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Sepsis Information für Patienten & Angehörige

Sepsis-Information Layout 1 28.08.09 08:20 Seite 30 Sepsis · Sepsis ist die übersteigerte Antwort des Körpers auf eine Infektion. Eine Infektion wird durch Erreger, so genannte

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Sepsis

Information für Patienten & Angehörige

Sepsis-Information_Layout 1 28.08.09 08:20 Seite 30

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen ist Sepsis diedritthäufigste Todesursache in Deutschland. Jährlich sterbenhier zu Lande rund 60.000 Menschen an der Blutvergiftung.Dennoch ist die Krankheit im Bewusstsein vieler Menschen –Laien wie Ärzte – noch nicht richtig präsent. Zahlreiche Pa-tienten könnten überleben, würden sie rechtzeitig und um-fassend behandelt werden. Doch obwohl heute jeder zweitePatient mit schwerer Sepsis in Deutschland an der Vergiftungstirbt, taucht noch immer in vielen Klinikberichten dieKrankheit gar nicht auf. Es gibt also noch vieles zu verbessern.Richtiges und schnelles Reagieren rettet Leben. Wird der Infektionsherd rasch entfernt und die Sepsis mit Antibiotikaeffektiv behandelt, haben Betroffene eine gute Prognose. Ge-schieht dies nicht, kann die Blutvergiftung binnen wenigerTage, ja sogar Stunden, zum Zusammenbruch des Kreislaufs,dann zum Versagen mehrerer Organe und schließlich zum Todführen. Darüber müssen Patienten, Angehörige und Ärzte Be-scheid wissen. Aber auch Patienten, die die Erkrankung über-leben, lei den oft noch Jahre danach an diversen Komplikatio-nen. Spätfolgen sind häufig Muskelschwäche, Nervenschädenund Depresssionen, die im Rahmen der Postakutbehandlungvon den weiterbehandelnden Ärzten oft nicht gezielt thera-piert werden. Ganz abgesehen davon, dass lange Aufenthalte

im Krankenhaus eine massive Belastung für den Betroffenenund sein familiäres und soziales Umfeld darstellen. Denn diegenesenden Sepsis-Patienten verdanken ihr Überleben massiven intensivmedizinischen Bemühungen. Oftmals liegenhinter ihnen mehrere Wochen im künstlichen Koma. DieseZeit ist trotz sehr guter Betreuung durch die Intensivmedi zi-ner auch für Ange hörige oft extrem traumatisierend. Diese Broschüre soll aufklären, informieren und helfen. Siestellt wichtige Fakten über die Bedeutung, den Verlauf unddie Therapie von Sepsis dar. Sie macht die Krankheit ver-ständlich und begegnet der Angst durch Information. Indiesem Heft kommen vor allem Betroffene zu Wort. Es sindBeispiele schwerst erkrankter Menschen, die nach einerharten Zeit wieder in das Leben zurückgefunden haben.Die Broschüre nennt zudem Ansprechpartner für Betrof-fene und Angehörige. Denn gerade bei dieser oft unbe-kannten Krankheit ist es besonders wichtig, dass Menschenmit ihren Fragen und Sorgen nicht alleine gelassen werden.

H. Grönert

Vorsitzender der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V.

Prof. Dr. med. F. M. Brunkhorst

Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V.

Editorial

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Grußwort des Bundespräsidenten a.D. Walter Scheel,

für den Verein „Deutsche Sepsis-Hilfe“, im März 2009

Sehr geehrte Freunde und Förderer des Vereins „Deutsche Sepsis-Hilfe“,

Deutschland lebt von ehrenamtlichem Engagement. Ohne diese Hilfe wäre unser Land in schlechter Verfassung. Daher danke ich Ihnen sehr herzlich für Ihre Arbeit, zum Wohle der Gesundheitsforschung.

1974 waren meine inzwischen verstorbene Frau und ich maßgeblich an der Gründung der Deutschen Krebshilfe beteiligt.Damals galt es wie heute bei der Sepsisforschung, die Bevölkerung aufzuklären und über Tabuschwellen hinweg zu führen.

Ich möchte Ihnen und allen Unterstützern sagen, wie wichtig Ihr Beitrag und Ihre Hilfe ist.

Viel Erfolg in der Zukunft!

Grußwort

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Sepsis ist die übersteigerte Antwort des Körpers auf eineInfektion. Eine Infektion wird durch Erreger, so genannteMikroorganismen (meistens Bakterien) verursacht, die inden Körper eindringen. Die Infektion kann auf bestimmteKörper regionen begrenzt sein, z. B. bei einem Zahn abszess,oder sich in der Blutbahn ausbreiten. Entgegen der oft vertretenen Ansicht ist ein roter Streifen, der sich von einerWunde in Richtung Herz ausbreitet, kein Anzeichen einerSepsis, sondern einer Entzündung der Lymph bahnen, diesich in der Regel mit Antibiotika behandeln lässt.

„Sepsis“ ist vielmehr eine Entzündung des ganzen Körpers,die ohne sofortige intensivmedizinische Behandlungimmer tödlich ist. Krankheitserreger wie Bakterien oderPilze breiten sich bei einer schweren Sepsis unkontrolliertüber die Blutbahn im ganzen Körper aus. Die Immunabwehr ist nicht mehr in der Lage, den Prozess zukontrollieren und oder zu begrenzen. Grundsätzlich kannsich jede Infektion zu einer Sepsis entwickeln.

Verbreitung der Sepsis

Nach Untersuchungen des Kompetenznetzes Sepsis (SepNet) erkranken jährlich etwa 154.000 Menschen aneiner Sepsis (226 von 100.000 Menschen). Allerdings ist dieDunkelziffer sehr hoch, weil die Krankheit oft nicht alsSepsis erkannt wird.

Männer und Frauen sind zu gleichen Teilen betroffen. DasDurchschnittsalter der Betroffenen liegt bei rund 61 Jahren.Die Hälfte der Patienten, die eine Sepsis ent wickeln, sindbereits wegen anderer Erkrankungen in ärztlicher Behand-lung. Patienten mit einer schweren Sepsis müssen auf derIntensivstation behandelt werden.

Was ist eine „Sepsis“?

4 | Sepsis-Information

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Obwohl bei jedem Menschen potenziell das Risiko besteht,dass der Körper eine Sepsis aus einer örtlich begrenzten In-fektion heraus entwickelt (z. B. bei einer Lungenentzün-dung, Harnwegsentzündung etc.), ist die Wahrscheinlich-keit, dass sich eine Sepsis entwickelt, besonders hoch beiMenschen, die

· sehr jung (z. B. Frühgeborene) oder sehr alt sind· ein geschwächtes Immunsystem haben, meistens als

Folge bestimmter Behandlungen wie z. B. einer Chemo- therapie bei Krebserkrankungen oder einer hochdosier-ten Kortisontherapie bei Rheuma- oder bei Atemwegs-erkrankungen

· Wunden oder Verletzungen haben, z. B. als Folge vonVerbrennungen, Autounfällen oder schweren innerenoder äußeren Verletzungen

· sich aufgrund schwerer Erkrankungen bestimmten Behand lungen und Untersuchungen unterziehen müssen(z. B. intravenöse Katheter, Blasenkatheter oder Wund-drainagen)

· die aufgrund genetischer, also angeborener Faktoren eherdazu veranlagt sind, eine Sepsis zu entwickeln als andere

· in irgendeiner Weise abhängig sind, z. B. von Alkoholoder anderen Drogen

Bei Patienten, die mit schweren Erkrankungen im Krankenhaus aufgenommen werden, besteht ein erhöhtesSepsisrisiko aufgrund

· der zu Grunde liegenden Krankheit· der Tatsache, dass sie oftmals einen intravenösen Katheter,

Blasenkatheter oder eine Wunddrainage benötigen.

Eine Infektion, die zu einer Sepsis führt, kann außerhalb desKrankenhauses (sog. ambulante Infektion) oder im Kran-kenhaus (sog. nosokomiale Infektion) er worben worden sein.

