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SICHERUNGSTECHNIK 36 s+s report 2 / 2018 Smart Home und Versicherungsrecht schutz offenbaren. Nicht zuletzt fürchtet manch einer schon den An- griff der hochvernetzten Kühl- schränke.“ Zugegebenermaßen ha- be ich diese Ausführungen nicht verstanden. Was ist eine „drei- dimensionale Potenzial-Analyse“? Was hat eine Tiefenpsychologie, die üblicherweise auf Sigmund Freud zurückgeführt wird, mit Big Data zu tun? Und die wichtigste Frage: Um was für einen „Angriff der hochver- netzten Kühlschränke“ soll es ge- hen? [1] Diese Fragen werden wohl offenbleiben. Das smarte Zuhause berührt die Nahtstelle verschiedener Rechts- gebiete, angefangen beim Daten- schutzrecht [2], über das Versiche- rungsrecht [3] bis hin zum Straf- recht [4], aber es gibt auch Berüh- rungen zum Aufsichtsrecht und zum allgemeinen Zivilrecht [5]. Vor- liegend geht es um versicherungs- vertragsrechtliche Fragestellungen, die (auch) das Smart Home durch- aus bietet. Die Frage, ob bzw. in welchem Vertrag Smart-Home-Komponen- ten versichert sind, hat eine eher ge- ringe Bedeutung. Diese Systeme können durch eine feste Verbin- dung Gebäudebestandteil gem. A § 5 Ziff. 1, 2 d VGB 2010 geworden sein. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie z. B. bei einer fest eingebau- ten Einbruchmeldeanlage oder bei sonstiger Haustechnik. [6] In der Regel werden gegenwärtig Smart-Home-Komponenten in be- stehende Gebäude nur nachgerüs- tet, die weiter aufgrund ihrer Mobi- lität zur Hausratversicherung gehö- ren. Auch wenn z. B. ein Mieter Smart-Home-Komponenten in das Gebäude fest einfügt, kann gleich- wohl eine VHB-Deckung nach A § 6 Ziff. 2 c aa VHB 2010 bestehen. [7] In- des erscheint es vorzugswürdig, in Hausratversicherungsverträgen ei- ne neue Klausel aufzunehmen, wo- nach alle Smart-Home-Komponen- ten versichert sind. Ferner erscheint es sinnvoll, in der Hausratversiche- rung die Datenrettungs- bzw. Da- tenwiederherstellungsklausel zu vereinbaren. Noch besser ist es, Smart-Home- Komponenten im Rahmen einer neuen Cyber-Versicherung auch im Privatkundenbereich anzubieten. Das hat den Vorteil, dass dann eine All-Risk-Deckung besteht und grundsätzlich auch Hacker-Angrif- fe, die keinen Sachschaden hinter- lassen, gedeckt sind, da in den VHB ein Ausschluss für Daten und Pro- gramme vereinbart ist. [8] Das Thema Internet of Things (IoT), intelligentes Wohnen, Smart Home & Co. treibt verschiedenste Anbieter um, auch die Sachversicherer. Die Anzahl der Beiträge zu Smart Home steht in reziprokem Verhältnis zum Erkenntnis- gewinn, bis hin zu Artikel über angreifende Kühl- schränke, die sich fast wie Drehbücher von Horror- filmen lesen. So endete z. B. ein Bericht im Versi- cherungsJournal zum Thema Smart Home: „Am Anfang aller unterneh- merischen Bemühungen indes soll- te eine – jetzt möglichst dreidimen- sionale – Potenzial-Analyse erfol- gen. Tiefenpsychologie kann hier schon einmal auf Big Data treffen und beim potenziellen Kunden manch Vorbehalt in Sachen Daten- Der Einsatz moderner Haustechnik wirft versicherungsrechtliche Fragen auf AUTOR: PROF. DR. DIRK-CARSTEN GÜNTHER Smart Home verknüpft ver- schiedenste Bereiche des Hauses und soll für mehr Kom- fort und Sicher- heit sorgen (Bild: Fotolia) Smart Home als versicherte Sachen in der Hausrat-, Gebäude- und Cyberversicherung

Smart Home und Versicherungsrecht - bld.de · Vertrag Smart-Home-Komponen-ten versichert sind, hat eine eher ge-ringe Bedeutung. Diese Systeme können durch eine feste Verbin-dung

