoha Gakure und momentan im Dienst. Vor ein paar Minuten ist Kell zu uns gekommen und hat uns um Hilfe gebeten. Caspar hat sich Teddie geschnappt.", erklärte ich Liv und sah sie dabei an. ,,Und das sind verdammt schlechte Nachrichten." ,,Ähm, Anthony, solltest du jetzt nicht eigentlich beim Familienfest sein?", fragte Isabelle. ,,Schön wär's.", schnaubte ich. ,,Dank Caspar ist erst einmal Arbeit angesagt." ,,Dann machen wir uns mal an die Arbeit.", meinte Jake. ,,Wo könnte Caspar sein?" ,,Afrika.", antworteten wir alle wie aus der Pistole geschossen. ,,Genau. Also sagen wir Clutch und Sarah bescheid." ,,Die beiden werden erst einmal ein bisschen brauchen, bis sie etwas herausgefunden.", seufzte Nick. ,,Wie ist es mit einem Suchzauber?", fragte Skyler mich. ,,Wenn er funktionieren würde, gerne.", antwortete ich bitter. ,,Er funktioniert nicht?", fragte Kenny verblüfft. Missmutig sah ich ihn an. ,,Also können wir das schon mal vergessen.", sagte Cameron. ,,Dann bleibt uns nur die alte Kartenmethode." ,,Funktioniert auch nicht.", meinte ich. ,,Ich habe es mit einigen Zaubersprüchen probiert, aber NICHTS! Und ein Muster gibt es auch nicht." ,,Verdammt!", fluchte Chris. ,,Moment mal!", mischte sich Liv ein. ,,Ich glaube, ich habe da eine Idee." Eilig stand sie auf und holte eine Karte von Afrika aus der Kommode, die sie dann auf dem großen Couchtisch ausbreitete. ,,Wir wissen von vier Verstecken." ,,Und wie soll uns das helfen?", wollte ich wissen. Liv zeichnete die Verstecke mit einem schwarzen Marker ein und verband sie dann alle miteinander. ,,Jetzt haben wir einen Umkreis von 150 km.", sagte sie und sah mich an. ,,Verbinden wir mal das Versteck im Norden mit dem im Süden und das Versteck im Osten mit dem im Westen." Endlich verstand ich. ,,Natürlich! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?", stöhnte ich. ,,Kann mir mal einer von euch beiden erklären, was ihr meint?", verlangte Nick. ,,Caspar ist ein absoluter Ordnungsfanatiker. Er hat vier Verstecke in Afrika. Eins im Norden, im Osten, im Süden und im Westen. Verbindet man das Versteck im Norden mit dem im Süden und das Versteck im Osten mit dem im Westen, bekommt mein ein weiteres Versteck.", erklärte ich und sah ihn an. ,,Und dort ist Caspar mit Teddie." ,,Grundlagen in Geographie.", meinte Isabelle. Liv nickte. ,,Caspar ist anscheinend davon ausgegangen, dass wir daran bestimmt nicht denken werden." ,,Einfach, aber genial.", fasste Jamie zusammen. ,,Ganz genau. Ich hätte bestimmt nicht daran gedacht.", gab ich offen zu und sah mir die Karte an. Da fiel mir etwas auf. ,,Liv, du liegst falsch." Alle sahen mich überrascht an. ,,Dort kann gar kein Versteck von Caspar sein.", meinte ich und deutete mit dem Zeigefinger auf den schwarzen Punkt auf der Karte. ,,Wieso denn nicht?", fragte Nick verblüfft. ,,Weil dort die Welten aufeinandertreffen. Alles im

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Umkreis von 10 km wird strengstens bewacht- da kommt keiner durch.", erklärte ich. ,,Ich kenne alle Wachen persönlich. Alle sind immun gegen Zauberkräfte jeglicher Art. Alle sind loyal- keiner würde sich je gegen uns wenden." ,,Aber wo kann Caspar dann sein?", wollte Chris wissen. ,,Keine Ahnung, Leute. Da aber ganz bestimmt nicht.", antwortete ich ehrlich und ging in die Küche, um mir eine Tasse Tee zu holen. ,,Wie läuft es mit Selena?", fragte Kaylee und trat neben mich. ,,Sie ist stur, wie immer.", seufzte ich und lehnte mich mit der Hüfte an die Küchenanrichte. ,,Mittlerweile weiß ich wirklich nicht mehr, was ich machen soll." ,,Lass ihr Zeit, Anthony." ,,Zeit ist etwas, was wir nicht haben, Kaylee.", informierte ich sie und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Kida und ich sind einfach viel zu nachsichtig mit Selena." ,,Verständlich, sie ist eure einzige Tochter.", meinte Kaylee und setzte sich auf die Küchenanrichte. ,,Aber nachsichtig sein ist nicht immer schlecht." ,,Meine Tochter benimmt sich, als wäre sie die Königin der Ninjawelt.", erwiderte ich bitter. ,,Okay, sie ist die Prinzessin von Wolkenland, aber sie muss endlich begreifen, dass sie deswegen nichts Besseres ist." ,,Dann schick sie doch nach New York zu Raphael und Elena.", schlug meine alte Freundin vor. ,,Damit sie mich nie wieder ansieht? Nein, danke, darauf kann ich gut verzichten.", schnaubte ich. ,,Du musst endlich was unternehmen, Anthony! Du beschwerst dich, dass deine Tochter verzogen ist, machst aber nichts dagegen!" Sie sprang auf den Boden und ging zu den anderen ins Wohnzimmer zurück. Nachdenklich starrte ich aus dem Küchenfenster in die, mittlerweile weiße, Umgebung.

,,Unglaublich!", flüsterte eine Männerstimme. ,,Was ist los, John?", fragte eine sanfte Frauenstimme und eine junge Frau trat zu ihrem, ebenfalls jungen, Kollegen. ,,Sieh dir das mal an, Leo.", sagte der nur und zeigte auf den Computer von ihnen. ,,Unglaublich! Wie hat die Frau das nur geschafft?", flüsterte sie und holte ihr Handy aus der Hosentasche. ,,Hunter.", meldete sich eine Männerstimme. ,,Anthony, hier spricht Leo.", sagte Leo. ,,Was gibt es, Leo?" ,,Wir haben eben einen Notruf von einer gewissen Teddie Roberts erhalten." ,,Wo?", wollte Anthony sofort wissen. ,,An DER Grenze.", antwortete John. ,,Wir sind schon auf dem Weg. Bereitet alles für die Befreiung der Frau vor.", meinte Anthony und legte auf. ,,John, du sagst den anderen Bescheid.", ordnete Leo an und schnappte sich ihre Waffe. ,,Wir haben eine neue Mission."

,,Wir haben eine Spur.", verkündete ich und steckte mein Handy wieder in meine Hosentasche. ,,Das waren gerade zwei Wachen von DER Grenze. Sie haben einen Hilferuf von Teddie erhalten." Meine alten Freunde standen hastig auf, schnappten sich ihre Jacken und ich zauberte uns alle nach Afrika zum Versteck der Wachen. ,,Wir haben schon auf euch gewartet.", sagte eine unbekannte Männerstimme und ein sehr junger Mann, beinahe noch ein Jugendlicher, trat auf uns zu. ,,Kommt, uns bleibt nicht mehr viel Zeit." ,,Wie ist die Lage?", fragte ich, während wir zum dunkelgrünen Zelt gingen. ,,Pikant. Caspar hält Mrs. Roberts fest und schlägt sie häufig.", antwortete der Wachmann und reichte mir einen farbigen Ausdruck. ,,In drei Minuten können wir zugreifen." ,,Dann ist es zu spät für Teddie.", meinte ich, schloss die Augen und sprach einen mächtigen Befreiungszauber aus. Puffend tauchte Teddie, geknebelt und

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gefesselt, vor uns auf. Sie atmete sehr schwach und hatte überall Platzwunden und Blutergüsse. ,,Teddie." Besorgt kniete ich mich neben meine alte Freundin und heilte die schlimmsten Wunden und Verletzungen. ,,Wir bringen sie zu ihrem Ehemann zurück.", sagte ich zum Wachmann, hob Teddie auf meine Arme und verschwand gemeinsam mit ihr puffend, um kurz darauf in Taki Gakure aufzutauchen. Niemand hielt mich auf, als ich auf das Bürogebäude des Feudalherrn zuging. Kell saß in seinem Büro auf der Couch und sah niedergeschlagen drein. Vorsichtig legte ich Teddie zu ihm und richtete mich dann wieder auf. ,,Sie braucht viel Ruhe und viel Flüssigkeit, aber sie wird durchkommen.", sagte ich zu Kell, strich Teddie zärtlich über die Wange und zauberte mich zurück zu Kida und Selena, die- wie immer- in ihrem Zimmer auf dem Bett lag und schmollte. ,,Was hat sie diesmal?", fragte ich meine Frau, küsste sie sanft auf den Mund und zog dann meine Winterschuhe aus. ,,Sie will jetzt unbedingt mit zum Familientreffen und ist sauer, weil wir es ihr nicht erlauben.", antwortete Kida und widmete sich wieder ihrem selbstgebackenen Kuchen. ,,Sie ist selbst dran schuld. Sie hatte ihre Chance.", seufzte ich und stellte Teewasser auf. ,,Anthony, ich mache mir wirklich Sorgen, dass wir zu nachsichtig mit ihr sind." ,,Dito. Kaylee hat schon vorgeschlagen, sie zu Raphael und Elena nach New York zu schicken." Sie sah mich erschrocken an. ,,New York? Keine gute Idee.", meinte sie kopfschüttelnd. ,,Sie würde nie wieder mit uns reden." ,,Ich weiß, Liebling, aber uns bleibt kaum eine andere Wahl.", sagte ich leise, legte beide Arme um sie und zog sie an mich. ,,Selena muss unbedingt mehr für die Schule tun. Sie ist fast noch schlechter als Naruto und langsam wird es wirklich eng für sie. Entweder wir schicken sie nach New York zur Gilde oder sie muss in ein Internat." Sie lehnte sich schluchzend an mich. ,,Dann ist die Gilde die bessere Wahl.", sagte sie verweint und schniefte heftig. Traurig hielt ich sie fest.

,,Sehr gut.", lobte Elena ihre kleine Halbschwester. ,,Machen wir für heute Schluss." ,,Aber warum?", maulte Evelyn. ,,Weil man immer dann aufhören soll, wenn es am besten klappt.", antwortete Raphael und trat zu seiner Gefährtin und dem kleinen Mädchen. ,,Nun geh dich umziehen, deine Mutter wartet bestimmt schon auf dich." Strahlend rannte Evelyn aus dem Trainingsraum. ,,Sie lernt so schnell, Raphael, das macht mir große Sorgen.", sagte Elena leise zu ihrem Gefährten und lehnte sich an ihn. ,,Sie hat wirklich beeindruckende Fähigkeiten. Man muss sie richtig fördern und das kannst du mit Hilfe der Gilde tun.", meinte der beruhigend und legte einen Arm um ihre Taille. ,,Sie hat noch größere Fähigkeiten als ich, Raphael, und das ist nicht gut.", erwiderte sie und sah zu ihm auf. ,,Evelyn ist noch so jung und ich bin mittlerweile mit meinem Latein am Ende. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich ihr noch beibringen kann oder soll, sie weiß doch schon alles.“ ,,Keine Sorge, wir werden eine Lösung finden.", sagte er sanft. ,,Ich hoffe, du hast recht." ,,Elena? Telefon für dich!", rief Ashwini vom Empfang aus. Überrascht ging Elena zum schnurlosen Telefon an der Wand. ,,Deveraux.", meldete sie sich. ,,Elena, wir müssen dich um einen Gefallen bitten.", sagte Anthony leise. ,,Worum geht es?"

Drei Jahre später...

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Keuchend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. ,,Nicht schlecht.", keuchte Ransom und richtete sich auf. ,,Du bist bereit für die nächste Stufe." Überrascht sah ich ihn an. ,,Deacon.", erklärte er und ging zur Bank, um seine Wasserflasche aufzuschrauben. ,,Wenn du den besiegst, kommen die Vampire und die Engel." ,,Gegen die habe ich doch gar keine Chance.", schnaubte ich und schraubte meine Wasserflasche ebenfalls auf. ,,Du bist zu pessimistisch, Sel.", tadelte er mich. ,,Sagt ein Vampirjäger.", murmelte ich und trank meine gesamte Flasche aus. ,,Selena, du hast Besuch.", erklang eine Durchsage. ,,Wir sehen uns heute Abend.", meinte Ransom und verließ den Trainingsraum. Seufzend schnappte ich mir mein Schweißhandtuch und legte es mir um die Schultern, bevor ich zum Empfang ging. Die Empfangsdame reichte mir meine Post. ,,Danke, Ashwini.", sagte ich. ,,Kein Problem. Drüben auf der Bank.", meinte Ashwini und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Flüchtig sah ich meine Post durch und ging auf meinen Besuch zu. Es war eine alte Bekannte, die nervös auf und ab ging. ,,Was führt dich zu mir, Shaya?", fragte ich. Sie drehte sich zu mir um. ,,Es geht um Wolkenland.", antwortete sie aufgelöst in der Sprache der Andersweltler. ,,Wir haben große Probleme und brauchen dringend Eure Hilfe." ,,Beruhige dich erst einmal und dann erzähl mir, was los ist.", sagte ich in der gleichen Sprache. Shaya atmete einmal tief durch und erzählte mir dann alles. ,,Geh du zurück zu den anderen, ich komme gleich nach." Sie nickte und verschwand puffend. ,,Ash, ich bin für einige Zeit außer Haus.", teilte ich der Empfangsdame mit. ,,Soll ich den Termin mit Elias und Hannah verschieben?", fragte sie. ,,Den habe ich total vergessen!", stöhnte ich. ,,Ruf ihn an und sag ihm, dass ich ein paar Minuten später komme." Sie nickte. ,,Mache ich. Und du beeilst dich besser, Raphael will dich auch noch mal sehen." ,,Drei Erzengel an einem Tag, welches Glück ich doch habe.", murmelte ich und zauberte mich nach Wolkenland, wo das reinste Chaos herrschte. Fast das ganze Land war durch ein gewaltiges Feuer zerstört und kein einziger Bürger war zu sehen. Fassungslos starrte ich das Trümmerfeld vor mir an. ,,Schrecklich, nicht wahr?", fragte eine bekannte Stimme und Morgana tauchte neben mir auf. ,,Warum hat mir niemand gesagt, wie schlimm es um Wolkenland steht?", flüsterte ich. ,,Du warst beschäftigt, Selena.", antwortete sie und sah mich an. ,,Du bist bei der Gilde und hast dort deine Verpflichtungen. Wir wollten dich nicht unnötig sorgen." ,,Tja, das sieht mir aber nicht nach unnötig sorgen aus!", erwiderte ich wütend und deutete mit einer Handbewegung auf das Trümmerfeld, das einst das so prächtige Wolkenland war. ,,Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich muss um einen Wiederaufbau kümmern." Ich ging in Richtung Grenze und traf dort auf einige Wachmänner. ,,Geht es Euch gut?", fragte einer von ihnen besorgt. ,,Ja. Sagt, was ist hier passiert?", fragte ich zurück. ,,Vampire haben Wolkenland angegriffen und alle Bürger umgebracht. Die Königsfamilie ebenfalls.", antwortete ein anderer und sah bedrückt drein. ,,Mein Partner liegt im Sterben und wir können nichts tun." ,,Wo ist er?" Der Anführer deutete auf ein Pferd, das einen Mann trug, der fast nur noch aus Haut, Knochen und Blut bestand. Schnell überprüfte ich die Lebenszeichen, also Puls und Atmung. ,,Seine Lunge und sein Herz sind nicht betroffen. Wenn die Bauchaorta ebenfalls nicht betroffen ist, wird er es überleben.", meinte ich und heilte die lebensbedrohlichen Verletzungen. ,,Ihr solltet ihn zum nächsten Krankenhaus bringen, damit er sich

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ausruhen kann und Flüssigkeit bekommt." ,,Wer seid Ihr?", flüsterte der Anführer. ,,Eine Verbündete, wehrter Wachmann.", antwortete ich lächelnd und sah ihn an. ,,Sorgt bitte dafür, dass dieses Land nicht noch mehr zerstört wird. Ich komme so schnell wie möglich zurück." Er nickte und ich zauberte mich zurück zur Gilde, wo Ashwini mir einen Brief reichte. ,,Der wurde für dich vor ein paar Minuten abgegeben.", sagte sie. ,,Danke.", murmelte ich und öffnete den Umschlag.

Selena Hunter von Wolkenland,

von nun an ist es Eure Aufgabe, Königin von Wolkenland zu sein. Man wird Euch Shaya, Rurik und Nia zur Verfügung stellen, damit sie Euch unterstützen können. Ihr seid die letzte Hoffnung für Wolkenland. Regiert weise.

,,Was steht drinnen?", fragte Ash. ,,Nichts besonderes.", antwortete ich und rannte zum Büro von Sarah. ,,Herein!", erklang ihre Stimme, nachdem ich angeklopft hatte. ,,Sarah, ich muss dringend mit dir reden.", sagte ich zu ihr und schloss hinter mir die Bürotür. ,,Um was geht es?" ,,Ich muss leider aus der Gilde austreten und meine Ausbildung abbrechen." Überrascht sah die Gildendirektorin mich an. Also erklärte ich ihr alles. ,,In Ordnung. Falls du uns brauchst, weißt du, wie du uns erreichen kannst.", meinte sie und ich zauberte mich zurück nach Wolkenland, wo die Wachmänner gegen einige Vampire kämpften. Wütend verbrannte ich sie mit einem Feuerball. Sprachlos sahen mich die Wachmänner an. ,,Unterschätzt niemals eine Zauberin.", sagte ich tonlos und sah den Anführer an. ,,Danke, dass Ihr aufgepasst habt. Von nun an übernehme ich." ,,Das glaube ich kaum.", meinte er kopfschüttelnd. ,,Dieses Land ist verloren." ,,Wolkenland ist NICHT verloren! Auch wenn König Ian und Königin Leila tot sind, so gibt es immer noch Nachfahren, die es übernehmen können.", erwiderte ich und steckte die Hände in die Hosentaschen. ,,Habt Ihr vielleicht daran schon mal gedacht?" ,,Anthony und Kida Hunter sind ebenfalls tot!" ,,Als wenn ich das nicht schon wüsste.", schnaubte ich. Der Anführer stieg von seinem Pferd und stellte sich vor mich. ,,Du bist eindeutig zu vorlaut, Kind!" ,,Das war keine gute Idee.", infomierte ich ihn kalt und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige. ,,Nenn mich noch einmal ein Kind und du wirst meinen Zorn spüren!" ,,Du bist doch noch ein Kind!", behauptete er und spuckte vor mir aus. ,,Du wagst es, vor der Königin von Wolkenland auszuspucken?!", knurrte Rurik und trat auf ihn zu. ,,Nicht, Rurik!", befahl ich. Er sah mich überrascht an. ,,Aber, Majestät..." ,,Lassen wir die Männer ziehen. Sie haben gezeigt, dass sie als Wachmänner unwürdig sind." ,,Wir sind als Wachmänner unwürdig?", wiederholte der Anführer ungläubig. ,,Du bist noch ein KIND! Wie sollst du unsere Königin werden?" ,,Meine Eltern waren Anthony und Kida Hunter. Ian und Leila waren meine Großeltern, also erbe ich den Thron und damit auch Wolkenland- das NICHT verloren ist!", antwortete ich und sah ihm in die Augen. ,,Du bist ein stolzer Wachmann und Krieger und kämpfst für deine Freunde, aber du denkst nicht wirklich nach, bevor du etwas tust und das ist dein Schwachpunkt." ,,Lassen wir einen Kampf entscheiden.", knurrte er. ,,Gerne.

