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Vorhänge und gesteppte Wandver-kleidung: Vom legen-dären Designstudio Pininfarina stammt die Inneneinrichtung des Fünfsitzers
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TEXT Thomas BorchertFOTOS Christina Scheunemann
Ein präzises Anforderungsprofil ist der erste Schritt zum Erfolg bei der Suche nach einem Gebraucht-flugzeug. Für Andreas Stirner aus Coburg war klar: Ein schnelles
Reiseflugzeug mit großen Tanks sollte es sein. Die Reichweite der bislang genutzten
dem Gras in Uetersen – und Andreas Stir-ner ist nach zwei Jahren Erfahrung mit der seltenen Italienerin begeistert: »Sie fliegt absolut gutmütig, ich kann mit vollen Tanks bis zu neun Stunden lang in der Luft bleiben, und sie macht 130 Knoten bei 53 Li-ter Verbrauch pro Stunde.«
Stirners D-ERAT steht fast unverändert so vor uns, wie sie 1972 ausgeliefert wur-de: Die Lackierung hat hell- und dunkel-blaue Zierstreifen, innen glänzen die Sitze
Bonanza genügte nicht, als er 2011 auf die Suche ging. Dann hatte ein Freund mit Er-fahrung im Flugzeughandel einen merk-würdigen Vorschlag: »Vielleicht finden wir eine Marchetti – die wäre perfekt für Dich.«
Eine was? Gut, den zweisitzigen Mili-tärtrainer SF.260 des (längst vom Markt verschwundenen) italienischen Herstellers kennt man von Kunstflugvorführungen. Doch besagter Freund hatte etwas anderes im Sinn: eine S.208. Nun steht sie da auf
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SIAI-MARCHETTI S.208
Italienische RaritätDer seltene Fünfsitzer aus Italien sollte in den sechziger Jahren Bonanza und Comanche Konkurrenz machen. In Deutschland fliegen nur ganz wenige Exemplare
in dunkelblauem Leder. Es sind fünf, der im Gepäckraum ist aber eher ein Notsitz. Er ist genau so beengt wie er aussieht und darf maximal 80 Kilo tragen.
Gesteppte Wandverkleidungen und chamois-farbene Vorhänge verzie-ren den Innenraum. Und dann ist da dieses atemberaubende Schild
am Panel: »Interior designed by Pininfari-na.« Diesen Namen kennt jeder Mann eines
gewissen Alters – aus dem Autoquartett sei-ner Jugend. Das Designstudio ist seit über 50 Jahren für Legenden von Alfa Romeo bis Ferrari und Maserati verantwortlich.
Im Uhrenladen-Cockpit finden sich ita-lienische Instrumente mit Markennamen, die man noch nie gehört hat. Besonders sticht die Bedieneinheit für den Autopilo-
ten hervor: OECM steht drauf. »Funktio-niert perfekt«, beteuert Stirner. »Der kann sogar ILS-Gleitpfade hinunter fliegen.« Das Gerät war bei einem Einbruchdiebstahl geklaut worden – nur mit viel Glück kam Stirners Avionikbetrieb an einen Ersatz, als dort eine italienische Twin auf einen mo-dernen Autopiloten aufgerüstet wurde.
MENSCH & MASCHINE
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Reiseflieger: Andreas Stirner geht gerne mit der S.208 auf Langstrecke
Gutes Handling: Langsamflug und Landungen sind unproblematisch
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Dass die Maschine zwar ordentlich mar-schiert, aber für ihre 260 PS keine Rennzie-ge ist, hat einen offensichtlichen Grund: Die Kabine ist noch breiter und geräumiger als bei einer Bonanza. Große Fenster und dünne Streben verstärken den lichten Ein-druck, der Blick nach draußen ist vorne und hinten ausgezeichnet.
