Upload
others
View
0
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Vorwort
Serviceangebote von Netzwerken
Gemeinsam erfolgreich handeln.
Broschürenreihe
Gute Praxis für Netzwerke
2
Vorwort: Netzwerke als Agenturen regionaler Serviceangebote zur Fachkräftesicherung – gemeinsam erfolgreich handeln. 4
1. Der Vorteil vernetzter Zusammenarbeit – Serviceangebote von Netzwerken 6
2. Serviceangebote für Fachkräfte – ein Mehrwert für die ganze Region 12
2.1 Jetzt ist es klar – Informations- und Beratungsangebote für Fachkräfte 14
2.2 Herzlich Willkommen – Unterstützungsangebote für Neubürgerinnen und -bürger 20
2.3 Da helfen wir Ihnen gerne – Betreuungs- und Pflegeangebote für Familien 23
2.4 Für Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit – Qualifizierungs- und Beratungsangebote für KMU 27
3. Fazit: Chancen und Möglichkeiten – Netzwerke als Agenturen regionaler Serviceangebote zur Fachkräftesicherung 34
4. Anhang: Weitere Informationen 36
4.1 Das Innovationsbüro Fachkräfte für die Region 38
4.2 Netzwerke: Informationen und Kontaktdaten 39
Impressum 41
Serviceangebote von Netzwerken – gemeinsam erfolgreich handeln.
Inhalt
3Inhalt
4
Regionale Fachkräftesicherung kann durch
passgenaue Serviceangebote der regiona-
len Netzwerke vorangebracht werden und
sowohl Beschäftigte, als auch Unterneh-
men unterstützen. Gerade Netzwerke von
regionalen Akteuren können mit ihren
Kompetenzen und Mitteln dazu beitragen,
diese Serviceangebote zu entwickeln und
zu etablieren.
Dabei kann es sich zum einen um Einrich-
tungen institutioneller Art handeln, wie
z. B. regionale Beratungsstellen, die Fami-
lien bei der Pflege von Angehörigen helfen
oder Jugendliche über regionale Studien-
angebote informieren. Es können aber
auch betriebsübergreifende Kinderbetreu-
ungseinrichtungen sein, die in Notfällen
einspringen und so die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie verbessern. Auch Aus-
bildungs- und Qualifizierungsverbünde
stellen eine Win-win-Situation für Be-
schäftigte und Unternehmen dar.
Aber institutionelle Einrichtungen bieten
nicht nur Unterstützung an, sondern auch
besonderen Service. Dieser lässt z. B. Neu-
bürgerinnen und -bürger schneller in einer
Region „ankommen“, weil er nicht nur sie
selber bei Behördengängen oder bei der
Arbeitsplatzsuche, sondern auch den Part-
ner oder die Partnerin unterstützt. Auch
Dienste, die über die Regionen und die an-
sässigen Unternehmen informieren, helfen
weiter und sind Angebote regionaler Netz-
werke zur Fachkräftesicherung.
Fachkräfte gewinnen und binden heißt auch, sie in besonderen Lebens-lagen zu unterstützen. Das kann die Kinderbetreuung in Notfällen oder die Beratung zur Existenzgründung für Rückkehrerinnen und Rück-kehrer sein, aber auch Qualifizierungsangebote für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aller Qualifikationsniveaus in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Netzwerke als Agenturen regionaler Serviceangebote zur Fachkräftesicherung
Gemeinsam erfolgreich handeln.
4
Kapitel 1 beschreibt, warum spezifisch
für eine Region entwickelte Serviceange-
bote sinnvoll sind.
In Kapitel 2 wird praxisnah anhand
zahlreicher Beispiele und Experteninter-
views dargestellt, welche Serviceangebote
Netzwerke für welche Ziele entwickeln
können, wie die Angebote umgesetzt und
welche Ergebnisse erzielt wurden.
Im 3. Kapitel wird Fazit gezogen.
Eine Liste mit Links und Kontakt-
personen zu den vorgestellten Praxis-
beispielen aus den Netzwerken finden
Sie in Kapitel 4.
Die vorliegende Broschüre ist die zweite
einer Broschürenreihe des Innovationsbü-
ros Fachkräfte für die Region im Auftrag
des BMAS, die sich mit der praktischen Ar-
beit von regionalen Netzwerken zur Fach-
kräftesicherung beschäftigt.1
Für Anregungen und Fragen stehen wir
Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.
Herzliche Grüße und viel Vergnügen
beim Lesen und Netzwerken
Ihr Team vom Innovationsbüro
Vorwort 5
1 Siehe auch 1. Broschüre „Netzwerke und Unternehmen – gemeinsam erfolgreich handeln“ des Innovationsbüros Fachkräfte für die Region. Zur Entwicklung und Umsetzung von Zielen und Maßnahmen in Netzwerken siehe 3. Leitfaden „Das gemeinsame Projekt: Definition von Zielen und Maßnahmen“. Sie sind erhältlich unter www.fachkraeftebuero.de/publikationen.
1. Der Vorteil vernetzter Zusammenarbeit
Serviceangebote von Netzwerken
Kleine und mittlere Unternehmen stehen bei der Fachkräftesi-
cherung vor etlichen Herausforderungen, die größere Unterneh-
men leichter meistern können. Aufgrund ihrer geringeren perso-
nellen und finanziellen Kapazitäten ist es für sie schwerer, eigene
Infrastrukturen aufzubauen bzw. Serviceangebote zur Fachkräf-
tesicherung einzukaufen. Hinzu kommt, dass sie zumeist weniger
bekannt sind als die großen Unternehmen in ihrer Region und
sich mehr engagieren müssen, um wahrgenommen zu werden.
Netzwerke von regionalen Akteuren können diese Lücke füllen, in-
dem sie – idealerweise auch gemeinsam mit den Unternehmen –
passende Serviceangebote entwickeln und anbieten. Die vernetz-
te Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Akteuren
bietet den KMU Möglichkeiten, die ihnen sonst nicht, oder nicht
in ausreichendem Maße, zur Verfügung stehen:
Sie können ihre Interessen und Bedarfe in den Entwick-
lungs- und Umsetzungsprozess einbringen,
sie können die eingebrachten Ressourcen mitsteuern und
die Weiterentwicklung der Projekte begleiten,
sie erzielen sonst nicht erreichbare Vorteile, da sie mit
dem Netzwerk eine andere „Macht“ haben und
sie können Infrastrukturen nutzen und Serviceangebote
abrufen, die ihnen sonst nicht zur Verfügung stünden.
Netzwerke zeigen mit ihren Serviceangeboten, dass sie im Sinne
ihrer Regionen aktiv einen Beitrag zur Fachkräftesicherung der
ansässigen Unternehmen leisten und denen, die vor Ort arbei-
ten, bessere Möglichkeiten zur Beschäftigung anbieten können.
Zum anderen sichern sie mit dem Angebot ihre eigene Existenz
und Nachhaltigkeit und können weitere Partner gewinnen.
8
Serviceangebote von Netzwerken sind viel-
fältig. Sie reichen von Informationen zu
Unternehmen, über Ausbildungs- und Ar-
beitsplätze sowie Betreuungsangebote
für Angehörige und Notdienste, z. B. in der
Kinderbetreuung, bis hin zu Bildungsange-
boten für Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer sowie Arbeitssuchende. Sie unter-
stützen Unternehmen, z. B. bei der Suche
nach passenden Auszubildenden bzw.
Fachkräften, helfen an Veränderung inter-
essiertem Fachpersonal bei der Beschäfti-
gungssuche oder erhöhen die Beschäfti-
gungsfähigkeit von weniger Qualifizierten.
Mit den Einrichtungen steht interessierten
Erwerbspersonen oder Unternehmen
zumeist eine Kontaktstelle zur Verfügung,
über die sie die benötigte Infrastruktur
nutzen oder die erforderlichen Servicean-
gebote beziehen können. Das Besondere
dabei ist, dass diese Serviceangebote nur
möglich sind, weil sich viele einzelne Ak-
teure mit ihren jeweiligen Ressourcen zu-
sammengeschlossen und gemeinsam
etwas Neues geschaffen haben.
9Kapitel 1
Jürgen EnglerGeschäftsführer Trevisto Nürnberg
Im Interview:
Gibt es bestimmte Aspekte der Fach-kräftesicherung in Ihrem Unterneh-men, die Sie alleine nicht lösen können,obwohl sie für Ihren Betrieb wichtig wären?
Gibt es Serviceangebote von Fachkräf-tenetzwerken, die Sie dafür buchen würden? Haben Sie ein solches schon genutzt?
Welche Nutzen haben Sie durch das Netzwerk und wo sehen Sie noch Ver-besserungsmöglichkeiten?
Wir haben in unserem mittelständischen Unternehmen seit Jahren feststellen müssen,
dass es sehr schwer ist, geeignete IT-Fachkräfte für Nürnberg zu finden. Es scheitert letzt-
lich schon daran, dass es keine Bewerberinnen und Bewerber gibt, die wir in einem persön-
lichen Gespräch überzeugen könnten. Wir wollten in den vergangenen Jahren bis zu sechs
Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter pro Jahr einstellen. Gewonnen haben wir aber jedes Mal
nur ein bis drei Personen. Als Gründe dafür haben wir folgende Aspekte analysiert:
1. Die geeigneten Bewerberinnen und Bewerber sind am Markt sehr rar,
2. die Bewerberinnen und Bewerber haben für einen Mittelständler zu hohe Gehaltsanfor-
derungen und
3. Nürnberg erscheint den Bewerbern als Dienstort nicht attraktiv genug.
Um überzeugen zu können, muss der Standort Nürnberg so interessant werden, dass das
Gehalt allein nicht mehr das wichtigste Kriterium für die Entscheidung ist. Das kann eine
Firma alleine nicht erreichen.
Wir brauchen mehr Angebote, die dafür sorgen, dass Nürnberg so attraktiv wird, damit
auch Bewerber z. B. aus München „anbeißen“. Wir würden uns umgehend persönlich en-
gagieren, um hierfür den richtigen Weg zu finden. Für uns nützliche Services von Fach-
kräftenetzwerken wären etwa unterstützende Maßnahmen beim Suchen und Finden von
geeignetem Personal oder die Teilnahme an entsprechenden Jobmessen oder auch der
Aufbau von Kontaktbörsen für Bewerberinnen und Bewerber.
Wir engagieren uns im Förderverein der Metropolregion Nürnberg, beteiligen uns an Ver-
anstaltungen der Allianz pro Fachkräfte und nutzen die Angebote weiterer lokaler Initi-
ativen, wie etwa Hi-Potential, mit der die Stadt Nürnberg um High-Potentials wirbt. Wir
nutzen bei der Akquise von Bewerberinnen und Bewerbern die Website der Initiative.
