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. GHIBELLINUM-BÜCHEREI SOL INVICTUS JAHRESLAUF- UND REICHSFEIERN HERAUSGEGEBEN VON BERNHARD SCHAUB

Sol Invictus

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    GHIBELLINUM-BCHEREI

    SOL INVICTUS

    JAHRESLAUF- UND REICHSFEIERN

    HERAUSGEGEBEN VON

    BERNHARD SCHAUB

  • SOL INVICTUS

    TEXTE FR DIE

    JAHRESLAUF- UND REICHSFEIERN

    HERAUSGEGEBEN VON

    BERNHARD SCHAUB

  • Alle Rechte fr diese Zusammenstellung

    bei Bernhard Schaub

    Ghibellinum-Verlag Dornach /Schweiz

    2012

  • VORWORT

    Diese Textsammlung hebt aus dem Hort der deutschen Dichtung

    das ans Licht, was einer Neugeburt des deutschen Geistes und

    Reiches dienen kann. Es handelt sich nicht um eine Anthologie,

    sondern um einen sprachlich-geistigen Schulungsweg fr jene, die

    den Willen haben zu einem neuen deutschen Adel und zur

    knftigen Elite eines starken Europas. Auswahl und Anordnung

    folgen einem lockeren, aber erkennbaren rituellen Sinn; dadurch

    sind sie Vorlagen sowohl fr die rezitatorische Auffhrung in der

    Gemeinschaft als auch fr die meditative Vertiefung des Einzelnen.

    Die Worterluterungen am Schluss des Buches sollen das inhaltliche

    Verstndnis erleichtern.

    Damit die Sprachkunstwerke aus ihrer Verbannung in die Schrift

    wieder erlst werden knnen, haben wir eine kleine Wegleitung zur

    Sprechkunst angefgt. Unser Buch erfllt seinen Zweck dann, wenn

    es als Partitur fr das Hrbarmachen seiner Inhalte betrachtet wird.

    Wir verweisen auf das epochale Werk von Dr. J. W. Ernst: Die

    musische Kunst Schlssel der Kultur (Malsch 1980).

    Es sei im Anschluss an das eben erwhnte Buch darauf

    hingewiesen, dass der Sprechschulung eine Krperschulung zur

    Seite treten muss, wenn die Bildung ihre kulturstiftende Aufgabe

    erfllen soll. In der griechischen Antike gehrte der Pentathlon der Fnfkampf mit Lauf, Sprung, Diskus, Speer und Ringen zu den musischen Knsten, gleichwertig neben Dichtungsprechen und

    Tanz. Bevor diese aristokratisch-musische Erziehung in aller

    Konsequenz fr die Elite wieder eingefhrt ist, kann von einer

    kulturellen Neugeburt Europas keine Rede sein. Solange wird die

    Abhngigkeit von Fuball, Bier, Idiotenmusik und elektronischen

    Unterhaltungsmitteln andauern. Wir legen also einer knftigen Elite

    neben der Sprachgestaltung den griechischen Fnfkampf und den

    deutschen Volkstanz ans Herz, den Frauen, statt des Ringens, die

    Gymnastik von Hinrich Medau (Deutsche Gymnastik, Stuttgart 1940).

    Die Vorbilder fr den neuen Menschentyp haben die Bildhauer

    bereits vor uns hingestellt. Wir sprechen von Georg Kolbe, Fritz

    Klimsch, Josef Thorak, Win Aaltonen, Richard Scheibe und

    anderen.

    Zur Krperschulung gehrt, auch wenn es in manchen Ohren

    ungewhnlich klingen mag, eine Umstellung in der Ernhrung. Es

    ist kein Zufall, dass groe deutsche Staatsmnner wie Rudolf Hess

    und Reichsbauernfhrer Richard Walther Darr Frderer des

    lebensgesetzlichen biologisch-dynamischen Landbaus waren.

  • Dritte Stufe nach der Sprech- und Krperschulung ist die

    weltanschaulich Bildung. Dafr steht in erster Linie der groe

    Erneuerer der arischen Geistestradition, Baron Julius Evola, mit

    seinen Hauptschriften: Heidnischer Imperialismus, Grundrisse einer

    faschistischen Rassenlehre, Revolte gegen die moderne Welt, Das

    Mysterium des Grals, Menschen inmitten von Ruinen.

    Im weiteren dient das gesamte Programm des Ghibellinum-Verlags

    der politisch-weltanschaulichen Schulung. Nicht zuletzt die

    vorliegende Gedichtsammlung.

    Der Zyklus unserer Feiern ist ein Radkranz mit acht Speichen. Er

    besteht einerseits aus den bekannten Festen, die von jeher zu

    Beginn der vier Jahreszeiten begangen wurden: Die Sonnwenden

    im Winter und Sommer, die Tagundnachtgleichen im Frhling und

    Herbst. Diese vier Speichen des Radkranzes sind durch die Natur

    des Sonnenjahres festgelegt. Es sind Jahreslauffeiern.

    Die andern vier Speichen bezeichnen geschichtliche und

    geistesgeschichtliche Daten. Wir bezeichnen sie hier als Reichs-

    Feiern:

    Die Zarathustra-Feier vom 30. Januar erinnert mit Reden aus

    Nietzsches Zarathustra an die Erneuerung des Deutschen Reiches

    im Jahre 1933 und an die Grndung der EUROPISCHEN AKTION im

    Jahre 2010.

    Es folgt am 9. Mai die Begehung des tiefsten Punktes unserer

    Geschichte: die Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945. Wir

    weichen der Erinnerung an diese Katastrophe nicht aus, sondern

    nehmen sie zum Anlass tiefster Verbundenheit mit dem Geist des

    deutschen Volkes und Reiches. Dies nennen wir die Germania-

    Feier, in Anlehnung an den Schluss der gleichnamigen Hymne

    Friedrich Hlderlins.

    Am 8. August fand in Rom seit alters die Feier fr den Sonnengott

    Sol im Tempel auf dem Quirinal statt. Im Jahre 274 erhob Kaiser

    Aurelian den Kult des Unbesiegbaren Sonnengeistes, Sol Invictus,

    zum offiziellen Reichskult. Oft gleichgesetzt mit Helios, Hyperion,

    Apollon und Mithras, bedeutet Sol Invictus die unzerstrbare,

    siegreiche Macht des Kosmos ber das Chaos. Wir begehen diesen

    Tag mit Dichtungen Stefan Georges, weil gerade dieser Dichter

    geeignet ist, einer Forderung Evolas Nachdruck zu verleihen: Der

    Vereinigung des deutschen und des rmischen Adlers.

    brigens fllt der Geburtstag des Sonnengottes (natalis dii solis

    invicti), der ebenfalls schon in der Antike gefeiert wurde, mit der

    Winter-Sonnenwende bzw. Weihnachten zusammen. Deswegen

    erscheint sein Name auch in den Strophen der Winter-Weihe.

  • Die Totenfeier am 1. November steht im Zeichen der Lyrik Conrad

    Ferdinand Meyers, in dessen Dichten und Denken der Tod eine

    Mittelpunktstellung eingenommen hat.

    Die Jahreslauffeiern sind seit jeher rituell begangen worden. Der

    Verfall der bisher in Europa herrschenden Religion und ihrer Kulte

    ruft nun danach, neue Formen des Ritus zu begrnden. Wir sind

    berzeugt, dass in unserer deutschen Dichtung alles zu finden ist,

    was wir brauchen wenn nur ihre Schtze gehoben werden. Der Geist des Volkes und Reiches spricht sich darin aus. Wer Ohren hat

    zu hren, der hre.

    Weit davon entfernt, alte Kulte oder berhaupt Religion zelebrieren zu wollen, schlieen wir in gewisser Weise durchaus an

    die antike Tradition an: Mit dem konsequenten Bestreben nmlich,

    die Rezitation, also das Sprechen von Dichtung, wieder zum

    Mittelpunkt von Kultus und Kultur zu machen. Die Sprechkunst zu

    ihrer frheren Bedeutung zu erheben, ist die wichtigste Aufgabe

    beim Bemhen um eine kulturelle Gesundung der europischen

    Vlker. Es ist daran zu erinnern, dass der Kern der antiken

    Mysterien nichts anderes war als Sprechkunst auf hchstem Niveau.

    Sie wirkte mit einer solchen Gewalt, dass sie die entsprechend

    Vorbereiteten auf eine andere geistige Erlebnisebene hob.

    Im heutigen Zeitalter menschlicher Vereinzelung ist die Neigung

    stark, sich fr Feiern an keine festen Vorlagen halten zu wollen,

    sondern alles dem persnlichen Geschmack und dem Belieben des

    Augenblicks anheim zu stellen. Kultur beruht aber auf

    immerwhrender Wiederholung und Vertiefung; erst das gibt Stil.

    Ohne behaupten zu wollen, unsere vorliegende Sammlung knne

    smtliche Wnsche und Ansprche erfllen, sind wir doch der

    Meinung, dass sie sich dazu eignet, in den verschiedensten

    Gruppen, an vielen Orten und ber Jahre hinweg aufgefhrt zu

    werden. Wenn das eintritt, so lernen Hunderte, spter Tausende

    von Menschen diese Sprachkunstwerke kennen und lassen sich

    durch sie formen. Das ist Gemeinschaftsbildung in einem hohen

    Sinn des Wortes.

    Die Texte der Reichsfeiern entstammen ausnahmslos der hchsten

    Ebene der deutschen Dichtung. Sie verlangen begabte und

    geschulte Chor- und Einzelsprecher. Der Vorwurf, elitr zu sein,

    wird ihnen nicht erspart bleiben. Aber das gehrt zum Wesen dieser

    Art von Dichtung; und Eliten zu bilden, liegt in unserer Absicht.

    Bei den Jahreslauf-Feiern ist hingegen darauf geachtet worden,

    dass anspruchsvolle und volksgeme Lyrik gleichermaen

    vertreten sind. Es sind brigens hauptschlich Dichter des 20.

    Jahrhunderts ausgewhlt. In einem kleinen Kreis knnen die

    Feiernden gemeinsam den Sprechchor bilden. Auf diese Weise ist

  • die ganze Gemeinschaft einbezogen bei jenen Gedichten, die mit

    ALLE gekennzeichnet sind. Bei greren Veranstaltungen

    bernimmt diesen Part ebenfalls ein Sprechchor. Gebte

    Einzelsprecher tragen jene Gedichte vor, die mit dem Vermerk

    EINER versehen sind. Manches schlichte und zu Herzen gehende

    Gedicht kann, wie im Text vorgesehen, durch KINDER vorgetragen

    werden.

    Um den rituellen Charakter der Feier nicht zu unterbrechen, sind

    die Gedichtberschriften, wenn selbstverstndlich oder

    nebenschlich, weggelassen worden. Wo die berschrift steht,

    muss sie auch gelesen werden, weil sonst der Inhalt nicht

    verstndlich ist.

    Der inhaltliche Hhepunkt ist gegen Schluss der Feier erreicht,

    wenn der FESTLEITER die vier Weihe-Strophen vortrgt. In ihnen ist

    zusammengefasst und erhht, was in Sage und Brauch der

    Indogermanen zum geistigen Gehalt der jeweiligen Jahreszeit

    berliefert ist.

    Kunstgemes Vortragen und aufmerksames Aufnehmen der

    Dichtung verlangt nach einem geschlossenen Raum. Die

    vorliegenden Rituale eignen sich also nicht fr Freiluft-

    Veranstaltungen. Die Feiernden, sofern sie mitsprechen, knnen im

    Halbkreis stehen, zum Jahreszeitentisch gewandt. Die Texte

    werden, wie gekennzeichnet, von Einzelnen, von Gruppen oder im

    ganzen Chor gesprochen. Wo im gedruckten Text die kleine

    Sonnenvignette steht, kann whrend der Auffhrung eine

    Zwischenmusik erklingen. Diese klassische! Musik soll von Instrumentalisten gespielt werden. Auf Tontrger ist zu verzichten,

    ebenso wie auf Mikrophone beim Sprechen. Chorlieder eignen sich

    nicht als Zwischenmusik, weil sie eine ganz andere Stimm- und Hr-

    Einstellung verlangen als das Sprechen. Die Sprachgestaltung, die

    von uns angestrebt wird, soll ja gerade die Musikalitt in die

    Sprache zurckholen.