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Smart Home und Versicherungsrecht

schutz offenbaren. Nicht zuletztfürchtet manch einer schon den An-griff der hochvernetzten Kühl-schränke.“ Zugegebenermaßen ha-be ich diese Ausführungen nichtverstanden. Was ist eine „drei-dimensionale Potenzial-Analyse“?Was hat eine Tiefenpsychologie, dieüblicherweise auf Sigmund Freudzurückgeführt wird, mit Big Data zutun? Und die wichtigste Frage: Umwas für einen „Angriff der hochver-netzten Kühlschränke“ soll es ge-hen? [1] Diese Fragen werden wohloffenbleiben.

Das smarte Zuhause berührt dieNahtstelle verschiedener Rechts-gebiete, angefangen beim Daten-schutzrecht [2], über das Versiche-rungsrecht [3] bis hin zum Straf-recht [4], aber es gibt auch Berüh-rungen zum Aufsichtsrecht undzum allgemeinen Zivilrecht [5]. Vor-liegend geht es um versicherungs-vertragsrechtliche Fragestellungen,die (auch) das Smart Home durch-aus bietet.

Die Frage, ob bzw. in welchem Vertrag Smart-Home-Komponen-ten versichert sind, hat eine eher ge-ringe Bedeutung. Diese Systemekönnen durch eine feste Verbin-dung Gebäudebestandteil gem. A § 5Ziff. 1, 2 d VGB 2010 geworden sein.Hier gelten die gleichen Grundsätzewie z. B. bei einer fest eingebau-ten Einbruchmeldeanlage oder beisonstiger Haustechnik. [6]

In der Regel werden gegenwärtigSmart-Home-Komponenten in be-stehende Gebäude nur nachgerüs-tet, die weiter aufgrund ihrer Mobi-lität zur Hausratversicherung gehö-ren. Auch wenn z. B. ein MieterSmart-Home-Komponenten in dasGebäude fest einfügt, kann gleich-wohl eine VHB-Deckung nach A § 6Ziff. 2 c aa VHB 2010 bestehen. [7] In-des erscheint es vorzugswürdig, inHausratversicherungsverträgen ei-ne neue Klausel aufzunehmen, wo-nach alle Smart-Home-Komponen-ten versichert sind. Ferner erscheintes sinnvoll, in der Hausratversiche-rung die Datenrettungs- bzw. Da-tenwiederherstellungsklausel zuvereinbaren.

Noch besser ist es, Smart-Home-Komponenten im Rahmen einerneuen Cyber-Versicherung auch imPrivatkundenbereich anzubieten.Das hat den Vorteil, dass dann eine All-Risk-Deckung besteht undgrundsätzlich auch Hacker-Angrif-fe, die keinen Sachschaden hinter-lassen, gedeckt sind, da in den VHBein Ausschluss für Daten und Pro-gramme vereinbart ist. [8]

Das Thema Internet ofThings (IoT), intelligentesWohnen, Smart Home & Co. treibt verschiedensteAnbieter um, auch die Sachversicherer. Die Anzahlder Beiträge zu SmartHome steht in reziprokemVerhältnis zum Erkenntnis-gewinn, bis hin zu Artikelüber angreifende Kühl-schränke, die sich fast wie Drehbücher von Horror-filmen lesen. So endete z. B. ein Bericht im Versi-cherungsJournal zum Thema SmartHome: „Am Anfang aller unterneh-merischen Bemühungen indes soll-te eine – jetzt möglichst dreidimen-sionale – Potenzial-Analyse erfol-gen. Tiefenpsychologie kann hierschon einmal auf Big Data treffenund beim potenziellen Kundenmanch Vorbehalt in Sachen Daten-

Der Einsatz moderner Haustechnik wirft versicherungsrechtliche Fragen auf

AUTOR: PROF. DR. DIRK-CARSTEN GÜNTHER

Smart Homeverknüpft ver-

schiedenste Bereiche des

Hauses und sollfür mehr Kom-

fort und Sicher-heit sorgen

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Smart Home als versicherte Sachen in der Hausrat-, Gebäude- und Cyberversicherung

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Installation und Betrieb eines SmartHome könnten eine Gefahrerhö-hung im Sinne des § 23 VVG darstel-len, und zwar eine subjektive Ge-fahrerhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG.Ansatzpunkt ist die Eröffnung einerneuen Gefahrenquelle. Durch die In-stallation eines Smart Home kannes digitale Gefahren geben, die eszuvor nicht gab, wie z. B. das Eindrin-gen ohne Einbrechen durch Ausle-sung des WLAN, das Einschaltenfeuergefährlicher Geräte durch dasSmart Home bis hin zur Vergröße-rung der Gefahr eines Brandes auf-grund eines technischen Defekts al-lein durch die hohe Anzahl vonSmart-Home-Komponenten.