Epidemiologische Entwicklung der Sepsis

Sepsiserkrankungen werden immer häufiger. Sie sind dasErgebnis· großer und invasiver operativer Verfahren und sonstiger

Eingriffe, mit Hilfe derer heute ein Überleben vieler aku-ter und chronischer Erkrankungen möglich ist

· steigender Anzahl alter und durch ihre Vorerkrankunggeschwächter Patienten

· des verbreiteten Gebrauchs von Antibiotika, vor allemim ambulanten Bereich, der zum Auftreten von anti bio-tika-resistenten Mikroorganismen führt

Risikogruppen – wer besonders gefährdet ist

Sepsis-Information | 5

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Sepsis tritt in drei Schweregraden auf: Einfache Sepsis, schwe -re Sepsis, septischer Schock. Manche Patienten durchlaufenalle diese Stufen. Trotz bestmöglicher Therapie sprechen man-che Menschen nicht auf die Behandlung an, können ein Mul-tiorganversagen entwickeln und unter Umständen sterben.

Einfache SepsisAn einer einfachen Sepsis, die z. B. durch Atemwegserkran-kungen, Magen-Darm-Entzündungen oder Zahnabs zesse,hervorgerufen werden kann, erkranken in Deutschland proJahr etwa 80.000 Menschen. Die Mehrzahl von ihnen benötigt eine medikamentöse, aber keine intensivmedi zini-

sche Behandlung.

Schwere SepsisNach den Untersuchungen des Kompetenznetzes Sepsis(SepNet) erkranken jedes Jahr in Deutschland 75.000 Patienten an einer schweren Sepsis. Alle diese Menschenmüssen auf der Intensivtherapiestation (ITS) behandelt werden. Schwere Sepsis entsteht, wenn – abseits vom Ortder eigentlichen Infektion – lebenswichtige Organe, wiedas Herz- und Kreislaufsystem, die Nieren, die Lunge oderdie Leber versagen. Tritt ein solches infektionsortfernes Organversagen auf, ist das Risiko zu versterben hoch (etwa47 Prozent der Fälle).

Septischer SchockEin septischer Schock tritt auf, wenn im Rahmen einerschweren Sepsis der Blutdruck auf extrem niedrige Werte ab-fällt. Dieser niedrige Blutdruck kann nicht mehr allein durcheine Standardbehandlung (Flüssigkeitsersatz) behandelt wer-den. In diesem Zustand erhält der Körper nicht genügendSauerstoff, um die Organe regelrecht zu versorgen. So ge- nannte vasopressorische Substanzen werden dann verab-reicht, um den Blutdruck zu erhöhen. Patienten mit septi-schem Schock sind schwerstkrank und benötigen eineschnelle Verlegung und Behandlung auf einer Intensivthera-piestation (ITS). Trotz maximaler Behandlungs anstrengun genauf der ITS beträgt die Sterblichkeitsrate etwa 60 Prozent.

Die verschiedenen Formen der Sepsis

6 | Sepsis-Information

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Sepsis wird durch eine Infektion hervorgerufen, die an allenKörperregionen auftreten kann, wobei die folgenden Kör-perregionen die häufigsten Infektionsherde darstellen:

LungeBei einer schweren Sepsis ist am häufigsten die Lunge derOrt der Infektion, zumeist der unteren Atemwege (Lun-genentzündung/Pneumonie).

AbdomenIm Abdomen kann die Infektion zahlreiche mögliche Ur- sprungsorte haben, z. B. Blinddarm, Darm, Gallenblase undGallenwege, Bauchspeicheldüse, Eierstöcke etc. Ist die Ober-fläche der abdominalen Organe („Peritoneum“) auch von derInfektion betroffen, spricht man von einer „Peritonitis“.

Harntrakt (Nieren oder Blase)Der Harntrakt ist ein weiterer häufiger Infektionsort, vorallem bei Patienten, die einen Harnkatheter benötigen.Auch bei Patienten mit Diabetes besteht ein höheres Risikofür Harnwegsinfektionen, die dann zu einer Sepsis führenkönnen.

HautBakterien können durch Wunden und Entzündungen in die

Haut eindringen. Sie können auch durch intravenöse Katheter, die zur Flüssigkeits- und Medikamentenzufuhrbenötigt werden, in die Haut und die Blutbahn gelangen.

Knochen und GelenkeSepsis kann auch Folge einer Entzündung und Infektion desKnochens, des Knochenmarks, der Knochenhöhle etc. sein.

Zentrales NervensystemSepsis kann durch eine Infektion des Gehirns (z. B. Menin gi-tis, Enzephalitis) oder des Rückenmarks hervor gerufen wer-den. In ca. 20 Prozent der Fälle kann der Ursprung der Sepsistrotz aller Bemühungen nicht ausfindig gemacht werden.

Häufige Infektionsherde beim Menschen

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Alle drei Formen der Sepsis können durch allgemeine Zeichen, so genannte Symptome und biologische Verände-rungen erkannt werden, einschließlich solcher Zeichen, dieauf den Ort der Infektion hinweisen.

Septische Patienten weisen im Allgemeinen folgendeSymptome auf

· Fieber (Körpertemperatur über 38 Grad Celsius), oftmalsin Ver bindung mit Schüttelfrost, vor allem im frühen Stadium. In manchen Fällen haben die Patienten jedochkein Fieber, sondern können auch eine Körpertempera-

tur unter 36 Grad Celsius aufweisen („Hypothermie“),vor allem wenn sie sehr alt oder sehr jung sind.

· Atemnot („Hyperventilation“ oder beschleunigte Atmung),die zu Kurzatmigkeit führt

· Erhitzte Haut, manchmal verbunden mit Hautausschlag· Beschleunigter Herzschlag („Tachykardie“)· Schwere Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes

Einige Symptome der Sepsis sind auch abhängig vomOrt der Infektion, beispielsweise:

· Bei einer Lungeninfektion kann es zu Kurzatmigkeitund/oder eitrigem („purulentem“) Auswurf kommen.

· Harnwegsinfektionen können beim Patient zu schmerz-haften Harnausscheidungen und/oder zu einem verän-derten Geruch des Harns führen.

· Eine Infektion des zentralen Nervensystems (z. B. eineHirnhautentzündung) kann beim Patienten starke Kopf-schmerzen, erhöhte Lichtempfindlichkeit und einenSchiefhals hervorrufen.

· Bei Unterleibsinfektionen (z. B. bei einer Blindarm ent-zündung) kann es zu Unterleibsschmerzen kommen.

Symptome der Sepsis

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Sepsis führt zu Veränderungen des normalen biolo gi-schen Zustandes im Körper, z. B.

· Veränderte Anzahl der weißen Blutkörperchen – in derRegel geht die Sepsis mit einer erhöhten Anzahl weißerBlutkörperchen einher, was die Abwehrfunktion dieserBlutkörperchen widerspiegelt. In manchen schweren Fäl-len kann die Anzahl der weißen Blutkörperchen jedochauch ungewöhnlich gering sein.

· Diese Zeichen sind jedoch wenig spezifisch, da sie auchbei Patienten ohne Sepsis auftreten können. Mit demProcalcitonin-Bluttest (PCT) lässt sich derzeit eineSepsis am zuverlässigsten und schnellsten feststellen.

· Bakterien und andere Mikroorganismen, die in Körper-flüssigkeiten wie Blut, Urin oder Auswurf mittels Labor-tests nachgewiesen werden können.

Bei schwerer Sepsis und septischem Schock kann dieLeis tungsfähigkeit der lebenswichtigen Organe herab-gesetzt sein, unabhängig vom Ort der Infektion:

· Lunge: Septische Patienten haben oftmals schwereAtem prob leme, welche zu einem Lungenversagen führenkönnen. Alle Patienten benötigen eine Sauerstoffthera-pie, viele müssen intubiert werden (sog. „Tracheotomie“

oder endotrachealer Tubus), und an eine „künstlicheLunge“ angeschlossen werden (sog. Respiratortherapie).

· Nieren: Es können Veränderungen hinsichtlich der Nie-ren funktion auftreten, die oft mit verminderter Harn-ausscheidung einhergehen. Bei sehr schweren Fällenkann es zeitweise zu vollkommenem Nieren ver sagenkommen, so dass das Blut des Patienten durch Maschi-nen gereinigt werden muss („künstliche Niere“, Dialyse).

· Durchblutung und Blutgerinnung („Koagulation“):Es treten häufig Veränderungen im Blutgerinnungs sy-stem auf. Das Blut gerinnt in den kleinsten Blutge fäßen(„Kapillaren“) der Körperorgane, was die Versorgung dieser Organe mit Sauerstoff weiter beeinträchtigt.

· Zentrales Nervensystem: Der Patient kann orientie-rungslos und verwirrt sein oder in seiner Wahrneh-mungsfähigkeit eingeschränkt sein.

· Leberfunktion: Es können Veränderungen an derLeber auftreten, die zu Gelbsucht führen können (gelb-liche Verfärbung der Haut).