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Mal nicht gegen Ransom zu kämpfen, ist eine willkommene Abwechslung.", grinste ich und zauberte uns in den Trainingsraum in der Gilde. Deacon reinigte gerade seine geheiligten Waffen. ,,Deacon, kannst du vielleicht Kampfrichter spielen?", fragte ich ihn. ,,Natürlich.”, antwortete er und erhob sich geschmeidig. ,,Welche Art?” ,,Körper.” ,,Körper?”, wiederholte der Anführer verständnislos. ,,Körper bedeutet, dass wir beide keine Zauberkräfte und Waffen benutzen dürfen.”, erklärte ich und sah ihn an. ,,Und wenn jemand von uns das nicht einhält, verliert er sofort den Kampf. Verstanden, Ranmaru?” Er nickte grimmig und legte sein Schwert ab. Ich legte mein Schweißhandtuch auf die Bank am Rande des Kampffeldes und dehnte mich ein wenig. ,,Das wird spaßig.”, grinste Ashwini und trat zu uns. ,,Ich wette mit dir, dass der Gegner gewinnt.” ,,Einverstanden. Und dann musst du ein Jahr den GANZEN Papierkram machen.”, meinte Deacon grinsend. ,,Leute, ihr sollt hier nicht wetten, wer gewinnt.”, mischte sich Sarah ein und trat ebenfalls zu uns. ,,Auch wenn ich mit euch wetten würde, dass Selena das ganz leicht schafft.” Ich warf ihr eine Kusshand zu und sah Ranmaru an. ,,Bist du bereit?” ,,Aber immer doch.”, antwortete er wölfisch grinsend und griff mich an. Geschmeidig sprang ich hoch und griff mir seinen linken Arm, um ihn ein wenig zu verdrehen. ,,Der Hähnchenflügel.”, sagte ich zu den Wachmännern. Nun schnappte ich mir den rechten Arm von Ranmaru und streckte ihn. ,,Gerade Stange.” Umgeknickt. ,,Geknickte Stange.” Zum Schluss steckte ich ihm seine rechte Hand in den Mund. ,,Und mein absoluter Favourit: Der Schnuller!” Meine Kollegen kicherten und lachten lauthals los. ,,Jetzt bin ich fertig mit dir.”, sagte ich zu Ranmaru und schickte ihn mit einem gekonnten Schlag ins Reich der Träume- für mindestens drei Stunden. Ich sah die Wachmänner an. ,,Wollt ihr mich auch herausfordern?” Sie griffen mich alle gleichzeitig an und ich besiegte jeden einzelnen mit einem gekonnten Schlag. ,,Sagt mal, Sarah, habt ihr vielleicht noch ein paar freie Zellen unten?", fragte ich die Gildendirektorin. ,,Aber sicher doch. Sogar sehr gemütliche.", antwortete diese grinsend, schnappte sich einen Wachmann und trug ihn aus dem Trainingsraum. ,,Das war beeindruckend.", sagte Rurik. ,,Danke. Drei Jahre Ausbildung bei der Gilde hat halt sein Gutes.", meinte ich und sah ihn an. ,,Wie stehen die Chancen, Wolkenland wieder aufzubauen?" ,,Mit Eurer Hilfe auf jeden Fall gut." ,,Dann machen wir uns mal an die Arbeit." Er nickte und ich zauberte uns beide nach Wolkenland, wo schon einige Leute versuchten, aufzuräumen. ,,Na, sieh mal einer an.", sagte eine unbekannte Männerstimme und ein muskulöser Mann trat auf mich zu. ,,Lässt du dich auch endlich mal blicken?!" ,,Eine Frage: Wer seid Ihr?", wollte ich von ihm wissen. Er lächelte mich freundlich an. ,,Die Frage lautet doch: Wer seid IHR?", erwiderte er mit sanfter Stimme und blickte mich von oben bis unten an. ,,Trainingsklamotten.", erklärte ich schulterzuckend. ,,Ich hatte nicht damit gerechnet, so schnell Königin zu werden." ,,Das sieht man.", meinte er und verneigte sich tief. ,,Ich bin Nihuel Zafrien von Kirschenland." ,,Und was macht Ihr hier, Nihuel Zafrien von Kirschenland?", fragte ich ihn. ,,Ich bin hier, um beim Wiederaufbau von Wolkenland zu helfen.", antwortete er und richtete sich mit einer anmutigen Bewegung wieder auf. ,,Ian und Leila waren sehr gute Freunde meiner Eltern. Ich bin es ihnen schuldig, ihrer Enkeltochter beim Wiederaufbau zu helfen." ,,Danke. Momentan können wir wirklich jede Hilfe gebrauchen.", sagte ich lächelnd. ,,Rurik, könntest du mich bitte einen Moment mit der

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Königin alleine lassen?", bat er Rurik. Er sah mich fragend an und ich nickte. Er verbeugte sich und ließ mich mit Nihuel alleine. ,,Es gibt da noch eine Sache, die Ihr wissen solltet.", sagte dieser zu mir. ,,Dass ich Euch versprochen bin? Das weiß ich schon seit zwei Jahren.", meinte ich und sah ihn an. ,,Und ich habe kein Problem damit." Er atmete erleichtert auf. ,,Ich habe schon das Schlimmste befürchtet." ,,Dass ich mich heftigst dagegen wehren würde?", fragte ich ihn amüsiert. ,,In dieser Richtung, ja.", gab er zu. ,,Das hätte ich vor drei Jahren bestimmt noch getan, Nihuel, da will ich ganz ehrlich sein.", seufzte ich, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte auf den zerstörten Palast. ,,Ich war damals wirklich ein Teufel. Meine Schulnoten waren noch schlechter als die von Naruto, mein Benehmen war unterste Schublade und ich war immer nur wütend auf meine Eltern, weil sie mich wie ein Baby behandelt hatten." Mein zukünftiger Ehemann trat hinter mich. ,,Wäre ich damals nur netter zu ihnen gewesen.", schluchzte ich leise. Er drehte mich zu sich um und zog mich an sich. ,,Du hast doch keine Schuld am Tod deiner Eltern und Großeltern. Du warst doch nicht einmal hier.", sagte er leise. ,,Das ist es ja gerade! Ich war nicht für meine Familie da, als sie mich am meisten gebraucht hatte." Er hielt mich fest, während ich weinte und weinte und weinte.

Fünf Jahre später...

,,Danke, Nia.", sagte ich zu meiner engsten Beraterin in Sachen Mode. ,,Jetzt geh zu deiner Familie und genieß den Abend." Sie machte einen Knicks und verließ meine Gemächer. Ein bisschen ängstlich blickte ich mich im Spiegel an. Heute war ich offiziell mit Nihuel verheiratet. Natürlich war es eine prachtvolle Hochzeit mit viel Glitter und Schmuck, auch wenn mir eine etwas weniger prunktvolle Hochzeit lieber gewesen wäre. ,,Du siehst besorgt aus, meine Liebste.", sagte Nihuel leise und legte mir eine Hand auf die Schulter. ,,Was ist los?" ,,Ich musste nur gerade an meine Eltern denken.", antwortete ich ebenfalls leise. ,,Sie hätten heute so viel Spaß gehabt." ,,Ich bin mir sicher, dass sie heute bei uns waren." Dankbar lehnte ich mich mit dem Rücken an meinen Ehemann. ,,Wollen wir langsam mal ins Bett?", fragte der leise. ,,Damit du unanständige Sachen mit mir treiben kannst? Kommt gar nicht in Frage!", antwortete ich gespielt empört. Er hob mich auf seine Arme und trug mich zum großen Ehebett. ,,Du bist ein Schuft!", schnaufte ich und zog ihn zu mir aufs Bett. ,,Sagt meine geliebte Frau, die total verrückt nach mir ist.", lächelte er und küsste mich sanft. ,,Du willst also spielen? Kannst du gerne haben.", grinste ich und kitzelte ihn ordentlich durch. ,,Du bist gemein!", keuchte er und rollte sich auf mich. ,,Ach ja? Und wer hat mich in den letzten fünf Jahren unentwegt aufgezogen?", fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Er knirschte mit den Zähnen. ,,Und was machen wir jetzt?" Er lächelte und küsste mich leidenschaftlich. Zufrieden schmiegte ich mich an ihn. ,,Es wird wehtun.", flüsterte Nihuel an meinen Lippen. ,,Du bist bei mir und das ist das Wichtigste.", flüsterte ich zurück und öffnete die Knöpfe seiner Hose. Er schob die Röcke von meinem Schlafgewand hoch und drang langsam in mich ein. Mir traten die Tränen in die Augen und mein Ehemann küsste sie zärtlich weg, während er weiter in mich eindrang. Nach einigen Sekunden wurde der Schmerz erträglich und ich konnte unser Zusammensein genießen.

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Später schlief ich zufrieden in den Armen von Nihuel ein. Am nächsten Morgen weckte die Sonne uns. Genüsslich streckte ich mich und zuckte kurz zusammen, als ich einen brennenden Schmerz spürte. ,,Alles in Ordnung?", fragte mein Ehemann besorgt und stützte sich mit dem Ellbogen ab. ,,Nur ein bisschen wund.", flüsterte ich und schmiegte mich an ihn. ,,Könnte mir Schlimmeres vorstellen." ,,So leid es mir tut, dich aus dem Bett zu holen, aber wir müssen zur Versammlung." Stöhnend stand ich auf. ,,Versammlungen nerven.", bemerkte ich schlechtgelaunt und ging zu meinem Kleiderschrank, um mir ein passendes Kleid rauszusuchen. ,,Ich weiß. Aber wir sind nun mal das Königspaar.", seufzte Nihuel, stand ebenfalls auf und ging zu seinem Kleiderschrank, um sich passende Klamotten rauszusuchen. ,,Gestern war unsere Hochzeit, da kann man doch wenigstens den nächsten Tag zusammen verbringen." ,,Du bist nun schon seit fünf Jahren Königin von Wolkenland. Langsam müsstest du an das Leben gewöhnt sein." ,,Ich habe drei Jahre lang eine Ausbildung bei der Gilde gemacht. Und in den letzten fünf Jahren haben wir das Land wiederaufgebaut.", erwiderte ich und zog das Kleid an. ,,Da habe ich nicht viel Zeit mit Königinnenzeug verbracht." Mein Ehemann lächelte und küsste mich zärtlich. ,,Nimm du dir heute frei. Die Versammlungen schaffe ich auch alleine.", sagte er. ,,Das hättest du ruhig früher sagen können! Jetzt muss ich mir auf jeden Fall ein anderes Kleid anziehen.", meinte ich. ,,Wieso denn? Du siehst doch fabelhaft aus." ,,Dieses Kleid ist eher hinderlich, wenn man Orte besucht, wo viel gekämpft wird. Außerdem sind die Menschen solche Kleidung nicht gewöhnt." Er sah mich verständnislos an. ,,Das wirst du gleich verstehen. Du kommst nämlich jetzt mit." Schnell zauberte ich uns nach Konoha Gakure, wo gerade die ersten Läden aufmachten. ,,Na, wen haben wir denn da?", fragte eine bekannte Stimme und Sasuke umarmte mich fest. ,,Das wird aber auch Zeit, dass du dich mal blicken lässt.", flüsterte er mir ins Ohr. ,,Habe ich dir so sehr gefehlt?", grinste ich und löste mich von ihm. ,,Wir sind fast verrückt geworden, weil du dich nicht hast blicken lassen." ,,Tut mir leid, aber in Wolkenland gab es so viel zu tun." Er lächelte, als jemand nach ihm rief. ,,Entschuldigt mich bitte, ich werde im Büro gebraucht." Und schon war er verschwunden. Kopfschüttelnd ging ich mit meinem Ehemann zu der Wohnung, in der ich mit meinen Eltern gelebt hatte. ,,Es ist alles noch genauso wie damals.", flüsterte ich. ,,Was denkst du denn?! Natürlich ist noch alles genau wie früher.", bemerkte Tenten und trat zu uns. Strahlend drehte ich mich zu ihr um und umarmte sie fest. ,,Danke, Tenten." ,,Kein Problem.", meinte sie lächelnd und löste sich von mir. ,,Und Glückwunsch euch beiden. Ich wäre wirklich gerne zu der Hochzeit gekommen, aber wir hatten hier ein paar kleine Probleme." ,,Taki Gakure wieder?", fragte ich sie. ,,Nein, Iwa Gakure." ,,Iwa Gakure? Das ist ziemlich ungewöhnlich.", sagte ich verdutzt. ,,Wieso?", fragte mein Ehemann mich. ,,Iwa Gakure ist ein sehr friedliches Dorf. Wir hatten bisher noch nie Schwierigkeiten mit ihnen.", antwortete Tenten an meiner Stelle. ,,Dass sie jetzt Schwierigkeiten machen verstehe ich einfach nicht.", fügte ich hinzu und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Vielleicht hat es etwas mit Akazuki zu tun.", schlug Tenten vor. ,,Glaube ich kaum. Akazuki hat sich aufgelöst und alle Mitglieder sind zu ihren Dörfern zurückgekehrt." ,,Mace und Lily haben versucht, mit Onoki zu reden, aber er sagt KEIN WORT." ,,Lassen wir Onoki in Ruhe, er wird schon von selbst zu uns

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kommen, da bin ich mir sicher.", seufzte ich und ging auf den Balkon, um auf das Dorf vor mir zu schauen. ,,Was ist los, Liebling?", fragte Nihuel besorgt und trat neben mich. ,,Ich war seit acht Jahren nicht mehr hier im Dorf. Es fühlt sich so... unwirklich an ohne meine Eltern.", antwortete ich ehrlich und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Holzgeländer ab. ,,Weißt du, ich bin nie davon ausgegangen, dass ich heiraten, geschweigedenn Königin sein würde. Die Ausbildung bei der Gilde war auch nicht geplant. Mein ganzes Leben hat sich von einem Moment auf den anderen verändert. Ich habe ein Land geerbt, das vollkommen zerstört war. Ich weiß nicht, was schlimmer war: Dass meine Eltern und Großeltern damals gestorben sind oder dass ich nichts von der aussichtslosen Situation in Wolkenland wusste." Er legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte sanft: ,,Du bist von einem Leben ins andere geschleudert worden und das hinterlässt natürlich seine Spuren. Doch Wolkenland ist wieder heil und hat eine wundervolle Königin. Und du hast mich." ,,Das stimmt. Und darüber bin ich wirklich froh.", lächelte ich und küsste ihn zärtlich. ,,Das ist ja kaum auszuhalten!", beschwerte sich eine bekannte Stimme und Lee sprang auf das Holzgeländer. ,,Dir auch einen schönen guten Morgen, Lee.", sagte ich trocken und sah Nihuel an. ,,Hier hast du absolut keine Privatsphäre, merk dir das." Er lachte leise und Lee grinste breit. ,,Männer!", stöhnte ich genervt und sprang aufs Geländer und dann zum Bürogebäude vom Hokage, wo meine Großeltern im Konferenzraum saßen und ratlos dreinsahen. ,,Onoki wird sich schon beruhigen.", sagte ich und schloss hinter mir das Fenster. Sie sahen mich überrascht an. ,,Selena?", flüsterte meine Großmutter mit Tränen in den Augen. ,,Nicht weinen, sonst fange ich auch noch an und ich habe keine Lust von Nia einen Vortrag gehalten zu bekommen, wie man mit Schminke umzugehen hat.", seufzte ich und umarmte sie lächelnd. ,,Schön, euch zu sehen." Mein Großvater umarmte mich fest. ,,Du hast dich seit acht Jahren nicht mehr blicken lassen. Wir hatten solche Angst, dir wäre auch etwas zugestoßen.", flüsterte er mir ins Ohr und löste    sich wieder von mir. ,,Och, ich habe nur die letzten fünf Jahre damit verbracht, Wolkenland wieder aufzubauen.", meinte ich lachend und holte mir eine Tasse Tee. ,,Endlich wieder vernünftigen Tee." ,,Gibt es drüben keinen Tee?", fragte Granny überrascht. ,,Natürlich schon. Aber wir haben drüben nicht die richtigen Kräuter für einen vernünftigen Tee." ,,Dann gebe ich dir gleich welche mit." ,,Danke, Granny.", lächelte ich. Lee trat mit Nihuel zu uns in den Konferenzraum. ,,Leute, wir haben ein großes Problem.", sagte er. ,,Welches?", fragte Mace überrascht. ,,Leute aus Iwa Gakure sind da." ,,Irgendwelche Namen?", wollte ich wissen. ,,Kurotsuchi und Akatsuchi.", antwortete Lee. ,,Die beiden sind absolut harmlos.", grinste ich, stellte meine Tasse ab, sprang aus dem Fenster auf ein Hausdach und war mit drei langen Sprüngen am Dorftor. ,,Schon in Ordnung, Leute. Ich übernehme ab hier.", sagte ich zu den Torninjas und sah Kurotsuchi und Akatsuchi an. ,,Was verschafft uns das Vergnügen?" ,,Ein durchgeknallter Tsuchikage.", antworteten beide gleichzeitig. ,,Erzählt mir mal was Neues.", schnaubte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Meine Großeltern sind total durch den Wind deswegen." ,,Ich könnte meinen Großvater für sein Benehmen umbringen.", grummelte Kurotsuchi. ,,Sei vorsichtig mit dem, was du sagst." ,,Immer mit der Ruhe, Selena.", sagte Nihuel leise, trat neben mich und legte mir eine Hand auf die Schulter. ,,Ich muss hier weg, Nihuel.", flüsterte ich und zauberte

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mich zur Gilde in New York. Dort arbeitete jeder ganz normal und ich ging in den Trainingsraum, wo Deacon- mal wieder- seine Waffen säuberte. ,,Wie oft am Tag machst du das eigentlich?", fragte ich ihn. Erschrocken sah er auf und strahlte kurz darauf übers ganze Gesicht. ,,Was machst du denn hier, Selena?", fragte er zurück und umarmte mich fest. ,,Mal gucken, ob du mit zwei Frauen im Haus überlebt hast.", grinste ich und löste mich von ihm. ,,Du siehst gut aus, Deacon." ,,Du aber auch. Und vor allem siehst du glücklich und zufrieden aus." ,,Das bin ich auch." Gemeinsam gingen wir in den großen Garten. ,,Wir haben uns ziemlich große Sorgen gemacht, weil du dich so lange nicht gemeldet hast.", sagte mein alter Freund leise und steckte die Hände in die Hosentaschen. ,,Ich hatte viel zu tun, Deacon.", seufzte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Ich habe die letzten fünf Jahre Wolkenland wieder aufgebaut und gestern geheiratet." ,,Tut mir leid, dass wir nicht gekommen sind, aber du kennst das ja: Wir Jäger haben nie Urlaub.", meinte er und sah auf den Weg vor uns. ,,Ich mache mir Sorgen um Elena." ,,Wieso?", fragte ich überrascht. ,,Sie ist in letzter Zeit so anders. Sie ist oft mit den Gedanken ganz wo anders und auch abweisend. Nicht einmal Sarah kommt an sie ran." Unwillkürlich musste ich lächeln. ,,Mich wundert es, dass sie euch noch nichts gesagt hat. Oder dass ihr nichts bemerkt habt." Deacon sah mich fragend an. ,,Frag sie selbst, ich verrate nichts." ,,Du bist gemein!", murrte er. ,,Ich weiß.", grinste ich und setzte mich auf eine gemütliche Holzbank. ,,Weißt du, Deacon, ich vermisse mein altes Leben sehr. Aber am meisten vermisse ich es, mit jemandem über den ganzen Mist zu sprechen." ,,Was ist mit Nihuel?", fragte er und setzte sich neben mich. ,,Er ist der beste Ehemann, den man sich nur wünschen kann und ein wunderbarer König. Aber er versteht mein Leben nicht.", antwortete ich ehrlich und sah auf meine Hände runter. ,,Er ist als Prinz aufgewachsen und kennt kein anderes Leben. Wie soll er da mein Leben verstehen?" ,,Er ist dein Ehemann, Selena, und nur das zählt.", sagte er sanft und hob mein Kinn mit seinem Zeigefinger an. ,,Es ist doch egal ob er als Prinz aufgewachsen ist oder nicht. Er liebt dich und möchte, dass du glücklich bist. Das möchtest du doch auch, oder?" Ich nickte zaghaft. ,,Dann rede mit ihm über deine Probleme. Wenn er nicht weiß, was los ist, kann er es auch nicht verstehen und dann kommt es wieder zu Missverständnissen.", meinte er und legte seine Hand auf meine Wange. ,,Ich vermisse dich, Deacon.", flüsterte ich mit Tränen in den Augen.

,,Ich vermisse dich, Deacon.", flüsterte Selena mit Tränen in den Augen und lehnte sich an ihren Gesprächspartner. ,,Ach, Süße.", seufzte dieser, legte beide Arme um sie und drückte sie an sich. Ein heftiger Stich fuhr durch mein Herz, als ich dies beobachtete. Wie konnte das möglich sein? Niedergeschlagen betrat ich das Gildengebäude und traf dort direkt auf Nyree. ,,Nanu? Was verschafft mir das Vergnügen?", fragte sie und reichte die Unterlagen der Empfangsdame. ,,Diese Sachen müssen sofort zu Raphael und Elena." ,,Wird gemacht.", meinte diese und widmete sich wieder ihrer Arbeit. ,,Also, warum bist du hier, Nihuel?", fragte Nyree mich. ,,Ich wollte eigentlich meine Frau abholen.", antwortete ich ehrlich und steckte die Hände in die Hosentaschen. ,,Aber diese hat anscheinend Wichtigeres zu tun." ,,Sei ihr nicht böse, Nihuel. Sie vermisst die Gilde.", sagte meine alte

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Freundin lächelnd. Überrascht sah ich sie an. ,,Nyree, wo ist Ransom?", fragte eine bekannte Männerstimme und Deacon trat zu uns. ,,Waffenlager." ,,Danke.", lächelte er und sah mich an. ,,Sie braucht dich." ,,Sah für mich nicht so aus.", meinte ich tonlos. ,,Du denkst...?" Er lachte. ,,Nein, so ist es nicht.", meinte er kopfschüttelnd. ,,Ich bin glücklich verheiratet und Vater von zwei Söhnen und einer Tochter, die zufällig eine sehr gute Freundin von Selena ist." ,,Und außerdem war er nur mein Ausbilder.", mischte sich nun auch Selena ein und trat zu uns. ,,Wobei Ransom mich immer gequält hat." ,,Gequält? Du verletzt mich.", sagte Ransom gespielt verletzt und trat ebenfalls zu uns. „DU hast mich doch immer auf den Boden befördert.“ Sie streckte ihm die Zunge raus und sah die Empfangsdame an. „Ist Sarah im Gebäude?“ „Sie ist in der Zufluchtsstädte.“, antwortete diese. „Es gibt anscheinend Probleme mit einem Erzengel, der durchdreht.“ „Ruf dort an und sag, dass Hilfe unterwegs ist.“ Selena sah mich an und sagte: „Jetzt siehst du mal, wie mein Leben wirklich ist.“ Puffend verschwanden wir und tauchten in einem chaotischen Dorf wieder auf. „Ah, Selena, gut, dass du da bist.“, sagte eine unbekannte Stimme und ein gutaussehender Mann trat zu uns. „Wir sind kurz vorm fallen.“ „Wer bereitet die ganzen Probleme?“, fragte meine Ehefrau ihn. „Liliana.“ Eine Bombe flog auf uns zu. Rein instinktiv schubste ich Selena weg, doch ich bekam die volle Wucht der Bombe zu spüren.