Gleichwohl liegt in der Einrich-tung von Smart-Home-Komponen-ten keine subjektive Gefahrerhö-hung gem. § 23 Abs. 1 VVG. Bei derFrage nach einer Gefahrerhöhungsind nicht isoliert die gefahrer-höhenden Umstände einzustellen,sondern im Rahmen einer Gesamt-bewertung auch die gefahrmin-dernden. Nur wenn eine Abwägungergibt, dass die gefahrerhöhendenUmstände durch die gefahrmin-dernden nicht kompensiert werden,kann begrifflich eine Gefahrerhö-hung vorliegen. [9] Diese Abwä-gung fällt – eindeutig – zugunstendes Smart Home aus. Dieses dient ja nicht nur der Bequemlichkeit des Bewohners, sondern es sollen Schadenfälle entweder vollständigverhindert (z. B. automatisches Aus-schalten eines vergessenen Bügel-eisens) oder jedenfalls in ihren Auswirkungen stark vermindertwerden (wie z. B. durch die rascheDetektion eines Leitungswasser-austritts). Hier ist die Installation ei-nes Smart Home trotz einzelner ge-fahrerhöhender Umstände im Er-gebnis keine Gefahrerhöhung,sondern im Gegenteil eine deutlicheGefahrminderung.

Anderes kann bei einer ungenügen-den Absicherung des Smart Homegelten.

Der BGH hat zwar die Haftung einesWLAN-Anschlussinhabers für Ur-heberechtsverletzungen abgelehnt,

wenn dieser die im Kaufzeitpunktmarktüblichen Sicherungen instal-liert hat. [10] Diese recht großzügigeAuffassung des BGH kann allerdingsauf den Bereich der Sachversiche-rung nicht übertragen werden. Indem vom BGH zu beurteilenden Fallgab es keine Vertragsbeziehungenzwischen den Parteien. Aufgrunddes zwischen dem Sachversichererund dem Bewohner bestehendenVertragsverhältnisses in Form desVersicherungsvertrages trifft diesnicht zu und dort gilt ein andererZweck und eine andere Zielrichtung.Es ist vielmehr zu fragen, was von ei-nem durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer redlicherweise ver-langt werden kann und was für ihnzumutbar ist, um das Verhältniszwischen Risiko und Prämie ins Lotzu bringen. [11] Dabei dürfen die An-forderungen an den Versicherungs-nehmer nicht überspannt werden,dieser ist schließlich kein IT-Techni-ker. Auf der anderen Seite liegt eineGefahrerhöhung vor, wenn der Be-nutzer der Smart-Home-Kompo-nenten es einem potenziellen Täterzu einfach macht. Dies ist insbeson-dere der Fall, wenn er die Siche-rungssoftware nicht oder in deut-lich zu großen Abständen aktuali-siert, z. B. indem automatischeUpdates von Patches auf demRouter deaktiviert oder zu einfachePasswörter verwendet oder diese anDritte (z. B. Gäste) weitergegebenwerden. [12]

Das Unterlassen derartiger grundle-gender Sicherheitsanforderungenkann zwar keine subjektive Gefahr-erhöhung gem. § 23 Abs. 1 VVG sein.Nach h. M. kann eine „Vornahme“

im Sinne von § 23 Abs. 1 VVG nämlichnicht durch ein Unterlassen erfol-gen. [13] In diesen Fällen bleibt aberder Rückgriff auf eine objektive Ge-fahrerhöhung gem. § 23 Abs. 3 VVGmit der Folge einer Anzeigeoblie-genheit gem. § 26 Abs. 2 VVG offen,da nicht selten neben einer subjek-tiven auch eine objektive Gefahrer-höhung vorliegt.