    Es ist aber schn, die Auffhrung ausklingen lassen, indem die

    Feiernden anschlieend zum drauen vorbereiteten Sonnwendfeuer

    oder Maibaum wandern und dort gemeinsam singen. Zum

    Abschluss kann jede Feier in ein (Volks-)Tanzfest einmnden.

    Der Saal wird der Jahreszeit und dem Inhalt der Feier entsprechend

    geschmckt. Kerzen gehren immer dazu. Den Hintergrund bildet

    unser goldenes Europakreuz auf blauem Grund.

    Bernhard Schaub

  • HYPERBORER

    Jenseits des Nordens, des Eises, des Heute,

    jenseits des Todes,

    abseits:

    unser Leben, unser Glck!

    Weder zu Lande

    noch zu Wasser

    kannst du den Weg

    zu den Hyperborern finden.

    Von uns wahrsagte so ein weiser Mund.

    Nietzsche

  • ZARATHUSTRA-

    FEIER

    30. JANUAR

    FRIEDRICH NIETZSCHE:

    ZWLF REDEN AUS

    ALSO SPRACH ZARATHUSTRA

    Unbewegt ist meine Seele

    und hell wie das Gebirge am Vormittag.

  • I

    Ich lehre euch den bermenschen. Der Mensch ist etwas, das

    berwunden werden soll. Was habt ihr getan, ihn zu berwinden?

    Alle Wesen bisher schufen etwas ber sich hinaus: und ihr wollt die

    Ebbe dieser groen Flut sein und lieber noch zum Tiere

    zurckgehn, als den Menschen berwinden?

    Was ist der Affe fr den Menschen? Ein Gelchter oder eine

    schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch fr den

    bermenschen sein: ein Gelchter oder eine schmerzliche Scham.

    Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und vieles

    ist in euch noch Wurm. Einst wart ihr Affen, und auch jetzt noch ist

    der Mensch mehr Affe, als irgendein Affe. Wer aber der Weiseste

    von euch ist, der ist auch nur ein Zwiespalt und Zwitter von Pflanze

    und Gespenst. Aber heie ich euch zu Gespenstern oder Pflanzen

    werden?

    Seht, ich lehre euch den bermenschen! Der bermensch ist der

    Sinn der Erde. Euer Wille sage: der bermensch sei der Sinn der

    Erde! Ich beschwre euch, meine Brder, bleibt der Erde treu und

    glaubt denen nicht, welche euch von berirdischen Hoffnungen

    reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.

    Wahrlich, ein schmutziger Strom ist der Mensch. Man muss schon

    ein Meer sein, um einen schmutzigen Strom aufnehmen zu knnen,

    ohne unrein zu werden. Seht, ich lehre euch den bermenschen:

    der ist dies Meer, in ihm kann eure groe Verachtung untergehn.

    Was ist das Grte, das ihr erleben knnt? Das ist Stunde der

    groen Verachtung. Die Stunde, in der euch auch euer Glck zum

    Ekel wird und ebenso eure Vernunft und eure Tugend.

    Der Mensch ist ein Seil, geknpft zwischen Tier und bermensch ein Seil ber einem Abgrunde. Ein gefhrliches Hinber, ein

    gefhrliches Auf-dem-Wege, ein gefhrliches Zurckblicken, ein

    gefhrliches Schaudern und Stehenbleiben.

    Was gro ist am Menschen, das ist, dass er eine Brcke und kein

    Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er

    ein bergang und ein Untergang ist.

    Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als

    Untergehende, denn es sind die Hinbergehenden.

    Ich liebe die groen Verachtenden, weil sie die groen Verehrenden

    sind und Pfeile der Sehnsucht nach dem andern Ufer.

  • Ich liebe die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund

    suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde

    opfern, dass die Erde einst des bermenschen werde.

    Ich liebe den, welcher goldne Worte seinen Taten vorauswirft und

    immer noch mehr hlt, als er verspricht: denn er will seinen

    Untergang.

    Ich liebe den, welcher die Zuknftigen rechtfertigt und die

    Vergangenen erlst: denn er will an den Gegenwrtigen zugrunde

    gehen.

    Ich liebe den, welcher seinen Gott zchtigt, weil er seinen Gott

    liebt: denn er muss am Zorne seines Gottes zugrunde gehen.

    Ich liebe den, dessen Seele tief ist auch in der Verwundung, und der

    an einem kleinen Erlebnisse zugrunde gehen kann: so geht er

    gerne ber die Brcke.

    Ich liebe den, dessen Seele bervoll ist, so dass er sich selber

    vergisst, und alle Dinge in ihm sind: so werden alle Dinge sein

    Untergang.

    Ich liebe den, der freien Geistes und freien Herzens ist: so ist sein

    Kopf nur das Eingeweide seines Herzens, sein Herz aber treibt ihn

    zum Untergang.

    Ich liebe alle die, welche wie schwere Tropfen sind, einzeln fallend

    aus der dunklen Wolke, die ber den Menschen hngt: sie

    verkndigen, dass der Blitz kommt, und gehn als Verkndiger

    zugrunde.

    Seht, ich bin ein Verkndiger des Blitzes, und ein schwerer Tropfen

    aus der Wolke: dieser Blitz aber heit bermensch .

    Also sprach Zarathustra.

  • II

    Es ist an der Zeit, dass der Mensch sich sein Ziel stecke. Es ist an

    der Zeit, dass der Mensch den Keim seiner hchsten Hoffnung

    pflanze.

    Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird

    einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm

    wachsen knnen.

    Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil

    seiner Sehnsucht ber den Menschen hinaus wirft, und die Sehne

    seines Bogens verlernt hat, zu schwirren!

    Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen

    tanzenden Stern gebren zu knnen. Ich sage euch: ihr habt noch

    Chaos in euch.

    Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr

    gebren wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verchtlichsten

    Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.

    Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.

    Was ist Liebe? Was ist Schpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist

    Stern? so fragt der letzte Mensch und blinzelt.

    Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hpft der letzte

    Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar wie

    der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am lngsten.

    Wir haben das Glck erfunden sagen die letzten Menschen und blinzeln.

    Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn

    man braucht Wrme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an

    ihm: denn man braucht Wrme.

    Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen sndhaft: man geht

    achtsam einher. Ein Tor, der noch ber Steine oder Menschen

    stolpert!

    Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Trume. Und viel

    Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.

    Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man

    sorgt, dass die Unterhaltung nicht angreife.

    Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich.

  • Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu

    beschwerlich.

    Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich:

    wer anders fhlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.

    Ehemals war alle Welt irre sagen die Feinsten und blinzeln.

    Man ist klug und wei alles, was geschehn ist: so hat man kein

    Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man vershnt sich bald

    sonst verdirbt es den Magen.

    Man hat sein Lstchen fr den Tag und sein Lstchen fr die

    Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.

    Wir haben das Glck erfunden sagen die letzten Menschen und blinzeln.

    Also sprach Zarathustra.

  • III

    Bleibt mir der Erde treu, meine Brder, mit der Macht eurer

    Tugend! Eure schenkende Liebe und eure Erkenntnis diene dem

    Sinne der Erde! Also bitte und beschwre ich euch.

    Lasst sie nicht davonfliegen vom Irdischen und mit den Flgeln

    gegen ewige Wnde schlagen! Ach, es gab immer so viel verflogene

    Tugend! Fhrt, gleich mir, die verflogene Tugend zur Erde zurck ja, zurck zu Leib und Leben: dass sie der Erde ihren Sinn gebe,

    einen Menschen-Sinn!

    Hundertfltig verflog und vergriff sich bisher so Geist wie Tugend.

    Ach, in unserm Leibe wohnt jetzt noch all dieser Wahn und

    Fehlgriff: Leib und Wille ist er da geworden.

    Hundertfltig versuchte und verirrte sich bisher so Geist wie

    Tugend. Ja, ein Versuch war der Mensch. Ach, viel Unwissen und

    Irrtum ist an uns Leib geworden!

    Nicht nur die Vernunft von Jahrtausenden auch ihr Wahnsinn bricht an uns aus. Gefhrlich ist es, Erbe zu sein.

    Noch kmpfen wir Schritt um Schritt mit dem Riesen Zufall, und

    ber der ganzen Menschheit waltete bisher noch der Unsinn, der

    Ohne-Sinn.

    Euer Geist und eure Tugend diene dem Sinn der Erde, meine

    Brder: und aller Dinge Wert werde neu von euch gesetzt! Darum

    sollt ihr Kmpfende sein! Darum sollt ihr Schaffende sein!

    Wissend reinigt sich der Leib; mit Wissen versuchend erhht er

    sich; dem Erkennenden heiligen sich alle Triebe; dem Erhhten

    wird die Seele frhlich.

    Arzt, hilf dir selber: so hilfst du auch deinem Kranken noch. Das sei

    seine beste Hilfe, dass er den mit Augen sehe, der sich selber heil

    macht.

    Tausend Pfade gibt es, die noch nie gegangen sind, tausend

    Gesundheiten und verborgene Eilande des Lebens. Unerschpft

    und unentdeckt ist immer noch Mensch und Menschen-Erde.

    Wachet und horcht, ihr Einsamen! Von der Zukunft her kommen

    Winde mit heimlichem Flgelschlagen; und an feine Ohren ergeht

    gute Botschaft.

    Ihr Einsamen von heute, ihr Ausscheidenden, ihr sollt einst ein Volk

    sein: aus euch, die ihr euch selber auswhltet, soll ein auserwhltes

    Volk erwachsen und aus ihm der bermensch.

  • Wahrlich, eine Sttte der Genesung soll noch die Erde werden! Und

    schon liegt ein neuer Geruch um sie, ein Heilbringender und eine neue Hoffnung!

    Und das ist der groe Mittag, da der Mensch auf der Mitte seiner

    Bahn steht zwischen Tier und bermensch und seinen Weg zum

    Abende als seine hchste Hoffnung feiert: denn es ist der Weg zu

    einem neuen Morgen.

    Alsda wird sich der Untergehende selber segnen, dass er ein

    Hinbergehender sei; und die Sonne seiner Erkenntnis wird ihm im

    Mittage stehn.

    Tot sind alle Gtter: nun wollen wir, dass der bermensch lebe dies sei einst am groen Mittage unser letzter Wille!

    Also sprach Zarathustra.

  • IV

    Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem

    Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut

    Geist ist.

    Es ist nicht leicht mglich, fremdes Blut zu verstehen: ich hasse

    die lesenden Miggnger. Wer den Leser kennt, der tut nichts

    mehr fr den Leser. Noch ein Jahrhundert Leser und der Geist selber wird stinken. Dass jedermann lesen lernen darf, verdirbt

    auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das

    Denken.

    Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen, und jetzt

    wird er gar noch Pbel.

    Wer in Blut und Sprchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern

    auswendig gelernt werden. Im Gebirge ist der nchste Weg von

    Gipfel zu Gipfel: aber dazu musst du lange Beine haben. Sprche

    sollen Gipfel sein: und die, zu denen gesprochen wird, Groe und

    Hochwchsige.

    Die Luft dnn und rein, die Gefahr nahe und der Geist voll einer

    frhlichen Bosheit: so passt es gut zueinander. Ich will Kobolde

    um mich haben, denn ich bin mutig. Mut, der die Gespenster

    verscheucht, schafft sich selber Kobolde, der Mut will lachen.

    Ich empfinde nicht mehr mit euch: diese Wolke, die ich unter mir

    sehe, diese Schwrze und Schwere, ber die ich lache gerade das ist eure Gewitterwolke. Ihr seht nach oben, wenn ihr nach

    Erhebung verlangt. Und ich sehe hinab, weil ich erhoben bin.

