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Simulation von Elastomerdichtungen unter dynamischer Belastung Dipl.-Ing. (FH) Harald Peschke INA-Sonderdruck Vortrag zum ABAQUS-Anwendertreffen am 30. September und 1. Oktober 1999 Universität-GH – Essen

Simulation von Elastomerdichtungen unter dynamischer ... · PDF fileVerifikation des ABAQUS-Berech-nungsmodelles erläutert. ... 01 werden durch „curve fitting“ der Spannungs-Dehnungs-Kurven

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Simulation von Elastomerdichtungenunter dynamischer Belastung

Dipl.-Ing. (FH) Harald Peschke

INA-SonderdruckVortrag zum ABAQUS-Anwendertreffenam 30. September und 1. Oktober 1999Universität-GH – Essen

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Simulation von Elastomerdichtungenunter dynamischer BelastungDipl.-Ing. (FH) Harald Peschke

Der Verformungszustand vonElastomerdichtungen wird meistanhand von statischen Last-annahmen betrachtet. In ihrerAnwendung unterliegen Dichtungenaber häufig dynamischen Belastun-gen. Das Verformungsverhaltenwird dabei wesentlich durch dieviskoelastischen Materialeigen-schaften des Elastomers bestimmt. In dem vorliegenden Beitrag wirdeine Vorgehensweise zur Ermittlungder viskoelastischen Kennwerte fürdie Simulation beschrieben und dieVerifikation des ABAQUS-Berech-nungsmodelles erläutert.Am Beispiel einer Elastomerdich-tung eines hydraulischen Kupp-lungsbetätigungssystems werdendie Berechnungsergebnissevorgestellt.

1 Einführung

1.1 Elastomerdichtungen in hydraulischen Kupplungs-betätigungssystemen

Das Kupplungsbetätigungssystem ineinem Personenkraftwagen mit Hand-schaltung stellt als Verbindungsgliedzwischen Fahrer und Kupplung einewichtige Schnittstelle zwischen Menschund Maschine dar. Es ist eine entschei-dende Komponente für den Fahrkomfortund kann die Kaufentscheidung desAutomobilkunden deutlich beeinflussen.Durch technische Innovationen wurde derscheinbar simple Mechanismus derKupplungsbetätigung immer weiterverbessert und mündet derzeit in dieEinführung optimierter hydraulischerBetätigungssysteme [9].Bei den hydraulischen zentralausrückendenSystemen (engl. Central or Concentric

Slave Cylinder, CSC) werden Ausrück-lager, Hebel und Nehmerzylinder zu einerkompakten Einheit, dem Zentralausrücker,integriert (Bild 1). Die Pedalkraft wird durchhydraulischen Druck vom Geberzylinderüber eine Leitung auf einen Ringkolben imZentralausrücker (Bild 2) und weiter aufdas Ausrücklager und die Kupplungübertragen. Der Druckraum im Zentral-ausrücker wird axialseitig durch einenDoppellippendichtring abgedichtet (Bild 3). Der Komfort und die Gebrauchsdauerdes Gesamtsystems werden wesentlichdurch die Eigenschaften dieser Elastomer-dichtung bestimmt.Bevor am Beispiel einer Zentralausrücker-dichtung der Berechnungsweg aufgezeigtwird, hier noch einige einführendeAnmerkungen zur Dichtungsentwicklungund zu den mechanischen Eigenschaftenvon Elastomeren.

