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7/30/2019 Sensationsfund Im Wagner-Jahr_ Und Cosima Grinst Freundlichst - Bilder Und Zeiten - FAZ
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Aktuell Feuilleton Bilder und Zeiten
Sensationsf und im Wagner-Jahr
Und Cosima grinst freundlichst21.02.2013 · Im Nachlass eines Wagner-Enkels ist das Bayreuther Tagebuch AlfredPringsheims aufgetaucht. Der Schwiegervater von Thomas Mann war 1876 beiProben zur „Ring“-Uraufführung dabei. Wir drucken erstmals Auszüge.
Von ELEONORE BÜNING
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B ayreuth. Juli 1876 Mittwoch d. 5ten. Mittags 1 Uhr angekommen, im
Reichsadler abgestiegen. Dort bei der table d’hôte Sadler’s [= die erste Fricka:
Friederike Sadler-Grün] und Rubinstein [= Josef Rubinstein] getroffen. Letzterer räth
mir den „Meister“ um 5 Uhr vor der Probe abzufangen und von ihm Einlaß zu begehren.
Das geschieht. Ich höre auf diese Weise das Vorspiel und ersten Act derGötterdämmerung - vollständig mit Scene und Orchester. Großartiger Total-Eindruck,
doch im Einzelnen noch vieles zu wünschen übrig. Die Bläser machen das Streich-
Orchester an vielen Stellen vollständig todt.
Sonnabend, den 8ten. Gegen halb fünf bei strömendem Regen zur Probe
(Götterdämmerung, Act II mit Scene und Orchester). Es finden sich neben zahlreichen
© POLARIS IMAGES, FRANZ VON LENBACHRichard Wagner (links) und sein musikalischer Mäzen Alfred Pringsheim in Darstellungen Franz von
Lenbachs
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Kuczynski] auf dem Theater-Restaurant zu Abend gegeßen; beim Herausgehen
Wagner’s in die Arme gelaufen. Wagner sehr liebenswürdig, bedauert daß er sich jetzt
so wenig um seine Freunde kümmern könne; er sei jetzt völlig Maschine etc.
Donnerstag, den 13ten. Abends zu „einem stillen Abend“ von Cosima eingeladen -
mit Kuczynski’s. Wagner geräth in sehr gute Laune, erzählt allerlei Geschichten,
schließlich kommt er auf Loewe’sche Balladen zu sprechen, und da Hill [= der erste Alberich: Carl von Hill], der eine zu singen aufgefordert wird, sich weigert, erbietet sich
Wagner selbst dazu. Er singt - Eckert [= der Dirigent Karl Eckert] begleitet - erst
„Walpurgisnacht“, dann „Elvers-Höh“. „Ja, ja, ja, die sind ganz genial gemacht; die hat
der Loewe noch so als Student gemacht, die sind höchst originell. Später wie er so ein
,ordentlicher Componist’ werden wollte, da ist er verludert, hat er nichts als langweiliges
Zeug geschrieben.“ Dann kommt er auf die jetzt ganz verschollenen Opern zu sprechen,
die zu seiner Dresdner Capellmeister-Zeit gang und gebe waren: Das unterbrochene
Opferfest von Winter, Weigl’s Schweizerfamilie; die Spontini’schen Opern. „Ja, ja - dieSpontini’schen Opern, das war doch noch ein Styl. Herrrrgott, Sie, Eckert, das Allegro
aus der Arie der Vestalin (er setzt sich an’s Clavier, und klimpert es sich zusammen).
Das ist ja ganz colossal - solche Allegro’s kann heute kein Mensch mehr schreiben. Ja,
wo ist dieser Styl hingekommen!? Das sind die französischen Opern, welche an dem
Verfall schuld sind - vor allem Meyerbeer.“ (Eckert: „und Halévy ...“) „Ne, ne, ne - der
Halévy das ist ein naiver Mensch gewesen - nur Meyerbeer, das war ’n Speculant. Ah,
die ,Jüdin’ schätze ich sehr hoch; ne, ne, ne sagen Sie mir nichts gegen die Jüdin; ach,
der 2te Act ist ja ganz colossal, das ist ja ungeheuer ergreifend.“ (Eckert: „Ah, das freut
mich, das ist ganz meine Ansicht“). Dann kommt wieder die Rede auf das
„unterbrochene Opferfest“ und die wunderbaren Tex te mit Textwiederholungen in den
Opern diesen Schlages: „Muß denn der Mensch nicht menschlich sein? - Ja wohl der
Mensch muß menschlich sein.“ Alles dies von W[agner] in ungemein charakteristisch
drolliger Weise vorgesungen.