Standortmarketing lässt sich nur im Netzwerk betreiben. Diesbezüglich profitieren wir
von der Arbeit Allianz pro Fachkräfte der Metropolregion Nürnberg. Aber obwohl wir
engagiert sind, haben wir zu den Fachkräftenetzwerken in der Region letztlich nur wenig
unmittelbaren Zugang. Die IHK Nürnberg baut aber aktuell einen Arbeitskreis Fachkräfte-
sicherung auf, der den Austausch intensivieren und die Beteiligung fördern soll. Da sind
wir natürlich mit dabei.
10
Markus LötzschHauptgeschäftsführer der IHK für Nürnberg und Mittelfranken
Warum haben Sie gemeinsame Serviceangebote für Fachkräfte und Unternehmen entwickelt?
Worin liegen die Vorteile, die Netzwer-ke bieten können, bei denen sich insti-tutionelle Akteure zusammenschließen – was können Netzwerke, das Unter-nehmen alleine nicht leisten?
Wie profitieren die einzelnen Netz-werkpartner davon?
Weil wir zusammen einfach mehr erreichen können. Den beiden Gründungsvätern der
Allianz pro Fachkräfte, der Bundesagentur für Arbeit und der IHK Nürnberg für Mittel-
franken, war es klar, dass jeder von uns Fachkräftesicherung betreibt. Wir als IHK ma-
chen das vor allem durch die Sicherung der dualen Ausbildung und die Bundesagentur
durch die Arbeitsvermittlung. Zugleich haben wir aber viele Schnittstellen, an denen wir
durch Kooperation und ein abgestimmtes Vorgehen viel mehr erreichen können, als durch
Alleingänge. Deshalb haben wir eine Kooperationsvereinbarung geschlossen und weitere
Partner eingeladen, mitzumachen. Auf Grundlage der Prinzipien Freiwilligkeit, Eigenver-
antwortung, Kooperationsbereitschaft und Offenheit arbeiten wir seit 2011 gemeinsam
daran, die Metropolregion Nürnberg voranzubringen.
Eine Firma kann manche Dinge nicht alleine angehen. Alles, was sich unter dem Begriff
„Regionalentwicklung“ zusammenfassen lässt, geht einfach nur im Netzwerk vorwärts.
Das gilt auch für uns. Auch eine IHK kann nicht in jedem Bereich Kompetenzen aufbau-
en, und deshalb arbeiten wir viel in Netzwerken wie der Allianz pro Fachkräfte.
Ich will das am Beispiel unserer Welcome-Service-Center deutlich machen: Willkom-
menskultur berührt viele Bereiche des Lebens, und deswegen sind viele verschiedene Ak-
teure zuständig. Daher benötigen wir unter anderem natürlich die Kommunen, die Bun-
desagentur für Arbeit oder etwa Migrantenvereine wie den TIAD e. V. Jeder der Akteure
bringt seine Kompetenzen mit ein, und diese zusammen bilden das Serviceangebot des
Welcome-Centers. Alleine ginge das kaum.
Zusammen können wir solche Querschnittsaufgaben mit vielen thematischen Schnitt-
stellen viel besser managen und so gute Angebote für Firmen und Fachkräfte machen.
Gemeinsam gute Projekte machen und so unseren Standort, die Metropolregion
Nürnberg, stärken. Darin liegt für jeden der Netzwerkakteure der Nutzen. Wir sind
da aus Überzeugung aktiv.
Im Interview:
11Kapitel 1
Markus LötzschHauptgeschäftsführer der IHK für Nürnberg und Mittelfranken
2. Serviceangebote für Fachkräfte
Ein Mehrwert für die ganze Region
14
Sie wollen mit Ihrem Netzwerk dafür sorgen, dass Ihre Region
für Fachkräfte und Unternehmen attraktiv ist und bleibt. Dazu
suchen Sie Möglichkeiten, um vorhandene Fachkräftepotenziale
vor Ort zu aktivieren und zu halten. Parallel bemühen Sie sich
auch um die Gewinnung von Neubürgerinnen und -bürgern.
Denn nur so können Sie Fachkräfte für die Unternehmen sichern
und zur Bekanntheit Ihrer Region beitragen.
Wir stellen Ihnen konkrete Beispiele vor, die Erfolge erzielt haben.
Eine Möglichkeit dafür sind Informationsangebote für Fachkräfte
zu Regionen und Unternehmen sowie Unterstützungsangebote für
Rückkehrerinnen und Rückkehrer oder Neubürgerinnen und -bür-
ger. Netzwerke sind bestens dafür geeignet, solche Informationen
anzubieten und Interessierte zu beraten.
Der erste Schritt, um Fachkräfte zu halten
oder zu gewinnen, ist, neben guten Infor-
mationen zur Region und zu den vorhan-
denen Arbeitgebern, inklusive Stellenange-
boten, auch solche zu den weichen Stand-
ortfaktoren zu geben. Dies können Infor-
mationen zu Kultur, Sport, Infrastruktur
und Immobilien sowie zu sozialen Ange-
boten, z. B. Kitas, Pflege-, Freizeit- oder
Gesundheitsangebote und Netzwerke für
Zugezogene sein. Die meisten Netzwerke
bieten diese sowohl über das Internet an,
als auch mittels qualifizierter Expertinnen
und Experten in den Beratungsstellen.
2.1 Jetzt ist es klar – Informations- und Beratungsangebote für Fachkräfte
Leben in der Uckermark – Willkommens-Agentur Uckermark
Die Willkommens-Agentur bietet über
den Internetauftritt www.leben-in-um.de
Informationen über aktuelle Entwicklun-
gen und Möglichkeiten in der Uckermark.
Interessierte können bei einer individuel-
len Beratung persönliche Wünsche, Bedar-
fe und Perspektiven darstellen und erhal-
ten passende Angebote. Daneben beglei-
tet die Willkommens-Agentur Uckermark
Rückkehrende sowie Zuziehende auf ih-
rem Weg in die Uckermark. Von den ers-
ten Umzugsgedanken bis zum konkreten
Start in der alten oder neuen Heimat un-
terstützt die Agentur mit fundierten Erfah-
rungswerten, regionalem Wissen und
einem umfangreichen Angebot zu lokalen
Akteuren und Einrichtungen. Die Will-
kommens-Agentur Uckermark ist der
Kontakt vor Ort für all jene Angelegenhei-
ten, die sich aus der Ferne allein schwer
regeln lassen.
Rückkehr- und Zuzugsinteressierte wer-
den mit Unternehmen, Einrichtungen und
Akteuren vor Ort in Kontakt gebracht und
erhalten Informationen über regionale An-
gebote. Wenn sie z. B. an einer Existenz-
gründung in der Uckermark interessiert
sind, werden sie zu den Möglichkeiten ei-
ner Zusammenarbeit mit regionalen Ak-
teuren informiert. Damit finden sie unkom-
pliziert direkte Kontakte zu Fachkräften,
Kunden oder Gleichgesinnten mit gemein-
samen Interessen.
Die Willkommens-Agentur richtet sich
aber auch an Unternehmen. Diese erhalten
die Möglichkeit, Ausschreibungen auf
dem Online-Portal zu veröffentlichen,
z. B. Stellen- oder Immobilienangebote.
Betriebe können sich außerdem über den
Newsletter, das Online-Portal oder den
Facebook-Auftritt der Agentur präsentie-
ren sowie Informationen und Angebote,
z. B. zu Fördermöglichkeiten und Weiter-
bildungen bekannt geben. Damit können
sie Marketing in der gewünschten Ziel-
gruppe betreiben, sich mit engagierten
Menschen aus regionalen Initiativen ver-
netzen und am Wissenstransfer innerhalb
des Netzwerkes teilnehmen. Aufgrund der
engen Zusammenarbeit mit der Agentur
für Arbeit erhalten suchende Unterneh-
men auch Lebensläufe von Interessenten.
15Kapitel 2
Ariane BöttcherVorstandsmitglied Zuhause in Brandenburg e. V.
Wie ist die Willkommens-Agentur entstanden?
Wieso haben Sie gerade Rückkehrerin-nen und Rückkehrer in den Fokus Ihrer Aktivitäten genommen?
Wie gehen Sie konkret vor?
Unser Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Menschen, die in der Uckermark leben oder
aus der Uckermark abgewandert sind. Allen gemein ist, dass sie Wanderungserfahrungen
haben. Die Motivation für die Initiative war, Perspektiven in der Region aufzuzeigen. Dafür
entstanden die Vorgängerprojekte „Wandern und Rückkehr in der Uckermark“ und das
Online-Projekt „Leben in der Uckermark“. Sie sollten Wissen und Erfahrungen sammeln,
welche Aspekte für Rückkehrinteressenten relevant sind und tatsächlich zur Rückwande-
rung bewegen, wie Rückkehrerinnen und Rückkehrer empfangen werden, welche Stolper-
steine es gibt und welche Angebote für Rückkehrwillige interessant sind. Aus den gewon-
nenen Erkenntnissen ist die Willkommens-Agentur entstanden.
Rückkehrerinnen und Rückkehrer haben einen Vorteil – man kennt sie schon und weiß,
wie sie „ticken“. Allerdings erreicht unser Angebot auch Personen, die nicht aus der
Uckermark stammen. Bei den Anfragen und in der Beratung kommt rund die Hälfte der
Hilfesuchenden nicht aus der Region. Der Erfolg beim Zuzug ist aber bei den Rückkeh-
rerinnen und Rückkehrern deutlich höher. Entscheidend ist bei allen Interessenten der
individuelle Kontakt, der permanent möglich ist, z. B. telefonisch oder per E-Mail.
Im ersten Schritt wird bei jedem Einzelnen geschaut, wie die Ausgangsvoraussetzungen
sind, welcher Bedarf besteht, ob eine Familie dabei ist, ob der Partner oder die Partnerin
ebenfalls eine Stelle sucht und was außerdem noch nötig ist. Danach geben wir Informa-
tionen zur Region, treten in Kontakt mit potenziellen Arbeitgebern, helfen beim Umzug
oder bei Behördengängen und vieles mehr. Es ist bei jedem unserer inzwischen über 200
Interessentinnen und Interessenten ein sehr individueller Beratungsprozess. Wichtig ist
die persönliche Ansprache der Leute.
Außerdem haben wir mit der Zeit gelernt, dass der Prozess häufig länger dauert, weil viele
Existenzgründungen dabei sind. Das liegt u. a. am Arbeitsmarkt in der Region, der noch
schwierig ist. Das Interesse für eine Rückwanderung ist aber so groß, dass viele im Verlauf
der Beratung auf die Idee kommen, sich selbständig zu machen. Und bei Existenzgrün-
dungen ist der Beratungsaufwand sehr groß und der Findungsprozess der Interessentin-
nen und Interessenten nicht leicht, sodass es bis zu zwei Jahre dauern kann, bis der Schritt
vollzogen ist.
