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76 Praxisrelevante sozialpädagogische Reflexion über Grundlagen und Ziele in der naturnahen Arbeit mit Kindern aus städtischen Wohnumfeldern Diplomarbeit im Studiengang Sozialpädagogik Vorgelegt von 1. Tanja Sperling 1.1 Essen, im Januar 2003 Prüfer: Prof. Dr. M.A. Franz Tings Zweitprüfer: Thomas Schut-Ansteeg Universität Essen Fachbereich 1 Philosophie, Geschichts-, Religions- und Sozialwissenschaften

Sperling Grundlagen und Ziele naturnaher Arbeit · Bedeutung von Spiel und Bewegung für die Persönlichkeitsentwicklung ... Lernen bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung durch Naturerfahrungen-

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76

Praxisrelevante sozialpädagogische Reflexion über Grundlagen und Ziele in

der naturnahen Arbeit mit Kindern aus städtischen Wohnumfeldern

Diplomarbeit im

Studiengang Sozialpädagogik

Vorgelegt von

1. Tanja Sperling

1.1 Essen, im Januar 2003

Prüfer: Prof. Dr. M.A. Franz Tings

Zweitprüfer: Thomas Schut-Ansteeg

Universität Essen

Fachbereich 1 Philosophie, Geschichts-, Religions- und Sozialwissenschaften

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„Man muss einige der Lebensrätsel nicht

theoretisch, sondern praktisch lösen."

(Henry David Thoreau)1

1 In: Schlehufer/Kreuzinger, 1997, S. 3

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ........................................................................................... 5

2. Merkmale der Lebensphase Kindheit heute .................................... 8

2.1 Definition: Kindheit (in Abgrenzung zur Lebensphase Jugend)...... 8

2.2 Bevölkerung................................................................................... 9

2.3 Familie ......................................................................................... 10

2.4 Wohnen und Straßensozialisation ............................................... 11

2.4.1 Wohnung und Kinderzimmer.................................................. 11

2.4.2 Wohnumfeld........................................................................... 13

2.4.2.1 Wegfallen von Frei- und Bewegungsräumen...................... 13

2.4.2.2 Monofunktionalität städtischer Räume................................ 14

2.4.2.3 Verinselung von Lebensräumen ......................................... 14

2.4.3 Traditionelle Spielplätze ......................................................... 15

2.5 Freizeitverhalten .......................................................................... 16

2.5.1 Konsumorientierung............................................................... 16

2.5.2 Medien und Spielzeug............................................................ 17

2.5.3 Freizeitgestaltung................................................................... 20

2.5.4 Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen.......... 21

3. Naturnahe Arbeit.............................................................................. 22

3.1 Begriffsklärung............................................................................. 22

3.2 Geschichtlicher Rückblick ............................................................ 24

3.3 Zugrundeliegende Thesen und Modelle....................................... 26

3.3.1 Das dreidimensionale Persönlichkeitsmodell der Ökolo-

gischen Psychologie .............................................................. 26

3.3.2 Entwicklungsbedingte Grundlagen......................................... 28

3.3.2.1 Die kindliche Beziehung zur Natur ...................................... 28

3.3.2.2 Natur und kindliche Entwicklung ......................................... 30

76

3.4 Zentrale Ziele und Inhalte ............................................................ 31

4. Projektbeschreibung: Naturerlebnisgarten des BUND in Herten 33

4.1 Das Gelände................................................................................ 33

4.2 Zielgruppen.................................................................................. 34

5. Persönlichkeitsentwicklung durch Spiel und Bewegung............. 36

5.1 Der psychomotorische Ansatz ..................................................... 37

5.2 Bewegung und Körpererfahrung.................................................. 39

5.2.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung................................ 39

5.2.2 Entwicklung des Selbstkonzeptes.......................................... 40

5.3 Freies Spiel als zentrale Lebensäußerung des Kindes................ 42

5.4 Kinder und Abenteuer .................................................................. 44

5.4.1 Begriffsklärung....................................................................... 45

5.4.2 Grundthemen der mittleren Kindheit ...................................... 46

5.4.2.1 Jagen und Sammeln ........................................................... 47

5.4.2.2 Sich ein eigenes Haus bauen ............................................. 48

5.4.2.3 Pflegen und Hüten .............................................................. 49

5.4.2.4 Entdecker- und Erfindergeist............................................... 50

5.4.2.5 Handwerk und Handel......................................................... 51

5.5 Der Naturerlebnisgarten als Spiel- und Bewegungsraum ............ 52

5.6 Sinneswahrnehmung ................................................................... 59

5.6.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung................................ 60

5.6.2 Sinneswahrnehmung im Naturerlebnisgarten ........................ 62

5.7 Fantasie und Kreativität ............................................................... 67

5.7.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung................................ 68

5.7.2 Anregung von Fantasie und Kreativität .................................. 69

5.7.3 Der Naturerlebnisgarten als Ort für Fantasie und Kreativität.. 70

5.8 Soziales Lernen ........................................................................... 73

5.8.1 Erlernen sozialer Grundfähigkeiten........................................ 73

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5.8.2 Freundschaften, Gruppen und Banden.................................. 75

5.8.3 Soziales Lernen im Naturerlebnisgarten ................................ 75

6. Sozialpädagogik und naturnahe Arbeit ......................................... 77

Anhang ................................................................................................... 83

Abkürzungsverzeichnis:

Abb. - Abbildung

Abs. - Absatz

Aufl. - Auflage

bzw. - beziehungsweise

ca. - circa

d.h. das heißt

etc. - et cetera

f - folgende

ff - fortfolgende

Hrsg. - Herausgeber

s. - siehe

S. - Seite

SGB - Strafgesetzbuch

T.Sp. - Tanja Sperling

vgl. - vergleiche

z.B. - zum Beispiel

76

2. Einleitung

In meiner bereits mehrjährigen Praxiserfahrung in der Arbeit mit Kindern

habe ich häufig Kinder kennengelernt, die Wahrnehmungs-, Bewegungs-

oder Verhaltensstörungen zeigten.

Einige Gründe hierfür scheinen in den Lebensumständen heutiger Kinder

zu liegen. Unterhält man sich mit Kindern, so bekommt man den Eindruck,

dass diese viel Zeit vor dem Fernseher und Computer verbringen und sich

weniger draussen bewegen und spielen.

Sowohl in meiner Ausbildung, als auch privat habe ich mich schon viel mit

Möglichkeiten der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung,

insbesondere durch Spiel und Bewegung, beschäftigt.

Als ich vor 2 Jahren angefangen habe, eine Gruppe 5- bis12-jähriger

Kinder im Naturerlebnisgarten in Herten mitzubetreuen, habe ich entdeckt,

dass in der Natur viele Fördermöglichkeiten für die kindliche Entwicklung

liegen, die in den Wohnungen und im Wohnumfeld der meisten Kinder

immer mehr verschwinden.

Zudem habe ich bemerkt, dass Kinder offenbar eine besondere

Begeisterungsfähigkeit, auch für die kleinen Dinge in der Natur, besitzen.

Kinder, die aus städtischen Wohnumfeldern kommen, sind weitestgehend

von der Natur entfremdet. Wie weit diese Naturentfremdung geht,

verdeutlicht folgendes Beispiel: Bei einer 1995 gemachten Umfrage, die

nach der Farbe von Kühen fragte, gaben über 70% der Stadt- und

Landkinder an, dass die Farbe der Kuh lila sei (vgl. Seeger/Seeger, 2001,

S. 129).

Aus den zuvor genannten Gründen habe ich mich entschlossen, mich in

dieser Diplomarbeit mit den Möglichkeiten der naturnahen Arbeit mit

Kindern aus städtischen Wohnumfeldern auseinanderzusetzen. Ich werde

dazu die kindliche Lebenswelt näher betrachten und mich mit der

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Bedeutung von Spiel und Bewegung für die Persönlichkeitsentwicklung

auseinandersetzen. Diese beschreibe ich in Bezug auf naturnahe Arbeit.

Dabei ist mir durchaus klar, dass auch die Stadt fördernde, kultivierende

und anregende Wirkungen für die Entwicklung von Kindern hat. Diese

Arbeit soll auch kein illusorisches Plädoyer für „Zurück zur Natur“ sein. Sie

soll jedoch herausstellen, was Kindern, die in der Stadt aufwachsen, fehlt,

wie sie in ihrem freien Spiel und ihrer Bewegung und damit in ihrer

Entwicklung eingeschränkt werden, wie die Beziehung von Kindern zur

Natur ist und welche Rolle diese für die kindliche Entwicklung spielt.

Da die naturnahe Arbeit sehr vielfältig ist – sie reicht von Natursportarten

und Naturerfahrungsspielen über Umweltprojekte und ökologisches

Lernen bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung durch Naturerfahrungen -

werde ich mich auf die naturnahe Arbeit im Naturerlebnisgarten

konzentrieren. Andernfalls könnte jedes Thema von mir nur oberflächlich

behandelt werden.

Zudem werde ich mich nicht damit beschäftigen, welche Möglichkeiten

man hat und auf welche Schwierigkeiten und Grenzen man stößt, wenn

man ein Projekt wie den Naturerlebnisgarten verwirklichen will. Damit

meine ich die Suche nach einem geeigneten Grundstück,

Finanzierungsmöglichkeiten und Gestaltung und Erhaltung des

Naturraumes. Ich möchte an dieser Stelle dennoch darauf hinweisen, dass

es unerlässlich ist, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, wenn

man ein solches Projekt plant.

In Kapitel 2 gehe ich zunächst auf die Merkmale ein, die die Lebensphase

Kindheit heute bestimmen. Auf diese werde ich in Kapitel 5 zurückgreifen.

In Kapitel 3 beschäftige ich mich mit allgemeinen Dingen der naturnahen

Arbeit. Nach einer Begriffsklärung und einem geschichtlichen Rückblick

beschreibe ich zugrundeliegende Thesen und Modelle, um so die

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Beziehung von Kindern zur Natur herauszuarbeiten. Abschließend gehe

ich auf die zentralen Ziele und Inhalte von naturnaher Arbeit ein.

In Kapitel 4 geht es um die Projektbeschreibung des

Naturerlebnisgartens. Die Beschreibung des Geländes soll die

Fördermöglichkeiten aufzeigen. Im Punkt 4.2 geht es mir darum, deutlich

zu machen, auf welche Zielgruppe ich mich in dieser Arbeit beziehe.

Den Hauptteil meiner Arbeit nimmt Kapitel 5 ein. Hier beschreibe ich die

Bedeutung von Spiel und Bewegung für die Persönlichkeitsentwicklung.

Dabei gehe ich auf die verschiedenen Aspekte zunächst jeweils allgemein

ein, um sie dann exemplarisch auf den Naturerlebnisgarten zu übertragen.

So werden die Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung durch

naturnahe Arbeit deutlich.

In Kapitel 6 beschäftige ich mich abschließend damit, wie sinnvoll und

wichtig es ist, naturnahe Arbeit in der Sozialpädagogik einzusetzen.

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3. Merkmale der Lebensphase Kindheit heute

Um zu verstehen, warum naturnahe Arbeit mit Kindern wichtig ist, ist es

zunächst sinnvoll sich die Merkmale der heutigen Lebensphase Kindheit

anzuschauen. Nur so kann erkannt werden, was Kindern fehlt, die in

städtischen Wohngebieten aufwachsen und welche Fördermöglichkeiten

dagegen in der Natur liegen.

Da es in meiner Diplomarbeit um die Arbeit mit Kindern geht, gehe ich

jedoch als erstes auf den Begriff Kindheit ein, damit deutlich wird, um

welche Zielgruppe es sich genau handelt.

3.1 Definition: Kindheit (in Abgrenzung zur Lebensphase Jugend)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Begriff Kindheit einzugrenzen

und zu definieren.

Klar und deutlich ist die rechtliche Definition des SGB VIII. Im §7, Abs. 1

Satz 1 heißt es:

„(1) Im Sinne dieses Buches ist 1. Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, [...]“

Abgegrenzt werden kann die Lebensphase durch psychologische

Kriterien. Nach Hurrelmann (vgl. Hurrelmann,1997, S. 31ff) ist ein

wichtiger Gesichtspunkt, der zur Beendigung der Lebensphase Kindheit

gehört, das Eintreten in die Pubertät. Sie markiert einen tiefgreifenden

Einschnitt in die Persönlichkeitsentwicklung. In der Kindheitsphase sind

Imitation und Identifikation mit den Eltern vorherrschende psychische

Mechanismen, um mit Anforderungssituationen zurechtzukommen. Dies

tritt im Jugendalter deutlich in den Hintergrund, eigenständig entwickelte

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Bewältigungsmechanismen entstehen. Zudem unterscheiden sich die

Entwicklungsaufgaben von Kindheits- und Jugendphase.

„Im Kindheitsalter geht es um die Entwicklung elementarer kognitiver und sprachlicher Kompetenzen, die Erstentwicklung sozialer Kooperationsformen und moralischer Grundorientierung – also um Aufgaben, deren Bewältigung und Lösung in vielerlei Hinsicht die Basis für die Entwicklungsaufgaben im Jugendalter bilden.“ (Baacke, 1992, zitiert nach: Hurrelmann, 1997, S. 34)

Die soziologische Betrachtungsweise beschäftigt sich bei der Abgrenzung

der Lebensphasen Kindheit und Jugend vor allem damit, ob

Veränderungen der sozialen Verhaltensanforderungen ein solches

Ausmaß erreichen, dass vom Übergang von einer sozialen Position in

eine andere gesprochen werden kann. Hierbei wird eine schrittweise

Erweiterung der Handlungsspielräume deutlich, die gleichzeitig eine

Erweiterung der Rollenvielfalt mit sich bringt. Dabei ist jedoch kein

genauer Zeitpunkt festzumachen, da der Übergang in verschiedenen

Bereichen zu verschiedenen Zeiten erfolgt (so z.B. mit 10-12 Jahren die

Intensivierung der Leistungsanforderungen und die mit 12-14 Jahren

einsetzende soziale Ablösung von den Eltern) (vgl. Hurrelmann, 1997, S.

39ff).

3.2 Bevölkerung

In den letzten Jahrzehnten hat sich in allen Industrieländern die

Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen spürbar zu

Ungunsten der Kinder und Jugendlichen verändert. Wies die

Bevölkerungspyramide in Deutschland zu Anfang des letzten

Jahrhunderts in den jungen Jahrgängen noch eine zahlenmäßig große

und breite Basis auf, die sich nach oben, in die älteren Jahrgänge,

schrittweise verkleinerte, so ähnelt die „Pyramide“ heute eher einer

hochgewachsenen, ausgefransten Tanne mit einem unten schmaler

gewordenen Stamm (vgl. Hurrelmann, 1997, S. 15ff).

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Auf die Gründe der Veränderung gehe ich hier nicht ein, dafür aber auf die

Konsequenzen für die junge Generation. Für diese wird es zunehmend

schwieriger, sich gesellschaftspolitisch Gehör zu verschaffen. Die

Verteilung der finanziellen Ressourcen wird vermutlich immer mehr zu

Gunsten der älteren Bevölkerung ausfallen. Gelder, z.B. für Kindergärten,

Schulen, Jugendhäuser und die Sicherung der öffentlichen Infrastruktur für

Kinder und Jugendliche werden im Verteilungskampf der Generationen

nur unter großen Schwierigkeiten zu bekommen sein (vgl. Hurrelmann,

1997, S. 19f).

Diese Entwicklung kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Seit

viereinhalb Jahren arbeite ich in einem Bürgerhaus in Herten und jedes

Jahr stehen weniger Geldmittel zur Verfügung. Projekte werden gestrichen

und unsere Angebote müssen mit immer weniger Material und auch immer

weniger Personal verwirklicht werden.

3.3 Familie

In den letzten Jahrzehnten hat die traditionelle Familie viele

Veränderungen erfahren. Immer mehr Kinder wachsen in

„Patchworkfamilien“, also in Familien mit Stiefeltern und Halb- und

Stiefgeschwistern auf, Ein-Eltern-Familien nehmen zu, das Aufwachsen

als Einzelkind und wechselnde Lebensabschnittspartner sind keine

Seltenheit mehr.

Ich möchte hier nicht auf alle Vor- und Nachteile eingehen, wichtig ist mir

vor allem die Verringerung der Sozialkontakte, die mit diesen

Veränderungen häufig einhergeht.

Besonders die wachsende Zahl von Einzelkindern kann künftig ein

Zurückgehen von Gratiskontakten bedeuten, die durch Verwandtschaft

zustande kommen. Denn schon in der den Einzelkindern folgenden

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Generation fehlen Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Zudem sind

Einzelkinder ausschließlich auf Kontakte außerhalb der Wohnung

angewiesen. Allerdings kann man keine pauschalen Aussagen zur

Sozialisation von Einzelkindern machen, da es durchaus auch positiv

ausfallende Studien gibt (vgl. Größing, 2002,S.13f; Rolff/Zimmermann,

1997, S.15f, S. 25ff).

Bei Ein-Eltern-Familien ergibt sich das Problem, dass die Kinder häufig

alleine, also auch unbeaufsichtigt, zu Hause sind (vgl. Rolff/Zimmermann,

1997, S. 28). Diese Zeit verbringen viele der Kinder vor dem Fernseher

oder dem Computer.