Zur Frage, wann von einer Gefahrer-höhung auszugehen ist, kann imGrundsatz auf die Rechtsprechungzu ungenügenden physischen Siche-rungen in der Sachversicherung zurückgegriffen werden, wie dies z. B. bei defekten Schlössern [14],verlorenem Schlüssel [15] oder einerfunktionsuntüchtigen Einbruch-meldeanlage [16] der Fall ist.

Eine typische Fallkonstellation inder Sachversicherung, bei der eineGefahrerhöhung bejaht wird, ist derlängerfristige und nicht angezeigteLeerstand, insbesondere wenn wei-tere gefahrerhöhende Umständehinzukommen. [17] In der Hausrat-versicherung wird eine Gefahrerhö-hung angenommen, wenn die Woh-nung länger als 60 Tage nicht be-aufsichtigt wird. [18] Ein SmartHome, so gut es technisch auch seinmag, stellt keine „Beaufsichtigung“dar. Rein sprachlich kann eine „Auf-sicht“ nur durch Menschen erfol-gen, zumal in den AVB üblicherwei-se geregelt ist, dass sich währendder Nacht eine dazu berechtigtevolljährige Person in dem Versiche-rungsort aufhalten muss. Ähnlichesgilt für die Frage eines „Bewohners“.Auch dies ist durch Smart-Home-Komponenten nicht möglich. [19] In

Die Absicherungdes WLAN-Routers spieltauch bei rechtli-chen Fragen zu Smart Home eine wichtigeRolle(Bild: Fotolia)

Smart Homeals Gefahrerhöhung

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Betracht käme nur eine analoge An-wendung. AVB dürfen jedoch ausrechtsdogmatischen Gründen, an-ders als Gesetze, nicht analog ange-wendet werden, da dem durch-schnittlichen Versicherungsnehmerdie juristische Methodenlehre mitihren Möglichkeiten z. B. der Analo-gie oder der teleologischen Redukti-on nicht bekannt sind. [20] Es er-scheint jedoch sinnvoll, die VHB an-zupassen und das Smart Home einer„Beaufsichtigung“ gleichzustellen,wenn die Smart-Home-Komponen-ten ihrer technischen Funktionalitätnach einer menschlichen Aufsichtgleichwertig sind, sowohl was dieVerhinderung als auch die zeitnaheEntdeckung und Minderung desSchadens angeht.

Das Betreiben eines Smart Homewird mit der grob fahrlässigen Her-beiführung des Versicherungsfallsgem. § 81 Abs. 2 VVG in Verbindunggebracht. Es werden diverse Szena-rien angeführt, bei denen dies derFall sein soll. Bei Lichte betrachtetdürften die Fälle, bei denen es erstdurch ein Smart Home zu einemSchaden kommt, eher theoretischerNatur sein, in der Praxis kaum vor-kommen und erst recht für die Tari-fierung und Prämienkalkulation inder Sachversicherung, jedenfalls imPrivatkundengeschäft, keine Rollespielen.

Wenn im Einzelfall doch ein solchesSchadensszenario eintritt, wärendie Voraussetzungen des § 81 Abs. 2VVG zu prüfen.

Beispiel: Der Versicherungsnehmerist Besitzer einer Sauna, die er au-ßerhalb des Versicherungsortesmittels einer App fernsteuern kann,z. B. wenn er von seinem Büro ausdie Sauna anstellt, damit sie bei sei-nem Eintreffen zu Hause bereits diegewünschte Temperatur hat. Lag je-doch z. B. zuvor ein Handtuch aufdem Saunaofen und entzündet sichdieses und kommt es zu einemBrand, der vom Versicherungsneh-mer aufgrund seiner Ortsabwesen-heit beim Aktivieren der Sauna erst

bei seinem Eintreffen bemerkt wird,könnte eine grob fahrlässige Her-beiführung des Versicherungsfallsgem. § 81 Abs. 2 VVG gegeben sein.

