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Hörverstehensaufgaben in modernen Spanischlehrwerken Theorie und Umsetzung in Puente Nuevo, Encuentros und Línea verde Patrick Kovanetz

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Hörverstehensaufgaben in modernen Spanischlehrwerken

Theorie und Umsetzung in Puente Nuevo, Encuentros und Línea verde

Patrick Kovanetz

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Gliederung

1. Einleitung………………………………………………………………………... Seite 3

2. Hauptteil………………………………………………………………………….Seite 4

2.1. Psycholinguistische Theorien………………………………………………... Seite 4

2.1.1. Das top-down model…………………………………………………….Seite 4

2.1.2. Das Shortlist Model und die Berücksichtigung segmentaler Faktoren… Seite 6

2.1.3. Morphologische und Syntaktische Faktoren…………………………… Seite 6

2.2. Die Hörverstehensfertigkeit im Unterricht………………………………….Seite 8

2.2.1. Didaktische Überlegungen……………………………………………... Seite 8

2.2.2. Forderungen aus der Didaktik………………………………………….. Seite 11

2.2.3. Forderungen des Lehrplans…………………………………………….. Seite 13

2.3. Hörverstehensaufgaben in den Lehrwerken……………………………….. Seite 15

2.3.1. Hörverstehensaufgaben in Puente Nuevo……………………………… Seite 16

2.3.2. Hörverstehensaufgaben in Encuentros………………………………… Seite 17

2.3.3. Hörverstehensaufgaben in Línea verde………………………………… Seite 19

2.3.4. Die Aufgaben im Vergleich……………………………………………. Seite 21

3. Schluss……………………………………………………………………………. Seite 23

4. Bibliographie…………………………………………………………………… Seite 25

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1. Einleitung

Dem Hörverstehen fällt im Kommunikationsprozess eine zentrale Rolle zu: Es umfasst die

Wahrnehmung, das Verstehen und die Interpretation von Sprachäußerungen und ist damit die

Voraussetzung für jegliche Interaktion. Deshalb zählt das Hörverstehen in der Fremdsprachendidaktik

zu einer der Basisfertigkeiten, die die Grundlage für den Spracherwerbsprozess bilden. (Schumann

1995: 244)

Mit diesen Worten wird im Handbuch Fremdsprachenunterricht der zugegebenermaßen nicht

sehr üppige Beitrag zum Thema Hörverstehen eingeleitet, dessen Kürze verwunderlich

erscheint, angesichts der scheinbar offensichtlichen Wichtigkeit, die dem Hörverstehen als

Teil des Sprachenlernens laut selbigem Zitat zukommt. Hörverstehen bildet also, wie obiges

Zitat herausstellt, die Basis für „jegliche Interaktion“. Dadurch wird es auch zu einer

Grundvoraussetzung dafür, etwaige Fertigkeiten im Feld der mündlichen Sprachproduktion

anzuwenden und ist darüber hinaus im Unterricht unerlässlich zum Verständnis von

Lehreräußerungen in der Fremdsprache, die, wie häufig gefordert, so bald als möglich

Unterrichtssprache werden soll. Somit ist ein solides Hörverstehen auch wichtig, um eine

weitere Lernprogression beim Schüler zu ermöglichen, ganz abgesehen vom finalen Ziel der

Fähigkeit zur Dekodierung von Äußerungen in der Fremdsprache seitens eines

Muttersprachlers. Dies unterstreicht die Rolle des Hörverstehens als grundlegende Fertigkeit

sowohl im als auch für den Lernprozess.

Das im fachtheoretischen Diskurs dem Hörverständnis ein Platz als wichtige Fertigkeit im

Prozess des Sprachenlernens zuerkannt wird ist eine Grundvoraussetzung für eine

erfolgreiche Umsetzung eben dieser didaktischen Theorien im Unterricht. Tatsächlich jedoch

hängt es häufig an den Lehrwerken, dem unmittelbaren Material, das den Lehrern an die Hand

gegeben wird, ob didaktische oder psycholinguistische Überlegungen tatsächlich auch den

Weg ins Klassenzimmer finden. Beim Hörverstehen ergibt sich in diesem Zusammenhang ein

interessanter medialer Bruch, da es Büchern offensichtlich unmöglich ist authentische

gesprochene Sprache zu produzieren. Im Regelfall wird dieses Defizit durch mitgelieferte

CDs kompensiert, die dann über entsprechende Sprachbeispiele und Aufgaben verfügen.

Wie jedoch die Brücke vom Buch zur CD in Sachen Aufgaben geschlagen wird, wie häufig

Hörverstehensaufgaben angeboten werden oder ob sich verlagspezifische Eigentümlichkeiten

im Umgang mit dem Thema ergeben, das soll Thema dieser Arbeit sein. Hierzu wird zunächst

ein Abriss über gängige psycholinguistische Theorien zum Hörverstehen gegeben.

Anschließend stehen Forderungen, die von Seiten des Lehrplans und der Didaktik an das

Hörverstehen gestellt werden im Fokus, sowohl im Fremdsprachenunterricht allgemein, als

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auch speziell im Fach Spanisch. Den finalen Teil der Arbeit bildet eine Untersuchung von

Aufgaben zum Thema in drei der meist gebrauchten Spanischlehrwerke: Puente Nuevo vom

Diesterweg Verlag, Línea verde vom Klett Verlag und Encuentros vom Cornelsen Verlag.

2. Hauptteil

2.1. Psycholinguistische Theorien

Erste Überlegungen sowie Untersuchungen zum Forschungsgebiet Hörverstehen wurden in

den „late 1940s by the pioneering ’fathers of listening,’ James Brown, Ralph Nichols, and

Carl Weaver“(Feyten: 173) angestrebt und mündeten über die Jahrzehnte in einer Fülle von

sich teils ergänzenden, teils gegenläufigen Theorien zum Thema. Einen vollständigen

Überblick über den Forschungsfortschritt zu geben soll hier nicht die Absicht sein und würde

offensichtlich den Rahmen der Arbeit sprengen. Jedoch spielen wichtige Erkenntnisse in

diesem Gebiet auch eine entscheidende Rolle für das Verständnis von kognitiven

Hörprozessen, weswegen sie unbedingt in die Überlegungen der Verfasser von

Hörverstehensaufgaben einfließen müssen und sich damit idealerweise in den Aufgaben den

Aufgaben der Lehrbücher wiederfinden lassen sollten. Darum werden lediglich diejenigen

grundlegenden Theorien zum Ablauf oben genannter Prozesse vorgestellt, welche sich über

die Jahre durchgesetzt und inzwischen einen festen Platz im Fachdiskurs inne haben.

2.1.1. Das top-down model

Die Prämisse des top-down model lautet wie folgt:

[…] the top-down model, working on a hypothesis + test paradigm, applies an analysis-by-synthesis

mechanism to the whole system, working downwards. That is, hypotheses are generated at the higher

levels, and then tested on the acoustic data.(Voss; Wamsley: 18)

Laut diesem Modell also ist der Hörer keinesfalls ein passiver Rezipient, der lediglich das,

was er gerade gehört hat mit seinem Repertoire an Vokabeln und Grammatik abgleicht,

sondern vielmehr ein aktiver, fast schon präkognitiver Hörer, der aufgrund von Fragmenten

Annahmen über weitere Inhalte macht, um diese dann schneller und effektiver verarbeiten zu

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können. Dieses Modell stand lange in Konkurrenz zum sogenannten bottom-up model, dass

ein genau umgekehrtes Vorgehen zur Dekodierung gesprochener Sprache postuliert.

Tatsächlich ließen sich solche bottom-up-Vorgänge beispielsweise bei Wickelgren

experimentell beobachten, jedoch nur, wenn dem Hörer die Möglichkeit des Einsatzes seines

Wissens aus höheren kognitiven Ebenen verwehrt wurde: „Wickelgren’s material, for

example, consisted of nonsense syllables, so that subjects were not able to bring their

knowledge of higher level constructs (such as morph, word, etc.) to bear on the analysis of the

material“(Voss; Wamsley: 17). Aufgrund dieser Daten ging man also davon aus, dass

Hörverstehen aktiv und vorausschauend abläuft; eine wichtige Erkenntnis für den weiteren

Forschungsverlauf.

Marlsen und Wilson spezifizierten die oben genannten Vorgänge in ihren Modellen weiter,

indem sie eine konkrete Aussage über den aktiven Verstehensablauf machen. In ihrem in den

70er Jahren entwickelten Cohort I Model, laut dem der Hörer ab dem ersten gesprochenen

Phonem eine Selektion von kompatiblen und inkompatiblen Wörtern aus seinem mentalen

Lexikon trifft, bauen sie auf den Grundannahmen des bottom-up model auf:

[…] all words that match the onset (i.e., the initial one or two phonemes) of the target exactly are

activated in a bottom-up fashion. On the basis of this initial contact between a phonemic prelexical

representation and the lexicon, a set of competitors or the word initial cohort of the target is generated.