    Wer von euch kann zugleich lachen und erhoben sein? Wer auf

    den hchsten Bergen steigt, der lacht ber alle Trauer-Spiele und

    Trauer-Ernste. Mutig, unbekmmert, spttisch, gewaltttig so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen

    Kriegsmann.

    Ihr sagt mir: das Leben ist schwer zu tragen. Aber wozu httet

    ihr vormittags euren Stolz und abends eure Ergebung? Das Leben

    ist schwer zu tragen: aber so tut mir doch nicht so zrtlich! Wir

    sind allesamt hbsche lastbare Esel und Eselinnen. Was haben wir

    gemein mit der Rosenknospe, welche zittert, weil ihr ein Tropfen

    Tau auf dem Leibe liegt?

    Es ist wahr: wir lieben das Leben, nicht, weil wir ans Leben,

    sondern weil wir ans Lieben gewhnt sind. Es ist immer etwas

    Wahnsinn in der Liebe. Es ist aber immer auch etwas Vernunft im

    Wahnsinn.

  • Und auch mir, der ich dem Leben gut bin, scheinen

    Schmetterlinge und Seifenblasen und was ihrer Art unter

    Menschen ist, am meisten vom Glcke zu wissen. Diese leichten

    trichten zierlichen beweglichen Seelchen flattern zu sehen das verfhrt Zarathustra zu Trnen und Liedern.

    Ich wrde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstnde.

    Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, grndlich,

    tief, feierlich; es war der Geist der Schwere durch ihn fallen alle Dinge.

    Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen ttet man. Auf, lasst uns

    den Geist der Schwere tten!

    Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen. Ich habe

    fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestoen sein, um von

    der Stelle zu kommen. Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich, jetzt

    sehe ich mich unter mir, jetzt tanzt ein Gott durch mich.

    Also sprach Zarathustra.

  • V

    Ihr drngt euch um den Nchsten und habt schne Worte dafr.

    Aber ich sage euch: eure Nchstenliebe ist eure schlechte Liebe zu

    euch selber.

    Ihr flchtet zum Nchsten vor euch selber und mchtet euch

    daraus eine Tugend machen: aber ich durchschaue euer

    Selbstloses. Das Du ist lter als das Ich; das Du ist heilig

    gesprochen, aber noch nicht das Ich: so drngt sich der Mensch hin

    zum Nchsten.

    Rate ich euch zur Nchstenliebe? Lieber noch rate ich euch zur

    Nchsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe! Hher als die Liebe zum

    Nchsten ist die Liebe zum Fernsten und Knftigen; hher noch als

    die Liebe zu Menschen ist die Liebe zu Sachen und Gespenstern.

    Dies Gespenst, das vor dir herluft, mein Bruder, ist schner als

    du; warum gibst du ihm nicht dein Fleisch und seine Knochen?

    Aber du frchtest dich und lufst zu deinem Nchsten.

    Ihr haltet es mit euch selber nicht aus und liebt euch nicht genug:

    nun wollt ihr den Nchsten zur Liebe verfhren und euch mit

    seinem Irrtum vergolden.

    Ich wollte, ihr hieltet es nicht aus mit allerlei Nchsten und deren

    Nachbarn; so msstet ihr aus euch selber euren Freund und sein

    berwallendes Herz schaffen.

    Ihr ladet euch einen Zeugen ein, wenn ihr von euch gut reden wollt;

    und wenn ihr ihn verfhrt habt, gut von euch zu denken, denkt ihr

    selber gut von euch.

    Nicht nur der lgt, welcher wider sein Wissen redet, sondern erst

    recht der, welcher wider sein Nichtwissen redet. Und so redet ihr

    von euch im Verkehre und belgt mit euch den Nachbar.

    Also spricht der Narr: Der Umgang mit Menschen verdirbt den

    Charakter, sonderlich wenn man keinen hat.

    Der eine geht zum Nchsten, weil er sich sucht, und der andre, weil

    er sich verlieren mchte. Eure schlechte Liebe zu euch selber

    macht euch aus der Einsamkeit ein Gefngnis.

    Die Zukunft und das Fernste sei dir die Ursache deines Heute: in

    deinem Freunde sollst du den bermenschen als deine Ursache

    lieben. Meine Brder, zur Nchstenliebe rate ich euch nicht: ich

    rate euch zur Fernsten-Liebe.

    Also sprach Zarathustra.

  • VI

    Von unsern besten Feinden wollen wir nicht geschont sein, und

    auch von denen nicht, welche wir von Grund aus lieben. So lasst

    mich denn euch die Wahrheit sagen!

    Meine Brder im Kriege! Ich liebe euch von Grund aus, ich bin

    und war euresgleichen. Und ich bin auch euer bester Feind. So

    lasst mich denn euch die Wahrheit sagen!

    Ich wei um den Hass und Neid eures Herzens. Ihr seid nicht gro

    genug, um Hass und Neid nicht zu kennen. So seid denn gro

    genug, euch ihrer nicht zu schmen! Und wenn ihr nicht Heilige

    der Erkenntnis sein knnt, so seid mir wenigstens deren

    Kriegsmnner. Das sind die Gefhrten und Vorlufer solcher

    Heiligkeit.

    Ich sehe viel Soldaten: mchte ich viel Kriegsmnner sehn!

    Einform nennt man's, was sie tragen: mge es nicht Ein-form

    sein, was sie damit verstecken!

    Ihr sollt mir solche sein, deren Auge immer nach einem Feinde

    sucht nach eurem Feinde. Und bei einigen von euch gibt es einen Hass auf den ersten Blick.

    Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt ihr fhren, und fr

    eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure

    Redlichkeit darber noch Triumph rufen!

    Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen. Und den

    kurzen Frieden mehr als den langen. Euch rate ich nicht zur

    Arbeit, sondern zum Kampfe. Euch rate ich nicht zum Frieden,

    sondern zum Siege. Eure Arbeit sei ein Kampf, euer Friede sei ein

    Sieg!

    Man kann nur schweigen und stillsitzen, wenn man Pfeil und

    Bogen hat: sonst schwtzt und zankt man. Euer Friede sei ein

    Sieg!

    Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich

    sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt. Der Krieg

    und der Mut haben mehr groe Dinge getan, als die

    Nchstenliebe. Nicht euer Mitleiden, sondern eure Tapferkeit

    rettete bisher die Verunglckten.

    Was ist gut? fragt ihr. Tapfer sein ist gut. Lasst die kleinen

    Mdchen reden: gut sein ist, was hbsch zugleich und rhrend

    ist.

  • Man nennt euch herzlos: aber euer Herz ist echt, und ich liebe die

    Scham eurer Herzlichkeit. Ihr schmt euch eurer Flut, und andre

    schmen sich ihrer Ebbe.

    Ihr seid hsslich? Nun wohlan, meine Brder! So nehmt das

    Erhabne um euch, den Mantel des Hsslichen!

    Ihr drft nur Feinde haben, die zu hassen sind, aber nicht Feinde

    zum Verachten. Ihr msst stolz auf euern Feind sein: dann sind

    die Erfolge eures Feindes auch eure Erfolge.

    Auflehnung das ist die Vornehmheit am Sklaven. Eure Vornehmheit sei Gehorsam! Euer Befehlen selber sei ein

    Gehorchen! Einem guten Kriegsmanne klingt du sollst

    angenehmer als ich will. Und alles, was euch lieb ist, sollt ihr

    euch erst noch befehlen lassen.

    Eure Liebe zum Leben sei Liebe zu eurer hchsten Hoffnung: und

    eure hchste Hoffnung sei der hchste Gedanke des Lebens!

    Euren hchsten Gedanken aber sollt ihr euch von mir befehlen

    lassen und er lautet: der Mensch ist etwas, das berwunden werden soll.

    So lebt euer Leben des Gehorsams und des Krieges! Was liegt am

    Lang-Leben! Welcher Krieger will geschont sein! Ich schone euch

    nicht, ich liebe euch von Grund aus, meine Brder im Kriege!

    Also sprach Zarathustra.

  • VII

    Viele sterben zu spt, und einige sterben zu frh. Noch klingt

    fremd die Lehre: stirb zur rechten Zeit!

    Stirb zur rechten Zeit; also lehrt es Zarathustra.

    Freilich, wer nie zur rechten Zeit lebt, wie sollte der je zur rechten

    Zeit sterben? Mchte er doch nie geboren sein! Also rate ich den berflssigen.

    Aber auch die berflssigen tun noch wichtig mit ihrem Sterben,

    und auch die hohlste Nuss will noch geknackt sein.

    Wichtig nehmen alle das Sterben: aber noch ist der Tod kein Fest.

    Noch erlernten die Menschen nicht, wie man die schnsten Feste

    weiht.

    Den vollbringenden Tod zeige ich euch, der den Lebenden ein

    Stachel und ein Gelbnis wird.

    Seinen Tod stirbt der Vollbringende, siegreich, umringt von

    Hoffenden und Gelobenden.

    Also sollte man sterben lernen; und es sollte kein Fest geben, wo

    ein solcher Sterbender nicht der Lebenden Schwre weihte!

    Also zu sterben ist das Beste; das zweite aber ist: im Kampfe zu

    sterben und eine groe Seele zu verschwenden.

    Aber dem Kmpfenden gleich verhasst wie dem Sieger ist euer

    grinsender Tod, der heranschleicht wie ein Dieb und doch als Herr kommt.

    Meinen Tod lobe ich euch, den freien Tod, der mir kommt, weil ich

    will.

    Und wann werde ich wollen? Wer ein Ziel hat und einen Erben, der will den Tod zur rechten Zeit fr Ziel und Erben.

    Und aus Ehrfurcht vor Ziel und Erben wird er keine drren Krnze

    mehr im Heiligtum des Lebens aufhngen.

    Wahrlich, nicht will ich den Seildrehern gleichen: sie ziehen ihren

    Faden in die Lnge und gehen dabei selber immer rckwrts.

    Mancher wird auch fr seine Wahrheiten und Siege zu alt; ein

    zahnloser Mund hat nicht mehr das Recht zu jeder Wahrheit.

  • Und jeder, der Ruhm haben will, muss sich beizeiten von der Ehre

    verabschieden und die schwere Kunst ben, zur rechten Zeit zu gehn.

    Aber im Manne ist mehr Kind als im Jnglinge, und weniger

    Schwermut: besser versteht er sich auf Tod und Leben.

    Frei zum Tode und frei im Tode, ein heiliger Nein-Sager, wenn es

    nicht Zeit mehr ist zum Ja: also versteht er sich auf Tod und Leben.

    Dass euer Sterben keine Lsterung sei auf Mensch und Erde, meine

    Freunde: das erbitte ich mir von dem Honig eurer Seele.

    Also sprach Zarathustra.

  • VIII

    Willst du, mein Bruder, in die Vereinsamung gehen? Willst du den

    Weg zu dir selber suchen? Zaudere noch ein wenig und hre

    mich.

    Wer sucht, der geht leicht selber verloren. Alle Vereinsamung ist

    Schuld: also spricht die Herde. Und du gehrtest lange zur

    Herde. Die Stimme der Herde wird auch in dir noch tnen. Und

    wenn du sagen wirst: ich habe nicht mehr ein Gewissen mit

    euch, so wird es eine Klage und ein Schmerz sein.

    Siehe, diesen Schmerz selber gebar noch das eine Gewissen: und

    dieses Gewissens letzter Schimmer glht noch auf deiner Trbsal.

    Aber du willst den Weg deiner Trbsal gehen, welches ist der Weg

    zu dir selber? So zeige mir dein Recht und deine Kraft dazu! Bist

    du eine neue Kraft und ein neues Recht? Eine erste Bewegung? Ein

    aus sich rollendes Rad? Kannst du auch Sterne zwingen, dass sie

    um dich sich drehen?