· Veränderung des Blutzuckers („Hyperglykämie“,„Hypoglykämie“): Veränderungen der Blutzuckerkon-zentration können eine Behandlung mittels Insulin auchbei nicht-diabetischen Patienten erforderlich machen.

· Multiorganversagen: Der Ausfall mehrer lebenswich-tiger Organe wird als Multiorganversagen bezeichnet.

Symptome der Sepsis

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Menschen mit schwerer Sepsis oder septischem Schocksind schwer krank und müssen auf der Intensivstation (ITS)behandelt werden. Die Behandlung von Patienten mitschwerer Sepsis und septischem Schock sollte durch eineoder mehrere der folgenden Behandlungsformen erfolgen:

· sofortige Gabe von Antibiotika zur Behandlung derInfektion

· Operation zur Beseitigung des Infektionsherdes· Flüssigkeitszufuhr durch einen intravenösen Katheter –

diese Flüssigkeiten können auch Nährstofflösungen ent-halten, wenn der Patient zur normalen Nahrungsauf-nahme nicht mehr in der Lage ist.

· Medikamente – z.B. Vasopressorische Substanzen, die dennied rigen Blutdruck, der aus einem kardiovaskulärem(Herz-Kreislauf) Kollaps resultieren kann, wieder erhöhensollen.

· Spezielle Sepsis-Behandlungen, z. B. wurden in jüngsterZeit neue Behandlungsmethoden entwickelt, mit denendie Abwehrkräfte der Patienten gegenüber den ein drin-genden Mikroorganismen verbessert werden sollen.

· Unterstützung der Organe – z.B. künstliche Beatmungder Lungen, ständige Filtration des Blutes zur Unter-stützung der Nieren, etc.

Trotz bestmöglicher Pflege zeigt die Behandlung in etwa50 Prozent der Fälle nicht die erhoffte Wirkung und diebetroffenen Patienten sterben schließlich an Multiorgan-versagen. Neue und bessere Behandlungsmethoden sinddas Ziel kontinuierlicher Forschung. Studien haben gezeigt, dass die Blutgerinnung beeinflussende oder entzündungshemmende Medikamente sowie Präparate,welche die Abwehrreaktion des Körpers und die Organ-funktionen unterstützen (z.B. aktiviertes Protein C) dieÜberlebensrate verbessern. Jedoch können nicht alle dieserVerfahren bei allen Patienten mit Sepsis zur Anwendungkommen.

Sind der Ursprung der Infektion und die verusachendenBakterien bzw. Pilze bekannt, kann eine entsprechende An-tibiotikatherapie ausgewählt werden. Dieses setzt voraus:· Eine sorgfältige klinische Untersuchung· Röntgenaufnahmen des Thorax, Computertomogra-

phien, Sonographien etc.· Gewinnung biologischer Proben (z. B. Wundabstrich,

Sputumproben, Urinproben, Blutproben etc.) zur bakte-riologischen Untersuchung und zur Identifizierung desinfektiösen Mikroorganismus.

Therapie der Sepsis

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Je früher die Infektion beseitigt werden kann, desto größerist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient geheilt werdenkann. Ein wesentlicher Faktor bei der Beseitigung der in-fektiösen Mikroorganismen ist die Antibiotikatherapie. Inder Mehrzahl der Fälle kann der Mikroorganismus nicht so-fort identifiziert werden, so dass mit einer so genannten„empirischen“ Antibiotikatherapie behandelt wird, um einbreites Spektrum verschiedener Mikroorganismen abzutö-ten. Sobald mit Hilfe der bakteriologischen Tests der Mi-kroorganismus bekannt ist, kann das Antibiotikum durchein auf den speziellen Mikroorganismus zugeschnittenesPräparat ersetzt werden. Wird eine empirische Antibiotika-behandlung zu lange und zu häufig eingesetzt, besteht dieGefahr, dass sich antibiotika-resistente Bakterien ausbilden.Bei einer schweren Sepsis müssen die Antibiotika in derRegel direkt in die Vene (intravenös) verabreicht werden.

Operative bzw. andere nicht-invasive Maßnahmen (z. B.eine Sonographie-gestützte Punktion) sind unter Umstän-den zur Beseitigung der Infektion notwendig.

Die Mehrzahl der Patienten benötigen auch die folgendenBehand lungen:

· Künstliche Ernährung durch einen Schlauch, der durchdie Nase in den Magen gelegt wird

· Verabreichung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln· Legen von Schläuchen in die große Halsvene, intravenöse

Katheter, Harnkatheter etc.· Patienten, die auf der ITS liegen, entwickeln auch

manchmal ein so genanntes Stressulkus, das Blutungenim Verdauungstrakt verursacht. Der Arzt wird versuchen,die Bildung eines Ulkus durch eine medikamentöse Therapie zu verhindern.

Therapie der Sepsis

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Die Jenaer Deklaration wurde anlässlich der Gründung derBetroffenen-Initiative Sepsis, im Dezember 2005 beschlos-sen und u. a. an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidtgeschickt.

Sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Frau Schmidt,

auf Initiative und unter Beteiligung von ärztlichen Vertre-tern der Deutschen Sepsis-Gesellschaft e.V. haben die Un-terzeichnenden als ehemals an Sepsis Erkrankte bzw. derenAngehörige am 03.-04. Dezember 2005 in Jena die – unse-res Wissens weltweit erste – „Betroffenen-Initiative Sepsis“gegründet und die folgende Deklaration verabschiedet:

Sepsis in Deutschland – eine Herausforderung für dasGesundheitssystem

(...) Im Gegensatz zu kardiologischen und onkologischen Er-krankungen ist die (fach-)öffentliche Wahrnehmung für dieSepsis jedoch gering. Der Morbiditäts- und Letalitätsbeitragder Sepsis ist von einer häufig übersehenen fachüber greifen-den Bedeutung, weil die hohe Letalität der Sepsis die Be-handlungsergebnisse fortgeschrittener Therapieverfahrenzahlreicher Fachgebiete (z. B. Viszeralchirurgie, Transplan-tationsmedizin, Hämatologie/Onkologie und Neonatologie)gefährdet. Die Senkung der Morbidität und Letalität ist indiesen Fällen an einen gleichzeitigen Fortschritt in der Prävention, Diagnose und Behandlung der Sepsis gebunden.

Das Expertenwissen über die verschiedenen Aspekte der Sep-sis ist über viele Fachdisziplinen hinweg verstreut; eine festeZuordnung zu einer medizinischen Disziplin fehlt. Einestrukturierte Zusammenarbeit zwischen Intensivmedizinern,Fachärzten für Infektionskrankheiten, Mikrobiologen, Hygienikern, Immunologen, Epidemiologen, Grundlagen-forschern und Gesundheitsökonomen existiert nicht. Patien-ten mit schwerer Sepsis finden sich in den verschiedenstenFachdisziplinen, aber die Inzidenz innerhalb der einzelnenFachdisziplinen ist relativ niedrig. Die ausgeprägte Interdis-

Jenaer Deklaration

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Sepsis-Information_Layout 1 28.08.09 08:20 Seite 12

ziplinarität hat auch negative Auswirkungen auf die Lehre anden Universitäten, denn keine einzelne Fachdisziplin fühltsich für die umfassende diesbezügliche Ausbildung der Ärzteund Medizinstudenten verantwortlich, dieses gilt auch für dieFort- und Weiterbildung. Unkenntnis und Unsicherheit be-dingen nicht selten Verzögern und Verkennen der Diagnoseder Sepsis sowie den Einsatz von nicht gesicherten bzw. frag-würdigen Therapieverfahren. Wir fordern eine weiter ge-hende Bündelung der medizinischen Expertise und wissen-schaftlichen Kompetenz in der anwendungsnahen, klinischenund grundlagenwissenschaftlichen Forschung in Deutschland.

Durch die Novellierung des Sozialgesetzbuchs FünftesBuch (SGB V) im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform2000 haben medizinische Leitlinien eine zentrale Be deu-tung als Steuerungsinstrument im deutschen Gesund-heitswesen bekommen. So hat der Gesetzgeber in § 137eSGB V festgeschrieben, dass der Koordinierungsausschuss„...insbesondere auf der Grundlage evidenz-basierter Leit-linien die Kriterien für eine im Hinblick auf das diag nos -tische und therapeutische Ziel ausgerichtete zweckmäßigeund wirtschaftliche Leis tungserbringung für mindestenszehn Krankheiten pro Jahr beschließt“, bei denen Hinweise auf unzureichende, oder fehlerhafte Versorgungbestehen und deren Beseitigung die Morbidität und

Mortalität der Bevölkerung nachhaltig beeinflussen kann(Gesetz vom 22. Dezember 1999 [BGBl I S.2626]).