[…] This initial activation phase is followed by a second stage of deactivation via bottom-up

inhibition during which the cohort members that mismatch later arriving sensory input are eliminated

from the cohort.(Frauenfelder; Floccia: 10)

Dieser Vorgang wird bis zum Erreichen des „uniqueness point (UP)“(Frauenfelder; Floccia:

10), also einer eindeutigen Relation zwischen dem gehörten Wort und dessen Bedeutung im

mentalen Lexikon, fortgeführt. Die Annahmen des Modells konnten zwar unter gewissen

experimentellen Voraussetzungen bestätigt werden, lieferten jedoch keine ganzheitliche

Theorie und waren unter veränderten experimentellen Bedingungen als Grundmodell

sprachlichen Verstehen in großem Umfang widerlegbar.

Im darauffolgenden Cohort II Model wird dieses Prinzip erweitert indem die aus dem Lexikon

aufgrund ihrer phonemischen Eigenschaften ausgewählten Wörter um ein sogenanntes

„activation level“ versehen werden und geringe phonetische Abweichungen zwischen dem

gehörten Wortfragment und der Schar möglicher Bedeutungen zugelassen werden

(Frauenfelder; Floccia: 10). Hiermit wird der kognitiven Fähigkeit Rechnung getragen,

wahrscheinlichere Wörter frühzeitig von unwahrscheinlichen zu trennen, was eine effektivere

Verarbeitung von akustischen Sprachsignalen gewährleistet.

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2.1.2 Das Shortlist Model und die Berücksichtigung segmentaler Faktoren

Der nächste Schritt in der Vereinigung der bislang bestanden habenden Theorien lag darin,

das mentale Lexikon und dessen Benutzung nicht mehr als isolierten Prozess zu betrachten,

sondern die einzelnen lexikalischen Einheiten miteinander in Verbindung und Interdependenz

zu stellen. Dies wurde zunächst im Trace Model angestrebt, das „[…] bottom-up and top-

down facilitatory connections between units of adjacent levels (feature-phoneme, phoneme-

word, and word-phoneme) and inhibitory connections between units within levels (feature-

feature, phoneme-phoneme, and word-word)”(Frauenfelder; Floccia: 12) postuliert. Diese

wichtige Erkenntnis, die Verknüpfung von Bedeutungsfindungsmechanismen, wird

schließlich im Shortlist Model um eine weitere Ebene erweitert, nämlich um prosodische und

segmentale Faktoren, die bei der Entschlüsselung von gesprochener Sprache eine essentielle

Rolle spielen. So „haben Hörer Schwierigkeiten, Sätze korrekt wahrzunehmen, wenn die

einzelnen Satzkonstituenten aus Aufnahmen verschiedener Originalsätze stammen und somit

nicht ihre natürlichen prosodischen Eigenschaften aufweisen“(Paschhke: 11). Weiterhin dient

Segmentierung dazu Wortgrenzen zu erkennen und zu unterscheiden: „[…] listeners can –

and do – also derive word-boundary information by exploiting their knowledge of the

rhythmic structure of their native language“(Cutler: 43), wodurch eine dem Hörer inhärente

Fähigkeit zur Bewältigung einer weiteren Fehlerquelle bei der Dekodierung von Sprache

erkannt wurde.

Das bisher entwickelte Modell trägt, zunächst auf prosodischer und nicht auf

grammatikalischer Ebene, der Tatsache Rechnung, dass Spracherkennung nicht temporal

isoliert abläuft, sondern vorherige Sequenzen eine Auswirkung auf die Verständlichkeit

nachfolgender Sequenzen haben. Jedoch gibt noch Verknüpfungen auf anderen, höheren

Ebenen, die das kognitive System der Spracherkennung erst zu dem machen, was es ist.

2.1.3. Morphologische und Syntaktische Faktoren

Sowohl auf phonemischer als auch auf prosodischer Ebene wurden Spracherkennungsmodelle

entwickelt, die innerhalb ihres Untersuchungsbereichs experimentell belegbare Aussagen über

den Ablauf von Hörverstehen machen konnten. Um jedoch zu einer ganzheitlichen Theorie zu

kommen, die möglichst viele Aspekte und Mechanismen des Hörverstehens beschreiben will,

muss noch auf die kognitive Fähigkeit des Menschen eingegangen werden, eine

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Wortbedeutung aus den einzelnen Bestandteilen zu extrahieren, sowie bereits Gehörtes in ein

syntaktisches Konstrukt einzuordnen und dementsprechend Erwartungen an die restlichen

noch ungehörten Elemente zu entwickeln. Diese weiteren Phasen, die sich dem anfänglichen

„lexical access“(Zwitserlood: 73), also dem akustischen Verstehen des Wortes, anschließen,

lauten „selection and integration“(Zwitserlood: 73):

After initial lexical access, information from ongoing perceptual parsing continues to map onto the

activated forms. Selection involves the singling out, from the subset of activated elements, of the one

that best matches the input available to the system. Successful selection is synonymous with word

recognition. Integration, finally, concerns the binding of syntactic and semantic information associated

with the word forms into a semantic or syntactic representation of the whole utterance. Initial access to

lexical information necessarily precedes selection.(Zwitserlood: 73)

Hierbei liegt der Fokus nicht auf den ersten beiden Stufen lexical access und selection, deren

Abhängigkeit sowie zeitliche Relation, hier von sekundärem Interesse sein soll, sondern um

die Integration des verstandenen Wortes in einen syntaktischen und semantischen

Zusammenhang. Dieser Vorgang kann eindeutig experimentell bestätigt werden, indem man

beispielsweise die Reaktion von Hörern auf einen Text mit Aussprachefehlern beobachtet.

Hierbei stellt sich folgendes heraus: „Mispronunciations are detected faster when the

mispronounced words are constrained by the preceding context“(Zwitserlood: 80). Eine

weitere, noch eindeutigere Möglichkeit besteht darin, die Reaktion von Hörern auf

grammatikalisch oder semantisch falsche Aussagen zu beobachten, „[…] monitoring latencies

to guitar in They ate the guitar vs. They slept the guitar). They Observed slower responses for

syntactic anomalies than for semantic anomalies“(Zwitserlood: 82), was eine besondere

Sensibilität von Rezipienten gegenüber gefühlten Fehlern im Sinnkonstrukt einer Aussage

nahelegt.

Semantik, oder genauer „semantic transparency“(Schriefers: 119) spielt auch bei der

morphologischen Entschlüsselung der Bedeutung einzelner, möglicherweise unbekannter

Wörter eine entscheidende Rolle: „A morphologically complex word is assumed to be

semantically transparent if its meaning can be predicted on the basis of the meaning of its

morphological constituents (e.g., confess + or = confessor)“(Schriefers: 119). Ein weiterer

wichtiger Aspekt im Rahmen des morphologischen Wortverständnisses bildet die „word

frequency“(Schriefers: 115), wobei logischerweise folgender Richtsatz gilt: „High frequency

words are processed faster than low frequency words“(Schriefers: 115).

Es wäre problemlos möglich unzählige Seiten mit nicht weniger wichtigen Aspekten als

denen, die hier aufgeführt wurden zu füllen, jedoch muss am Ende die Frage stehen, welche

Konsequenzen diese Studien für die Didaktik haben und welchen Einfluss all dies in

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konkretem Maße auf Lehrbücher hat. Hierzu wird im nächsten Teil auf didaktische und

pädagogische Erkenntnisse zum Hörverstehensunterricht sowie auf Anforderungen an

selbigen eingegangen.

2.2. Die Hörverstehensfertigkeit im Unterricht

Im Folgenden geht es nicht mehr primär um die Fähigkeit des Hörverstehens, eben jene dem

Menschen inhärente Begabung, gesprochene Botschaften zu entschlüsseln, sondern um die

Fertigkeit Hörverstehen und ihre Relevanz für den Fremdsprachenunterricht. Hierzu werden

zunächst maßgebliche didaktische Theorien, sowie Forderungen sowohl seitens der Didaktik

als auch seitens des Lehrplans beleuchtet.

2.2.1. Didaktische Überlegungen

Auch in der Didaktik verfügt der Hörverstehensdiskurs über eine lange Tradition und steht „in

der Auflistung der Fertigkeiten […] an erster Stelle, so bei Lado (1964), so aber auch in der

neusprachlichen „Reformliteratur“ der Jahre nach 1882“(Schröder: 14). Jedoch stellt allein die

Definition von Hörverstehen im didaktischen Sinne, beispielsweise als „ein Bündel von

Teilfertigkeiten, die mit verschiedenen Kommunikationssituationen […] sowie linguistischen

und paralinguistischen Signalen in Verbindung gebracht werden“(Wolff: 284) ein Problem für

sich dar. Nicht nur ist diese Definition recht schwammig, sondern in dem, was ausgesagt wird

sogar „nicht unbedingt mit der psycholinguistischen Definition in Einklang zu

bringen“(Wolff: 284). Früh wird also klar, dass für didaktische Zwecke zwar Erkenntnisse aus

der Psycholinguistik nicht ignoriert werden sollten, sich jedoch ein eher pragmatischer Ansatz

sowie eine eigene, unterrichtsspezifische Kategorisierung des Hörverstehensprozesses eignet,

da „sich Schüler in der Unterrichtssituation anders Verhalten als in natürlichen

Kommunikationssituationen in der Muttersprache. Schüler sind nicht in der Lage, im

Unterricht die in der Muttersprache intuitiv verwendeten Verstehensstrategien auf die

Fremdsprache zu übertragen“(Wolff: 291).