Damit die Leute bleiben, legen wir viel Wert auf Nachbereitung und Integrationsarbeit
und stehen bei Problemen als Anlaufstelle bereit. Dazu gehören „Rückkehrerstammtische“
Im Interview:
16
Sie haben das Angebot von Zuhause in Brandenburg genutzt. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?
Wie erreichen Sie potenzielle Kandida-tinnen und Kandidaten und wie die Unternehmen?
Wie sah die Unterstützung konkret aus?
Ich habe Templin bereits nach der sechsten Klasse verlassen, da ich als Leichtathlet am
Sportgymnasium Neubrandenburg besser gefördert werden konnte. Danach war ich rund
zehn Jahre in NRW in der Fitnessbranche, sowohl angestellt als auch selbständig, tätig.
Mein Ziel war es aber schon immer, ein eigenes Studio zu leiten. Irgendwann war sowohl
bei meiner Partnerin als auch bei mir die Situation so, dass wir etwas Neues wagen woll-
ten. Die geringe Angebotsdichte an Fitnessstudios in der Region sowie die Nähe zur Fami-
lie sprachen für Templin. Dazu kam, dass mein Konzept und meine Philosophie bisher
noch nicht in Studios angeboten wurden. Wir sahen nun in meiner Heimat die Möglichkeit,
diese Ideen zu verwirklichen. Über die Agentur für Arbeit in Eberswalde wurden wir auf
die Beratung und Unterstützung für Existenzgründer durch den Lotsendienst hingewiesen.
In meiner Heimatstadt Templin fand ich beste Bedingungen für mein Konzept eines
gesundheitsorientierten Fitnessstudios. Sehr geholfen hat mir die Förderung bei der
Existenzgründung. Die Industrie- und Handelskammer und der Lotsendienst haben
mich ausführlich beraten und unterstützten mich beim Schritt in die Selbständigkeit.
Im Interview:
Inzwischen melden sich Interessierte bei der Willkommens-Agentur, aber dafür war
und ist viel Vermarktung über Medien und Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Viele nutzen
unseren Facebook-Auftritt als Medium zur Kontaktaufnahme, der dann zu persönlichen
Gesprächen führt.
Ein weiterer Weg ist Werbung in der Region, insbesondere die Ansprache von Eltern und
Großeltern. Das geht so weit, dass Mütter oder Großmütter Termine für die Kinder ma-
chen. Die Familienangehörigen erreichen wir über die lokale Presse. So haben wir eine
Postkartenaktion „Heimweh? Uckermark – viel Platz für deine Ideen“ als Zeitungsbeilage
gestartet. Sie ergab einen guten Rücklauf und im weiteren Verlauf viele Gespräche, die
dazu beitrugen, dass die lokale Presse anschließend darüber berichtete und einzelne
Rückkehrergeschichten vorstellte. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit ist dafür entscheidend,
es müssen in kurzem Abstand kontinuierlich weitere Aktionen und Berichte folgen.
Arne RoßbergRückkehrer und Geschäftsführer Fitness- & Gesundheitsstudio „PEGASUS – vital & gesund“ in Templin
mit monatlich ca. 20 Leuten für den Austausch. Die angesprochenen Probleme und Fragen
bereiten wir dann auf und nutzen die Erkenntnisse für die weitere Arbeit in der Beratung.
Das betraf alle Aspekte, von den Formalien über Zuschüsse und Kreditvergabe bis hin
zur Standortwahl. So konnte ich im Herbst 2013 mein Fitness- & Gesundheitsstudio
„PEGASUS – vital & gesund“ in Templin eröffnen.
Darüber hinaus fanden meine Freundin und ich auch Unterstützung in allen anderen Be-
langen unseres Umzugs. Das Angebot von Zuhause in Brandenburg hat uns sehr gehol-
fen. Da ich inzwischen selbst Arbeitgeber bin, werde ich das Angebot nutzen, um für mein
Unternehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden, wenn ich in der Region
nicht direkt fündig werde.
17Kapitel 2
Daniela HerrlingStandortmanagerin Fachhochschule BrandenburgPräsenzstelle Prignitz
Wer spricht Sie an und wen sprechen Sie an?
Wir sprechen zum einen die Unternehmen der Region an, zum anderen wenden wir uns
an Schülerinnen und Schüler, aber auch an andere Bildungsinteressierte aus der Region
sowie bereits Studierende.
Die Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien erreichen wir zum Beispiel über die
Sprechtage zur Studien- und Berufsorientierung oder über Workshops an der Fachhoch-
schule Brandenburg, die sich an größere Schülergruppen aus der Region wenden.
Im Interview:
Zum Bleiben animieren – die Präsenzstelle der Hochschule Brandenburg
Der Anteil an Schülerinnen und Schülern,
die studieren können und wollen, steigt
seit längerem kontinuierlich an. Allerdings
sind Studienabsolventinnen und -absol-
venten meist für ihre Herkunftsregion ver-
loren, wenn sie fern ihrer Heimat studieren.
Um das zu verhindern, will das Netzwerk
Wachstumskern Autobahndreieck Witt-
stock/Dosse e. V. junge Erwachsene für die
KMU in der Region halten und früh eine
Verbindung zwischen den Betrieben, Ju-
gendlichen, Schulen, Hochschulen und
Wissenschaft schaffen. Damit sollen mehr
ortsansässige potenzielle Fachkräfte in der
Region gehalten werden.
Auf Initiative des Wachstumskerns Auto-
bahndreieck Wittstock/Dosse e. V. wurde
2005 die Präsenzstelle Prignitz der Fach-
hochschule Brandenburg gegründet. Da-
mit soll ein intensiver Austausch zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft in einer hoch-
schulfernen Region ermöglicht werden.
Die Präsenzstelle bietet Bildungsinter-
essierten einen Zugang zu akademischer
Bildung, indem sie über Angebote der
Fachhochschule Brandenburg berät und
Qualifikationsmaßnahmen vor Ort organi-
siert. Damit konnten sowohl die Studier-
neigung als auch die Studierquote in der
Region in den letzten Jahren erheblich
gesteigert werden.
18
Wie wird das Angebot finanziert?
Wie erreichen Sie die Aufmerksamkeit für Ihr Beratungsangebot?
Anfangs wurde das Projekt ausschließlich durch das Netzwerk Wachstumskern Auto-
bahndreieck Wittstock/Dosse e. V. finanziert. Seit 2007 gab es eine ESF-Förderung,
bei der der Eigenanteil durch den Verein getragen wurde. Seit Mai 2015 wird das Projekt
Präsenzstelle Prignitz durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur
aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert, 20
Prozent der Projektmittel kommen vom Verein Wachstumskern Autobahndreieck
Wittstock/Dosse e. V.
Wir haben viele Marketingaktivitäten, z. B. über Flyer und Anzeigen. Außerdem sprechen
wir unsere Zielgruppen online über die Fachhochschule Brandenburg an. Über unsere Ter-
mine vor Ort berichtet die regionale Presse. Den größten Effekt erreichen wir aber durch
direkte Ansprache und persönlichen Kontakt vor Ort, den wir über die Präsenzstelle er-
reichen. Es ist für die Interessierten gut, dass es dort eine feste Ansprechperson gibt, die
nicht nur vor dem Studium, sondern auch später noch zur Stelle ist, wenn Unterstützung
benötigt wird, z. B. bei der Suche nach einem Praktikumsplatz.
Für Schülerinnen und Schüler bieten wir
Hochschulorientierung, bei der die Studienangebote der brandenburgischen
Hochschulen vorgestellt werden,
Berufsorientierung, auch mit der Vermittlung von Praktika und Ferienjobs sowie
Karriereorientierung durch die Vorstellung von akademischen Berufsfeldern
und eine Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft.
Unternehmen bieten wir vor allem die Möglichkeit,
ihre Ausbildungsangebote, Praktikantenstellen, Ferienjobs und akademischen
Berufsfelder bei den regelmäßigen Studien- und Berufsorientierungstagen an
den Schulen der Region vorzustellen,
sich bei der Rekrutierung von akademischen Nachwuchskräften durch Hoch-
schulkontakte unterstützen zu lassen sowie
für unternehmensbezogene Fragestellungen Studierende zu finden, die diese
in Projekt- und Abschlussarbeiten untersuchen.
Ein weiteres Angebot unserer Präsenzstelle ist die Ermittlung des Qualifikationsbedarfs
in Unternehmen und die Vorstellung von Weiterbildungsangeboten.
Wie sieht das Angebot konkret aus?
Die Studierenden sind für die Betriebe in der Region ein weiteres interessantes Potenzial.
Wir bieten ihnen Praktika und Themen für Abschlussarbeiten an. So entstehen Kontakte
zwischen zukünftigen Fachkräften und Unternehmen, bei denen sich Betriebe und akade-
mische Nachwuchskräfte kennenlernen können.
Aufgrund unserer Öffentlichkeitsarbeit erreichen uns aber auch Anfragen von Schülerin-
nen und Schülern oder Studierenden, die von unserem Angebot gehört haben und sich
beraten lassen wollen.
19Kapitel 2
Wie ging es dann weiter?
Wie sah die Unterstützung konkret aus?
Was war für Sie wichtig bei der Beratung?
Ich habe mich schon während der Schulzeit über Studienmöglichkeiten informiert, wo-
bei ich auf jeden Fall ein technisches Studium absolvieren wollte. Was den Studienort
anging, war ich relativ offen und mir nicht sicher, ob ich in Brandenburg bleiben wollte.
Wichtig war mir v. a. eine Hochschule mit guter Reputation, die im Hochschulranking
gut gewertet ist. Ich habe im gesamten Bundesgebiet gesucht und dann auch schon An-
gebote erhalten. Allerdings komme ich aus keinem Akademikerhaushalt und die Kosten
des Studiums waren für mich ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Studienortes.
Darum habe ich Alternativen gesucht. So kam ich auf die Brandenburgische Technische
Universität in Cottbus und wurde in meiner Annahme über eine gute Ausstattung und
die Qualität des Studienangebotes bestätigt.
Über den Prignitzer Nachwuchspool, an dem ich schon vor dem Abitur teilgenommen
hatte, war ich mit dem Beratungsangebot der Präsenzstelle vertraut. Ich habe mich von
der Präsenzstelle beraten lassen und mit der Beraterin mehr als zwei Stunden gespro-
chen. Wir haben über Hochschulen in Brandenburg gesprochen, über die Vorteile von
Brandenburg und die Unternehmen in der Region. Das Gespräch war sehr ausführlich, ich
habe viel erfahren über die Möglichkeiten. Das Gespräch hat am Ende meine Entschei-
dung beeinflusst.
Auch als ich während meines Studiums ein Praktikum in einem KMU machen wollte, hat
mich die Präsenzstelle unterstützt, indem sie mir bei der Stellensuche geholfen hat.