Die schwere Sepsis ist ein Krankheitsbild, bei dem unseresErachtens diese Versorgungsmängel in Deutschland bestehen.Wir fordern daher die Bundesregierung auf, sich für Sepsis pa-tienten in Deutschland in folgender Weise einzusetzen:

1. Verbesserung der Sichtbarmachung in der öf-fentlichen und fachöffentlichen Wahrnehmung

Wir, die wir eine schwere Sepsis dank intensivmedizini-scher Maßnahmen überlebt haben, stoßen in der Bevöl-kerung, bei den Krankenkassen, Berufsgenossenschaften,Renten- und Versicherungsträgern und bei unseren nach-behandelnden Ärzten meist auf Unverständnis. Außerhalbder Intensivstation wissen Ärzte mit unseren Beschwer-den nach überlebter Sepsis in der Regel nichts anzufangen.In den Krankenhausberichten wird als Entlassungsdiag -nose zumeist die die Sepsis auslösende Infektion (z. B.Lungen- oder Bauchfellentzündung) aufgeführt, aber nichtdie Sepsis, welche die Schwere unserer Erkrankung vielbesser verdeutlicht. Wir fordern hier die Einrichtung eines Ombudsmannes für Sepsispatienten bei Krankenhäusernund -kassen, Berufsgenossenschaften, Renten und Ver si-cherungsträgern sowie der Bundesärztekammer.

Jenaer Deklaration

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2. Verbesserung der Ausbildung der Ärzte

Im Gegensatz zu der medizinischen Bedeutung ist dieSepsis in den Curriculae der Medizinerausbildung massiv unterpräsentiert.

Wir fordern hier eine Ver besserung in dem Sinne, dassdas Krankheitsbild in den Lehrplänen von Medizinstu-denten und Medizinper sonal sowie in der Fort- undWeiterbildung von Ärzten und Medizinpersonal einenentsprechenden Stellenwert erhält.

3. Verbesserung der frühen Diagnose von Sepsis pa-tienten

Sowohl im prähospitalen als auch im intrahospitalen Verlauf der Erkrankung vergehen häufig mehrere Stunden bis Tage bis zur Diagnose und damit adäquatenTherapie.

Da mittels neuer Methoden der Diagnostik im Blut dieZeit bis zur Behandlung verkürzt werden könnte, fordernwir hier eine entsprechende Verwendung dieser neuenMethoden bzw. weitere Forschung auf diesem Gebiet.

4. Verbesserung der Prävention der Sepsis

Bei einigen Erkrankungen besteht ein erhöhtes Risiko,dass sich aus einer Infektion eine Sepsis entwickelt. Zumeinen ist dieses vielen Ärzten nicht ausreichend bekannt(siehe 2.), zum anderen sollten hier mehr Forschungs be-mühungen unterstützt werden, mit deren Hilfe im Vor-feld Risikopatienten erkannt werden können, die eineSepsis entwickeln könnten.

5. Verbesserung der Behandlung von Sepsispatienten

Wir haben als ehemalige Sepsis-Patienten in der Regelgute Erfahrungen mit den Ärzten und Pflegekräften derIntensivstationen gemacht, die uns in der Akutphase der

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Sepsis behandelt haben. Wir waren überwiegend zumTeil über mehrere Wochen im künstlichen Koma, wur-den künstlich beatmet und ernährt, waren im Kreislauf-schock und erhielten eine Dialyse (Blutwäsche) und un-sere Angehörigen hatten eine schwere Zeit. Wir selbsthaben zum Teil an diese Zeit keine Erinnerung mehr, lei-den aber zu einem großen Teil an Folgeschäden, die un-seren nachbehandelnden Ärzten als typische Sepsisfol-gen zu wenig bekannt sind (s. 1. und 2.). Es existierenhierzu auch keine Untersuchungen, die jedoch dringenderforderlich wären.

Wir danken allen Beteiligten für Ihren unermüdlichenEinsatz und Ihre Hilfe. Im Wissen jedoch, dass wir dieÜberlebenden sind und nur jeder zweite Sepsispatientüberlebt, fordern wir zu einem dringenden interaktivenDialog zwischen Betroffenen, Ärzten, Politikern, Gesundheitsökonomen, Krankenkassen, Renten- undVersicherungsträgern, Klinik und Grundlagenforschungauf, um alle Anstrengungen zu unternehmen, damit nichtweiter tausende Menschen in Deutschland an dieser extrem lebensbedrohlichen Erkrankung versterben.

Verglichen mit den Behandlungsfortschritten, die in denletzten Jahrzehnten bei anderen Erkrankungen erzielt

werden konnten, müssen erhebliche zusätzliche Anstren-gungen unternommen werden. So konnte beispielsweisedie Krankenhaussterblichkeit von Patienten mit akutemHerzinfarkt von 25 bis 50 Prozent in den 60iger Jahrenauf 2,7 bis 9,6 Prozent im Jahre 2002 gesenkt werden.)

Ähnliche Fortschritte wie für Herzinfarktpatienten müssenauch für Patienten mit Sepsis erreicht werden!

Jenaer Deklaration

Sepsis-Information | 15

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Gerade bei einer in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannten Krankheit sind Unterstützung und Infor ma-tionen besonders wichtig.

Diese Aufgabe leistet die Deutsche Sepsis-Hilfe. Sie ist An-laufstelle ebenso für Betroffene und Angehörige wie auchfür Ärzte, Medien und die Öffentlichkeit insgesamt.

Information und Hilfe – Eine gute Adresse:Die Deutsche Sepsis-Hilfe

Die Deutsche Sepsis-Hilfe e.V. ist eine Selbsthilfegruppe,die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Verständnis für dasKrankheitsbild Sepsis in der Bevölkerung zu bilden und zuschärfen. Um dies zu erreichen, betreibt die DSH gemein-sam mit der Deutschen-Sepsis-Gesellschaft e.V. unter an-derem Öffentlichkeitsarbeit, organisiert Fortbildungsver-anstaltungen und etabliert Forschungsplattformen.

Ausführliche Informationen zur Arbeit der Gesellschaftsind im Internet zu finden.

KontaktDeutsche Sepsis-Hilfe e.V.

c/o Universitätsklinikum Jena, Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Erlanger Allee 101, 07747 JenaTelefon: +49(0)700-SEPSIS-00 / +49(0)700-737747-00 Telefax: +49(0)3641-934795Internet: www.sepsis-hilfe.orge-mail: [email protected]

Selbsthilfe/Kontakt

16 | Sepsis-Information

Sepsis-Information_Layout 1 28.08.09 08:20 Seite 16

Chronische Sepsis bei Herzklappenentzündung (Endokarditis)Joachim Michel, Berlin, 69 Jahre

Zuerst möchte ich mich für den Einsatz der DeutschenSepsis-Hilfe, dass ich nach langen, quälenden Monaten end-lich die richtige medizinische Versorgung erhalten habe,sehr herzlich bedanken. Ohne das schnelle und präziseHandeln von Prof. Brunkhorst wäre ich vermutlich heutenicht mehr am Leben. In der Hoffnung, dass andere Be-troffene mit der Schilderung ihrer Symptome ernster ge-nommen werden bzw. behandelnde Arzte diese besser zu-ordnen können, möchte ich nachfolgend den Ablauf meinerPatientengeschichte mitteilen:

Nach einer im Oktober 2007 durchgeführten Prostata-Punktion erfolgte im Januar 2008 eine Lymphknotenent-fernung im Bauch und im Mai 2008 begann die Bestrah-lung, insgesamt 46, bis zum 15.7.2008. Leider fiel mir dieEntleerung der Blase immer schwerer, allerdings wollte icheinen Harnblasenkatheter solange wie möglich aufschieben.

Mein Gesundheitszustand wurde immer schlechter, Armund Hand schwollen dick an und abends hatte ich sehrhohes Fieber. Am 31.7.2008 wurde ich mit dem Notarztwa-gen in die Urologie der Charité eingeliefert, wo man eine

lebensbedrohliche Uro-Sep-sis feststellte. Es erfolgte Be-handlung mit Antibiotikumund am 7.8.08 wurde ich miteinem Bauchkatheter entlas-sen.