    Ach, es gibt so viel Lsternheit nach Hhe! Es gibt so viel

    Krmpfe der Ehrgeizigen! Zeige mir, dass du keiner der Lsternen

    und Ehrgeizigen bist! Ach, es gibt so viel groe Gedanken, die tun

    nicht mehr als ein Blasebalg: sie blasen auf und machen leerer.

    Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich

    hren und nicht, dass du einem Joche entronnen bist. Bist du ein

    solcher, der einem Joche entrinnen durfte? Es gibt manchen, der

    seinen letzten Wert wegwarf, als er seine Dienstbarkeit wegwarf.

    Frei wovon? Was schiert das Zarathustra? Hell aber soll mir dein

    Auge knden: frei wozu? Kannst du dir selber dein Bses und

    dein Gutes geben und deinen Willen ber dich aufhngen wie ein

    Gesetz? Kannst du dir selber Richter sein und Rcher deines

    Gesetzes?

    Furchtbar ist das Alleinsein mit dem Richter und Rcher des

    eignen Gesetzes. Also wird ein Stern hinausgeworfen in den den

    Raum und in den eisigen Atem des Alleinseins.

    Heute noch leidest du an den Vielen, du Einer: heute noch hast du

    deinen Mut ganz und deine Hoffnungen. Aber einst wird dich die

    Einsamkeit mde machen, einst wird dein Stolz sich krmmen

    und dein Mut knirschen. Schreien wirst du einst ich bin allein!

    Einst wirst du dein Hohes nicht mehr sehn und dein Niedriges

    allzunahe; dein Erhabnes selbst wird dich frchten machen wie

    ein Gespenst. Schreien wirst du einst: Alles ist falsch! Es gibt

  • Gefhle, die den Einsamen tten wollen; gelingt es ihnen nicht,

    nun, so mssen sie selber sterben! Aber vermagst du das, Mrder

    zu sein?

    Kennst du, mein Bruder, schon das Wort Verachtung? Und die

    Qual deiner Gerechtigkeit, solchen gerecht zu sein, die dich

    verachten?

    Du zwingst viele, ber dich umzulernen; das rechnen sie dir hart

    an. Du kamst ihnen nahe und gingst doch vorber: das verzeihen

    sie dir niemals. Du gehst ber sie hinaus: aber je hher du

    steigst, um so kleiner sieht dich das Auge des Neides. Am

    meisten aber wird der Fliegende gehasst.

    Wie wolltet ihr gegen mich gerecht sein! musst du sprechen ich erwhle mir eure Ungerechtigkeit als den mir zugemessnen

    Teil. Ungerechtigkeit und Schmutz werfen sie nach dem

    Einsamen: aber mein Bruder, wenn du ein Stern sein willst, so

    musst du ihnen deshalb nicht weniger leuchten!

    Und hte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne

    die, welche sich ihre eigne Tugend erfinden sie hassen den Einsamen.

    Hte dich auch vor der heiligen Einfalt! Alles ist ihr unheilig, was

    nicht einfltig ist; sie spielt auch gerne mit dem Feuer der Scheiterhaufen.

    Und hte dich auch vor den Anfllen deiner Liebe! Zu schnell

    streckt der Einsame dem die Hand entgegen, der ihm begegnet.

    Manchem Menschen darfst du nicht die Hand geben, sondern nur

    die Tatze: und ich will, dass deine Tatze auch Krallen habe.

    Aber der schlimmste Feind, dem du begegnen kannst, wirst du

    immer dir selber sein; du selber lauerst dir auf in Hhlen und

    Wldern. Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber! Und an dir

    selber fhrt dein Weg vorbei, und an deinen sieben Teufeln!

    Ketzer wirst du dir selber sein und Hexe und Wahrsager und Narr

    und Zweifler und Unheiliger und Bsewicht. Verbrennen musst du

    dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden,

    wenn du nicht erst Asche geworden bist!

    Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden: einen Gott willst du

    dir schaffen aus deinen sieben Teufeln!

    Einsamer, du gehst den Weg des Liebenden: dich selber liebst du

    und deshalb verachtest du dich, wie nur Liebende verachten.

  • Schaffen will der Liebende, weil er verachtet! Was wei der von

    Liebe, der nicht gerade verachten musste, was er liebte!

    Mit deiner Liebe gehe in deine Vereinsamung und mit deinem

    Schaffen, mein Bruder; und spt erst wird die Gerechtigkeit dir

    nachhinken. Mit meinen Trnen gehe in deine Vereinsamung,

    mein Bruder. Ich liebe den, der ber sich selber hinaus schaffen

    will und so zugrunde geht.

    Also sprach Zarathustra.

  • IX

    Ich habe eine Frage fr dich allein, mein Bruder: wie ein Senkblei

    werfe ich diese Frage in deine Seele, dass ich wisse, wie tief sie

    sei.

    Du bist jung und wnschest dir Kind und Ehe. Aber ich frage dich:

    bist du ein Mensch, der ein Kind sich wnschen darf? Bist du der

    Siegreiche, der Selbstbezwinger, der Gebieter der Sinne, der Herr

    deiner Tugenden? Also frage ich dich.

    Oder redet aus deinem Wunsche das Tier und die Notdurft? Oder

    Vereinsamung? Oder Unfriede mit dir?

    Ich will, dass dein Sieg und deine Freiheit sich nach einem Kinde

    sehne. Lebendige Denkmale sollst du bauen deinem Siege und

    deiner Befreiung. ber dich sollst du hinausbauen. Aber erst

    musst du mir selber gebaut sein, rechtwinklig an Leib und Seele.

    Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf! Dazu helfe

    dir der Garten der Ehe! Einen hheren Leib sollst du schaffen,

    eine erste Bewegung, ein aus sich rollendes Rad einen Schaffenden sollst du schaffen.

    Ehe: so heie ich den Willen zu zweien, das Eine zu schaffen, das

    mehr ist, als die es schufen. Ehrfurcht voreinander nenne ich Ehe

    als vor den Wollenden eines solchen Willens.

    Eure Liebe zum Weibe und des Weibes Liebe zum Manne: ach,

    mchte sie doch Mitleiden sein mit leidenden und verhllten

    Gttern! Aber zumeist erraten zwei Tiere einander.

    Aber auch noch eure beste Liebe ist nur ein verzcktes Gleichnis

    und eine schmerzhafte Glut. Eine Fackel ist sie, die euch zu

    hheren Wegen leuchten soll. ber euch hinaus sollt ihr einst

    lieben! So lernt erst lieben! Und darum musstet ihr den bittern

    Kelch eurer Liebe trinken.

    Bitternis ist im Kelch auch der besten Liebe: so macht sie

    Sehnsucht zum bermenschen, so macht sie Durst dir, dem

    Schaffenden!

    Durst dem Schaffenden, Pfeil und Sehnsucht dem bermenschen:

    sprich, mein Bruder, ist dies dein Wille zur Ehe?

    Heilig heit mir solch ein Wille und solche Ehe.

    Also sprach Zarathustra.

  • X

    Einst sagte man Gott, wenn man auf ferne Meere blickte; nun

    aber lehrte ich euch sagen: bermensch.

    Gott ist eine Mutmaung; aber ich will, dass euer Mutmaen nicht

    weiter reiche, als euer schaffender Wille.

    Knntet ihr einen Gott schaffen? So schweigt mir doch von allen Gttern! Wohl aber knntet ihr den bermenschen schaffen. Nicht

    ihr vielleicht selber, meine Brder! Aber zu Vtern und Vorfahren

    knntet ihr euch umschaffen des bermenschen: und dies sei

    euer bestes Schaffen!

    Gott ist eine Mutmaung: aber ich will, dass euer Mutmaen

    begrenzt sei in der Denkbarkeit.

    Knntet ihr einen Gott denken? Aber dies bedeute euch Wille zur Wahrheit, dass alles verwandelt werde in Menschen-Denkbares,

    Menschen-Sichtbares, Menschen-Fhlbares! Eure eignen Sinne

    sollt ihr zu Ende denken!

    Und was ihr Welt nanntet, das soll erst von euch geschaffen

    werden: eure Vernunft, euer Bild, euer Wille, eure Liebe soll es

    selber werden! Und wahrlich, zu eurer Seligkeit, ihr Erkennenden!

    Und wie wolltet ihr das Leben ertragen ohne diese Hoffnung, ihr

    Erkennenden? Weder ins Unbegreifliche drftet ihr eingeboren

    sein, noch ins Unvernnftige.

    Aber dass ich euch ganz mein Herz offenbare, ihr Freunde: wenn

    es Gtter gbe, wie hielte ich's aus, kein Gott zu sein! Also gibt es

    keine Gtter.

    Schaffen das ist die groe Erlsung vom Leiden, und des Lebens Leichtwerden. Aber dass der Schaffende sei, dazu selber tut Leid

    not und viel Verwandelung. Ja, viel bitteres Sterben muss in

    eurem Leben sein, ihr Schaffenden! Also seid ihr Frsprecher und

    Rechtfertiger aller Vergnglichkeit. Dass der Schaffende selber

    das Kind sei, das neu geboren werde, dazu muss er auch die

    Gebrerin sein wollen und der Schmerz der Gebrerin.

    Wahrlich, durch hundert Seelen ging ich meinen Weg und durch

    hundert Wiegen und Geburtswehen. Manchen Abschied nahm ich

    schon, ich kenne die herzbrechenden letzten Stunden. Aber so

    will's mein schaffender Wille, mein Schicksal. Oder, dass ich's

    euch redlicher sage: solches Schicksal gerade will mein Wille.

    Alles Fhlende leidet an mir und ist in Gefngnissen: aber mein

    Wollen kommt mir stets als mein Befreier und Freudebringer.

  • Wollen befreit: das ist die wahre Lehre von Wille und Freiheit so lehrt sie euch Zarathustra.

    Nicht-mehr-wollen und Nicht-mehr-schtzen und Nicht-mehr-

    schaffen! ach, dass diese groe Mdigkeit mir stets fern bleibe!

    Auch im Erkennen fhle ich nur meines Willens Zeuge- und

    Werde-Lust; und wenn Unschuld in meiner Erkenntnis ist, so

    geschieht dies, weil Wille zur Zeugung in ihr ist.

    Hinweg von Gott und Gttern lockte mich dieser Wille; was wre

    denn zu schaffen, wenn Gtter da wren! Aber zum Menschen treibt er mich stets von neuem, mein inbrnstiger Schaffens-Wille;

    so treibt's den Hammer hin zum Steine.

    Ach, ihr Menschen, im Steine schlft mir ein Bild, das Bild meiner

    Bilder! Ach, dass es im hrtesten, hsslichsten Steine schlafen

    muss! Nun wtet mein Hammer grausam gegen sein Gefngnis.

    Vom Steine stuben Stcke: was schiert mich das?

    Vollenden will ich's: denn ein Schatten kam zu mir aller Dinge Stillstes und Leichtestes kam einst zu mir!

    Des bermenschen Schnheit kam zu mir als Schatten. Ach,

    meine Brder! Was gehen mich noch die Gtter an!

    Also sprach Zarathustra.

  • XI

    Dies ist mein Mitleid mit allem Vergangenen, dass ich sehe: es ist

    preisgegeben der Gnade, dem Geiste, dem Wahnsinne jedes Geschlechtes preisgegeben, das kommt und alles, was war, zu

    seiner Brcke umdeutet!

    Ein groer Gewalt-Herr knnte kommen, ein gewitzter Unhold,

    der mit seiner Gnade und Ungnade alles Vergangene zwnge und

    zwngte: bis es ihm Brcke wrde und Vorzeichen und Herold

    und Hahnenschrei.

    Dies aber ist die andre Gefahr und mein andres Mitleiden: Wer

    vom Pbel ist, dessen Gedenken geht zurck bis zum Grovater mit dem Grovater aber hrt die Zeit auf.