Die persönliche Ansprechpartnerin, die sich viel Zeit genommen hat und stets per E-Mail
oder telefonisch erreichbar war, fand ich wichtig. Das half mir schon bei der Orientierung
vor dem Studium. Sehr hilfreich waren aber auch die Beratung während des Studiums so-
wie die Informationen, die von der Präsenzstelle per E-Mail versandt wurden, z. B. zu
Praktikumsangeboten.
Es gab das Projekt Prignitzer Nachwuchspool, das Kontakte zwischen den beteiligten
Unternehmen und Schülerinnen und Schülern ermöglichen sollte. Ich hatte mich für
den Nachwuchspool beworben, wurde dadurch in den Verteiler des Netzwerkes aufge-
nommen und habe von den Angeboten erfahren.
Wie sind Sie auf das Angebot der Präsenzstelle der FH Brandenburg aufmerksam geworden?
Im Interview:
Marcel JaedekeStudent an der BTU CottbusFachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen
20
Eine neue berufliche Herausforderung, ein
neuer Wohn- und Lebensort und für aus-
ländische Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer eventuell noch zusätzlich eine
neue Sprache und Kultur. Ein Jobwechsel
ist mit tiefgreifenden und vielfältigen Ver-
änderungen verbunden. Unabhängig da-
von, ob der Wechsel alleine, zu zweit oder
mit Familie stattfindet, er bedeutet großen
Aufwand, gerade in der Anfangsphase. Dies
schreckt viele potenzielle Fachkräfte von
einem regionalen oder sogar länderüber-
schreitenden Wechsel ab. Deshalb ist die
Schaffung einer themenübergreifenden
Anlaufstelle für Interessentinnen und Inte-
ressenten – und zwar sowohl für Fach-
kräfte als auch Unternehmen – eine sinn-
volle Maßnahme, die Netzwerke in ihren
Regionen anbieten können. Die wesent-
lichen Aspekte bei einem Wechsel und
dazu vorhandene Unterstützungsangebo-
te können so vorbereitend in Erfahrung
gebracht werden.
2.2 Herzlich Willkommen – Unterstützungsangebote für Neubürgerinnen und -bürger
Neubürgerinnen und Neubürger willkommen heißen – Welcome-Service-Center im Landkreis Roth:
Ein Beispiel, wie das gehen kann, ist das
Welcome-Service-Center im Landkreis
Roth. Es will die ersten Schritte in der neu-
en Heimat erleichtern und konkrete Hilfe-
stellungen geben. Kompetente und auf-
geschlossene Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner helfen weiter, sodass
sich Neubürgerinnen und Neubürger
schnellstmöglich wohlfühlen und ankom-
men können.
Der große Vorteil eines Netzwerkes dabei
ist, dass es die Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner vor Ort kennt, Kontakte
zu Behörden, Ämtern und sozialen Ein-
richtungen herstellt und bei fast allen Fra-
gen helfen kann, die Neubürgerinnen und
Neubürger und ihre Angehörigen aus dem
In- und Ausland haben.
Das Welcome-Service-Center berät und
vermittelt Kontakte, z. B. bei allgemeinen
Einbürgerungsfragen oder zur Arbeitser-
laubnis, bei Fragen zur Anerkennung von
ausländischen Qualifikationen sowie zu
Bewerbungen und regionalen Stellenange-
boten. Es hilft bei der Suche nach Sprach-
kursen und Kindergarten-, Schul-, Hort-,
Ausbildungs- und Praktikumsplätzen oder
nach Pflege- und Betreuungseinrichtungen
für ältere mitziehende Familienangehörige.
Auch bei der Wohnungssuche oder zu re-
gionalen Sport- und Freizeitmöglichkeiten
finden die Interessentinnen und Interes-
senten Antworten und Informationen.
Karl ScheuerleinLeiter Welcome-Service-Center (Roth)Geschäftsführer Unternehmerfabrik Landkreis Roth GmbH
Warum sind Sie aktiv geworden? Auslöser waren v. a. der demografische Wandel und Änderungen der wirtschaftlichen
Struktur. Es gibt zwar noch keinen durchgängigen Mangel an Arbeitskräften, aber die
Altersstruktur ändert sich in vielen Betrieben, und manche Branchen haben schon Fach-
kräftebedarfe, die nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden können. Wir wollten als
Im Interview:
21Kapitel 2
Wie sind Sie vorgegangen?
Wie haben Sie die Unternehmen eingebunden?
Das Thema Zuwanderung wurde sowohl von den Unternehmen als auch von den Netz-
werkpartnern angegangen. Hauptthema am Anfang war der Aufbau von Netzwerken
und Strukturen. Gerade bei komplexeren Fällen aus dem Ausland ist es sinnvoll, alle Ak-
teure mit einzubinden, damit nur eine Ansprechpartnerin oder ein Ansprechpartner für
die Ankommenden nötig ist. Das kann das Welcome-Center selbst, aber auch ein an-
derer Partner aus dem Netzwerk sein, der diese Rolle übernimmt. Die Kommunikation
zwischen Zuwanderin bzw. Zuwanderer und Familie (wenn vorhanden), den betroffenen
Unternehmen, Behörden und z. B. Betreuungseinrichtungen oder Schulen und Bildungs-
trägern, übernimmt das Welcome-Center. Damit weiß das Unternehmen oder die be-
troffene Person, dass es eine zentrale Ansprechperson für alle Fragen und Belange gibt.
Das Center ist der Türöffner in die Region, der über alle Kontakte und Informationen
verfügt, die Neuankömmlinge brauchen.
Von der Idee bis zur Einbindung aller Akteure haben wir ein gutes dreiviertel Jahr ge-
braucht, sodass wir jetzt in der Lage sind, unkompliziert und kurzfristig zu helfen. Ein
persönliches Kennen der wichtigsten Kontaktpersonen in den verschiedenen Organisati-
onen vor Ort ist dabei für den Erfolg des Projekts entscheidend.
Die Bandbreite der Betreuung ist groß und reicht von einfachen Beratungsgesprächen für
Interessentinnen und Interessenten per Telefon bis hin zu persönlicher Begleitung bei
Firmenbesuchen oder bei der Kommunikation mit Verwaltungen, z. B. bei der Anerken-
nung von ausländischen Berufsabschlüssen. Die Ansprechperson beim Welcome-Ser-
vice-Center ist Mittlerin oder Mittler und Schnittstellenmanagerin oder -manager für
alle Beteiligten.
Das Center wurde und wird in der Region sehr intensiv in Print und online vermarktet.
Außerdem stellen wir uns und unsere Angebote immer wieder in den Gremien der IHK
vor Ort vor und nutzen auch die Unternehmensnetzwerke der Wirtschaftsförderung.
So haben wir erreicht, dass die Unternehmen informiert und die Beratungs- und Unter-
stützungsangebote bekannt gemacht und inzwischen auch angenommen werden.
Allerdings muss das Thema sensibel und diskret behandelt werden. Viele Unternehmen
wollen in der Außendarstellung nicht bekannt machen, dass sie Schwierigkeiten bei
der Fachkräftesicherung haben. Diskretion zu konkreten Fällen ist aber auch aus Daten-
schutzgründen in alle Richtungen, also bei Arbeitgebern, Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern sowie bei den beteiligten Behörden wichtig. Nur so kann das Vertrauen entste-
hen, das für eine effiziente Fallbearbeitung notwendig ist.
Karl ScheuerleinLeiter Welcome-Service-Center (Roth)Geschäftsführer Unternehmerfabrik Landkreis Roth GmbH
Netzwerk in der Region bei diesem Thema schon frühzeitig tätig werden, um für die Zeit
gewappnet zu sein, in der das Thema richtig zuschlägt. Wir sind ein Teil der Metropol-
region Nürnberg und haben mit dem Welcome-Service-Center die Pilotrolle im Rah-
men der Allianz pro Fachkräfte inne.
22
Linda FreudenbergerRückkehrerin in die Region
Wie sind Sie auf den Service aufmerk-sam geworden?
Welche Fragen hatten Sie?
Nach einem zehnjährigen Aufenthalt in Neuseeland wollte ich mit meinem Partner aus
familiären Gründen nach Deutschland zurück. Meine Eltern machten mich während der
Vorbereitungen für den Umzug schon auf das Angebot des Welcome-Service-Centers
in Roth aufmerksam. Sie hatten über Bekannte davon erfahren. Ich habe mich über den
Internetauftritt des Netzwerks dann informiert und schon aus Neuseeland per E-Mail
Kontakt aufgenommen. Dadurch konnten wir schon vorab viele Fragen klären. Nach
unserer Ankunft in Deutschland haben wir uns dann telefonisch und persönlich beraten
lassen.
Sehr viele, die z. T. auch erst im Beratungsprozess erkennbar wurden. Obwohl ich aus
Deutschland komme, waren mir viele Dinge nicht oder nicht mehr klar. Deswegen war
der erste Überblick über alle notwendigen oder sinnvollen Aspekte, die man beachten
muss, sehr hilfreich. Da war das Welcome-Service-Center genau die richtige Anlaufstel-
le, die kompetent geholfen hat und auf alle unsere Fragen Antworten und Ansprech-
personen parat hatte.
Für mich funktionierte alles relativ unkompliziert. Ich hatte bereits eine Stelle, die ich
aber erst später antreten musste. Darum war es zunächst nötig, mich bei der Agentur für
Arbeit als arbeitssuchend zu melden. Schon dabei unterstützte mich das Welcome-Ser-
vice-Center. Außerdem erhielt ich Informationen bei der Frage zu den Versicherungen,
die wir benötigen.
Aufwendiger war es für meinen Freund, für den es als Nicht-EU-Bürger viel mehr Dinge
zu beachten galt. Das fing an mit der Meldung beim Einwohnermeldeamt und anderen
Behördengängen, betraf die Führerscheinübertragung oder die Einrichtung eines Bank-
kontos. Auch zu den Integrationskursen brauchten wir Informationen. Dazu musste er
beraten und bei den Formalitäten auch unterstützt werden. Selbst zum Thema Zugtickets
konnten unsere Fragen beantwortet werden. Es war sehr hilfreich, dass es eine Anlauf-
stelle gab, die uns beriet und alle Informationen bündelte. Manchmal denke ich, dass
wir es alleine nicht geschafft hätten.
Im Interview:
23Kapitel 2
Ein wesentliches Potenzial zur Verbreite-
rung der Fachkräftebasis in Deutschland
bieten Frauen. Sowohl durch eine Erhö-
hung der Arbeitszeiten als auch durch eine
Ausweitung der Beschäftigung lassen sich
schätzungsweise rund 1,5 Millionen zu-
sätzliche Fachkräfte aktivieren.2 Eine Ver-
besserung der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf ist also ein gutes Mittel zur regi-
onalen Fachkräftesicherung. Die Betreuung
von Kindern, gerade auch in Notfällen,
wenn die sonst genutzte Betreuungsmög-
lichkeit ausfällt, kann dazu beitragen.