Bild 1 Kupplungsausrücksysteme mit Zentralausrücker Bild 2 Zentralausrücker

1 Kupplung2 Zentralausrücker3 Druckleitung4 Kribbelfilter5 Gummischlauch6 Geberzylinder7 Pedal8 Bremsflüssigkeitsreservoir

1

2

3 45

3

8

6

7

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3

1.2 Zielsetzung für die Entwicklungeiner Zentralausrückerdichtung

Bei der Dichtungsentwicklung werdenfolgende Ziele verfolgt:– geringe Leckage– geringer Verschleiß– hoher Wirkungsgrad– konstante Betätigungskräfte im

gesamten Arbeitsbereich– hohe Ermüdungslebensdauer.Leckage und Reibung stehen im konträrenZusammenhang und werden durch dieViskosität des Hydraulikfluids, die Bau-teiloberflächen, den Dichtungswerkstoffund die Dichtungsgeometrie bestimmt. Bei Anwendungen in Personenkraftwagenist im Prinzip das Hydraulikfluid, derTemperaturbereich und damit die Elasto-mertype vorgegeben. Der konstruktivenAuslegung der Dichtungsgeometrie kommtdeshalb eine besondere Bedeutung zu.Wegen der dynamischen Druckbelastungder Geber- und Zentralausrückerdichtun-gen bei der Kupplungsbetätigung (Bild 4)ist es notwendig, neben der statischenVorauslegung auch eine rechnerischeBetrachtung des „dynamischen“Verformungsverhaltens vorzunehmen.

1.3 Mechanische Eigenschaften von Elastomeren

Elastomere weisen folgende mechanischeEigenschaften auf:– Hyperelastizität unter quasistatischer

Belastung– viskoelastisches bzw. viskoses

Verhalten (Hysteresen bei zyklischerBelastung, Relaxation bzw. Kriechenbei langzeitiger Belastung)

– InkompressibilitätEinfluß auf die mechanischen Werkstoff-eigenschaften haben:– Temperatur– Betriebsmedium– Beanspruchungshöhe

(z.B. Mullins-Effekt [1])

2 Bestimmung und Modellie-rung des Werkstoffverhaltens

Zur Bestimmung der Materialkennwertewerden zunächst Zugversuche an Probenaus dem Dichtungswerkstoff mitunterschiedlichen Randbedingungendurchgeführt.Bild 5 zeigt deutlich den Einfluß der Vor-beanspruchung. Nach ersten Belastungs-zyklen tritt eine bleibende Deformation auf.Die Steigung der Spannungs-Dehnungs-Kennlinie wird geringer (Mullins-Effekt [1]).

Werden die Proben mit dem Betriebs-medium gesättigt, ist noch ein zusätzlicherSteifigkeitsabfall aufgrund geringerMaterialquellung zu beobachten. Mitzunehmender Temperatur ist eineAbnahme der Hysterese zu verzeichnen.Bei Temperaturen über 80 °C tritt eineVersteifung des Elastomeres ein. DieserEffekt läßt sich mit den thermodynamischenEigenschaften des Gummis und seinementropieelastischen Zustand erklären undist in der Literatur unter dem BegriffGough-Joule-Effekt [2] bekannt.

Bild 4 Druck im Zentralausrücker bei verschiedenen BetätigungsgeschwindigkeitenBild 3 Zentralausrücker

Bild 5 Materialverhalten: Einfluß der Vorbeanspruchung (oben)Materialverhalten: Einfluß von Temperatur und Quellung (unten)

GehäuseAusrücklager

DichtringDichtringträger

Ringkolben

Kupplungs-kennlinie

Druck Druck

langsame Betätigung schnelle BetätigungZeit Zeit

F

s

Ausrücken Einkuppeln

F

300

250

200

150

100

50

0

300

250

200

150

100

50

0

6

5

4

3

2

1

0

6

5

4

3

2

1

00,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,20,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 2,2

Kra

ft in

N

Kra

ft in

N

Sp

annu

ng in

N/m

m2

Sp

annu

ng in

N/m

m2

stufenweise Belastungeiner neuen Probe

Belastung vonvorbeanspruchten Proben

Dehnung Dehnung

Streckung λ Streckung

20%

40%

60%

100%

neue Probe

100%

60%40%

20%bereits belastete

Probe nach 24h ruhen

200

150

100

50

0

4

3

2

1

0

4

3

2

1

0 1 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8

Streckung λ

ungequollen gequollen

80 °C

150 °C

–16 °C

RTKra

ft in

N

Sp

annu

ng in

N/m

m2

Kra

ft in

N200

150

100

50

0

Sp

annu

ng in

N/m

m2

1 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8Streckung λ

80 °C

150 °C

–16 °C

RT

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Für die Bestimmung der Materialkenn-werte läßt sich daraus folgendes ableiten:– Die Proben müssen vorkonditioniert

sein, d.h. zyklische Belastung, bis sicheine gleichbleibende Hysterese einstellt.