    Also ist alles Vergangene preisgegeben: denn es knnte einmal

    kommen, dass der Pbel Herr wrde und in seichten Gewssern

    alle Zeit ertrnkte.

    Darum, o meine Brder, bedarf es eines neuen Adels, der allem

    Pbel und allem Gewalt-Herrischen Widersacher ist und auf neue

    Tafeln neu das Wort schreibt: edel.

    Vieler Edlen nmlich bedarf es und vielerlei Edlen, dass es Adel

    gebe! Oder, wie ich einst im Gleichnis sprach: Das eben ist Gttlichkeit, dass es Gtter, aber keinen Gott gibt.

    O meine Brder, ich weihe und weise euch zu einem neuen Adel:

    ihr sollt mir Zeuger und Zchter werden und Semnner der

    Zukunft

    wahrlich nicht zu einem Adel, den ihr kaufen knntet gleich den Krmern und mit Krmer-Golde: denn wenig Wert hat alles, was

    seinen Preis hat.

    Nicht, woher ihr kommt, mache euch frderhin eure Ehre,

    sondern wohin ihr geht! Euer Wille und euer Fu, der ber euch

    selbst hinaus will das mache eure neue Ehre!

    O meine Brder, nicht zurck soll euer Adel schauen, sondern

    hinaus! Vertriebene sollt ihr sein aus allen Vater- und

    Urvterlndern!

    Eurer Kinder Land sollt ihr lieben: diese Liebe sei euer neuer Adel

    das unentdeckte im fernen Meere! Nach ihm heie ich eure Segel suchen und setzen!

    Also sprach Zarathustra.

  • XII

    Ich bin ein Wanderer und Bergsteiger, ich liebe die Ebenen nicht

    und es scheint, ich kann nicht lange still sitzen.

    Und was mir nun auch noch als Schicksal und Erlebnis komme, ein Wandern wird darin sein und ein Bergsteigen: man erlebt

    endlich nur noch sich selbst.

    Die Zeit ist abgeflossen, wo mir noch Zuflle begegnen durften;

    und was knnte jetzt noch zu mir fallen, was nicht schon mein

    Eigen wre!

    Es kehrt nur zurck, es kommt mir endlich heim mein eigen Selbst, und was von ihm lang in der Fremde war und zerstreut

    unter alle Dinge und Zuflle.

    Und noch eins wei ich: ich stehe jetzt vor meinem letzten Gipfel

    und vor dem, was mir am lngsten aufgespart war. Ach, meinen

    hrtesten Weg muss ich hinan! Ach, ich begann meine einsamste

    Wanderung!

    Wer aber meiner Art ist, der entgeht einer solchen Stunde nicht:

    der Stunde, die zu ihm redet: Jetzt erst gehst du deinen Weg der Gre! Gipfel und Abgrund das ist jetzt in Eins beschlossen!

    Du gehst deinen Weg der Gre: nun ist deine letzte Zuflucht

    worden, was bisher deine letzte Gefahr hie!

    Du gehst deinen Weg der Gre: das muss nun dein bester Mut

    sein, dass es hinter dir keinen Weg mehr gibt!

    Du gehst deinen Weg der Gre: hier soll dir keiner

    nachschleichen! Dein Fu selber lschte hinter dir den Weg aus,

    und ber ihm steht geschrieben: Unmglichkeit.

    Und wenn dir nunmehr alle Leitern fehlen, so musst du verstehen,

    noch auf deinen eigenen Kopf zu steigen: wie wolltest du anders

    aufwrts steigen?

    Auf deinen eigenen Kopf und hinweg ber dein eigenes Herz!

    Jetzt muss das Mildeste an dir noch zum Hrtesten werden.

    Wer sich stets viel geschont hat, der krnkelt zuletzt an seiner

    vielen Schonung. Gelobt sei, was hart macht! Ich lobe das Land

    nicht, wo Butter und Honig fliet! Von sich absehn lernen ist ntig, um viel zu sehn: diese Hrte tut jedem Berge-Steigenden not!

  • Wer aber mit den Augen zudringlich ist als Erkennender, wie

    sollte der von allen Dingen mehr als ihre vorderen Grnde sehn!

    Du aber, o Zarathustra, wolltest aller Dinge Grund schaun und

    Hintergrund: so musst du schon ber dich selber steigen, hinan, hinauf, bis du auch deine Sterne noch unter dir hast!

    Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch auf meine Sterne: das

    erst hiee mir mein Gipfel, das blieb mir noch zurck als mein

    letzter Gipfel!

    Also sprach Zarathustra.

  • GERMANIA-FEIER

    9. MAI

    DICHTUNGEN VON

    FRIEDRICH HLDERLIN

  • DIE EICHBUME

    Aus den Grten komm ich zu euch, ihr Shne des Berges!

    Aus den Grten, da lebt die Natur geduldig und huslich,

    Pflegend und wieder gepflegt mit den fleiigen Menschen zusammen.

    Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen

    In der zahmeren Welt und gehrt nur euch und dem Himmel,

    Der euch nhrt und erzog, und der Erde, die euch geboren. Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,

    Und ihr drngt euch frhlich und frei, aus der krftigen Wurzel,

    Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,

    Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken

    Ist euch heiter und gro die sonnige Krone gerichtet.

    Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels

    Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.

  • SELIGES LAND! Kein Hgel in dir wchst ohne den Weinstock,

    Nieder ins schwellende Gras regnet im Herbste das Obst.

    Frhlich baden im Strome den Fu die glhenden Berge,

    Krnze von Zweigen und Moos khlen ihr sonniges Haupt.

    Und, wie die Kinder hinauf zur Schulter des herrlichen Ahnherrn,

    Steigen am dunklen Gebirg Festen und Htten hinauf.

    Friedsam geht aus dem Walde der Hirsch ans freundliche Tagslicht;

    Hoch in heiterer Luft siehet der Falke sich um.

    Aber unten im Tal, wo die Blume sich nhrt von der Quelle,

    Streckt das Drfchen vergngt ber die Wiese sich aus.

    Still ists hier: kaum rauschet von fern die geschftige Mhle,

    Und vom Berge hinab knarrt das gefesselte Rad.

    Lieblich tnt die gehmmerte Sens und die Stimme des Landmanns,

    Der am Pfluge dem Stier lenkend die Schritte gebeut,

    Lieblich der Mutter Gesang, die im Grase sitzt mit dem Shnlein,

    Das die Sonne des Mais schmeichelt in lchelnden Schlaf. Aber drben am See, wo die Ulme das alternde Hoftor

    bergrnt und den Zaun wilder Holunder umblht,

    Da empfngt mich das Haus und des Gartens heimliches Dunkel,

    Wo mit den Pflanzen mich einst liebend mein Vater erzog,

    Wo ich froh, wie das Eichhorn, spielt auf den lispelnden sten,

    Oder ins duftende Heu trumend die Stirne verbarg.

    Heimatliche Natur! Wie bist du treu mir geblieben!

    Zrtlichpflegend, wie einst, nimmst du den Flchtling noch auf.

    Noch gedeihn die Pfirsiche mir, noch wachsen gefllig

    Mir ans Fenster, wie sonst, kstliche Trauben herauf.

    Lockend rten sich noch die sen Frchte des Kirschbaums,

    Und der pflckenden Hand reichen die Zweige sich selbst.

    Schmeichelnd zieht mich, wie sonst, in des Walds unendliche Laube

    Aus dem Garten der Pfad, oder hinab an den Bach,

    Und die Pfade rtest du mir, es wrmt mich und spielt mir

    Um das Auge, wie sonst, Vaterlandssonne! dein Licht.

    (Aus: Der Wanderer)

  • DRIN IN DEN ALPEN ists noch helle Nacht und die Wolke,

    Freudiges dichtend, sie deckt drinnen das ghnende Tal.

    Dahin, dorthin toset und strzt die scherzende Bergluft,

    Schroff durch Tannen herab glnzet und schwindet ein Strahl.

    Langsam eilt und kmpft das freudigschauernde Chaos,

    Jung an Gestalt, doch stark, feiert es liebenden Streit

    Unter den Felsen, es grt und wankt in den ewigen Schranken,

    Denn bacchantischer zieht drinnen der Morgen herauf.

    Denn es wchst unendlicher dort das Jahr und die heilgen

    Stunden, die Tage, sie sind khner geordnet, gemischt.

    Dennoch merket die Zeit der Gewittervogel und zwischen

    Bergen, hoch in der Luft weilt er und rufet den Tag.

    Jetzt auch wachet und schaut in der Tiefe drinnen das Drflein

    Furchtlos, Hohem vertraut, unter den Gipfeln hinauf.

    Wachstum ahnend, denn schon, wie Blitze, fallen die alten

    Wasserquellen, der Grund unter den Strzenden dampft,

    Echo tnet umher, und die unermessliche Werkstatt

    Reget bei Tag und Nacht, Gaben versendend, den Arm.

    Ruhig glnzen indes die silbernen Hhen darber,

    Voll mit Rosen ist schon droben der leuchtende Schnee.

    Und noch hher hinauf wohnt ber dem Lichte der reine

    Selige Gott vom Spiel heiliger Strahlen erfreut.

    Stille wohnt er allein und hell erscheinet sein Antlitz,

    Der therische scheint Leben zu geben geneigt,

    Freude zu schaffen, mit uns, wie oft, wenn, kundig des Maes,

    Kundig der Atmenden auch zgernd und schonend der Gott

    Wohlgediegenes Glck den Stdten und Husern und milde

    Regen, zu ffnen das Land, brtende Wolken, und euch,

    Trauteste Lfte, dann euch, sanfte Frhlinge, sendet,

    Und mit langsamer Hand Traurige wieder erfreut,

    Wenn er die Zeiten erneut, der Schpferische, die stillen

    Herzen der alternden Menschen erfrischt und ergreift,

    Und hinab in die Tiefe wirkt, und ffnet und aufhellt,

    Wie ers liebet, und jetzt wieder ein Leben beginnt,

    Anmut blhet, wie einst, und gegenwrtiger Geist kommt,

    Und ein freudiger Mut wieder die Fittiche schwellt.

    (Aus: Heimkunft)

  • DIE GTTER

    Du stiller Aether! immer bewahrst du schn

    Die Seele mir im Schmerz, und es adelt sich

    Zur Tapferkeit vor deinen Strahlen,

    Helios! oft die emprte Brust mir.

    Ihr guten Gtter! arm ist, wer euch nicht kennt,

    Im rohen Busen ruhet der Zwist ihm nie,

    Und Nacht ist ihm die Welt und keine

    Freude gedeihet und kein Gesang ihm.

    Nur ihr, mit eurer ewigen Jugend, nhrt

    In Herzen, die euch lieben, den Kindersinn,

    Und lasst in Sorgen und in Irren

    Nimmer den Genius sich vertrauern.

    AN DIE PARZEN

    Nur Einen Sommer gnnt, ihr Gewaltigen!

    Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

    Dass williger mein Herz, vom sen

    Spiele gesttiget, dann mir sterbe.

    Die Seele, der im Leben ihr gttlich Recht

    Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

    Doch ist mir einst das Heilige, das am

    Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

    Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

    Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

    Mich nicht hinab geleitet. Einmal

    Lebt ich wie Gtter, und mehr bedarfs nicht.

  • HYPERIONS SCHICKSALSLIED

    Ihr wandelt droben im Licht

    Auf weichem Boden, selige Genien!

    Glnzende Gtterlfte

    Rhren euch leicht,

    Wie die Finger der Knstlerin

    Heilige Saiten.

    Schicksallos, wie der schlafende

    Sugling, atmen die Himmlischen;

    Keusch bewahrt

    In bescheidener Knospe,

    Blhet ewig

    Ihnen der Geist,

    Und die seligen Augen

    Blicken in stiller

    Ewiger Klarheit.