Bei Betreuungs- und Pflegeangeboten für
Familien, aber auch bei Bildungs- und Qua-
lifizierungsangeboten für KMU, sind die
institutionellen Akteure, z. B. Wirtschafts-
förderung, berufsständische Kammern
oder Agentur für Arbeit, häufig eher orga-
nisierend und koordinierend tätig. Sie tre-
ten als Kontaktstellen und Makler auf, in-
dem sie die Nachfrage bündeln und Inte-
ressierte wie Dienstleister zusammenbrin-
gen. Die eigentlichen Serviceangebote für
die Unternehmen und Beschäftigten in der
Region stellen sie nicht zur Verfügung,
sondern „kaufen“ sie bei entsprechenden
Anbietern ein. Das können z. B. eine Kin-
dernotfallbetreuung oder Qualifizierungs-
angebote für die Beschäftigten eines Un-
ternehmens nach einer Beratung durch die
Agentur für Arbeit oder IHK sein.
2.3 Da helfen wir Ihnen gerne – Betreuungs- und Pflegeangebote für Familien
Vertrauen als Schlüssel – die Kindernotfallbetreuung der Ems-Achse
Die Notfallbetreuung der Ems-Achse ist
ein Service für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer sowie für Unternehmen, um
konkrete Hilfestellungen bei der Vereinbar-
keit von Familie und Beruf geben zu kön-
nen. Mit der Betreuung ist gewährleistet,
dass bei einem Ausfall der eigentlichen Kin-
derbetreuung eine qualifizierte Tagesmut-
ter einspringt.3 Der Ablauf ist einfach: Bei
einem Notfall – also z. B. bei Krankheit der
regulären Tagesmutter – meldet ein Erzie-
hungsberechtigter diesen an die angege-
bene Kontaktperson im Betrieb. Diese ruft
dann die Kontaktperson der Notfallbe-
treuung an, die anschließend mit dem oder
der Erziehungsberechtigten die Einsatzde-
tails bespricht (Ort der Betreuung, ggf.
Allergien des Kindes, etc.). Anhand des Ein-
satzplans informiert sie die in Bereitschaft
stehende Tagesmutter, die dann die Kinder-
betreuung am vereinbarten Ort übernimmt.
Innerhalb von zwei Stunden kann diese
Ersatzbetreuung organisiert werden. Nach
dem Einsatz telefoniert die Kontaktperson
der Notfallbetreuung zur Qualitätssiche-
rung mit allen Beteiligten.
Um im Notfall eine Kinderbetreuung zu
übernehmen, stehen drei Tagesmütter-
teams montags bis freitags auf Abruf be-
reit. Eingesetzt werden diese durch die
Vermittlungsstelle beim Familienservice
Weser-Ems e. V. Sie ist für die Einsatz-
planung und auch für die Schulung der
Tagesmütter verantwortlich. Außerdem
ist sie von Montag bis Freitag zwischen
7:00 Uhr und 19:00 Uhr ständig über das
Notfallhandy erreichbar.
„Was ist eigentlich ein Notfall?“, „Wo fin-
det die Kinderbetreuung statt?“, „Warum
werden Kinder mit bestimmten akuten
Erkrankungen vom Angebot ausgeschlos-
sen?“. Mit diesen und anderen Fragen von
Unternehmen und Beschäftigten setzen
sich auf der Planungsebene der Ems-Ach-
se die Projektgruppe sowie auf der Um-
setzungsebene das Vermittlungspersonal
mit den Tagesmüttern auseinander.4 Die
Kontaktperson der Notfallbetreuung or-
ganisiert regelmäßige Treffen, bei denen
sich die Tagesmütter über ihre Einsätze
austauschen und gemeinsame Standards
entwickeln. Die Ergebnisse dieser Treffen
spiegelt die Kontaktperson zurück in die
Projektgruppe. So ist sichergestellt, dass
sich die Notfallbetreuung ständig weiter-
entwickelt.
Vertrauen und Verlässlichkeit stellen die
wesentlichen Erfolgsfaktoren des Projekts
dar. Während die Kinder selten damit Pro-
bleme haben, dass eine zunächst fremde
Person auf sie aufpasst, müssen oftmals
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
erst davon überzeugt werden, dass das gut
funktionieren kann. Die regelmäßige Aus-
wertung der Einsätze zeigt nämlich, dass
die Erziehungsberechtigten erst dann an-
fangen, die Notfallbetreuung zu nutzen,
wenn sich die Tagesmütter im Betrieb vor-
gestellt haben und damit persönlich be-
kannt sind. Für Unternehmerinnen und
Unternehmer empfiehlt es sich zudem, als
ersten Schritt eine Kontaktperson im
Betrieb zu organisieren.
2 Siehe auch Perspektive 2025, Bundesagentur für Arbeit 2011.3 In diesem Projekt gibt es bislang nur Tagesmütter. Deshalb wird hier nur die feminine Form verwendet.4 Die Projektgruppe ist eine originäre Einheit des Netzwerks und setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen zum Thema Vereinbarkeit zusammen, z. B. Gleichstellungsbeauftragte, Koordinierungsstelle Frau und Beruf sowie Emsländische Stiftung Beruf und Familie.
24
Nils SiemenProjektleiter Ems-Achse: Jobmotor Nordwest
Petra RosenboomBürgerdienste, Jugend, Soziales – JugendpflegeLeitung bei der Gemeinde Westoverledingen
Wie organisiert man als Netzwerk eine Kindernotfallbetreuung?
Bei der Kindernotfallbetreuung handelt es sich um eine von über 30 Maßnahmen, die
wir im Rahmen unserer Fachkräfteinitiative umgesetzt haben. Das Angebot zielt darauf
ab, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
Kindern konkret bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Die Idee
geht auf die Emsländische Stiftung Beruf und Familie zurück, die die Notfallbetreu-
ung im Rahmen eines Modellprojekts im Landkreis Emsland zwischen 2008 und 2010
erfolgreich getestet hat. Wir konnten in der Projektgruppe „Familien-Achse“ auf diese
Erfahrungen zurückgreifen, als wir die Maßnahme im Oktober 2010 flächendeckend in
den sechs Gebietskörperschaften der Ems-Achse eingeführt haben. Wir sind dabei eine
Partnerschaft mit dem Familienservice Weser-Ems e. V. eingegangen. Dort ist die Koor-
dinatorin der sechs Tagesmütter angesiedelt, die für das Projekt eingestellt wurden.
Im Interview:
Wie finanziert man diese oder trägt sich so ein Projekt alleine?
Das Gros der Kosten entfällt bei dieser Maßnahme auf das qualifizierte Personal. Die
Finanzierung aller unserer Projekte basiert auf drei gleichwertigen Säulen: den Mit-
gliedsbeiträgen der Unternehmen, den Beiträgen der Kommunen sowie den projektbe-
zogenen Fördermitteln – in diesem Fall EFRE-Mittel (Europäischer Fonds für regionale
Entwicklung) bzw. Mittel aus dem Fond „Regionale Wachstumsprojekte“ des Landes
Niedersachsen. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge hängt dabei übrigens von der Unterneh-
mensgröße ab – dabei gilt, je mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betrieb hat,
desto mehr zahlt er ein. Hierdurch verteilen wir die Kosten auf mehrere Schultern. Wie
bei den anderen Maßnahmen auch, entstehen darüber hinaus für die Nutzerinnen und
Nutzer der Kindernotfallbetreuung keine zusätzlichen Kosten.
Warum haben Sie die Kindernotfallbe-treuung in Ihrer Gemeinde eingeführt?
Die Notfallbetreuung ist ein weiteres Projekt zur Qualitätssteigerung unseres Unter-
nehmens. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, ist es notwendig, den Mitarbeiterinnen
Im Interview:
25Kapitel 2
Was ist Ihr Part bzw. warum haben Sie es nicht von sich aus angeboten?
Wir bieten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Reihe familienfreundlicher
Leistungen. Dazu gehören neben der Gleitzeit auch Teilzeitangebote und Telearbeits-
plätze sowie Jobsharing, das derzeit zwei Mitarbeiterinnen nutzen. Die Kolleginnen tei-
len sich einen Arbeitsplatz, Montag und Dienstag ist die eine anwesend, Mittwoch und
Donnerstag die andere. Freitags wechseln sich beide ab. Außerdem bieten wir eine Fe-
rienbetreuung in Kooperation mit dem Landkreis Leer für 40 Tage im Jahr an. Das wird
sehr gut angenommen. Nur eine Notfallbetreuung fehlte uns bisher.
Als kleinerer Betrieb hätten wir wahrscheinlich auch nicht ausreichend Nachfrage, um
die Finanzierung dieses Angebots alleine sichern zu können. Finden sich aber viele Part-
ner zusammen – wir sind in der Region bereits das 71. Unternehmen, das sich an dem
Angebot beteiligt – dann rechnet sich das. Wir haben die Kindernotfallbetreuung deshalb
über die Ems-Achse gebucht. Die Gemeinde zahlt der Wachstumsregion Ems-Achse e. V.
einen Mitgliedsbeitrag, in dem die Notfallbetreuung enthalten ist. Es entstehen keine
weiteren Kosten für Eltern oder Gemeinde.
Im Betrieb ist ab sechs Uhr morgens ein Notfalltelefon besetzt und über eine Koordinie-
rungsstelle kann innerhalb von zwei Stunden eine Betreuung sichergestellt werden. Das
funktioniert sogar, falls die Schule mal ausfällt und mehrere Kinder betreut werden müssen.
und Mitarbeitern ideale Arbeitsbedingungen zu bieten. Das schafft Zufriedenheit und
Sicherheit, wodurch auch unsere Dienstleistungen besser werden. Unsere Gemeinde
beschäftigt rund 170 Personen, viele davon zentral in der Verwaltung. Etliche allerdings
auch an verschiedenen Standorten, u. a. in unseren vier Kindertageseinrichtungen, auf
dem Bauhof oder im Klärwerk.
Falls die normale Betreuung bei einer Familie ausfällt oder aufgrund von Witterungs-
bedingungen die Schule geschlossen ist, müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Urlaub nehmen. Um das zu verhindern, ist Unterstützung notwendig. In unseren Kin-
dertageseinrichtungen gilt für die Angestellten Anwesenheitspflicht. Krankheit oder Aus-
fälle verursachen speziell dort große Probleme. Jetzt können sie das Angebot nutzen
und, obwohl unser Angebot noch neu ist, besteht bereits reges Interesse. Das Besondere
bei uns ist, dass die Betreuung auch außer Haus genutzt werden kann. Da die Betreue-
rinnen unbekannt sind und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Schwierigkeiten mit
einer Betreuung im eigenen Haus hätten, können die Kinder auch in unserem „Haus der
Begegnung WO(h)Ltat“ betreut werden, in dem z. B. auch Veranstaltungen und Kurse
angeboten werden. Es befindet sich direkt hinter unserer Verwaltung, sodass die Erzie-
hungsberechtigten im Betreuungsfall immer in der Nähe sind.