Stellt man auf das auf dem Sauna-ofen liegende Handtuch ab, ist diegrobe Fahrlässigkeit i. S. d. § 81 Abs.2 VVG zu bejahen [21], führt aller-dings nicht zu einer Kürzung, wenndiese Handlung nicht durch denVersicherungsnehmer selber erfolg-te, sondern durch eine Person, derenVerschulden er sich nicht zurechnenlassen muss, was selbst bei engenFamilienmitgliedern mangels Re-präsentantenstellung grundsätz-lich nicht der Fall ist. [22] Das Akti-vieren des Saunaofens aus der Fernekönnte jedoch grob fahrlässig gem.§ 81 Abs. 2 VVG sein, da keinerleiKontrollmöglichkeiten vor Ort be-stehen. Ob dies allerdings beson-ders sorglos und damit grob fahrläs-sig gem. § 81 Abs. 2 VVG ist, erscheintzweifelhaft, dient doch diese Smart-Home-Komponente gerade dazu,aus der Ferne angesteuert zu wer-den. Hier wird man den Versiche-rungsnehmer nur dann den Vorwurfeiner groben Fahrlässigkeit machenkönnen, wenn dieser entweder imZuge der Errichtung der Sauna voneinem Unternehmer auf diese Ge-fahren ausdrücklich hingewiesenwurde, entsprechende Warnhin-weise z. B. im Bereich der Sauna-steuerung durch Piktogramme o. a.angebracht oder deutliche Hinwei-se in den Bedienungsanleitungenenthalten sind.

Wenn entsprechende Hinweisenicht erfolgt sind, wird der Sachver-sicherer prüfen, ob ihm gem. § 86Abs. 1 VVG auf ihn übergegange-ne Schadensersatzansprüche gegenden Hersteller der Sauna, den Hand-werker, der die Sauna installiert hat,und/oder gegen den Softwareent-wickler zustehen. [23]

Smart-Home-Komponenten könn-ten den Versicherungsnehmer un-terstützen, seine Sicherheitsoblie-genheiten gegenüber dem Versi-cherer einzuhalten.

Dies gilt z. B. für die in nahezu allenSachversicherungsverträgen ent-haltenen Obliegenheiten zur Frost-vorsorge, indem während der kaltenJahreszeit der Versicherungsneh-mer das Gebäude beheizt und diesgenügend häufig kontrolliert oderdie wasserführenden Anlagen ab-sperrt. [24] Die Beheizung eines Ge-bäudes durch ein Smart Home isttechnisch kein Problem, sonderneher die Frage, ob eine menschlichedurch eine technische Kontrolle er-setzt werden kann. Die Hausrat-und Wohngebäudeversicherungs-bedingungen verlangen nach ihremWortlaut nicht zwingend eine Kon-trolle durch einen Menschen. DerBegriff „Kontrolle“ lässt beide Mög-lichkeiten offen. [25] Eine „Kontrol-le“ im Sinne von A § 16 Ziffer 1c) VGB2010 durch ein Smart Home muss je-doch einer menschlichen Kontrollegleichwertig sein, wobei der Ausfallder Kontrolle durch einen Defekt amSmart Home möglich ist. Der Versi-cherungsnehmer (VN) darf daherdie „Kontrolle“ nicht vollständig aufsein Smart Home delegieren. Es ver-bleibt noch die Obliegenheit zu ei-ner „Restkontrolle“ durch den VN,insbesondere indem er, wenngleichin größeren Abständen, sich von derFunktionstüchtigkeit des SmartHome vergewissert. Ähnliches giltfür die weiteren Obliegenheiten innicht genutzten Gebäuden. [26]

Vorzugswürdig ist die Vereinbarungspezieller vertraglicher Sicherheits-obliegenheiten im Sinne von § 28Abs. 1 VVG. Aus Sicht des Sachversi-cherers besteht die Problematik,dass üblicherweise der Versiche-rungsnehmer selbst die Smart-Home-Komponenten installiert undin Betrieb nimmt. Der Versicherererteilt hierfür womöglich eine Prä-mienreduktion, gibt Zuschüsse fürden Erwerb der Smart-Home-Kom-ponenten oder weitere Benefits wieAssistance-Dienstleistungen. Be-reits bei der Installation der Smart-Home-Komponenten kann der Ver-sicherungsnehmer jedoch Fehlerbegehen, ebenso bei der Wartung,angefangen bei dem fehlendenAustausch von Batterien bei nichtan das Stromnetz angeschlossenenSmart-Home-Komponenten. Eben-so kann es zum Ausfall oder Mängeln am Smart Home kom-