3.4 Wohnen und Straßensozialisation

Auch die räumlichen Bedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen,

haben sich in den letzten fünfzig Jahren tiefgreifend verändert. Gerade die

„Welt“ von Kindern, die in Städten aufwachsen, wird von Straßen, Autos,

Gebäuden, Fernsehen und Video beeinflusst. Von naturnahen

Lebensbereichen sind sie weitgehend abgeschnitten (vgl. Stichmann, in:

Naturschutzzentrum NRW, 1990a, S.3).

„[...] daß der Bewegungsradius von Kindern auf ein Minimum reduziert ist. Winzige Kinderzimmer, kleine, nicht kindgerecht angelegte Wohngrundstücke, zubetonierte und eingezäunte Anlagen und ein hohes Verkehrsaufkommen lassen kaum Freiräume zu. Die Bewegungsmöglichkeiten der Kinder werden oft auf „Spielplatzghettos“ begrenzt.“ (Kretschmer, 1998a, S. 16)

Da die räumliche Situation neben den familiären und sozialen

Bedingungen den nächstwichtigsten Faktor für das Kind darstellt (vgl.

Lang, 1995, S. 20), werde ich auf diese im Folgenden eingehen.

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3.4.1 Wohnung und Kinderzimmer

Erst mit der Wiederaufbautätigkeit nach 1950 ergaben sich Möglichkeiten,

Kinderzimmer einzurichten. Die Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren

ließ dafür buchstäblich keinen Raum. Bis dahin fand man Kinderzimmer

fast ausschließlich in den Häusern des Bürgertums (vgl.

Rolff/Zimmermann, 1997, S. 66).

Fast jedes Kind kann heute allein oder mit Geschwistern über einen

eigenen Raum verfügen. Damit sind die Kinder einerseits räumlich

ausgegrenzt, haben andererseits aber auch einen Raum für sich, in dem

die Tätigkeit der Eltern eher gering ist.

Im sozialen Wohnungsbau werden 6,75 qm als Mindestnorm für

Kinderzimmer vorgeschrieben. Von genügend Platz kann dabei keine

Rede sein. Häufig sind Kinderzimmer die kleinsten Räume der Wohnung

und oft bieten sie gerade Platz für die Lagerung des angesammelten

Spielzeuges. Freie Fläche zum Spielen ist in solchen Fällen nicht mehr

vorhanden.

In der Nachkriegszeit gingen die Kinder zum Spielen nach draußen (es

gab ja auch kaum Kinderzimmer), heute verbringen sie einen Großteil

ihrer Zeit in der Wohnung bzw. in ihrem Zimmer. Diese sind jedoch in den

meisten Fällen nicht zum Herumtoben und Bewegen geeignet. Dünne

Wände und wenig Platz führen mit dazu, dass Kinder häufig stille

Tätigkeiten ausführen (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S.66ff; Kretschmer,

1998b, S. 12).

Der Umstand, dass immer mehr die Wohnung zum Spielen benutzt wird,

ist wohl auch auf das veränderte Wohnumfeld zurückzuführen, auf

welches ich im nächsten Punkt zu sprechen komme.

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3.4.2 Wohnumfeld

3.4.2.1 Wegfallen von Frei- und Bewegungsräumen

„Kindheit heute, das ist auch zunehmend ein Kampf um Frei- und Bewegungsräume.“ (Jehle, 1998, S. 23)

In der Bundesrepublik wohnen 2/3 aller Kinder in der Stadt. Daraus lässt

sich schon schließen, dass die Möglichkeiten in naturnahen Räumen zu

spielen, relativ gering sind (vgl. Gebhard, 1994, S. 79).

Sieht man sich die Veränderungen, die es seit Kriegsende auf der Straße

gegeben hat an, spielt das Auto eine herausragende Rolle. Automassen

beherrschen die Straßen, die früher von Kindern auch zum Spielen

benutzt wurden. Kinderspiele haben dort heute keinen Platz mehr (vgl.

Rolff/Zimmermann, 1997, S. 69ff), was ich aus eigenen Beobachtungen

bestätigen kann. Zur Zeit wohne ich an einer vierspurigen Straße, weit ab

von irgendwelchen Baulücken, Wiesen oder auch nur Spielstraßen. Die

Kinder „lungern“ auf dem Parkplatz hinterm Haus herum, wissen nichts mit

sich anzufangen und werden sofort vertrieben, wenn sie einmal ihrem

Bewegungsdrang freien Lauf lassen und beispielsweise auf die Garagen

klettern.

Heutige Kinder haben es allgemein schwerer, Orte und Nischen zu finden,

die sie sich aktiv und selbstbestimmt aneignen können. Auf Grünanlagen

steht meist ein Schild „Betreten verboten“ und unverplanter Raum, wie

z.B. Baulücken, sind gerade bei hoher Bevölkerungsdichte immer weniger

vorhanden (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 69ff).

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Diese Entwicklung kann ich aus meiner eigenen Kindheit bestätigen. Als

ich fünf Jahre alt war, haben meine Eltern mit als Erste in einer

Neubausiedlung gebaut. Wir Kinder hatten massenhaft Platz, um auf den

vorhandenen, unbebauten Wiesen auf Entdeckungsreise zu gehen und zu

spielen. Als meine jüngere Schwester, die nur fünf Jahre jünger ist als ich,

alt genug war, blieb ihr nur noch der eigene Garten, da die Grundstücke

mittlerweile fast alle bebaut waren.

Zum Wegfallen des Spiel- und Bewegungsraumes kommt, dass ein Teil

der Kinder heutzutage abhängiger geworden ist. Die Benutzung von

Fahrrädern ist häufig zu gefährlich, die Kinder sind auf Erwachsene

angewiesen, die sie mit dem Auto fahren (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S.

69ff).

3.4.2.2 Monofunktionalität städtischer Räume

Betrachtet man die jüngere Stadtentwicklung, so stellt man fest, dass die

Stadt immer mehr in für ganz bestimmte Zwecke errichtete Einheiten

gegliedert ist. Da gibt es die Einkaufszentren, Fußgängerzonen,

Gewerbegebiete und Sport- und Freizeitparks. Alle Einheiten dienen zur

Erledigung eines ganz bestimmten Zweckes. Andere Zwecke, wie z.B. das

Bespielen, werden weitgehend verunmöglicht. Damit bleibt den

Wohngebieten zunehmend nur die Nutzung zum Wohnen (vgl. Lang,

1995, S.20). Das führt zu einer Monotonie, die Kindern wenig

Anregungspotential und wenig abwechslungsreiche Tätigkeiten zu bieten

hat (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 65).

3.4.2.3 Verinselung von Lebensräumen

In der Nachkriegszeit und auch davor eigneten Kinder sich ihre Umwelt in

konzentrischen Kreisen an. Je älter sie wurden, desto weiter kamen sie

auf ihren Streifzügen in die Umgebung, die von der elterlichen Wohnung

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ausgingen. Heutige Streifräume haben sich zwar erheblich erweitert,

haben aber eine Form angenommen, die am ehesten als Leben auf

mehreren Inseln beschrieben werden kann. Ausgangspunkt für die Kinder

ist die „Wohninsel“, von der es zum Kindergarten, zu Freunden, zur

Schule oder zum Einkaufen geht. Die Strecken zwischen den

verschiedenen Inseln werden im Auto oder mit öffentlichen

Verkehrsmitteln zurückgelegt. Damit verschwindet der Raum zwischen

den Inseln und verkommt zum erlebnisarmen Zwischenraum. Wurde der

Weg früher zum Spazieren und Spielen benutzt, wird er heute nur noch

überbrückt (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 135f).

3.4.3 Traditionelle Spielplätze

Kinder, die draußen spielen wollen, sind häufig auf Reservate, nämlich

Spielplätze angewiesen. Etliche Untersuchungen haben jedoch ergeben,

dass Spielplätze nur in Gebieten hoher Dichte gut besucht werden, da hier

Alternativen fehlen und dass das Spiel nie sehr lange dauert (vgl.

Kretschmer, 1998b, S. 12; Gebhard, 1994, S. 81; Rolff/Zimmermann,

1997, S. 109; Seeger/Seeger, 1997, S. 21).

Ich selber erinnere mich vor allem an einen Spielplatz in der Nähe des

Hauses meiner Großeltern, auf dem ich viel Zeit mit meinem Cousin und

meiner Schwester verbracht habe. Allerdings haben wir meistens nur kurz

auf den Spielgeräten gespielt und haben uns dann den „Kletterbäumen“

am Rande des Spielplatzes zugewandt. Mit ein Grund, warum wir den

Spielplatz gerne aufgesucht haben war der, dass wir fast immer ungestört

waren, weil eigentlich nie andere Kinder dort waren. Dieses Beispiel

bestätigt die gemachten Untersuchungen.

Das mangelnde Interesse lässt sich vor allem damit erklären, dass

Sinnesanreize fehlen und nur wenig eigene Gestaltungsmöglichkeiten

bestehen. Die meisten Geräte sind fest verankert und können nur

monofunktional benutzt werden (raufklettern – runterrutschen,

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hinschaukeln – herschaukeln), Vielfältigkeit und Variabilität fehlen (vgl.

Kretschmer, 1998b, S. 12; Gebhard, 1994, S. 82; Rolff/Zimmermann,

1997, S. 109).

Ein meiner Meinung nach sehr deutliches Beispiel für fehlende

Sinnesanreize und Gestaltungsmöglichkeiten sind die uniformierten

Fertighäuschen, die auf fast jedem Spielplatz zu finden sind:

„Diese glatten Fertighäuschen haben keine Risse, eigenwillig verlaufende Proportionen und kontrastierende Materialeigenheiten, an denen sich das Auge entlangtasten könnte. Ihre Kesseldruckimprägnierung verhindert, daß die Witterungseinflüsse im Verlauf der Zeit mit den Sinnen wahrnehmbare Spuren hinterlassen.“ (Natur- und Umweltschutzakademie des Landes NRW, 2001, S.21)

Mittlerweile gibt es an etlichen Orten Aktivspielplätze oder

Bewegungsbaustellen, die die angeführten Mankos der traditionellen

Spielplätze weitgehend aufheben (vgl. Kretschmer, 1998b, S. 12). Diese

seien aber nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Auf sie werde ich hier

nicht weiter eingehen, da das im Rahmen dieser Arbeit zu weit gehen

würde.

3.5 Freizeitverhalten

Unsere Gesellschaft ist eine Konsum- und Mediengesellschaft.

Markenartikel bestimmen das Kaufverhalten vieler Kinder und

Erwachsener; Computer und Fernseher im Kinderzimmer sind keine

Seltenheit mehr; technisches Spielzeug überschwemmt den Markt; die

Freizeit vieler Kinder ist minutiös geplant - diese Liste ließe sich

problemlos weiterführen. Die nächsten Punkte beschäftigen sich mit

diesen Trends, die extreme Auswirkungen auf das Leben der Kinder

haben.

76

3.5.1 Konsumorientierung

Kinder werden oftmals als „Kaufmotoren der Familie“ oder

„Markendurchsetzer“ beschrieben. Obwohl die jüngere Generation

zahlenmäßig stark abnimmt, stiegen in den letzten beiden Jahrzehnten die

Ausgaben für Kinderprodukte. Auch bei größeren Anschaffungen in der

Familie oder der Urlaubsplanung entscheiden Kinder mit. Sie haben durch

Taschengeld, Geldgeschenke und Sparguthaben reichlich Geld zur

Verfügung2.

Die Werbung hat einen besonders großen Einfluss auf die Kinder-

Konsumkultur. Kinder werden als Nachwuchskonsumenten angesehen, da

Forschungen ergeben haben, dass zwei Drittel der Kinder ihre

Markenfavoriten im Erwachsenenalter beibehalten, wenn die Einprägung

bis zum 10. Lebensjahr erfolgt.

Für die Sozialisation von Kindern bedeutet das, dass Selbstwertgefühl und

Identität zunehmend über Konsum definiert werden. Auch soziale

Beziehungen hängen häufig vom Besitz bestimmter Waren ab. Die Frage

der Warenqualität (die durch die Marke bestimmt wird) wird also zur Frage

der Lebensqualität (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 73ff).

Zur Verdeutlichung der Wichtigkeit von Markenprodukten für Kinder hier

ein Beispiel, das viele Eltern vermutlich schon in sehr ähnlicher Form

erlebt haben. Eine meiner Cousinen hat sich vor Jahren (als diese

Rucksäcke „in“ waren) einen Eastpack gewünscht. Meine Tante kaufte

daraufhin einen besonders Guten, der größer als der „In-Rucksack“ und

am Rücken extra verstärkt war. Meine Cousine brach an ihrem Geburtstag

in Tränen aus, statt sich darüber zu freuen, weil es nicht der Richtige war.

2 Dieses geben sie meiner Vermutung nach auch ohne Kontrolle der Eltern für Sachen aus, die „in“ sind. So berichtete meine Mutter von einer Schülerin, die ca. 60DM für Pokemonkarten ausgegeben hat, ohne dass sie die Erlaubnis ihrer Eltern hatte.

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Die Verkäuferin zeigte sich beim Umtausch sehr verständnisvoll, da sie

solche Geschichten ausgesprochen häufig erlebte.

3.5.2 Medien und Spielzeug

Ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil ihres Lebens ist für die

meisten Kinder der Fernseher. Diese Entwicklung begann erst in den

sechziger Jahren, verlief dann aber rasant. Fast jedes Kind hat die

Möglichkeit Fernzusehen, viele besitzen sogar ein eigenes Gerät. Im

Gesamtumfang der Freizeitaktivitäten nimmt Fernsehen laut Rolff und

Zimmermann bei heutigen Kindern den größten Teil der Zeit ein. Dabei

wird Zeit gebunden, die früher für aktive Tätigkeiten genutzt wurde (vgl.

Rolff/Zimmermann, 1997, S. 77ff).

Wichtig ist auch, dass Fernsehen als Bilderkultur besteht. Sie spricht mehr

die Gefühle als den Verstand an und appelliert an unreflektierte

Reaktionen. Bilder verlangen, im Gegensatz zu Worten, keine

Vorstellungskraft.

„Ein Beispiel: Wir lesen einem Kind ein Märchen vor, in dem z.B. ein Prinz vorkommt. Der Prinz wird zwar beschrieben - meist als jung und schön -, doch versucht das zuhörende Kind, sich im Kopf vorzustellen, wie dieser Prinz in Wirklichkeit wohl aussehen könnte. Würde dieser Prinz in einem Märchen im Fernsehen vorkommen, bräuchte das Kind als Zuschauer solche Anstrengungen nicht zu unternehmen. Das Bild des Prinzen wird rein visuell wahrgenommen, und es bedarf keinerlei aktiver Umsetzung oder Übersetzung.“ (Rolff/Zimmermann, 1997, S. 82)

Die Bilderkultur, die die Wortkultur verdrängt, könnte also, vor allem bei

„Dauersehern“, die Entwicklung kognitiver Funktionen, wie z.B. der

Fantasie, hemmen (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 81ff).

Auch andere Medien erlangten seit dem zweiten Weltkrieg in der

Sozialisation von Kindern eine stetig wachsende Bedeutung. Dazu

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gehören Kinderbücher und Computerspiele. Auf diese Medien möchte ich

exemplarisch näher eingehen, bevor ich auf Spielzeug zu sprechen

komme.

Früher sollten Kinderbücher vor allem zur Vorbereitung auf die Rolle des

Erwachsenen dienen. Heute ist für den Betrieb eines Buches vor allem

wichtig, dass hohe Auflagenzahlen erreicht werden. Heutige Kinderbücher

sind zudem dünner und es werden häufig Fotos und comicartige Formen

verwendet. Besonders beliebt sind Bücher, die Fernsehsendungen

beinhalten. Auch hier schlägt sich die Bilderkultur nieder. Muss man sich

bei unbekannten Büchern

„[...] noch lesend in eine völlig neue und unbekannte Welt versetzen, ist in den TV-nahen Kinderbüchern wegen der vorangegangenen Seherfahrung die Phantasie schon besetzt.“(Rolff/Zimmermann, 1997, S. 88)

Zudem wird häufig unkonzentrierter und zerstreuter gelesen oder

Bücherreihen werden gesammelt, ohne gelesen zu werden (vgl.

Rolff/Zimmermann, 1997, S. 85ff).

Ebenfalls weit verbreitet sind Computerspiele. Auch hier wird das Wort

komplett durch das Bild ersetzt. Die Kinder können zwar selber in das

Geschehen eingreifen (teilweise allerdings nur sehr bedingt), dennoch

erfahren sie die Welt auf einer Bühne, d.h. Primärerfahrungen3, also

Erfahrungen in einer realen Welt und aus erster Hand, werden kaum

gemacht. Zudem fehlen bestimmte sinnliche

Wahrnehmungsmöglichkeiten, es werden nur ganz bestimmte Fähigkeiten

gefördert (z.B. das Reaktionsvermögen). Ein weiterer Punkt, der meiner

Meinung nach erwähnenswert ist, ist die Vereinzelungserfahrung, die

3 „Sie [die Primärerfahrungen, T.Sp.] sind das Medium, durch das das Ich zu sich selbst kommt, Urteils-, Entscheidungs- und Handlungskompetenz ausbildet und die es in die Lage versetzen, veränderte Wirklichkeiten ganzheitlich wahrzunehmen und sie produktiv mitzuverändern.“ (Holthaus, 1995, S. 38)

76

gerade Kinder machen, die sehr viel am Computer sitzen4 (vgl. Lang,

1995, S. 26ff).