    Doch uns ist gegeben

    Auf keiner Sttte zu ruhn,

    Es schwinden, es fallen

    Die leidenden Menschen

    Blindlings von einer

    Stunde zur andern,

    Wie Wasser von Klippe

    Zu Klippe geworfen

    Jahr lang ins Ungewisse hinab.

  • DER BLINDE SNGER

    Wo bist du, Jugendliches! das immer mich

    Zur Stunde weckt des Morgens, wo bist du, Licht?

    Das Herz ist wach, doch baut und hlt in

    Heiligem Zauber die Nacht mich immer.

    Sonst lauscht ich um die Dmmerung gern, sonst harrt

    Ich gerne dein am Hgel und nie umsonst!

    Nie tuschten mich, du Holdes, deine

    Boten, die Lfte, denn immer kamst du,

    Kamst allbeseligend den gewohnten Pfad

    Herein in deiner Schne, wo bist du, Licht?

    Das Herz ist wieder wach, doch bannt und

    Hemmt die unendliche Nacht mich immer.

    Mir grnten sonst die Lauben; es leuchteten

    Die Blumen wie die eigenen Augen mir;

    Nicht ferne war das Angesicht der

    Meinen und leuchtete mir, und droben

    Und um die Wlder sah ich die Fittiche

    Des Himmels wandern, da ich ein Jngling war;

    Nun sitz ich still allein, von einer

    Stunde zur anderen, und Gestalten

    Aus Lieb und Leid der helleren Tage schafft

    Zur eignen Freude nun mein Gedanke sich,

    Und ferne lausch ich hin, ob nicht ein

    Freundlicher Retter vielleicht mir komme.

    Dann hr ich oft die Stimme des Donnerers

    Am Mittag, wenn der Eherne nahe kommt,

    Wenn ihm das Haus bebt und der Boden

    Unter ihm drhnt und der Berg es nachhallt.

    Den Retter hr ich dann in der Nacht, ich hr

    Ihn ttend, den Befreier, belebend ihn,

    Den Donnerer vom Untergang zum

    Orient eilen, und ihm nach tnt ihr,

    Ihm nach, ihr meine Saiten! es lebt mit ihm

    Mein Lied, und wie die Quelle dem Strome folgt,

    Wohin er denkt, so muss ich fort und

    Folge dem Sicheren auf der Irrbahn.

  • Wohin? Wohin? ich hre dich da und dort,

    Du Herrlicher! und rings um die Erde tnts.

    Wo endest du? und was, was ist es

    ber den Wolken? und o wie wird mir!

    Tag, Tag! du ber strzenden Wolken! sei

    Willkommen mir! es blhet mein Auge dir,

    O Jugendlicht! o Glck! das alte

    Wieder! Doch geistiger rinnst du nieder,

    Du goldner Quell aus heiligem Kelch! und du,

    Du grner Boden! friedliche Wieg! und du,

    Haus meiner Vter! und ihr Lieben,

    Die mir begegneten einst, o nahet,

    O kommt, dass euer, euer die Freude sei,

    Ihr alle, dass euch segne der Sehende!

    O nehmt, dass ichs ertrage, mir das Leben, das Gttliche, mir vom Herzen!

  • ERMUNTERUNG

    Echo des Himmels! heiliges Herz! warum,

    Warum verstummst du unter den Lebenden,

    Schlfst, freies! von den Gtterlosen

    Ewig hinab in die Nacht verwiesen?

    Wacht denn, wie vormals, nimmer des Aethers Licht?

    Und blht die alte Mutter, die Erde, nicht?

    Und bt der Geist nicht da und dort, nicht

    Lchelnd die Liebe das Recht noch immer?

    Nur du nicht mehr! doch mahnen die Himmlischen,

    Und stillebildend weht, wie ein kahl Gefild,

    Der Othem der Natur dich an, der

    Alleserheiternde, seelenvolle.

    O Hoffnung! bald, bald singen die Haine nicht

    Des Lebens Lob allein, denn es ist die Zeit,

    Dass aus der Menschen Munde sie, die

    Schnere Seele, sich neuverkndet,

    Dann lieber im Bunde mit Sterblichen

    Das Element sich bildet, und dann erst reich,

    Bei frommer Kinder Dank, der Erde

    Brust, die unendliche, sich entfaltet

    Und unsre Tage wieder wie Blumen sind,

    Wo sie, des Himmels Sonne, sich ausgeteilt

    Im stillen Wechsel sieht und wieder

    Froh in den Frohen das Licht sich findet,

    Und er, der sprachlos waltet und unbekannt

    Zuknftiges bereitet, der Gott, der Geist

    Im Menschenwort, am schnen Tage

    Kommenden Jahren, wie einst, sich ausspricht.

  • HEIDELBERG

    Lange lieb ich dich schon, mchte dich, mir zur Lust,

    Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,

    Du, der Vaterlandsstdte

    Lndlichschnste, so viel ich sah.

    Wie der Vogel des Walds ber die Gipfel fliegt,

    Schwingt sich ber den Strom, wo er vorbei dir glnzt,

    Leicht und krftig die Brcke,

    Die von Wagen und Menschen tnt.

    Wie von Gttern gesandt, fesselt ein Zauber einst Auf die Brcke mich an, da ich vorber ging,

    Und herein in die Berge

    Mir die reizende Ferne schien,

    Und der Jngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

    Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schn,

    Liebend unterzugehen,

    In die Fluten der Zeit sich wirft.

    Quellen hattest du ihm, hattest dem Flchtigen

    Khle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

    All ihm nach, und es bebte

    Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

    Aber schwer in das Tal hing die gigantische,

    Schicksalskundige Burg, nieder bis auf den Grund

    Von den Wettern zerrissen;

    Doch die ewige Sonne goss

    Ihr verjngtes Licht ber das alternde

    Riesenbild, und umher grnte lebendiger

    Efeu; freundliche Wlder

    Rauschten ber die Burg herab.

    Struche blhten herab, bis wo im heitern Tal

    An den Hgeln gelehnt, oder dem Ufer hold,

    Deine frhlichen Gassen

    Unter duftenden Grten ruhn.

  • GESANG DES DEUTSCHEN

    O heilig Herz der Vlker, o Vaterland!

    Allduldend gleich der schweigenden Mutter Erd Und allverkannt, wenn schon aus deiner

    Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!

    Sie ernten den Gedanken, den Geist von dir,

    Sie pflcken gern die Traube, doch hhnen sie

    Dich, ungestalte Rebe! dass du

    Schwankend den Boden und wild umirrest.

    Du Land des hohen ernsteren Genius!

    Du Land der Liebe! Bin ich der deine schon,

    Oft zrnt ich weinend, dass du immer Blde die eigene Seele leugnest.

    Doch magst du manches Schne nicht bergen mir;

    Oft stand ich, berschauend das holde Grn,

    Den weiten Garten hoch in deinen

    Lften auf hellem Gebirg und sah dich.

    An deinen Strmen ging ich und dachte dich,

    Indes die Tne schchtern die Nachtigall

    Auf schwanker Weide sang, und still auf

    Dmmerndem Grunde die Welle weilte.

    Und an den Ufern sah ich die Stdte blhn,

    Die Edlen, wo der Flei in der Werkstatt schweigt,

    Die Wissenschaft, wo deine Sonne

    Milde dem Knstler zum Ernste leuchtet.

    Kennst du Minervas Kinder? Sie whlten sich

    Den lbaum frh zum Lieblinge, kennst du sie?

    Noch lebt, noch waltet der Athener

    Seele, die sinnende, still bei Menschen,

    Wenn Platons frommer Garten auch schon nicht mehr

    Am alten Strome grnt und der drftge Mann

    Die Heldenasche pflgt, und scheu der

    Vogel der Nacht auf der Sule trauert.

    O heilger Wald! O Attika! traf Er doch

    Mit seinem furchtbarn Strahle dich auch, so bald,

    Und eilten sie, die dich belebt, die

    Flammen entbunden zum ther ber?

  • Doch wie der Frhling, wandelt der Genius

    Von Land zu Land. Und wir? ist denn einer auch

    Von unsern Jnglingen, der nicht ein

    Ahnden, ein Rtsel der Brust, verschwiege?

    Den deutschen Frauen danket! Sie haben uns

    Der Gtterbilder freundlichen Geist bewahrt,

    Und tglich shnt der holde klare

    Friede das bse Gewirre wieder.

    Wo sind jetzt Dichter, denen der Gott es gab,

    Wie unsern Alten, freudig und fromm zu sein,

    Wo Weise, wie die unsren sind? die

    Kalten und Khnen, die Unbestechbarn!

    Nun! Sei gegrt in deinem Adel, mein Vaterland,

    Mit neuem Namen, reifeste Frucht der Zeit!

    Du letzte und du erste aller

    Musen, Urania, sei gegrt mir!

    Noch sumst und schweigst du, sinnest ein freudig Werk,

    Das von dir zeuge, sinnest ein neu Gebild,

    Das einzig wie du selber, das aus

    Liebe geboren und gut, wie du, sei

    Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,

    Dass wir uns alle finden am hchsten Fest? Doch wie errt der Sohn, was du den

    Deinen, Unsterbliche, lngst bereitest?

  • DER TOD FRS VATERLAND

    Du kommst, o Schlacht! schon wogen die Jnglinge

    Hinab von ihren Hgeln, hinab ins Tal

    Wo keck herauf die Wrger dringen,

    Sicher der Kunst und des Arms, doch sichrer

    Kommt ber sie die Seele der Jnglinge,

    Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer,

    Und ihre Vaterlandsgesnge

    Lhmen die Kniee der Ehrelosen.

    O nehmt mich, nehmt mich mit in die Reihen auf,

    Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods!

    Umsonst zu sterben, lieb ich nicht, doch

    Lieb ich zu fallen am Opferhgel

    Frs Vaterland, zu bluten des Herzens Blut

    Frs Vaterland und bald ists geschehn! Zu euch Ihr Teuern! Komm ich, die mich leben

    Lehrten und sterben, zu euch hinunter!

    Wie oft im Lichte drstet ich euch zu sehn, Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit!

    Nun grt ihr freundlich den geringen

    Fremdling und brderlich ists hier unten;

    Und Siegesboten kommen herab: die Schlacht

    Ist unser! Lebe droben, o Vaterland,

    Und zhle nicht die Toten! Dir ist,

    Liebes! Nicht einer zu viel gefallen.

  • RINGSUM RUHET DIE STADT; still wird die erleuchtete Gasse,

    Und, mit Fackeln geschmckt, rauschen die Wagen hinweg.

    Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen,

    Und Gewinn und Verlust wget ein sinniges Haupt

    Wohlzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,

    Und von Werken der Hand ruht der geschftige Markt.

    Aber das Saitenspiel tnt fern aus Grten; vielleicht, dass

    Dort ein Liebendes spielt oder ein einsamer Mann

    Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen

    Immerquillend und frisch rauschen am duftenden Beet.

    Still in dmmriger Luft ertnen gelutete Glocken,

    Und der Stunden gedenk rufet ein Wchter die Zahl.

    Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,

    Sieh! Und das Schattenbild unserer Erde, der Mond,

    Kommet geheim nun auch; die Schwrmerische, die Nacht kommt,

    Voll mit Sternen und wohl wenig bekmmert um uns,

    Glnzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den Menschen,

    ber Gebirgeshhn traurig und prchtig herauf.

    Wunderbar ist die Gunst der Hocherhabnen und niemand

    Wei, von wannen und was einem geschiehet von ihr.

    So bewegt sie die Welt und die hoffende Seele der Menschen,

    Selbst kein Weiser versteht, was sie bereitet, denn so

    Will es der oberste Gott, der sehr dich liebet, und darum

    Ist noch lieber, wie sie, dir der besonnene Tag.

    Aber zuweilen liebt auch klares Auge den Schatten

    Und versuchet zu Lust, eh es die Not ist, den Schlaf,

    Oder es blickt auch gern ein treuer Mann in die Nacht hin,

    Ja, es ziemet sich, ihr Krnze zu weihn und Gesang,

    Weil den Irrenden sie geheiliget ist und den Toten,

    Selber aber besteht, ewig, in freiestem Geist.