26
Im Interview:
Wie wurden Sie auf den Service aufmerksam?
Was ist für Sie der Vorteil?
Wie sind Ihre Erfahrungen bzw. die Ihrer Kinder?
Die Volksbank Niedergrafschaft ist Partner bei der von der Ems-Achse angebotenen
Kindernotfallbetreuung. Nach meiner Einstellung wurde ich von unserer Vorstands-
sekretärin über die Notfallbetreuung informiert und erhielt alle Formulare. Als Koordi-
natorin für die Notfallbetreuung in der Volksbank steht sie außerdem jeden Tag ab
7:30 Uhr als Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Es ist unheimlich beruhigend, dass es dieses Angebot gibt. Selbst, wenn man es nicht
benötigt, fühlt man sich als Mutter sicherer. Und kommt es einmal zu einem Notfall, in
dem man es in Anspruch nimmt, muss man keinen Tag Urlaub nehmen und z. B. Kun-
dentermine absagen. In den beiden Fällen, in denen ich das Angebot genutzt habe, war
es so, dass ich am Tag vorher schon wusste, dass die normale Betreuung ausfallen wür-
de. So konnte ich bereits am Vortag die Notfallbetreuung anstoßen, die morgens gleich
um acht Uhr da war.
Das ist ohne Einschränkungen ein wunderbares Angebot. Auch für meine Tochter ist es
gut, und es gab bisher keine Schwierigkeiten. Das liegt aber auch daran, dass die Tages-
mütter sehr offen auf die Kinder zugingen und mit ihnen spielten oder bastelten.
Kathrin BuschAssistenz Firmen-/AgrarkundengeschäftVolksbank Niedergrafschaft eG Hoogstede
27Kapitel 2
Weitere Möglichkeiten, erhebliche Fach-
kräftepotenziale zu aktivieren, sind Quali-
fizierungs- und Beratungsangebote. Durch
Erhöhung des Qualifikationsniveaus stei-
gern die Unternehmen ihre Wettbewerbs-
fähigkeit und die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter gleichzeitig ihre Beschäftigungs-
fähigkeit. Dabei schaffen es gute Maßnah-
men aus Netzwerken, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter so zu fördern, dass An-
und Ungelernte in KMU einen Berufsab-
schluss nachholen. Oder sie schaffen es
durch ein individuelles Beratungsangebot,
eine zukunftsgerechte und mitarbeiter-
orientierte Personalpolitik zu etablieren.
Dadurch können dann z. B. flexiblere Ar-
beitszeiten, ein betriebliches Gesundheits-
management oder Zielvereinbarungssys-
teme in KMU eingeführt werden.
2.4 Für Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit – Qualifizierungs- und Beratungsangebote für KMU
„Für einen Berufsabschluss ist es nie zu spät“ – Projekt Nachqualifizierung in der Pfalz
Ein gutes Beispiel, wie Netzwerke Bil-
dungspotenziale in KMU fördern können,
ist das Netzwerk Nachqualifizierung
in der Pfalz (NQ Pfalz). In ihm arbeiten
unter Federführung der Handwerkskam-
mer Agenturen für Arbeit, Berufsbildende
Schulen, Bildungsträger, Innungen, das
IQ-Netzwerk, Jobcenter, Kreishandwer-
kerschaften, Migrantenorganisationen,
Unternehmen der Region und Verbände
zusammen. Sie alle verfolgen das Ziel,
durch Steigerung der Beschäftigungsfä-
higkeit und des Qualifizierungsniveaus
eine strukturelle Verbesserung der beruf-
lichen Integration von An- und Ungelern-
ten in KMU zu erreichen.
Die Handwerkskammer Pfalz betreut
rund 18.000 KMU. Davon gehören 3.660
zum Elektro- und Metallhandwerk sowie
2.247 zum Bau- und Ausbaugewerbe.5
Die Pfalz ist eine vom Strukturwandel
betroffene, meist ländliche Region mit
Entwicklungspotenzial in wirtschaftli-
chen Wachstumsbranchen, zu denen die
genannten Gewerbe zählen. Punktuell
besteht hier bereits heute in prosperie-
renden Gebieten ein Fachkräftebedarf,
der nicht zu einhundert Prozent gedeckt
werden kann. Größte Engpässe gibt es
aktuell bei beruflich qualifizierten Elekt-
ronikerinnen und Elektronikern sowie in
einigen metallverarbeitenden Berufen.
Frank BixlerQualifizierungsberaterHandwerkskammer der Pfalz
Warum sind Sie bei dem Thema Nachqualifizierung als Netzwerk aktiv geworden?
Weil es bereits heute Engpässe in bestimmten Branchen gibt: Auf 100 gemeldete Stellen
kommen zum Teil nur 45 Arbeitslose. Die Vakanzzeiten dieser Berufe liegen deutlich
über dem Durchschnitt. Im Zuge des demografischen Wandels wird sich diese Situation
noch verschärfen. Gleichzeitig erwartet die Wirtschaft immer mehr Facharbeiterquali-
fikationen, die selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren der Arbeit voraus-
setzen. Somit sinken die Beschäftigungschancen für An- und Ungelernte und personelle
Ressourcen werden nicht vollends ausgeschöpft. Allen Beteiligten war somit klar: Diese
Herausforderung kann man nur gemeinsam bewältigen.
Im Interview:
5 Alle Zahlen stammen von der Handwerkskammer Pfalz.
28
Was kann mit dem Angebot erreicht werden?
Warum ist das Netzwerk für die Zielerreichung wichtig?
Mit der Nachqualifizierung kann sehr viel erreicht werden – und das für beide Zielgrup-
pen: KMU und deren Beschäftigte. Die Unternehmen erhalten praktikable Ansätze,
wie sie die Qualifizierungspotenziale ihrer an- und ungelernten Beschäftigten besser er-
schließen können. Die Beratung im Betrieb zielt auf eine langfristige Sicherung des
Bedarfs an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. Sie fördert die Kompe-
tenzentwicklung, die zukunftsfähige Beschäftigung und gleichzeitig die Wettbewerbs-
fähigkeit der KMU.
Die Beschäftigten erhalten die Möglichkeiten des nachträglichen Erwerbs eines Be-
rufsabschlusses. Von besonderer Bedeutung ist hier, die bisher erworbenen beruflichen
Kompetenzen zu verwerten. Durch einen erfolgreichen Berufsabschluss steigern die
Beschäftigten ihr Qualifizierungsniveau und ihre Beschäftigungsfähigkeit. Damit redu-
zieren sie die Gefahr einer möglichen Arbeitslosigkeit. Die Nachqualifizierung ist somit
ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung in der Pfalz.
Auch für das Netzwerk kann etwas erreicht werden. Denn Netzwerke müssen lernende
Organisationen sein und einen ganz konkreten Nutzen im Sinne kreativer neuer Lösun-
gen zum Thema bieten. Erst dann arbeitet ein Netzwerk schnell, flexibel und setzt eher
auf informelle als auf formelle Strukturen. Durch den Austausch und die Zusammen-
arbeit der jeweiligen Netzwerkpartner in diesem Projekt, eröffnen sich der Zugang zu
anderen Kompetenzen und Ressourcen sowie der Transfer von Ideen und Anregungen.
Das Projektkonzept NQ Pfalz umfasst auch die Koordinierung aller Beteiligten während
der Umsetzung von Nachqualifizierung, nach der Grundidee „Bildung als Koproduktion“.
Die Qualifizierungsberaterinnen und -berater stimmen sich mit den beteiligten Unter-
nehmen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Bildungsdienstleistern, den Agen-
turen für Arbeit, den Jobcentern und ggf. weiteren Partnern ab: Z. B. dazu, wie die Kompe-
tenzen und Ressourcen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Weg zum Berufs-
abschluss mit der Berufstätigkeit, den Interessen des jeweiligen Arbeitgebers und den
Bedingungen des Weiterbildungsmarktes effektiv zusammengeführt werden können.
Was genau wird in dem Projekt gemacht?
Das Projekt Nachqualifizierung in der Pfalz (NQ Pfalz) macht deutlich, wie individuelle
abschlussorientierte Nachqualifizierung und Qualifizierungsberatung in einem Konzept
zusammen kommen. Es wird gefördert aus Mitteln des rheinland-pfälzischen Ministeri-
ums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie.
Abschlussorientierte Nachqualifizierung (NQ) ist ein Instrument der beruflichen Bildung.
Dabei werden die unterschiedlichen Möglichkeiten des nachträglichen Erwerbs des
Berufsabschlusses aufgezeigt und organisiert. Von besonderer Bedeutung ist hierbei,
dass die bisher erworbenen beruflichen Kompetenzen mit einbezogen werden. Um den
Anforderungen einer individuellen Beratung gerecht zu werden, kombiniert das Projekt
Case Management mit aktiver Netzwerkarbeit.
29Kapitel 2
Stefan EgelhofGeschäftsführer und OrthopädieschuhmachermeisterSchwerdtfeger Sanitätshaus und Orthopädieschuhtechnik in Kaiserslautern
Im Interview:
Warum beteiligen Sie sich an dem Netzwerk. bzw. Projekt?
Was müssen Sie dafür tun?
Wie sehen Ihre bisherigen Erfolge aus?
Wir müssen leider in den letzten Jahren feststellen, dass wir unseren Fachkräftebedarf
regional nicht mehr über den Arbeitsmarkt decken können. Es fehlt an geeigneten aus-
bildungswilligen Jugendlichen, die sich für den Ausbildungsberuf Orthopädieschuma-
cherin oder -schumacher interessieren, sowie an qualifizierten Fachkräften. „Abschlus-
sorientierte Nachqualifizierung“ ist für uns ein neuer Weg der Fachkräftegenerierung.
Bewährte an- und ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Unternehmens
können effizient zum Berufsabschluss geführt werden. Der Markt für berufliche Weiter-
bildung ist groß und unübersichtlich. Um sich als Unternehmen darin zurechtzufinden,
leistet das Projekt Nachqualifizierung in der Pfalz (NQ Pfalz) professionelle Unterstüt-
zung durch Markt- und Branchenkenntnis.
Aufgeschlossen und kooperationsbereit gegenüber Alternativen zu den herkömmlichen
Wegen der Aus- und Weiterbildung sein. Außerdem unterstützen wir die Netzwerkarbeit
durch Aufzeigen unserer Win-win-Situation in der Öffentlichkeit.