Somit ergeben sich beispielsweise bei Schumann folgende fünf Komponenten für das

Hörverstehen: die auditive Komponente, die semantische Komponente, die syntaktische

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Komponente, die pragmatische Komponente sowie die kognitive, welche „schrittweise im

Fremdsprachenunterricht aufgebaut werden [müssen]“(Schumann 1995: 244).

Eine weitere didaktisch relevante Untergliederung von Hörverstehen kann im Bezug auf den

Kommunikationsaspekt getroffen werden. So kann Hörverstehen „in einer direkten face-to-

face Kommunikation stattfinden und lässt sich in dieser Funktion nicht von dem gesamten

Interaktionsvorgang trennen; es kann aber auch in der interaktionslosen, indirekten

Kommunikation auftreten“(Dirven: 1). Diese Kategorisierung ist für die Erstellung von

Lehrmaterial interessant, da Hörverstehensaufgaben normalerweise interaktionslos, also auf

indirektem Wege auftreten. Direkte Kommunikationspartner sind lediglich Lehrer sowie

Mitschüler, also im Normalfall keine Muttersprachler. Diese konstruierte Situation, der zwang

in der Fremdsprache zu reden, obwohl abgesehen von der durch die Schule auferlegten keine

unmittelbare Notwendigkeit dazu besteht, mag maßgeblich daran beteiligt sein, dass der

Fremdsprache „vom Schüler nicht der Status eines Kommunikationsinstruments zuerkannt

[wird], den sie für die Muttersprache automatisch anerkennen. Der Schüler fühlt sich während

des Fremdsprachenunterrichts in einer Art ‚Laborsituation’, d.h. er reagiert nicht so, wie er es

in einer natürlichen Kommunikationssituation tun würde“(Wolff: 291).

Eine andere Unterteilung findet sich bei Grotjahn, der die Hörerrollen in

a) Gesprächsteilnehmer mit dem gleichen Rederecht wie der Sprecher; b) Adressat, d.h. eine Person an die sich

der Sprecher direkt wendet, die aber nur ein eingeschränktes Antwortrecht hat […]; c) Zuhörer (‚auditor’) – der

Hörer ist zwar Adressat, hat aber nicht die Möglichkeit oder nur ein sehr eingeschränktes Recht zu antworten,

und es wird auch nicht von ihm erwartet […]; dieser Fall wird auch als ‚Hören in Einwegkommunikation’

bezeichnet; d) (zufälliger) Mithörer – der Hörer ist nicht Adressat und es wird auch keine Antwort von ihm

erwartet.(Grotjahn: 120)

Mithilfe dieser Kategorien wird die Einseitigkeit der im Unterricht klassischerweise

angebotenen authentischen Hörverstehensübungen deutlich. Da dem Lerner in der indirekten

Kommunikation medienbedingt die Möglichkeit auf Interaktion gänzlich fehlt, müsste er in

die Kategorie des zufälligen Mithörers fallen, da allen anderen Rollen zumindest die Option

auf Antwort zugesprochen wird. In der Schlussfolgerung würde das heißen, dass mit

Hörverstehensübungen zwar sehr wohl die passive Rezeption von Äußerungen in der

Fremdsprache trainiert wird, es jedoch gänzlich an der Verbindung von Hörverstehen und

Sprechfertigkeit fehlt. Hieraus wird die Abhängigkeit der beiden mündlichen Fertigkeiten

umso deutlicher.

Abgesehen von obigen Beschränkungen auf bestimmte Hörerrollen wird mediengestütztes

Hörverstehen, im Gegensatz zu personenbasiertem Hörverstehen, im Unterricht

unnötigerweise durch einen weiteren Unterschied von realweltlichen Situationen getrennt.

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Hörverstehen läuft im Alltag normalerweise als Hör-Seh-Verstehen ab und ist als solches

eigentlich im Unterricht mithilfe von Medien auch durchaus reproduzierbar. Hörer erhalten

aus visuellen Eindrücken wichtige Informationen, die möglicherweise verlorengegangene

akustische Informationen kompensieren können.

„Die visuellen Wahrnehmungen betreffen einmal den situativen Rahmen […]; sie umfassen

Gegenstände oder Hilfsmittel der Kommunikation […]; Aufschluss über Stimmungen und

Sprechintentionen können Mimik und Gestik der Sprechenden geben […]; beobachtbare Handlungen

[…] lassen weitere Rückschlüsse auf den Inhalt der Kommunikation zu. Bei mehreren Sprechern

erlaubt der visuelle Kanal (zusammen mit dem räumlichen Hören in einer Realsituation) eine

eindeutige Identifizierung der Sprecher.“(Paschke: 27)

Genauso wie es möglich ist Hörerrollen zu unterscheiden muss auch „innerhalb der

gesprochenen Sprache […] unterschieden werden zwischen spontan und nicht-spontan

gesprochener Sprache“(Dirven: 5). Während die eine gänzlich ad-hoc gebildet wird ist die

andere „meist vorher schriftlich fixiert worden […] um nachher gesprochen zu

werden“(Dirven: 5) Die Unterschiede sind nicht unerheblich, wie sich an den Eigenheiten

gesprochener Sprache gegenüber geschriebener deutlich ablesen lässt:

Bevorzugung von Parataxe gegenüber Hypotaxe; Ellipsen, Anakoluthe (Satzabbrüche),

Wiederholungen und gefüllte Pausen; […] Verwendung merkmalsarmer Lexik wie ‚tun’ oder

‚machen’; umgangssprachliche, vulgäre und dialektale Ausdrücke; eine deutliche Tendenz zu

Koartikulation, Reduktion, Elision und dialektaler Variation; häufige Häsitationen (Grotjahn: 129f),

von den sprachenspezifischen Unterschieden noch ganz abgesehen. Auch in diesem Punkt

besteht die Gefahr der Vernachlässigung realweltlicher Phänomene und eine

Überfokussierung auf gesprochene Schriftsprache, die jedoch bar der Eigenschaften

tatsächlicher Mündlichkeit ist. Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang berechtigterweise

immer mehr Einfluss sowohl auf den Diskurs Hörverstehen als auch auf Forderungen seitens

der Didaktik und des Lehrplans hat, ist die besondere Berücksichtigung regionaler und

sozialer Varietäten im Fremdsprachenunterricht. Obwohl die Standardvarietät, in unserem

Fall das Kastilische, die Richtlinie bei der Bewertung von Aussprache und Intonation der

Lerner sein soll, so ist doch ein rezeptives Dialektverständnis von Nöten, um alltags-

sprachliche Äußerungen in der Zielsprache verstehen und angemessen auf selbige reagieren

zu können.

Wenn man also diese Erkenntnisse, die Vorteile von Hör-Seh-Verstehen gegenüber reinem

hören, die Hörerrollen Problematik, die einzelnen Komponenten der Hörverstehens-

kompetenz, Mündlichkeit in der Fremdsprache sowie zuvor genannte psycholinguistische

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Theorien als Schablone für Hörverstehensaufgaben betrachtet, so stellt sich die Frage, welche

didaktischen Forderungen sich als Konsequenz an diese Aufgaben ergeben. Dies soll im

Folgenden behandelt werden.

2.2.2. Forderungen aus der Didaktik

Durch Anregungen gewonnen aus der Psycholinguistik sowie Überlegungen innerhalb des

didaktischen Fachdiskurses wurden seitdem Hörverständnis im Fremdsprachenunterricht ein

Thema ist Vorschläge an dessen Gestaltung sowie Erfüllungsforderungen an dessen

Durchführung und Zielsetzung gestellt. Wie bereits oben genannt sind die Lernziele beim

Hörverstehensunterricht „einerseits die Fähigkeit zur Teilnahme an der direkten

Kommunikation […] andererseits die Teilnahme an der indirekten Kommunikation“

(Schumann 1995: 244). Zur Sicherstellung des erfolgreichen Erreichens dieser Ziele wurden

verschiedene Methoden diskutiert, was unter anderem zu folgenden, elementaren Forderungen

an Hörverstehensübungen geführt hat.