    Aber sie muss uns auch, dass in der zaudernden Weile,

    Dass im Finstern fr uns einiges Haltbare sei,

    Uns die Vergessenheit und das Heiligtrunkene gnnen,

    Gnnen das strmende Wort, das wie die Liebenden sei,

    Schlummerlos, und vollern Pokal und khneres Leben,

    Heilig Gedchtnis auch, wachend zu bleiben bei Nacht.

    Auch verbergen umsonst das Herz im Busen, umsonst nur

    Halten den Mut noch wir, Meister und Knaben, denn wer

    Mcht es hindern und wer mcht uns die Freude verbieten?

    Gttliches Feuer auch treibet, bei Tag und bei Nacht,

    Aufzubrechen. So komm! dass wir das Offene schauen,

    Dass ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.

    Fest bleibt eins; es sei um Mittag oder es gehe

    Bis in die Mitternacht, immer bestehet ein Ma,

    Allen gemein, doch jeglichem auch ist eignes beschieden,

    Dahin gehet und kommt jeder, wohin er es kann.

  • Drum! und spotten des Spotts mag gern frohlockender Wahnsinn,

    Wenn er in heiliger Nacht pltzlich die Snger ergreift.

    Drum an den Isthmos komm! dorthin, wo das offene Meer rauscht

    Am Parnass und der Schnee delphische Felsen umglnzt,

    Dort ins Land des Olymps, dort auf die Hhen Kithrons,

    Unter die Fichten dort, unter die Trauben, von wo

    Thebe drunten und Ismenos rauscht im Lande des Kadmos,

    Dorther kommt und zurck deutet der kommende Gott.

    Seliges Griechenland! du Haus der Himmlischen alle,

    Also ist wahr, was einst wir in der Jugend gehrt?

    Festlicher Saal! der Boden ist Meer! und Tische die Berge,

    Wahrlich zu einzigem Brauche vor alters gebaut!

    Aber die Thronen, wo? die Tempel, und wo die Gefe,

    Wo mit Nektar gefllt, Gttern zu Lust der Gesang?

    Wo, wo leuchten sie denn, die fernhintreffenden Sprche?

    Delphi schlummert und wo tnet das groe Geschick?

    Wo ist das schnelle? Wo brichts, allgegenwrtigen Glcks voll,

    Donnernd aus heiterer Luft ber die Augen herein?

    Vater ther! so riefs und flog von Zunge zu Zunge

    Tausendfach, es ertrug keiner das Leben allein;

    Ausgeteilet erfreut solch Gut, und getauschet mit Fremden

    Wirds ein Jubel, es wchst schlafend des Wortes Gewalt:

    Vater! heiter! und hallt, so weit es gehet, das uralt

    Zeichen, von Eltern geerbt, treffend und schaffend hinab.

    Denn so kehren die Himmlischen ein, tiefschrfend gelangt so

    Aus den Schatten herab unter die Menschen ihr Tag.

    Unempfunden kommen sie erst, es streben entgegen

    Ihnen die Kinder, zu hell kommet, zu blendend das Glck,

    Und es scheut sie der Mensch, kaum wei zu sagen ein Halbgott,

    Wer mit Namen sie sind, die mit den Gaben ihm nahn.

    Aber der Mut von ihnen ist gro, es fllen das Herz ihm

    Ihre Freuden und kaum wei er zu brauchen das Gut,

    Schafft, verschwendet und fast ward ihm Unheiliges heilig,

    Das er mit segnender Hand trig und gtig berhrt.

    Mglichst dulden die Himmlischen dies; dann aber in Wahrheit

    Kommen sie selbst und gewohnt werden die Menschen des Glcks

    Und des Tags und zu schaun die Offenbaren, das Antlitz

    Derer, welche, schon lngst Eines und Alles genannt,

    Tief die verschwiegene Brust mit freier Genge gefllet,

    Und zuerst und allein alles Verlangen beglckt.

    So ist der Mensch: wenn da ist das Gut, und es sorget mit Gaben

    Selber ein Gott fr ihn, kennet und sieht er es nicht.

    Tragen muss er, zuvor, nun aber nennt er sein Liebstes,

    Nun, nun mssen dafr Worte, wie Blumen, entstehn.

  • Und nun denkt er zu ehren in Ernst die seligen Gtter,

    Wirklich und wahrhaft muss alles verknden ihr Lob.

    Nichts darf schauen das Licht, was nicht den Hohen gefllet,

    Vor den ther gebhrt Migversuchendes nicht.

    Drum in der Gegenwart der Himmlischen wrdig zu stehen,

    Richten in herrlichen Ordnungen Vlker sich auf

    Untereinander und baun die schnen Tempel und Stdte

    Fest und edel, sie gehn ber Gestaden empor Aber wo sind sie? wo blhn die Bekannten, die Kronen des Festes?

    Thebe welkt und Athen; rauschen die Waffen nicht mehr

    In Olympia, nicht die goldnen Wagen des Kampfspiels,

    Und bekrnzen sich denn nimmer die Schiffe Korinths?

    Warum schweigen auch sie, die alten heilgen Theater?

    Warum freuet sich denn nicht der geweihete Tanz?

    Warum zeichnet, wie sonst, die Stirne des Mannes ein Gott nicht,

    Drckt den Stempel, wie sonst, nicht dem Getroffenen auf?

    Oder er kam auch selbst und nahm des Menschen Gestalt an

    Und vollendet und schloss trstend das himmlische Fest.

    Aber Freund! wir kommen zu spt. Zwar leben die Gtter,

    Aber ber dem Haupt droben in anderer Welt.

    Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten, Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns.

    Denn nicht immer vermag ein schwaches Gef sie zu fassen,

    Nur zuzeiten ertrgt gttliche Flle der Mensch.

    Traum von ihnen ist drauf das Leben. Aber das Irrsal

    Hilft, wie Schlummer, und stark machet die Not und die Nacht,

    Bis dass Helden genug in der ehernen Wiege gewachsen,

    Herzen an Kraft, wie sonst, hnlich den Himmlischen sind.

    Donnernd kommen sie drauf. Indessen dnket mir fters

    Besser zu schlafen, wie so ohne Genossen zu sein,

    So zu harren; und was zu tun indes und zu sagen,

    Wei ich nicht, und wozu Dichter in drftiger Zeit.

    Aber sie sind, sagst du, wie des Weingotts heilige Priester,

    Welche von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht.

    (Aus: Brot und Wein)

  • DER RHEIN

    Im dunkeln Efeu sa ich, an der Pforte

    Des Waldes, eben, da der goldene Mittag,

    Den Quell besuchend, herunterkam

    Von Treppen des Alpengebirgs,

    Das mir die gttlichgebaute,

    Die Burg der Himmlischen heit

    Nach alter Meinung, wo aber

    Geheim noch manches entschieden

    Zu Menschen gelanget; von da

    Vernahm ich ohne Vermuten

    Ein Schicksal, denn noch kaum

    War mir im warmen Schatten

    Sich manches beredend, die Seele

    Italia zu geschweift

    Und fernhin an die Ksten Moreas.

    Jetzt aber, drin im Gebirg,

    Tief unter den silbernen Gipfeln

    Und unter frhlichem Grn,

    Wo die Wlder schauernd zu ihm,

    Und der Felsen Hupter bereinander

    Hinabschaun, taglang, dort

    Im kltesten Abgrund hrt

    Ich um Erlsung jammern

    Den Jngling, es hrten ihn, wie er tobt, Und die Mutter Erd anklagt Und den Donnerer, der ihn gezeuget,

    Erbarmend die Eltern, doch

    Die Sterblichen flohn von dem Ort,

    Denn furchtbar war, da lichtlos er

    In den Fesseln sich wlzte,

    Das Rasen des Halbgotts.

    Die Stimme wars des edelsten der Strme,

    Des freigeborenen Rheins,

    Und anderes hoffte der, als droben von den Brdern,

    Dem Tessin und dem Rhodanus,

    Er schied und wandern wollt, und ungeduldig ihn

    Nach Asia trieb die knigliche Seele.

    Doch unverstndig ist

    Das Wnschen vor dem Schicksal.

    Die Blindesten aber

    Sind Gttershne. Denn es kennet der Mensch

    Sein Haus, und dem Tier ward, wo

    Es bauen solle, doch jenen ist

    Der Fehl, dass sie nicht wissen wohin,

    In die unerfahrene Seele gegeben.

  • Ein Rtsel ist Reinentsprungenes. Auch

    Der Gesang kaum darf es enthllen. Denn

    Wie du anfingst, wirst du bleiben,

    Soviel auch wirket die Not

    Und die Zucht, das meiste nmlich

    Vermag die Geburt

    Und der Lichtstrahl, der

    Dem Neugebornen begegnet.

    Wo aber ist einer,

    Um frei zu bleiben

    Sein Leben lang, und des Herzens Wunsch

    Allein zu erfllen, so

    Aus gnstigen Hhn wie der Rhein,

    Und so aus heiligem Schoe

    Glcklich geboren wie jener?

    Drum ist ein Jauchzen sein Wort.

    Nicht liebt er, wie andere Kinder,

    In Wickelbanden zu weinen;

    Denn wo die Ufer zuerst

    An die Seit ihm schleichen, die krummen,

    Und durstig umwindend ihn,

    Den Unbedachten, zu ziehn

    Und wohl zu behten begehren

    Im eigenen Zahne, lachend

    Zerreit er die Schlangen und strzt

    Mit der Beut und wenn in der Eil

    Ein Grerer ihn nicht zhmt,

    Ihn wachsen lsst, wie der Blitz, muss er

    Die Erde spalten, und wie Bezauberte fliehn

    Die Wlder ihm nach und zusammensinkend die Berge.

    Ein Gott will aber sparen den Shnen

    Das eilende Leben und lchelt,

    Wenn unenthaltsam, aber gehemmt

    Von heiligen Alpen, ihm

    In der Tiefe, wie jener, zrnen die Strme.

    In solcher Esse wird dann

    Auch alles Lautre geschmiedet,

    Und schn ists, wie er drauf,

    Nachdem er die Berge verlassen,

    Stillwandelnd sich im deutschen Lande

    Begnget und das Sehnen stillt

    Im guten Geschfte, wenn er das Land baut,

    Der Vater Rhein, und liebe Kinder nhrt

    In Stdten, die er gegrndet.

    Doch nimmer, nimmer vergisst ers. Denn eher muss die Wohnung vergehn

    Und die Satzung und zum Unbild werden

  • Der Tag der Menschen, ehe vergessen

    Ein solcher drfte den Ursprung

    Und die reine Stimme der Jugend.

    Wer war es, der zuerst

    Die Liebesbande verderbt

    Und Stricke von ihnen gemacht hat?

    Dann haben des eigenen Rechts

    Und gewiss des himmlischen Feuers

    Gespottet die Trotzigen, dann erst

    Die sterblichen Pfade verachtend

    Verwegnes erwhlt

    Und den Gttern gleich zu werden getrachtet.

    Es haben aber an eigner

    Unsterblichkeit die Gtter genug, und bedrfen

    Die Himmlischen eines Dings,

    So sinds Heroen und Menschen

    Und Sterbliche sonst. Denn weil

    Die Seligsten nichts fhlen von selbst,

    Muss wohl, wenn solches zu sagen

    Erlaubt ist, in der Gtter Namen

    Teilnehmend fhlen ein andrer,

    Den brauchen sie; jedoch ihr Gericht

    Ist, dass sein eigenes Haus

    Zerbreche der und das Liebste

    Wie den Feind schelt und sich Vater und Kind

    Begrabe unter den Trmmern,

    Wenn einer, wie sie, sein will und nicht

    Ungleiches dulden, der Schwrmer.