Der Autor dieses Beitrags, Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther,ist Partner bei BLD Bach LangheidDallmayr Rechts-anwälte Partner-schaftsgesell-schaft mbB undInhaber des Lehr-stuhls für Sachver-sicherung undspecial lines an derTH Köln.Kontakt:[email protected]

Smart Home und die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls

Smart Home und dieErfüllung von Sicherheitsobliegenheiten

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men, wenn der Versicherungsneh-mer nach einem Umzug die Smart-Home-Komponenten entwe-der nicht mitnimmt oder nicht andie neuen Örtlichkeiten anpasst. Eserscheint daher geboten, in Smart-Home-Versicherungsverträgen einevertragliche Sicherheitsobliegen-heit bezüglich Aktivierung, Sicher-heitsstandards, Wartung und Be-seitigung von Störungen der Smart-Home-Komponenten aufzu-nehmen. Entsprechende Vorbildergibt es in der Sachversicherungdurchaus, z. B. bei den Sicherheits-obliegenheiten für Datensiche-rungsklauseln oder bei den Klauselnfür Einbruchmeldeanlagen. [27]

Im Rahmen der Einbruchdiebstahl-versicherung gilt nach ständigerRechtsprechung des BGH das soge-nannte 3-Stufen-Modell. [28] ImRahmen dieses Beweismodells mitseinen wechselseitigen Beweiser-leichterungen hat der Versiche-rungsnehmer auf der ersten Stufegenügende Einbruchspuren nachzu-weisen. [29]

Bei der Infiltration eines mobilenDevices oder Auslesen eines WLAN-Passwortes besteht die Gefahr, dassder Täter „einfach so“ Türen undFenster öffnen und eine Einbruch-meldeanlage ausschalten kann. Ein-bruchspuren an der physischen Au-ßenhaut gibt es dann nicht. AufGrundlage der o. g. Rechtsprechungbliebe der Versicherungsnehmer al-so grundsätzlich beweisfällig, erkönnte das äußere Bild des Ein-bruchdiebstahls nicht nachweisen.

In diesen Fällen der fehlenden visu-ell wahrnehmbaren Einbruchspu-ren wird es aber genügen, wenn ei-ne hinreichende Wahrscheinlichkeitbesteht, dass der Täter gleichwohl„eingebrochen“ ist, insbesondereindem er Werkzeuge einsetzte, umgrundsätzlich ordnungsgemäß ver-schlossene Türen und Fenster aufdiese Art und Weise zu öffnen. DieEntwicklung der Rechtsprechungdürfte ähnlich verlaufen, wie diesnach dem flächendeckenden Einbau

von elektronischen Wegfahrsperrenin Kraftfahrzeugen Mitte der 1990erJahre der Fall war. Dort wurde zu Be-ginn noch die Auffassung vertreten,bei ohne Aufbruchspuren aufgefun-denen Fahrzeugen bliebe der Versi-cherungsnehmer für die Kfz-Ent-wendung beweisfällig, da manWegfahrsperren nicht spurenlosüberwinden könne. [30] Nach eini-gen Jahren war festzustellen, dasses durchaus Tätergruppen gab, diedie Möglichkeit hatten, die Systemezu überwinden. Dies wird auch beieinem Smart Home der Fall sein, wo-bei der Unterschied zur Kaskoversi-cherung allerdings dahingehendbesteht, dass es in der Kfz-Kaskover-sicherung nur des Nachweises derKfz-Entwendung bedarf und nicht,anders als in der Sachversicherung,des Vorhandenseins von genügen-den Ein- bzw. Aufbruchspuren. Hierwird es wichtig sein, dass bei Fehlenvon physischen Aufbruchspurenzeitnah kompetente Sachverständi-ge, insbesondere digitale Forensiker,eingeschaltet werden.