„Nihuel!“, schrie ich und streckte eine Hand nach meinem Ehemann aus. „Hilf den anderen, Selena, ich kümmere mich schon um ihn.“, sagte Galen und hob Nihuel auf seine Arme, um ihn davonzutragen. Weinend rannte ich zu Elena und Raphael, die gegen einige Untoten kämpften. Schnell erledigte ich die mit einem Feuerball. „Raphael, bring Elena in Sicherheit.“, befahl ich Raphael. „Kommt gar nicht in Frage!“, protestierte Elena, doch Raphael hatte schon die Arme um sie geschlungen und erhob sich mit ihr in die Höhe. „Sieh mal einer an! Die kleine Selena ist gekommen, um zu sterben.“, sagte eine bekannte Stimme höhnisch und Liliana tauchte puffend vor mir auf. „Du hast meinen Ehemann verletzt!“, knurrte ich und fesselte sie mit einem sehr starken Zauber. „Dafür wirst du bezahlen, das schwöre ich dir!“ „Selena, hör auf!“, sagte eine leise Stimme eindringlich. „Sie wird dafür bezahlen, dass sie Nihuel verletzt hat!“, brüllte ich. Jemand legte mir eine Hand auf die Schulter. „Es reicht, Selena.“ Mir stockte der Atem. „Es ist genug.“ „Dad?“, flüsterte ich. „Liliana ist verrückt. Sie weiß nicht, was sie tut.“, sagte mein Vater leise. Fassungslos drehte ich mich zu ihm um. „Warum bist du hier?“ „Ich bin hier, um Liliana abzuholen.“ Fragend sah ich ihn an. „Du wirst es verstehen, wenn die Zeit gekommen ist.“ Puffend verschwand er mit Liliana und ich blieb alleine mitten in dem Chaos. „Komm, wir fangen mit dem aufräumen an.“, sagte Illium und legte mir eine Hand auf den rechten Unterarm. Verständnislos sah ich ihn an. „Nihuel geht es gut, Selena. Die Heiler kümmern sich um ihn.“

Missmutig sah ich auf meine Brandwunden runter. „Ihr könnt von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“, sagte mein alter Freund Keir und schmierte eine stinkende Masse auf meine Arme und Beine. „Ich bin von einer MAGISCHEN BOMBE getroffen worden, Keir! Egal was du machst, die Wunden werden nicht heilen.“, informierte ich ihn und schloss die Augen. „Die magischen Stoffe fressen sich

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immer weiter in die Haut, bis sie die Organe erreicht haben. Und dann ist Ende.“ „Ihr seid immer noch so pessimistisch.“, gluckste er. „Diese Paste ist speziell für magische Bomben hergestellt worden!“ Überrascht sah ich ihn an. „Dimitri hatte einmal das Vergnügen, Bekanntschaft mit einer solchen Bombe zu machen.“, erklärte er mit ruhiger Stimme und stellte die Schale beiseite. „Erzählst du schon wieder Geschichten?“, fragte Selena und trat zu uns. „Wie kommst du darauf?“, fragte Keir unschuldig zurück. Sie lachte, umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange. „Danke, Keir.“ Er strich ihr liebevoll übers Haar und verließ das Krankenhauszimmer. „Wie geht es dir?“, fragte meine Ehefrau mich und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett. „Ich komme mir vor wie ein Stück Kohle.“, antwortete ich ironisch. Sie lächelte und strich mir durchs Haar. „Warum hast du das getan?“ „Du bist meine Ehefrau.“ Selena stand auf und ging im Zimmer auf und ab. „Du bist meine Ehefrau und meine Königin.“, fuhr ich fort und stand auf, um vor sie zu treten. „Du bist mein Leben. Wie könnte ich zulassen, dass dir etwas geschieht? Ich würde es mir nie im Leben verzeihen.“ Sie wich meinem Blick aus. Sanft hob ich ihr Kinn mit meinem Zeigefinger an, sodass sie mir in die Augen sehen musste. „Ich kann vielleicht einige Welten, in denen du lebst, und dein Leben nicht verstehen, aber ich verstehe, was es heißt, alles zu verlieren, was einem wichtig ist.“, sagte ich und küsste sie zärtlich auf die Stirn. „Und ich werde mich bemühen, das, was ich momentan noch nicht verstehe, irgendwann wirklich zu verstehen. Aber dabei musst du mir helfen.“ Selena lehnte sich an mich und ich legte beide Arme um sie. „Ich liebe dich, Selena.“, flüsterte ich ihr ins Ohr.

Sieben Monate später…

„Gute Arbeit, Nia.“, lobte ich meine engste Vertraute, als ich mich im Spiegel betrachtete. „Vielen Dank, Majestät.“, sagte diese und wurde rot. „Und nun geh zu deiner Familie und genieß den Abend.“ Sie knickste vor mir und verließ meine Gemächer. „Bist du bereit?“, fragte Nihuel, trat hinter mich und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Für die Hölle im Ballsaal?“, fragte ich ironisch zurück. Er setzte mein geliebtes schiefes Lächeln auf. „Lass uns gehen, bevor sie das Büffet plündern.“ Gemeinsam gingen wir in den Ballsaal, wo das Fest gerade anfing. Rurik trat zu uns. „Kiyo und Maiwenn sind hier.“, flüsterte er mir zu. „Ich weiß, ich habe sie eingeladen.“, sagte ich ruhig. „Ich hoffe, du weißt, was du tust.“, meinte mein Ehemann und wandte sich einem Prinzen zu. „Rurik, sorg bitte dafür, dass niemand meine Unterhaltung mit Maiwenn und Kiyo unterbricht.“ Rurik verbeugte sich und zog sich an den Rand der Tanzfläche zurück, wo er alles ganz genau im Blick hatte. Seufzend machte ich mich auf den Weg zu Maiwenn und Kiyo, die ganz alleine standen. „Maiwenn, Kiyo.“, begrüßte ich sie lächelnd. „Selena, Ihr seht wunderbar aus.“, sagte Kiyo lächelnd und küsste meine Hand. „Vielen Dank.“ Maiwenn blickte finster drein. „Wie geht es Eurer Tochter, Maiwenn?“, fragte ich sie freundlich. „Gut.“, antwortete sie grimmig. „Maiwenn!“, tadelte Kiyo sie. „Schon in Ordnung, Kiyo. Nicht jeder ist heute gut gelaunt.“ Er sah mich dankbar an. „Ihr müsst die anderen verstehen, meine Lieben. Ihr habt für sehr viel Ärger in der Anderswelt gesorgt und das hinterlässt seine Spuren. Aber ich bin der Meinung, dass man auch verzeihen muss. Und deshalb werde ich euch einen Teil meines Landes an der Grenze zur Verfügung stellen.“, meinte ich. Maiwenn’s Augen

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strahlten mich an. „Allerdings müsst ihr euch mit Deanna und Volusian arrangieren. Sie werden dafür sorgen, dass ihr keine falschen Entscheidungen trefft und sie werden mir täglich Bericht erstatten.“ „Das wird kein Problem sein.“, sagte Kiyo zuversichtlich. „Ich bekomme zwei Babysitter?! Lieber schmore ich in der Hölle.“, meinte Maiwenn abfällig und verließ den Ballsaal. Kiyo sah seiner Frau hinterher. „Lasst sie, Kiyo. Sie ist nicht in der Verfassung, mit Euch oder mit sonst jemandem zu reden.“, sagte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich habe ihr eine Chance geboten und sie hat sie nicht ergriffen.“ „Ich verstehe das einfach nicht.“, meinte er niedergeschlagen. „Sie war schon so komisch, als wir die Einladung von Euch erhalten haben.“ „Sie wusste, dass alle meine Gäste sie nicht leiden können.“, erwiderte ich sanft. Er sah mich überrascht an. „Es tut mir wirklich leid, Kiyo, aber Ihr müsst Eure Fehler selbst entdecken. Ich kann Euch nur einen Tipp geben: Es fing alles damit an, dass Ihr Eure Kinder und deren Mutter umbringen wolltet.“ Er verbeugte sich und verließ den Ballsaal ebenfalls. „Er wird es nie kapieren.“, sagte eine bekannte Stimme und Mike trat neben mich. „Vielleicht.“, stimmte ich ihm zu und sah Kiyo hinterher. „Maiwenn hat ihn zu sehr im Griff.“ „In welchem Griff?“, fragte Mike grinsend. Empört sah ich ihn an. „Mach, dass du zu deiner Familie kommst! Sonst werde ich noch ungemütlich!“, warnte ich ihn. Er lachte und ging wieder zu seiner Familie zurück. Seufzend ging ich auf den Balkon und sah auf das wunderschöne Land vor mir. „Alles in Ordnung, Liebling?“, fragte Nihuel besorgt und trat neben mich. „Natürlich.“, antwortete ich lächelnd und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Holzgeländer ab. „Mir ist nur aufgefallen, dass ich lange nicht mehr in Konoha Gakure war.“ Überrascht sah er mich an. „Du willst nach Konoha Gakure zurück.“, meinte er steif. „Es ist mein Heimatdorf, Nihuel.“, seufzte ich und lehnte mich nun mit dem Rücken gegen das Holzgeländer. „Ich kenne dort alles und jeden. Die Leute dort sind meine Familie.“ „Du weißt, dass ich es anders meine.“ „Und du weißt, dass ICH es anders meine!“, schoss ich zurück und sah meinen Ehemann an. „Nihuel, ich bin seit sechs Jahren Königin von Wolkenland und seit knapp acht Monaten mit dir verheiratet UND ich erwarte in knapp zwei Monaten ein Baby. Denkst du nicht, ich habe genug zu tun, als mit dir jetzt zu streiten?!“ „Himmel, bist du heute ungemütlich!“, bemerkte eine bekannte Stimme und Gaara sprang aufs Holzgeländer. „So habe ich dich erst selten erlebt.“ Mein Ehemann sah ihn finster an. „Du beruhigst dich erst einmal, Nihuel.“, befahl ich und sprang behände auf das Holzgeländer, um dann in das Sandgebilde von Gaara zu steigen, das eine übergroße Schale darstellte. „Du weißt ja, wo du mich finden kannst.“ Gaara setzte sich in Bewegung und gemeinsam schwebten wir durch den nachtschwarzen Himmel. „Denkst du nicht, du warst zu hart zu ihm?“, fragte mein alter Freund aus Suna Gakure. „Nihuel denkt momentan, dass ich im Bett liegen und mich schonen sollte.“, schnaubte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Langsam geht mir das tierisch auf die Nerven.“ Er setzte sich vor mich. „Ich bin also deine Rettung.“ „Das kannst du wohl laut sagen.“ Gaara legte mir eine Hand auf die Wange. „Du brauchst mal eine Auszeit.“, stellte er fest. „Wie stellst du dir das vor, Gaara? Ich bin Königin und schwanger! Ich kann nicht so einfach Wolkenland verlassen.“, erwiderte ich verbittert. „Kannst du, wirst du! Und wenn ich dich persönlich nach Suna Gakure schleppen muss.“ Ich streckte ihm die Zunge raus und meinte: „Da besuche ich doch lieber meine

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Verwandte in San Francisco.“ Schnell sprang ich mit einem Salto aus dem Sandgebilde und tauchte durch ein Portal in San Francisco auf, wo gerade ein Kampf zwischen Medialen, den DarkRiver-Leoparden und den SnowDancer-Wölfen stattfand. „Himmel.“, seufzte ich und trat zwischen die Anführer, die gerade aufeinander losgehen wollten. „Das reicht.“, sagte ich leise. Sie sahen und knurrten mich an. Wütend sandte ich einen geistigen Ruf aus und alle drehten sich zu mir um. „Hawke, Lucas, was ist hier los?“, fragte ich mit eisiger Stimme. Wolf und Panther sahen mich wütend an, genau wie die Medialen. „Ihr seid solche Sturköpfe!“, stöhnte ich und zog mich zurück. „Wie ihr wollt. Kämpft gegeneinander, bringt euch gegenseitig um, mir doch egal!“ Nun sahen sie mich überrascht an und Hawke und Lucas verwandelten sich in nackte Männer. Schnell zauberte ich ihnen Jeans an und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Was machst du hier, Selena?“, fragte Lucas nun wirklich sehr unfreundlich. „Warum sollte ich dir antworten, Lucas?“, fragte ich genauso unfreundlich zurück und sah ihn provozierend an. „Ihr sagt mir ja auch nicht, was ihr hier macht.“ „Weil es dich nichts angeht.“ Das saß! Ich zuckte heftig zusammen und schloss die Augen. „Wie du meinst, Lucas.“, flüsterte ich und drehte ihm den Rücken zu. „Mein Anliegen ist nicht von Bedeutung. Macht weiter, ich halte euch nicht weiter auf.“ Tief getroffen floh ich in den dunklen Wald, wurde aber nach einigen Minuten von einer kräftigen Männerhand am Arm gepackt. „Du weißt, wie gefährlich es im Wald sein kann.“, sagte Lucas wütend. Ich riss mich von ihm los. „Das braucht dich doch nicht zu interessieren, Lucas!“, schoss ich genauso wütend zurück. „Tut es aber! Du bist ein Mitglied meines Rudels und stehst unter meinem Schutz.“ „Davon habe ich in den letzten sieben Jahren nicht viel bemerkt.“ Seine Augen funkelten mich warnend an und sein Blick glitt dann nach unten zu meinem Bauch. „Du bist schwanger?“, flüsterte er geschockt. „Deswegen bin ich eigentlich auch gekommen.“, seufzte ich und zauberte mir eine normale Jeans und ein weites rotes Shirt an. „Warum läufst du dann in den Wald, wo der Rat der Medialen tausende von Kämpfern bereitgestellt hat?“, wollte er nun wirklich stinkwütend wissen. „Falls du es nicht vergessen hast, Lucas, du bist nicht der Einzige, der eine gute Kampfausbildung genossen hat.“, informierte ich ihn nun wieder wütend. „Soll ich ihn für dich umbringen?“, fragte Nihuel und tauchte neben mir auf. „So verlockend es auch klingt, aber nein.“ Lucas knurrte ihn laut an. „Bist du fertig, Lucas?“, fragte ich ihn gähnend und ging in Richtung Wald. „Wenn ja, würde ich mich jetzt gerne in ein Bett verkriechen und pennen.“ „Selena!“, tadelte mein Ehemann mich. „Wir sind nicht in Wolkenland, Nihuel! Hier gelten andere Regeln.“, erwiderte ich und schwang mich auf einen Baum. „Lucas, würdest du bitte die Jungs zurückpfeifen? Ich kann auch alleine zu Tamsyn gehen.“ „Das werde ich nicht tun.“ „Schlechte Idee.“ Lucas und Nihuel sahen sich an. „Männer sind SO stur.“, stöhnte ich und rannte zu Tamsyn, die in der Küche backte. „Kann ich dir helfen?“, fragte ich die Heilerin. Sie ließ die Muffinform fallen und blickte mich fassungslos an. „Ja, ich lebe. Ja, ich bin Königin von Wolkenland. Ja, ich bin schwanger. UND JA, ich verkrieche mich beim Rudel.“ Den letzten Satz flüsterte ich und setzte mich auf einen Stuhl. „Mein Ehemann treibt mich zur Verzweiflung.“ „Tut das nicht jeder Ehemann?“, fragte sie trocken und stellte mir einen Teller mit Keksen und drei Muffins hin. „Danke.“ „Erzähl, was machst du hier?“ „Mein Ehemann Nihuel ist ,wütend‘, dass ich Konoha Gakure und dessen

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Einwohner vermisse.“, antwortete ich mürrisch und knabberte an einem Muffin rum. „Wie lange seit ihr denn schon verheiratet?“ „Acht Monate.“ Sie sah mich erstaunt an. „Wolkenland war ein einziges Chaos, als ich es geerbt habe.“, erklärte ich und legte den Muffin zurück auf den Teller. „Wir haben fünf Jahre mit dem Wideraufbau verbracht und dann geheiratet. Und dann habe ich vor sieben Monaten die frohe Botschaft erhalten, dass ich schwanger bin.“ „Mich würde es ja brennend interessieren, wie dich irgendjemand zähmen kann.“, bemerkte Tamsyn nachdenklich. „Hör bloß auf! Ich kann Nihuel heute nicht mehr sehen.“ Sie sah mich überrascht an. „Nihuel? Meinst du etwa Nihuel Zafrien von Kirschenland?“ „Kennst du ihn?“, fragte ich zurück. „Meine Güte, natürlich kenne ich ihn!“, lachte sie und hielt sich den Bauch. „Entschuldige, aber ich konnte eben nicht anders.“, entschuldigte sie sich nach ein paar Minuten kichernd. „Nihuel ist ein sehr guter Freund vom Rudel. Er hat uns sehr oft geholfen.“ „Apropos Rudel: Warum herrscht eigentlich Krieg zwischen den Wölfen, den Leoparden und den Medialen?“ Sie seufzte traurig. „Vor genau fünf Jahren hat der Rat der Medialen entschlossen, alles über das Medialnet und die Konditionierung zu veröffentlichen. Das hat für fürchterlichen Ärger gesorgt: Die Wölfe haben erfahren, dass wir ihnen die Vergessenen verheimlicht haben. Wir dagegen haben erfahren, dass Hawke und Sienna heimlich die anderen Laurens ins Rudelnetz geholt haben. Und die Medialen haben erfahren, dass die Wölfe und wir ihnen verheimlicht haben, dass sie selbst von Gestaltwandlern abstammen und sich nur mit diesen verbinden können.“, antwortete sie ehrlich. „Und somit hat der Rat der Medialen dafür gesorgt, dass wir alle gegeneinander in den Krieg ziehen.“, schlussfolgerte ich. „Genau.“ „Ich glaube, ich muss mit den Männern noch mal reden.“, meinte ich wütend und stand auf. „Das ist keine gute Idee.“, erwiderte Tamsyn besorgt. „Sie hören niemandem zu.“ „Mir werden sie zuhören, darauf kannst du dich verlassen.“ Stinkwütend rannte ich zurück zur Lichtung, wo noch immer gekämpft wurde. „Das reicht!“, brüllte ich und blieb stehen. Alle drehten sich zu mir um. „Lucas, Hawke, es ist genug.“ Lucas und Hawke verwandelten sich in nackte Menschen und diesmal machte ich mir nicht die Mühe, ihnen etwas anzuzaubern. „Du weißt nicht, was sie getan haben!“, schrie Lucas. „Oh doch, das weiß ich, mein Lieber. Tamsyn hat mir ALLES erzählt.“, erwiderte ich ruhig. „Der Rat der Medialen hat euch gegeneinander aufgebracht und nun seid ihr ein gutes Angriffsziel.“ Er griff mich mit seiner Klauenhand an. Geschickt wich ich aus. „Tamsyn hat mich schon vorgewarnt, dass ihr mir nicht zuhören werdet.“, seufzte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist ABGEHAUEN!“, brüllte Dorian. „Ich war in New York! Und danach musste ich mich um ein Königreich kümmern, dass vollkommen zerstört war!“, knurrte ich und ging auf ihn zu. „Dorian, du liebst doch Ashaya oder irre ich mich da?“ „Sie ist mein Herz.“, antwortete er leise. „Sie ist eine Mediale! Ihr führt doch Krieg gegen sie! Warum tötest du sie also nicht einfach?“, wollte ich von ihm wissen und blickte Lucas an. „Du liebst Sascha mehr als dein eigenes Leben! Wie könnt ihr nur so grausam sein?!“ „Wir sind nicht grausam!“, knurrte er wütend. „Doch, genau das seid ihr! Ihr tut doch gerade das, was der Rat will!“ Er sah mich überrascht an und ich sah Hawke an. „Seid die restlichen Laurens im Netz sind, ist Sienna doch viel glücklicher, oder?“ Er nickte. „Sie kann ihre Kräfte besser kontrollieren, wenn ihre Familie im gleichen Netz ist, um sie zu Not zu stoppen.“, sagte ich und sah