    Drum wohl ihm, welcher fand

    Ein wohlbeschiedenes Schicksal,

    Wo noch der Wanderungen

    Und s der Leiden Erinnerung

    Aufrauscht am sichern Gestade,

    Dass da und dorthin gern

    Er sehn mag bis an die Grenzen,

    die bei der Geburt ihm Gott

    Zum Aufenthalte gezeichnet.

    Dann ruht er, seligbescheiden,

    Denn alles, was er gewollt,

    Das Himmlische, von selber umfngt

    Es unbezwungen, lchelnd

    Jetzt, da er ruhet, den Khnen.

    Halbgtter denk ich jetzt Und kennen muss ich die Teuern,

    Weil oft ihr Leben so

    Die sehnende Brust mir beweget.

    Wem aber, mein Freund, wie dir

  • Unberwindlich die Seele,

    Die starkausdauernde ward,

    Und sicherer Sinn

    Und se Gabe zu hren,

    Zu reden so, dass er aus heiliger Flle

    Wie der Weingott, trig gttlich

    Und gesetzlos sie, die Sprache der Reinesten, gibt

    Verstndlich den Guten, aber mit Recht

    Die Ahnungslosen mit Blindheit schlgt

    Die entweihenden Knechte, wie nenn ich den Fremden?

    Die Shne der Erde sind, wie die Mutter,

    Alliebend, so empfangen sie auch

    Mhlos, die Glcklichen, alles.

    Drum berraschet es auch

    Und schrckt den sterblichen Mann,

    Wenn er den Himmel, den

    Er mit den liebenden Armen

    Sich auf die Schultern gehuft,

    Und die Last der Freude bedenket;

    Dann scheinet ihm oft das Beste,

    Fast ganz vergessen da,

    Wo der Strahl nicht brennt,

    Im Schatten des Walds

    Am See in frischer Grne zu sein,

    Und sorglosarm an Tnen,

    Anfngern gleich, bei Nachtigallen zu lernen.

    Und herrlich ists, aus heiligem Schlafe dann

    Erstehen und aus des Waldes Khle

    Erwachend, abends nun

    Dem milderen Licht entgegenzugehn,

    Wenn, der die Berge gebaut

    Und den Pfad der Strme gezeichnet,

    Nachdem er lchelnd auch

    Der Menschen geschftiges Leben

    Das odemarme, wie Segel

    Mit seinen Lften gelenkt hat,

    Auch ruht, und zu der Schlerin jetzt,

    Der Bildner, Gutes mehr

    Denn Bses findend,

    Zur heutigen Erde der Tag sich neiget.

    Dann feiern das Brautfest Menschen und Gtter,

    Es feiern die Lebenden all,

    Und ausgeglichen

    Ist eine Weile das Schicksal.

    Und die Flchtlinge suchen die Herberg,

    Und sen Schlummer die Tapfern,

    Die Liebenden aber

  • Sind, was sie waren; sie sind

    Zu Hause, wo die Blume sich freuet

    Unschdlicher Glut und die finsteren Bume

    Der Geist umsuselt, aber die Unvershnten

    Sind umgewandelt und eilen

    Die Hnde sich ehe zu reichen,

    Bevor das freundliche Licht

    Hinuntergeht und die Nacht kommt.

    Doch einigen eilt

    Dies schnell vorber, andere

    Behalten es lnger.

    Die ewigen Gtter sind

    Voll Leben allzeit; bis in den Tod

    Kann aber ein Mensch auch

    Im Gedchtnis doch das Beste behalten,

    Und dann erlebt er das Hchste.

    Nun hat ein jeder sein Ma.

    Denn schwer ist zu tragen

    Das Unglck, aber schwerer das Glck.

    Dir mag auf heiem Pfade, unter Tannen oder

    Im Dunkel des Eichwalds gehllt

    In Stahl, mein Freund! der Gott erscheinen oder

    In Wolken du kennst ihn, da du kennest, jugendlich, Des Guten Kraft, und nimmer ist dir

    Verborgen das Lcheln des Herrschers

    Bei Tage, wenn

    Es fieberhaft und angekettet, das

    Lebendige, scheinet oder auch

    Bei Nacht, wenn alles gemischt

    Ist ordnungslos und wiederkehrt

    Uralte Verwirrung.

  • GERMANIEN

    Nicht sie, die Seligen, die erschienen sind,

    Die Gtterbilder in dem alten Lande,

    Sie darf ich ja nicht rufen mehr. Wenn aber,

    Ihr heimatlichen Wasser! jetzt mit euch

    Des Herzens Liebe klagt, was will es anders,

    Das Heiligtrauernde? Denn voll Erwartung liegt

    Das Land und als in heien Tagen

    Herabgesenkt, umschattet heut,

    Ihr Sehnenden! uns ahnungsvoll ein Himmel.

    Voll ist er von Verheiungen und scheint

    Mir drohend auch, doch will ich bei ihm bleiben,

    Und rckwrts soll die Seele mir nicht fliehn

    Zu euch, Vergangene! die zu lieb mir sind.

    Denn euer schnes Angesicht zu sehn,

    Als wrs, wie sonst, ich frcht es, tdlich ists,

    Und kaum erlaubt, Gestorbene zu wecken.

    Entflohene Gtter! auch ihr, ihr gegenwrtigen, damals

    Wahrhaftiger, ihr hattet eure Zeiten!

    Nichts leugnen will ich hier und nichts erbitten.

    Denn wenn es aus ist, und der Tag erloschen,

    Wohl triffts den Priester erst, doch liebend folgt

    Der Tempel und das Bild ihm auch und seine Sitte

    Zum dunklen Land und keines mag noch scheinen.

    Nur als von Grabesflammen, ziehet dann

    Ein goldner Rauch, die Sage, drob hinber,

    Und dmmert jetzt uns Zweifelnden um das Haupt,

    Und keiner wei, wie ihm geschieht. Er fhlt

    Die Schatten derer, so gewesen sind,

    Die Alten, so die Erde neu besuchen.

    Denn die da kommen sollen, drngen uns,

    Und lnger sumt von Gttermenschen

    Die heilige Schar nicht mehr im blauen Himmel.

    Schon grnet ja, im Vorspiel rauerer Zeit

    Fr sie erzogen, das Feld, bereitet ist die Gabe

    Zum Opfermahl, und Tal und Strme sind

    Weitoffen um prophetische Berge,

    Dass schauen mag bis in den Orient

    Der Mann und ihn von dort der Wandlungen viele bewegen.

    Vom ther aber fllt

    Das treue Bild und Gttersprche regnen

    Unzhlbare von ihm, und es tnt im innersten Haine.

    Und der Adler, der vom Indus kommt,

    Und ber des Parnassos

    Beschneite Gipfel fliegt, hoch ber den Opferhgeln

    Italias, und frohe Beute sucht

    Dem Vater, nicht wie sonst, gebter im Fluge

  • Der Alte, jauchzend berschwingt er

    Zuletzt die Alpen und sieht die vielgearteten Lnder.

    Die Priesterin, die stillste Tochter Gottes,

    Sie, die zu gern in tiefer Einfalt schweigt,

    Sie suchet er, die offnen Auges schaute,

    Als wsste sie es nicht, jngst, da ein Sturm

    Toddrohend ber ihrem Haupt ertnte;

    Es ahnete das Kind ein Besseres,

    Und endlich ward ein Staunen weit im Himmel,

    Weil eines gro an Glauben, wie sie selbst,

    Die segnende, die Macht der Hhe sei;

    Drum sandten sie den Boten, der, sie schnell erkennend,

    Denkt lchelnd so: Dich, Unzerbrechliche, muss

    Ein ander Wort erprfen und ruft es laut,

    Der Jugendliche, nach Germania schauend:

    Du bist es, auserwhlt, Alliebend und ein schweres Glck

    Bist du zu tragen stark geworden.

    Seit damals, da im Walde versteckt und blhendem Mohn

    Voll sen Schlummers, Trunkene, meiner du

    Nicht achtetest, lang, ehe noch auch Geringere fhlten

    Der Jungfrau Stolz und staunten, wes du wrst und woher,

    Doch du es selbst nicht wusstest. Ich misskannte dich nicht,

    Und heimlich, da du trumtest, lie ich

    Am Mittag scheidend dir ein Freundeszeichen,

    Die Blume des Mundes zurck und du redetest einsam.

    Doch Flle der goldenen Worte sandtest du auch,

    Glckselige! mit den Strmen und sie quillen unerschpflich

    In die Gegenden all. Denn fast, wie der heiligen,

    Die Mutter ist von allem,

    Die Verborgene sonst genannt von Menschen,

    So ist von Lieben und Leiden

    Und voll von Ahnungen dir

    Und voll von Frieden der Busen.

    O trinke Morgenlfte,

    Bis dass du offen bist,

    Und nenne, was vor Augen dir ist,

    Nicht lnger darf Geheimnis mehr

    Das Ungesprochene bleiben,

    Nachdem es lange verhllt ist;

    Denn Sterblichen geziemet die Scham,

    Und so zu reden die meiste Zeit,

    Ist weise auch von Gttern.

    Wo aber berflssiger, denn lautere Quellen,

    Das Gold und ernst geworden ist der Zorn an dem Himmel,

    Muss zwischen Tag und Nacht

    Einsmals ein Wahres erscheinen.

  • Dreifach umschreibe du es,

    Doch ungesprochen auch, wie es da ist,

    Unschuldige, muss es bleiben.

    O nenne, Tochter du der heiligen Erd,

    Einmal die Mutter. Es rauschen die Wasser am Fels

    Und Wetter im Wald und bei dem Namen derselben

    Tnt auf aus alter Zeit Vergangengttliches wieder.

    Wie anders ists! und rechthin glnzt und spricht

    Zuknftiges auch erfreulich aus den Fernen.

    Doch in der Mitte der Zeit

    Lebt ruhig mit geweihter

    Jungfrulicher Erde der ther

    Und gerne, zur Erinnerung, sind

    Die Unbedrftigen, sie

    Gastfreundlich bei den unbedrftgen, Bei deinen Feiertagen,

    Germania, wo du Priesterin bist

    Und wehrlos Rat gibst rings

    Den Knigen und den Vlkern.

  • SOL INVICTUS

    8. AUGUST

    GEDICHTE VON

    STEFAN GEORGE

    Wol ziemt zu schweigen ber gross beginnen

    Doch jeder starke drang will kunde geben Taglang ist es mein einziges bestreben

    Aufs wort fr unsern neuen weg zu sinnen.

  • HYPERION

    Dem sehnenden war

    Der wink genug - und winke sind

    Von alters her die sprache der gtter (Hlderlin)

    I

    Wo an entlegnem gestade

    Muss ich vor alters entstammt sein

    Brder des volkes?

    Dass ich mit euch wol geniessend

    Wein und getreid unsres landes

    Fremdling euch bleibe?

    So wie sich sondert des sohns

    Ahnender stolz von geschwistern

    Spterer heirat

    Selbst unter freundlichesn spielen

    Innerlich fern und versichert

    Besseren vaters.

    Ihr die in sinnen verstrickten

    Ihr die in tnen verstrmten

    Schlaff dann beim werke:

    Klagend an ach welchen wassern

    Weinend an ach welchen weiden

    Nach welchem glcke! Lernt nicht des tanzenden schritte

    Holde gebrde der freude

    Roh da ihr schwank seid -

    Fruchtbarem bund nicht gefge

    Ihr auch zu zweien allein:

    Ihr mit dem spiegel.

    II

    Ahnung gesellt mich zu euch kinder des inselgebiets

    Die ihr in anmut die tat bilder in hoheit ersannt

    Spartas gebndigten mut Ioniens ssse vermhlt.

    Jugendlich tanzt Der den chor helden gestaltend als mann

    Lieblichen gastmahls ist herr lenker in staates gefahr

    Eifernder stmme bewerb einigte tempel und spiel.

    Ihr habt Erlesne des glcks wo ihr auch griffet gesiegt

    Die ihr