„Hörverstehensübungen sollten den Unterricht von Anfang an begleiten“(Hüllen: 33), so

lautet eine wichtige, erste Prämisse. Hörverstehen als integralen Teil des Lernprozesses früh

zu fördern gilt als entscheidend für spätere Lernerfolge und man darf „in keinem Fall […]

damit erst in dem vermeintlichen Glauben, hier handele es sich um eine besonders

anspruchsvolle Unterrichtsform, spät beginnen“(Hüllen: 33). Jedoch ist die Frage nach Länge

und Komplexität der Texte gerade bei Anfängern eine sehr wichtige, vor allem angesichts der

Erkenntnis, dass Fremdsprachenlerner „beim Hören in der Fremdsprache zumeinst eine

geringere Verarbeitungs- und Speicherkapazität als in der Muttersprache [haben]. […]

Zugleich gilt: Je entwickelter die lexikalische und grammatische Kompetenz eines

Fremdsprachenlerners ist, desto mehr Arbeitsgedächtnis steht zur inhaltlichen Verarbeitung

eines Textes zur Verfügung“(Grotjahn: 123). Daher werden für das erste Lernjahr „Zwei- bis

Dreiminutentexte [veranschlagt], die bis Ende des dritten Lernjahres auf etwa

Fünfminutentexte anwachsen können“(Hüllen: 34), wobei im späteren Verlauf eine raschere

Zunahme bis zu „Textsequenzen von 30 Minuten“(Hüllen: 34) möglich sind.

Weiterhin stellt sich die Frage nach der Schwierigkeit des Hörtextes sowie nach für

Hörverstehensaufgaben geeigneten Textsorten. Um in diesem Punkt einen reibungslosen

Ablauf gewährleisten zu können, sollte „zumindest im Anfang der Verstehensprozess nicht

durch die begriffliche Schwierigkeit des Inhaltes belastet werden“(Hüllen: 34). In diesem

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Zusammenhang lassen sich für fortgeschrittene Hörverstehensübungen im Allgemeinen

folgende Kriterien aufstellen:

[…] utterances 1) that are spoken spontaneously by native speakers; 2) at normal conversational

speed; 3) containing only lexical and syntactic elements which are intelligible even to less educated

native speakers (with the exclusion of extremely informal elements); 4) dealing with non-specialistic

subjects (Hendrickx: 113f)

Über textinhärente Problemfaktoren hinaus können sich jedoch auch beispielsweise

Störgeräusche, eine schlechte Aufnahmequalität sowie Raumakustik negativ auf den Erfolg

einer Hörverstehensaufgabe auswirken (Grotjahn: 132). Im Bezug auf Textsorten kann man

„zunächst zwischen monologischen und multilogischen Texten unterscheiden. […] Zwischen

den monologischen und multilogischen Textsorten stehen auktoriale Textsorten, also

verlesene oder erzählte Texte“(Hüllen: 34). Offensichtlich ist hierbei, dass der Lerner nicht

aktiv werden kann, was eigentlich im genauen Widerspruch zu der geforderten Verknüpfung

von Rezeption und Produktion steht.

Die wichtigste Frage jedoch ist die, nach der konkreten Aufgabenkonzeption. Es stehen sich

grundsätzlich zwei Formen des Vorgehens gegenüber, nämlich einerseits „Übungen zur

Lenkung der Hörerwartung und Übungen zur Kontrolle des Hörprozesses“(Schumann 1995:

245). Bei ersteren wird der Lerner zunächst darauf vorbereitet, aus dem Text spezielle

Informationen herauszuhören. Bei letzteren wird nach dem Anhören des Textes nach globalen

Informationen gefragt. Ungelenkte Hörverstehensübungen verfügen meist über folgende,

grundlegende Bestandteile:

1. Vorstrukturierung des Sachzusammenhangs […] 2. Textrezeption […] 3. Wortschatzstrukturierung

[…] 4. Textsortenanalyse […] 5. Reproduktion ausgewählter sprachlicher Elemente […] 6.

Kontextualisierung (Schumann 1979: 38)

Trotz des gegebenen Zusammenhangs und der Klärung lexikalischer Probleme handelt es sich

um ungelenktes Vorgehen, da im Vorhinein keine spezifischen Fragen zum Text ausgegeben

werden, sondern nach dem Hören zunächst ein vorhandenes Globalverständnis für den Text

von Wichtigkeit ist. Mithilfe dieser Arten, eine Hörverstehensübung entweder als gelenkt oder

als ungelenkt zu strukturieren, können innerhalb der Übung verschiedene Lernziele verfolgt

werden. Grundsätzlich kann man hierbei unterscheiden zwischen

Übungen zu Hördiskrimination (auditive Komponente) […] Übungen zur Semantisierung

(semantische Komponente) […] Übungen zur Textstrukturierung (syntaktische Komponente) […]

Übungen zur Situations- und Intentionsbestimmung (pragmatische Komponente) […] Übungen zum

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Sprachwissen über die Besonderheiten gesprochener Sprache (kognitive Komponente) (Schumann

1995: 245f)

Hieraus ergibt sich ein Paradigma aus möglichen Textsorten, Übungszielen und

Vorgehensweisen, aus denen man auswählen kann, um die Kompetenzen von

Fremdsprachenlernern in punkto Hörverstehen situations- und niveaugerecht zu verbessern

und somit einen entscheidenden Teil zur erfolgreichen Erfüllung der Lernziele beizutragen.

Jedoch sind didaktische Überlegungen nicht die einzigen, die auf das Konzept eines

Lehrwerks einwirken. Im Endeffekt entscheiden Vorgaben aus dem Lehrplan darüber, ob ein

Buch als Lehrwerk zugelassen wird oder nicht. Daher sollen diese Vorgaben im Folgenden

näher betrachtet werden.

2.2.3. Forderungen des Lehrplans

Um zu beurteilen, welchen Anforderungen Lehrwerke genügen müssen, bedarf es eines

Blicks in den Lehrplan. Hierzu sei zunächst der Absatz über moderne Fremdsprachen von

Interesse, in dem über Hörverstehen Folgendes ausgesagt wird:

Lernbereich Umgang mit Texten und Medien: […] Neben der Arbeit mit schriftlichen Texten, bei

denen auch die Anwendung unterschiedlicher Lesestrategien trainiert wird, beschäftigen sie [die

Schüler] sich mit Hörtexten, Filmen bzw. Filmausschnitten sowie mit Cartoons, Photos und anderen

visuellen und graphischen Darstellungen. (Lehrplan G8; Absatz moderne Fremdsprachen)

Lediglich in diesem, mit dem seitlich angebrachten Reiter Hörverstehen versehenen Absatz,

der dem Themenbereich Umgang mit Texten zugehörig ist, wird auf Filme sowie Hörtexte

verwiesen. Im Lernbereich Sprache, der unter anderem den Reiter Kommunikation beinhaltet,

als auch beim Unterpunkt Sprachkompetenz wird nicht auf Hörverstehen in seiner

entscheidenden Rolle für das Gelingen von Verständigung eingegangen. Sicherlich kann dies

teils auf die Kürze des Textes zum Gesamtbegriff Moderne Fremdsprachen zurückgeführt

werden, jedoch lässt die Einordnung in den Lernbereich Umgang mit Texten sowie die

allgemeinen Beiläufigkeit, mit der das Thema abgetan wird erste Rückschlüsse auf den

Stellenwert des Hörverstehens aus der Sicht des Lehrplans zu.

Der Jahrgangsstufenlehrplan des Faches Spanisch bereichert diese erste Einschätzung in zwei

Punkten. Bevor näher auf diese eingegangen wird sei jedoch klargestellt, dass die vom

Lehrplan veranschlagte Progression der spätbeginnenden Spanischlerner der der Lerner mit

Spanisch als dritter Fremdsprache ähnelt. Daher wird im Folgenden lediglich auf den

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Fortschritt von Lernjahr zu Lernjahr beleuchtet und nicht weiter zwischen Spanisch als dritter

Fremdsprache und Spanisch spätbeginnend unterschieden. Im ersten Lernjahr also sollen

Schüler in punkto Hörverstehen folgende Fähigkeiten erlernen:

Kommunikative Fertigkeiten

Hörverstehen

- einfache, in gemäßigtem Tempo gesprochene und deutlich artikulierte Äußerungen in

alltäglichen Kommunikationssituationen global und in wichtigen Details verstehen, auch in

Gesprächen unter Muttersprachlern, ggf. mithilfe gelegentlicher Rückfragen

- auch regional leicht gefärbte Äußerungen von Muttersprachlern zu vertrauten Themen in

Grundzügen verstehen

- die Intonation grundlegender Satzmuster erkennen

(Lehrplan G8; Spanisch Jahgangsstufe 8 FS3)

Hierbei fällt auf, dass Hörverstehen nun dem Bereich der Kommunikativen Fertigkeiten

zugeordnet wird und nicht mehr in den Bereich der Textfertigkeiten fällt, was nur sinnvoll

erscheint, angesichts der Rolle, die das Hörverstehen für das Gelingen von Kommunikation

spielt. Jedoch wird das Hörverstehen innerhalb der Kommunikativen Fertigkeiten wieder als

passives Rezipieren verstanden und von der mündlichen Produktion isoliert betrachtet. Für die

mündliche Ausdrucksfähigkeit veranschlagt der Lehrplan für das erste Lernjahr folgende

Ziele:

Mündliche Ausdrucksfähigkeit

- elementare und häufig auftretende Alltagssituationen bewältigen, wie Fragen stellen und

beantworten, um etwas bitten, sich erkundigen, zustimmen, ablehnen und verneinen

- mit einfachen Mitteln Personen und Gegenstände beschreiben

- vergangene Ereignisse in einfachen Worten erzählen

- sich in einfacher Weise über Vorlieben, Gewohnheiten und Absichten äußern

(Lehrplan G8; Spanisch Jahgangsstufe 8 FS3)

Dass das Verstehen der Aussagen des Gesprächspartners jedoch einer möglichen Antwort

vorausgeht, also eine Verknüpfung beider Disziplinen nicht nur vorteilhaft sondern unbedingt

nötig wäre, spiegelt sich nicht in den Lernzielen wider.

