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Sozialarbeit für Flüchtlinge Heikle Fragen bei der Integration (Guido Meier) Mediendienst 7/2014 vom 22. Mai 2014 http://www.caritas.ch/de/was-wir-sagen/mediendienst/
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Mediendienst 7 22. Mai 2014
Sozialarbeit für Flüchtlinge
Heikle Fragen bei der Integration Guido Meier
Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung.
Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.
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Caritas Schweiz, Mediendienst 7, 22. Mai 2014
Sozialarbeit für Flüchtlinge
Heikle Fragen bei der Integration
Nach langem Bangen ist eine achtköpfige Flüchtlingsfamilie in einer ländlichen Gemeinde end-
lich zusammengekommen. Familiengrösse und -herkunft finden weit über die unmittelbare
Nachbarschaft Beachtung. Die Verschiedenheit wurde anfänglich mit Interesse verfolgt, verur-
sachte jedoch infolge Berührungsängsten und Alltagsbeobachtungen zunehmend Verunsiche-
rung. Die Situation zeigt wichtige Fragen im Integrationsprozess von Flüchtlingen auf.
Caritas Schweiz führt im Auftrag des Kantons Obwalden die Asyl- und Flüchtlingsstelle in Sarnen.
Diese Stelle nimmt alle Aufgaben bei der Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden, vorläufig
Aufgenommenen und Flüchtlingen im Kanton wahr. Dies beinhaltet insbesondere die wirtschaftliche
Fürsorge, die soziale Beratung, das Gesundheitswesen, die Arbeit sowie Bildung und Beschäftigung,
und für Personen mit Bleiberecht die Integration.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung
Die muslimisch geprägte Grossfamilie lebt ein klassisches Familienmodell, der Vater ausser- und die
Mutter innerhäuslich orientiert. Dadurch ist der Vater bei seiner Integration, nach Schweizer Vorstel-
lung, begünstigt, ist er noch dazu beinahe drei Jahre vor der Familie in die Schweiz als Asylsuchender
eingereist. Mit Glück konnte vor der Familienankunft ein Wohnhaus gefunden werden, in welches die
Familie einziehen konnte. Die Kinder fühlen sich wohl, gehen zur Schule und geniessen ein grosses
Stück neu gewonnene Freiheit, während sich die Mutter kaum ausserhalb des Hauses zeigt.
Wahrnehmung vom unmittelbaren Umfeld
„Warum hat beinahe jedes Familienmitglied ein Handy und die Kinder ein Kick-Board? Sie spielen
unbeaufsichtigt im Garten und auf Quartierstrassen, werfen Kieselsteine auf ein Autodach und steigen
in das unverschlossene Auto.“ So lauten die Kommentare aus dem Quartier. Die Kinder klettern in
Keller und Vorratsräume der angrenzenden Häuser, sodass die Nachbarn intervenieren müssen, weil
die Mutter dies nicht mitbekommt. Auch wird vernachlässigt, die Spielzeuge geordnet wieder wegzu-
räumen, sie bleiben oft auf der nicht immer verkehrsfreien Quartierstrasse liegen. Der Vater muss alles
alleine einkaufen, günstigere Gebührenabfallsäcke kauft er ausserhalb des Kantons. In der Heizperiode
bleibt die Haupttüre des Hauses offen, wer zahlt denn die Nebenkosten, wer ist überhaupt zuständig?
„Die Familie müsste doch eng begleitet werden, sie verstehen ja kaum Deutsch“ – solche Fragen wer-
den der Caritas als betreuender Institution immer wieder gestellt.
Fragen der Freiheit für alle
Darf die Sozialarbeit über die Ausgaben, die mit der wirtschaftlichen Sozialhilfe gemacht werden,
bestimmen? Sofern nicht die grundlegenden Bedürfnisse damit gefährdet sind, nein. Es ist der Familie
überlassen, wie sie die Mittel einsetzt. Darf oder muss eingegriffen werden, wenn die Sorgfalt und
Ordnungspflicht missachtet werden? Wie bei anderen Mietsverhältnissen auch liegt es in der Verant-
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Caritas Schweiz, Mediendienst 7, 22. Mai 2014
wortung der Bewohner, wie sie mit der gemieteten Unterkunft umgehen. Dennoch wird die Verant-
wortung bei der zuständigen Institution – hier bei der Caritas – gesucht, die dafür Sorge tragen muss,
dass ein Leben nebeneinander möglich ist.
Erwartungen an die betreuende Institution
Der Sozialdienst ist nebst der klassischen Sozialarbeit in zunehmend weiteren Themenfeldern gefor-
dert. Soziale Integration ist ein komplexer und zeitintensiver Prozess. Caritas begleitet die Betroffenen
im Alltag: Dazu gehört etwa Unterstützung bei Erziehungs- und Bildungsfragen, bis hin zur Finanzie-
rung einer Hausaufgabenhilfe für die Kinder. Es geht darum zuzuhören, wenn sich jemand wegen
Diskriminierung verletzt fühlt oder darum, einer Familie Kontakte zu verschaffen, damit sie sich mit
anderen austauschen kann. Das Ziel ist, dass die Familien möglichst schnell selbstständig werden. Hat
die Sozialarbeit trotz grossem Aufwand nicht in allen Fällen Erfolg, misst die Öffentlichkeit ihre Leis-
tungen an den negativen und oftmals beinahe hoffnungslosen Situationen. Prioritäten dürfen nicht
mehr fachlich, sondern müssen politisch gesetzt werden. Bei alldem geht vergessen, dass die Integrati-
on vielerorts gelingt.
Berührungsängste infolge unterschiedlicher Wertvorstellungen
Die Normen und Werte können oft unterschiedlicher nicht sein. Von neu Zugewanderten wird ver-
langt, dass sie die hiesigen Werte nicht nur respektieren, sondern auch leben. Dem Spannungsfeld von
Identität der Betroffenen und Assimilierung wird wenig Betrachtung geschenkt und häufig fehlt es an
Verständnis für ihre Situation: Oft sind die Flüchtlinge durch ihre Geschichte traumatisiert und erleben
mit ihrer Ankunft in die Schweiz zusätzlich einen Kulturschock. Die Folgen sind absehbar, Rückzug
in die eigene Kultur und verschliessen vor dem Fremdem. Die Konfrontationen sind vorbestimmt, bei
denen vor allem Kinder leiden. Es folgen schwierige und kostenintensive Laufbahnen, die irreparable
Schäden hinterlassen können.
Auftrag für die Caritas Schweiz
Caritas setzt sich für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft ein, indem sie sich für die Rechte der
Zugewanderten engagiert. Sie tut dies, indem sie die Verständigung zwischen Einheimischen und Zu-
gewanderten fördert; die Integration der Zugewanderten und ihre Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben unterstützt; im Auftrag der öffentlichen Hand Asylsuchende und Flüchtlinge betreut. Als Brü-
ckenbauer stellt sie sich zur Verfügung und investiert in das gegenseitige Verständnis.
Guido Meier, Leiter Asyl- und Flüchtlingsstelle Obwalden, Caritas Schweiz,
E-Mail [email protected], Tel 041 660 86 30