Der 52-Jährige zählt schnell seine Lieb-lingsziele auf: Beruflich geht es öfter nach Saarlouis, privat nach Heringsdorf oder Bornholm. Überall ruft die Maschine Stau-nen und Interesse von Piloten hervor, nur nicht in Lido di Venezia, dem Flugplatz am Strand von Venedig, gleich hinter den Al-pen. »In Italien ist die S.208 bekannt«, er-klärt Stirner. Wo kommt dieses Flugzeug her, von dem in Deutschland vielleicht zwei oder drei Exemplare fliegen? Die Società
Idrovolanti Alta Italia (SIAI) wurde 1915 ge-gründet und konzentrierte sich anfangs auf den Bau von Flugbooten. 1922 stieß dann Alessandro Marchetti als Chefingenieur zum Unternehmen, das eine feste Größe im italienischen Flugzeugbau wurde und im Zweiten Weltkrieg auch Militärmaschinen baute. Der berühmte Ingenieur Stelio Frati begann nach dem Krieg bei SIAI-Marchet-ti und entwarf den Erfolgstrainer SF.260. In den siebziger Jahren ging die Firma im Großkonzern Alenia Aermacchi auf.
Der Ingenieur Alexander Brena entwarf Mitte der sechziger Jahre bei SIAI-Marchetti eine Familie von Ganzmetalltiefdeckern für die Allgemeine Luftfahrt, die möglichst viele gemeinsame Teile verwenden sollten, um Kosten zu sparen. Geplant waren der Schulzweisitzer S.202, der Viersitzer S.205,
MENSCH & MASCHINE
Unikum: Mitten im Panel direkt vor dem Copiloten ist diese – es passt keine andere Bezeichnung – Tröte mit Warn-licht eingebaut. Beim Überzie-hen und wenn das Fahrwerk bei niedrigen Leistungen noch nicht ausgefahren ist, schlägt sie lautstark Alarm
Copyright 2012 Aspen Avionics Inc. ”Aspen Avionics,” “Evolution Flight Display System,” “Connected Panel,” and the Aspen Avionics aircraft logo are trademarks of Aspen Avionics Inc. All rights reserved. U.S. Patent No. 8,085,168, and additional patents pending.
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der Fünfsitzer S.208, der Sechsitzer S.206 und eine Twin namens S.210.
Nur drei Modelle schafften es zur Pro-duktreife: die S.205 und die S.208 sowie der Zweisitzer S.202. Er wurde später von den Schweizer Flug- und Fahrzeugwerken Al-tenrhein zur AS-202 weiterentwickelt und dort recht erfolgreich verkauft.
Alle größeren Varianten sollten auf der Zelle der S.205 beruhen, nur die Motorisierung war un-terschiedlich geplant, ebenso die
Ausstattung mit Fest- oder Einziehfahr-werk. Die S.205 gab es mit Motoren von Ly-coming und Franklin, die S.208 bekam den größeren Lycoming O-540 und ein Einzieh-fahrwerk. Eine Pilotentür war als Option er-hältlich, Stirners D-ERAT hat sie nicht.
1 | Auf dem Stand der Sechziger: Uhrenladen und Firmenlogo verraten die Entstehungszeit – nur das Garmin-Portable in der Halterung ist ein Zugeständnis an moderne Zeiten
2 | Beschleuniger: Das Einziehfahr-werk macht die Maschine schneller, obwohl das Rad nicht abgedeckt wird
3 | Funktioniert: Der seltene Autopilot des italienischen Herstellers OECM fliegt sogar Gleitpfade ab
4 | Am Ende: Auf dem Heckkonus ragt ein festes Leitblech nach oben zum Seitenruder
5 | Mittelkonsole: Zwischen den Vordersitzen finden massive Trimm-räder für Seiten- und Höhenruder sowie der farbig markierte Benzin-hahn für vier Tanks Platz
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Die Flügel sind mit einem für damalige Zeiten recht fortschrittlichen Laminarpro-fil versehen. Bei der S.208 werden sie durch Tip Tanks an den Spitzen abgeschlossen. Dennoch ist das Benzinsystem denkbar einfach: Ein deutlich mit Farben markierter Drehknopf in der Mittelkonsole erlaubt es, zwischen den zwei Flächentanks und dem Vorrat in den Spitzen umzuschalten.