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wieder Lucas an. „Lucas, Sascha ist im Sender und heult sich die Augen aus dem Kopf, weil sie nicht mehr in deiner Nähe sein kann, ohne unerträgliche Schmerzen zu haben. Soll ich ihr etwa sagen, dass ihr Gefährte zu blind war, um die Falle seiner Schwiegermutter zu erkennen?“ „Nein.“, flüsterte er und blickte auf den Boden. „Spielst du Vermittlerin?“, fragte Nihuel und tauchte puffend neben mir auf. „Yep.“, antwortete ich und lehnte mich an ihn. „Aber ich glaube, ich bin hier schon fertig.“ Alle sahen mich überrascht an. „Die Medialen können sich nur mit Gestaltwandler verbinden, na und? Hauptsache, sie sind glücklich! Die Vergessenen sind Lebewesen, die dringend Hilfe brauchen. Und die Leoparden und Wölfe sollten sich schleunigst überlegen, ob sie weiterhin gegeneinander kämpfen.“, meinte ich und sah Nihuel an. „Da ist doch noch ein Ball, auf dem wir eigentlich sein sollten.“ Er lächelte und küsste mich zärtlich, bevor wir verschwanden und in Wolkenland wieder auftauchten. „Ich muss mich bei dir entschuldigen.“, sagte mein Ehemann leise. „Ich bin es, die sich entschuldigen muss.“, meinte ich und sah ihn an. „Ich muss mich langsam daran gewöhnen, dass ich Konoha Gakure nie wieder sehen werde.“ „Du wirst es wiedersehen.“, versprach er. „Liebling, wir sind in zwei Monaten Eltern. Da können wir solche Ausflüge einfach nicht mehr machen.“, widersprach ich ihm und löste mich von ihm, um ans Balkongeländer zu treten. „Ich weiß schon die ganze Zeit, dass hier mein Platz ist. Hier, in Wolkenland und an deiner Seite. Aber mein Herz sagt mir was anderes!“ „Mein Herz sagt mir, dass du glücklich sein sollst.“, sagte mein Ehemann sanft. „Wenn du hier nicht glücklich sein kannst, MUSST du gehen.“ „Und was ist mit dir? Mit UNS?“, wollte ich von ihm wissen und drehte mich zu ihm um. „Wenn ich gehe, wächst unser Kind ohne Vater auf! Ich weiß doch am besten, wie es ist, ohne Eltern aufzuwachsen! Ich bin mit 13 Jahren nach New York gegangen und habe seitdem meine Eltern nie wieder gesehen! Bis ich erfahren habe, dass sie tot sind.“ Mir liefen die Tränen über die Wangen. Zärtlich strich er mir die Tränen weg und küsste mich auf die Stirn. „Deine Eltern sind vielleicht tot, doch du hast sie nicht verloren.“, sagte er leise und sah in den Sternenhimmel auf. „Ich dagegen kenne meine biologischen Eltern nicht einmal. Ich habe sie noch nie gesehen, nicht einmal auf Fotos.“ Erstaunt sah ich Nihuel an. „Das einzige, was ich weiß, ist, dass sie in San Francisco gelebt haben.“ „Das ist mein Gebiet.“, stellte ich fest und holte mein Handy aus der Hosentasche. „Was hast du vor?“, fragte er mich. „Ich rufe einen alten Freund an.“, antwortete ich und wählte die Nummer von Teijan. „Wehe, es ist nicht wichtig.“, meldete dieser sich knurrend. „Ist es.“, versicherte ich ihm. „Ich habe noch etwas gut bei dir, Teijan.“ „Um was geht es?“ „Kannst du mal nach den Eltern von Nihuel Zafrien suchen?“ „Warte kurz.“, sagte er und meldete sich kurz darauf wieder: „Also: Seine Eltern wurden vor 27 Jahren umgebracht. Und rate mal, wer sie waren.“ „Julian und Darah.“, flüsterte ich. „Bingo!“ „Danke, Teijan.“, sagte ich und legte auf. „Was hast du herausgefunden?“, wollte Nihuel von mir wissen. „Wir müssen noch mal zurück zum Rudel, Darling.“, meinte ich und zauberte uns nach San Francisco, wo Hawke und Lucas gerade einen Friedensvertrag unterschrieben. „Da ist ja unsere Retterin.“, lächelte Hawke. „Kannst du uns bitte mal kurz alleine lassen, Hawke?“, bat ich ihn. Er nickte und verließ das Büro. „Was ist los, Selena?“, fragte Lucas besorgt. „Kannst du dich noch daran erinnern, dass Tamsyn sagte, du hättest einen Bruder?“, fragte ich leise zurück. Er

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nickte zögernd. „Tja, Überraschung! Nihuel ist dein Bruder.“ Beide Männer sahen mich fassungslos an. „Vor 27 Jahren wurden Julian und Darah umgebracht. Lucas war da gerade mal fünf Jahre alt, Nihuel noch ein Baby.“, seufzte ich und setzte mich auf die bequeme Couch. „Woher willst du das wissen?“, wollte Lucas wissen. „Ihr beide habt ein Muttermal an einer gewissen Stelle.“, antwortete ich grinsend. „Hast du ihn etwa nackt gesehen?“, fragte Nihuel mich fassungslos und deutete mit dem Zeigefinger auf Lucas. „Liebling, mein Vater war ein Gestaltwandler und ist im Rudel aufgewachsen! Ich habe JEDEN aus dem Rudel mal nackt gesehen.“, lachte ich. „Das ist für uns etwas ganz normales.“, meinte Lucas schulterzuckend. „Zurück zum Thema.“ Ich wurde wieder ernst. „Da ihr Brüder seid, haben wir ein Problem.“ „Welches denn?“, fragte Nihuel überrascht. „Du bist außerhalb eines Rudels aufgewachsen.“, antwortete Lucas und verschränkte die Arme vor der Brust. „Beim nächsten Vollmond wirst du dich verwandeln und wir können dir dabei nicht helfen. Es wird grausam werden und du wirst dich von deiner tierischen Seite abwenden.“ Mein Ehemann sah uns verständnislos an. „Woher wollt ihr das wissen?“ „Weil es schon einmal passiert ist.“, antwortete ich flüsternd und schloss die Augen. „Es ist in Ordnung, Selena. Wir müssen es ihm nicht sagen, wenn du es nicht willst.“, sagte Lucas leise. „Schon gut, Lucas.“, meinte ich kopfschüttelnd. „Irgendwann erfährt er es ja sowieso.“ „Was denn? Worum geht es?“, wollte Nihuel von uns wissen. „Meine Zwillingsschwester hat sich von ihrer tierischen Seite abgewendet, Nihuel.“, antwortete ich ehrlich und sah ihn an. „Und daher weiß ich auch, dass du es genauso tun wirst.“ „Du hast eine ZWILLINGSSCHWESTER?!“ „Ja, hat sie.“, antwortete Lucas für mich. Nihuel sah mich fassungslos an. „Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?“, fragte er leise. „Wie denn, Nihuel?! Es hat mir das Herz zerrissen, als Paulina sich von mir abgewandt hat!“, schluchzte ich und schlug die Hände vors Gesicht. Lucas setzte sich neben mich und zog mich an sich. „Schon gut, Süße.“, flüsterte er und rieb mir tröstend über den Rücken.

Genervt schlug ich auf den Sandsack ein. „Wie bist du denn drauf?“, fragte mein Teamkollege Jeff und stieg vom Laufband. „Willst du lieber nicht wissen.“, schnaufte ich und unterbrach meine Arbeit, um mir eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen. „Du solltest wirklich mal mit deiner Schwester reden.“, sagte er. „Vergiss es, Jeff!“, schnauzte ich ihn an und ging nach oben in die Küche, wo Josy am Küchentisch saß, Zeitung las und eine Tasse Kaffee trank. Ich schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, als der Alarm losging. „Wurde aber auch Zeit.“, seufzte ich. „War dir so langweilig?“, fragte mich Josy grinsend und gemeinsam rannten wir runter in die Waffenkammer, um uns für den Einsatz fertig zu machen. „Worum geht es?“, fragte Alexa und zog sich eine schusssichere Weste an. „Angriff von Gestaltwandlern.“, antwortete Ian und überprüfte das Magazin seiner Waffe. „Warum werden dann wir gerufen?“, wollte ich wissen. „Miller ist auf einem Egotrip.“, erklärte Josy ernst. Wir sahen uns an und prusteten los. „Na kommt, legen wir los.“, sagte Will und gemeinsam fuhren wir im Kleinbus zum Einsatzort. „Paulina, du gehst mit Ray durch den Hintereingang rein.“, ordnete Josy an. „Das wird nicht nötig sein.“, meinte eine bekannte Stimme und

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Selena trat zu uns. Böse sah ich sie an. „Das sind nur Roman und Julian.“ Unwillkürlich musste ich lächeln. Roman und Julian waren die Zwillinge von Tamsyn und Nathan Ryder und verschwanden gerne mal ohne ein Wort. „Was machen die beiden hier in Fort Collins?“, fragte ich meine Zwillingsschwester und steckte meine Waffe in das Holster an meiner Hüfte. „Es gab einige Turbolenzen in San Francisco und man hatte die jüngeren Gestaltwandler in Sicherheit gebracht.“, antwortete Selena und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und den Rest kannst du dir ja denken.“ „Allerdings.“, grinste ich und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Ich sammle sie mal wieder ein und verschwinde.“ „Mach das. Wir kümmern uns um alles andere.“ Meine Zwillingsschwester nickte und betrat das Haus. „Wer ist sie?“, wollte Ray wissen. „Das ist meine Zwillingsschwester Selena.“, antwortete ich und ging zurück zum Kleinbus. „Sie sieht heiß aus.“, bemerkte Jeff. „Yep, das tut sie.“, stimmte Miller ihm zu. „Jungs, könnt ihr bitte mal aufhören?! Das nervt gewaltig.“ Josy kicherte und ich stöhnte genervt. „Kommt schon, Leute. Wir fahren nach Hause.“, meinte Will und stieg in den Wagen. „Warum habt ihr euch eigentlich gestritten?“, fragte Will nach ein paar Minuten. „Das ist eine lange Geschichte, Will.“, seufzte ich und lehnte mich zurück. „Alles fing vor 13 Jahren an. Wir waren beim Rudel der DarkRiver-Leoparden in San Francisco beim alljährlichen Familientreffen. Natürlich wusste ich, dass mein Vater dort aufgewachsen ist, aber ich wusste nicht, dass ich ebenfalls eine Gestaltwandlerin bin. Also verwandelte ich mich abends, bevor die große Jagd losging. Lucas, das Alphatier, sah mich an und seufzte. Er meinte, er wusste nicht, dass ich Gestaltwandlergene in mir trage. Total wütend wandte ich mich an meine Eltern und Selena, die natürlich Bescheid wussten und wollte wissen, warum sie mir nichts gesagt hatten. Sie meinten, sie wollten mich nicht unnötig sorgen und ängstigen.“ „Ich verstehe ja, warum du wütend auf deine Eltern bist, aber Selena ist deine Zwillingsschwester!“, meinte Josy und drehte sich zu mir nach hinten um. „Sie sah ziemlich traurig aus, als wir sie getroffen haben.“ „Traurig ist sie bestimmt NICHT, Josy! Sie hat alles! Ein perfektes Leben, einen Ehemann und eine große Familie. Nicht zu vergessen, dass sie schwanger ist.“, erwiderte ich verbittert. „Sie hat keine Familie und kein perfektes Leben, Paulina.“, sagte Ian leise. Überrascht sah ich ihn an. „Ich gebe zu, dass ich Selena schon seit über sieben Jahre kenne.“ „Verräter!“, zischte ich. „Jetzt hör mir doch erst einmal zu!“, brauste er auf. „Sie ist mit 13 Jahren nach New York zur Gilde der Jäger gegangen, um dort eine Ausbildung zu machen. Mit 16 Jahren hat sie Wolkenland geerbt, was total zerstört war. Sie hat erfahren, dass ihre Eltern und Großeltern ermordet wurden UND sie hat Nihuel getroffen. Sie haben FÜNF JAHRE gebraucht, um Wolkenland wieder aufzubauen und dann haben sie geheiratet. Sie hat KEINE Familie, Paulina! Sie hat nur noch Nihuel und dich. Das Rudel der DarkRiver-Leoparden ist mit den Medialen und den SnowDancer-Wölfen im Krieg.“ Fassungslos sah ich ihn an. „Mom und Dad sind tot?“, flüsterte ich. „Seit sechs Jahren.“, bestätigte er leise.

„Jungs, nun kommt schon!“ Böse sah ich die Zwillinge an. „Eure Mutter ist ganz krank vor Sorge um euch. Und ich kann mich erinnern, dass Sascha gesagt hat, sie verwandelt euch in Ratten, wenn ihr nicht artig seid. Ich glaube, ich mache es genauso.“ Sie sahen mich erschrocken an und ich kniete mich seufzend auf

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den Boden. „Roman, Julian, ihr seid mittlerweile zu alt für solche Kindereien. Es wird Zeit, dass ihr euch wie junge Erwachsene benehmt.“ Sie tapsten zu mir und schmiegten sich an mich. Sie waren vorsichtig, weil sie wussten, dass ich schwanger war. „Und außerdem, wer soll sich um mein Kind kümmern, wenn ich mit Nihuel unterwegs bin?“, neckte ich sie und kraulte sie hinter den Ohren. „Sie sind wirklich verschmust.“, sagte eine bekannte Stimme und Paulina trat neben mich. „Sag das bloß nicht zu laut, sonst bist du nachher nur noch Hackfleisch!“, lachte ich. Sie kniete sich hin und strich Julian übers Rückenfell. „Kannst du sie eigentlich auseinanderhalten?“ Ich nickte und deutete mit einer Kopfbewegung auf Julians Gesicht. „Julian hat einen Leberflecken direkt neben der Nase, den Roman nicht hat.“ „Ich werde sie wahrscheinlich nie auseinanderhalten können.“, gab Paulina ehrlich zu. „Wenn du es erst einmal weißt, ist es wirklich einfach, sie auseinanderzuhalten.“, meinte ich. Roman hob knurrend den Kopf, als jemand das Haus betrat. „Es ist in Ordnung, Roman.“, sagte Nihuel und trat hinter mich, um mir die Schultern zu massieren. „Wir müssen langsam los, Liebling.“ „Bist du dir wirklich sicher, dass du das möchtest?“, fragte ich ihn besorgt. Er strich mir zärtlich mit einer Hand über die Wange. „Du machst dir zu viele Sorgen.“, meinte er sanft. „Ich möchte nicht noch einmal jemanden verlieren, den ich liebe, nur weil ich nicht eingegriffen habe.“, erwiderte ich. „Einmal reicht mir vollkommen.“ Paulina legte mir eine Hand auf den rechten Unterarm. „Wir waren beide noch Kinder, Sel.“, sagte sie. „Ich bin deine große Schwester! Ich hätte wenigstens mit dir reden sollen.“, flüsterte ich. „Wie denn? Ich bin doch sofort abgehauen. Du hättest mich nicht finden können, egal wie sehr du es versucht hättest.“, meinte sie und lächelte sanft. „Und außerdem hattest du genug zu tun, wie ich von Ian erfahren habe.“ „Dieser Verräter!“, zischte ich. Sie lachte. „Genauso habe ich vorhin auch reagiert. Ich glaube, er kann uns nicht mehr leiden.“ Erleichtert umarmte ich sie.

Drei Monate später…

„Schön, dass ihr hier seid.“, begrüßte uns Josy lächelnd. „Paulina ist unten im Trainingsraum.“ „Danke, Josy.“, sagte ich und umarmte sie mit einem Arm. „Sie sind einfach bezaubernd.“, meinte sie und blickte Leila und Tony an. „Das sagt jeder.“, seufzte Nihuel. Leise lachend ging ich mit ihm runter in den Trainingsraum, wo Paulina auf einen Sandsack einprügelte. „Macht’s Spaß?“, fragte ich. Sie sah mich überrascht an und ein breites, strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Was macht ihr denn hier?“, wollte sie wissen und zog sich die Boxhandschuhe von den Händen. „Ich dachte, wir sehen uns erst nächste Woche beim Familientreffen.“ „Tja, wir haben da etwas mit deinem Chef ausgemacht.“, meinte Nihuel verschmitzt grinsend. „Und was?“ „Du kommst zwei Wochen mit uns nach Wolkenland.“, antwortete ich. Sie blickte verdutzt drein. „Und das hat Will gestattet?“, fragte sie ungläubig. „Ist es nicht in Ordnung für dich?“, fragte ich besorgt. Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht! Nur haben wir momentan wirklich viel zu tun.“ Leila schmatzte ein bisschen und öffnete die Augen, um Paulina direkt ins Gesicht zu blicken. „Och, Süße.“, sagte sie und strich meiner Tochter zärtlich über die Wange. „Ein bisschen Urlaub wird mir mal guttun.“ Lächelnd reichte ich sie meiner Zwillingsschwester. „Wie sieht es

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eigentlich in Sachen Liebe aus?“, fragte Nihuel. „Frag lieber nicht.“, grummelte Paulina und gemeinsam gingen wir nach oben in den Garten. „Der Letzte war ein absoluter Macho.“ „Vielleicht findest du ja in Wolkenland jemanden.“, meinte ich und öffnete das Portal nach Wolkenland. „WOW!“, hauchte Paulina beeindruckt. „Du hättest es mal vor dem Krieg sehen müssen.“, sagte Nihuel. „Es war das reinste Paradies.“ „Das ist es jetzt auch wieder, Liebling.“, wandte ich ein und betrat den großen Palast. „Majestät! Wir haben Euch schon überall gesucht!“, rief Nia und rannte total aufgelöst zu uns. „Nia? Was ist denn los?“, fragte ich besorgt. „Ein gewisser Noel hat uns angerufen.“, keuchte sie und blieb vor uns stehen. „Noel? Hat er auch gesagt, worum es geht?“ „Nein, er hat nur gesagt, dass es dringend ist.“ Nun sah sie Paulina an und erstarrte. „Meine Zwillingsschwester Paulina. Paulina, das ist meine engste Vertraute Nia.“, stellte ich sie einander knapp vor und sah Nihuel an. „Bleibst du mit Paulina hier und passt auf die Kinder auf?“ Er nickte. „Moment mal! Ich komme mit!“, protestierte Paulina. „Das geht leider nicht, Paulina.“, sagte Nihuel kopfschüttelnd. „Diese Angelegenheit ist wirklich ernst.“ „Sehe ich etwa so aus, als wäre ich nicht ernst?!“ „Von mir aus. Aber wir müssen sofort los.“, seufzte ich und zauberte uns nach New York, wo das reinste Chaos herrschte. Mehrere Engel, Vampire und Menschen lagen auf dem Boden. Galen und Dmitri waren unter den Vampiren. „Galen! Dmitri!“, rief ich und rannte zu ihnen. „Selena.“, flüsterte Galen. „Was ist hier passiert?“ „Lijuan. Sie will Elena und Raphael töten.“, keuchte Dmitri. „Bewegt euch nicht. Ich helfe euch, so schnell ich kann.“, meinte ich und sah Paulina an. „Hast du noch etwas von dem Heilkundeunterricht bei Sakura behalten?“ Sie nickte und machte sich auf die Suche nach Heilkräutern. „Sie ist wunderschön.“, sagte Galen leise. „Ich würde sie gerne besser kennenlernen, aber dazu habe ich anscheinend keine Zeit mehr.“ „Glaub mir, Paulina kann ein richtiger Sturkopf sein.“, lachte ich leise. „Genau wie meine Schwester.“, meinte Paulina und reichte mir die Heilkräuter, die ich dann auf die Wunden legte und einige Worte sprach. „Ihr werdet noch ein oder zwei Wochen nicht einsatzbereit sein, aber ihr werdet überleben.“, teilte ich den beiden Vampiren mit und kümmerte mich um die anderen Verletzten. „Paulina, geh sofort zur Gilde und sag der Empfangsdame dort, dass Code lila herrscht.“, trug ich meiner Zwillingsschwester auf. „Wo ist denn diese Gilde?“, fragte diese hilflos. „In Ordnung. Kümmere du dich um die Verletzten, ich gehe zur Gilde.“, seufzte ich und rannte zum Gildengebäude, wo alles verriegelt war. Schnell gab ich meinen Zugangscode ein und die Türen öffneten sich. Kopfschüttelnd rannte ich zur Einsatzzentrale, wo Evelyn am Computer saß und blitzschnell auf ihre Tastatur eintippte. „Evelyn, Code lila. Alle sofort zum Erzengelturm.“, sagte ich zu meiner alten Kollegin und schnappte mir ein Headset und einen Pager. „Sind schon längst dort.“, meinte diese und klatschte meine Hand ab. „Sei vorsichtig. Und nimm die neuen Waffen von Vivek mit.“ „Klaro. Und Vivek ist einfach ein Genie.“, grinste ich, schnappte mir das große Gewehr, die Dolche und die kleine Pistole. „Bis später.“ Puffend verschwand ich und tauchte beim Erzengelturm wieder auf. „Wie sieht es aus, Leute?“, fragte ich durchs Headset meine alten Kollegen. „Beschissen.“, antwortete Ashwini. Grinsend machte ich mich auf den Weg hoch ins Büro von Raphael und Elena. „Bin jetzt beim Büro. Passt ihr auf unsere Freunde auf.“ „Klaro.“, seufzte Beth. Mit einem unsicheren Ausdruck auf dem Gesicht

