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1 Workcamp Bratislava Freizeitaktivitäten für Menschen mit Behinderung Das Workcamp in Bratislava war mein fünftes Workcamp, allerdings mein erstes mit einem Arbeitspro- jekt im sozialen Bereich. Ich hatte mir es vor allem aufgrund des Projekts ausgesucht. Vor meiner Teil- nahme an dem Workcamp hatte ich noch keine intensivere Erfahrung im Bereich der Arbeit mit Men- schen mit Behinderung. Camport Bratislava ist die Hauptstadt der Slowakei und mit etwa 417.000 Einwohnern auch die größte Stadt des Landes. Die Stadt wird von der Donau durchquert. Das Wahrzeichen der Stadt ist eine Burg mit vier Türmen. Diese ist auch eines der Bildmotive der slowakischen Euromünzen. In der Altstadt gibt es his- torische Gebäude, wie das alte Rathaus und Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, jedoch prägt auch moderne Architektur das Stadtbild. Gruppe Unsere Gruppe war relativ klein. Sie bestand aus sechs Teilnehmenden und ein bis zwei Campleitun- gen. Die Teilnehmer kamen aus der Türkei, aus Irland, aus England, aus Wales und aus Deutschland. Keiner der Teilnehmer kannte sich im Voraus, alle reisten alleine an. Die jüngste Teilnehmerin war 21 Jahre alt, der älteste Teilnehmer 67. Unsere Campleitung bestand ursprünglich aus einem Slowaken (18 Jahre alt) und einer Serbin (23 Jahre alt), die zum Zeitpunkt des Camps allerdings schon seit sieben Monaten in Bratislava lebte, um dort ihren Europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Sie konnte auch ganz gut Slowakisch und kannte den lokalen Partner von Projekten im Rahmen ihres Freiwilligen- dienstes bereits vor dem Camp. Der slowakische Campleiter musste das Camp aus gesundheitlichen Gründen schon nach wenigen Tagen ver- lassen. Es wurde versucht, spontan für ihn einen Ersatz zu organisieren und zumin- dest für einige Tage konnte eine Italienerin (28 Jahre alt), die ebenso ihren Europäi- schen Freiwilligendienst bei der slowaki- schen Partnerorganisation leistete, zur Un- terstützung anreisen. Wir hatten dann nie- manden mehr im Camp, dessen Mutter- sprache Slowakisch war und wir hatten zeitweise auch nur eine Campleiterin, die viele Dinge alleine organisieren musste. Dennoch kamen wir gut zurecht.

Slowakei 2014

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Erfahrungsbericht aus dem Workcamp "Integra centre" 2014 in Bratislava

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Workcamp Bratislava

Freizeitaktivitäten für Menschen mit Behinderung

Das Workcamp in Bratislava war mein fünftes Workcamp, allerdings mein erstes mit einem Arbeitspro-

jekt im sozialen Bereich. Ich hatte mir es vor allem aufgrund des Projekts ausgesucht. Vor meiner Teil-

nahme an dem Workcamp hatte ich noch keine intensivere Erfahrung im Bereich der Arbeit mit Men-

schen mit Behinderung.

Camport

Bratislava ist die Hauptstadt der Slowakei und mit etwa 417.000 Einwohnern auch die größte Stadt des

Landes. Die Stadt wird von der Donau durchquert. Das Wahrzeichen der Stadt ist eine Burg mit vier

Türmen. Diese ist auch eines der Bildmotive der slowakischen Euromünzen. In der Altstadt gibt es his-

torische Gebäude, wie das alte Rathaus und Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, jedoch prägt

auch moderne Architektur das Stadtbild.

Gruppe

Unsere Gruppe war relativ klein. Sie bestand aus sechs Teilnehmenden und ein bis zwei Campleitun-

gen. Die Teilnehmer kamen aus der Türkei, aus Irland, aus England, aus Wales und aus Deutschland.

Keiner der Teilnehmer kannte sich im Voraus, alle reisten alleine an. Die jüngste Teilnehmerin war 21

Jahre alt, der älteste Teilnehmer 67. Unsere Campleitung bestand ursprünglich aus einem Slowaken

(18 Jahre alt) und einer Serbin (23 Jahre alt), die zum Zeitpunkt des Camps allerdings schon seit sieben

Monaten in Bratislava lebte, um dort ihren Europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Sie konnte

auch ganz gut Slowakisch und kannte den lokalen Partner von Projekten im Rahmen ihres Freiwilligen-

dienstes bereits vor dem Camp. Der slowakische Campleiter musste das Camp aus gesundheitlichen

Gründen schon nach wenigen Tagen ver-

lassen. Es wurde versucht, spontan für ihn

einen Ersatz zu organisieren und zumin-

dest für einige Tage konnte eine Italienerin

(28 Jahre alt), die ebenso ihren Europäi-

schen Freiwilligendienst bei der slowaki-

schen Partnerorganisation leistete, zur Un-

terstützung anreisen. Wir hatten dann nie-

manden mehr im Camp, dessen Mutter-

sprache Slowakisch war und wir hatten

zeitweise auch nur eine Campleiterin, die

viele Dinge alleine organisieren musste.