Ein weiterer Trick zur Einsparung der Teile-Vielfalt: Seiten- und Höhenleitwerk sind identische Bauteile, ebenso die Ruder daran. Auch das Querruder ist identisch mit den zwei Hälften der Landeklappe.
Von S.205 und S.208 wurden bis zum En-de der Produktion 1977 etwa 700 Flugzeuge gebaut – wie viele es heute noch gibt, ist unbekannt. Dennoch sind die Maschinen in italienischen Clubs kein ungewöhnlicher Anblick. Eine erhebliche Zahl an S.208 ging an die Luftwaffe in Italien. Auch im Segel-
flugschlepp wurden die Maschinen öfter verwendet.
Schon damals lag allerdings der Haupt-Absatzmarkt für Kleinflugzeuge in den USA –
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und so kam ein weiterer großer Name ins Spiel: Der amerikanische Traditions-Her-steller Waco, bekannt für seine Doppelde-cker, übernahm den Vertrieb der Marchet-tis in den Vereinigten Staaten. Doch Waco Sirius und Vela war nur mäßiger Erfolg be-schieden, schließlich ging Waco in den Kon-kurs.
Obwohl die Geschichte seines Flugzeug-musters wechselhaft ist und die Maschine heute als Exot gelten muss, macht sich An-dreas Stirner nicht allzu viel Sorgen über die Teileversorgung: »Viele Systeme vom Motor bis zu den Bremsen sind Luftfahrt-standard von US-Produzenten.« Außerdem hat der italienische Luftfahrtkonzern Aer-macchi als Nachfolger von Marchetti auch die die Unterstützung für die Flugzeuge übernommen. Schließlich hat sich der Pi-lot aus Coburg sein eigenes Ersatzteillager gesichert: »Ich habe kürzlich günstig ein Wrack aufgekauft, das kann ich im Notfall ausschlachten.«
Andreas Stirner ist überzeugt, in der S.208 sein Traumflugzeug ge-funden zu haben: »Die Ruderab-stimmung ist sogar noch besser
als in der Bonanza, die ich früher viel ge-flogen bin.« Der nächste Schritt ist für den Freund langer Strecken offensichtlich: Er möchte ein Instrument Rating machen. Ein wenig muss die Avionik der Marchetti dazu renoviert werden. Jetzt bleibt nur die Frage, wie man das so macht, dass das moderne Zeug nicht die schöne Pininfarina-Optik stört.
43 Grad: Bei
voll gesetzten
Klappen ist
der Luftwider-
stand erheb-
lich – optimal
für kurze
Landungen
Ökonomie II: Auch die zwei Elemente der Landeklappe und das Querruder sind baugleich
Ökonomie I: Höhen- und Seitenleitwerk ebenso wie die Ruder sind baugleich
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Spannweite 11,24 mFlügelfläche 16,07 m2
Länge 8,09 mHöhe 2,89 mLeermasse 911 kgMTOM 1350 kgTankinhalt: Main/Tip 208/113 lMotor/Leistung Lycoming O-540/
260 PSPropeller Hartzell 2-Blatt,
Constant Speed,Aluminium, 1,92 m
Verbrauch (65%, 5000 Fuß) ca. 53 lVreise (65%, 5000 Fuß) 161 mphVne 201 mphVno 150 mphVle 109 mphVfe 102 mphVSO 57 mphVa 137 mphStartrollstrecke0 ft MSL, 15°C 294 mStartstrecke0 ft MSL, 15°C 420 mLandestrecke0 ft MSL, 15°C 505 mLanderollstrecke0 ft MSL, 15°C 300 mErstflug 1972
TECHNISCHE DATEN
SIAI-Marchetti S.208
Geadelt: So ein Schild ist in der E-Klasse wohl einzigartig