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betrat ich das Büro. „Entschuldigung, wo finde ich den Erzengel von New York?“, fragte ich einen Vampir. Er fauchte mich an. „Beängstigend.“, bemerkte ich trocken und stieß ihm einen Holzfahl ins Herz. „Hallo, Lijuan! Lass uns doch spielen.“ Mit geübten Bewegungen erledigte ich die anderen Vampire und trat dann ans Fenster, aus dem Elena und Raphael gefesselt hingen. „Wie habt ihr das denn geschafft?“, wollte ich von ihnen wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du lieber nicht wissen.“, sagte Raphael wütend. Seufzend zog ich die beiden ins Büro zurück und löste die Fesseln von Händen, Füßen und Flügeln. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte Elena mich. „Noel hat in Wolkenland angerufen.“, antwortete ich ihr und reichte ihr eine von Vivek entwickelten Waffen, sowie ein Headset. „Alles in Ordnung mit dir, Elena?“, fragte Beth besorgt. „Dank Selena schon.“, antwortete Elena ihrer Schwester. „Wo ist Lijuan, Raphael?“, fragte ich den Erzengel von New York. „So gut wie in der Hölle.“, antwortete der stinkwütend und flog aus dem Büro. Seufzend machte ich mich auf den Weg zu meiner Zwillingsschwester, die sich neben Galen gesetzt hatte und sich mit ihm unterhielt. „Raphael und Elena sind in Sicherheit.“, teilte ich ihm und Dmitri mit. „Die beiden knöpfen sich Lijuan vor.“ Sie grinsten und Paulina sah mich besorgt an. „Keine Sorge, ihnen wird nichts passieren.“, beruhigte ich sie und kniete mich neben sie. „Sie sind erfahrene Kämpfer und es nicht das erste Mal, dass sie gegen Lijuan kämpfen.“ „Danke, Selena.“, flüsterte Dmitri. „Kein Problem, alter Freund.“ Ich reichte ihm einen Blutbeutel, den ich unterwegs noch bei der Blutbank für Vampire besorgt hatte. „Guten Appetit.“ „He! Und was ist mit mir?“, fragte Galen gespielt empört. Lachend warf ich ihm einen Blutbeutel zu. „Fühl dich doch nicht benachteiligt, Galen. Dmitri ist nur viel furchteinflößender als du.“ „Gar nicht wahr!“, protestierte Dmitri entrüstet. „Moment mal! Woher kennt ihr euch eigentlich?“, wollte meine Zwillingsschwester wissen. „Die beiden sind alte Freunde von mir aus der Zeit, an der ich an der Akademie war.“, antwortete ich ihr ruhig und strich Dmitri eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sie sind die Verbindungspersonen zwischen den Erzengeln und Engeln, den Vampiren und den Jägern.“ Paulina wurde blass. „Sie gibt bloß an.“, bemerkte Galen und warf den leeren Blutbeutel auf die Straße. „In Wirklichkeit haben wir sie mit dem härtesten Training überhaupt gequält.“ „Das waren Ransom und Deacon, nicht ihr beide.“, korrigierte ich ihn und sah meine Schwester an. „Sie haben mich mit ihrem Genörgel gequält. Immer waren sie die Armen, die zu Konferenzen mussten.“ Sie verdrehte die Augen. „Selena? Was machst du denn hier?“, fragte eine bekannte Stimme verblüfft. Ich drehte mich um und sah vor mir Nathan, Carrie, Max, Bella, Ziggy und Bill. „Das gleiche könnte ich euch auch fragen.“, meinte ich und stand auf. „Auftrag der Organisation.“, erklärte Bill. „Tja, ihr seid zu spät. Das Spektakel hat schon stattgefunden.“, seufzte ich und schob die Hände in die Hosentaschen meiner Hüftjeans. „Och nee!“, stöhnte Ziggy. „Hast nichts verpasst, Ziggy. War ziemlich langweilig.“ Er sah mich böse an. Carrie lachte. „Allerdings werdet ihr lange brauchen, um hier aufzuräumen.“, stellte Max nüchtern fest. Dafür fing er sich eine Kopfnuss von Bella ein. „Danke, Bella.“, sagte ich tonlos. Sie schenkte mir ein Lächeln. „Ich frage mich, warum da zwei Vampire auf dem Boden liegen.“, bemerkte Nathan wütend. „Diese Vampire gehören zu mir.“, teilte ihm Raphael kalt mit und landete mit Elena neben mir. „Und sie sind meine Freunde, Nathan.“, fügte ich hinzu. Der

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Vampirjäger sah mich überrascht an. Carrie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nein! Das kommt gar nicht in Frage!“, rief er. „Du hast den Auftrag angenommen, Nathan, nicht wir.“, erinnerte sie ihn ruhig. „Vergiss es, Carrie. Wenn Nathan so drauf ist, ist er noch gefährlicher als ein blutrünstiger Vampir.“, informierte ich sie und sah Raphael an. „Galen und Dmitri werden ein oder zwei Wochen nicht einsatzbereit sein, aber sie werden überleben. Bring sie am besten in die Zufluchtsstädte, damit sie sich ordentlich auskurieren können.“ Er nickte, hob Dmitri auf seine Arme und flog in den Himmel, Elena folgte ihm mit Galen auf den Armen. „Woher willst du wissen, wie ein blutrünstiger Vampir drauf ist?“, wollte Nathan von mir wissen. „Weil einige Vampire unsere Familie umgebracht haben.“, antwortete Paulina und trat zu uns. „Nicht nur das, sie haben Wolkenland vollständig zerstört.“, fügte ich hinzu und sah ihn an. „Der Souleater ist kein Vergleich dazu.“ „Kann ich nicht glauben.“, meinte Max ungläubig. „Der Typ ist vollkommen verrückt.“ Ich zuckte mit den Schultern und sah meine Schwester an. „Wollen wir nach Hause gehen?“ Sie nickte. „Moment mal! Ihr werdet jetzt nicht gehen!“, protestierte Nathan wütend. „Doch, werden wir. Ich habe auch noch andere Verpflichtungen, Nathan.“, schoss ich zurück und funkelte ihn wütend an. „Komm, hör auf! Das bringt doch eh nichts.“, sagte Paulina beschwichtigend. Seufzend ging ich mit ihr zur Gilde, um die Waffen abzugeben. „Das hier ist also die Akademie.“, staunte meine Schwester, als wir das große Gebäude betraten. „Das hier ist das Hauptquartier. Die Akademie ist außerhalb der Stadt.“, korrigierte ich sie und ging auf die Waffenkammer zu. „Das Hauptquartier?“ „Hier ist der Kopf der ganzen Organisation.“, erklärte ich und sortierte die Waffen ein. „Hier findet das Training gegen Ransom und Deacon statt. Unsere ganzen und neuentwickelten Waffen von Vivek findest du hier in der Waffenkammer, unten im Keller sind die Trainingsräume, die Schwimmbäder und Schlafkammern. Oben ist das Büro der Gildendirektorin und ihres Mannes.“ „Ihr habt hier SCHWIMMBÄDER?!“, rief Paulina aufgeregt. „Yep, sieben Stück.“, lachte ich und trug mich in die Liste, in der immer stand, welche Waffen von wem ausgeliehen wurden, ein. „Mittlerweile acht.“, bemerkte Ransom und betrat die Waffenkammer, um seine Waffen ebenfalls einzusortieren. „Ist vorgestern fertig geworden.“ „Für die Studenten?“, fragte ich ihn. „Yep. Drittes und achtes ist für die Studenten reserviert.“, antwortete er und ging hinter in die Kammer, wo die Spezialwaffen aufbewahrt wurden. „Er sieht gut aus.“, flüsterte Paulina mir zu. „Ist leider schon vergeben.“, flüsterte ich zurück. Ein Messer flog auf uns zu. Gelangweilt fing ich es auf und warf es zurück. „Au!“, rief Ransom empört und trat zu uns. „Du hast es so gewollt, mein Lieber.“, grinste ich. Sein Bein schnellte vor, um mir meine Beine wegzutreten, doch ich sprang hoch und verpasste ihm einen Tritt gegens Kinn. „Du bist besser geworden.“, sagte er nachdenklich und rieb sich das Kinn. „Ich hatte gute Lehrer.“, erwiderte ich lachend. Meine Schwester sah uns fassungslos an. „Ist so eine Angewohnheit von uns.“, erklärte Ransom und verließ fröhlich winkend die Waffenkammer. „Er ist total verrückt.“, lachte ich kopfschüttelnd und ging zur Einsatzzentrale, wo Evelyn sich um den Papierkram kümmerte. „Und das hier ist die Einsatzzentrale.“, sagte ich zu meiner Zwillingsschwester. „Hier werden die Missionen auf die Jäger verteilt.“ „Wir retten euch den Hintern.“, meinte Evelyn ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. Paulina sah uns verständnislos an. „Wir sind über Headsets ständig in Verbindung und

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bekommen so alle ausführlichen Infos.“, erklärte ich und setzte mich an den großen Versammlungstisch. „Und wie Evelyn gerade so passend gesagt hat, die Leute in der Einsatzzentrale sehen alles und jeden. Wenn jemand unter uns ist, sagen sie uns bescheid. Wenn jemand unsichtbar ist, sagen sie uns bescheid. Sie retten uns also wirklich immer den Hintern.“ Meine Kollegin grinste und ging zum Aktenschrank, um etwas einzusortieren. „Evelyn, weißt du vielleicht, wo meine Tochter ist?“, fragte Deacon und betrat die Einsatzzentrale. „Unten im Schwimmbad fünf.“, antwortete Evelyn. „Danke.“ Er sah mich und lächelte strahlend. „Selena!“ Er umarmte mich stürmisch. „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Deacon.“, lachte ich und erwiderte seine Umarmung, bevor ich mich von ihm löste. „Wo ist denn dein Ehemann?“ „Der kümmert sich um die Kinder.“ Er lachte und strich Paulina übers Haar. „Schön, dich zu sehen, Paulina.“, sagte er lächelnd und ging zur Kaffeebar. „Dito.“, meinte meine Schwester. „Ihr kennt euch?“, fragte ich erstaunt. „Kleiner Vorfall mit Vampiren in Fort Collins. Deacon hat uns den Hintern gerettet.“, erklärte sie und nahm dankend die Kaffeetasse, die Deacon ihr reichte. „Wundert mich nicht.“ Er reichte mir ebenfalls eine Tasse Kaffee. „Wie sieht es eigentlich drüben aus?“ „Gut. Und danke.“, antwortete ich lächelnd und umschloss sie mit beiden Händen. „Mittlerweile hat sich alles beruhigt. Die Geschäfte laufen gut, die Bündnisse halten und Maiwenn hat sich wieder eingekriegt.“ „Sie hat mir die meisten Sorgen gemacht.“, seufzte Deacon und setzte sich zu uns. „Mir nicht.“ Paulina sah mich fragend an. „Du wirst sie nachher kennenlernen.“, meinte ich und lehnte mich ein wenig zurück. „Ich habe das hier ganz schön vermisst.“ „Ich würde hier nie freiwillig eine Ausbildung machen.“, meinte sie schaudernd. Deacon lachte. „Das gleiche hat deine Zwillingsschwester auch gesagt, als sie zu uns gekommen ist.“, sagte er kichernd und beruhigte sich wieder. „Sie war unausstehlich.“ „Das ist gar nicht wahr!“, protestierte ich empört. „Du hast uns verfaulte Eier in die Schuhe getan!“ Paulina lachte laut. „Wir haben Wochen gebraucht, um den Gestank loszuwerden. Und solange durften wir nicht auf Missionen gehen.“, berichtete er ihr. „Sarah ist stinkwütend gewesen.“ „Und Elena erst! Sie hätte mir beinahe eine ordentliche Ladung Spezialmunition verpasst.“, lachte ich. Plötzlich klingelte das Telefon . „Gilde der Jäger, Deveraux am Apparat.“ , meldete sich Evelyn. „Ja, die ist hier. Moment, bitte.“ Sie warf mir das Telefon zu. „Zafrien.“, meldete ich mich. „Hier ist Billy. Wir haben ein Problem.“, sagte eine bekannte Stimme. „Wenn es um schleimige Monster geht, bin ich nicht verfügbar.“ „Es geht um eine durchgeknallte M.O.M..“, meinte Billy. „Ich bin schon unterwegs.“, seufzte ich, legte auf und warf Evelyn das Telefon wieder zu. „Schwesterherz, kannst du dich noch an die Basis erinnern?“ Meine Schwester grinste. „Natürlich.“ „Riesiges Problem: M.O.M. ist durchgeknallt.“ „Ist sie das nicht immer?“, bemerkte sie trocken. „Übernatürlich durchgeknallt.“, erklärte ich und trank meinen Kaffee aus. „Und wir müssen sofort los.“ „Nicht ohne uns.“, meinte Nihuel und tauchte mit unseren Kindern auf. „In Ordnung.“ Lächelnd zauberte ich uns nach Torrington. „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte eine bekannte Stimme und ein junger Mann trat zu uns. „Nicht nötig, Marvin.“, antwortete ich. Er griff mich mit einem schwertähnlichen Gegenstand an. Gelangweilt packte ich ihn und schleuderte ihn in die Luft. Marvin sah mich geschockt an. „Das war aber nicht nett.“, bemerkte ich tonlos. „Woher kennen Sie meinen Namen?“, wollte er von mir wissen. „Mein Gott! Du bist

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Agent der Basis und der Erzrivale von Martin Mystery.“, stöhnte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Deine Lieblingsbeschäftigung ist Surfen und du warst ein Jahr am Südpol stationiert, weil Martin dich verpfiffen hat. Du bist heimlich in Diana verliebt und hasst es, wenn Billy unangemeldet auftaucht, so wie jeder von uns.“ Er sah Paulina an. „Weißt du, wovon sie da schwafelt, Selena?“ Sie prustete. „Marvin, ich bin Paulina, nicht Selena.“, kicherte sie und hielt sich den Bauch, so sehr lachte sie. Nihuel sah wütend drein. „Immer mit der Ruhe, Liebling.“, sagte ich beschwichtigend und nahm ihm Leila ab. „Moment mal! Wer ist denn jetzt wer?“, fragte Marvin verwirrt. „Ich bin Selena und das ist meine Zwillingsschwester Paulina.“, antwortete ich und strich meiner Tochter zärtlich über die Wange. „Und dieser nette Mann hier ist mein Ehemann Nihuel mit unserem Sohn Tony. Ich halte momentan unsere Tochter Leila.“ Er sah Leila neugierig an und diese streckte die Arme nach ihm aus. Lächelnd reichte ich sie ihm. „Sie ist wirklich süß.“, sagte er sanft und hielt sie, eng an sich gepresst, fest. „Yep, das ist sie.“, stimmte ihm Martin zu und trat zu uns. „Danke, dass ihr gekommen seid, Leute.“ „Kein Problem, Martin.“, meinte mein Ehemann. „Was genau ist denn los?“, fragte ich Martin. „M.O.M. hat unsere Uhren zerstört, so wie die Basis und alle Portale. Die Außenstationen sind alle schon gewarnt, aber einige haben nicht geantwortet.“, antwortete er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe schon versucht, über das externe System herauszufinden was los ist, aber da sind keine Informationen.“ „Hört sich verdächtig nach einem Lailong an.“, sagte Nihuel. „Leilon?“, wiederholte Marvin verständnislos. „Lailong.“, korrigierte ich ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ein gemeiner Parasit aus der Anderswelt, der Lebewesen befällt und sie zu wahren Monstern werden lässt.“ „Kein Wunder, dass wir nichts gefunden haben.“, meinte Diana und trat mit Java zu uns. „Das dürfte eigentlich gar nicht möglich sein.“, erwiderte ich und sah sie an. „Hier ist er unter dem Namen Bandwurm bekannt.“ Fassungslos sah sie mich an. „Es ist eine mutierte Version von dem eigentlichen Bandwurm, aber dass ihr nichts gefunden habt, ist so gut wie unmöglich.“, erklärte Nihuel. „Nihuel hat recht, Leute. Ihr hättet irgendwas finden MÜSSEN.“, seufzte ich. „Könnte sein. Aber warum haben wir nichts gefunden?“, wollte Java wissen. „Das ist die 1 Million Euro Frage.“, meinte Marvin. „Erst einmal müssen wir M.O.M. finden.“, fing Martin an. „Benutz den internen Peilsende. Währenddessen hole ich das Gegenmittel aus der Anderswelt.“, meinte ich und sah Paulina an. „Willst du mitkommen?“ Sie nickte und ich zauberte uns gemeinsam in die Anderswelt. „Läuft dein Leben immer so ab?“, fragte sie mich. „Nicht immer so chaotisch.“, antwortete ich lachend und ging den Reitweg entlang. „Normalerweise werde ich zwei- bis dreimal gerufen.“ „Ich bin froh, wenn wir nur einmal gerufen werden.“ „Na ja, ihr habt aber auch nicht so viele Verpflichtungen.“, erwiderte ich. „Ich bin immer noch eine Jägerin der Gilde, ich bin immer noch eine Vermittlerin zwischen den verschiedenen Völkern der Übernatürlichen und noch vieles anderes. Und natürlich Königin von Wolkenland, Ehefrau und Mutter von Zwillingen.“ „Ich verstehe dich nicht. Wie hältst du das nur aus?“, wollte sie von mir wissen. „Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Und ich habe keine Ahnung.“, antwortete ich ehrlich und schob meine Hände in die Hosentaschen meiner Hüftjeans. „Vielleicht liegt es daran, dass ich so lange auf mich alleine gestellt war.“ „Das war ich aber auch.“ „Du hast dein Team, Paulina. Will, Josy, Ray,

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Ian, Shania, Alexa, Jeff, Cass und Miller. Sie haben dich aufgenommen und großgezogen.“, entgegnete ich. „Die Gilde hat mich aufgenommen und ausgebildet, ich habe Missionen übernommen und war ein Teil der Gemeinschaft, aber ich war alleine. Die Engel sind wirklich tolle Lebewesen, aber sie sind keine Schmuseengel. Bei ihnen gibt es immer nur Krieg, Tod, Leid und Schmerz. Keine gute Voraussetzung, um jemanden wie mich aufzuziehen.“ „Und was ist mit Nihuel?“ „Nihuel?! Eine arrangierte Ehe, meine Liebe. Wir können von Glück reden, dass wir uns lieben und glücklich miteinander sind, aber es hätte auch anders laufen können.“, antwortete ich, blieb stehen und schloss die Augen. „Er ist mein Anker, das Einzige- mit Ausnahme meiner Kinder- was mich noch hier in dieser Welt hält.“ „Und was ist mit mir?“, flüsterte Paulina. „Du bist meine Zwillingsschwester, Paulina, aber ich habe dich seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen, geschweige denn gesprochen. Ich kenne dich nur von damals, als wir beide noch Kinder waren. Und selbst dann hast du das getan, was ich niemals von dir erwartet hätte.“ Ich sah sie an. „Denkst du wirklich, mein Leben ist perfekt? Perfekte Familie, perfekter Ehemann, perfekter Job und perfektes Land? Entschuldige, wenn ich dich enttäusche, aber NICHTS ist perfekt! Und mein Leben erst recht nicht!“, meinte ich verbittert und sah auf meine Armbanduhr. Es war bald soweit. „Selena.“, sagte eine bekannte Stimme und ein alter Bekannter tauchte vor uns auf. Ich seufzte und nickte. „Eine Minute noch.“, bat ich ihn und sah meine Zwillingsschwester ein letztes Mal an. „Sag Nihuel, dass es mir leidtut. Und dass ich ihn und die Kinder liebe.“ Sie sah mich geschockt an. „Und vergiss niemals, dass wir Zwillingsschwestern sind. Ich bereue zu tiefst, was ich dir damals angetan habe, aber alles geschieht nicht ohne einen bestimmten Grund.“, sagte ich sanft und küsste sie auf die Stirn, bevor ich verschwand.

„WIE BITTE?!“, brüllte ich. „Immer mit der Ruhe, Nihuel. Es gibt bestimmt einen guten Grund für ihr Verhalten.“, meinte Diana beschwichtigend. „Sie hat mich verlassen!“, schluchzte ich und vergrub das Gesicht in den Händen. „Nicht absichtlich.“, seufzte Martin. Überrascht sah ich ihn an, während mir weiterhin die Tränen über die Wangen liefen. „Wie meinst du das?“, schniefte ich. „Sie hat vor Jahren einen Pakt geschlossen. Worum es geht, weiß ich leider nicht, aber es muss sehr wichtig gewesen sein.“ Diana legte einen Arm um mich und zog mich an sich, um mich zu trösten. „Ich weiß, worum es geht.“, meinte Ian und trat zu uns. „Und um was?“, wollte Paulina von ihm wissen. „Um uns alle.“ Verständnislos sah ich ihn an. „Vor 13 Jahren waren die Götter mit den anderen Übernatürlichen im Krieg. Hätte Selena nicht eingegriffen und mit den Göttern einen Pakt geschlossen, wären wir alle schon längst tot.“, erklärte er und lehnte sich gegen den Schreibtisch von Diana. „Sie sollte, zwei Monate nachdem sie gebärt hatte, zu den Göttern gehen und ihnen dienen. Sollte sie dies nicht tun, würde die Apokalypse ausbrechen.“ „Aber warum hat sie mir nie etwas davon gesagt?“, schluchzte ich und vergrub das Gesicht an Dianas Schulter. „Weil sie es nicht konnte.“, antwortete Ian ruhig. „Sie musste ein Schweigegelübde ablegen.“

Sieben Jahre später…

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„Wie sieht es unten aus?“, fragte Zeus, der König der Götter, und trat neben mich. „Alles ruhig, Majestät.“, antwortete ich. „Es scheint Frieden zwischen den Übernatürlichen zu herrschen.“ „Das ist eine gute Nachricht.“, sagte er und strich nachdenklich über seinen langen Bart. „Was ist los, Majestät? Euch scheint etwas zu bedrücken.“ „Ich mache mir nur Gedanken über deine Familie und Freunde. Sie werden ziemlich sauer und enttäuscht von dir sein.“ „Ich habe getan, was ich für richtig hielt. Dass ich hier bin, ist nur ein geringer Preis, den ich zahlen muss.“, meinte ich und hielt den Blick gesenkt. „Sie werden es schon verstehen.“ „Gewiss. Aber was ist mit dir? Wie fühlst du dich, wenn du sie die ganze Zeit sehen, aber nicht anfassen kannst?“, wollte Zeus von mir wissen. „Es ist unerträglich.“, antwortete ich ehrlich und faltete die Hände in meinem Schoß. „Aber was soll ich tun? Ich habe einen Pakt geschlossen und ich halte mich auch daran, egal wie schwer es mir fällt.“ „Deine Treue ist bemerkenswert, Selena.“, bemerkte der König der Götter mit sanfter Stimme. „Doch sie sollte ab sofort deiner Familie gelten, nicht mir und den anderen Göttern.“ „Majestät!“, flüsterte ich und blickte erstaunt zu ihm auf. „Ich entlasse dich aus unserem Pakt, Selena Zafrien.“, sprach er die erlösenden Worte. „Du hast uns lange genug gedient. Dafür sollst du nun belohnt werden.“ Sprachlos verneigte ich mich dankbar vor ihm. „Und nun geh.“ Puffend verschwand ich und tauchte in Wolkenland auf einer grünen Wiese auf. „Nun komm schon!“, rief eine unbekannte Kinderstimme und ein Mädchen ritt auf einem wunderschönen Braunen auf mich zu. Dieser scheute und warf das Kind ab. Schnell sprach ich einen Auffangzauber aus. „Geht es dir gut?“, fragte ich besorgt und kniete mich neben das Mädchen. „Ja.“, antwortete es keuchend. „Schwesterherz?! Alles in Ordnung mit dir?“, fragte ein Junge besorgt, stieg von seinem Pferd und kniete sich ebenfalls neben sie. „Mir geht es gut.“, sagte sie nun ruhiger und sah mich an. „Danke, für Ihre Hilfe.“ „Kein Problem.“, meinte ich lächelnd und half ihr auf. „Bitte, kommen Sie doch mit in den Palast.“, sagte der Junge. „Gerne.“ Ich hob das Mädchen in den Sattel und führte die beiden Pferde an den Zügeln zum Palast. „Eure Hoheiten!“, rief eine alte Bekannte besorgt, als sie das schmutzige Gesicht des Mädchens sah. „Was ist passiert?“ „Nichts ernsthaftes.“, antwortete ich beruhigend und hob die beiden Kindern von den Pferden. „Eure Hoheit ist nur vom Pferd gefallen.“ „Dem Himmel sei Dank!“, seufzte Nia erleichtert und trat zu uns. „Danke.“ „Kein Problem.“, wiederholte ich meine Worte von vor ein paar Minuten. Sie sah mich genauer an und hielt fassungslos die Luft an. „Eure Majestät!“, flüsterte sie nach ein paar Sekunden. „Beruhige dich, Nia.“, sagte ich besänftigend und strich dem Braunen über den Hals. „Bring du die Kinder in den Palast und sorge dafür, dass sie versorgt werden. Ich kümmere mich derweil um die Pferde.“ Sie nickte, verbeugte sich und ging mit den Kindern an der Hand in den Palast. Seufzend machte ich mich auf den Weg in den Stall, um die Pferde ordentlich zu versorgen. Nach einer Stunde war die Arbeit getan und ich betrat den gewaltigen Palast. „Es hat sich wirklich nichts verändert.“, murmelte ich und ging zu den Kinderzimmern hoch. Tony und Leila saßen auf dem Bett in Leilas Zimmer und tranken heißen Kräutertee. „Woher kennt Nia Sie?“, fragte Tony sofort, als ich das Zimmer betrat. „Das ist eine lange Geschichte.“, antwortete ich seufzend und setzte mich zu ihnen auf das Bett. „Alles fing vor genau 20 Jahren an, als ich das Land meiner Großeltern erbte. Nia war damals die engste Vertraute meiner Großmutter- nach der