Abschließend komme ich auf zwei Aspekte in Bezug auf Spielzeug zu

sprechen, die das Spiel stark beeinflussen.

• Spielmittel, die im „Medienverbund“ produziert werden: Immer mehr

Spielwaren werden in Bezug auf Fernsehsendungen produziert und

vermarktet. Spontan fallen mir zwei Beispiele von Lego ein. Zum einen

die Raumschiffe von Star Wars, von denen ein Junge im offenen

Kinderbereich, den ich teilweise leite, jede Woche ein neues

mitbrachte, zum anderen das gesamte Equipment von Harry Potter,

das es zu kaufen gibt. Diese Spielsachen haben zur Folge, dass

Kinder nur noch die Sendungen nachspielen, jegliche Fantasie und

Eigenschöpfung im Spiel jedoch auf der Strecke bleibt.

• Technisches Spielzeug: Enorm ist auch die Zunahme an elektrisch

oder mechanisch betriebenem Spielzeug. Hier tritt der Aspekt des

Bedienens in den Vordergrund, die Handlungsmöglichkeiten sind durch

die Funktionen weitgehend vorgegeben. Das Spielzeug ist demzufolge

häufig spezialisiert und monofunktional. So wird eine Puppe, die auf

Knopfdruck einen Karateschlag ausführen kann, vermutlich

vorwiegend für kampfbetonte und aggressive Spielszenen verwendet

werden (vgl. Kuhlen, 1993, S 16f).

3.5.3 Freizeitgestaltung

Immer mehr Kinder geraten neben dem Leistungsstress der Schule

geradezu in einen „Freizeitstress“. Nicht selten findet man in den

Terminkalendern vieler Kinder ein volles Wochenprogramm mit

Sporttraining, Musikschule, Ballettstunden und Nachhilfe. In vielen Fällen

sind mit Anfahrtswegen schon 30-40 Stunden der Woche fest verplant.

4 Das Gleiche gilt natürlich auch in Bezug auf den Fernseher.

76

Natürlich liegen in den vielfältigen Angeboten auch Chancen und

Möglichkeiten, die keine frühere Kindergeneration gehabt hat. Doch wann

haben Kinder da noch Zeit, zur Ruhe zu kommen oder einfach mal einen

Nachmittag zu „verspielen“? Gerade im Spiel verarbeiten Kinder die auf

sie einstürzenden Eindrücke und Erlebnisse5.

Auch die zunehmende Verunselbstständigung von Kindern könnte als eine

Folge dieser Entwicklung angesehen werden. Damit ist das Phänomen

gemeint, dass viele Kinder nur schwer etwas mit sich anfangen können,

wenn sie kein Programm haben, das ihnen sagt, was sie machen sollen

(vgl. Lang, 1995, S. 18f).

3.5.4 Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen

Individualisierung meint die Entwicklung der Gesellschaft, die Chancen

und Risiken nicht mehr auf die Gesellschaft aufzuteilen. Das Individuum

muss sein Leben allein bewältigen. Zwar kann man erreichen, was man

will, scheitern ist damit jedoch individuell begründbar.

Mit Pluralisierung ist die Optionenvielfalt gemeint. Diese gibt es sowohl in

der Erwerbsarbeit (d.h., jeder kann theoretisch jeden Beruf ergreifen

unabhängig von sozialer Schichtzugehörigkeit) als auch in privaten

Lebensformen, wie in Punkt 2.3 schon erläutert.

In den sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Strukturen stecken sowohl Chancen als auch Risiken. Die Möglichkeiten

für den Aufbau der personalen Identität sind einerseits sehr hoch, da

traditionelle Vorgaben an Rollenverhalten und Wertorientierungen

entfallen, gleichzeitig steigen hiermit aber auch die Ansprüche an jedes

Individuum. Denn letztendlich muss jeder eigene Lösungen für die

5 Dies sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt, da ich auf die Bedeutung von Spiel und Bewegung in Kapitel 5 näher eingehe.

76

vielfältigen Aufgaben und Probleme der Alltagsbewältigung finden (vgl.

Knecht, 2002, S. 2; Hurrelmann, 1997, S. 75; Preglau, 1999, S. 284f;

Magerkohl, 1999, S.3).

Auch Kinder sind durch die zuvor beschriebenen Punkte

(Freizeitgestaltung, Verinselung, Freundschaften etc.) von diesen Trends

betroffen (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 152).

„Individualisierung von Kindheit bedeutet aber auch eine frühzeitige Selbständigkeit. Manchmal müssen Kinder schon viel zu früh über ihre Lebensgestaltung selbst entscheiden. Individualisierung ruft deshalb auch die Gefahr der Überforderung hervor.“ (Rolff/Zimmermann, 1997, S. 152f)

Auf diesem Hintergrund ist es meiner Meinung nach besonders wichtig,

schon in der Kindheit dafür zu sorgen, dass sich Fähigkeiten wie

eigenständiges Handeln, Konfliktlösungsstrategien, Selbstbewusstsein

und Flexibilität entwickeln können.

4. Naturnahe Arbeit

4.1 Begriffsklärung

Ich habe mich entschieden von „naturnaher Arbeit“ zu sprechen, nicht von

Naturpädagogik, Umweltpädagogik, Ökopädagogik oder ähnlichem. Zu

diesem Entschluss bin ich gekommen, da die Begriffe in der von mir

verwendeten Literatur sehr unterschiedlich benutzt werden. Offensichtlich

gibt es keine genaue Klärung der einzelnen Begriffe. Zur Verdeutlichung

dieses „Dilemmas“ einige Beispiele:

76

So unterschieden Beer und DeHaan 1987 zwischen ökologischem Lernen,

Umwelterziehung und Ökopädagogik, übersahen laut Kalff aber die

Naturpädagogik. Mitte der 1990er Jahre wurde, ebenfalls laut Kalff

zwischen Vermittlung von Umweltwissen und -verhalten und

naturpädagogischen Aktivitäten unterschieden. Letztere haben heute ein

Repertoire, das von Freilandbiologie über sinn-orientierte Naturerfahrung

bis zu ökologischen Outdoor-Adventures reicht (vgl. Kalff, 2001, S. 19).

In seinem Buch bezieht sich Kalff auf Pestalozzis Bildungsprozess mit

„Kopf, Herz und Hand“. Dabei bezeichnet „Herz“ die Naturpädagogik, die

Persönlichkeitsentwicklung und nicht die Vermittlung von ökologischem

Bewusstsein als Ziel hat (vgl. Kalff, 2001, S. 32). „Hand“ ordnet Kalff der

Umwelterziehung und dem ökologischen Lernen zu. Hierbei geht es um

Projekte, die umweltbewusstes Handeln fördern (vgl. Kalff, 2001, S. 163ff).

Der „Kopf“ bezeichnet die Ökopädagogik, die vor allem in Form von

Zukunftswerkstätten umgesetzt wird (vgl. Kalff, 2001, S. 185ff).

Schlehufer und Kreuzinger (vgl. Schlehufer/Kreuzinger, 1997, S. 17)

haben den Begriff Ökopädagogik oder ökologisches Lernen gewählt. Sie

beziehen sich ebenfalls auf Pestalozzis Modell, bleiben aber bei diesem

einen Begriff. Gemeint ist hier ebenfalls die Persönlichkeitsbildung als Ziel,

das übergeordnete Ziel ist jedoch die Fähigkeit, das Leben so zu

gestalten, dass auch zukünftige Generationen ein lebenswertes Leben

führen können.

Das Institut für Bildung und Entwicklung spricht von Umweltbildung im

Kindergarten. Hier soll die Natur im Alltag der Kinder lebendig werden, die

Kinder sollen ökologische Zusammenhänge erfahren und sich zudem

selbstständig ihre Umwelt aneignen und so wertvolle Erfahrungen für ihre

Entwicklung machen (vgl. Institut für Bildung und Entwicklung, 2000, S.

32f). Umweltbildung meint hier also das, was Kalff als Naturpädagogik

bezeichnet, hinzu kommt aber das Erfahren ökologischer

Zusammenhänge.

76

Reidelhuber und das Naturschutzzentrum NRW sprechen von

Umwelterziehung. Auch hier geht es inhaltlich darum, die Natur mit allen

Sinnen erlebbar zu machen und Begeisterung zu wecken, diesmal vor

allem vor dem Hintergrund: Was ich liebe, das schütze ich und: Wenn ich

die Natur verändere, verändere ich auch mich selbst (vgl. Reidelhuber,

1998, S. 6f; Naturschutzzentrum NRW, 1990b, S. 28).

Die Naturschule Freiburg spricht von Naturpädagogik. Hier sollen

Naturbegegnungen ermöglicht und das Verhältnis Mensch-Natur neu

geknüpft werden. Damit soll ebenfalls ein veränderter Umgang mit der

Natur erreicht werden (vgl. www.naturschule-freiburg.de). Im Gegensatz

zu Kalffs Definition steht nicht die Persönlichkeitsentwicklung im

Vordergrund, sondern der Naturschutz.

4.2 Geschichtlicher Rückblick

Auch wenn sich die naturnahe Arbeit erst in den letzten Jahrzehnten

etabliert hat, finden sich bedeutende Grundlagen schon sehr viel früher in

der Geschichte.

Jean-Jaques Rousseau (1712-1778) lebte zur Zeit der Aufklärung.

Entgegen den Postulaten dieser Zeit, die u.a. Fördern der Vernunft,

Lernen im Unterricht, Training des Denkens und Erwerb von Wissen

deklarierten, plädierte Rousseau für ein Lernen durch eigene Erfahrung

und unmittelbares Erleben mit den Sinnen und nicht durch Belehrung.

Sein letztendliches Ziel war die Erziehung ohne Erzieher, die Natur sollte

Erziehungsmittel sein. Das Kind sollte sowohl die positiven, als auch die

negativen Folgen seines Handelns selbst erfahren können. Den Erzieher

sah Rousseau als natürlichen Anwalt des Kindes an, der schädliche

Einflüsse von diesem fernhalten sollte. Rousseaus Postulate enthielten

Sinneserfahrung, Sensibilität für das innere Empfinden und

Gewahrwerden der inneren Gefühle. Zudem gestand er Kindern, entgegen

76

der damaligen Zeit, ein Eigenrecht auf eine Lebensphase Kindheit zu (vgl.

Lehmann, 2001, S. 5; Liebig, 1999, S. 4f).

Henry David Thoreau (1817-1862) war der Meinung, dass

Naturbeherrschung, Luxus, Industrialisierung und Bequemlichkeit zum

Verlust der Unmittelbarkeit führen würden. Dadurch würde der Mensch

das Bewusstsein für seine eigenen Bedürfnisse verlieren. Er hielt die

Gesellschaft für moralisch krank. Thoreau selbst lebte zwei Jahre fernab

jeder Zivilisation, um zu beweisen, dass ein Leben mit einfachen Mitteln,

wenig Geld und dem Zurückschrauben überzogener Bedürfnisse möglich

sei. Seine Prinzipien waren Lernen durch eigene Erfahrung, durch

Versuch und Irrtum in möglichst realen Situationen und die Natur als

Lehrmeisterin. Nach Thoreau sollte jeder Mensch seinen eigenen Weg

finden. Der Erzieher sollte Partner und Unterstützer des Kindes auf der

Suche nach seinem eigenen Weg sein (vgl. Lehmann, 2001, S. 5; Liebig,

1999, S. 5).

Die Reformpädagogik (1890-1933) war durch ein ganzheitliches

Menschenbild gekennzeichnet. Zudem forderte sie eine Erziehung vom

Kinde aus, also eine aktive Rolle des Lernenden im Lernprozess.

Kritikpunkt waren die Schulen, denen man vorwarf, eine Trennung

zwischen handelndem und denkendem Menschen zu vollziehen und sich

nur auf den kognitiven Bereich zu konzentrieren. Die Großstadt wurde als

schal und langweilig empfunden. Deshalb wollte man in die freie Natur, in

der noch unmittelbares Erleben möglich war. Zentrale Ziele der

Reformpädagogik waren Erlebnis, Augenblick, Unmittelbarkeit,

Gemeinschaft, Natur, Echtheit und Einfachheit (vgl. Liebig, 1999, S. 5f;

Lehmann, 2001, S. 5f; Reiners, 1995, S. 12f).

Abschließend sei noch John Dewey (1859-1952) erwähnt, der in den USA

das Schlagwort „Learning by doing“ prägte. Er sah ein großes Problem

darin, dass der Mensch durch die Betonung der intellektuellen oder

76

kognitiven Seite sowohl von seiner unmittelbaren Umgebung als auch von

seiner emotionalen, affektiven Seite entfremdet würde. Die Menschen sind

Deweys Meinung nach mehr von Wertfragen, beispielsweise Wohlstand

und Not oder Erfolg und Versagen, betroffen als von Fragen einer nicht

greifbaren Wirklichkeit. Eine Erziehungstheorie müsste also auf Werte und

nicht auf theoretische Abstraktion ausgerichtet sein.

Nach Dewey entsteht Lernen aus dem Erfahren von Herausforderungen

und deren Bewältigung. Dabei werden Unsicherheiten und Zweifel

wahrgenommen und nach der Prüfung verschiedener Hypothesen und

deren Konsequenzen durch Aktion gelöst. Die Lösung wird dann als

Werkzeug für spätere Konflikte gespeichert. Bei diesem Prozess wird die

Erfahrung zuerst durch die Sinne wahrgenommen, dann durch den

Verstand verarbeitet und so für das Wachsen der Persönlichkeit genutzt.

Auf diesen Erkenntnissen baut Deweys Erziehungstheorie auf. Die

Hauptaufgabe der Pädagogen sah er in der Vermittlung von Denkformen

zur Bewältigung konkreter Probleme. Lernen durch Texte und Lehrer

lehnte Dewey weitgehend ab, die Aufgabe des Lehrers war seiner

Meinung nach, die physische und soziale Umwelt zur Ermöglichung

wertvoller Erfahrungen zu benutzen (vgl. Reiners, 1995, S. 11f; Lehmann,

2001, S. 6).

Die Idee, mit Kindern in die Natur zu gehen und ihnen Primärerfahrungen

zu ermöglichen, um so ihre Entwicklung zu fördern hat ihre Anfänge vor

über 250 Jahren. Dass diese Theorien sich bis heute gehalten haben, ist

für mich mit ein Beweis dafür, dass die naturnahe Arbeit mit Kindern

sinnvoll und wichtig ist.

4.3 Zugrundeliegende Thesen und Modelle

„Naturerfahrungen sind wichtig für eine gesunde körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern.“ (Lorenz, in: Institut für Bildung und Entwicklung, 2000, S. 7)

76

Auf diese Aussage gehe ich im Folgenden näher ein. Denn es geht mir

darum, zu überprüfen, welche Thesen und Modelle es gibt, die die

Wichtigkeit der naturnahen Arbeit mit Kindern stützen und begründen.

4.3.1 Das dreidimensionale Persönlichkeitsmodell der Ökologischen Psychologie

In den meisten psychologischen Schulen wird die Persönlichkeit des

Menschen als Ergebnis der Beziehung zu sich selbst und zu anderen

Menschen verstanden. Die nichtmenschliche Umwelt spielt in einem

solchen zweidimensionalen Persönlichkeitsmodell entweder gar keine

oder nur eine untergeordnete Rolle. Die psychische Entwicklung hängt

also vor allem von der Art und Qualität der menschlichen Umwelt ab. Es

ist inzwischen unbestritten, wie wichtig etwa feste Bezugspersonen für die

Persönlichkeitsentwicklung in der (frühen) Kindheit sind. Die in den ersten

Lebensjahren gemachten Erfahrungen mit Bezugspersonen bestimmen

wesentlich die Persönlichkeit und den Blickwinkel, aus dem die Welt

wahrgenommen wird. Erikson führte dafür den Begriff „Urvertrauen“ ein –

positive Erfahrungen sind demnach gute Bedingungen für ein von

Vertrauen geprägtes Verhältnis zur Welt, zu anderen und zu sich selbst.

Diese Bedeutung der menschlichen Umwelt soll hier auch gar nicht

bestritten werden (vgl. Gebhard, 1994, S. 14).

Aber wir Menschen leben nicht alleine auf dieser Welt. Als Teil und

Gegenüber der Natur sind wir untrennbar mit den uns umgebenden

nichtmenschlichen Objekten verbunden.

So vertritt von Dürckheim die Auffassung, dass Selbst- und Welterfahrung

kaum voneinander getrennt betrachtet werden können und das zwischen

dem lebendigen Selbst und seinem Raum ein konkretes Sinnverhältnis

besteht (vgl. v. Dürckheim, in: Gebhard, 1994, S. 15).