In ähnlicher Weise verläuft die Progression in den nächsten Lernjahren. Für das dritte

Lernjahr wird erwartet, dass Schüler beispielsweise „Unterhaltungen, Diskussionen und

längere, klar strukturierte Vorträge, zu vertrauten Themen global und in wichtigen Details

verstehen [können], ggf. mithilfe gelegentlicher Rückfragen, z. B. wenn Sprechtempo und

Ausdrucksweise nicht modifiziert werden“(Lehrplan G8; Spanisch Jahgangsstufe 10 FS3).

Jedoch wird die Diskrepanz zwischen der geforderten mündlichen Ausdrucksfähigkeit und

der Hörverstehenskompetenz abermals anhand der Lernziele des vierten und fünften

Lernjahres deutlich:

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Kommunikative Fertigkeiten

Hörverstehen

- zunehmend komplexe Äußerungen, Redebeiträge, Vorträge und Diskussionen zu einem

breiten Spektrum von Themen global und in wichtigen Details verstehen, auch unter

realistischen Bedingungen (z. B. Hintergrundgeräusche, hohes Sprechtempo, regionale

Varianten bei Muttersprachlern)

- Rundfunksendungen und andere Tondokumente, Dokumentarfilme und Ausschnitte aus

Spielfilmen in den wesentlichen Aussagen verstehen, auch wenn nicht ausschließlich

Standardsprache gebraucht wird

(Lehrplan G8; Spanisch Jahgangsstufe 11/12 FS3)

Ziel ist es also, Äußerungen „global und in wichtigen Details“ zu verstehen, bzw. „Aussagen

verstehen, auch wenn nicht ausschließlich Standardsprache gebraucht wird“. Dies steht in

einem Missverhältnis zu den geforderten Fertigkeiten mündlichen Ausdrucks, bei dem als

erster Punkt angeführt wird, dass Lerner über folgende Fähigkeiten verfügen sollen: „sich an

einem Gespräch über allgemeine Themen – ggf. auch mit Muttersprachlern [!] –

situationsgerecht beteiligen, dabei möglichst flexibel auf Gesprächspartner und Argumente,

auch auf unvorhergesehene Wendungen von Diskussionen und Situationen

reagieren“(Lehrplan G8; Spanisch Jahrgangsstufe 11/12 FS3), was sich jedoch als schwierig

erweisen könnte, wenn Teile des Gesprächs aufgrund mangelnder Hörverstehensfertigkeiten

nicht verstanden werden können.

Mit Sicherheit ist das Fehlen wichtiger Zusammenhänge zwischen Sprechfertigkeit und

Hörverstehen sowie die gefühlte Unterrepräsentation des Hörverstehens im Lehrplan teils auf

der Kürze und der allgemeinen Formulierung der Ziele begründet. Jedoch bleibt zu

befürchten, dass sich diese Verfehlungen in den Lehrbüchern wiederfinden könnten, was

angesichts der Wichtigkeit, die dem Hörverstehen sowohl von seiten der Didaktik als auch der

Psycholinguistik zugesprochen wird, von gravierendem Nachteil für die Fremdsprachenlerner

wäre.

2.3. Hörverstehensaufgaben in den Lehrwerken

Nachdem nun auf den Lehrplan sowie auf didaktische Überlegungen zum Thema eingegangen

worden ist, zeichnet sich ein Bild dessen ab, was man von Hörverstehensaufgaben

zugelassener Lehrwerke im Fach Spanisch erwarten können muss. So werden die Aufgaben

im Folgenden unter den primären Aspekten der Vielfältigkeit und Umfang des Angebots,

Aufbau der Aufgaben, der Verknüpfung von Verstehen und Produktion sowie der

Bereitstellung von Übungen zum Hör-Seh-Verstehen hin untersucht. Weiterhin soll beleuchtet

16

werden, in welchem Maße didaktische Überlegungen im Lehrwerk Widerhall finden und ob

die angebotenen Aufgaben den Forderungen des Lehrplans entsprechen, wie sie seitens des

Kultusministeriums in einem Fragenkatalog „zur Begutachtung von Lernmitteln“(KM

Bayern, Lernmittel) für das Gymnasium auch festgeschrieben sind.

2.3.1. Hörverstehensaufgaben in Puente Nuevo

Den Anfang macht die Lehrwerksreihe Puente Nuevo des Diesterweg Verlags, die sich

erstreckt über zwei Bücher und heute durchaus noch in der Anwendung im Gymnasium

finden lässt, was jedoch zumindest im Bezug auf das Angebot der zur Verfügung gestellten

Hörverstehensaufgaben als nicht ganz unbedenklich erscheint. Zwar verfügen die CDs zu

beiden Bänden über sämtliche Lektionstexte, jedoch werden ersten Band der Reihe bei

großzügiger Zählweise in 12 Lektionen insgesamt lediglich sechs Übungen zum Hörverstehen

angeboten. Bei zwei dieser sich auf Inhalte der CD beziehenden Aufgaben handelt es sich

jedoch um reine Ausspracheübungen der Form „Escucha las palabras y repítelas“(Puente

Nuevo 1: 12 sowie 22). Das bedeutet, dass Fremdsprachenlernern insgesamt nur vier

Hörverstehensaufgaben im eigentlichen Sinne angeboten werden. Aufgaben, bei denen es auf

das Verständnis akustisch bereitgestellter Informationen ankommt, kommen also

durchschnittlich nur in jeder dritten Lektion vor. Im zweiten Buch verbessert sich die

Situation etwas. Es verfügt mit immerhin acht Aufgaben zumindest durchschnittlich über eine

Aufgabe pro Lektion.

Zum Aufbau lässt sich beobachten, dass fast alle Aufgaben auf das Verständnis von

Detailinformationen ausgerichtet sind, welches meist durch die Beantwortung der im Buch

zur Aufgabe gestellten Fragen überprüft wird. Abweichungen von diesem Schema gibt es

kaum, und wenn dann höchstens in Form vom bereits angegebenen Antworten und der

Anweisung „Contesta con ’cierto’ o ’falso’“(Puente Nuevo 2: 32) beziehungsweise „Si tu

respuesta es ’falso’, da la información correcta“(Puente Nuevo 2: 110).

Abgesehen von der Übersichtlichkeit des Angebots an Aufgaben stechen jedoch besonders

zwei Eigentümlichkeiten selbiger ins Auge. Erstens ist bei zwei Hörverstehensaufgaben im

zweiten Band die Arbeitsanweisung nicht im Buch, sondern im Cuaderno de actividades zu

finden, auf welches dort auch verwiesen wird. Zweitens wird bei insgesamt vier Aufgaben der

Hörtext auch schriftlich im Buch angegeben, wodurch sich gewisse Schwierigkeiten bei der

Durchführung der Aufgaben ergeben, da sich die Arbeitsanweisung direkt darunter befindet.

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Ein erstes, globales Hören des Textes ist zwar möglich, jedoch lässt es sich fast nicht

vermeiden, dass der Text auch gelesen wird, sobald es um die Bearbeitung der Aufgaben geht.

Sicherlich ist es möglich dies zu umgehen, indem man die Aufgabenstellung kopiert oder

diktiert, jedoch erscheint es mehr als seltsam, dass ein Lehrwerk seine eigene Nutzung im

Unterricht durch derartige strukturelle Mängel erschwert. In Anbetracht dieser Umstände

scheint es fast kleinlich, über die kaum vorhandene Kommunikationsorientierung, fehlende

Übungen zum Hör-Seh-Verstehen oder die mangelnde Thematisierung von Mündlichkeit und

Dialekten zu sprechen. Andererseits soll nicht unbemerkt bleiben, dass das Cuaderno de

actividades auch in einer Version mit multimedialem Sprachtrainer auf CD angeboten wird,

der aber sowohl aus Gründen fehlender Verfügbarkeit sowie aufgrund seiner Eigenschaft als

fakultatives Lernmittel, das nicht zum Grundangebot des Lehrwerks zum Thema

Hörverstehen gehört, hier nicht berücksichtigt werden kann.