– Die Proben müssen mit Betriebsmediumgesättigt sein.

– Es ist notwendig, die Spannungs-Dehnungs-Kennlinie für verschiedeneTemperaturen zu ermitteln.

2.1 Hyperelastisches Werkstoff-modell

Das Finite-Elemente-Programm ABAQUSstellt hyperelastische Materialmodelle mitFormulierungen über die Formänderungs-energie nach Ansätzen von Rivlin, Odgenund ab Version 5.8 die Beschreibungnach Kilian und Arruda-Boyce zurVerfügung. Für Anwendungen mit relativ geringenDehnungen, d.h. unterhalb des soge-nannten „Upturn“ der Spannungs-Dehnungs-Kurve, sind einfache Energie-funktionen nach Neo-Hooke oderMooney-Rivlin zur Beschreibung desMaterialverhaltens hinreichend genau.Der Vorteil dieser einfachen Modelle ist,daß die Drucker-Stabilität stets erfüllt istund sich die Werkstoffkonstanten mitrelativ geringem Aufwand bestimmenlassen.Unter der Annahme von isotropenEigenschaften läßt sich für Gummi dieFormänderungsenergie wie folgtformulieren [3], [4]:

Darin sind I1, I2 und I3 die Invarianten deslinken Cauchy-Green-Verzerrungstensors.I1 beschreibt die Längenänderung eineskubischen Elementes.

I1 = λ12+λ2

2+λ32 (2)

W = f (I1, I2, I3) (1)

I2 beschreibt die Oberflächenänderungeines kubischen Elementes.

I3 beschreibt die Volumenänderung eineskubischen Elementes.

Darin sind die Hauptstreckverhältnisse:

λ = ε + 1 mit der Dehnung ε

Damit kann die Formänderungsenergiefolgendermaßen formuliert werden:

Für inkompressible Werkstoffe wird I3 = 1und die Gleichung reduziert sich auf:

Das Neo-Hooke-Modell berücksichtigtnur die erste Invariante I1:

Die Konstante C10 kann als halberSchubmodul interpretiert werden und esbesteht der Zusammenhang:

mit N: Netzwerkdichtek: Boltzmann-KonstanteT: absolute Temperatur

C10 ≅ N · k · T (8)

W = C10· (I1– 3) (7)

W = ∑∞

Cij· (I1– 3)i (I2 –3)j (6)i+ j=1

W = ∑∞

Cijk· (I1– 3)i (I2 –3)j (I3 –1)k (5)i+ j+k=1

I3 = λ12·λ2

2·λ32 (4)

I2 = λ12·λ2

2+λ12·λ3

2+λ22·λ3

2 (3)

Beide Invarianten werden bei der Formu-lierung nach Mooney-Rivlin betrachtet:

Aus Versuchen mit einachsigemSpannungszustand lassen sich dieKonstanten wie folgt ableiten:Neo-Hooke:

Mooney-Rivlin:

Die Konstanten C10 und C01 werdendurch „curve fitting“ der Spannungs-Dehnungs-Kurven mit den jeweiligenModellfunktionen bei verschiedenenTemperaturen bestimmt. Bild 6 zeigteinen Vergleich der gemessenen und der nach Mooney-Rivlin gerechnetenSpannungs-Dehnungs-Kennlinie.