Das Smart Home kann den Versiche-rungsnehmer ferner bei Erfüllungseiner Anzeige des Versicherungs-falls gem. § 30 VVG unterstützen.Sowohl die vertraglichen Obliegen-

heiten als auch das Gesetz erfordernnicht eine „Anzeige“ durch einenMenschen. Gerade eine automati-sche Meldung durch das Smart Homedirekt an den entsprechenden Sach-versicherer oder dessen Assistance-Dienstleister wäre ein großer Vorteileines Smart Home, gerade bei einerlängeren Abwesenheit des Versi-cherungsnehmers. Allerdings mussdiese automatisierte Meldung ge-wisse Anforderungen erfüllen, sichalso an den richtigen Versichererrichten, versicherte Gefahren nen-nen, Ort und Zeit, Name des Versi-cherungsnehmers, Versicherungs-ort u. a. [31]

Es stellt sich die Frage nach derReichweite der Auskunftsobliegen-heit des Versicherungsnehmersgem. § 31 VVG bzw. entsprechendenvertraglichen Obliegenheiten. Hatder Versicherer einen Anspruch ge-genüber dem Versicherungsneh-mer, die Daten des Smart Home zuerfahren oder durch den vom Versi-cherer beauftragten digitalen Fo-rensiker auszulesen? Während deslaufenden Vertrags gibt es einensolchen Anspruch sicherlich nicht;anderes gilt jedoch nach Eintritt desVersicherungsfalls. Soweit dies fürdie Regulierungsprüfung des Versi-cherers notwendig und für den Ver-sicherungsnehmer zumutbar ist,hat dieser das Auslesen von Datenzu gestatten, z. B. zur Prüfung desZugangs bei einem geltend ge-

Im Gegensatzzum klassischenEinbruch kannes bei einemSmart Homeauch zu einemEinbruch ohneSpuren an Fens-tern und Türenkommen(Bild: Fotolia)

Smart Home und der Einbruch ohne Einbruchspuren

Smart Home und Ob-liegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls

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machten Einbruchdiebstahl oderzur weiteren Klärung der zeitlichenAbläufe bei Frostschäden, auch zurÜberprüfung der Richtigkeit der An-gaben des Versicherungsnehmers.In diesen Fällen hat der Versiche-rungsnehmer die entsprechendenDaten zur Verfügung zu stellen bzw.die Untersuchung durch Dritte zugestatten. Dies gilt nach ständigerRechtsprechung auch dann, wennerst durch diese Daten es dem Ver-sicherer ermöglicht wird, sich auf ei-ne Leistungsfreiheit zu berufen. [32]Es erscheint zumindest aus Grün-den der Klarstellung vorzugswür-dig, in den Versicherungsbedingun-gen zu Smart-Home-Verträgen eineRegelung aufzunehmen, wonachder Versicherer während des Ver-tragsverhältnisses keinerlei Zugriffauf die Daten des Smart Home neh-men kann bzw. darf und nur nachEintritt eines Versicherungsfalls derVersicherungsnehmer im Rahmenseiner Aufklärungs- und Belegoblie-genheit dem Versicherer Daten zurVerfügung zu stellen oder eine Un-tersuchung durch den Versichererzu gestatten hat.

[1] Wohltuend demgegenüber derBeitrag von Ohland in s+s report4/2017.[2] Skistims, „Smart Home – Rechts-probleme intelligenter Haussyste-me unter besonderer Beachtung desGrundrechts auf Gewährleistungder Vertraulichkeit und Integritätinformationstechnischer Systeme“Dissertation 2016; Raabe/Weis, RDV2014, 231; Mühlich, ZD 2014, 381. [3] Rudkowski, VersR 2017, 1.