Dennoch kamen wir gut zurecht.

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Projektpartner

Unser Projektpartner vor Ort war ein Heim für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderun-

gen (DSS Integra), in dem 38 Klienten entweder nur tagsüber betreut werden oder ständig wohnen

und auch gepflegt werden. Die meisten Klienten benutzen einen Rollstuhl und haben zusätzlich eine

geistige Behinderung. Viele können kaum oder gar nicht sprechen, wobei ihr Sprachverständnis erhal-

ten ist. Das Betreuungspersonal besteht aus Krankenpflegern, Physiotherapeuten, Sozialarbeiten,

Psychologen, Pädagogen und einer Kunsttherapeutin. Seit 2005 ist DSS Integra ständiger Projekt-

partner der slowakischen Partnerorganisation und lädt jeden Sommer ein Workcamp ein.

Arbeitsprojekt

Unsere Arbeit bestand darin, Freizeitaktivitäten für die Klienten

vorzubereiten und mit der Unterstützung des Personals durchzu-

führen. Die Zeit morgens zwischen 8:00 Uhr und 11:30 Uhr ver-

brachten wir mit den Klienten, nachmittags fand die Planung und

Vorbereitung des nächsten Tags statt. Gemeinsam überlegten wir

uns Gruppenaktivitäten und bereiteten Materialien vor. Da wir mit

den Planungen auch meist schnell vorankamen, blieb uns neben

der Arbeit auch viel Freizeit.

Bei den Aktivitäten am Morgen nahmen immer etwa 15 Klienten

teil, jedoch war die Gruppenzusammensetzung jeden Tag eine an-

dere. Wir spielten, bastelten, backten Kekse mit den Klienten und

da sie Musik mochten, sangen und tanzten wir gemeinsam.

Wir organisierten zum Beispiel Ratespiele (Tiergeräusche und Tierspuren erkennen, Gegenständen aus

verschiedenen Ländern ihre Herkunft zuordnen), Spiele für die Sinne (Gerüche erkennen, Gegenstände

ertasten) und Bewegungsspiele (blinde Kuh, kegeln, Fußball, Slalomrennen). An einem Tag standen alle

Spiele unter dem Motto „Indianer“. Wir bastelten an dem Tag mit den Klienten auch ein Indianerkos-

tüm und schminkten ihre Gesichter bunt.

Zu den besonderen Highlights zählten für die Klienten ein Grillfest sowie Ausflüge in ein Verkehrsmu-

seum und an einen See, an dem wir einen kleinen Spaziergang machten und ein Café besuchten.

Das Personal des DSS Integra war im Allgemeinen aufgeschlossen. Einer der Angestellten konnte sehr

gut Englisch und übersetzte häufig für uns. Einige andere beherrschten einige Grundlagen oder waren

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ansonsten kreativ und bemüht, auch mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Manche von uns ha-

ben sich auch einige Floskeln auf Slowakisch angeeignet.

Zur Erklärung der Spiele und bei weiteren Vereinbarungen und Anliegen waren der Mitarbeiter mit

guten Englischkenntnissen und unsere Campleiterin mit ihren Slowakischkenntnissen unverzichtbar.

Die Angestellten des DSS Integra waren während der Arbeit sehr hilfsbereit und so waren sie immer

da, wenn wir Verständigungsschwierigkeiten mit Klienten hatten, Probleme mit der Bedienung eines

Rollstuhls oder wenn wir Materialien brauchten.

Unterkunft

Unsere Unterkunft war, verglichen mit dem, was ich bereits aus anderen Camps kannte, recht luxuriös.

Wir übernachteten und lebten in der gleichen Einrichtung, in der wir auch arbeiteten und in der die

Klienten leben. Allerdings hatten wir für unsere Gruppe einen eigenen Flügel im Gebäude zur Verfü-

gung, sodass wir niemanden störten. In diesem Gebäudeteil hatten wir unseren Schlafraum, der vom

lokalen Partner mit Luftmatratzen und Bettwäsche ausgestattet wurde, unseren Aufenthaltsraum mit

einer „Küche“, die dort für uns eingerichtet worden war, und ein Badezimmer mit einer Dusche, einer

Toilette und einem Waschbecken. Der vom Schlafraum abgetrennte Aufenthaltsraum hatte den Vor-

teil, dass manche noch länger aufbleiben konnten, während andere ungestört schlafen konnten.

Verpflegung

Frühstück und Mittagessen wurden für uns vom Küchenteam

der Einrichtung vorbereitet. Sehr positiv war, dass eine vege-

tarische Versorgung möglich war. Für das Abendessen hat die

Campgruppe selber eingekauft und gekocht. Aufgrund unse-

rer sehr einfach eingerichteten Küche kochten wir auch ein-

fache Gerichte, was aber für meinen Geschmack völlig aus-

reichte und auch wirklich sehr lecker war.