2.2 Viskoelastisches Werkstoff-modell

Zur Beschreibung der viskoelastischenMaterialeigenschaften des Gummis wirddas verallgemeinerte Maxwell-Modellverwendet (Bild 7).

C10 + 1 · C01= σ (12)λ 2 · (λ – λ–2)

C10 = σ (10)2 · (λ – λ–2)

W = C10· (I1– 3) + C01 · (I2 – 3) (9)

4

Bild 7 Viskoelastische Materialeigenschaften von Gummi (verallgemeinertes Maxwell-Modell)

Bild 6 Vergleich Spannungs-Dehnungskennlinie

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,00,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50

Nominal-Spannungin MPa

Nominal-Dehnung

FEMMessung

Uniaxial Test DataTemperatur: 23 °C

G0 G1

η1 η2 ηn

G2 Gn

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Die Formulierung des zeit- und temperatur-abhängigen Elastizitäts- bzw. Schub-moduls erfolgt anhand einer Prony-Reihe.Zur Berücksichtigung der Temperatur-effekte werden die Shiftfaktoren av und aheingeführt.

G0: Anfangsschubmodulgk: relativer Schubmodul eines Gliedes

gk = GkG0

N: Anzahl der Gliedert: Zeitτ: Relaxationszeitav: vertikaler Shiftfaktor av = f(T)ah: horizontaler Shiftfaktor ah = f(T);

ah= τTτTR

T: Temperatur

–t G(t)=av·G0·1– ∑

N

gk· 1– eah·τk (13) k=1

Basierend auf Messungen von Spannungs-relaxationsisothermen an konditioniertenProben werden Shiftfaktoren bestimmtund mit Verschiebungsfunktionenangenähert. William, Landel und Ferry enwickelten dienach ihnen benannte Zeit-Temperatur-Verschiebungsfunktion [5] unter derAnnahme eines isoviskosen Zustandesbei Glasumwandlungstemperatur. DieWLF-Verschiebungsfunktion liefertdeshalb in diesem Übergangsbereichsehr gute Ergebnisse für den horizontalenShiftfaktor ah, führt aber zu größerenAbweichungen bei niedrigen und beihöheren Temperaturen. Für diese Rand-bereiche wird deshalb eine Annäherungmit Arrhenius-Funktionen nach [7] bzw.[8] gewählt (Bild 8). Die Temperatur-abhängigkeit wird hier von einertemperaturkonstanten Aktivierungs-energie, die stoffspezifisch ist, bestimmt.WLF-Verschiebungsfunktion:

C1, C2: WLF-MaterialkonstantenTR: Referenztemperatur

lgah = – C1· (T–TR) (14)C2+(T–TR)

Arrhenius-Funktion:

AE: AktivierungsenergieR: allgemeine GaskonstanteTr: ReferenztemperaturBesonders bei stark gefüllten Elastomerenergibt sich aufgrund des thermodyna-mischen Werkstoffverhaltens auch einetemperaturbedingte vertikale Verschie-bung der Schub- bzw. E-Modul-Werte imentropieelastischen Bereich. Dies wirddurch den Shiftfaktor av berücksichtigt [7]:

ρ: Dichte bei der jeweiligen TemperaturMit Hilfe der Shiftfunktionen wird aus deneinzelnen Spannungsrelaxations-isothermen eine „Master Curve“ für die Glasübergangstemperatur (Bild 9) erstellt.Durch eine Annäherung der „MasterCurve“ (Bild 10) mit einer 11-gliedrigenProny-Reihe nach Gleichung (13) werden

av = Tr·ρr (16)T·ρ

lgah, A, B = 0,43 · AE · 1 – 1 (15)R T Tr

5

Bild 9 Master Curve bei GlasübergangtemperaturBild 8 Shiftfunktionen

Bild 11 Relaxations-E-Modul bei unterschiedlichen TemperaturenBild 10 Annäherung der Master Curve für Glasübergangtemperatur