Unwillkürlich drängt sich in diesem Zusammenhang der Gedanke auf, dass durch diese

Maßnahme etwaige Mankos in punkto Multimedialität aufgefangen werden sollen, da selbige

bei der Schaffung des Lehrwerks wohl nicht im Fokus der Autoren gelegen haben kann. Dies

macht es jedoch nicht weniger verwunderlich, dass Puente Nuevo trotz offensichtlicher

Mängel im Bezug auf Forderungen des Lehrplans sowie der Didaktik immer noch häufig

Einsatz im gymnasialen Alltag findet, vor allem in Anbetracht der Alternativen.

2.3.2. Hörverstehensaufgaben in Encuentros

Encuentros erstreckt sich wie Puente Nuevo über zwei Bände, die im sukzessiven Aufbau

dem Schüler Grammatik, Wortschatz und Landeskunde näherbringen möchten. Wie im

bereits in Augenschein genommenen Puente Nuevo sind auch in Encuentros sämtliche

Lektionstexte auf CD als Hörtexte vorhanden und bieten somit einen alternativen Einstieg in

die Lektion sowie Möglichkeiten zur Formulierung eigener Aufgaben seitens des Lehrers.

Das Buch selbst hält ebenfalls einiges an Aufgaben zum Thema bereit. Mit insgesamt 22

Aufgaben verteil auf 9 Lektionen allein im ersten Buch ergibt sich ein Schnitt von fast

zweieinhalb Aufgaben pro Lektion. Im zweiten Band fällt der Anteil an

Hörverstehensaufgaben mit 13 auf 6 Lektionen etwas geringer aus, steht jedoch immer noch

im drastischen Gegensatz zum eher kargen Angebot in Puente Nuevo.

Zum Aufbau der Aufgaben sowie den geforderten Leistungen zeichnet sich ein eindeutiger

Trend zum gelenkten Suchen nach speziellen Informationen ab. Zwar wird nicht explizit

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vorgeschrieben, ob die Schüler den Text vor oder nach dem Lesen der Aufgabenstellung

hören sollen, jedoch steht das Verstehen von Details aus dem Hörtext im Vordergrund und es

wird nie explizit der Rahmen für ein ungelenktes, globales erstes Anhören geschaffen. Schafft

der Lehrer diesen Rahmen also nicht selbst, sondern bei der Durchführung der

Hörverstehensübung dem Buch folgt, so ergibt sich ein Verhältnis von gelenkt zu ungelenkt

von ca. fünf zu eins. Mit anderen Worten liegt der Fokus also fünfmal so häufig, insgesamt

übrigens bei fast dreiviertel aller Aufgaben, auf dem Heraushören spezieller Informationen

nach der Rezeption des Textes. Tatsächlich ist bereits die erste im Buch vorkommende

Hörverstehensaufgabe ein Aufgabe dieser Art, in der gefragt wird: „Hör zu: Aus welchen

Ländern kommen Pedro, Graciela und Manuel?“(Encuentros 1: 9). Diese Form der

Aufgabenstellung lässt sich in nahezu allen Lektionen beider Bände finden, wobei entweder

das wiederholte Beantworten der gleichen Frage bezogen auf die verschiedenen Sprecher im

Hörtext wie im obigen Beispiel, oder das Beantworten verschiedener Fragen zu einem Thema

im Mittelpunkt steht, wie die folgenden beiden Aufgaben veranschaulichen:

Pablo Picasso – un pintor de Andalucía Terminó la aventura

Escucha y contesta sobre la vida de Picasso. Escucha y contesta las preguntas.

1. ¿Cuándo y dónde nació Pablo Picasso? 1. ¿Cuánto tiempo duró el viaje?

2. ¿Adónde se mudaron en 1891? 2. ¿Cuántos expedicionarios eran?

[…] […]

9. ¿Cuántos hijos tuvo? 5. ¿Cuándo había comenzado el viaje?

10. ¿Dónde y cuando murió Pablo Picasso? 6. ¿Qué es lo que nunca olvidarán los

(Encuentros 1: 120) Jóvenes? (Encuentros 2: 57)

Abgesehen von dieser stark vorherrschenden Form der Aufgabenstellung ist das Angebot

jedoch relativ breit gestreut. So finden sich unter anderem Aufgaben bei denen die Schüler

mithilfe gehörter Informationen Wege auf Karten und Plänen nachverfolgen, grammatische

Formen erkennen oder Aussagen des Sprechers für beispielsweise die Eltern, die des

Spanischen nicht mächtig sind, sinngemäß übersetzen sollen.

Trotz dieses Angebots jedoch verfehlen die Hörverstehensaufgaben didaktisch gesehen einen

zwar schwierig zu erfüllenden, jedoch wichtigen Punkt. Kaum eine Aufgabe kann als im

weitesten Sinne kommunikationsorientiert angesehen werden. Nur eine handvoll verfügt

überhaupt über eine Aufforderung, sich mit dem Text im Anschluss an das Hören

kommunikativ auseinanderzusetzen, beispielsweise im Gespräch mit dem Partner oder in

Gruppen. Darüber hinaus fehlt Hör-Seh-Verstehen völlig, sicherlich primär aufgrund medialer

Limitationen. Jedoch stellt sich angesichts solcher Aufgaben wie: „Trabajar en cuatro grupos

y organizar un viaje de una semana a una de las fiestes en España: ¿Adónde queréis ir? Buscar

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alojamiento y transporte para vuestro grupo. http://www.tourspain.es“(Encuentros 2: 93) die

Frage, ob es denn nicht auch möglich gewesen wäre, mithilfe freier Streams spanischer

Sendungen im Internet oder durch die Bereitstellung eigenes Materials auf DVD Hör-Seh-

Verstehen ebenfalls Einzug in das Aufgabenparadigma des Buches halten zu lassen.

Sicherlich ist es nicht zuletzt Aufgabe des Lehrers diese Verfehlung im Unterricht durch

Eigeninitiative aufzufangen, jedoch muss gesagt werden, dass die seitens des

Kultusministeriums als Kriterium im Bezug auf Lernmittel gestellte Frage „Werden auch Hör-

bzw. Hör-/Sehtexte angeboten, die ggf. über die Lektionstexte hinausgehen?“(KM Bayern,

Lernmittel Gymnasium) nicht eindeutig mit ‚Ja!’ beantwortet werden kann. Dieses Defizit

aber findet sich, wie oben schon beschrieben, nicht nur bei Encuentros.

2.3.3. Hörverstehensaufgaben in Línea verde

Im Gegensatz zu den bisher untersuchten Lehrwerksreihen erstreckt sich Línea verde über

drei Bände, wobei der dritte mit dem Untertitel paso a nivel versehen ist, wodurch eine

gewisse Sonderstellung des Buchs schon im Titel sichtbar wird. Die absolute Anzahl an

Hörverstehensaufgaben erscheint mit 21 Aufgaben im ersten Buch, 15 und 23 im zweiten

respektive dritten Buch recht ansehnlich. Der Aufgabenschnitt pro Lektion liegt zwischen 1,7

und 2,9 Aufgaben bei einem Maximum von 4 Aufgaben pro Lektion und keiner einzigen ohne

mindestens eine Übung zum Hörverstehen. Nicht als Hörverstehensaufgaben wurden solche

gezählt, die zwar die CD als Hilfsmittel erforderten, jedoch nicht wegen eines Textes, sondern

aufgrund anderweitiger akustischer Signale, mit denen die Schüler als Input in der

Fremdsprache arbeiten sollen: „¿El número uno? Ni idea. Hört euch die Laute auf der CD

genau an und versucht herauszufinden, worum es sich jeweils handelt. Notiert eure

Vermutungen auf Spanisch und vergleicht dann mit einem Partner oder einer Partnerin“(Línea

verde 1: 29). Dieser Aufgabentyp lässt sich vor allem im ersten Buch vermehrt finden. Bei

obigem Beispiel lässt noch sich eine zweite Auffälligkeit der Aufgabenstellung in Línea verde

zeigen: Sehr häufig wird explizit auf eine schriftliche Bearbeitung der Aufgabe hingewiesen.

Wo dies nicht erwünscht zu sein scheint wird das Vorgehen zur Bearbeitung der Aufgabe

anderweitig vom Buch vorgegeben. Bei einer Aufgabe wird sogar explizit im Aufgabentext

auf ein erstmaliges Anhören vor der Bearbeitung verwiesen, was im Allgemeinen zwar

einerseits einen Eindruck von gelenkter Sicherheit erzeugt, das Aufgabenmaterial aber

andererseits etwas unflexibel erscheinen lässt:

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La madre está muy preocupada (besorgt) por el viaje de su hijo a Perú y ha llamado a la directora del

programa Ruta Quetzal para hacerle algunas preguntas sobre el viaje. Escuchad la conversación.

b Completad las oraciones con la información de la conversación.

1. Si Pablo llega tarde al aeropuerto y pierde el avión,…

2. …, perderá el avión.