Rosseau betonte, dass der Mensch drei Erzieher braucht: Die Natur, den

Menschen und die Dinge (vgl. Rosseau, in: Gebhard, 1994, S. 15).

76

„Die Natur entwickelt unsere Fähigkeiten und unsere Kräfte; die Menschen lehren uns den Gebrauch dieser Fähigkeiten und Kräfte. Die Dinge aber erziehen uns durch die Erfahrung, die wir mit ihnen machen, und durch die Anschauung.“ (Rousseau, zitiert in: Gebhard, 1994, S. 15)

Die Ökologische Psychologie hat das zweidimensionale

Persönlichkeitsmodell um die dritte Dimension erweitert und hebt damit

die Konzentration auf das Individuum der traditionellen Psychologie auf,

die die Umwelt für die psychischen Prozesse zumindest als nachgeordnet

betrachtet. Es wird versucht, Person und Umwelt in eine systematische

Beziehung zu setzen. Dabei beschäftigt sich die Ökologische Psychologie

mit den verschiedensten Umwelten (z.B. Stadt, Wohnung, Schule). Der

Natur wird bis jetzt, zumindest was die Forschungsergebnisse angeht, nur

ein untergeordneter Stellenwert beigemessen. Ursache dafür könnte sein,

dass es Natur im Sinne von unberührter Natur kaum noch gibt.

Relativ übereinstimmend wird in der Ökologischen Psychologie davon

ausgegangen, dass der Mensch kein passiver Reizempfänger ist. Er steht

mit seiner Umgebung in dialektischer Spannung, interagiert mit ihr, formt

sie und wird von ihr geformt. Das Kind eignet sich seine Umwelt an. Der

Begriff Aneignung charakterisiert dabei den Prozess der

Wechselbeziehung von Kind und Umwelt (vgl. Gebhard, 1994, S. 15f).

Das dreidimensionale Persönlichkeitsmodell bezieht sich nur auf die

psychische Entwicklung, nicht auf die körperliche und geistige, zudem

geht es allgemein um Umwelt und nicht um Natur im speziellen. Dennoch

ist es meiner Meinung nach wichtig, dieses Modell als Grundlage der

naturnahen Arbeit zu erwähnen. Denn wenn nicht davon ausgegangen

werden könnte, dass die Umwelt auf die Entwicklung des Menschen

einwirkt, wären weitere Überlegungen zur naturnahen Arbeit überflüssig.

4.3.2 Entwicklungsbedingte Grundlagen

76

4.3.2.1 Die kindliche Beziehung zur Natur

Viele Autoren sprechen Kindern einen besonderen „Draht“ zur Natur zu. In

diesem Kapitel geht es darum, warum die naturnahe Arbeit insbesondere

mit Kindern Sinn macht.

Irmgard Kutsch (vgl. Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes

NRW, 2002, S. 5) spricht von einem in der frühen Kindheit veranlagten

emotionalen Grundgefühl, das Basis sein kann für mutiges,

eigenverantwortliches, aktives und umsichtiges Handeln im späteren

Leben.

Adolf Portmann (vgl. Portmann, in: Schiffer, 1999, S. 96) beschreibt die

„primäre Weltsicht“ der Kinder. Diese meint sowohl kultur- als auch

lebensgeschichtlich eine frühe Fähigkeit möglicher Naturerfahrungen.

Bäume, Sträucher, Wolken etc. zeigen sich in dieser Weltsicht gleichsam

beseelt. Haben wir diese Erfahrungen einmal gemacht, sprechen uns die

Dinge auch dann noch an, wenn wir den biologischen Unterschied

zwischen einem Menschen und einem Baum kennen.

Laut der Zeitschrift „Die Grundschulzeitschrift“ (in: Schiffer, 1999, S. 97)

sind Kinder im Grundschulalter noch sehr empfänglich für die Faszination

und Ausstrahlung von Phänomenen.

Diese Beobachtung kann ich aus meiner eigenen Arbeit mit Kindern in der

Natur bestätigen. Es ist faszinierend, wie lange und begeistert sich Kinder

beispielsweise mit den kleinsten Tieren befassen können, die bei

Erwachsenen vermutlich höchstens ein Schulterzucken hervorrufen.

Hart vertritt die These, dass gerade Kinder eine spezielle und innige

Beziehung zur Natur haben. Das begründet er mit einem besonders

offenen Bewusstseinszustand bei Kindern, der einhergeht mit Kreativität

und Sensibilität. Besonders wichtig ist nach Hart, dass Kinder an ihrer

physischen Umwelt besonders interessiert sind. Sie suchen nach einem

76

Verständnis der Welt, das auch Pflanzen und Tiere mit einschließt und

nach ihrem eigenen Platz. Hart ist der Überzeugung, dass diese

Sensibilität und Offenheit für die Dinge in der Natur in späteren

Entwicklungsphasen nie mehr so ausgeprägt ist (vgl. Hart, in: Gebhard,

1994, S. 68).

Aus der Tatsache, dass Erwachsene in der Natur häufig nach

Kindheitserinnerungen suchen, schließt die Umweltpsychologin Rachel

Sebba (vgl. Sebba, in: Trommer, 2000, S. 16)

„[...], dass kindliche Auseinandersetzung mit der Natur und dem landschaftlichen Nahraum von tiefgreifender Bedeutung für die spätere Beziehung zu Natur und Landschaft ist. In der Naturerfahrung des Kindes liege ein wichtiger Ausgangspunkt, sich die Welt zu erklären.“ (Sebba, zitiert nach: Trommer, 2000, S. 16)

Meines Erachtens liegt in diesen Thesen und Überlegungen eine

besondere Möglichkeit der Pädagogik, die Natur (durch gezielte Impulse)

für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu nutzen und dabei

gleichzeitig die Achtung vor der Natur zu fördern.

4.3.2.2 Natur und kindliche Entwicklung

Der „Arbeitshilfe zur Gestaltung naturnaher Spielräume an Kindergärten

und anderswo“ (vgl. Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW, 2001, S.

7) liegt folgende zentrale These für pädagogisch bedeutsame

Begründungen und Kriterien für die Gestaltung von Außengeländen von

Kindergärten zugrunde, die meiner Meinung nach die Rolle, die die Natur

in der kindlichen Entwicklung spielt sehr klar und deutlich beschreibt:

In der aktiven Auseinandersetzung mit den Gegenständen und Vorgängen

der Umwelt vollzieht sich die körperliche, geistige und seelische

Entwicklung des Kindes. Dabei sind das emotionale Erlebnis und der

unmittelbare Umgang mit den natürlichen Elementen der Spiel- und

Lebensräume (z.B. Wasser, Erde, Bäume, Früchte) für eine gesunde

76

Entwicklung von grundlegender Bedeutung. In dem vielgestaltigen

Lebensraum realisiert sich die Entwicklung des kindlichen Organismus in

einem Wechselprozess mit den Vorgängen und Reizen der jeweiligen

Lebenssituation.

Dieser Wachstums- und Reifungsprozess geschieht in der handgreiflichen

Beschäftigung und sinnlichen Begegnung des Kindes mit den

Phänomenen und Gegenständen seiner Lebenswelt.

„Das Ertasten eines Gegenstandes bedeutet für das Kind nicht nur das Erfassen eines äußeren Objekts. Der Umgang mit Sand, Lehm, Holz oder anderen Materialien bewirkt vielmehr eine Zustandsveränderung. Das Kind erschließt sich die umgebende Wirklichkeit durch seine greifenden Hände, durch seine den Boden erspürenden Füße, durch seine auf-nehmenden Sinne.“ (Natur- und Umweltschutz-Akademie, 2001, S. 7)

Die Auseinandersetzung mit der natürlichen Mitwelt hat also eine nicht zu

unterschätzende Bedeutung für die Entwicklung des Kindes. Das Kind

erfährt sich als Teil einer lebendigen Welt. Es nimmt die atmosphärischen

Wirkungen der naturnahen Lebensräume auf und verarbeitet sie

psychisch in positiver Weise. Die so entstehenden inneren Bilder können

im späteren Leben Maßstab dafür sein, wie der einzelne seine Umwelt

bewertet.

4.4 Zentrale Ziele und Inhalte

Nachdem ich in den vorangegangenen Punkten dargestellt habe, warum

und wie kindliche Entwicklung durch die Natur positiv beeinflusst wird,

werde ich nun die zentralen Ziele und Inhalte herausarbeiten.

Die naturnahe Arbeit mit Kindern hat zwei Hauptziele:

• Förderung der Persönlichkeitsentwicklung durch Spiel und Bewegung

(hier spielen Primärerfahrungen eine große Rolle)

76

• Kennenlernen der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, Begreifen

ökologischer Zusammenhänge und Aufbau einer positiven Beziehung

zur Natur

Die beiden Ziele lassen sich selbst theoretisch kaum voneinander trennen.

Steht das erste Ziel im Vordergrund, fangen Kinder meiner Erfahrung nach

von selbst an zu fragen, wie bestimmte Pflanzen und Tiere heißen, welche

Pflanzen man essen kann und was die Tiere zum Leben brauchen. Sie

zeigen ein unglaubliches Interesse und Neugierde an ihrer Umgebung.

Ähnlich ist es, wenn das zweite Ziel Hauptthema ist. Geht man mit Kindern

auf Entdeckungstour, um mit ihnen Tiere und Pflanzen kennenzulernen,

machen sie automatisch Primärerfahrungen, die zum Wachsen ihrer

Persönlichkeit beitragen.

Häufig waren in der von mir verwendeten Literatur Ziele und Inhalte in

Form von Aufzählungen formuliert. Diese habe ich zusammengefasst und

ergänzt, um so ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten (vgl. Kalff,

2001, S. 41ff; Saudhof/Stumpf, 1998, S. 6f; Trommer, 2000, S. 16; Natur-

und Umweltschutzakademie NRW, 1998, S. 22; Naturschutzzentrum

NRW, 1990a, S. 3).

In der nun folgenden Aufzählung sind die einzelnen Punkte nicht nach

ihrer Wichtigkeit oder einem anderen Muster geordnet. Die Reihenfolge ist

mehr zufällig entstanden.

• Für das Schärfen des sinnlichen Wahrnehmungsvermögens durch

Beobachten, Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören und Sehen eignet

sich die Natur besonders gut. Allein die gleichzeitige Vielfalt der

gegebenen Reize durch wechselnden Wind, Lichteffekte, Temperatur,

Gerüche etc. stimuliert die Sinne unablässig.

• Motorische Fähigkeiten werden durch den Umgang mit Geräten und

Werkzeugen, aber auch durch Spielen in unbekanntem und unebenem

Gelände und Klettern auf Bäumen erworben und entwickelt.

76

• Durch das Begreifen ökologischer Zusammenhänge wird die

Rücksichtnahme auf die Natur, aber auch aufeinander erlernt. Die

Kinder begreifen, dass Tiere, Pflanzen und Menschen miteinander

leben und aufeinander angewiesen sind. Dabei entwickeln sie eine

positive Beziehung zur Natur, die Grundlage ist für einen späteren

verantwortungsvollen Umgang mit dieser6.

• Sprache und intellektuelle Entwicklung (z.B. Lernfähigkeit und Denken)

werden gefördert, indem die Kinder ökologische Zusammenhänge

begreifen, Fragen stellen und gemeinsam spielen.

• Durch die Natur werden Phantasie und Kreativität angeregt. Das liegt

zum einen daran, dass vorgefertigtes Spielzeug fehlt, zum anderen

aber auch an den vielfältigen Möglichkeiten, die die Natur zu bieten

hat.

• In der Natur vorhandene Rückzugsmöglichkeiten bieten Platz für Ruhe

und Geborgenheit, aber auch für Abenteuer und Geheimnisse. Die

Kinder können hier auf Entdeckungsreise gehen und sich so ihre

Umgebung spielerisch aneignen.

• Das Sozialverhalten wird positiv beeinflusst, da die ungewohnte

Umgebung neue bzw. andere Verhaltensweisen und Kooperation

fordert. Jeder kann seine Fähigkeiten konstruktiv einbringen, was

letztlich auch das Selbstbewusstsein fördert.

5. Projektbeschreibung: Naturerlebnisgarten des BUND7 in Herten

5.1 Das Gelände

6 Die positive Beziehung ist meiner Meinung nach kein Garant für umweltbewusstes Handeln, trägt aber auf jeden Fall dazu bei. 7 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

76

Das Gelände des Naturerlebnisgartens ist 16.000 Quadratmeter groß. Im

vorderen Bereich befindet sich der 2.000 Quadratmeter große

Intensivbereich, der ausgestaltet ist mit Weidentipis, einer Lehmhütte,

Spielhügel, Lehmteich, Feuerwiese mit Lehmbackofen, Trockenmauer,

Nutzgarten und Gartenteich.

Durch ein Tor verlässt man den Intensivbereich und gelangt in den

hinteren, wild bewachsenen Teil des Gartens. Dieser Bereich ist unter

anderem mit Brombeeren bewachsen. Ein Hauptweg führt durch das

14.000 Quadratmeter große Gelände. Zudem gibt es einen Fußweg als

„Weg der Sinne“, ein „grünes Klassenzimmer“, eine Streuobstwiese, eine

Ruhezone für Tiere und Pflanzen, Hochstauden, eine Trockenmauer,

einen Totholzhaufen und vieles mehr. In diesem Bereich befinden sich

auch die bei den Kindern so beliebten Kletterbäume.

Da das gesamte Gelände durch Zäune und Büsche eingeschlossen ist,

bietet der Naturerlebnisgarten den Kindern eine geschützte Atmosphäre,

in der sie die Natur mit allen Sinnen erleben und kindgerechte

Erfahrungen sammeln können.

5.2 Zielgruppen

Im Naturerlebnisgarten gibt es im Kinderbereich zwei Zielgruppen: die

Vormittags- und die Nachmittagsgruppen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit

liegt auf letzteren, da ich eine dieser Gruppen mitbetreue. Dennoch werde

ich der Vollständigkeit halber beide Gruppen kurz beschreiben.

1. Vormittagsgruppen

Vormittags wird der Naturerlebnisgarten von Kindergartengruppen und

Schulklassen besucht. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem zweiten

Hauptziel von naturnaher Arbeit, dem Kennenlernen der heimischen

Tier- und Pflanzenwelt. Die Gruppen kommen entweder eine Woche

76

lang jeden Vormittag und werden spielerisch an verschiedene Themen

herangeführt (z.B. Lehmbau, am Lagerfeuer mit selbstgesammelten

Früchten Marmelade zubereiten, den Teich und seine „Bewohner“

untersuchen) oder ein Jahr lang einmal im Monat und lernen die Natur

im Jahresverlauf kennen. Hier werden verschiedene Themen mit den

Kindern behandelt, die den Ablauf der Jahreszeiten charakterisieren

(z.B. Obsternte und –verarbeitung im September, Winterschlaf im

Dezember).

2. Nachmittagsgruppen

Die Nachmittagsgruppen finden in Form von Kursen statt. Diese

beinhalten jeweils acht bis zwölf Treffen und finden insgesamt von

März bis November statt. Viele Kinder sind schon jahrelang dabei,

andere machen nur ein oder zwei Kurse mit. Altersmäßig sind die

Gruppen gemischt. Die Kinder sind zwischen 5 und 11 Jahren alt. Der

Schwerpunkt liegt auf dem ersten Hauptziel, der Förderung der

Persönlichkeitsentwicklung durch Spiel und Bewegung. Die Kinder

dürfen die Nachmittage nach ihrem Interesse gestalten. Wir machen

zwar Angebote, wie z.B. Kräuter sammeln und Tee kochen, einen

Winterschlafplatz für Igel bauen oder Marmelade selber machen, diese

müssen von den Kindern jedoch nicht angenommen werden.

Erfahrungsgemäß machen jedoch die Meisten mit viel Freude bei den

Angeboten mit. Mit diesen, sowie mit Vorschlägen und Anregungen

wollen wir die Kinder bei der Auseinandersetzung mit der Natur

begleiten und unterstützen und ihnen Kompetenzerweiterung im

Umgang mit dieser, mit sich selbst und anderen ermöglichen.

Mein Ziel ist es, aufzuzeigen, wie man die Natur zur

Persönlichkeitsentwicklung nutzen kann. Damit beschäftigt sich das

nächste Kapitel. Ich gehe davon aus, wie auch schon in Punkt 3.4

erwähnt, dass Kinder in der spielerischen Auseinandersetzung mit der

Natur diese kennenlernen und so eine positive Beziehung zu ihr aufbauen.

Dieses Thema wird von mir aus den gerade genannten Gründen nur am

76

Rande und immer in Zusammenhang mit Spiel und Bewegung behandelt

werden.

Um die naturnahe Arbeit im Naturerlebnisgarten zu veranschaulichen,

finden sich im Anhang eine Reihe von Fotos, die im letzten halben Jahr

entstanden sind. Auf diese werde ich bei meinen Beispielen nicht extra

hinweisen, viele lassen sich jedoch auf den Fotos wiederfinden (s.

Anhang, S. 84-86).