10 000,00

1 000,00

100,00

10,00

1,001,00E-04 1,00E-02 1,00E+00 1,00E+02 1,00E+04 1,00E+06 1,00E+08 1,00E+10 1,00E+12 1,00E+14 1,00E+16

Zeit in s

Temperatur–70 °C–65 °C–60 °C–55 °C–51 °C–48 °C–45 °C–42 °C–39 °C–35 °C–30 °C–25 °C–20 °C–10 °C– 0 °C

10 °C23 °C50 °C

100 °C

WLF

Arrhenius A ermittelte Werte

25

20

15

10

5

0

–5

–10

–15

–20Arrhenius B

–40 –20 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180

T – Tg in K

Ig (a

h)

E-M

od

ul in

MP

a

Master Curve fürRelaxations-E-Modul bei Tg

10 00,00

1 000,00

100,00

10,00

1,001,00E-04 1,00E-02 1,00E+00 1,00E+02 1,00E+04 1,00E+06 1,00E+08 1,00E+10 1,00E+12 1,00E+14 1,00E+16 1,00E+18 1·10–4 1·10–3 0,01 0,1 1 10 100 1·103 1·104 1·105 1·106 1·107 1·108 1·109 1·1010

Zeit in s

E-M

od

ul in

MP

a

1·104

1·103

100

10

1

Zeit in s

E-Modul in MPa

AnnäherungProny-Reihe N=11

Tg

–20

20150

Shift

Messwerte derSpannungsrelaxationsisothermen

1,00E-04 1,00E-02 1,00E+00 1,00E+02 1,00E+04 1,00E+06 1,00E+08 1,00E+10 1,00E+12 1,00E+14 1,00E+16Zeit in s

10 000,00

1 000,00

100,00

10,00

1,00

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die Konstanten der einzelnen Prony-Glieder bestimmt. Mittels der gefundenenShiftfunktionen kann die „Master Curve“nun zu anderen Temperaturen trans-formiert werden (Bild 11). Die Shift-funktionen wurden anhand der User-Subroutine „UTRS“ in ABAQUS imple-metiert. Anhand von zyklischen Zugversuchen an Proben bei unterschiedlichen Tempera-turen und verschiedenen Beanspruchungs-geschwindigkeiten wurde das visko-elastische Modell verifiziert (Bild 12).

3 Berechnungs-Beispiel„Zentralausrückerdichtring“

Zur Berechnung des Zentralausrücker-dichtringes wird ein axialsymmetrischesFE-Modell verwendet (Bild 13). Das Modellumfaßt den Dichtring, die Zylinder-wandungen, den Dichtringträger und dieKupplungssteifigkeit. Die Struktur desDichtringes besteht aus axialsymmetrischenHybrid-Elementen, während die umgeben-den Bauteile durch „Rigid Surfaces“abgebildet werden. Ein Federelementbeschreibt die Kupplungsfedercharak-teristik zusammen mit der Elastizität deraxial angrenzenden Bauteile.

Liegt hydraulischer Druck im System vor,wird die Dichtung mit Dichtringträger unddem Kolben auf die Kupplungstellerfedergedrückt. Dabei stehen stets Federkraft +Reibkraft + Massekräfte mit dem hydrau-lischen Druck im Gleichgewicht und esstellt sich ein der Federsteifigkeit entspre-chender Ausrückweg ein. Durch diedynamisch wirkende Druckbelastung wirdder Dichtring verformt. Die resultierendenPressungsverteilungen an den Gleit-flächen der Dichtung bestimmen denWirkungsgrad und die Gebrauchsdauerdes Systems.

Es wird deshalb die Dichtungsgeometrieso ausgelegt, daß der Pressungsverlaufunter Belastung nahezu dreiecksförmigist und druckseitig einen hohenPressungsgradienten aufweist. Dadurchwird beim Ausfahren des Ringkolbenseine gezielte Schleppleckage zur Schmie-rung der Dichtlippen erreicht, die beimEinfahren wieder eingezogen wird. Dies wird als „dynamische Dichtwirkung“bezeichnet [10]. Ein Vergleich desgerechneten Pressungsprofils mit denErgebnissen von Druckmessungen unterder Dichtlippe bei statischen Druck zeigteine sehr gute Übereinstimmung (Bild 14).