[…](Línea verde 2: 58)

Bezüglich der in den Aufgaben geforderten Leistungen lässt sich beobachten, dass in der

überragenden Mehrzahl abermals die Extraktion von Detailinformationen aus den Hörtexten

verlangt wird. Fast dreiviertel aller Hörverstehensaufgaben folgen diesem Muster, bei dem

häufig die schriftliche Fixierung der Information als nächster Schritt gefordert wird. Nur

vereinzelt bietet die Hörverstehensaufgabe eine folgende Konversation an, wodurch der

kommunikative Aspekt weiter in den Hintergrund tritt. Dies erscheint umso verwunderlicher

angesichts der meist umfangreichen Aufgabenkomplexe, in die Hörverstehensaufgaben

eingebettet sind. Nur selten wird eine Aufgabe isoliert mit lediglich einem Arbeitsauftrag

angegeben sondern verfügt im Regelfall über mehrere Teilaufgaben, in denen beispielsweise

vorher gefundene Ergebnisse erneut bearbeitet, reflektiert, kommentiert oder besprochen

werden sollen. Jedoch findet letzteres in der Kombination mit Hörverstehen leider eher selten

statt. Abgesehen von der schriftlichen Beantwortung der in der Arbeitsanweisung gestellten

Fragen kommen natürlich auch in Línea verde alternative Herangehensweisen an

Hörverstehensaufgaben zum Einsatz, beispielsweise durch das Zurechtfinden auf Karten oder

die Ordnung von Bildergeschichten, nur eben leider in relativ geringem Ausmaß.

In einem anderen, sonst eher wenig beachteten Feld jedoch lässt sich bei Línea verde

Positives vermerken. So wird bereits im Lehrerbuch zum ersten Band auf die Konzeption von

Übungen zum Hör-Seh-Verstehen verwiesen, sowie zur Lektion passendes Material genannt:

<<Los 40 principales>> ist sowohl der Name einer Radiosendung in Spanien und vierscheidenen

Ländern Lateinamerikas als auch der Tital von Hitparaden-Sendungen weiterer spanischer

Radiosender. […] Bei entsprechender Geräteausstattung können auch […] Videoclips gehört und

gesehen werden. […] Weitere verwandte Adressen erhält man ggf. durch die Eingabe von <<Los 40

principales>> in eine der Internet-Suchmaschinen. (Lehrerbuch Línea verde 1: 73f)

Obwohl von recht allgemeiner Natur wird doch zumindest auf Hör-Seh-Verstehen als Teil des

Aufgabenparadigmas eingegangen. Konkretere Ansätze zum Thema lassen sich dann vor

allem im dritten Band finden, der Film und Fernsehen ein gesamtes Kapitel mit dem Namen

„Jóvenes y medios“(Línea verde 3: 92) widmet. Zunehmend verlagert sich hier auch die Art

der zu extrahierenden Information in Richtung eines eher globalen Verständnisses der

gezeigten Situation, was sicherlich auch durch den Fokus des Lehrwerks auf Schüler im

dritten Lernjahr Spanisch und die damit einhergehende sprachliche Kompetenz bedingt ist. So

21

halten nun neben Fragen wie „¿Quiénes son y dónde están las personas que hablan?“(Línea

verde 3: 93), die auf Einzelheiten abzielen, auch kontextbezogene Fragen, wie „¿Qué quiere

decir el señor que habla cuando dice: <<Ahora son compañeros. Espero que los recibamos

correctamente>>?“(Línea verde 3: 93) Einzug, die den kreativen kognitiven Umgang mit der

erhaltenen Information und ein eher allgemeines Verständnis der dargestellten Situation

verlangen.

Unter Einbezug der gesammelten Feststellungen hinterlässt Línea verde den Eindruck,

Hörverstehen breit gefächert und in recht großzügigem Maße abzudecken. Ob dieser Eindruck

jedoch nur ein subjektiver ist kann nur im Vergleich mit den anderen untersuchten

Lehrwerken geschehen, der sich hier nun anschließen soll.

2.3.4. Die Aufgaben im Vergleich

Wie bereits anhand der absoluten Anzahl an Hörverstehensaufgaben, die in den einzelnen

Büchern angeboten werden ersichtlich wurde, lassen sich die größten Unterschiede zwischen

Puente Nuevo auf der einen und Línea verde und Encuentros auf der anderen Seite

beobachten. Ebenfalls offensichtlich ist, dass diese Unterschiede, die Puente Nuevo von den

anderen Reihen zumindest im Bereich Hörverstehen trennen, dem Lehrwerk nicht gerade zum

Vorteil gereichen. Eine geringe Auswahl an Aufgaben, die noch dazu sehr ähnliche

Aufgabenstellungen und Zielsetzungen haben bildet den Kern der Defizite, die Puente Nuevo

im Bezug auf die Schulung des Hörverständnisses aufweist.

Im Gegensatz dazu verfügen sowohl Encuentros als auch Línea verde über ein im Vergleich

sehr reichhaltiges Angebot an Aufgaben und Übungen zur Verbesserung der

Hörverstehensfertigkeit der Schüler. Obwohl auch hier größtenteils Detailinformationen in

den Fokus der Aufmerksamkeit gestellt werden kommen auch die anderen Aspekte, nämlich

globales Verständnis sowie der kreative Umgang mit den gegebenen Informationen, nicht zu

kurz. Auch ist die Variation, die sich bei der Konzeption der konkreten Arbeitsaufträge finden

lässt größer, wobei jedoch abermals die Beantwortung vorgegebener Fragen im Vordergrund

steht. Nichtsdestoweniger wird mithilfe von Plänen oder auch Bildergeschichten in beiden

Lehrwerksreihen für etwas Abwechslung bei der Aufgabenstellung gesorgt. Sind also die

Unterschiede zwischen Puente Nuevo und Línea verde bzw. Encuentros relativ groß und

offensichtlich, stellen sich die Unterschiede zwischen den beiden letzteren Lehrwerken zwar

als nuancierter aber nicht weniger differenzierbar dar.

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Der größte Unterschied sowie Vorteil für Línea verde ist, dass sich die Reihe über drei Bände

erstreckt, wobei im letzten Band natürlich komplexere und umfassendere Aufgabenkonzepte

umgesetzt werden können, da die Lerner nach drei Jahren über die entsprechenden

sprachlichen Fertigkeiten verfügen, um solche Aufgaben meistern zu können. So spielt im

dritten Band bei Línea verde vermehrt Globalverständnis eine Rolle, sowie in Aufgaben zum

Hör-Seh-Verstehen parasprachliche Aspekte, die, aufgrund des nun beim Lerner vorhandenen

Hintergrundwissens, aus der dargestellten Situation extrahiert werden können. So kommt es

zu eben dieser wichtigen Verknüpfung der Disziplinen Hörverstehen, kulturelles Wissen,

sowie bei entsprechender Aufgabenstellung auch kommunikativer Kompetenz. Zu diesem

letzten Bereich jedoch muss angebracht werden, dass Línea verde und Encuentros genau wie

Puente Nuevo erhebliche Mängel aufweisen. Zwar vollzieht sich der Transfer vom rezeptiven

Hören zum produktiven Sprechen in Erstgenannten häufiger, jedoch immer noch viel zu

selten angesichts der eindeutigen Forderungen und Erkenntnisse aus Psycholinguistik und

Didaktik, die die Wichtigkeit eben dieser Verknüpfung als essentiell belegen.

Ein weiterer, allerdings eher formaler Unterschied lässt sich bei Línea verde und Encuentros

in punkto Aufgabenstellung finden. Wo bei Encuentros lediglich Text und Fragen angegeben

werden, findet sich bei Línea verde eine schon fast penibel anmutende Form der

Aufgabenstellung, die in ihrer Klarheit weit über einen einfachen Arbeitsauftrag hinaus geht.

Ein interessanter Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist, dass bei Línea verde folglich fast

immer die schriftliche Fixierung der Ergebnisse explizit genannt wird, was bei Encuentros,

obwohl möglicherweise auch intendiert, dem Lehrer überlassen wird. Ob dieser Zustand

jedoch als wünschenswerte Handreichung oder als zwängendes Korsett empfunden wird liegt

allein im Ermessen des Lehrers, der selbstverständlich nicht zwingend an die im Buch

veranschlagte Form der Bearbeitung der Aufgaben gebunden ist.