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bist du übrigens benannt worden, Leila.“ „Moment mal! Das heißt ja dann…“ Leila brach ab. „Genau. Ich bin eure Mutter.“, bestätigte ich. „Die eigentlich nicht hier sein dürfte.“, meinte Nihuel mit brüchiger Stimme. Ich stand auf und trat vor ihn. „Und ich dachte, du freust dich, mich zu sehen.“, sagte ich leise und sah ihm ins Gesicht. „Vielleicht war es doch keine gute Idee, nach Wolkenland zurückzukehren.“ Ich zauberte mich nach Fort Collins, um das Team Zero zu besuchen. Alexa saß mit Josy und Shania in der Küche und trank einen Kaffee. Als sie meine aufgewühlten Gefühle bemerkte, sah sie auf und blickte mich mitfühlend an. „Lass es lieber, Alexa. Ich möchte jetzt keine beeinflussten Gefühle haben.“, sagte ich und holte mir eine Tasse Tee. „Entschuldige, alte Angewohnheit.“, meinte die Empathin lächelnd. „Wieso bist du so aufgewühlt?“, fragte Cass. „Nihuel will mich nicht sehen.“, antwortete ich und setzte mich zu meinen alten Freundinnen an den Tisch. „Zeus hat mich heute aus unserem Pakt entlassen. Natürlich bin ich erst einmal nach Wolkenland, um meine Familie zu besuchen. War wohl nichts.“ „Er braucht Zeit, das alles zu verdauen, Selena.“, meinte Josy. „Er hatte sieben Jahre dazu Zeit! Denkt er wirklich, mir ist es damals leichtgefallen, ihn und die Kinder zu verlassen?“ „Wir wissen, warum du es getan hast, weil wir dabei waren und alles gesehen haben. Aber Nihuel ist dein Ehemann und möchte dir am liebsten verzeihen, kann es aber nicht, weil du ihn betrogen hast.“ „Ich habe ihn doch nicht betrogen!“, protestierte ich. „Aber so fühlt es sich für ihn an.“, meinte Cass. „Lass ihm ein wenig Zeit, um das alles zu verdauen. Solange kannst du natürlich bei uns bleiben.“ „Danke, Leute. Ich weiß nicht, was ich ohne euch tun würde.“ „Verzweifeln!“, lautete Josys Antwort. „Mädels, wisst ihr, wo Chogan ist?“, fragte Jeff und trat zu uns in die Küche. „Chicago.“, antwortete ich. „Chicago? Was macht er denn dort?“ „Neulinge ausbilden.“ Er sah mich überrascht an. „Sie verfluchen ihn die ganze Zeit.“, grinste ich. „Und Chogan ist am Verzweifeln, weil die Jungs nichts kapieren.“ „Kann ich mir vorstellen.“, lachte er und holte sich eine Tasse Kaffee. „Woher weißt du das eigentlich?“ „Ich hatte die ehrenwerte Aufgabe, von oben alles zu beobachten.“, antwortete ich mürrisch und ging ins Gästezimmer, um mich fürs joggen umzuziehen. Nachdenklich machte ich mich auf den Weg und joggte eine große Runde um das ehemalige Kloster und den Sportplatz dahinter. Gerade als ich die ersten 3 Kilometer hinter mich gebracht habe, tauchte Nihuel vor mir auf. „Was willst du?“, wollte ich von ihm wissen und strich mir eine Haarsträhne aus dem verschwitzten Gesicht. „Ich muss mit dir reden.“, antwortete er. „Reden? Nein, danke. Dafür habe ich jetzt leider keine Zeit.“, meinte ich. Ein Donner polterte los. „Mischt Euch da nicht ein, Zeus!“, rief ich gen Himmel und verschränkte die Arme vor der Brust. Diesmal war es ein Blitz, der neben mir einschlug. Nihuel sah mich besorgt an. „Ihr übertreibt es, Majestät. Es war ja wirklich nett von Euch, mich aus dem Pakt zu entlassen, aber es war anscheinend doch keine so gute Idee.“, seufzte ich. „Er hat dich aus dem Pakt entlassen?“, flüsterte er. „Yep. Und wenn du mich entschuldigst, ich möchte meine Runde zu Ende joggen.“ Ich wollte an ihm vorbeijoggen, doch er hielt mich am Arm fest. „Lass mich los!“, zischte ich. „Erklär mir das alles!“, verlangte er von mir. „Was? Dass ich mich den Göttern versprochen habe, damit ihr alle überlebt? Dass ich damals diesen Pakt mit Zeus geschlossen habe? Oder dass ich dich und die Kinder verlassen habe?“, schoss ich zurück und sah ihn wütend an. „Du hast keine Ahnung vom

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Weltgeschehen, Nihuel! Ich war sieben Jahre da oben und habe die gesamte Welt beobachtet. Jeden einzelnen Winkel. Und glaub mir, es war der reinste Horror für mich, da oben zu sein!“ Donner und Blitz. „Ihr wisst genau, wie ich es meine!“, brüllte ich und sah Nihuel in die Augen. „Du hattest deine Chance, Nihuel, und du hast sie vertan. Ich war bereit, mein Leben für euch zu opfern und habe es auch getan. Aber ich sehe nicht ein, auf etwas zu warten, was NIE kommen wird!“

„Was liegt vor?“, fragte Sakura ihre Kollegin Tsunade. „Unbekannte Frau, zwischen 30 und 40, schlimme Bauchverletzung und innere Blutungen. Arm- und Beinbruch, Beckenbruch, diverse Platz- und Schnittwunden.“, antwortete diese. „Sie sieht wirklich schlimm aus.“ „Glaube ich gerne.“, meinte Sakura seufzend und machte sich an die Arbeit. Nachdem sie die Patientin behandelt hatte, wurde diese in ein Krankenhauszimmer gebracht. „Wie sieht es aus?“, fragte Sasuke und trat zu seiner Frau. „Ich konnte all ihre Brüche stabilisieren, die Platz- und Schnittwunden nähen, die inneren Blutungen stoppen und die Bauchverletzung versorgen und nähen.“, antwortete sie erschöpft und ging in die Teeküche. „Gibt es schon Vermutungen, wer sie sein könnte?“ „Nein, leider nicht.“, antwortete Sasuke und holte sich ein Glas Wasser. „Das einzige, was ich finden konnte, ist ein außergewöhnliches Muttermal an der rechten Schulter.“, sagte Sakura. „An der rechten Schulter?!“ Überrascht sah sie ihren Mann an. „Diese Frau, die du behandelt hast, ist Selena. Nur sie hat ein solch außergewöhnliches Muttermal an der rechten Schulter.“ Sie sahen sich geschockt an.

„Dad? Wo ist Mom?“, fragte meine Tochter mich nun zum zwanzigsten mal. „Keine Ahnung, Schatz.“, antwortete ich ehrlich und blickte auf das Land vor mir. „Eure Majestät.“, räusperte sich Rurik. „Was gibt es, Rurik?“ „Ein gewisser Neji ist hier und möchte mit Euch reden.“ „Führe ihn herein.“, ordnete ich an und sah Leila an. „Wir sehen uns später, Liebling.“ Sie küsste mich auf die Wange und verließ den Thronsaal. Neji betrat diesen kurz darauf. „Was kann ich für dich tun, Neji?“, fragte ich. „Nichts. Ich bin nur als Bote hier.“, antwortete er knapp. „Sakura und Sasuke schicken mich. Selena ist in Konoha Gakure im Krankenhaus.“ Fassungslos sah ich ihn an. „Sie wurde angegriffen und schwer verletzt. Momentan liegt sie im Koma und kämpft ums Überleben.“ „Das ist alles nur meine Schuld.“, flüsterte ich niedergeschlagen und schloss die Augen. „Ich habe mich vor ein paar Stunden fürchterlich mit ihr gestritten.“ „Wegen dem Pakt?“, fragte Neji nüchtern. „Ich kann dich gut verstehen. Tenten hatte auch mal so gehandelt wie Selena. Sie hat sich gegen Pain gestellt und die gesamte Ninjawelt gerettet. Sie wäre dabei beinahe gestorben.“ „Meine Ehefrau hat sich den Göttern versprochen!“ „Und die Götter haben gut auf sie aufgepasst.“, entgegnete er ruhig. „Sie wäre nach zehn Jahren sowieso aus dem Pakt entlassen worden.“ Verständnislos sah ich ihn an. „Denk mal nach, Nihuel! Götter sind unsterblich. Selena ist Königin, Ehefrau und Mutter von Zwillingen. Keiner der Götter hätte zugelassen, dass sie ein Leben lang bei ihnen dient. Vor allem Zeus nicht.“, erklärte er. „Manchmal denkst du wirklich nicht nach.“ Er verschwand puffend und

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ich blieb alleine im Thronsaal zurück. „Rurik, hol Leila, Tony und Nia. Wir machen alle einen kleinen Ausflug.“, beauftragte ich meinen engsten Vertrauten und zog mich in meinem Schlafzimmer um. Eine Jeans und ein T-Shirt waren angesagt. Mit meinen Kindern und den beiden Wachposten machte ich mich auf nach Konoha Gakure. „Nanu? Seltener Besuch.“, sagte eine Torwache überrascht. „Du findest Sakura und Sasuke im Kräutergarten.“ „Danke.“, meinte ich und ging zum Kräutergarten, wo Sakura und Sasuke auf einer Bank saßen und Akten durchsahen. „Du kommst reichlich spät, Nihuel.“, sagte sie, ohne aufzublicken. „Die Kinder kannst du zu Iruka bringen, er wird sich ordentlich um sie kümmern.“ „Sie bleiben bei Nia.“, meinte ich und sah die ehemals engste Vertraute meiner Ehefrau an. „Geh am besten zum Bürogebäude des Hokage. Dort könnt ihr es euch bequem machen.“ Sie nickte und ging mit den Kindern an der Hand weg. „Was ist zwischen euch beiden los?“, wollte Sasuke wissen. „Geht dich gar nichts an, mein Lieber!“, schnauzte ich ihn an. „Doch. Ich untersuche diesen Vorfall.“, erwiderte er ruhig und stand auf. „Und wenn du die Ermittlungen der Ninjapolizei behinderst, hast du ganz schnell Problemchen!“ „Sie hat sich vor 20 Jahren den Göttern versprochen.“ „Alte Leier, Nihuel. Das weiß ich schon lange. Es sieht eher so aus, als ob du es nicht ertragen kannst, sie zu sehen.“ Fassungslos sah ich ihn an. „Er hat recht, Nihuel.“, mischte sich Sakura ein. „Ich habe genug Menschenkenntnis, um zu wissen, dass du ihr nicht verzeihen kannst, was sie getan hat.“ „Es ist nicht so, dass ich ihr nicht verzeihen kann, was sie getan hat. Sondern, dass sie uns verlassen hat.“, meinte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ob du es glaubst oder nicht, sie hat es nicht freiwillig getan.“, sagte eine unbekannte Stimme und ein junger Mann trat zu uns. „Schön dich zu sehen, Poseidon.“, lächelte Sakura. „Sieben Jahre hat sie uns gedient und das einwandfrei. Natürlich ist es schade, jemanden wie sie an die Menschenwelt zu verlieren, aber hier ist ihr Leben, ihre Familie, ihre Freunde. Wir sind vielleicht Götter, aber keine Barbaren.“ Er sah mich an. „Ich kenne Selena nun schon sieben Jahre und ich kann dir nur gratulieren, sie zur Ehefrau zu haben. Sie ist wirklich unglaublich. Obwohl sie uns nie dienen wollte, hat sie es getan, um ihre Familie und ihre Freunde zu schützen. Ich hätte nicht den Mut, das zu tun.“

Mühsam schlug ich die Augen auf und sah über mir eine weiße Wand. „Und, aufgewacht?“, fragte eine bekannte Stimme. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah Tsunade. „Was ist passiert?“, flüsterte ich. „Keine Ahnung. Aber dich hat es wirklich schlimm erwischt.“, antwortete sie ehrlich und reichte mir ein Glas Wasser. „Ein Heiler aus Wolkenland hat sich schon um dich gekümmert, also kannst du dich wenigstens einigermaßen bewegen. Aber für die nächsten Wochen ist erst einmal Bettruhe angesagt.“ „Ich habe ja genug Zeit dafür.“, meinte ich. „Glaube ich kaum.“, mischte sich Nihuel ein und setzte sich neben das Bett. „Du hast genug in Wolkenland zu tun.“ „Ach ja? Und wieso? Du hast mich doch rausgeschmissen.“, widersprach ich ihm mürrisch und stellte das Glas auf den Nachttisch. „Niemand kann dich aus deinem eigenen Land rausschmeißen.“, erwiderte mein Ehemann ruhig und legte mir eine Hand auf die Wange. „Am wenigsten ich.“ „Wie kommt dein plötzlicher Stimmungswandel?“ „Ein Gott hat mir denn Kopf gewaschen.“, antwortete er grinsend. „Poseidon!“, lachte ich. „Das ist typisch Poseidon.“ „Und was ist mit

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mir?“ „Bist du etwa eifersüchtig, Apollon?“ Apollon zog einen Schmollmund. „Zeus schickt mich. Ich soll dir das hier geben.“, erklärte er und reichte mir eine Kette, einen Ring und ein Paar Ohrringe. „Ein kleines Dankeschön von Artemis.“ „Danke.“, lächelte ich und umarmte den Halbgott. „Ich werde dich ganz schön vermissen.“ „Dito.“ Er verschwand puffend. „ ,Ich werde dich ganz schön vermissen‘?“ Überrascht sah ich Nihuel an. „Bist du etwa eifersüchtig?“, fragte ich belustigt. „Du wirst einen Gott vermissen?!“ „Halbgott.“, korrigierte ich ihn und grinste. „Außerdem ist er schon vergeben.“ „Mom! Dad!“, riefen zwei Kinderstimmen und Leila und Tony rannten aufgeregt zu uns ins Krankenhauszimmer. „Was macht ihr beide denn hier?“, wollte Nihuel wissen. Sie sahen betreten auf den Boden. „Ich kann es mir vorstellen, Nihuel.“, lachte ich und streckte die Arme nach meinen Kindern aus. „Kommt her, ihr Süßen.“ Sie ließen sich erleichtert von mir umarmen. „Wir hatten solche Angst, Mom.“, flüsterte Leila und krallte sich wie ein kleines Äffchen an mich. „Keine Sorge, so schnell bin ich nicht plattzukriegen.“, meinte ich beruhigend und rieb meinen Kindern tröstend über den Rücken. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Nihuel gespielt bedauernswert. „Dad!“, rief Tony entrüstet. „Er ist manchmal echt gemein.“, verriet ich ihm.

11 Jahre später…

„Danke, Nia. Nun geh und genieß deinen Feierabend.“, sagte ich zu meiner engsten Vertrauten. Sie verbeugte sich und verließ den Thronsaal. „Wie sieht es bei dir aus?“, fragte Nihuel und trat neben mich. „Nicht gut. Maiwenn hat alle Eingänge verriegelt und die unterirdischen Gänge mit Zauber versperrt.“, antwortete ich seufzend und lehnte mich an ihn. „Wir sind absolut machtlos.“ „Ich verstehe einfach nicht, warum Maiwenn das getan hat.“, meinte er. „Sie will nicht kontrolliert werden, wenn sie ihr eigenes Land hat.“, erklärte meine Tochter und trat zu uns. „Da hast du recht, Leila.“, stimmte ich ihr nickend zu. „Wir müssen langsam los. Die anderen warten bestimmt schon auf uns.“ Verständnislos sahen mein Ehemann und ich sie an. „Ihr habt es wirklich vergessen?“ Sie klang enttäuscht und zutiefst traurig. „Worum geht es eigentlich, Liebling?“, fragte er. „Ach nichts.“ Sie rannte aus dem Thronsaal. Mein Ehemann sah mich fragend an. „Unser Ausflug nach Japan.“, erklärte ich. „Sie meinte unseren Ausflug nach Japan. Darauf hat sie sich doch schon seit Wochen gefreut.“ „Momentan ist es nur leider nicht möglich.“, seufzte er. „Shaya und Rurik wissen Bescheid und übernehmen die nächste Woche unsere Aufgaben. Wir gehen nach Japan.“ „Du hast irgendetwas ausgefressen, oder?“ „Na, das ist übertrieben. Ich habe nur eine Woche bei alten Freunden geplant.“, meinte ich und sah ihn an. „Und den Geburtstag unser Kinder nicht zu vergessen.“ „Du bist einfach unglaublich.“, meinte er lächelnd und küsste mich sanft. „Mom? Dad? Was ist denn mit Leila los?“, wollte unser Sohn wissen und trat zu uns. „Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit, nichts Tragisches.“, antwortete Nihuel. „Und deshalb ist sie heulend aus dem Palast gerannt.“, schnaubte Tony. „Ich kümmere mich um sie.“, sagte ich und ging eilig zu meiner Tochter, die auf einer Lichtung unter einem Baum saß. „Ach Mäuschen.“ Ich kniete mich neben sie. „Denkst du wirklich, wir würden diesen ganz besonderen Tag vergessen?“, fragte ich sie sanft. „Ihr habt es ja schon getan.“, schluchzte sie. „Wie könnten wir den Geburtstag unserer Kinder vergessen?! Ihr seid für uns das

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Wichtigste im Leben.“ „Nicht Wolkenland?“ Sanft lächelnd hob ich ihr Kinn mit einem Zeigefinger an. „Uns geht es nicht um den Reichtum, die Kronen oder die ganzen Feste. Es ist zwar ein netter Nebeneffekt, aber das Wichtigste ist doch, dass es den Bürgern gut geht. Ich selbst weiß, wie es ist, in ärmeren Verhältnissen aufzuwachsen. Aber nur weil man Königin ist, ist man doch nicht besser als all die anderen um einen herum.“, meinte ich und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das ist die wichtigste Lektion, die man als Prinzessin lernen muss. Nur weil du reicher bist und mehr Einfluss hast, bist du nicht besser als die anderen. Das darfst du nie vergessen.“ Meine Tochter strich sich die Tränen von den Wangen. „Aber was ist mit Japan?“ „Was soll damit sein? Unsere Reise findet wie geplant statt.“, antwortete ich und strich ihr liebevoll übers Haar. „Nur etwas länger.“ Sie strahlte. „Und nun komm, wir sollten unsere Sachen packen.“ „Warum zaubern wir nicht einfach?“, wollte sie wissen. „Wo bleibt denn da die Vorfreude?“, fragte ich zurück und ging mit ihr zum Palast zurück, wo Nihuel und Tony schon auf uns warteten. „Es ist alles schon vorbereitet, wir können also los.“, sagte mein Ehemann. „In Ordnung.“, meinte ich lächelnd und zauberte uns nach Japan, genauer gesagt nach Tomoeda City. „Die reden ja alle Japanisch.“, bemerkte Tony. „Wir sind hier in Japan, Tony, da ist es nicht verwunderlich.“, erinnerte ich ihn und ging zum Gymnasium, wo eine alte Bekannte auf dem Sportplatz stand. „Vermisst du etwa die alten Zeiten?“, fragte ich sie auf Japanisch. Überrascht drehte sie sich zu mir um. „Nicht wirklich. Ich bin Sportlehrerin hier.“, antwortete sie und umarmte mich lächelnd. „Schön, dass du hier bist.“ Lächelnd löste ich mich von ihr. „Darf ich dir meine Familie vorstellen: mein Ehemann Nihuel, mein Sohn Tony und meine Tochter Leila.“ „Freut mich, euch kennenzulernen.“, sagte sie auf Englisch zu meiner Familie. „Ich bin Nakuru Akizuki.“ Mein Ehemann nickte lächelnd und Leila und Tony lächelten schüchtern. „Falls du Sakura suchst: Sie ist mit der Group unterwegs.“, meinte Nakuru. „Wundert mich nicht. In Ordnung, dann gehen wir zum Haus. Treffen wir uns alle später am alten Platz?“, fragte ich sie. „Natürlich. Eriol ist mit Kaho aus England zu Besuch gekommen und wir wollen alle den großen Tag feiern.“ „Welchen großen Tag?“, wollte Tony wissen, als wir uns auf den Weg zu unserem Quartier machten. „Heute vor genau 15 Jahren haben die Card Captors die Welt vor dem Untergang bewahrt.“, antwortete ich und steckte die Hände in die Hosentaschen meiner Hüftjeans. „Es war ein wirkliches Spektakel. Viele dachten, die Welt würde untergehen.“ „Und wer sind diese Card Captors?“, fragte Nihuel. „Du wirst sie schon früh genug kennenlernen, mein Lieber.“, meinte ich grinsend und betrat das große dreistöckige Haus. „Hallo? Jemand zuhause?“, rief ich auf Japanisch. „In der Küche!“, rief eine bekannte Stimme in der gleichen Sprache zurück. „Dad? Weißt du, wo mein Fußball ist?“, rief Toya und rannte die Treppe runter. „Bestimmt wieder in deinem Rucksack.“, meinte ich. Er sah mich verdutzt an und umarmte mich dann stürmisch. „Ich freue mich ja auch, dich zu sehen, Toya.“, lachte ich und löste mich von ihm. „Du siehst gut aus.“ „Du auch.“, meinte er lächelnd. „Was machst du hier?“ „Hat euch Sakura nicht Bescheid gesagt?“, fragte ich überrascht zurück. „Weswegen?“ „Ich bin mit meiner Familie eine Woche hier.“ Toya sah verständnislos drein. „Das Nadeshikofest fängt doch in zwei Tagen an und wir wollen den Geburtstag unserer Kinder hier in Japan feiern.“, erklärte ich ihm. „Davon wissen wir nichts, sonst hätten wir natürlich Zimmer für euch