Leider löste sich dieser Ka-theter bereits auf demHeimweg, so dass die Rück-kehr in die Charité erforder-lich wurde, wo man noch am selben Tag den Katheter neusetzte und mich wieder nach Hause schickte.

Mein Gesundheitszustand verbesserte sich aber nur ge-ringfügig für kurze Zeit. Es traten weiterhin Schwellungenvon Hand und Arm auf, so dass beides zeitweise in Gips ge-legt wurde. Ich hatte extreme Appetitlosigkeit und musstemich zwingen, wenigstens etwas zu essen. Ich verlor sehrviel Gewicht und befand mich tageweise in einem soschlechten Zustand, dass ich mit dem Gedanken spielte,aus dem Leben zu scheiden. Morgens hatte ich extreme Un-tertemperatur, abends hohes Fieber was mein Hausarzt mitdem Bemerken abtat „so etwas gibt es nicht, kaufen Sie sichein neues Thermometer“.

Patienten berichten

Sepsis-Information | 17

Joachim Michelnach der Herz OP, Juni 2009

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Behandelt wurde ich mit immer wieder anderen Antibio-tika, doch eine Besserung trat nicht ein, so dass auf meinenWunsch und entgegen dem Rat meines Urologen derBauchkatheter am 17.10.2008 entfernt wurde. Danach hatte ich für kurze Zeit ein Gefühl der Besserung,doch die Beschwerden kamen in gleicher Form wieder undam 25.11.2008 wurde ich in die Infektiologie des Virchow -Krankenhauses aufgenommen. Auch hier erfolgte Behand-lung mit Antibiotika über die Vene, die starken Schwellun-gen in Arm und Hand gingen zurück. Auch vermutete manhier schon eine Schädigung in der Herzgegend in Form

eines ca. erbsengrol3en Eiterherdes. Eingehendere Unter-suchungen fanden allerdings nicht statt, auch in der ambu-lanten Behandlung durch meinen Hausarzt wurde auf die-sen Hinweis nicht eingegangen.

Am 5.12.08 wurde ich entlassen, die Symptome der Sepsiswaren deutlich gebessert. Leider hielt der Zustand nichtlange an, die Schübe traten erneut auf, es erfolgte wieder,leider ohne anhaltende Wirkung, eine Behandlung mit denunterschiedlichsten Antibiotika.

Am 14.2.09 verschlechterte sich mein Gesundheitszustanderneut dramatisch. Ich bekam schwere Sehstörungen, sahnur noch gelb/grüne Phantombilder und wurde am 16.2.09,nach dem ich einen zweiten Schlaganfall erlitt, mit der Feu-erwehr in das Humboldt-Krankenhaus eingeliefert (Neuro-logie). Hier wurde eine durale AV Fistel diagnostiziert,wobei nicht sicher war, ob diese Folge der Sepsis oder Folgeeines im Mai 2007 erlittenen, schweren Radunfalls war. Es erfolgte die Verlegung in das Neuköllner Krankenhaus(Neurochirurgie), da nur dort die Möglichkeit der Opera-tion der Fistel gegeben war. Diese erfolgte am 11.3.09, dieFistel erwies sich aber als so komplex, dass am 23.3.09 eineweitere Operation folgte und eine dritte derzeit noch aus-steht.

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Joachim Michelvor der Herz OP, April 2009

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Die chronische Sepsis bestand allerdings unvermindert wei-ter und ab dem 22.4.09 verschlechterte sich der Allgemein-zustand ganz erheblich. Ich bekam starke Knochen- undMuskelschmerzen, das linke Fußgelenk schwoll stark an, ichhatte sehr hohe Zuckerwerte, litt sowohl unter starkemFrieren als auch unter starkem Schwitzen, bekam Magen-schmerzen und Durchfall, die Morgentemperatur lag bei 34Grad, Abends ging sie in hohes Fieber über. Am 27.4.09 suchte ich meinen Hausarzt auf, der mir Amoxi-Clavulan AZ 875 mg/125 mg verordnete. Da auch weiterhinkeine Besserung eintrat, hat sich meine Schwester am29.4.09 mit Prof. Brunkhorst von der Deutschen Sepsis-Hilfe in Verbindung gesetzt und es erfolgte auf seine In-itiative hin am 30.4.09 die stationäre Einweisung in die kar-diologische Abteilung des Vivantes Klinikum Neukölln(Prof. Darius) mit dem dringenden Verdacht auf eine Herz-klappenentzündung (Endokarditis).

Bei der, noch am gleichen Tag durchgeführten Untersu-chung mit einem Schluckecho sowie Herzkatheter wurdeeine stark entzündete Herzklappe (Endokarditis) festge-stellt und es erfolgte am nächsten Tag die Verlegung in dasDeutsche Herzzentrum Berlin (Prof. Hetzer) zur Opera-tion, die am 5.5.09 durchgeführt wurde. Der inzwischenstark vergrößerte Entzündungsherd wurde ausgeräumt und

eine biologische Herzklappe eingesetzt. Zur Weiterbe-handlung erfolgte am 11.5.09 die Verlegung in das Paulinen-haus, wo ich am 8.6.09 aus der stationären Behandlung ent-lassen wurde.

Mein derzeitiger Algemeinzustand ist deutlich verbessert,wie man es wohl auch auf den beigefügten Fotos erkennenkann. Leider liegt immer noch ein Vorhofflimmern vor, wasdie Einnahme von Marcumar erforderlich macht. Dieskönnte, nach Meinung meines Hausarztes, evtl. in einigerZeit zu einem Problem für meine Leber werden, da dieseanfangen konnte, zu bluten. Mein Appetit ist sehr gut, ichfahre auch wieder Rad. Allerdings leide ich unter Bewe-gungseinschränkungen in den Beinen, das Treppensteigenfällt mir sehr schwer, selbst das Aufsteigen auf den Fahr-radsattel erweist sich als schwierig. Auch tritt hin und wie-der ein Taubheitsgefühl auf, so als ob meine Beine nichtmehr spürbar sind. Diese Symptome lagen bei der statio-nären Entlassung nicht vor und haben sich erst danach ein-gestellt.

Mich nochmals bei meinen ,,Lebensrettern“ recht herzlichbedankend sowie Ihnen viel Erfolg und gebührende Beach-tung für Ihre Arbeit wünschend, verbleibe ich mit freund-lichen Grüßen J. Michel.

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Sepsis und Toxic-Shock-Syndrom (TSS)Angelika Rautenkranz, Kassel, 34 Jahre

Es begann ganz plötzlich, am 9. Dezember 2003. Ich hattemorgens noch normal meinen Frühdienst im Krankenhausgeleistet und war mittags nach Hause gefahren. Um 15 Uhrbekam ich plötzlich heftige Gliederschmerzen, fühlte michganz diffus äußerst unwohl, und eine Stunde später setzteSchüttelfrost ein. Innerhalb kürzester Zeit stieg meine Kör-pertemperatur auf knapp 40 Grad Celsius, dazu kamenÜbelkeit, Erbrechen und Durchfälle. Gegen 19 Uhr hatteich das Gefühl, jegliche Flüssigkeit aus meinem Körper ver-

loren zu haben und kaum mehr die Kraft zu besitzen,selbstständig den Weg vom Bad zum Bett bewältigen zukönnen. Gegen 20 Uhr wurde ich mit dem Rettungswagenin ein Kasseler Krankenhaus eingeliefert. Ich empfand eineextreme innere Unruhe, die wohl auf eine Herzfrequenzzwischen 120 und 130 zurückzuführen war. Mein Blutdruckhingegen war sehr niedrig.

Die erste Diagnose war ein gastrointestinaler Infekt. Ichwurde auf Normalstation gelegt. Gegen Mitternacht ver-legte man mich auf die Intensivüberwachungsstation, dasich meine Werte nicht verbessert hatten. Mein Erinne-rungs vermögen endete mit dem Morgen des 10. Dezem-bers. Die darauf folgenden Ereignisse musste ich mir späterberichten lassen. Meine Laborwerte hatten sich an diesemMorgen bereits sehr verschlechtert: hohe Entzündungs-,Leber- und Nierenwerte, dagegen ein auffallend niedrigerGerinnungswert. Ich klagte über Atemnot, und das erneuteRöntgenbild vom Thorax zeigte eine deutliche Verschat-tung. Der Verdacht einer atypischen Lungenentzündung lagnahe. Es kam zum Nierenversagen, und ich wurde auf dieIntensivstation gelegt.