Bei niedrigen Temperaturen und hoherBeanspruchungsgeschwindigkeit formtsich die Dichtung weniger aus als beihohen Temperaturen und langsamerBetätigung (Bild 15). Neben einerVerschlechterung der hydrodynamischenSchmierungsparameter ist bei hohenTemperaturen bzw. niedrigen Betäti-gungsgeschwindigkeiten die Kontakt-fläche und die über den gesamten Hubintegrierte Pressung größer. Zusammenmit dem gummitypischen Reibverhalten,µ= f (Pressung, Temperatur,

Geschwindigkeit, Fläche),ergeben sich daraus wesentlich höhereReibkräfte, d.h. der Systemwirkungsgradwird schlechter. Folglich schwanken auchdie Betätigungskräfte mit den Betriebs-bedingungen, was als komfortminderndbewertet wird.Durch eine Kombination aus berech-nungsgestützter Geometrieooptimierungder Dichtung, durch Oberflächen-modifikation der Bauteile und versuchs-technischer Verifikation der Optimierungs-maßnahmen konnte ein robustesDichtsystem mit gleichzeitig gutem undnahezu konstantem Wirkungsgradentwickelt werden (Bilder 16 und 17).

6

Bild 13 FE-Modell: ZentralausrückerdichtringBild 12 Vergleich Steifigkeits-Hysterese

Bild 15 Einfluß von Temperatur und Geschwindigkeit auf dieDichtungsverformung

Bild 14 Vergleich Pressungsprofil

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,00,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50

2,5

2,0

1,5

1,0

0,5

0,00,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,45 0,50

Berechnung

Nominal-Spannung

in MPa

Messung

Nominal-Dehnung Nominal-Dehnung

Berechnung

Messung

Dehnungsgeschwindigkeit 1%/s Dehnungsgeschwindigkeit 100%/s

Dichtring

DR-Träger

Druck p(t)

Kupplungssteifigkeit

Gehäuse

Führungshülse

50 bar

Kontaktpressungin bar

25 bar

0 bar

–0,5 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5

60.

40.

20.

0.

Dichtungslänge in mm0 3,9

0 bar

25 bar

50 bar

MessungFEMMessungFEMMessungFEM

Verformung und Kontaktpressung bei 50 bar

schnelle Betätigungbei tiefen Temperaturen

langsame Betätigungbei hohen Temperaturen

Kontaktpressungin MPa

CPRESS VALUE+0,00 E+00+5,00 E–01+1,05 E+00+1,59 E+00+2,14 E+00+2,68 E+00+3,23 E+00+3,77 E+00+4,32 E+00+4,86 E+00+5,41 E+00+5,95 E+00+6,50 E+00+6,97 E+00