6. Persönlichkeitsentwicklung durch Spiel und Bewegung

Um sich gesund entwickeln zu können, brauchen Kinder eine möglichst

vielfältige Reizumgebung. Diese wirkt sich positiv auf die

Gehirnentwicklung aus und trägt dazu bei, psychische

Entwicklungsschritte anzuregen und zu fördern. Dabei liegt das Optimum

in der Mitte von homogenen und

vertrauten Reizen auf der einen und fremden, vielleicht sogar

angsteinflößenden Reizen auf der anderen Seite.

Natürliche Umgebungen zeichnen sich sowohl durch Kontinuität, als auch

durch beständigen Wandel aus. Man denke nur an den Wandel durch die

Jahreszeiten. Damit bieten naturnahe Räume eine solche Reizumgebung,

die sowohl dem Bedürfnis nach Neuem, als auch dem nach Sicherheit und

Geborgenheit von Kindern nachkommt (vgl. Institut für Bildung und

Entwicklung, 2000, S. 29f; Oerter, in: Gebhard, 1994, S. 69).

In diesem Kapitel geht es mir darum, die Möglichkeiten und die Bedeutung

von Naturerfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung näher zu

betrachten.

Zunächst gehe ich allgemein auf Spiel und Bewegung ein.

Sinneswahrnehmung, Fantasie und Kreativität und soziales Lernen

behandle ich dabei noch nicht. Mit diesen Themen beschäftige ich mich in

76

den Punkten 5.6 bis 5.8 getrennt. Die Trennung dieser drei Bereiche von

Bewegung und Spiel ist eine rein theoretische. Denn im Spiel und beim

Sich-Bewegen8 werden Sinnes- und Sozialerfahrungen gemacht und

Fantasie und Kreativität können sich entfalten und entwickeln. Dennoch

scheint es mir sinnvoll, einzeln auf die eben genannten Punkte

einzugehen, um so die Wichtigkeit dieser besser herausstellen zu können.

Auch bei den Beispielen werde ich die Themen einzeln behandeln. Die

meisten sind Sinnes-, Bewegungs-, Kreativitäts- und Sozialerfahrung in

einem oder decken zumindest zwei oder drei Erfahrungsbereiche ab. Die

Beispiele werden dementsprechend mehrmals und aus verschiedenen

Blickwinkeln betrachtet auftauchen.

Die Punkte, in denen es zunächst allgemein um Beschreibung und die

Bedeutung für die kindliche Entwicklung geht, sind in sofern schon auf

naturnahe Arbeit bezogen, als dass ich nur Themen behandle, die im

Naturerlebnisgarten gefördert werden. So geht es beim Spiel

ausschließlich um das freie Spiel, bestimmte Spielformen, wie z.B.

Gesellschaftsspiele, werden in dieser Diplomarbeit nicht behandelt.

6.1 Der psychomotorische Ansatz

Ich gehe in meinen weiteren Ausführungen von einem ganzheitlichen

Menschenbild aus, wie es auch Renate Zimmer, Maria Montessori und

Hugo Kükelhaus beschreiben. Der Mensch ist hierbei nur als Ganzheit zu

begreifen – Handeln setzt immer auch Wahrnehmung und Bewegung,

Denken und Fühlen voraus. Dies ist alles untrennbar miteinander

verbunden, beeinflusst sich gegenseitig und kann im Lebensalltag nicht

isoliert voneinander betrachtet werden (vgl. Seeger/Seeger, 2001, S. 14ff).

8 Renate Zimmer benutzt den Terminus „Sich-Bewegen“, um den aktiven, konstruktiven Anteil an der Bewegung hervorzuheben (vgl. Zimmer, 1998, S. 13). Diesen Begriff habe ich von ihr übernommen.

76

Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der naturnahen Arbeit: ein Kind hat

einen Molch gefangen und hält ihn auf der Hand. Das ist nicht nur

Sinneserfahrung. Es werden Emotionen hervorgerufen – Faszination,

vielleicht auch ein bisschen Ekel. Die Motorik ist angesprochen, denn so

ein Tier ist sehr flink und man muss aufpassen, dass es einem nicht aus

den Händen entkommt. Zudem muss das Kind sehr vorsichtig sein, denn

wenn es zu stark zupackt, kann es dem Tier leicht Schaden zufügen.

Diese Erfahrung kann auf die Situation mit anderen Kindern übertragen

werden, ist also Sozialerfahrung. Und zuletzt ist das Kind neugierig und

will alles über den Molch wissen. Hierdurch werden Kognition und

Sprache gefördert.

Dabei beziehe ich mich vor allem auf den psychomotorischen Ansatz von

Renate Zimmer, welcher bei der ganzheitlichen Betrachtung der kindlichen

Entwicklung Bereiche wie Motorik, Sprache, Emotionen, Sensomotorik,

Kognition, Identitätsbildung und Sozialverhalten in Einklang bringt (vgl.

Seeger/Seeger, 2001, S. 16f).

Die Psychomotorik stellt eine spezifische Sicht der menschlichen

Entwicklung und deren Förderung dar. Bewegung wird hierbei als ein

wesentliches Medium der Anbahnung und Unterstützung von

Entwicklungsprozessen betrachtet.

Die funktionelle Einheit von psychischen und motorischen Vorgängen,

also die enge Verknüpfung vom Körperlich-motorischen mit dem Geistig-

seelischen wird durch den Begriff „psychomotorisch“ gekennzeichnet.

„Psychomotorische Erziehung geht davon aus, daß erst durch vielseitige Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen die Grundlagen für eine harmonische Persönlichkeitsentwicklung geschaffen werden.“ (Zimmer, 1992, S. 121)

Ziel ist es, über Bewegungserlebnisse dazu beizutragen, die

Persönlichkeit zu stabilisieren. Dies wird vor allem durch

erlebnisorientierte Bewegungsangebote erreicht, die zugleich die

76

Wahrnehmung, das Körpererleben, die Körpererfahrung und das soziale

Lernen beinhalten (vgl. Zimmer, 1992, S. 121). In den folgenden Punkten

werde ich näher darauf eingehen.

6.2 Bewegung und Körpererfahrung

6.2.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung

Je jünger Kinder sind, desto wichtiger ist es, dass sie

Bewegungserfahrungen machen. Denn so eignen sie sich ihre Umwelt an,

erkunden und erschließen sie sich. Bewegung ermöglicht es Kindern erst,

sich mit ihrer personalen, räumlichen und materiellen Umwelt und mit sich

selbst auseinanderzusetzen (vgl. Zimmer, 1998, S. 16; Balster, 2000, S. 5;

Kretschmer, 1998a, S. 16).

Dabei werden in Abhängigkeit vom Lebensalter und von den gerade

vorhandenen Bedingungen unterschiedliche Erfahrungen vermittelt, die

damit auch unterschiedliche Bedeutungen für die Entwicklung haben. So

wird die Bewegung im Kleinkindalter vor allem zur Selbst- und

Welterfahrung genutzt, im Jugendalter stehen Sozialerfahrungen im

Vordergrund (vgl. Zimmer, 1998, S. 16/19).

Die nun folgende Aufzählung von Erfahrungen erhebt keinen Anspruch auf

Vollständigkeit, sie kann mit Sicherheit noch um einige Aspekte ergänzt

werden.

76

• Sich-Bewegen ist immer auch Selbsterfahrung (s. Punkt 5.2.2). Zudem

werden Sozial-, Sinnes- und Kreativitätserfahrungen gemacht. Auf

diese Aspekte werde ich, wie schon erwähnt, extra eingehen.

• Das Kind macht Welterfahrungen, indem es sich seine räumliche und

dingliche Umwelt aneignet, sich mit Objekten und Materialien

auseinandersetzt.

• Sich-Bewegen ist auch Ausdruckserfahrung, denn der Mensch drückt

seine Gefühle, Stimmungen und Empfindungen durch Bewegung aus.

• Ein besonderes Merkmal von Bewegungshandlungen ist die intensive

emotionale Beteiligung. Beim emotionalen Erleben kommt die Freude

an der Bewegung, am Herumtoben und Klettern zum tragen, es

können jedoch auch negative Gefühle geweckt werden, wie Unlust,

Angst oder Unsicherheit (vgl. Zimmer, 1998, S. 17ff).

Das Kind nimmt seine Welt vor allem über die Sinne und Eigentätigkeit mit

dem Körper wahr. Geistige Fähigkeiten, also Denken und Vorstellen,

spielen hier eine untergeordnete Rolle. Durch Bewegung verbindet das

Kind seine Innenwelt mit der Außenwelt, es tritt in einen Dialog mit seiner

Umwelt. Körperliche Erfahrungen und Sinneserfahrungen helfen dem

Kind, Begriffe zu bilden. Im Handeln werden Ursache- und

Wirkungszusammenhänge kennengelernt und begriffen.

Wichtig ist hierbei vor allem, dass das Kind Erfahrungen aus erster Hand

macht, dass es etwas mit den ihm zur Verfügung stehenden körperlichen

und geistigen Kräften und durch Ausprobieren schafft. So erlernt ein Kind

beispielsweise den Begriff Schwung, indem es selber an einem Ast

hängend hin und her schwingt, also sich selbst bewegt (vgl. Zimmer,

1992, S. 119).

Schaut man sich unter diesem Gesichtspunkt noch einmal die Merkmale

der Lebensphase Kindheit heute an, so wie sie in Kapitel 2 beschrieben

sind, wird Folgendes sehr schnell deutlich: Wir als Pädagogen müssen

76

dafür sorgen, dass Kinder wieder ausreichend Spiel- und

Bewegungsräume zur Verfügung haben, in denen Primärerfahrungen im

Vordergrund stehen.

Einen dieser Spiel- und Bewegungsräume stellt die Natur dar. In Punkt 5.5

werde ich darauf eingehen.

6.2.2 Entwicklung des Selbstkonzeptes

Ein sehr wichtiger Bereich ist die Auseinandersetzung mit sich selber und

damit die Entwicklung des Selbstkonzeptes. Mit dieser werde ich mich nun

näher auseinandersetzen.

Wie Kinder ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen, ob sie sich viel

zutrauen, auf andere zugehen und in Schwierigkeiten Herausforderungen

sehen oder ob sie an sich zweifeln, sich abwartend verhalten und bei

Schwierigkeiten schnell aufgeben, ist abhängig vom Bild, das sie von sich

selber haben.

Dieses Selbstbild spiegelt die Erfahrungen mit der materiellen und

sozialen Umwelt wider und die Erwartungen, die von der Umwelt gestellt

werden. Im Laufe seines Lebens entwickelt jeder Mensch ein solches Bild

über sich selbst. Im Kindesalter sind vor allem die Körpererfahrungen

entscheidend, sie können als früheste Stufe der Selbstentwicklung

angesehen werden (vgl. Zimmer, 1998, S. 24f).

Durch Bewegung und Spiel lernt das Kind seinen Körper kennen, erfährt,

wie andere ihn sehen und was sie von ihm erwarten und gewinnt so eine

Beziehung zu seiner eigenen Person. Dadurch gelangt das Kind zu

Einstellungen und Überzeugungen über sich selbst, die mit dem Begriff

Selbstkonzept beschrieben werden können.

Das Selbstkonzept entsteht aus der Erfahrung der eigenen Kompetenz,

der Überzeugung, Kontrolle über eine Situation zu haben und dem

Erleben von sinnvollem Tun. Kinder mit positivem Selbstkonzept fühlen

76

sich dabei beispielsweise schwierigen Situationen gewachsen,

übernehmen die Initiative und gehen auf andere zu.

Zum Selbstkonzept zählt die Selbsteinschätzung hinsichtlich der eigenen

Fähigkeiten und Verhaltensmerkmale, die Voraussage von Erfolg und

Misserfolg bei konkreten Handlungen und die Kompetenz und

Selbstsicherheit in sozialen Situationen. Das Selbstkonzept wird auch als

die Summe der Erfahrungen über sich selbst bezeichnet (vgl. Zimmer,

1998, S. 25).

Zu den Informationsquellen, auf die das Kind zurückgreift, um ein Bild von

sich selbst zu bekommen zählen

• Informationen über die Sinnessysteme,

• Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Verhaltens,

• Folgerungen aus dem Vergleich und Sich-Messen mit anderen,

• Zuordnung von Eigenschaften durch andere (vgl. Zimmer, 1998, S.

26).

Vor allem die ersten beiden Aspekte hängen eng mit den

Bewegungserfahrungen des Kindes zusammen. Auf die

Sinneswahrnehmung komme ich in Punkt 5.6 zu sprechen, auf die

Wirksamkeit des eigenen Verhaltens gehe ich hier näher ein.

Kinder erleben in Bewegungshandlungen besonders gut, dass sie

Ursache von Effekten sind. Beim Spielen und Bewegen und in der

Auseinandersetzung mit Dingen rufen sie eine Wirkung hervor, die sie auf

sich selbst zurückführen. Die eigene Anstrengung, das eigene Können

wird direkt mit dem Ergebnis in Verbindung gebracht und führt so zu

einem ersten Konzept eigener Fähigkeiten. Gelernt wird durch

Experimentieren und Ausprobieren. Das Gefühl, etwas geschafft zu

haben, stellt die Basis für Selbstvertrauen bei Leistungsanforderungen dar

(vgl. Zimmer, 1998, S. 27).

76

6.3 Freies Spiel als zentrale Lebensäußerung des Kindes

Das Spiel hat eine immense Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung

des Kindes. Es gehört zu seinen zentralen Grundbedürfnissen, ist

sozusagen der Hauptberuf eines jeden Kindes. Freies Spiel wird

beschrieben als Möglichkeit der eigentätigen Aneignung der Umwelt des

Kindes oder der handelnden Auseinandersetzung mit dieser. Spielforscher

gehen davon aus, dass Kinder bis zum 7. Lebensjahr ca. 15.000 Stunden

spielen (müssen). Pro Tag sind das etwa 7-8 Stunden (vgl. Kuhlen, 1993,

S. 16; Müller, 2001, S. 26; Schut, 1999, S. 10).

Ein Kind, das gesund entwickelt ist, spielt von sich aus, ohne dazu

motiviert werden zu müssen. Motiviert wird es durch die Lust,

Entspannung und Spannung, die es dabei empfindet. Das Kind hat im

Spiel die Möglichkeit,

„[...] seinem inneren Drang nach Selbsterfüllung als ein sensorisch und motorisch tätiges Individuum Ausdruck zu verleihen.“ (Schut, 1999, S. 10)

Dies ist ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. Wichtig ist dabei nicht so

sehr das Ergebnis, also beispielsweise der aufgebaute Turm, sondern

dass das Kind körperliche Aktivität entwickelt und so, einem inneren

Antrieb folgend, seinen Körper und seine Umgebung zu meistern lernt.

Kinder sind von sich aus neugierig, experimentier- und bewegungsfreudig.

Durch Spielen entwickeln sie sich und werden mit Anforderungen fertig.

Es ist der Lebensinhalt des Kindes. Daher ist es wichtig, Kindern neue

Erlebnis- und Spielräume zu erschließen. Diese laden in den meisten

Fällen selbst zum Spielen ein; es bedarf nur geringfügiger Spielimpulse

(vgl. Schut, 1999, S.10).

76

Dies erlebe ich häufig im Kinderraum des Bürgerhauses, in dem ich

arbeite. Er hat für die Kinder einen so großen Aufforderungscharakter zum

Spielen, dass es besonders bei jüngeren Kindern oft schwer ist, sie zu den

Angeboten, die man vorbereitet hat, zu motivieren. Pausen werden dann

begeistert zum freien Spielen genutzt, ohne dass wir als Pädagogen auch

nur einen Anstoß geben müssen.

Kinder spielen, um ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen zu entfalten

und ihnen Gestalt zu geben. Sie wollen sich zunächst ihre eigene

Wirklichkeit spielend erschaffen und nicht die Wirklichkeitsvorstellungen

der Erwachsenen spielend erlernen.

Das spielende Kind passt dabei die Umwelt an sich an und verwandelt sie,

indem es sich von der zugeschriebenen Funktionalisierung der von ihm

verwendeten Objekte löst und diese so verwendet und wahrnimmt, dass

sie zum Spiel passen. Das Kind lernt dabei Potentialitäten, d.h. mögliche

Fähigkeiten für mögliche Situationen. Damit ist Spiel notwendig für die

vielseitige Entfaltung des Menschen (vgl. Fritz, 1993, S. 128f).

6.4 Kinder und Abenteuer

Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen die Abenteuer der mittleren Kindheit,

die mit dem Schulalter beginnt und mit der Pubertät endet (also die Zeit

zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr). In dieser Zeit erobern sich Kinder

ihren Lebensraum und drängen, auf der Suche nach Abenteuern,

Erfahrungen und Erlebnissen, nach draußen (vgl. Lang, 1995, S. 7).

Nach Thomas Lang (vgl. Lang, 1995, S. 22f) gibt es zwei wichtige

Voraussetzungen, um die Pubertät zu meistern. Zum einen muss noch ein

Potential an Geheimnissen da sein, dass der Jugendliche sich erschließen

kann, zum anderen ist die Intensität von Abenteuererfahrungen in der

Kindheit von großer Bedeutung. Sie erlauben es, sozusagen im Rückgriff,

76

Erlebniswelten zu reaktivieren und zu intensivieren, die jetzt die so

wichtigen „Ich-bin-Gefühle“ vermitteln. Lang ist der Meinung, dass die

Wahrscheinlichkeit, auf Formen zurückzugreifen, die aus Action- und

Kriminalfilmen bekannt sind, und die zu delinquenten Verhaltensweisen

führen, um so größer wird, je kleiner dieser Erfahrungsschatz ist.