Meine Kreislaufwerte wurden zunehmend schlimmer, sodass der Blutdruck nur noch mit der Maximaldosierung an

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Noradrenalin aufrechterhalten werden konnte. Am 11. De-zember wurde ich ins künstliche Koma versetzt, und amAbend stand die Verlegung in die Marburger Uniklinik fest.Dort wurden diverse Medikamente umgestellt, ein anderer Beatmungsmodus gewählt und vieles mehr. Zwei bis dreiTage war mein Zustand noch kritisch. Aber er verschlech-terte sich zumindest nicht mehr, und schließlich stabili-sierte er sich.

Früher hatte ich immer geglaubt, wenn jemand in ein künst-liches Koma versetzt wird, dann sei das für den Betroffe-nen wie Schlafen. Er bekomme nichts Reales mit, werdeschließlich wach und dann sei „alles gut“. Doch ich denkeinzwischen, den meisten ergeht es ganz anders. Vor allemerinnere ich mich an Albträume, in denen ich teilweise dasZimmer der Intensivstation sowie diverse Personen wahrnahm, allerdings nicht als die, die sie wirklich waren.

Ab dem 15. Dezember wurde ich langsam aus dem künst li-chen Koma geholt. Am 16. nahm ich langsam meine Angehörigen wahr und ich weiß noch, wie ich krampfhaftversuchte, ihnen klarzumachen, dass sie ja nicht meinensollten, man würde sich hier um mich kümmern, oder gardie Dinge wie der zentrale Venenkatheter wären echt. Ichwar immer noch überzeugt, dass man hier nur so tat, als ver-

sorge man mich. Schwierigan einem künstlichen Komascheint mir also vor allemdie Vermischung von Reali-tät und Traumwelt zu sein.Man hat den Eindruck, ewignicht wach zu werden undweiß dadurch nicht, waswirklich Realität ist.

Am 17. Dezember wurde ich zurück nach Kassel auf die Intensivstation verlegt und nach weiteren fünf Tagen aufdie Normalstation. Es war für mich kaum fassbar, was allespassiert war und wie es mir nun ging. Sämtliche Tätigkeitenschienen mir zu anstrengend, seien es physische oder kognitive. Selbst etwas Radio hören oder nur ein paar Zeilen lesen, war schnell zu viel. Zudem litt ich unter einemlang anhaltenden Reizhusten und Ekelgefühl, vor allem vorPlastikgeruch, vielen Getränken und vor allem vor dem, zudem ich permanent angehalten wurde, es zu trinken. Aufgrund von Muskeleinschränkungen waren bestimmteBewegungen lange Zeit schmerzfrei nicht möglich.

Nach insgesamt drei Wochen seit Krankheitsausbruchwurde ich nach Hause entlassen. Der behandelnde Chefarzt

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Angelika Rautenkranz

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bereitete mich glücklicherweise etwas auf die nun folgendeGesundungsphase vor, indem er immer wieder betonte, dasses nun Monate dauern würde, bis ich wieder das Gefühlhätte, zu meiner normalen Lebenskraft zurückgefunden zuhaben. Und so war es auch. Die morgendliche Grundpflege, Treppensteigen, 30 Minuten am Tisch sitzen und essen,fünfminütige Spaziergänge – danach war mein Körperschon wieder so geschafft wie vielleicht heute nach einersechsstündigen Wanderung. Es ist mir klar, dass man sichals Gesunder so etwas kaum vorstellen kann.

Nach acht Wochen hatte ich einen Platz zur Anschluss-heilbehandlung in einer urologischen Rehaklinik. Nicht gerade die geeignete Klinik, aber ich versuchte vor allem,langsam wieder Kondition zu erlangen und Muskeln aufzu-bauen. Im April, also nach vier Monaten, nahm ich miteiner Wiedereingliederungsphase meinen Berufsalltag wieder auf. Aber erst nach etwa neun Monaten hatte ich dasGefühl, wieder so leistungsfähig zu sein wie vor dem septischen Schock. Die psychische Verarbeitung benötigtdeutlich mehr Zeit. Die Krankheitsursache ist niemalswirklich geklärt worden, aber es liegt der Verdacht nahe,dass es sich um ein so genanntes Toxic-Shock-Syndrom(TSS) während und im Zusammenhang mit der Menstru a-tion handelte.

Lebensbedrohliche Sepsis der HautHelga Derks, Zülpich, 57 Jahre

Mit sechseinhalb Jahren war ich in den Ferien bei meinerOma in Köln, mein damaliger Wohnort war Ennigerloh(NRW). Plötzlich bekam ich Fieber bis zu 39,5 Grad sowieBläschen im Mund und am Körper. Man dachte, ich hätteNesselsucht. Innerhalb von zwei Stunden war mein ganzerKörper aufgeschwemmt. Als man mich sofort nach Hausebrachte, sah man nach zirka drei Stunden Fahrt schon dickeBlasen. Sofort wurde ich vom Hausarzt ins Ahlener Kinderkrankenhaus gebracht. Dort verdächtigte manmeine Eltern sogar: „Haben sie ihr Kind verbrüht?“ Schließ-lich hatte ich zu diesem Zeitpunkt dicke, große Blasen amganzen Körper.

Ab diesem Zeitpunkt erinnere ich mich nur noch an wenige Einzelheiten, denn ich wurde bewusstlos. Vielesweiß ich noch aus späteren Erzählungen meiner Eltern.Zirka acht Tage lang hatte ich das Septische Fieber undwar 14 Tage nicht ansprechbar. Damals gab es bei uns nochkeine Intensivstation. Die Ärzte fanden im Wundsekretreichlich Staphylokokken. Ihre umfangreiche Diagnose lautete: Sepsis, Staphylokokken, toxische epidermale Nekrolyse.

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Ich weiß noch, dass ich mich in einem kleinen Gitterbettbefand und schrecklichen Durst litt. Meine Mutter er-zählte später, dass eine Ordensschwester bei mir schliefund mich jeden Morgen mit Tüchern in ein Bad legte,damit sich die kranke Haut vom Körper löste. Ich sah damals aus wie verwest, der ganze Körper wie rohesFleisch. Die Ärzte sagten meinen Eltern, dass sie nichtmehr viel machen könnten und dass ich wohl die nächsteNacht nicht überleben würde. Dann bekam ich, wie es damals noch hieß, die letzte Ölung.

Die damalige Behandlung sah so aus: Man gab mir Kreis-laufunterstützung, das Antibiotikum Supracillin sowie dieVi ta mine C und K. Nach 15 Tagen erhielt ich weitereBäder und Salben für die Haut. Danach war ich soschwach, dass ich wieder laufen lernen musste. Nach etwasieben Wochen konnte ich nach Hause und musste späterzu einer Kin derkur. Doch hatte sich durch diese schwereKrankheit einiges für mich geändert. Ich war ja schon vorher in der Schule, und mein erstes Zeugnis konnte sich eigentlich sehen lassen. Aber nun – nach der Sepsis –hatte sich meine Konzen trations fähigkeit sehr ver-schlechtert. Im Laufe der Zeit bekam ich auch noch wei-tere ernsthafte Probleme: Durchblutungsstörungen, Bin-degewebs schwä che, Muskelschwäche, Polyneuropathie

und Gelenk beschwerden.Ich litt an Albträumen,Ängs ten und weinte viel alsKind. Nie wieder wollte ichin Kur.

Weil mich meine Problemeimmer noch nicht ganz losgelassen hatten, machteich als erwachsene Frau voreinigen Jahren eine psychosomatische Therapie. Mit meiner Konzentrationsschwäche und der Neuropathie inMuskeln, Bindegewebe und Gelenken habe ich immernoch Probleme. Nach wie vor sind Narben zu sehen, sobeispielsweise im Augenlid, an den Lippen und am Rücken.

Seit ich nun von der Sepsis-Gesellschaft gehört habe, istmir alles viel, viel klarer geworden. Zwar sind Medizin undIntensivmedizin heute viel besser geworden, aber dieseKrankheit ist immer noch bei vielen Menschen und Medizinern nicht so bekannt, so dass wahrscheinlichimmer noch viele Patienten das gleiche Schicksal erleidenund sich von den Folgen ihrer durchstandenen Sepsis niemehr so richtig befreien.

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Helga Derks

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Sepsis nach geplatztem BlinddarmWolfgang Walbrodt, Jena, 68 Jahre

Nach öfters auftretenden Bauchschmerzen wurde ich am29. Juli 2003 in die Klinik eingeliefert und in derselbenNacht am geplatzten Blinddarm operiert. Nach drei Tagenkam ein Rück fall auf Grund der Blutvergiftung. Ich wurdewieder operiert und lag danach sechs Wochen auf der Intensiv station, davon zwei Wochen im Koma. Dort erlittich unter anderem eine Sepsis.