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vorbereitet.“, sagte Fujitaka und trat zu uns. „Es sieht Sakura nicht ähnlich, so etwas zu vergessen.“ „Ganz genau. Außer sie hat Probleme mit Shaoran.“, grinste Toya. „Schäm dich, Toya! Shaoran ist dein Schwager!“, rügte ich ihn. „Genau deswegen darf ich ja so gemein sein!“ „Ähm, Selena, was ist jetzt eigentlich los?“, fragte Nihuel mich. „Meine Freundin hat vergessen, ihrer Familie Bescheid zu sagen, dass wir für eine Woche ihre Gäste sein werden.“, antwortete ich und sah ihn an. „Und jetzt diskutieren wir darüber, warum sie es vergessen hat.“ „Und was sollen wir jetzt machen?“, fragte Leila leicht enttäuscht. „Ihr werdet natürlich hierbleiben.“, antwortete Fujitaka auf Englisch. „Toya wird eure Zimmer herrichten.“ „Aber Dad!“, protestierte Toya. „Ich habe gleich Fußballtraining!“ „Schon in Ordnung, Fujitaka. Ich mache das schnell.“, meinte ich und sah Fujitaka an. „Du weißt ja: Zauberei.“ Er seufzte und ging zurück in die Küche. „Und du machst dich lieber auf den Weg zum Training.“, sagte ich zu Toya. Erschrocken sah er auf die Uhr und rannte mit seinem Rucksack aus dem Haus. „Mom, dürfen wir in die Stadt gehen?“, fragte Leila. „Natürlich.“, antwortete ich lächelnd. „Aber seid bitte vorsichtig. In letzter Zeit gab es hier ein paar Unstimmigkeiten.“ „Du machst dir zu viele Sorgen.“, bemerkte Tony und ging mit Leila aus dem Haus. „Was riecht denn hier so gut?“, fragte Nihuel schnuppernd. „Ich glaube es nicht!“, flüsterte ich fassungslos und stürmte in die Küche. Dort stand Clow Reed am Herd und kochte. „Clow Reed!“ Er drehte sich zu mir um. „Selena Zafrien, es ist lange her.“, sagte er mit seiner sanften Stimme. „Zu lange.“, meinte ich. Er lächelte und schloss mich in seine Arme. „Ich dachte, ich hätte dich verloren.“ „Das hast und wirst du niemals.“, flüsterte er und küsste mich auf die Stirn. Nihuel räusperte sich. „Nihuel Zafrien.“, sagte Clow Reed und löste sich von mir. „Du hast Glück, solch eine wundervolle Frau gefunden zu haben.“ „Ja, das stimmt.“, stimmte mein Ehemann ihm lächelnd zu und legte mir einen Arm um die Taille. Zufrieden schmiegte ich mich an ihn. „Wenn Clow Reed kocht, bist du hoffnungslos verloren.“, informierte ich ihn. „Seine Spezialität sind die Reispfannen.“ „Spezialität ist übertrieben.“, sagte Clow Reed bescheiden und kümmerte sich wieder um sein Gericht. „Woher kennt ihr euch eigentlich?“, wollte Nihuel wissen. „Das erkläre ich dir später.“, seufzte ich. „Wir treffen uns nachher alle am alten Platz. Kommst du auch?“ „Ich glaube kaum, dass sich Kerberos und Yue freuen würden, mich zu sehen.“, antwortete Clow Reed bedächtig. „Das wird sich noch ändern, mein Lieber. Schneller als du glaubst.“, warnte ich ihn. „Selena!“, rief eine bekannte Stimme aufgeregt. „Suppy? Was ist los?“, fragte ich. „Die anderen sind in großer Gefahr und brauchen dringend deine Hilfe.“ „Wo?“ „Wald.“ Schnell zauberte ich mich in den Tomoeda-Wald, wo die Card Captors ziemlich in der Klemme saßen. „Ruhig.“, sagte ich zu der Clow Card beruhigend und ging auf MIRROR zu. „Was ist denn los?“ Sie rannte in der Gestalt von Rika auf mich zu und warf sich schluchzend in meine Arme. „MIRROR hat mir fast alle Karten gestohlen.“, antwortete Sakura und trat mit Shaoran, Yue, Kerberos, Tomoyo und Talina zu mir. „Stimmt das, MIRROR?“, fragte ich die Spiegelkarte. „Sie haben mich gezwungen.“, schluchzte sie. „Wer? Wer hat dich gezwungen?“ Sie zeigte sie mir in ihrem Spiegel. „Maiwenn und Ysabel!“, knurrte ich. „Du kennt sie?“, fragte Shaoran überrascht. „Sie machen uns in Wolkenland gerade die Hölle heiß.“, erklärte ich und sah meine alten Freunde an. „Und es wundert mich überhaupt nicht, dass sie deswegen extra in die Menschenwelt kommen und meine Freunde dazu

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benutzen, mich zu brechen.“ „Warum sollte sie dich brechen wollen?“, wollte Kerberos wissen. „Weil sie Wolkenland übernehmen wollen.“ Alle hielten geschockt die Luft an. „Aber solange es Thronerben gibt, wird sie keine Chance haben, es zu übernehmen.“, meinte ich. „Also wird sie versuchen, diese umzubringen.“, bemerkte Yue. „Das wird sie nicht schaffen. Leila und Tony sind ausgebildete Krieger, sie sind Schwertmeister und sie beherrschen die Kunst der Zauberei.“, erwiderte ich. „Aber sie haben Schwachpunkte.“, gab Sakura zu bedenken. „Die hat jeder. Aber meine Kinder wissen, wie sie sich zu verhalten haben!“, schoss ich zurück und sah sie an. „Sie sind für solche Situationen ausgebildet worden, Sakura!“ „Ist ja in Ordnung! Du musst nicht gleich so austicken.“, mischte sich Talina ein und sah mich prüfend an. „Was machst du eigentlich hier?“ „Das frage ich mich auch gerade.“, meckerte ich. „Oh Mist!“, stöhnte Sakura. „Entschuldige, ich habe es total vergessen.“ „Das habe ich bemerkt! Dein Vater und dein Bruder waren wirklich erfreut, als ich mit meiner Familie auf der Matte stand und sie wussten nichts davon.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, grunzte Yue. „Sei du mal ruhig, mein Lieber!“, fuhr ich ihn an und funkelte ihn wütend an. „Wer ist denn dafür verantwortlich, dass Clow Reed sich nicht mehr aus dem Haus traut? Oder gar zu seinem eigenen?“ Er zuckte zusammen. „Er ist eingesperrt, Yue! Und das nur, weil du ihm nicht verzeihen kannst, dass er getan hat, was getan werden musste.“, informierte ich ihn und sah Kerberos an. „Ich kann einfach nicht glauben, dass ihr ihn so hasst, obwohl ihr ihn doch so sehr liebt.“ „Er hat uns im Stich gelassen!“ „Ich habe Nihuel und die Kinder auch im Stich gelassen.“, erwiderte ich. „Und trotzdem bin ich jetzt hier- gemeinsam mit meiner Familie.“ Yue und Kerberos sahen sich betreten an. „Und wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigt, ich habe noch zu tun.“ Puffend verschwand ich und tauchte im Garten unseres Quartiers auf. „Was ist los, Liebste?“, fragte Nihuel besorgt und legte mir von hinten die Arme um die Taille. „Maiwenn und Ysabel machen Probleme.“, antwortete ich seufzend und schmiegte mich an ihn. „Sie haben versucht, meine Freunde zu benutzen, um mich zu brechen.“ „Wie das denn?“ „Eine Clow Card hat ihrem Meister fast alle Karten geklaut.“ Er sah mich überrascht an. „MIRROR hat verdammt viel Angst vor Maiwenn und Ysabel. Sie wurde von ihnen unter Druck gesetzt und hat dementsprechend gehandelt.“, erklärte ich ihm und löste mich von ihm, um zum Rosenbeet zu gehen. „Und jetzt hast du Angst, sie könnten das gleiche mit deinen anderen Freunden vorhaben.“, kombinierte mein Ehemann leise. „Nicht nur mit meinen Freunden, auch mit meiner Familie.“, sagte ich und sah gequält in den Himmel auf. „Paulina ist sehr sensibel, auch wenn sie das nicht zugeben und zeigen will. Setzt man sie nur ein bisschen unter Druck- wenn es die Familie betrifft- und sie gibt beinahe sofort nach. Ich kann sie nicht in Gefahr bringen, wenn ich etwas unternehmen kann.“ „Kannst du dich noch daran erinnern, dass wir das letzte Mal daran beinahe BEIDE zerbrochen sind?! Das kannst du unmöglich noch einmal tun.“, rief Nihuel mir ins Gedächtnis. „Das werde ich nicht zulassen.“ „Denkst du etwa, das fällt mir leicht?“, wollte ich von ihm wissen und drehte mich zu ihm um. „Nihuel, wir sind jetzt seit fast 25 Jahren verheiratet! Wir haben zwei wundervolle Kinder und ein Königreich, dem es noch nie besser gegangen ist! Das alles aufzugeben ist noch schwerer, als zu den Göttern zu gehen.“ „Apropos Götter…“, räusperte sich eine bekannte Stimme. „Ich habe kein Interesse.“, informierte ich Zeus. „Aber ich.“, meinte Nihuel.

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„Von mir aus! Dann schließe doch ein Pakt mit dem Herrscher der Götter! Du weißt nicht, was du damit anrichtest.“ „Ich glaube schon.“, erwiderte er ruhig. „Warum erzählt Ihr es nicht meinem netten Ehemann, Zeus? Erzählt ihm, dass er damit nicht nur sich selbst den Göttern verspricht.“, verlangte ich von Zeus und sah meinen Ehemann an. „So nett die Götter auch sind, ich bin nicht in der Lage, noch einmal meine Familie und meine Freunde zu verlassen. Du kannst es gerne machen, aber dann sei dir bewusst, dass ich nie wieder etwas von dir wissen will! Ich will dich nie wieder sehen, hören oder sprechen!“ Wütend zauberte ich mich nach Honolulu. Traurig spazierte ich am Strand entlang. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte eine unbekannte Männerstimme und ein junger Mann trat auf mich zu. „Mir geht es gut, danke der Nachfrage.“, antwortete ich und lächelte leicht. „Sieht mir nicht so aus.“ Er wirkte ehrlich besorgt. Überrascht sah ich zu ihm auf. „Sie würden sonst nicht in einer warmen Jeans und einem Pullover hier rumlaufen.“, erklärte er. Ich lachte kurz. „Das ist wahr.“, stimmte ich ihm zu. „Brauchst du zufällig Strandklamotten?“, fragte eine bekannte Stimme und Kono trat zu uns. In der Hand hielt sie einen Bikini, ein Tank-Top, eine kurze Hose und Flip-Flops. „Du bist ein Engel, Kono.“, lächelte ich und nahm dankbar die Sachen. „Ich weiß.“, meinte sie zwinkernd und ging wieder zu ihrem Surfboard. „Sie kennen sie?“, fragte der junge Mann überrascht. „Ich kenne beinahe jeden hier.“, antwortete ich ehrlich und ging zu einer Umkleidekabine, um mich umzuziehen. „Nur Sie habe ich hier noch nie gesehen.“ „Ich bin auch erst seit etwa einem halben Jahr hier.“, erklärte er, als ich umgezogen wieder zu ihm trat. „Dann kann ich Sie noch nicht kennen. Ich war seit etwa neun Jahren nicht mehr hier.“, seufzte ich und band meine langen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz. „Neun Jahre? Sie sind nicht älter als Anfang 20.“ „Glauben Sie mir, es gibt einiges, was Sie nicht wissen.“, sagte ich geheimnisvoll und ging zu einer Strandbar, als plötzlich das Meer verrücktspielte. „Poseidon, lass den Quatsch!“, rief ich. „Poseidon? Das ist doch der Gott des Meeres.“, meinte mein Gesprächspartner. „Er ist eine echte Nervensäge.“, murmelte ich und bestellte mir einen Whiskey. Das Meer tobte immer heftiger. „Lass Nihuel aus dem Spiel!“, warnte ich den Gott des Meeres. „Es ist mir egal, ob es ihm leid tut oder nicht, er hat sich nun mal so entschieden! Er wusste, welche Konsequenzen seine Entscheidung hat.“ Poseidon stand auf einmal neben mir. „Es tut ihm wirklich sehr leid.“, sagte er leise zu mir. „Mir doch schnuppe! Ich habe keine Lust, länger über ihn nachzudenken.“, informierte ich ihn kalt und trank einen Schluck von meinem Whiskey. „Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich will mich betrinken.“ Poseidon verschwand mit einem leisen Knall und ich saß wieder mit meinem jungen Gesprächspartner an der Strandbar. „Wer war denn das?“, stockte er. „Der Gott des Meeres, Poseidon.“, antwortete ich schlechtgelaunt. „Sie kennen den Gott des Meeres?“ „Habe sieben Jahre lang für ihn gearbeitet.“ Mittlerweile bestellte ich mir den fünften Whiskey und bemerkte allmählich, wie er zu wirken begann. „Sie sollten langsam mal aufhören, sonst haben Sie morgen einen ordentlichen Kater.“, sagte der junge Mann besorgt. „Das ist ja mein Ziel.“, meinte ich lallend. „Genug jetzt! Dich bringen wir erst einmal ins Bett.“, seufzte eine bekannte Stimme und Danny trat mit Chin zu uns. „Danke, dass Sie auf sie aufgepasst haben.“, sagte der zu meinem Gesprächspartner. „Kein Problem.“, meinte dieser und stand auf. „Was treibst du denn hier?“, fragte Chin leise und nahm mir

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das Whiskeyglas aus der Hand. „Ich versuche, meinen ach-so-tollen Ehemann zu vergessen.“, schluchzte ich und lehnte mich an ihn. Er legte beide Arme um mich und strich mir beruhigend über den Rücken. „Du müsstest doch wissen, dass das mit Alkohol unmöglich ist.“, sagte er leise und führte mich zu seinem Haus, um mich ins Bett zu stecken.

„Wie geht es ihr?“, fragte Kono ihren Cousin. „Na ja, sie hat sich betrunken, um Nihuel zu vergessen. Das sagt schon einiges, findest du nicht?“, antwortete der und setzte sich auf die Couch. „Irgendetwas sehr schlimmes muss passiert sein, damit sie so etwas tut.“ „Das ist doch nicht Selena, die wir kennen.“, meinte Steve und setzte sich zu seinen Kollegen auf die Couch. „Chin, hast sie irgendetwas gesagt?“, fragte Danny. „Sie will ihren ach-so-tollen Ehemann vergessen.“, antwortete Chin. „Ich rede morgen mal mit ihr.“, meinte Lori. „Keine gute Idee, Liebling.“, seufzte Steve. „Selena kennt dich nicht und sie ist Fremden gegenüber sehr misstrauisch.“ „Das warst du auch, als ich zu euch ins Team kam.“, erinnerte sie ihn. „Außerdem kennt sie mich.“ Überrascht sahen sie alle an. „Ich habe früher doch beim FBI gearbeitet, in einer Abteilung, die BAU heißt. Ein Profilerteam, das beste überhaupt, war früher mein Zuhause. Dort haben wir uns kennengelernt, als wir in San Francisco beim CTX-Sender waren. Sie war damals bei Freunden von ihr zu Besuch.“, erklärte sie und kuschelte sich an ihren Ehemann. „Wir haben uns sofort gut verstanden. Sie hatte gerade erst ihre Eltern verloren und vor vielen Jahren ihre Zwillingsschwester Paulina. Und da ich ebenfalls eine Waise bin, konnte ich ihre Gefühle damals sehr gut verstehen. Wir wurden gute Freundinnen und verbrachten viel Zeit miteinander. Bis Gideon, mein damaliger Chef, bei einem Einsatz starb. Danach löste sich das Team auf und jeder zog in einen anderen Winkel des Landes. Mich verschlug es allerdings zur Heimatschutzbehörde und danach zu euch.“ „Bei Freunden von ihr? Ich frage mich, welche das sind.“, sagte Kono. „Ich weiß es, aber ich habe geschworen, es nicht weiterzusagen.“ „Es ist wichtig, Lori.“, meinte Danny. „Keine Chance.“, erwiderte Lori kopfschüttelnd. „Ich werde meinen Schwur nicht brechen, egal wie wichtig es ist.“ Da klingelte auf einmal ihr Handy. „McGarrett.“, meldete sie sich. „Du kannst es ihnen ruhig sagen.“, sagte Faith. „Bist du dir sicher?“ „Ich bin eine V-Mediale, schon vergessen? Also sag ihnen alles.“ Sie legte auf und Lori legte ihr Handy auf den Couchtisch. „Ihr habt Glück.“ Steve sah seine Ehefrau fragend an. „Das war Faith, eine Freundin von Selena. Sie ist eine Mediale.“, erklärte sie und lehnte sich zurück. „Selenas Freunde sind auch ihre engste Familie. Es sind zwei Rudel voll Gestaltwandler: Die DarkRiver-Leoparden, aus dem ihr Vater abstammt, und die SnowDancer-Wölfe, Verbündete von den Leoparden. Beide Rudel zusammen leiten den CTX-Sender. Faith ist die Gefährtin eines Panthers namens Vaughn. Allerdings ist sie nicht die einzige Mediale bei den DarkRiver-Leoparden. Da sind noch Sascha, Katya, Ashaya, Sophia und Talin, die nur zu einem sehr geringen Anteil eine Mediale ist. Sienna ist die Gefährtin von Hawk, dem Alpha der SnowDancer-Wölfe.“ „Was hat das alles mit Selena zu tun?“, wollte Steve wissen. „Selena ist eine Gestaltwandlerin und verwandelt sich in eine Leopardin. Ihr Alpha ist auch zugleich ihr bester Freund, eine Art Vater und ihr Schwager.“ Er sah sie überrascht an. „Also, alles fing vor genau 34 Jahren an…“, begann sie die

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Geschichte.

Mein Schädel dröhnte, als ich aufwachte. Missmutig stapfte ich in die Küche, um mir ein Aspirin einzuwerfen. „Du bist ziemlich spät dran.“, bemerkte eine bekannte Stimme. „Lass mich in Ruhe, Steve.“, knurrte ich und holte mir ein Glas Wasser. „Wir haben beinahe neun Uhr.“ „Ich ziehe mich gleich um und verschwinde von hier.“, murmelte ich und schloss die Augen. „Und wohin willst du? Nach Japan, wo momentan dein Mann ist? Wolkenland, wo deine Untertanen fragen, warum du dich betrunken hast?“, wollte Steve wissen. „Du weißt, dass du momentan nirgendwo bleiben kannst, außer hier, wo dein Ehemann dich nicht findet.“ „Du nervst, Steven!“, fuhr ich ihn an und wirbelte zu ihm herum. „Denkst du etwa, das weiß ich nicht?! Ich bin nirgendwo vor ihm sicher, außer bei den verdammten Göttern!“ Ein lautes Donnergrollen antwortete auf meine Worte. „ALSO BITTE! Zeus, ich habe jetzt keine Lust dazu!“, brüllte ich und verließ schlagartig das Haus, nur um mit jemandem zusammenzustoßen und schmerzhaft auf das rechte Bein zu fallen. „Entschuldigung! Ist Ihnen etwas passiert?“, fragte eine bekannte Stimme besorgt und der junge Mann vom Strand gestern kniete sich neben mich. „Das sieht übel aus. Sie müssen sofort in ein Krankenhaus.“, sagte er nach einem Blick auf mein Bein. „Das ist nicht weiter schlimm.“, meinte ich und schloss die Augen. „Sie haben einen komplizierten Schienbeinbruch.“, erwiderte er. „Wenn das nicht sofort behandelt wird, werden Sie nie wieder normal laufen können.“ „Ich werde in kein Krankenhaus gehen.“, informierte ich ihn und sah ihn an. „Ich hasse Krankenhäuser.“ „Es muss aber leider sein.“, sagte er mit sanfter leiser Stimme und hob mich vorsichtig auf seine Arme. „Keine Angst, ich kümmere mich schon um Sie.“ Das waren die letzten Worte, bevor die Dunkelheit mich übermannte.