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4 SchlußbemerkungDie Komplexität der Elastomereigen-schaften setzt während der Entwick-lungsphase eine sehr enge interdisziplinäreZusammenarbeit mit den Dichtungs-zulieferern und verschiedenen internenBereichen voraus. Das dargestellte Beispielzeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus derArbeit zur Dichtungsentwicklung fürhydraulische Kupplungsausrücksystemebei INA Wälzlager Schaeffler oHG.Mit ABAQUS stand ein gutes Werkzeugzur rechnergestützten Dichtungsoptimie-rung zur Verfügung. Bei relativ geringenDehnungen kann in einem weiten Betriebs-bereich das viskoelastische Werkstoff-verhalten von Elastomeren hinreichendgenau mit dem verallgemeinertenMaxwell-Modell (linear-viskoelastisch),zusammen mit Shiftfunktionen zurBerücksichtigung der Temperatureffekte,beschrieben werden. Für die Bestimmungder notwendigen erforderlichen Werk-stoffkennwerte ist besonders auf eineausreichende und anwendungsgerechteKonditionierung der Proben zu achten.Viele Anregungen, die während derDichtungsentwicklung in Diskussionenmit der Fa. ABACOM entstanden sind,wurden in ABAQUS 5.8 bereits umge-setzt. Offen blieb der Wunsch nach einerMöglichkeit zum interaktivem „CurveFitting“ von gemessenen Materialdaten inABAQUS, den ich hier nochmals anführenmöchte.Das bei INA Wälzlager Schaeffler oHGentwickelte Kupplungsbetätigungssystemmit Zentralausrücker wird bereits seit eini-ger Zeit weltweit von verschiedenen Au-tomobilherstellern in Personenkraftwagenmit Erfolg verbaut. Seit Mitte 1999 gehörtder Bereich „Kupplungsausrücksysteme“zur Fa. LuK. LuK ist ebenfalls eine Firmader INA-Unternehmensgruppe.

Literaturverzeichnis[1] L. Mullins and N.R. Tobin

„Stress Softening in RubberVulcanizates“ Part I.Journal of Applied Polymer ScienceVol. 9. PP. 2993-3009 (1965)

[2] L.R.G Treloar„The Physics of Rubber Elasticity“Clarendon Press Oxford, 1975

[3] O.H. Yeoh„Some Forms of The Strain EnergyFunction For Rubber“, Paper presen-ted at the Meeting (Spring 93) of theRubber Division, American ChemicalSociety, Denver, Coloradeo

[4] Gert Strobl„The Physics of Polymers“Springer, 1997

[5] John D. Ferry„Viscoelastic Properties of Polymers“John Wiley & Sons, 1980

[6] Alan N. Gent„Engineering with Rubber“Hanser, 1992

[7] Dr. M. Achenbach, H. Stehmanns„Simulation of Time and TemperatureEffects of Elastomeric Materials“Fa. Parker-Prädifa, 1995

[8] Thies Timm„Erfahrungen mit der Anwendbarkeitder WLF-Gleichung zur Abschätzungder Relaxation von Elastomeren imlangzeitigen Einsatz“ Kautschuk und Gummi – Kunststoffe26. Jahrgang Nr. 4]1973

[9] Dr.-Ing. R. Welter, Dr.-Ing. A. Grunau„Hydraulische Kupplungsbetäti-gungssysteme mit Zentralausrücker“INA Wälzlager Schaeffler oHG, VDI-Vortragsreihe „Kupplungen inAntriebssystemen 1997“

[10] Jianjun Tao„Untersuchungen der physikalischenVorgänge im Dichtspalt und desReibverhaltens von Hydraulik-Stangendichtungen“ Dissertation RWTH Aachen, 1991

7

Bild 17 Ergebnis der DichtungsoptimierungBild 16 Dichtungsreibung

Autorenhinweis:Dipl.-Ing. (FH) Harald Peschke leitet dasReferat „Kunststoffbauteile“ in derTechnischen Berechnung im BereichProduktentwicklung bei INA WälzlagerSchaeffler oHG in Herzogenaurach.

rel. Reibarbeit

Ausgangsform

Temperatur

100%

90%

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%

Standardmit Gleitzusatz

geometrieoptimiertoberflächen-modifiziert

150 °C

120 °C

80 °C

20 °C

geometrieoptimiert+

oberflächenoptimiert

optimiertes Design

rel. Beanspruchung rel. Reibverlust

rel. Hubverlust1

23

1,000,900,800,700,600,500,400,300,200,100,00

Ausgangsgeometrie

optimierte Variante

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Sac

h-N

r. 0

05-5

04-3

84/S

VE

D-D

119

91 ●●

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any

INA Wälzlager Schaeffler oHG

91072 HerzogenaurachTelefon (0 91 32) 82-0Telefax (0 91 32) 82-49 50http://www.ina.com