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Freitag, den 14ten. (...) 5 Uhr Ensemble-Probe mit Requisiten zum Rheingold, Scene
I und II. Die erste Decoration sehr schön, die drei Rheintöchter und Alberich ganz
vorzüglich. Die zweite Scene hingegen will mir gar nicht recht zusagen. Schon die
Decoration gefällt mir nicht recht - weder der blumige Vordergrund, noch die Burg
Walhall im Hintergrund, welcher eher wie ein Juden Kirchhof oder ein indisches
Grabmal oder eine Anhäufung vorgeschichtlicher Normal-Uhren aussieht. Außerdem ist
die Scene musikalisch äußerst trocken. Es herrscht da vielfach geradezu jenes ältere,lediglich von Akkorden begleitete Opern-Recitativ, welches von der sonstigen
Wagner’schen Declamation weit verschieden ist. Selbst die - mir wieder wahrhaft ideal -
erscheinende Stimme von Betz [= der erste Wotan: Franz Betz] kann denselben keinen
rechten Reiz verleihen. Durch die Anhörung dieser Probe kommt mir wieder die schon
sonst von mir empfundene Styl-Ungleichheit in den verschiedenen Partien des
Nibelungen-Ringes zum Bewußtsein.
Montag, den 17ten. Nach der Probe am Wagner-Tische oben. Wagner äußerst guterLaune. Schon in der Probe sagt er einmal: „ja, ja, das ist die Walküre, wo die Stelle
vorkommt: Du bist der Lenz. Deshalb werden alle Theater diese ,Oper’ geben. Sie haben
dann drei Stücke: ,Du bist der Lenz’; ,Du lieber Schwan’; und ,O Du mein holder
Abendstern’.“
Dienstag, d. 18ten. Früh 2ten Act der Walküre studirt. - Nachmittags 5 Uhr Probe
davon. Cosima samt Schleinitz [= Marie von Schleinitz] grinsen mich freundlichst an. Die
Decoration sehr schön. Vorzüglich sieht es aus, wenn die Walküre ihr Roß den hohenBerg hinab geleitet. Nur die Kampfscene am Schluße mangelhaft - der Vorgang
durchaus undeutlich. - Die Einleitung macht sich im Orchester vortrefflich, ein
hinreißendes Stück.
Mittwoch, den 19ten. Nachmittag 5 Uhr Probe vom letzten Act der Walküre. Ist
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wieder einer von den ganz famosen. Die Walküren-Scene wird vorläufig noch durch die
mangelhaften optischen Erscheinungen der die Luft durchturnenden Walküren
beeinträchtigt, auch geht das musikalisch ungemein schwierige Ensemble der 8
Walküren noch nicht tadellos. Doch glaube ich, daß diese Scene colossal wirken wird.
Abends in der Restauration am Wagnertisch. Wagner und Cosima erscheinen gegen 9
Uhr. Er ist wieder vortrefflicher Laune - wie Niemann [= der erste Siegmund: Albert
Niemann] sehr richtig bemerkt, ein unlösbares Räthsel wenn man diesen kleinen Mannmit seiner sächsischen Gemüthlichkeit so beobachtet und dann denken soll, dieser Mann
hat alle diese großen Werke geschaffen.