Meine Umwelt habe ich dort sehr selten wahrgenommen,hatte aber schlimme Albträume. Ich träumte, ich sei U-Boot-Fahrer, bekäme keine Luft und erst im letzten Mo-ment doch Luftzufuhr. Ich kämpfte gegen Bakterien undfuhr mit einer uralten Eisenbahn ins schneebedeckte Sibi-rien. Immer spürte ich Angst, Enge, Bedrohung und Hilf-losigkeit und hatte das Gefühl, mich immer wieder wehrenzu müssen.

Ab dem 23. August 2003 wurde das künstliche Koma wieder zurückgefahren. Nach etwa einer Woche habe ichdie Klinikumwelt einigermaßen wahrgenommen. Damusste ich feststellen, dass ich kaum noch sprechen undmeine Gliedmaßen nicht bewegen konnte. Ich war total

ver ängstigt, weinerlich, hilf-los, müde, sehr traurig und willenlos.

Durch Einreden und fleißi-ges Training in der Intensiv-station, später auf Station 8und durch die engagierte Zuwendung meiner Ehefrauwurde mir das Gefühl ver- mittelt, dass es wieder aufwärts gehe. Nach etwa sechs Wochen konnte ich wieder verständlich sprechen, allei nelaufen und war nach drei Monaten Klinik aufenthalt sehrzuversichtlich. Nach einem Jahr hatte ich meinen heutigenZustand an Geist und Körper wieder erreicht.

Manchmal spüre ich noch heute Angst, schlafe schlecht,leide unter Nervosität und kribbelnden, kalten Füßen. AlsFolge von mehrfachen Operationen am Darm sind ständi-ger Durchfall und dicker Bauch (Narbenbruch) geblieben.

Ich bin aber froh und dankbar, eine so schwere Krankheitdoch relativ glimpflich überstanden zu haben.

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Wolfgang Walbrodt

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Sepsis nach Tumorerkrankung im MundHubert Grönert, Wertheim, 60 Jahre

Zwischen Ende Januar und Anfang Februar 2003 wurde beimir ein Tumor im Mund festgestellt. Ich wurde nach sehrumfangreichen, mehrwöchigen Voruntersuchungen MitteMärz in der Universitätsklinik Würzburg durch Prof. Reut-her an diesem Mundtumor operiert. Die Operation dauerte7,5 Stunden. Der Tumor wurde vollständig entfernt. DieOperation selbst war offenbar bestens verlaufen.

Noch in Narkose wurde ich in das neue Zentrum für Ope-rative Medizin der Uniklinik Würzburg (ZOM) gebracht.Das ZOM war zu dieser Zeit gerade mal drei Wochen inBetrieb. Es war zum größten Teil von mir selbst möbliertworden. In diesem neuen Zentrum sollte ich einige Tage aufder Intensivstation verbringen, bis die starken Wunden imMund abgeschwollen wären. So war es jedenfalls vorgese-hen. Aber es kam ganz anders: Ich entwickelte eine starkeentzündliche Reaktion mit hohem Fieber, schweren Kreis-laufproblemen, Atemnot und Bewusstlosigkeit.

Nach einigen Tagen hat man versucht, mich wieder aufzu-wecken, aber das hat anscheinend nicht so gut funktioniert.Während dieser Phase erhielt ich Atemunterstützung. In

der Zwischenzeit war sehrhohes Fieber aufgetreten.Daraufhin haben mich dieÄrzte für etwa sechs Wo-chen in ein künstlichesKoma gelegt. Es wurde einLuftröhrenschnitt durchge-führt und ein Tubus gelegt.

Am 25. April hat man michwieder aufgeweckt. Bei weiterer künstlicher Beatmungwurde ich stundenweise aufgerichtet und während dieserZeit vom Atmungsgerät genommen, damit die natürlicheAtmung wieder in Gang kommen konnte. Zu der Zeitkonnte ich weder laufen noch stehen, das musste ich erstwieder lernen. Nach fünf Tagen wurde ich wieder auf dieStation von Prof. Reuther zurückverlegt. Ich war auf demWege der Besserung, musste aber dort zwei weitere Wo-chen bleiben. Schließlich kam ich von dort aus direkt zurAnschlussheilbehandlung nach Bad Rappenau ins Stimm-heilzentrum. Dort erhielt ich auch eine psychologischeNachbehandlung. In dieser Zeit war ich sehr depressiv.

Ich danke ganz, ganz herzlich allen Ärzten und Pflegern,die mir geholfen haben, meine Krankheit zu überstehen

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Hubert Grönert

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und wieder zur völligen Gesundheit zurückzukehren. Ichhabe jetzt 70 Kilogramm – von früher 140 Kilogramm – anGewicht verloren, was selbstverständlich bedeutende Vor-teile hat: Ich habe meine schwere Diabetes-Erkrankungtotal überwunden und bin ein vollständig anderer Menschgeworden. Meine Ernährung habe ich komplett umgestelltund bin sogar Veganer geworden. Ich rauche nicht mehrund trinke überhaupt keinen Alkohol mehr. Ich bin also invieler Hinsicht ein neuer Mensch geworden und überzeugt,dass mir der liebe Gott ein neues, zweites Leben geschenkthat.

Pneumokokken-Sepsis aufgrund entfernter Milz (sog.Splenektomie) nach Autounfall im Jugendalter mit Multi-organversagen, später Critical-Illness PolyneuropathieVolker Hägele, Leinzell, 35 Jahre

Meine Krankheit begann am 20. Mai 2004. Nachdem es mirden ganzen Tag über sehr gut ging, ich am morgen noch Ten-nis spielte und nachmittags eine kleine Wanderung machte,bekam ich abends plötzlich Fieber und Schüttelfrost. Es warder erste heiße Tag des Jahres; und so vermuteten wir einenleichten Sonnenstich. In der Nacht stieg das Fieber sehr starkan, auf mehr als 40 Grad, und ich litt unter starken Fieber fan-tasien. Am nächsten Morgen fiel das Fieber etwas, aber meinAllgemeinzustand wurde immer schlechter. An den Armenund im Gesicht hatte ich dunkle, bläuliche Flecken, die sichspäter als Hauteinblutungen herausstellten.

Mit dem Notarzt wurde ich ins nächste Kreiskrankenhausnach Mutlangen gebracht – direkt auf die Intensiv station.Vor wenigen Monaten war dort eine Patientin ebenfallsohne Milz an einer Pneumokokken-Sepsis verstorben. DieÄrzte vermuteten bei mir dieselbe Erkrankung und verleg-ten mich schnellstmöglich an eine Universitätsklinik. Fürden Transport mit dem Krankenwagen war mein Zustandschon viel zu schlecht, so dass ein Hubschraubettransport

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organisiert werden musste. Um mich transportfähig zu machen, beschloss der Notarzt, der den Hubschrauber begleitete, mich maschinell zu beatmen und ins künstlicheKoma zu versetzen.

Als ich in Ulm ankam, hatten nach Leber und Lunge auchdie Nieren versagt, und es musste mit der Dialyse begonnenwerden. Mein Zustand war nach wie vor lebensbedrohlich.Erstes Ziel der Ärzte war es, mich über die nächsten 72Stunden zu retten. Am nächsten Tag kam das bestätigendeLaborergebnis: Pneumokokken hatten mein Blut vergiftet.Wie mir später erklärt wurde, war der Grund, dass mir nacheinem Autounfall im siebten Lebensjahr die Milz entferntwurde. Die Milz gehört zum Abwehrsystem. Ohne sie kön-nen verschiedene Bakterien wie beispielsweise Pneumo-kokken schwerste Erkrankungen hervorrufen.

Während des fünfwöchigen Komas verlor ich zirka 15 kg anGewicht, und eine Komplikation jagte die nächste. Zum Mul-tiorganversagen kam hinzu, dass mein Hirndruck anstieg undich zur OP nach Günzburg gebracht wurde – alles ohne Be-wusstsein. Meine Frau jedoch war mit unserem zwei Wochenalten Sohn jeden Tag bei mir und musste alles miterleben. Dasie selbst Krankenschwester ist, konnte sie alles sehr gut ein-schätzen und wusste daher nie, ob ich überleben würde und

wenn, mit welchen Folgen.Außergewöhnlich war dassmeine Hände und Finger auf-grund mangelnder Durch blu-tung stark litten, andere Ex-tremitäten wie die Füßehingegen nicht. Es bildetensich starke Blasen und dieEndglieder der Zeige- undMittelfinger der rechtenHand starben ab, so dass siespäter amputiert werden mussten. Nach fast fünf Wochenhatten sich meine Organfunk tio nen wieder stabilisiert, undich sollte langsam wieder auf wachen.