Auch wenn das meiner Meinung nach zu eindimensional gedacht ist,

denke ich, dass damit zumindest ein wichtiger Aspekt angesprochen ist.

Daher soll die Bedeutung des Abenteuers hier näher betrachtet werden.

6.4.1 Begriffsklärung

Was steckt hinter dem Begriff Abenteuer? Gibt die Herkunft des Wortes

vielleicht Hinweise auf die ursprüngliche Bedeutung und das Wesen des

Begriffes?

„Das Wort „Abenteuer“ ist verwandt mit dem französischen Wort l’aventure und dem lateinischen advenire. Advenire bedeutet soviel wie „auf sich zukommen“, „sich ereignen“. Das Substantiv l’aventure (franz.) oder niederdeutsch Aventuire bezeichnet ein Ereignis, eine Begebenheit, ein (kühnes) Wagnis, etwas Ungewöhnliches oder Seltsames.“ (Lang, 1995, S. 25)

Dabei sind zwei Bedeutungsinhalte auffällig: Zum einen wird ein Zeitraum

umfasst, dessen Charakteristikum ein Spannungsbogen ist. Zum anderen

fällt auf, dass die aus dem Substantiv abgeleiteten Verben wie z.B. „sich in

Abenteuer stürzen“ oder „auf sich zukommen“ fast immer reflexiv sind

(sich...). Damit drücken sie eine starke Verknüpfung mit einer aktiven

Person aus. Verben, wie „sich abenteuern lassen“ oder „beabenteuern“

gibt es dagegen nicht.

Abenteuer ist vor diesem Hintergrund eine Form des intensiven Sich-

Selbst-Erlebens. Dieses geschieht durch aktives Tun innerhalb eines

Handlungs- oder Spannungsbogens. Die Spannung entsteht, indem man

76

einen bestimmten Plan fasst bzw. sich zum Teil ungewissen Bedingungen

und den daraus folgenden Ereignissen aussetzt (vgl. Lang, 1995, S. 25f).

Thomas Schut versteht unter Abenteuer bzw. Erlebnis folgendes:

„Eng mit Abenteuer assoziiert sind die Begriffe Risiko und Wagnis. Abenteuer bedeutet immer, einen Schritt in bislang unbekanntes Territorium zu wagen. Unbekannte Territorien wollen wir eher als eine psychologische denn als eine geographische Größe verstehen. So verstanden bedeutet Risiko, in der Auseinandersetzung mit Neuem und Unbekanntem einen Schritt über die bislang vertrauten Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster hinauszugehen.“ (Schut, 1999, S. 11)

Diese Aspekte des Abenteuers tragen alle Formen der kindlichen

Entdeckung der Umwelt, das spielerische Befassen mit Bedingungen,

Dingen und Personen in sich. Dabei ist wichtig, dass das Kind

Primärerfahrungen mit allen Sinnen machen kann. Denn gerade Riechen,

Spüren, Tasten und Anfassen gehören zu den zentralsten Formen der

Wahrnehmung, Verarbeitung und des Be-greifens von Kindern (vgl. Lang,

1995, S. 26).

Mir stellt sich die Frage, wo Kinder heute noch Abenteuer, wie sie hier

definiert sind, erleben können. Denn in einer Welt zunehmender

Mediatisierung und Verstädterung wird es auch zunehmend schwieriger,

Erfahrungen mit allen Sinnen zu machen und sich neue Räume zu

erschließen (s. auch Kapitel 2).

In Punkt 5.5 werde ich auf die Möglichkeiten in der Natur Abenteuer zu

erleben eingehen.

6.4.2 Grundthemen der mittleren Kindheit

Thomas Lang beschreibt 8 Grundthemen der mittleren Kindheit, die mit

Erlebnis- bzw. Abenteuerwelten verknüpft sind, die für Kinder in diesem

76

Alter eine große Bedeutung haben, da sie ihre Spiel- und Fantasiewelt

prägen (vgl. Lang, 1995, S. 33ff):

• Jagen und Sammeln

• Sich ein eigenes Haus bauen

• Pflegen und Hüten

• Entdecker- und Erfindergeist

• Handwerk und Handel

• Freundschaften, Gruppen und Banden (s. 5.8)

• Körpererfahrungen (s. 5.1 und 5.2)

• Fantasiewelten (s. 5.7)

Auf die Themen, die ich nicht in anderen Punkten behandle, gehe ich im

Folgenden näher ein. Wie in Kapitel 2 verwende ich Beispiele aus meiner

eigenen Kindheit, um die Grundthemen zu verdeutlichen und zu

bestätigen.

6.4.2.1 Jagen und Sammeln

Vor allem für Jungen bleibt das Grundthema Jagen über die gesamte

mittlere Kindheit erhalten. Gejagt wird hierbei alles, was unter den Begriff

erlegbare Beute fällt. Dabei werden die abenteuerlichsten Vorrichtungen

gebastelt, um erfolgreich zu sein.

Lang sieht in diesem Thema eine Art „archaisches Grundmuster“, da es

sich eigentlich nicht um abgeschaute oder beigebrachte Betätigungsfelder

handelt. Es bricht in diesem Alter hervor und verschwindet in der Regel in

einem Alter von zwölf bis dreizehn Jahren wieder. Kinder haben meistens

keine echte Vorstellung, was mit der Beute passieren soll, wenn sie

tatsächlich gefangen ist. Denn in den meisten Fällen steht wirklich das

Fangen im Vordergrund, das Töten von Tieren ist nur in den seltensten

Fällen die Triebfeder (vgl. Lang, 1995, S. 24f).

76

Bei fast allen Kindern dieses Alters entbrennt aus einem nicht zu

erklärenden inneren Drang die Sammelleidenschaft. Nur selten lässt sich

zwischen dem gesammelten Objekt und dem Sammler eine echte innere

Neigung erkennen. Diese entwickelt sich meist erst in dem Maße, in dem

die Sammlung wächst. Gesammelt wird alles von Kronkorken über

Aufkleber bis zu kleinen Plastiktierchen.

Auch hierbei scheint es sich nach Lang um ein archaisches Grundmuster

zu handeln, das das Kind nicht einfach nachahmt oder beigebracht

bekommt, sondern das ein eigener Impuls ist.

Getauscht und gesammelt wird genauso gerne, wie geordnet und

ausgestellt. Oft gehört die Sammlung zum Wertvollsten und wird

manchmal gehütet wie ein geheimnisvoller Schatz (vgl. Lang, 1995, S.

35f).

Ich selber erinnere mich an Kronkorken-, Aufkleber- Poster- und

Pferdepostkartensammlungen, die sich meine Eltern und Geschwister in

langatmigen Führungen anschauen mussten und die von mir in

stundenlanger Arbeit sortiert und betrachtet wurden.

6.4.2.2 Sich ein eigenes Haus bauen

Denke ich an meine eigene Kindheit zurück, so entstehen auch Bilder von

Hütten und Höhlen an allen möglichen Plätzen. Da gab es die Höhle unter

dem Kellertreppenabsatz, Hütten gebaut mit Stühlen, Decken und

Wäscheklammern, Betten und Schreibtische mussten ebenso herhalten

wie große Kartons und Stuhlauflagen. Die Höhlen auf dem Heuboden

eines Bauernhofes, auf dem ich einige Sommerurlaube verbracht habe,

sind mir in ganz besonderer Erinnerung geblieben.

Für Kinder scheinen der Bau von Hütten und Häusern und die damit

verbundenen Spieltätigkeiten von großer Wichtigkeit zu sein. Denn auch,

wenn die meisten Stadtkinder keine Möglichkeit mehr haben, Baumhäuser

und Höhlen in Böschungen zu bauen, so finden sie zahlreiche andere

76

Möglichkeiten, um zu einem „Eigenheim“ zu kommen (vgl. Lang, 1995, S.

36).

„Wenn Kinder sich Hütten und Häuschen bauen, sind sie in ihrem Element. Sie schaffen sich Lebens- und Spielräume, die den Größendimensionen ihres Körper-Raums und ihrem Raumempfinden entsprechen. In den mit Eifer und Hingabe gebauten Hütten sind sie zu Hause, schaffen sich einen Bezugs- und Orientierungsrahmen – ihre „eigenen vier Wände“.“ (Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 2001, S. 21)

Die Ästhetik dieser Hütten vermittelt immer einen Hauch von

Improvisation, Unfertigkeit und Wandelbarkeit. Der so vermittelte Eindruck

des Bewegten, beinahe Lebendigen wird hervorgerufen von dem Gemisch

der Materialien und der Vielfalt der Formen, die jeder Hütte ein eigenes

Gesicht verleihen (vgl. Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 2001, S.

21).

Kinder brauchen für ihre Persönlichkeitsentwicklung Räume, in denen sie

geborgen sind, in denen sie sich orientieren können, und in denen sie ihre

Identität entwickeln können. Räume können nur die psychische und

physische Entwicklung fördern, wenn sie aktiv und sinnenvoll begriffen

und bewohnt werden können (vgl. Wagner, 1998, S. 30).

Vergleicht man diese „Anforderungen“ an Spielhäuser mit der

Beschreibung der uniformierten Fertighäuschen in Punkt 2.4.3, so wird

deutlich, dass diese nicht nur einfach langweilig sind, sondern zudem nicht

dazu beitragen, die Entwicklung von Kindern zu fördern.

6.4.2.3 Pflegen und Hüten

Thomas Lang ist überzeugt davon, dass dieser Grundimpuls sowohl bei

Mädchen, als auch bei Jungen aus dem Innersten kommt und sich

ausleben will. Ein markantes Beispiel hierfür ist der Wunsch von Kindern

nach einem Haustier, dem die meisten Eltern irgendwann nachgeben. Oft

76

leben Kinder in der Beziehung zu Tieren eine innige Zuwendung und

Fürsorge aus, die Erwachsene staunen lässt, auch wenn ihr häufig die

notwendige Kontinuität fehlt.

Ebenfalls typisch, wenn auch vor allem für Mädchen, ist das Puppenspiel.

Hierbei leben Kinder sowohl ihre seelischen Empfindungszustände als

auch den Grundimpuls des Pflegens, Betreuens und Versorgens aus.

Der Impuls muss sich nicht unbedingt auf Tiere oder Puppen beziehen,

Andere Menschen oder ein kleines Stückchen Garten können ebenfalls

zur Erfüllung und Bearbeitung beitragen (vgl. Lang, 1995, S. 27f; Gebhard,

1994, S. 97).

6.4.2.4 Entdecker- und Erfindergeist

In Punkt 2.4.2 bin ich bereits auf die Problematik der heutigen

Wohnsituation in Städten eingegangen. Trotz der Veränderungen haben

Kinder den Drang, sich Räume anzueignen, denn diese Aneignung ist

wichtig für die kindliche Entwicklung.

Kinder in der mittleren Kindheit haben einen unbezwingbaren Drang,

hinter die bekannten Dinge zu schauen. Sie wenden ihren Eltern immer

häufiger den Rücken zu und gehen auf Erkundungstour in ihr räumliches

Umfeld. Die Familie wird als langweilig und eng erlebt, die Kinder streben

aus dem familiären Umfeld heraus. Die Mauer, der Häuserblock, an dem

die Welt bis jetzt aufhörte, wird überwunden; man dringt in noch nie

erreichte Straßen und Stadtviertel vor (vgl. Lang, 1995, S. 38f).

Mein eigener Schulweg in der Grundschulzeit führte zunächst durch ein

Wohngebiet, dann an einer schnurgeraden vierspurigen Straße entlang

und dann wieder durch ein Wohngebiet. Natürlich hatten wir Kinder die

Order, auf direktem Weg nach Hause zu kommen. Aber der Weg an der

76

Straße entlang zog sich einfach endlos und war völlig ereignislos. Zum

Glück gab es auf der einen Seite des Gehweges eine Böschung, hinter

der ein Sportplatz lag. Und an einer Stelle hatten schon andere einen

regelrechten Trampelpfad angelegt, den wir dann häufig benutzten, um

auf den Sportplatz zu gelangen. Von dort ging es dann noch durch einen

kleinen Wald, der mir damals immer sehr unheimlich und geheimnisvoll

vorkam. Schließlich gelangten wir wieder auf die Straße, um auf dem

„richtigen“ Weg nach Hause zu kommen. Den Trampelpfad gibt es,

fünfzehn Jahre später, immer noch, und als ich vor einiger Zeit in der

Mittagszeit an der Stelle vorbei gefahren bin, schoben gerade ein paar

Schulkinder ihre Fahrräder die Böschung hinauf – vielleicht auf der Suche

nach einem kleinen Abenteuer...

Kinder haben jedoch nicht nur den Drang, ihre räumliche Umgebung zu

entdecken, sondern auch vor dem „Innenleben“ verschiedenster

Alltagsgegenstände machen ihre Entdeckungsreisen nicht halt. Vor allem

Jungen zerlegen mit Vorliebe Gegenstände des alltäglichen Lebens (vgl.

Lang, 1995, S. 39).

Ich selber erinnere mich an einen alten Wecker, der von mir in alle

Einzelteile zerlegt wurde und danach in einem Schuhkarton verstaubte, da

ihn niemand mehr zusammenschrauben konnte.

Aber es werden nicht nur Dinge auseinandergeschraubt. Mit genauso

großer Begeisterung werden die phantastischsten Werkzeuge und

Vorrichtungen erfunden, die die Mühsal des alltäglichen Lebens

erleichtern sollen oder Jagd- und Fanggeräte, wie sie für das Grundthema

Jagen und Sammeln gebraucht werden (vgl. Lang, 1995, S. 39f).

Deutlich wird bei all diesen Beispielen auf jeden Fall, dass es sich bei

diesem Grundthema

76

„[...] um den Ausdruck von Kindern handelt, sich ihre räumliche und gegenständliche Welt anzueignen, indem sie bereist, erforscht und entdeckt wird.“ (Lang, 1995, S. 40)

Die Erfindung von Gegenständen drückt auch die Freude aus, bestimmte

Zusammenhänge begriffen zu haben und mit ihnen konstruktiv umgehen

zu können (vgl. Lang, 1995, S. 40).

6.4.2.5 Handwerk und Handel

Eng mit dem Erfindergeist und dem Spaß, etwas selber zu bauen, ist das

Thema „handwerkliches Tun“ verbunden. Durch vielfältige Tätigkeiten und

Erlebnisse in unterschiedlichen Situationen und mit verschiedensten

Materialien kann selbstbewusste Handlungsfähigkeit entwickelt werden.

Häufig geht es Kindern hierbei weniger um das Produkt, als zumindest am

Anfang darum, die handwerkliche Technik zu begreifen und zu erlernen.

Damit ist im Übrigen nicht Basteln gemeint. Kinder wollen „richtig“ Sägen

und Hämmern. Sie sind begeistert von echter, wirklicher Arbeit, die allzu

frühem spezialisiertem Denken entgegenwirkt. Sie führt dazu, dass sich

beim Kind der Blick für das Ganze entwickelt (vgl. Lang, 1995, S. 40f;

Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 2002, S. 5).

Das Thema Handel sei hier nur am Rande erwähnt. Es hat nur sehr wenig

mit dem Kaufladen der drei- bis fünfjährigen Kinder zu tun, zumindest hat

es eine völlig neue Dimension erhalten. Lang nennt als Beispiel Kinder,

die an irgendeiner Straße ihren Laden errichten oder Autos anhalten, um

Zölle zu erheben. Dabei ist dies in ihrer Vorstellung ein echtes Gewerbe

und ein auch preislich kalkulierter Handel (vgl. Lang, 1995, S. 41).

Auf dieses Thema werde ich im Folgenden jedoch nicht näher eingehen,

da es in der naturnahen Arbeit keine Rolle spielt.

76

Betrachtet man die Punkte 5.1 bis 5.4 und vergleicht sie mit den Zielen

und Inhalten naturnaher Arbeit, so erkennt man, dass diese mit wichtigen

Aspekten der Entwicklung von Kindern übereinstimmen.

6.5 Der Naturerlebnisgarten als Spiel- und Bewegungsraum

Nachdem in den Punkten 5.1 bis 5.4 zunächst allgemein die Bedeutung

von Spiel, Bewegung und Abenteuer behandelt wurde, werde ich hier

speziell auf Fördermöglichkeiten in der Natur eingehen. Beschreiben

werde ich diese anhand von Beispielen aus meiner eigenen Praxis. Es

handelt sich hierbei beinahe ausschließlich um eine reine Beschreibung

der Fördermöglichkeiten, da ich die Bedeutung in den vorangegangenen

Punkten dargelegt habe.

Der Wert von Naturerfahrungen liegt unter anderem in dem relativ großen

Maß an Freizügigkeit, dass Kinder hier haben. In natürlichen Umwelten

wie Wäldern, Bächen und Wiesen können sie sich selbstständig mit

diesen auseinandersetzen, sich aneignen und zum freien Spiel nutzen.