Freizeit

Unsere Campleitung machte häufig Vorschläge für Ausflüge oder sonstige Ak-

tivitäten. Wir als Gruppe hatten viele Optionen, aus denen wir wählen konn-

ten, und auch wir konnten Vorschläge machen und Wünsche äußern. Es lag

dann an jedem Einzelnen zu entscheiden, ob er teilnehmen wollte oder nicht,

wobei unsere Campleitung sehr darauf bedacht war, dass das Angebot auch

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wirklich offen für alle, die mitkommen wollten, war, indem

sie darauf achtete, dass Ausflüge vom Campbudget bezahlt

werden konnten oder kein (nur ein sehr kleiner) finanzieller

Aufwand entstand.

Wir nahmen an einer Stadtführung teil, machten einen Aus-

flug zur Burg Bratislava, zur Residenz des Präsidenten, zu ei-

nem Kriegerdenkmal über der Stadt (Slavín), einem Folk-

lore-Festival, einem Vegan-Festival, wir waren Slowakisch

essen, besuchten eine Brauerei, nahmen an einem Treffen

für Menschen aus anderen Ländern, die in Bratislava leben,

teil, waren in einem See schwimmen, machten einen Aus-

flug ins Thermalbad, besuchten unsere Campleitung in ihrer

Wohnung in Bratislava und aßen dort Pizza, machten Spa-

ziergänge und schauten abends Filme.

Man kann an der Aufzählung erkennen, dass unsere Freizeit

sehr abwechslungsreich gestaltet war und dass wir viel von

Bratislava gesehen und mitbekommen haben.

In einer größeren Stadt wie Bratislava gibt es natürlich im Gegensatz zu dem in kleinen Orten ein be-

deutend besser ausgebautes Verkehrsnetz (öffentlicher Nahverkehr), sodass die Organisation von

Transportmitteln für Ausflüge keine Schwierigkeit darstellte. In meinen Augen ein Nachteil war aber,

dass es dadurch auch für jeden Einzelnen von uns einfacher war, etwas für sich alleine zu organisieren,

mobil und flexibel zu sein und dass sich dadurch und auch durch das große kulturelle Angebot, das

Städte zu bieten haben, eher Leute von der Gruppe abspalteten und wir trotz der Anstrengungen der

Campleitung, jedem die Teilnahme an Aktivitäten zu ermöglichen, nur selten mit der gesamten Gruppe

und manchmal auch nur höchstens zu dritt unterwegs waren. Man kann natürlich auch niemanden zur

Teilnahme zwingen. Auch wenn ich es etwas schade fand, dass wir nicht so viel in der gesamten Gruppe

unternahmen, genoss ich die Aktivitäten und die Zeit mit denen, die dabei waren.

Feast of Cultures

Für die Klienten, deren Familien und natürlich das Personal gestalteten wir am letzten Arbeitstag einen

internationalen Nachmittag. Jeder von uns stellte sein Land anhand einer Bilderpräsentation, traditio-

neller Musik oder anhand mitgebrachter Gegenstände (Münzen und Scheine, Maskottchen, Landkar-

ten, Flaggen) vor. Anschließend gab es ein kleines Buffet. Zur Organisation der Feier kam uns der Pro-

jektpartner sehr entgegen, indem wir morgens kein Programm für die Klienten bereitstellen mussten.

Einige der Klienten wurden dennoch bei der Vorbereitung des Essens und der Dekoration einbezogen,

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was ihnen sichtlich große Freude bereitete. Der internationale Nachmittag war eine tolle Gelegenheit,

die Klienten mit ihren Angehörigen zu sehen und zu erleben und außerdem stellte er ein schönes

Programm zum Abschied dar.

Fazit

Insgesamt waren meine erste Arbeitserfahrung mit Menschen mit Behinderung und das internationale

Workcamp in Bratislava sehr positive Erfahrungen für mich und ich hatte eine gute Zeit dort. Ich habe

nette Menschen aus ganz Europa kennengelernt und nehme einige neue Ideen und Gedanken aus dem

Camp mit. Das Personal bei DSS Integra hat mich sehr beeindruckt. Die Angestellten sind mit viel Herz-

blut bei der Arbeit und strengen sich wirklich an, damit sich die Klienten dort wohlfühlen. Das Work-

camp konnte in diesem Rahmen zu etwas Abwechslung im Alltag der Klienten beitragen, die Klienten

freuten sich über neue Ideen und internationale Bekanntschaften und auch Ausflüge sind mit mehr

„Personal“ einfacher und mit mehr Teilnehmern als gewöhnlich durchzuführen. Bei der Arbeit habe

ich gelernt, dass sehr viele Dinge (Spiele, kochen, basteln usw.) in Gruppen mit Menschen mit Behin-

derung umsetzbar sind, wenn man sie nur ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten anpasst und lernt, kre-

ativ und spontan zu sein.