Einer unserer Produktionshelfer hat sich 2013 dazu entschlossen, den Berufsabschluss
zum Orthopädieschuhmacher nachzuholen. Aufgrund seiner Gehörlosigkeit und den da-
mit verbundenen Einschränkungen – so musste zum Beispiel eine Berufsschule gefunden
werden, die Gehörlose unterrichtet – entschieden wir uns für eine betriebliche Einzelum-
schulung mit Förderung durch die Agentur für Arbeit. Die Zwischenprüfung hat er bereits
erfolgreich abgelegt. Ohne die Zusammenarbeit mit dem Projekt NQ Pfalz wäre dies nicht
so reibungslos möglich gewesen.
30
Im Interview:
Warum machen Sie bei dem Projekt mit?
Welche Unterstützung erhalten Sie?
Inwiefern würden Sie das Projekt anderen weiterempfehlen?
Es war schon immer mein Traum als Schuhmacher zu arbeiten. Ich bin sehr glücklich,
nach vielen Jahren, in denen ich immer nur für höchstens ein Jahr bei einem Betrieb
beschäftigt war, endlich einen Chef gefunden zu haben, der mir die Chance zum Nach-
holen des Berufsabschlusses bietet.
Unterstützung verdanke ich vor allem meinem Chef. Sehr große Unterstützung habe ich
auch durch meine Familie und Arbeitskolleginnen und -kollegen erhalten.
Anfangs fiel mir die Entscheidung zur Nachqualifizierung nicht leicht. ln einem Bera-
tungsgespräch mit dem Projekt Nachqualifizierung in der Pfalz (NQ Pfalz) und mit der
Agentur für Arbeit Kaiserslautern-Pirmasens wurde alles für meine Nachqualifizierung
besprochen. Die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter haben dann einen auf mich
zugeschnittenen Qualifizierungs- und Finanzierungsplan aufgestellt, mit dem ich starten
konnte. Jetzt erst realisiere ich, wie gut diese Entscheidung für meine Zukunft ist.
Jörg Neufeld Umschüler zum OrthopädieschuhmacherSchwerdtfeger Sanitätshaus und Orthopädieschuhtechnikin Kaiserslautern
31Vorwort
Ein weiteres Beispiel zur Sicherung des
Fachkräftebedarfs von KMU ist das Projekt
unternehmensWert:Mensch der Allianz
pro Fachkräfte. Die Netzwerkpartner in
der Region sind die Handwerkskammer
für Mittelfranken und IHK Nürnberg für
Mittelfranken. Sie sind Erstberatungs-
stellen in der Neuauflage des Programms
unternehmensWert:Mensch des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales aus
Mitteln des Europäischen Sozialfonds ESF).
Das Förderprogramm unterstützt KMU
bei der Umsetzung einer zukunftsgerech-
ten und mitarbeiterorientierten Personal-
politik. Inhaltlich bewegt es sich im Kon-
text der Initiative Neue Qualität der Arbeit
(INQA), in deren vier zentralen personal-
politischen Handlungsfeldern Maßnahmen
angeschoben werden können: „Personal-
führung“, „Chancengleichheit und Diversity“,
„Gesundheit“ und „Wissen und Komptenz“.
Im Rahmen einer Erstberatung der in-
teressierten Unternehmen wird der kon-
krete Handlungsbedarf ermittelt, auf den
im Anschluss eine weiterführende Pro-
zessberatung rund um Themen der vier
zentralen personalpolitischen Handlungs-
felder folgt. Gefördert werden in der neu-
en Runde ab Oktober 2015 bis zu zehn
Beratungstage im Volumen von bis zu
10.000 Euro. Die Förderquote bei Unter-
nehmen mit bis zu zehn Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern beträgt 80 Prozent; bei
Betrieben von elf bis 249 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern 50 Prozent.
Bildungsberatung auch für die Kleinen – unternehmensWert:Mensch der Allianz pro Fachkräfte in der Metropolregion Nürnberg
Stefan CrämerGeschäftsführerCrämer & Co. GmbH aus Nürnberg
Warum haben Sie sich über das Projekt unternehmensWert:Mensch unterstüt-zen lassen?
Was war das Ergebnis der Beratung?
Als Mittelständler mit über 80 Beschäftigten, von denen viele Berufsrückkehrerinnen
und -rückkehrer oder junge Eltern sind, mussten wir, um ein attraktiver Arbeitgeber zu
bleiben, neue Möglichkeiten zur Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fin-
den. Dazu gehörten auch flexiblere Arbeitszeitmodelle und Führungsmodelle. Nur so
konnten wir gleichzeitig den Anforderungen des Unternehmens und der Beschäftigten
gerecht werden.
Wir haben das Programm dazu genutzt, um unsere Personalplanung zu optimieren und mit
unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu wer-
den. Die Beratung zu mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch den Netzwerkpartner
IHK war sehr sinnvoll. Das Programm ist eine tolle Sache und hat uns absolut geholfen.
Im Interview:
32
Monika SchuhmannProjektleiterin unternehmensWert:Mensch
Warum sind Sie aktiv geworden?
Wie sind Sie vorgegangen?
KMU haben einen großen Handlungsbedarf angesichts der großen Fachkräftenachfrage,
aber nur ein kleiner Teil von ihnen hat überhaupt einen eigenen HR-Manager. Diese
Firmen benötigen also eine umfassende und umsetzungsorientierte Beratung zu
HR-Themen, die durch eine niederschwellige Förderung unterstützt werden können.
Das Förderprogramm unternehmensWert:Mensch passte also perfekt in die Landschaft.
Bereits in der Pilotphase von Oktober 2012 bis März 2015 haben in unserer Region 140
Mitgliedsunternehmen der IHK in Nürnberg für Mittelfranken erfolgsversprechend von
dieser Förderung profitiert. Die teilnehmenden Unternehmen beschäftigten zwischen
zwei und 229 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stammen aus den unterschiedlichs-
ten Branchen. Besonders stark waren IT-Unternehmen in der Pilotphase vertreten, die
den Fachkräftemangel schon jetzt stark spüren. Die Unternehmen nutzten die Fachbe-
ratungen beispielsweise zur Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements,
zum Aufbau eines Zielvereinbarungssystems mit Mitarbeitergesprächen, zur Einführung
einer weiteren Führungsebene oder zur Verbesserung des Wissenstransfers im Betrieb.
Dann stand der Rollout für ganz Deutschland an und wir befragten unsere Kammer-
kolleginnen und -kollegen in Bayern, ob ein bayernweiter Antrag für dieses Projekt eine
gelungene Erweiterung des bestehenden Beratungsprogramms der Kammern sei.
Gemeinsam stimmten wir dann unsere Anträge aufeinander ab und verwiesen auf das
hervorragende Netzwerk in den Regionen, das es leicht macht, Projekte gut zum
Laufen zu bringen – mit Erfolg. Seit August 2015 sind wir erneut Erstberatungsstelle im
Programm und wollen unseren KMU zu einer Förderung verhelfen. So können viele
firmeninterne Projekte umgesetzt und die Arbeitgeberattraktivität der beteiligten Fir-
men erhöht werden. Das stärkt letztlich auch die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen.
Im Interview:
Wie gewinnen Sie die Unternehmen für das Projekt?
Es handelt sich um ein sehr gutes, praxisnahes Förderprogramm. Die Firmen haben
einen direkten Nutzen und fragen es daher gerne nach. Ich begleite die KMU durch
das Förderprogramm unternehmensWert:Mensch. Aus der Pilotphase sind sehr viele
Unternehmen auf diese Fördermöglichkeit aufmerksam geworden und haben dieses
auch weiterempfohlen. Der Nutzen für unsere KMU hat sich bereits herumgespro-
chen, viele Unternehmen haben schon im Vorfeld anfragt, wann es weiter geht. Dies
ist ein deutliches Zeichen, dass besonders hier ein großer Nutzen für KMU angeboten
wird und dass erfolgreiche Projekte sich im Netzwerk herumsprechen.
33Kapitel 2
Was konnten Sie bisher erreichen? Wir haben das Programm in der Pilotphase bei uns in der Region durch eine Befragung
der teilnehmenden Firmen evaluiert. Das Ergebnis: 140 Firmen haben in der Pilotphase
teilgenommen, weil ihnen das Thema Fachkräftesicherung wichtig ist. Wir konnten viele
Unternehmen nachhaltig auf den Weg bringen, eine mitarbeiterorientierte Unterneh-
menskultur zu etablieren und Veränderungen anzustoßen. Das ist ein toller Erfolg!
34
3. Fazit: Chancen und Möglichkeiten
Netzwerke als Agenturen regionaler Serviceangebote zur Fachkräftesicherung
35Fazit
Die Angebote der regionalen Netzwerke
tragen auch zur Bekanntheit und Attrak-
tivität ihrer Region und der vorhandenen
Unternehmen bei. Dies ist gerade dann
der Fall, wenn es um Projekte im Bereich
der Anwerbung von Neubürgerinnen und
Neubürgern geht, Rückkehrerinnen und
Es lohnt sich für Unternehmen, sich an
solchen Projekten aktiv zu beteiligen oder
sie zu nutzen. Denn sie profilieren sich als
engagierte, attraktive Arbeitgeber, die ih-
ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu-
sätzlichen Service anbieten, nachgefragt
sind und dadurch ihren Fachkräftebedarf
leichter und besser decken können.
Aber auch wer in der Region bereits lebt
und arbeitet, kann profitieren: betriebliche
Arbeits- und Karrieremöglichkeiten vor
Ort werden aufgezeigt, es wird zu Quali-
fikationsmöglichkeiten und Fördermitteln
beraten, die die eigene Beschäftigungs-
Rückkehrer gewonnen oder Informatio-
nen über Unternehmen und Wirtschaft
einer Region online verbreitet werden
sollen. Das ist sowohl im Interesse der
regionalen Wirtschaft als auch der Ein-
wohnerinnen und Einwohner.
fähigkeit und den eigenen Marktwert er-
höhen können, und es wird Unterstützung
bei der Kinderbetreuung oder Pflege von
Angehörigen angeboten.
Für Interessierte aus anderen Ländern
und Regionen sowie für bereits zugezoge-
ne Fachkräfte und ihre Familien bieten die
Netzwerkstrukturen erste Anlaufstellen
und offerieren vielfältige Angebote bei
der Ankunft und beim Einleben. Die je-
weiligen Ansprechpersonen begleiten die
Neubürgerinnen und -bürger vor Ort und
stehen ihnen unterstützend zur Seite. Das
erleichtert das Ankommen und festigt
das Bleiben, denn die Menschen merken,
dass sie willkommen sind und gebraucht
werden.
Davon profitiert die gesamte Region: Ihr
Fachkräfteangebot und ihre Attraktivität
steigen, ein gemeinsames Bewusstsein
und Zusammengehörigkeitsgefühl nach
innen und nach außen entsteht. Und
durch den gemeinsamen Auftritt wird
eine regionale Marke etabliert, die weit
über die regionalen Grenzen hinaus
bekannt ist.