[4] Möllers/Vogelgesang, DuD 2016, 497. [5] Bräutigam/Klindt, NJW 2015,1137; Sosnitza, CR 2016, 764; Eisen-schmid, WuM 2017, 440. [6] Vgl. zum nachträglichen Einbaueiner Einbruchmeldeanlage BGHNJW-RR 1991, 1367.[7] „Ferner gehören zum Hausrataa) alle in das Gebäude eingefügtenSachen (z. B. Einbaumöbel und Ein-bauküchen), die der Versicherungs-nehmer als Mieter oder Wohnungs-eigentümer auf seine Kosten be-schafft oder übernommen hat unddaher hierfür die Gefahr trägt.“[8] Ausführlich hierzu Günther, Da-tenträgerklauseln und Sachscha-den, VersR 2018, 205.[9] Vgl. z. B. BGH VersR 1981, 869;VersR 1990, 881; näher hierzu Gün-ther, Versicherungsrecht, iBook, Köln 2012, S. 46 ff.[10] BGH VersR 2010, 1050 mit Be-sprechungsaufsatz Spindler, CR2010, 592; bestätigt durch BGHVersR 2017, 47 mit der Vorgabe zurVerwendung eines ausreichend si-cheren Passwortes bzw. der fehlen-den Verpflichtung des Inhabers desInternetanschlusses, ohne konkreteAnhaltspunkte für bereits begange-ne oder bevorstehende Urheber-rechtsverletzungen volljährige Mit-glieder seiner Wohngemeinschaftoder seine volljährigen Besucherund Gäste, denen er das Passwortfür seinen Internetanschluss zurVerfügung stellt, über die Rechts-widrigkeit einer Teilnahme anTauschbörsen aufzuklären.[11] So zutreffend Rudkowski, VersR2017, 1 m. w. N.[12] Vgl. BGH VersR 2017, 47 zur Vor-gabe der Verwendung eines ausrei-chend sicheren Passwortes, wobeider BGH, allerdings zur Haftung desInhabers eines Internetanschlusses,die Weitergabe eines WLAN-Pass-wortes an volljährige Gäste nichtper se als nicht statthaft ansieht.[13] BGHZ 79, 156 und ständig; a. A.Langheid/Rixecker, VVG, § 23 Rz. 32;Berliner Kommentar, Harrer, VVG, §23 Rz. 12.[14] OLG Frankfurt VersR 1985, 825;LG Köln VersR 1988, 902 (jeweils zudefekten Rollläden); OLG FrankfurtVersR 1988, 820 (defekte Balkontür).[15] OLG Köln ZfS 1985, 214; OGHVersR 2011, 99 (zu Wohnungsschlüs-sel); BGH VersR 1987, 921 (zu Schlüs-

sel einer Einbruchmeldeanlage).[16] LG Wiesbaden ZfS 1984, 346.[17] Z.B. BGH VersR 1982, 466.[18] Vgl. § 17 Ziffer 1c) VHB, wobei zubetonen ist, dass die Vorschriftenzur Gefahrerhöhung halb zwingendsind, sodass durch die AVB nicht zu-lasten des Versicherungsnehmersvon diesen abgewichen werdenkann, sodass diese Gefahrerhö-hungsregel in den VHB nur rein de-klaratorisch sein kann.[19] Vgl. auch Rudkowski, VersR2017, 1 ff.[20] Vgl. hierzu Günther, Metho-denlehre im Versicherungsrecht,iBook, Köln 2012, S. 70 ff.[21] Vgl. OLG Hamm VersR 2016, 591zu einer Kürzung der Versicherungs-leistung um 6/10, wenn der Ver-sicherungsnehmer entflammbareGegenstände auf einem scheinbarabgeschalteten Saunaofen ablegtund die Sauna verlässt, ohne sichüber eine verlässliche Abschaltungzu vergewissern, auch wenn er we-gen eines Termins weggerufenwird. [22] So ist der Ehegatte grundsätz-lich, erst recht gilt dies für Kinderpp., kein versicherungsvertrags-rechtlicher Repräsentant, eine Zu-rechnung wäre nur über eine Mit-versicherteneigenschaft gem. § 47Abs. 1 VVG anteilig einzustellen,wenn der Familienangehörige z.B.Miteigentümer ist.[23] Allgemein hierzu Günther, DerRegress des Sachversicherers, 6.Aufl., Karlsruhe 2015.[24] Z. B. A § 16 Ziffer 1c) VGB 2010.[25] Vgl. auch Rudkowski, VersR2017, 1.[26] Z. B. A § 16 Ziffer 1 b) VGB 2010.[27] Vgl. OLG Frankfurt r+s 2000, 114(Einbruchmeldeanlagenobliegen-heit); LG Dortmund VersR 2010, 1594(Obliegenheit für technischen Ein-bruchschutz, hier Panzerriegel);OLG Koblenz VersR 2003, 851 (Wach-mannobliegenheit).[28] Grundlegend BGH VersR 1984,48; zuletzt BGH VersR 2015, 710 mit Anm. Günther, juris PR-VersR1/2016.[29] Vgl. BGH a. a. O.[30] Ausführlich hierzu Günther,NVersZ 1999, 57.[31] Vgl. Rudkowski a. a. O.[32] So ausdrücklich z. B. BGH VersR2016, 793.

Im Versiche-rungsfall kann

es sein, dass derVersicherer

Einblick in alleDaten des

Smart Homeverlangt

(Bild: Fotolia)

Fußnoten