Freitag, den 21sten. Die Solo-Scenen Siegfried’s und die Scene mit dem Waldvogel
sind wunderbar poetisch, und auch musikalisch von reizvollster Wirkung. In den
übrigen Scenen ist für meinen Geschmack zu viel Unmusik. Lev y, mit dem ich darüber
sprach, giebt mir darin Recht: es sei hier zu viel Stoffliches vorhanden, welches einfach
hingestellt, aber nicht eigentlich musikalisch bewältigt ist. Es ist ein gehäuftesNebeneinander, kein fortlaufender organischer Fluß (nämlich in diesen erwähnten
Scenen). Die Häufung unvermittelter Dissonanzen in der Zank-Scene zwischen Mime
und Alberich überbietet alles, was selbst Wagner bisher hierin gewagt. Über die
Drachenscene kann man noch nicht recht urtheilen, da das Unthier selbst noch nicht aus
London angekommen ist. Der Gesang Fafner’s durch das Sprachrohr ist von
eigentümlich grotesker Wirkung.
Das Bayreuther Tagebuch von Alfred Pringsheim
Als Alfred Pringsheim, Schwiegervater Thomas Manns und Vorbild für die Figur des SamuelSpoelman in „Königliche Hoheit“, am 25. Juni 1941 in Zürich verstarb, wohin die Pringsheims sichund einen winzigen Teil ihres Vermögens 1939 hatten retten können, verbrannte Ehefrau HedwigPringsheim alle schriftlichen Hinterlassenschaften. Zeugen gibt es dafür nicht. Es gingen aber, so vielweiß man zuverlässig, etliche Briefe dabei verloren, die Richard Wagner an Pringsheim, denFörderer und Freund, geschrieben hatte.
Jetzt ist ein unbekanntes Pringsheim-Wagner-Dokument aufgetaucht. Keiner der verlorenen Briefe,
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© Frankfurter Allgemeine Zeitung Gm bH 2013Alle Rechte vorbehalten.
vielmehr die Abschrift von Tagebuchnotizen, die sich der junge Pringsheim, sechsundzwanzigjährig,im Sommer 1876 in Bayreuth machte, als er die Generalproben zur Uraufführung des „Rings desNibelungen“ besuchte. Richard Wagners Urenkelin Dagny Beidler (Enkelin von Isolde von Bülow, diewiederum die erstgeborene Tochter von Richard und Cosima Wagner war) fand die umfangreicheSchrift im Winterthurer Nachlass ihres Vaters Franz Wilhelm Beidler. Sie transkribierte sie mit Hilfeder Musikwissenschaftlerin Eva Rieger.
Dieser Pringsheimsche Festspielprobenbericht wird im Mai in Gänze erstmalig veröffentlicht(Thomas-Mann-Schriftenreihe, Band 9, Verlag Königshausen-Neumann). Wir bringen hier einigeAuszüge vorab. Sie zeigen, dass dieses Fundstück nicht nur für Pringsheim-Biographen oder für dieWagner-Rezeption von Interesse ist. Auch über Wagner selbst ist viel zu erfahren.
Einmal mehr muss man staunen, wie liebenswüridg, ja freundschaftlich er im persönlichen Umgangmit seinen jüdischen Bewunderern ist - jedenfalls, solange sie ihm nützlich sein konnten: AlfredPringsheim gehörte zu den spendabelsten Geldgebern der ersten Bayreuther Festspiele. DassWagner nur mäßig Klavier spielte, ist bekannt, ebenso, dass er gern sang. Aus den eignen Werkengab er, im geselligen Kreis, halbe Akte singend zum Besten, sich von anderen begleiten lassend.
Pringsheim schildert eine solche Szene, nur, dass Wagner hier nicht eigene Werke, vielmehrBalladen von Carl Loewe vorträgt, die er offenbar auswendig wusste, was ein Licht wirft auf seinenmusikalischen Horizont. Mag die Verurteilung Giacomo Meyerbeers auch keine Überraschung sein,so ist es andererseits die Wertschätzung Halévys, den Wagner gegen Ersteren ausspielt. Und: Dieweltberühmte Akustik des neuen Festspielhauses war offenbar stark gewöhnungsbedürftig. Wie dieTagebuchabschrift in den Nachlass von Franz Wilhelm Beidler gelangte, ist unklar. Vermutlichhandelt es sich um eine Schenkung. Beidler war mit der Familie Mann gut befreundet, er war esauch, der bei der Beerdigung Alfred Pringsheims in Zürich die Grabrede hielt.
Quelle: F.A.Z.
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