Durch Fachkräftesicherung die Region attraktiver machen
Es profitieren alle in der Region
Mit unterschiedlichsten Serviceangeboten leisten Netzwerke
wichtige Beiträge zur Fachkräftesicherung in den Regionen.
Die Angebote decken ein weites Spektrum an Zielgruppen und
Themen ab. Einige Projekte wurden Ihnen in dieser Broschüre
vorgestellt. Alle Angebote haben viele thematische Schnittstel-
len und erfordern die Kompetenzen, Kapazitäten und Kontakte
unterschiedlicher regionaler Arbeitsmarktakteure.
Durch die Kooperation dieser Akteure entstehen Strukturen, die
die Fachkräftegewinnung und -sicherung gerade kleinerer Unter-
nehmen in vielerlei Hinsicht erleichtern. So lassen sich Aufwände
reduzieren, wenn es etwa im Sinne eines „Einheitlichen Ansprech-
partners“ nur eine Kontaktstelle oder -person gibt, oder auch
gemeinsam umfangreichere Serviceangebote und Maßnahmen
entwickeln und verwirklichen, z. B. bei geförderten Projekten.
Als Netzwerk besitzen die kooperierenden Akteure dann für die
Mittelbeantragung und Umsetzung die Kapazitäten und Kompe-
tenzen, um ein Projekt wie die Nachqualifizierung in der Pfalz
erfolgreich durchzuführen. Bereits bestehende Maßnahmen
können zudem gemeinsam weiterentwickelt und ausgebaut wer-
den. Bei Übernahme von hier geschilderten Beispielen können
Netzwerke darüber hinaus überlegen, diese auf die Situation in
ihrer eigenen Region individuell anzupassen. So ließe sich eine
wie bei der Ems-Achse bisher werktägliche Kindernotfallbetreu-
ung von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr, auch auf das Wochenende und
längere Uhrzeiten ausweiten, die Arbeitszeiten in Unternehmen
mit Schichtbetrieb besser abdeckt.
36
4. Anhang
Weitere Informationen
37Vorwort
4.1 Das Innovationsbüro Fachkräfte für die Region
Das Innovationsbüro Fachkräfte für die
Region ist ein Projekt des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Ausgangspunkt für das Projekt war die
Erkenntnis, dass es für die Fachkräftesi-
cherung in den Regionen keine einfachen
Patentrezepte gibt. Vor allem dann nicht,
wenn man sich die unterschiedlichen re-
gionalen Voraussetzungen vor Augen
führt. In vielen Regionen der Bundesrepu-
blik sind deshalb in den letzten Jahren
Projekte, Initiativen und Netzwerke zur
Fachkräftesicherung entstanden. Allen lo-
kalen Netzwerken ist gemein, dass in ih-
nen regionale Akteure wie z. B. Agenturen
für Arbeit, Kammern, Arbeitgeber und
Unternehmerverbände, Gewerkschaften,
Wirtschaftsförderer und Rentenversiche-
rungsträger zusammenkommen und kon-
krete Maßnahmen zur Fachkräftesiche-
rung vor Ort vorantreiben. Dabei haben
sich viele interessante und nachahmens-
werte Projekte entwickelt.
Genau da setzt das Innovationsbüro Fachkräfte für die Region an:
Wir unterstützen und beraten regionale Netzwerke und Initiativen etwa bei Fragen
zur Gründung oder zur Netzwerkorganisation.
Wir organisieren Erfahrungsaustauschkreise und Workshops für Netzwerke und
Interessierte, um regionale Strategien und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren
und weiterzuentwickeln.
Wir richten bundesweite Veranstaltungen wie die jährliche Fachtagung und den
Innovationstag aus, um eine breite Öffentlichkeit für das Thema Fachkräftesiche-
rung zu sensibilisieren, die überregionale Vernetzung voranzutreiben und um neue
Impulse und Ideen zu verbreiten.
Wir bieten mit unserem Internetauftritt www.fachkraeftebuero.de eine zentrale
Plattform, die zahlreiche Informationen zum Thema regionale Fachkräftesicherung,
zur Netzwerkarbeit, zu guter Praxis und zu innovativen Projekten bündelt.
Wir veröffentlichen Leitfäden zu den internen Prozessen von erfolgreicher
Netzwerkarbeit und Broschüren zu guter Praxis in den Regionen.
38
Informationen über die vom Innovations-
büro identifizierten Netzwerke finden Sie
unter:
www.fachkraeftebuero.de/netzwerke/
netzwerkdatenbank/
Weitere ergänzende Unterstützungsan-
gebote finden Sie im Rahmen der Initi-
ative Neue Qualität der Arbeit und des
ESF-Modellprogramms
unternehmensWert:Mensch unter:
www.inqa.de
www.unternehmens-wert-mensch.de
4.2 Netzwerke: Informationen und Kontaktdaten
Allianz pro Fachkräfte
Die Allianz pro Fachkräfte in der Metro-
polregion Stuttgart will Fachkräfte aller
Qualifikationsstufen gewinnen. Dazu
wird mit entsprechenden Projekten die
Verbesserung des Lebensumfelds in der
Region vorangebracht sowie die Willkom-
menskultur für zuziehende Fachkräfte
und ihre Familien gestärkt.
Die regionalen Akteure haben sich unter
einer Dachmarke zusammengetan und
vermarkten ihre Aktivitäten gemeinsam.
Website:
www.allianz-pro-fachkraefte.de
Kontakt:
Yvonne Wetsch
IHK Nürnberg für Mittelfranken
Tel.: +49 (0)911 1335-142
E-Mail: [email protected]
Nachqualifizierung in der Pfalz
Das Projekt Nachqualifizierung in der
Pfalz (NQ Pfalz) bietet eine strukturelle
Weiterentwicklung und Verbesserung der
beruflichen Integration von An- und Un-
gelernten in KMU durch Steigerung des
Qualifizierungsniveaus. Für die Zielgruppe
ermöglicht es eine soziale und berufliche
Integration, indem der nachträgliche
Erwerb des Berufsabschlusses aufge-
zeigt, organisiert und begleitet wird. Dies
reduziert die Wahrscheinlichkeit einer
drohenden Arbeitslosigkeit und ist ein
Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Website:
www.nachqualifizierung-pfalz.de
Kontakt:
Frank Bixler
Handwerkskammer der Pfalz
Tel.: +49 (0)631 3677-227
E-Mail: [email protected]
Ems-Achse, Jobmotor Nordwest
Das als Verein organisierte Netzwerk will
die gemeinsame Wirtschaftsregion Ems-
Achse stärken.
Auf Basis der Analyse von Fachkräftebe-
darfen und -potenzialen haben sich die
Partner des Netzwerkes die übergeordne-
ten Ziele gesetzt, der Wirtschaftsregion
Ems-Achse ein attraktives Profil zu verlei-
hen sowie zusätzliche Arbeitsplätze in der
Region zu schaffen.
Die Dachmarke Ems-Achse bildet den
Überbau, unter dem die Initiativen und
Maßnahmen zur Fachkräftesicherung
umgesetzt werden.
Website:
www.emsachse.de
Kontakt:
Dr. Dirk Lüerßen
Wachstumsregion Ems-Achse e. V.
Tel.: +49 (0)4961 - 94 09 980
E-Mail: [email protected]
39Anhang
Zuhause in Brandenburg e. V.
Zuhause in Brandenburg hat zum Ziel,
den demografischen Wandel aktiv zu ge-
stalten und damit eine positive Verände-
rung der Einwohnerzahlen zu erreichen.
Das soll vor allem durch die Förderung
von Rückwanderung und Zuzug in die
Region erreicht werden.
Außerdem sollen durch ein zielgruppen-
spezifisches Marketing Perspektiven für
junge Menschen aufgezeigt werden.
Alle Maßnahmen haben das Ziel, die Wirt-
schaftskraft zu stärken und den Fachkräf-
tebedarf der regionalen Unternehmen zu
sichern.
Website:
www.zuhause-in-brandenburg.de
Kontakt:
Ariane Böttcher
Zuhause in Brandenburg e. V.
Tel.: +49 (0)3987 - 20 06 746
E-Mail: [email protected]
Wachstumskern Autobahndreieck
Wittstock/Dosse e. V.
Mit dem Fachkräftemanagement, der
Etablierung als Logistikdrehscheibe und
einem gezielten Standortmarketing möch-
te das Netzwerk seit 2005 die Region als
Wachstumskern zwischen den Metropol-
regionen Berlin/Brandenburg und Ham-
burg weiterentwickeln und damit zur Fach-
kräftesicherung beitragen. Denn durch die
ländliche Lage sind Fachkräfteengpässe in
der mittelständisch geprägten Wirtschaft
schon jetzt zu spüren.
Website:
www.prignitz-in-germany.com
Kontakt:
Mike Blechschmidt
Bernd Blechschmidt Industrie- und
Gebäudeservice GmbH
Tel.: +49 (0)3395 764010
E-Mail: [email protected]
40
41Anhang
Herausgeber:
DIHK Service GmbH
Geschäftsführer Dr. Achim Dercks,
Dr. Ulrich Koch, Sofie Geisel
Amtsgericht Charlottenburg
HRB 90039 B
Ust.-IDNr.: DE 169824169
Steuernummer: 37/276/20732
Commerzbank AG Berlin
Konto 4104 429 100
BLZ 120 800 00
IBAN DE 57 1208 0000 4104 4291 00
Im Auftrag von:
Bundesministerium
für Arbeit und Soziales
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin
Fax: +49 (0)30 - 18 52 72 236
E-Mail: [email protected]
Internet: www.bmas.de
Bezugsstelle:
Innovationsbüro
Fachkräfte für die Region
DIHK Service GmbH
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 20 308 6201
Fax: +49 (0)30 - 20 308 5 6201
E-Mail: [email protected]
Internet: www.fachkraeftebuero.de
Redaktion:
Innovationsbüro
Fachkräfte für die Region
Stand:
2. Auflage
Oktober 2015
Gestaltung:
Anne Krieger Kommunikationsdesign
Tel.: +49 (0)163 - 69 58 623
Internet: www.annekrieger.de
Druck:
DCM Druck Center Meckenheim GmbH
Werner-von-Siemens-Straße 13
53334 Meckenheim
Tel.: +49 (0)2225 - 88 93 550
Internet: www.druckcenter.de
Foto/Bildnachweis:
Ahrens & Steinbach
fotogloria
Impressum
Innovationsbüro
Fachkräfte für die Region
DIHK Service GmbH
Breite Straße 29
10178 Berlin
Telefon +49 (0)30 - 20 308 6201
Fax +49 (0)30 - 20 308 5 6201
www.fachkraeftebuero.de