Eignen Kinder sich spielerisch die Natur an, so erweitern sie ihren

Aktionsradius und gewinnen Selbstsicherheit und emotionale Stabilität.

Zudem entsteht bei den Kindern Lebensfreude und ein Gefühl von

Freiheit, Kraft und Stärke, wenn sie sich in der Natur spüren, sich

bewegen und ihre Fähigkeiten erleben9 (vgl. Institut für Bildung und

Entwicklung, 2000, S. 29; Loewenfeld, 2002, S. 12; Hendker, 2001, S. 10).

Die Natur bietet also Freiräume, in denen Kinder im Spiel Mut,

Selbstvertrauen und Selbstsicherheit gewinnen, körperliche Fähigkeiten

erproben und eigene Grenzen kennenlernen. Die Umgebung bietet

Kindern die Möglichkeit, selber aktiv und kreativ handeln zu können.

9 Hendker ist der Meinung, dass sich Lebensfreude vor allem in der Natur entwickelt. Dieser Behauptung stimme ich zu. Ein Beweis dafür ist meiner Meinung nach, dass viele Menschen ihren Urlaub in der Natur verbringen, um sich zu entspannen und neue Kräfte „zu tanken“.

76

Während sie sich forschend und handelnd mit Natur auseinandersetzen,

setzen sie sich auch mit sich selbst auseinander. Dies ist ein wichtiger

Ausgleich zu unserer technisierten Umwelt und bietet Kindern eine

Atmosphäre der Geborgenheit. Zudem können sie sich als unmittelbarer

Teil der Natur erleben und so eine individuelle Beziehung zu ihr aufbauen

(vgl. Loewenfeld, 2002, S.12; Natur- und Umweltschutzakademie NRW,

1998, S. 21; Saudhof/Stumpf, 1998, S. 7).

Kinder werden in der Natur mit ungewohnten Situationen konfrontiert. Das

Gelände ist nicht eben und eintönig, sondern Hänge, im Weg liegende

Äste oder Kuhlen im Boden stellen eine Herausforderung dar.

„Die Kinder erfahren Niveauunterschiede im Gelände, können aus wechselnder Perspektive ihre Umgebung betrachten, lernen Niveauunterschiede zu überwinden, haben die Möglichkeit zum Rutschen, Klettern, Rollen und Laufen.“ (Städt. Kindertagesstätte der Stadt Oelde, zitiert in: Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 1998, S. 23)

So kann schon der Weg in den Wald zu einem Abenteuer werden.

Gleichzeitig ist er Bewegungsschulung und fördert die Ausdauer (vgl.

Hillebrand, 2000, S. 16; Saudhof/Stumpf, 1998, S. 6).

Bäume, Natursteinmauern und entwurzelte Baumstämme werden zum

Klettern und Balancieren genutzt. Dabei haben Kinder die Möglichkeit,

motorische Fähigkeiten zu erlangen und ihre Geschicklichkeit zu

erproben. Sie lernen, sich etwas zuzutrauen und ihre Grenzen neu zu

setzen und zu erfahren (vgl. Hillebrand, 2000, S. 16; Natur- und

Umweltschutzakademie NRW, 1998, S. 26). Die Entwicklung des

Selbstkonzeptes wird positiv gefördert (s. Punkt 5.2.2).

Sehen wir uns einmal genauer die Fähigkeiten an, die ein Kind braucht

und die gefördert werden, wenn es auf einen Baum klettert: Damit man die

Äste benutzen kann, müssen sie „begriffen“ werden. Ein Kind kann sich

erst hochziehen und festhalten, wenn es weiß, wohin es greifen muss. Die

Füße müssen die unterschiedlichen Aststärken erkennen, damit das Kind

76

getragen wird. Zudem muss es vorsichtig sein, denn ein Baum hat

herausstehende Haken, die Rinde ist rau, Harz klebt und Nadeln stechen

(vgl. Institut für Bildung und Entwicklung, 2000, S. 95).

Die Sinne sind also viel mehr angesprochen, es werden mehr Fähigkeiten

benötigt, als bei einem industriellen Klettergerüst. Bei diesem ist zwar das

Restrisiko geringer, da es keine morschen Äste geben kann, aber

interessanter und eindrücklicher ist mit Sicherheit das Klettern auf einem

lebenden Baum.

Das Gelände des Naturerlebnisgartens bietet Kindern die gerade

beschriebenen Möglichkeiten. Vor allem im wild bewachsenen Teil gibt es

ausreichend Kletterbäume und umgestürzte Baumstämme, die von den

Kindern mit großer Begeisterung zum Klettern und Balancieren genutzt

werden. Auch die Lehmhütte wird von den Kindern oft zum Klettern

benutzt, denn das Dach ist mit Weiden zugewachsen und bietet einen

idealen Rückzugsraum für zwei bis drei Kinder. Zudem gibt es einen

Spielhügel, der häufig zum Herunterrollen und –rennen und zum

Fangenspielen benutzt wird.

Auch das Grundthema Jagen und Sammeln kommt in der Natur nicht zu

kurz. Bei unseren Kindern ist erfahrungsgemäß eine der ersten Fragen:

„Können wir die Käscher, Siebe und Schalen haben?“ Am Teich können

sich die Kinder stundenlang und mit großer Ausdauer beschäftigen. Dabei

werden die Siebe mit Stöcken verlängert, um auch die Tiere aus dem

hinteren Teil des Teiches zu erreichen und erfindungsreich Gerätschaften

entwickelt, die ins Wasser gelegt werden, damit Tiere hineinschwimmen.

So leben die Kinder ihren Erfindungsgeist aus.

Auch das Sich messen mit anderen spielt hier eine, wenn auch

untergeordnete Rolle. Wer hat die meisten Tiere in seiner Schale? Sind es

eher ganz kleine und damit nicht so interessante Tiere, oder die

beliebteren Molche, Libellenlarven und Schnecken.

76

Ganz nebenbei lernen die Kinder hier ökologische Zusammenhänge und

Abhängigkeiten kennen. Dafür eignet sich der Teich laut des

Naturschutzzentrums NRW durch seinen begrenzten Lebensraum

besonders gut (vgl. Naturschutzzentrum NRW, 1990, S. 24). Denn haben

Kinder ein Tier in der Schale, dann zeigen sie einen unglaublichen

Wissensdurst: Welches Tier frisst was? Welche Tiere dürfen nicht

zusammen in eine Schale, weil das eine das andere frisst? Wie atmen die

Tiere? Warum kann der Wasserläufer übers Wasser laufen? Die Liste der

Fragen ließe sich beliebig fortsetzen.

Dabei werden auch die intellektuelle- und die Sprachentwicklung

gefördert. Die Kinder erweitern ihren Wortschatz und stellen oft selbst die

Zusammenhänge her – sie lernen ganz nebenbei.

Am Beispiel der Teichtiere lässt sich auch die Beseelung der Natur durch

jüngere Kinder erfahren. Ist man mit einer Kindergartengruppe am Teich,

hört man Sätze wie: „Der Wasserläufer freut sich.“ „Die Schnecken

bedanken sich bei uns, wenn sie rauskommen, weil wir sie ins Wasser

(Schale) getan haben.“ Tieren und auch Pflanzen werden menschliche

Eigenschaften zugesprochen. Damit haben Kinder, wie bereits in Punkt

3.3.2.1 erwähnt, einen besonderen Zugang zur Natur.

Besonders beliebt bei den Kindern ist es, auf Froschfang zu gehen. Neben

den verschiedenen Sinnen, die gefördert werden (darauf gehe ich in Punkt

5.6 ein), bedarf es auch einiger motorischer Fähigkeiten. So muss man

sich zuerst langsam anschleichen, darf keine hektischen Bewegungen

machen und muss den Frosch dann im richtigen Augenblick schnell und

gezielt mit dem Käscher ergreifen. Hier bestätigt sich die Meinung von

Lang (vgl. Lang, 1995, S.35), dass das Fangen im Vordergrund steht.

Denn ist der Frosch erst einmal in seinem Behälter, erlebe ich es häufig,

dass er schnell uninteressant wird. Erst seine Freilassung weckt noch

einmal das Interesse. Der Fänger jedoch ist der „Held des Tages“ und

sehr stolz auf seinen Fang.

76

Der zweite Aspekt von Jagen und Sammeln ist ebenfalls zu beobachten,

wenn auch nicht so ausgeprägt. Gesammelt werden beispielsweise mit

großer Begeisterung leere Schneckenhäuser, die die Kinder im Teich

finden.

Eine Teilnehmerin nimmt zu jeder Jahreszeit typische Pflanzen oder auch

Pflanzenteile mit nach Hause, um ihr Zimmer damit zu schmücken.

Gerade wenn man draußen ist, sind feste Rückzugs- und

Schutzeinrichtungen wichtig und scheinen oft unverzichtbar. Dahinter liegt

der Wunsch nach Schutz, Intimität und Selbstbestimmung.

Wenn man mit Kindern in die Natur geht, geht es „nur“ um die Errichtung

mehr oder weniger spontan entwickelter Konstruktionen, die die Kinder

zum Spiel nutzen können. Hierbei geht es vor allem um das Bauen und

Gestalten, das Rücksicht nimmt auf das Gelände, die naturräumlichen

Gegebenheiten und ökologische Aspekte der Materialwahl und –

verarbeitung. Zwei Beispiele für solche Konstruktionen sind „Höhlen“ aus

Ästen und Zweigen und kleine Bretterbuden. Kommen Kinder immer

wieder in ein bestimmtes Gelände zurück, bauen sie auch gerne und

engagiert an umfangreicheren, robusteren Hütten (vgl. Österreicher, 2002,

S. 20f).

Besonders beliebt sind bei unseren Kindern die Brombeerhecken-Höhlen.

Diese haben sie mit Heckenscheren in die Brombeerhecken im hinteren

Bereich des Gartens geschnitten. Besonders die Mädchen verbringen dort

sehr viel Zeit und richten die Höhlen mit Material, das sie in der Natur

finden häuslich ein. Die Jungen sind vor allem an der Entstehung der

Höhlen interessiert.

Außerdem gibt es zahlreiche Weidentippis und die Lehmhütte. Diese

befinden sich immer in einem Zustand der Unfertigkeit, werden von den

Kindern jedoch in kleinen Schritten immer mehr vollendet. Diese Hütten

76

werden meiner Erfahrung nach nicht so sehr zum Spielen, sondern eher

zum Bauen benutzt.

Das Grundthema Pflegen und Hüten lässt sich in der naturnahen Arbeit

meist nur über Pflanzen und Beete bearbeiten. Es gibt zwar einige

Kindergärten und auch Schulklassen, die Tiere halten oder regelmäßig

(Schul-)Bauernhöfe besuchen (vgl. auch Natur- und

Umweltschutzakademie NRW, 1998, S. 33/48/55), aber das ist meiner

Erfahrung nach doch eher die Ausnahme.

Auch im Naturerlebnisgarten gibt es keine größeren Tiere (z.B.

Kaninchen), die gepflegt werden müssen und die Pflege der Beete ist bei

den Kindern weniger beliebt. Nur sehr sporadisch beschäftigen sie sich

damit und ich habe auch noch nicht erlebt, dass ein Kind von alleine auf

die Idee gekommen wäre, sich mit der Pflege eines Beetes zu

beschäftigen (im Gegensatz zum Teich oder zum Lehmbau). Hier muss

immer ein Betreuer mitmachen und helfen.

Das liegt zum Teil vermutlich daran, dass Kinder Pflanzen nicht so sehr

als Objekte betrachten, mit denen sie sich persönlich beschäftigen

würden, sondern sie sind beruhigender Hintergrund, dessen Einzelteile

vor allem zum Spiel benutzt werden (vgl. Gebhard, 1994, S. 166). So zeigt

eine Studie von Jannson,

„[...] daß gerade Pflanzenteile deshalb als Spielobjekte sehr gut geeignet sind, weil sie veränderbar sind, weil sie „lose Teile“ (Blätter, Äste, Früchte) liefern und sich auf diese Weise den manipulativen Aktionen der Kinder anpassen.“ (Gebhard, 1994, S. 166)

Pflanzenmaterialien werden gegessen, gesammelt und als Werkzeug

gebraucht. Außerdem werden Bäume und Sträucher zum Klettern und

Budenbau genutzt (vgl. Gebhard, 1994, S. 166; Österreicher, 2002, S. 31).

Ich denke, dass dieser Aspekt in etlichen Beispielen von mir bestätigt wird.

Die Kinder setzen sich handelnd mit ihrer Umwelt auseinander, erlernen

Begriffe und Ursache- und Wirkungszusammenhänge (s. Punkt 5.2).

76

Im Naturerlebnisgarten können unsere Kinder auf Entdeckungsreise

gehen und sich ihr Umfeld aneignen. Selbst wenn das Gelände nicht

unbekannt ist, gibt es immer wieder etwas Neues zu entdecken. So lebte

einige Zeit eine Igelfamilie in einer Ecke des Gartens, im Herbst können

Äpfel gepflückt und gesammelt werden, die Vegetation verändert sich im

Laufe der Jahreszeiten und ist so immer wieder neu.

Besonders beliebt für Entdeckungstouren ist das nahe Gelände des

Sienbeckbaches. Der Bach und ein Teich liegen in relativ

unübersichtlichem Gelände mit hohem Gras und Büschen, durch die

teilweise nicht mal Trampelpfade führen. Dennoch ist das Gelände in sich

abgeschlossen, so dass unsere Kinder auch mal alleine in kleinen

Gruppen losziehen können. Sie versuchen immer wieder, den Bach so

weit wie möglich zu verfolgen, streifen durch das hohe Gras und kommen

auch schon mal mit einem Frosch oder anderen Fängen zurück. Aufgeregt

und glücklich erzählen sie dann von ihren kleinen Abenteuern und

Erlebnissen.

Nach kürzester Zeit fangen einige Kinder an, mit den ihnen zur Verfügung

stehenden Naturmaterialien einen Staudamm zu bauen. Beim Spielen und

Entdecken vergeht die Zeit erfahrungsgemäß viel zu schnell und meistens

gibt es Proteste, wenn wir ankündigen, es sei Zeit, sich auf den Rückweg

zu machen.

Gerne betätigen die Kinder sich auch handwerklich. Angebote von unserer

Seite, wie beispielsweise Lehmbau, der Bau eines Winterlagers für Igel

oder der Bau von Nisthilfen für Wildbienen werden meist begeistert, vor

allem von den Jungen, aufgenommen. Die Kinder haben hier die

Möglichkeit, ihre Fertigkeiten mit den verschiedenen Werkzeugen zu

erlernen und diese zu vertiefen (bei den Nisthilfen werden z.B. mit Hilfe

eines Bohrers Löcher in Baumstammscheiben gebohrt). Dabei entwickelt

76

sich, wie bereits in Punkt 5.4.2.5 erläutert, selbstbewusste

Handlungsfähigkeit und der Blick fürs Ganze.

Der Naturerlebnisgarten, stellvertretend für naturnahe Arbeit allgemein,

eignet sich nach den hier aufgeführten Beispielen ausgesprochen gut, um

Spiel und Bewegung zu fördern und Kinder in ihrer Abenteuerlust zu

unterstützen.

6.6 Sinneswahrnehmung

Kinder leben heutzutage in einer paradoxen Situation. Auf der einen Seite

werden ihre Sinne ständig überbelastet, z.B. durch blinkende, grelle

Werbetafeln und rasante Schnitte im Film, auf der anderen Seite werden

ihre Sinne zu schwach und zu einseitig gereizt und angeregt (vgl.

Loewenfeld, 2002, S. 12; Hirler, 1999, S. 18).

Vor allem durch die einseitige Überreizung des Sehsinns verlieren wir,

nicht nur Kinder, die Fähigkeit, genau hinzublicken, nicht nur auf rasche

Bewegungen und grelle Farben zu reagieren – wir stumpfen ab (vgl.

Hirler, 1999, S. 18; Schlehufer, 1995, S. 286).

Schon in Kapitel 2 wird deutlich, dass es mit sinnlichen Erfahrungen nicht

zum Besten steht. Anregungsarme Wohnumfelder, das Wegfallen von

Streifräumen und Sekundärerfahrungen durch Fernsehen und Computer

bestimmen das Leben vieler Kinder.

Mir geht es nun darum, herauszustellen, wie wichtig dennoch

ganzheitliche sinnliche Erfahrungen für Kinder sind, die in einer

Gesellschaft aufwachsen, die besonders auf den Sehsinn, vielleicht noch

auf das Gehör fixiert ist (vgl. auch Kalff, 2001, S. 146).

76

6.6.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung

Sich-Bewegen ist immer auch Sinneserfahrung. Kinder erschließen sich

die Welt der Begriffe über das Angreifen, sie lernen durch Wahrnehmung

und Bewegung. Dabei ist im sinnlichen Wahrnehmen ein Sich-Spüren und

ein Erspüren der Mit- und Umwelt gegeben (vgl. Zimmer, 1998, S. 17;

Schaffner, 2001, S. 16; Größing/Größing, 2002, S. 72).