Als letzten Punkt sei noch anzuführen, dass Línea verde den Eindruck vermittelt, gegenüber

Encuentros etwas anspruchsvoller bezüglich des Schwierigkeitsgrades der vorhandenen

Aufgaben zu sein. Während in Encuentros zunächst anfangs vor allem Ausspracheübungen

der Marke „Höre zu und sprich nach“(Encuentros 1: 11) angeboten werden, so fragt Línea

verde gleich zu Beginn nach „[…] Namen und Herkunftsort der Jugendlichen, die sich auf CD

vorstellen“(Línea verde 1: 13). Zwar lassen sich solche Aufgaben auch in Encuentros finden,

jedoch wird hier nach lediglich drei Namen gesucht, während die Aufgabe von Línea verde

bei vergleichbarem Lernfortschritt das Heraushören von Informationen zu 12 Personen

verlangt. Obwohl natürlich nicht jedes Wort verstanden werden muss und die Ergebnisse in

der Klasse zusammengetragen werden können, so ist es doch durchaus denkbar, dass die

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Motivation des Schülers angesichts dieser Überflut an Informationen und der anfänglich

offensichtlichen Unfähigkeit alles zu verstehen leiden könnte. Erneut kommt einem

unwillentlich der Gedanke, dass Línea verde in diesem Punkt, genau wie bei den penibel

wirkenden Arbeitsanweisungen, möglicherweise in seinen Bemühungen etwas übereifrig

gewesen sein könnte. Nichtsdestoweniger lässt sich als Fazit anbringen, dass sowohl Línea

verde als auch Encuentros dem Themenbereich Hörverstehen Aufgaben in großem Maße

zugedacht haben. Im Allgemeinen vermitteln die Lehrwerke den Eindruck, dass Hörverstehen

in großem Maße Einfluss auf die Überlegungen der Autoren bei der Konzeption der

Lehrbücher genommen hat, ganz im Gegensatz zu dem Bild, das sich bei Puente Nuevo

abzeichnet. Jedoch fehlt in allen drei Lehrwerken eine umfassende Verknüpfung von Hören

und Sprechen, was im Unterricht schließlich nur zu häufig in einer übermäßigen

Konditionierung des Schülers auf den Lehrer und dessen Sprache mündet, was dem Schüler

im besten Fall den Umgang in der Fremdsprache lediglich etwas erschwert, jedoch im

schlimmsten Fall zu einer Unfähigkeit führen kann, im Gespräch mit Unbekannten,

idealerweise Muttersprachlern, das Gelernte auch anzuwenden.

3. Schluss

Welche Konsequenzen ergeben sich also aus all dem und wo hat sich der Lehrer hierbei zu

positionieren? Es wurde erkennbar, dass Hörverstehen in aktuellen Lehrwerken kein Dasein

am Rande des Lehrbuchs mehr fristet, das als mediales Problem zwar formhalber

aufgenommen wurde, jedoch in Folge dessen vollkommen unterrepräsentiert war.

Nichtsdestoweniger sind gerade in der Verknüpfung der Disziplinen noch eindeutige Mängel

festzustellen, die kaum als Nebensächlichkeit bezeichnet werden können. Wie in der

Psycholinguistik eindeutig bestätigt und von der Didaktik entschieden gefordert, ist eine

adaptive, flexible und profunde Hörverstehensfertigkeit des Fremdsprachenlerners eine, wenn

nicht sogar die Grundvoraussetzung dafür, die eigenen Kompetenzen in der mündlichen

Sprachproduktion effektiv einsetzen zu können, sowie weiterhin Erfolge bei der

Lernprogression im Unterricht verzeichnen zu können. Um dies angesichts der in den

Lehrwerken vorhandenen Mankos zu gewährleisten bedarf es in entscheidendem Maße eines

Lehrers, der mit Eigeninitiative und durch die Bereitstellung eigenen Materials versuchen

muss, selbige Mankos zu kompensieren. Es wurde deutlich, dass man sich keinesfalls voll und

ganz auf die im Lehrwerk angebotenen Inhalte verlassen darf, wenn es darum geht, eine

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solide Hörverstehenskompetenz beim Lerner aufzubauen. Hierin mag eine Tücke moderner

Lehrwerke liegen, von denen man nur zu gerne annehmen möchte, dass sie mit didaktischer

Finesse und durch die umfassende Bearbeitung aller lehrplanrelevanten Themen den

Fremdsprachenlehrer sowie –Lerner sicher durch das Schuljahr geleiten, obwohl die

Lehrwerke selbst diesen Eindruck möglicherweise gar nicht vermitteln möchten.

Abschließend muss man also aus diesen Ergebnissen die Erkenntnis ziehen, dass es abermals

am Lehrer ist, mit dem im Lehrwerk gegebenen Material bedächtig und kritisch umzugehen

und aufgrund seiner eigenen Analyse die didaktischen und methodischen Konsequenzen zu

ziehen, um dem Schüler letztendlich einen Unterricht bieten zu können, der den Ansprüchen

einer modernen Gymnasialbildung genügen kann.

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4. Bibliographie

Monographien und Aufsätze:

- Cutler, Anne: Prosodic Structure and Word Recognition. In: Frederici, Angela D. (Hrsg.):

Language Comprehension: A Biological Perspective. Berlin, 1999

- Dirven, René: Aspekte der Hörverstehensfertigkeit. In: Dirven, René (Hrsg.):

Hörverständnis im Fremdsprachenunterricht. Kronberg, 1977

- Feyten, Carine M.: The Power of Listening Ability: An Overlooked Dimension in Language

Acquisition. In: NFMLTA (Hrsg.): The Modern Language Journal 75. Oxford, 1991

- Frauenfelder, Ulrich H.; Floccia, Caroline: The Recognition of Spoken Words. In: Frederici,

Angela D. (Hrsg.): Language Comprehension: A Biological Perspective. Berlin, 1999

- Grotjahn, Rüdiger: Testen und Bewerten des Hörverstehens. In: Dúill; Zahn; Höppner

(Hrsg.): Zusammenarbeiten. Bochum, 2005

- Hendrickx, Jos: Develeoping Listening Comprehension Materials and Texts. In: Dirven,

René (Hrsg.): Hörverständnis im Fremdsprachenunterricht. Kronberg, 1977

- Hüllen, Werner: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I. In: Dirven,

René (Hrsg.): Hörverständnis im Fremdsprachenunterricht. Kronberg, 1977

- Schriefers, Herbert: Morphology and Word Recognition. In: Frederici, Angela D. (Hrsg.):

Language Comprehension: A Biological Perspective. Berlin, 1999

- Schröder, Konrad: Hörverständnis und Fremdsprachenplanung. In: Dirven, René (Hrsg.):

Hörverständnis im Fremdsprachenunterricht. Kronberg, 1977

- Schumann, Adelheid: Probleme der Semantisierung bei der Rezeption fremdsprachlicher

Hörtexte. In: Sprissler, Manfred (Hrsg.): Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung Heft

14. Bielefeld, 1979

- Schumann, Adelheid: Übungen zum Hörverstehen. In: Bausch; Christ; Krumm (Hrsg):

Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen, 1995

- Voss, Bernd; Wamsley, John B.: Speech Perception. In: Sprissler, Manfred (Hrsg.):

Bielefelder Beiträge zur Sprachlehrforschung Heft 14. Bielefeld, 1979

- Wolff, Dieter: Überlegungen zum Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht. In: Arndt;

Rattunde; Schröder; Weller (Hrsg.): Die Neueren Sprachen 82. Frankfurt am Main, 1983

- Zwitserslood, Pienie: Spoken Words in Sentnce Contexts. In: Frederici, Angela D. (Hrsg.):

Language Comprehension: A Biological Perspective. Berlin, 1999

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Internetquellen:

- Paschke, Peter: Fremdsprachliches Hörverstehen. http://venus.unive.it/paschke/pubblic/

Paschke2000_FremdsprachlichesHoerverstehenMA.pdf

- Lehrplan des achtjährigen Gymnasiums in Bayern:

http://www.isb-gym8-lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=1

- Absatz moderne Fremdsprachen: ID=26366

- Spanisch Jahgangsstufe 8 FS3: ID=26253

- Spanisch Jahgangsstufe 10 FS3: ID=26220

- Spanisch Jahgangsstufe 11/12 FS3: ID= 26514

- KM Bayern, Lernmittel:

http://www.km.bayern.de/km/rat_auskunft/lernmittel/index.shtml

- KM Bayern, Lernmittel Gymnasium:

http://www.km.bayern.de/imperia/md/content/pdf/lernmittel/13.pdf

Lehrwerke:

- Encuentros 1 método de español / nueva edición. Cornelsen Verlag, 2007

- Encuentros 2 método de español / nueva edivion. Cornelsen Verlag, 2007

- Línea verde 1. Ernst Klett Verlag, 2006

- Línea verde 2. Ernst Klett Verlag, 2006

- Línea verde 3 paso a nivel. Ernst Klett Verlag, 2006

- Línea verde 1 Lehrerbuch mit Kopiervorlagen. Ernst Klett Verlag, 2006

- Línea verde 2 Lehrerbuch mit Kopiervorlagen. Ernst Klett Verlag, 2006

- Línea verde 3 Lehrerbuch mit Kopiervorlagen. Ernst Klett Verlag, 2006

- Puente Nuevo 1. Diesterweg Verlag, 2002

- Puente Nuevo 2. Diesterweg Verlag, 2002

- Puente Nuevo 2 Cuaderno de actividades. Diesterweg Verlag, 2002