Der erste Tag, an den ich mich bewusst wieder erinnernkann, war der 22. Juni 2004, ein Tag nach unserem erstenHochzeitstag. An die Zeit im Koma habe ich nahezu keineErinnerungen. Manche Träume, vermutlich aus der Auf-wachphase, sind mir aber noch heute bewusst. Als ich auf-wachte, sah ich als aller erstes in das wunderschön strahlendeGesicht meiner Frau, die mir versuchte zu erklären, was geschehen war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Wör-ter Pneumokokken und Sepsis nie gehört. Meinen inzwischen sieben Wochen alten Sohn Felix hätte ich nicht

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Volker Hägele (mit Sohn Felix)

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mehr erkannt. Ich war völlig bewegungslos und hatte starkeSchmerzen am ganzen Körper, da durch die schwere Sepsisder ganze Organismus stark gelitten hatte und meine Mus-kulatur völlig abgebaut war. Anfangs konnte ich nur untergrößter Anstrengung und nur ganz leise sprechen. Nach einpaar Tagen wurde ich das erste Mal an der Bettkante aufge-setzt. Nie hätte ich mir vorgestellt, dass Sitzen so furchtbarsein kann! Eine weitere Erinnerung an die erste Zeit in derIntensivstation war, dass ich zeitweise meine Frau und dasPflegepersonal schlecht behandelte. Ich war sehr launisch,un geduldig, fordernd und ungerecht. Dafür möchte ichmich an dieser Stelle nochmals entschuldigen. Aber man ist

in solch einem Zustand ein ganz anderer Mensch. Sicherkam das von den Schmerzen, der starken psychischen undkörper lichen Belas tung. Der Körper stand schließlich fünfWochen unter Vollstress, und ich hatte einen Puls von 130und mehr. Wahrscheinlich hing es auch mit den Medika-menten wie z. B. Morphium zusammen.

Ein sehr schönes Erlebnis war es, als ich meine erste festeNahrung bekam, zunächst ein Joghurt und später einenApfel. Ich glaube mir haben noch nie in meinem Leben einJoghurt und ein Apfel so gut geschmeckt wie diese. DasTraining mit dem Logopäden gefiel mir ziemlich gut – ichmusste zunächst ja wieder richtig sprechen lernen. Schonwährend der letzten Tage in Ulm machte es mir große Pro-bleme, dass ich am ganzen Körper sehr stark zitterte undweder eine Zeitung lesen noch selbst essen konnte. Am 13.Juli kam ich zur neurologischen Früh-Reha ins Therapie-zentrum Burgau. Dort wurde vermutet, dass das starke Zit-tern auf eine Schädigung der Nerven zurückzuführen ist.Man nannte dies „Critical-Illness Polyneuropathie“.

In Burgau musste ich sämtliche alltäglichen Abläufe wieessen, trinken, waschen, Zähne putzen, anziehen und na-türlich gehen erlernen. Obwohl ich erhebliche Fortschrittemachte, konnte ich immer noch keine Sprudelflasche öff-

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nen. Ich brauchte beide Hände, um meine elektrischeZahnbürste anzuschalten – und das nach zirka acht Wo-chen! Ein sehr sympathischer Pfleger in Ulm hatte mir beiunserem Abschied gesagt, ich solle mich in Burgau beson-ders anstrengen und wenn möglich immer etwas mehr tunals gefordert wird. Er wusste dass ich kämpfen konnte,schließlich hatte er ja alles miterlebt. Aber anfangs war es inder Reha gar nicht einfach, diesen Ratschlag umzusetzen,da alles so schwer fiel und ich immer wieder durch Schmer-zen und Muskelkater am ganzen Körper auf den Boden derTatsachen zurückgeholt wurde. Der Wille wieder gesund zuwerden hat sehr geholfen. Doch als ich dann am 23. Augustzur Anschlussheilbehandlung nach Bad Urach durfte, kammir mein großer Ehrgeiz zu gute. Nahezu an jedem Wo-chentag war ich im Fitnessraum, und am Wochenende er-holte ich mich dann wieder bei einem von meiner liebenSchwiegermutter gekochten Menü: Schnitzel, Sauerbraten,Rostbraten, jeweils natürlich mit Spätzle.

Während meiner Zeit auf der Intensivstation in Ulm bekamich Medikamente, die mir vermutlich gemeinsam mit mei-ner damaligen körperlichen Fitness, dem Lebenswillen undder inneren Kampfeskraft das Leben retteten. Selbstver-ständlich wäre alles nicht so gut ausgegangen, wenn ich nichtan derart kompetentes medizinisches Personal geraten wäre.

Was mich allerdings immer wieder nachdenklich stimmtewar, dass mit drei Impfungen – nämlich gegen Pneumokok-ken, Meningokokken und Hämophilus-Influenza – vermut-lich alles hätte verhindert werden können. Leider ist dieseInformation noch nicht bei allen Ärzten bekannt. Es wärewünschenswert, deren Aufklärung zu verbessern.

Mein ganz besonderer Dank und Respekt gilt zuletzt mei-ner Frau Annette und meinem kleinen Felix, die Unglaub li-ches erleben mussten und Unvorstellbares geleistet haben.Ich danke aber auch allen anderen von ganzem Herzen,denen nichts zuviel war und für die es zu dieser Zeit nichtsWichtigeres gab als uns zu unterstützen.

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Impressum

Herausgeber:Deutsche Sepsis-Hilfe e.V.c/o Universitätsklinikum Jena

Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie

Erlanger Allee 101, 07747 Jena

Telefon: +49(0)700-SEPSIS-00

700-737747-00

www.sepsis-hilfe.org

Spendenkonto:

Sparkasse KölnBonn

BLZ: 370 501 98

KN: 1 901485 837

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Abdomen Bauch mit BauchorganenAmbulante Infektion Außerhalb des Krankenhauses

erworbene InfektionAntibiotika Medikament zur Behandlung von

InfektionskrankheitenBlasenkatheter Kleiner Schlauch zum Einfüh-

ren in die BlaseDialyse Künstliche NiereEmpirische Anti- Erfahrungsgestützte Antibiotika-biotikatherapie behandlungGastroenteritis Magen-Darm-EntzündungGelbsucht Gelbliche Verfärbung der Haut

bei LeberversagenHyperglykämie Extrem hoher BlutzuckerspiegelHyperventilation Extrem schnelle AtmungHypoglykämie Sehr niedriger Blutzuckerspiegel

Hypothermie Niedrige KörpertemperaturIntravenöser Katheter Kleiner Schlauch zur Flüssig-

keitszufuhr in die VeneITS IntensivtherapiestationIV IntravenösKardiovaskulär Herz und Gefäße betreffendKoagulation BlutgerinnungKortison Medikament, das eine überstei-

gerte Immunabwehr dämpftKünstl. Ernährung Ernährung mittels Schlauch

durch die Nase in den MagenMikroorganismus Infektiöser KeimMultiorganversagen Erkrankung mehrerer lebens-

wichtiger Organe, wie Herz,Lunge, Niere, Leber

nekrotisierend absterbend

Nosokomiale In- Im Krankenhaus erworbene In-fektion fektionPeritonitis Infektion der Bauchhöhlepulmonal von der Lunge ausgehendPurulent Eitrigrespiratorisch von der Atmung ausgehendSepsis Reaktion des Körpers auf InfektionSeptikämie BlutvergiftungSonographie UltraschalluntersuchungSputum AuswurfTachykardie Beschleunigter HerzschlagThorax Brustkorb mit BrustkorborganenTracheotomie Legen eines Schlauches durch die

Haut direkt in die LuftröhreVasopressorische Medikament zur Erhöhung des Substanz Blutdrucks

Mit Unterstützung der Deutschen Sepsis-Gesellschaft e.V. (DSG)

3. veränderte Auflage © 2009, Deutsche Sepsis-Hilfe e.V.

Satz/Layout: medandmore communication GmbH

embe-consult gmbh

Auflage: 20.000 Stück

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher

Genehmigung des Herausgebers.

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