Besorgt musterte ich die junge Frau, die ich vor ein paar Stunden operiert hatte. „Lass ihr Zeit, Nico. Sie wird es schon schaffen.“, sagte mein Kollege Michael. „Hoffentlich hast du recht.“, seufzte ich und unterschrieb den OP-Bericht. „Sie scheint sehr stark zu sein.“ „Du hast sie gestern Abend nicht erlebt, Michael. Sie hat sieben Whiskeys intus gehabt, nur um ihren Ehemann zu vergessen.“, erwiderte ich. „Wie heißt sie eigentlich?“ „Keine Ahnung.“ Michael verließ das Krankenhauszimmer und ich blickte meine Patientin noch einmal an, bevor ich es ihm gleichtat. Mehrere Personen saßen im Warteraum. „Wie geht es ihr?“, fragte eine junge Frau besorgt. „Sie ist momentan stabil, mehr können wir noch nicht sagen.“, antwortete ich ehrlich. „Wie heißt sie eigentlich?“ „Selena Zafrien.“, antwortete sie. „Falls ihr Zustand sich verändert, rufen Sie uns bitte an.“, sagte ein junger Mann und reichte mir seine Visitenkarte. „Mache ich.“, versprach ich und ging wieder zurück an die Arbeit.

Ein paar Jahre später…

„Guten Morgen, Selena.“, begrüßte mich eine leise Stimme. „Draußen ist herrliches Wetter. Die Sonne scheint, keine Wolke ist zu sehen und die Wellen sind einfach nur großartig.“ „Das ist Poseidon.“, murmelte ich. Jemand legte mir eine Hand auf die Stirn. „Vielleicht. Aber die Götter sind momentan nicht

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so gut auf mich zu sprechen.“ Überrascht schlug ich die Augen auf und sah in das Gesicht des jungen Mannes, der mich ins Krankenhaus geschleppt hatte. „Warum das denn?“ „Ich habe sie zu oft verflucht.“, lachte er leise und reichte mir ein Glas Wasser. „Vorsichtig und nur in kleinen Schlucken trinken.“ „Danke.“, seufzte ich. „Wie lange liege eigentlich schon hier?“ „Fast drei Jahre.“ Fassungslos sah ich ihn an. „Frag deine Freunde. Sie sind jeden Tag gekommen und haben dir vorgelesen.“, meinte er und deutete auf ein Buch auf dem kleinen Nachttisch. Es war eine alte Ausgabe von Stolz und Vorurteil. „Warum?“, flüsterte ich. „Keine Ahnung. Wir gehen davon aus, dass dein Körper zu lange unter Stress stand und darum alle Systeme runtergefahren hat, damit du dich erholen kannst.“ Geschockt schloss ich die Augen. „Was ist mit meiner Familie?“ „Dein Ehemann hat mehrmals versucht, dich zu besuchen, aber Steve und die anderen haben ihn nicht zur dir gelassen. Und deine Kinder sind jeden zweiten Tag hier.“, antwortete mein Arzt und nahm mir das Wasserglas aus der Hand. „Heute Mittag sind sie wieder hier. Bis dahin solltest du dich noch ausruhen.“

„Hast du vielleicht meinen Rucksack gesehen?“, fragte Michael, als ich das Ärztezimmer betrat. „Du bist heute Morgen ohne gekommen.“, antwortete ich und holte mir eine Tasse Kaffee. „Sie ist aufgewacht.“ „Dann musst du dich bald von ihr verabschieden.“, meinte er und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich habe mich drei Jahre lang um sie gekümmert, ich kann mich einfach nicht von ihr verabschieden.“ „Dir wird nichts anderes übrig bleiben, Nico.“ Böse sah ich meinen Kollegen und besten Freund an. „Ich meine ja nur!“, sagte er verteidigend und verließ das Ärztezimmer.

„WIE BITTE?! Ich glaube, ich habe mich gerade verhört!“, explodierte Nihuel. „Es ist MEINE Entscheidung, Nihuel! Ich habe dich ja vorgewarnt!“, schoss ich wütend zurück. „Du machst genau den gleichen Fehler wie ich!“ „Du hast uns damals VERLASSEN!“ „Und du opferst DEIN LEBEN!“ Erstaunt sah er mich an. Schnell zauberte ich seinen Vertrag mit Zeus herbei. „Hier steht es doch, dritter Absatz: Hiermit erkläre ich mich damit einverstanden, mein Leben den Göttern zu opfern. Diese Entscheidung habe ich aus freiem Willen getroffen…“ „Das stand nicht im Vertrag, als ich ihn durchgelesen habe.“, meinte Nihuel. „Entschuldige, so gemein die Götter auch manchmal sind, sie lügen NIE!“, erwiderte ich immer noch wütend. „Du hast dein Leben weggeworfen für NICHTS!“ Schnell zauberte ich mich zurück nach Honolulu, um meine alten Freunde im Büro zu besuchen. „Falls Sie zu Five-0 wollen, können Sie es gleich vergessen.“, sagte ein gutaussehender Mann. Überrascht sah ich ihn an. „Und warum, wenn ich fragen darf?“, fragte ich ihn höflich. „Sind alle verhaftet worden. Es gibt Gerüchte, sie seien Terroristen.“ „Bullenshit.“, bemerkte ich trocken und verpasste ihm eine Kopfnuss. „Da musst du dir schon was Besseres einfallen lassen, Dean.“ „Woher wusstest du, dass ich es bin?“, wollte mein alter Freund wissen. „Du hast dich selbst verraten, mein Lieber. Du bist ein guter Freund von Steve, also würdest du nicht behaupten, er sei ein Terrorist.“, lachte ich und betrat das kleine Bürogebäude. „Das kann unmöglich

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wahr sein!", rief eine bekannte Stimme aufgelöst. „Ist es aber, tut mir leid.“, meinte Steve. „Katie? Was machst du denn hier?“, fragte ich die junge aufgelöste Frau und betrat das Büro von Five-0. „Kannst du diesen Menschen bitte sagen, dass mein Ehemann KEIN Verbrecher ist?!“, verlangte sie von mir. „Kommt darauf an, welche Informationen sie haben.“ Fragend sah ich Steve an. „Wir haben alles auf Video. Außerdem sieben Augenzeugen und DNA-Spuren.“, sagte er tonlos. „Was ihr aber nicht habt, ist ein Geständnis. Und das werdet ihr auch nie bekommen, weil er es nicht war!“, meinte Katie wütend. „Immer mit der Ruhe, meine Liebe.“, beruhigte ich sie und sah Steve in die Augen. „Ich lege meine Arme und Beine für Joshua ins Feuer! Er ist unschuldig.“ „Und warum?“, wollte er von mir wissen. „Verdammt, weil eine Gestaltwandlerin seine Form angenommen hat!“, explodierte Katie. „Stimmt genau. Alle Augenzeugen können bestimmt bezeugen, dass der angebliche Joshua auf dem Hals ein Brandmal hat.“ „Stimmt! Woher weißt du das?“, fragte Lori überrascht. „Weil ich dafür gesorgt habe, dass sie es bekommt.“, antwortete ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr Name ist Victoria Morrow. Sie ist eine Verbrecherin der schlimmsten Sorte.“ „Schlimmer als Wo Fat?“ „Schlimmer als er in 1000-facher Form.“ Alle sahen mich fassungslos an. „Und deshalb werden Katie und ich jetzt verschwinden, um sie unschädlich zu machen.“ Schnell zauberte ich Katie und mich nach Global Tech, wo Stephanie unruhig auf und ab ging. „Katie! Gott sei Dank, dir geht es gut.“, sagte sie erleichtert, als sie ihre Kollegin und beste Freundin sah. „War nicht mein Verdienst.“, meinte Katie und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. „Glaub mir, so gerne ich sie auch habe, aber manchmal könnte ich sie wirklich erwürgen.“, maulte ich , erhob mich in die Luft und setzte mich in den Schneidersitz. „Beeindruckend! Wie kannst du das?“, wollte Stephanie wissen. „Magie kann man nicht erklären, meine Liebe, also versuche es erst gar nicht!“ Ich zauberte mir eine Packung Kekse herbei und öffnete sie. „Also, wir wissen, dass Victoria wieder da ist. Aber wir wissen nicht, was sie vorhat.“, sagte Katie. „Uns beseitigen.“, meinte Stephanie. „Befehle ausführen.“, erwiderte ich. Sie sahen mich überrascht an. „Maiwenn und Ysabel machen Nihuel die Hölle heiß. Leider wissen sie nicht, dass er und ich getrennt sind.“ „Also werden sie immer weitermachen, bis sie bemerken, dass ihr beide getrennt seid.“, kombinierte Steph. „Yep. Und das wird ein riesiges Chaos geben, das kann ich euch sagen.“, nuschelte ich mit vollem Mund. „Was willst du jetzt eigentlich machen?“, fragte mich Katie. „Gute Frage. Japan ist keine gute Idee; San Francisco ebenfalls, da sehe ich Nihuel zu oft; Wolkenland kann mir gestohlen bleiben. Also bleibt nur noch Honolulu, hier, Konoha Gakure oder New York, obwohl Nihuel auch dort nach mir suchen wird.“ „Wird er auf Honolulu auch.“, meinte Stephanie trocken. „Stimmt. Bleibt nur noch Konoha Gakure oder ein anderes Dorf.“, seufzte ich. „Du wolltest doch immer zurück nach Konoha. Warum zögerst du also jetzt?“ „Ich habe es seit fast 27 Jahren nicht mehr gesehen und war nicht mehr dort. Für mich ist es nur noch das Dorf, aus dem ich stamme, aber meine Heimat ist Wolkenland.“ „Dort kannst du nicht bleiben, außer du willst Nihuel verbannen.“, erwiderte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und das wäre nicht wirklich ratsam.“ „Aber hier kann ich auch nicht bleiben, Steph! Sollte jemand anderes außer euch davon erfahren, dass ich zaubern kann, werde ich irgendwann beim Geheimdienst landen und dort als

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Versuchskaninchen enden!“ „Du willst nicht nach Wolkenland, du willst nicht nach Japan, du willst nicht nach Honolulu, du willst nicht hier bleiben und du willst in kein Ninjadorf ziehen! Was willst du eigentlich, Selena?", wollte Katie wissen. ,,Ich kann es wirklich nicht mehr hören!" Niedergeschlagen zauberte ich mich zurück nach Honolulu ins Krankenhaus, um meine Sachen zu packen. ,,Wo willst du denn hin?", fragte Nico und trat zu mir ans Bett. ,,Weg von hier.", antwortete ich ausweichend. ,,In deiner Verfassung kann ich das nicht verantworten!" ,,Mir geht es gut, okay?!", fuhr ich ihn an und strich mir mit einer fahrigen Bewegung mit der Hand durch mein langes Haar. ,,Entschuldige, das war nicht fair von mir." ,,Das beweist mir nur wieder, dass du dich noch ausruhen solltest.", meinte er und drückte mich sachte aufs Bett. ,,Du verfällst wieder in dein altes Lebensschema und die Folgen sieht man dir nur zu gut an." ,,Aber was soll ich denn machen? Ich trage zu viel Verantwortung, um mich einfach so auszuruhen." ,,Du meinst damit bestimmt dein Amt als Königin." Geschockt sah ich Nico an. ,,Ich gebe zu, ich habe es auf den ersten Blick nicht bemerkt." Er lächelte sanft. ,,Du musst es einfach eine Zeit lang ruhig angehen lassen. Du wirst merken, dass es dir damit dann besser geht." ,,Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll.", flüsterte ich. ,,Dabei kann ich dir leider nicht helfen, aber ich kenne jemanden, der dir dabei vielleicht helfen könnte." Er holte einen kleinen Block und einen Stift heraus und schrieb etwas auf. ,,Das ist der Name und die Adresse einer guten Freundin von mir. Sie besitzt eine Farm in Hudson. Vielleicht findest du dort, was du suchst." Dankbar sah ich ihn an und zauberte mich mit meinen Sachen nach Hudson zur Heartland-Farm, wo eine junge Frau gerade ein Pferd striegelte. „Alles fertig, Liebling.“, sagte eine bekannte Stimme und Ty trat zu ihr. „Danke.“, lächelte sie und küsste ihn auf den Mund. „Ich frage mich, wie sie ist.“ „Ich habe sie zwar ein paar Jahre nicht mehr gesehen, aber sie ist ein unglaublich netter, hilfsbereiter und einfühlsamer Mensch. Jammerschade, dass sie sich von Nihuel getrennt hat. Sie waren ein so wunderbares Paar.“, meinte Ty. „Jeder braucht mal einen Tapetenwechsel, mein Lieber. Und wenn sie es für nötig gehalten hat, bewundere ich sie, dass sie es durchgezogen hat. Nicht jeder ist bereit, die Folgen zu tragen.“, erwiderte Amy und sah in den Himmel auf. „Das ist wahr. Selena hat schon so viel durchmachen müssen und trotzdem ist sie noch ein so wundervoller Mensch. Ich könnte das nicht.“, stimmte ihr Mann ihr zu und lehnte sich an die Stalltür. „Ich wünsche mir einfach, dass nichts und niemand mehr sie verletzten kann.“ „Du hast das alles ja hautnah mitbekommen.“ „Selena war nach jedem Schicksalsschlag so durcheinander und fertig, aber sie hat trotzdem nie aufgegeben und weitergekämpft, damit es den Menschen um sie herum gut ging. Noch nie habe ich einen Menschen getroffen, der alles von sich selbst gibt und nichts nimmt.“ ,,Vielleicht kann sie hier mal entspannen." ,,Hoffentlich.", seufzte Ty. ,,Ganz bestimmt.", meinte ich laut. Er drehte sich zu mir um. ,,Du hast uns gehört?", fragte er fassungslos. ,,Aber sicher doch!", grinste ich und sprang mit einem anmutigen Salto zu ihnen. ,,Angeberin.", murmelte mein alter Freund. ,,Ach ja? Ich glaube, ich werde deiner Frau mal einiges von dem erzählen, was du früher so getrieben hast." ,,Wehe!", drohte er mir. ,,Wissen Sie, Amy, Ty hat früher immer gerne halb San Francisco auf den Kopf gestellt. Mal gingen Ampeln nicht, mal sind die Elektromotoren von Autos nicht angesprungen. Oder, mein Favourit, der

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Sender hatte keine Verbindung zu Satelliten und konnte deshalb nicht senden.", vertraute ich Amy an. ,,Ty? Stimmt das etwa?", fragte sie ihren Mann mit einer hochgezogenen Augenbraue. ,,Du bist eine Verräterin!", zischte Ty. ,,Du hast mich damals bei Lucas und Hawk verpetzt! Das ist nur meine Rache.", grinste ich. Amy lachte. ,,Hat er das wirklich getan?", wollte sie wissen. ,,Glauben Sie mir, Ty war früher schlimmer als Roman und Julian momentan." ,,Ist es so schlimm?", fragte Ty besorgt. ,,Du glaubst gar nicht, WIE schlimm.", lachte ich. ,,Sie haben nur Flausinn im Kopf! Alle fünf Minuten ein neuer Streich." ,,Ich möchte jetzt nicht mit Sascha oder Lucas tauschen wollen.", meinte Ty kopfschüttelnd. ,,Erzähl mir mehr, Selena.", bat Amy mich und gemeinsam gingen wir ins Haus.

Drei Jahre später...

,,Selena, bringst du bitte die Pferde auf die Koppel?", rief Amy vom Stall aus. ,,Mache ich!", rief ich zurück und strich mit eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr. Mittlerweile war ich schon drei Jahre hier auf Heartland und    genoss die Arbeit mit den Pferden. Ich pfiff dreimal kurz und die Pferde galoppierten auf die Koppel. Schnell schloss ich hinter ihnen das Gatter und strich meiner Stute zärtlich über die Nüstern. ,,Später, meine Süße. Jetzt muss ich erst noch ein bisschen arbeiten.“, sagte ich lächelnd und ging zu Amy, die gerade ihren Sattel putzte. „Wann kommt eigentlich der nächste Kunde?“, fragte ich sie. „Gute Frage. Er sollte schon vor einer Stunde hier sein.“, antwortete sie. „Ich reite mal die Straße entlang, vielleicht entdecke ich ihn irgendwo.“ „Mach das. Und ruf mich an, falls du nichts findest.“ „Klar doch.“, meinte ich und ging zurück zur Koppel, um meine Stute zu satteln. „Es geht los, May.“, lächelte ich, stieg auf und ritt die Schotterstraße zum Highway entlang. Etwa auf halber Strecke entdeckte ich einen großen Pferdetransporter. Ein alter Bekannter schimpfte vor sich hin. „Du weißt doch, dass man nicht fluchen soll.“, sagte ich und stoppte May mit einem leichten Zug am Zügel. „Einfacher gesagt als getan.“, meinte Rafael und stöhnte. „Was ist denn mit dem Auto nicht in Ordnung?“, fragte ich und stieg ab. „Alles! Nichts funktioniert mehr.“ Seufzend holte ich mein Handy aus der Hosentasche und tippte Amys Nummer ein. „Bordon.“, meldete sie sich. „Ich habe ihn gefunden. Könntest du Caleb mit Abschleppzeug vorbeischicken?“ „Er ist schon unterwegs.“, meinte sie kurz darauf. „In Ordnung. Wir sind in spätestens einer halben Stunde bei euch.“, erwiderte ich und legte auf. „Ein Freund kommt vorbei und bringt deinen Wagen in eine Werkstatt.“ „Da kann ich mich auf etwas freuen.“, seufzte Rafael. „Keine Sorge, Kevin kriegt das schon wieder hin.“, meinte ich und ging zum Pferdetransporter, um nach dem Pferd zu sehen. „Ein wirkliches Prachtexemplar.“, sagte ich bewundernd, als ich das Pferd sah. „Das ist er wirklich.“, stimmte mir Rafael lächelnd zu. „Was für ein Problem hat er denn?“ „Wenn wir im freien Gelände sind, bockt er, versucht, mich abzuwerfen und rennt immer weg, wenn ich ihn einfangen will.“ Nachdenklich strich ich dem Wallach über den Nasenrücken. „Ist er schon mal von einer Schlange gebissen worden?“, fragte ich meinen alten Freund. „Ja.“, antwortete er überrascht. „Dann könnte es vielleicht daran hängen. Dein Pferd verbindet mit offenem Gelände Schlangen. Er hat panische Angst vor ihnen und sobald du mit ihm dort reitest, tickt er aus.“ Er trat neben mich. „Was sollen wir deiner Meinung nach tun?“, wollte er

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wissen. „Zuerst einmal musst du dein Pferd an dich binden. Es soll dir bedingungslos vertrauen. Danach arbeiten wir daran, im freien Gelände zu reiten.“, antwortete ich. „Hört sich einfach an.“ „Ist es aber nicht.“ Er sah mich überrascht an. „Dein Pferd vertraut dir kein bisschen. Ich habe damals über ein Jahr gebraucht, um meine Stute zu zähmen, damit ich sie reiten kann.“, erklärte ich und pfiff einmal kurz. May kam sofort angetrabt. „Wir reiten erst einmal zurück zur Farm. Ty holt den Transporter ab und kümmert sich um dein Pferd.“ „Danke. Du rettest mir den Hintern.“, meinte Rafael und wurde ein bisschen rot. „Wofür sind denn Freunde da?“, lächelte ich und saß auf. Er setzte sich hinter mich und wir ritten zur Farm zurück. „Wie lange bist du eigentlich jetzt schon hier?“, fragte mein alter Freund. „Knapp drei Jahre.“, antwortet ich und stoppte May am Stall. „Und ich bereue es nicht.“ „Glaube ich gerne. Hier ist es wirklich schön.“ Rafael glitt von Mays Rücken und streckte sich. „Du glaubst gar nicht, wie anstrengend ein so langer Flug sein kann.“ „Sei du mal für ein paar Stunden König von Wolkenland!“, meinte ich und sattelte meine Stute ab. „Es ist ein mieser Job, das kann ich dir sagen.“ „Und dabei warst du selbst mal Königin.“ „Ich bin froh, dass ich keine mehr bin.“ Er sah mich überrascht an. „Ich bin verantwortlich für so viele Tote und Kriege. Damit zu leben ist nicht einfach. Hier kann ich ich selbst sein.    Ich arbeite mit Pferden, die so viel sensibler sind als Menschen.“, erklärte ich und rieb May mit einem Handtuch trocken. „Und außerdem habe ich wundervolle Freunde gefunden, die immer für mich da sind.“ „Du weißt, dass wir das auch sind.“, meinte Rafael leise. „Natürlich, Rafael.“, erwiderte ich sanft und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber kannst du dir vorstellen, wie es ist, ein neues Leben anzufangen, ohne alles andere hinter sich zu lassen?“ „Das ist nicht möglich.“, flüsterte er. „Genau. So schwer es mir auch fällt, aber ich muss noch einmal von ganz vorne anfangen. So leid es mir tut, aber ich muss mich von meinen Freunden verabschieden. Und das heißt, auch von dir und den anderen.“ Tränen liefen ihm über die Wangen. „Nicht doch! Es ist kein Lebewohl.“, sagte ich zärtlich. „Es ist ein Abschied auf Zeit. Wir werden uns auf jeden Fall wiedersehen, daran musst du ganz fest glauben.“