Die Wahrnehmung, also die Aufnahme und Verarbeitung von Reizen aus

dem eigenen Körper und der Umwelt, erfolgt über die verschiedenen

Sinnesorgane. Die Systeme, die den Sinnesorganen entsprechen, lassen

sich unterteilen.

Zum einen gibt es die Nahsinne. Dazu zählen Tast- und Spürsinn,

Geruchssinn, Geschmackssinn, Gleichgewichtssinn und Tiefensensibilität

(Dies ist die Wahrnehmung aus Muskeln, Sehnen etc. Sie trägt wesentlich

zur Vorstellung vom Körper und dessen Bewegungsfähigkeit bei.). Die

Informationen der Nahsinne, vor allem die des Tast- und Spürsinnes und

des Gleichgewichts- und Bewegungssinnes sind von fundamentaler

Bedeutung für die Handlungsfähigkeit, die sich im Laufe der Entwicklung

immer mehr differenziert und für das Selbstvertrauen des Kindes.

Zum anderen gibt es die Fernsinne, denen Hörsinn und Sehsinn

zugeordnet sind. Sie erlauben dem Individuum eine größere Reichweite,

da es keinen direkten Kontakt zum Wahrnehmungsgegenstand

aufnehmen muss (vgl. Brand/Breitenbach/Maisel, 1988, S. 51ff).

Über die Sinnessysteme nimmt der Mensch Informationen über seine

Umwelt und aus seinem Körper auf, selektiert und koordiniert sie, ordnet

sie ein und verarbeitet sie. Sinnesreize werden dabei auch individuell

gedeutet. Das Individuum interpretiert sie entsprechend der bisher

gemachten Erfahrungen und Erwartungen. Sinnliches Wahrnehmen ist

also ein aktiver Vorgang. Der Mensch kann hierbei gestaltend auf seine

Umwelt einwirken (vgl. Zimmer, 1998, S. 17; Schaffner, 2001, S. 16;

Größing/Größing, 2002, S. 72).

76

„Unsere Sinne sind unsere Tore zur Welt, über sie können wir die Welt wahrnehmen, zu ihr in Beziehung treten. Sinneswahrnehmungen sind die Grundlage jeder Erfahrung und jeder Erkenntnis. Die Sinnesorgane ermöglichen uns, eine Beziehung zwischen Innenwelt und Außenwelt herzustellen.“ (Schlehufer, 1995, S. 285)

Die Sinnesorgane sind als Sensoren zu verstehen, die die Meldungen der

Außenwelt an das Zentrale Nervensystem (ZNS) weitergeben. Hier

werden sie, wie schon bei Zimmer beschrieben, abgewogen, sortiert,

gespeichert, bewertet und anschließend an die Muskulatur oder andere

Reaktionsformen weitergeleitet. Die Nachrichten werden im ZNS mit den

bereits vorhandenen Informationen verglichen und immer weiter

ausgebaut.

Je umfassender und ganzheitlicher die Sinne angesprochen werden,

desto individueller und intensiver kann sich das Gehirn, der wichtigste Teil

des ZNS beim Kind, entwickeln. Dabei muss beachtet werden, dass die

Zeit von der Geburt bis ca. zum 10. Lebensjahr als entscheidender

Lebensabschnitt für die kindliche Entwicklung angesehen werden muss

(vgl. Seeger/Seeger, 1997,S. 22).

Jean Ayres nennt den neurologischen Prozess, bei dem vom eigenen

Körper und von der Umwelt ausgehende Sinneseindrücke geordnet

werden, sensorische Integration. Sie ermöglicht dem Menschen, seinen

Körper innerhalb der Umwelt sinnvoll einzusetzen. Sensorische Integration

bedeutet Verarbeitung von Information. Dabei hat das Gehirn die Aufgabe,

die Information zu integrieren (vgl. Ayres, 1998, S. 322).

Die Grundannahme von Ayres ist, dass Bewegung als Träger der

Wahrnehmungsintegration und damit der Gesamtentwicklung des Kindes

zu sehen ist. Sie unterstreicht die besondere Verflochtenheit von

Bewegung und Wahrnehmung (vgl. Fischer, 2001, S. 141).

76

Es ist also vor allem in diesem Lebensabschnitt wichtig, die

Sinneswahrnehmung von Kindern zu fördern, d.h., Kindern (Frei)räume zu

bieten, in denen sie mit allen Sinnen wahrnehmen und sich entfalten

können.

6.6.2 Sinneswahrnehmung im Naturerlebnisgarten

Laut Anke Schlehufer bietet die Natur eine so unzählige Vielfalt an Reizen,

dass sie der beste Ort ist, um die Sinne zu schulen. Nimmt man sich in der

Natur genügend Zeit, so stößt man ganz von selbst auf immer neue

Möglichkeiten, seine Sinne spielerisch und meditativ zu verfeinern (vgl.

Schlehufer, 1995, S. 286).

Auch Karin Hobelsberger beschreibt die Natur als die beste Schule für die

Sinne (vgl. Hobelsberger, in: Institut für Bildung und Entwicklung, 2000, S.

126).

„Sie [die Kinder, T.Sp.] erleben ihren Körper durch den Kontakt mit den Elementen und somit die Stimulation der Sinne. Abseits vom Lärm unseres Alltags finden die Kinder die Schönheit und Intensität der Stille.“ (Hendker, 2001, S. 10)

Der Naturerlebnisgarten bietet Kindern ebenfalls eine Vielzahl an

Sinnesreizen. Ich kann also die Meinungen von Schlehufer, Hobelsberger

und Hendker bestätigen. Allein durch die Tatsache, dass wir bei jedem

Wetter draußen sind, wird die Haut stimuliert. Sonne kann warm sein oder

auch stechend. Regen erleben die Kinder in unterschiedlichsten Formen:

ein warmer leichter Sommerregen fühlt sich ganz anders an, als heftiger

kalter Regen im Herbst, der von Wind begleitet wird.

Hier ist im Übrigen ein Umdenken vieler Eltern erforderlich. Einige Kinder

kommen bei jedem Wetter, doch viele Eltern gehen davon aus, dass der

Kurs nur bei gutem Wetter stattfindet. So erhielt ich einmal von einem

Mädchen auf die Frage, warum sie beim letzten Mal nicht dagewesen sei,

die erstaunte Antwort: „Es war doch schlechtes Wetter.“

76

Dabei birgt gerade unterschiedliches Wetter unendliche Spiel- und

Erfahrungsmöglichkeiten. Hierzu zwei Beispiele: Ist das Gelände des

Naturerlebnisgartens vom Regen aufgeweicht, so ist schon das Sich-

Bewegen völlig anders, als wenn der Boden hart und staubtrocken ist. Die

Lehmgrube ist nach heftigem Regen viel mehr mit Wasser gefüllt, als in

längeren Schönwetterperioden und kann daher anders zum Spielen

benutzt werden.

Auch die Geräusche, das vielfältige Licht- und Schattenspiel, die

unterschiedlichen Farben und Formen reizen die Sinne der Kinder.

Beim Klettern auf Bäumen und beim Balancieren werden der Tast- und

der Gleichgewichtssinn angesprochen. Im Gegensatz zu Klettergerüsten

auf Spielplätzen hat die Rinde von Bäumen, wie schon in Punkt 5.5

beschrieben, ihren ganz eigenen Charakter.

Auch beim Lehmbau wird der Tast- und Spürsinn stimuliert. Lehm ist

matschig, bei kaltem Wetter wird auch der Lehm kalt, im Sommer ist er

vielleicht angenehm kühl.

Beim Lehmbau kommt noch eine andere Komponente hinzu: Sich richtig

dreckig machen dürfen. Hier erlebe ich die Kinder sehr unterschiedlich.

Viele Kinder machen sich gerne dreckig. So ging ein Junge im letzten

Kurs als erstes immer in die Lehmgrube und kam erst wieder mit einem

zufriedenen Grinsen heraus, wenn er richtig schlammbespritzt war. Zwei

andere Kinder waren irgendwie fasziniert vom Lehm, konnten diesen aber

offensichtlich nicht lange auf der Haut ertragen. Als sie sauberes Wasser

haben wollten und ich fragte, ob sie denn was anderes machen wollten,

antworteten sie: „Nein, aber wir müssen uns erst waschen.“ Ein anderes

Mädchen war überhaupt nicht zum Lehmbau zu überreden.

Hier werden auch die Einflüsse der Eltern deutlich, denn „sich dreckig

machen“ ist oft nicht erlaubt, die Kinder sind es nicht mehr gewohnt.

Häufig haben sie in ihrer Umgebung auch gar keine Möglichkeit, sich

76

dreckig zu machen. Wo findet man in zubetonierten Wohngegenden

schon Schlammlöcher oder Erdhügel.

Fasziniert sind die Kinder auch davon, den Boden zu untersuchen. Hier

wird ebenfalls der Tast- und Spürsinn gefördert, wenn in der Erde

gebuddelt wird.

Die gefundenen Tiere, sowohl die aus der Erde, als auch die aus dem

Teich, werden von den Kindern auf die Hand genommen. Dabei werden

ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Ein Regenwurm ist feucht

und kringelt sich auf der Hand, eine Blattwanze krabbelt, eine kleine

Spinne ist so leicht, dass ihre Bewegung nicht mehr als ein Kitzeln ist.

Zudem ist sie sehr schnell. Ein Molch wiederum ist nass und hat mehr

Gewicht als die anderen Tiere.

Gleichzeitig lernen die Kinder die Tiere kennen, erfahren, wie sie leben

und welche Funktion sie in der Natur haben. Dies wirkt sich, wie schon in

Punkt 5.5 beschrieben, positiv auf die intellektuelle- und die

Sprachentwicklung aus.

An dieser Stelle komme ich noch einmal auf das Thema Froschfang

zurück. Gehen die Kinder auf Froschfang, so sind sie mit ihren Sinnen

dabei. Zunächst lauschen sie konzentriert und angespannt. Hören sie

einen Frosch, so müssen sie die Richtung ausmachen, aus der das

Quaken kommt. Danach müssen sie den Frosch im hohen Gras, zwischen

den Pflanzen entdecken. Hierbei ist der Sehsinn gefragt, denn oft ist die

Farbe des Frosches kaum von den Farben des Hintergrundes zu

unterscheiden. Die Kinder lernen wieder, genau hinzuschauen, auf kleine

Dinge zu achten – eine Fähigkeit, die in unserer schnelllebigen Zeit oft

verlorengeht.

Der angelegte Weg der Sinne stimuliert die Organe durch die Fußsohlen.

Heutige Fußböden und oft auch Spielplätze und Schulhöfe sind stumpf

und hart. Die Füße können nicht mehr das Profil ergreifen, sie hinterlassen

76

keine Spuren und erfahren keine differenzierten Abdrücke vom Boden her.

Sinnes-Wege öffnen Kindern Lauf-, Spiel- und Gehwege, die ein vitales

Er-Gehen ermöglichen. Das Wohl-er-Gehen wird von Fuß aus gefördert

(vgl. Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 2001, S. 38).

Feuer übt auf Kinder von je her eine große Faszination aus. Durch die

Wärme, das flackernde Licht und die knisternden Geräusche werden

ebenfalls die Sinne angeregt. Man sollte Kindern das „Zündeln“ nicht

verbieten, sondern mit ihnen zusammen immer wieder Feuer machen, sie

auf die Gefahren hinweisen und das Experimentieren ermöglichen. Dazu

gehören laut Lang auch Backen und Kochen über dem offenen Feuer (vgl.

Lang, 1995, S. 52f).

All dies ermöglichen wir unseren Kindern im Naturerlebnisgarten. Der

Lehmbackofen und die offene Feuerstelle werden gerne und ausgiebig

genutzt. Während wir Marmelade, Tee oder Apfelmus kochen, bleibt den

Kindern genügend Zeit, in geschützter Atmosphäre mit dem Feuer zu

experimentieren.

Das Sammeln und Zubereiten von Nahrung in der Natur wird von Schiffer

als Festmahl für den Sinneshunger beschrieben (vgl. Schiffer, 1999, S.

106). Er nimmt als Beispiel das Kochen von Brombeermarmelade. In

seiner Beschreibung habe ich die Kinder des Naturerlebnisgartens

wiedergefunden. Im Duft eines sonnigen Spätsommertages Brombeeren

zu suchen, die Kratzer der Stacheln auf der Haut zu spüren und

zwischendurch von den Beeren zu naschen, das alles spricht die Kinder

ganzheitlich an. Anschließend der Duft beim Kochen, das Warten, bis die

Marmelade endlich fertig ist und der erste Probelöffel. Die Kinder sind

meistens sehr stolz auf das fertige Produkt, wollen nicht alles sofort essen,

sondern etwas mit nach Hause nehmen und zeigen die gefüllten Gläser

stolz ihren Eltern, wenn sie am Ende des Nachmittags abgeholt werden.

76

Die Kinder haben gleichzeitig wieder ein Stück mehr Selbstvertrauen

erlangt, denn sie haben selber etwas geschafft.

Bedenkt man nun, dass heutzutage eigentlich alle Lebensmittel einfach im

Supermarkt gekauft werden, so wird klar, dass Kinder dringend Erlebnisse

wie das eben Beschriebene brauchen. Und zwar sowohl für ihre

Entwicklung, als auch, um den Bezug zur Natur nicht völlig zu verlieren,

bzw. wiederzuerlangen.

An kälteren Tagen kochen wir häufiger Kräutertee mit selbstgepfückten

Kräutern aus dem Biogarten, der sich an das wildbewachsene Gelände

anschließt. Hier zeigt sich erneut der Wissensdurst von Kindern. Sie

wollen die Namen der Pflanzen kennenlernen, durch Riechen und

Schmecken versuchen sie herauszubekommen, ob es sich beispielsweise

um Zitronenmelisse, Kamille oder Pfefferminze handelt. Kinder freuen

sich, wenn sie Pflanzen wiedererkennen und erweitern ganz nebenbei ihr

Wissen über die heimische Pflanzenwelt.

Oft müssen wir auch gar keine Vorschläge machen, sondern die Kinder

kommen mit ihren Ideen zu uns. So haben sie im letzten Kurs an einem

Nachmittag Äpfel gesammelt und gepflückt und dann gefragt, ob wir

daraus nicht in der nächsten Stunde Apfelmus kochen könnten. Solche

Ideen werden von uns gerne aufgegriffen und die Kinder sind umso

begeisterter bei der Sache.

6.7 Fantasie und Kreativität

Auch Fantasie und Kreativität geraten in der heutigen Zeit immer mehr ins

Hintertreffen. Vor allem der Punkt 2.5.2 zeigt dies sehr deutlich. Die

Verdrängung der Wortkultur durch die Bilderkultur, Spielzeug, bei dem

Fernsehsendungen das Spiel bestimmen und monofunktionale Spielmittel

76

lassen kaum noch zu, dass Kinder ihre eigene Fantasie und Kreativität

entwickeln und ausleben.

Ein Beispiel aus der Kindheit meiner jüngeren Schwester verdeutlicht

diese Entwicklung: Meine Eltern lehnten Spielzeug mit Batterien

konsequent ab. Da viele Spielsachen jedoch nur mit Batteriebetrieb zu

kaufen waren, hatten wir dieses zwar, es kamen aber keine Batterien

hinein. Meine Schwester hatte in ihrer Puppenküche einen Mixer. Eines

Tages war ein Freund zu Besuch, nahm den Mixer, drückte auf den Knopf

und legte ihn mit den Worten: „Der ist ja kaputt“, zur Seite. Meine

Schwester nahm ihn, machte Motorgeräusche mit dem Mund und

erwiderte: „Wieso? Geht doch.“

Meines Erachtens wird hier klar, dass Fantasie und Kreativität auf der

Strecke bleiben, wenn Kinder hauptsächlich mit Spielzeug spielen, dessen

Funktionen eindeutig vorgegeben sind, keine andere Deutungsmöglichkeit

zulassen und auf Knopfdruck funktionieren. Der Junge in meinem Beispiel

konnte sich offensichtlich nicht vorstellen, dass der Mixer funktioniert und

ihn daher nicht in sein Spiel einbeziehen. Dabei war hier nur eine sehr

geringe Fantasietätigkeit nötig, denn der Mixer war ja schon vorhanden

und musste nicht erst, z.B. aus einem Stück Holz, erdacht werden.

Aber was ist so wichtig an Fantasie und Kreativität? Um die Beantwortung

dieser Frage geht es im folgenden Punkt.

6.7.1 Bedeutung für die kindliche Entwicklung

Neben der zu erobernden realen Welt gibt es für Kinder eine zweite, die

Fantasiewelt. In ihr sieht Thomas Lang ein weiteres Grundthema der

mittleren Kindheit. Kinder brauchen Fantasie, um ihre alltägliche

Lebenswirklichkeit gegenwartsbezogen bewältigen und tragfähige

76

Perspektiven für ihr zukünftiges Leben entwickeln zu können (vgl. Lang,

1995, S. 45; Grüneisl, 2000, S. 9).

Gerd Grüneisl bezeichnet die Fantasie als Produktivkraft des Menschen.

Durch sie kann der Mensch Dinge, Werkzeuge und Tätigkeitsformen

immer wieder weiterentwickeln und neu erfinden (vgl. Grüneisl, 2000, S.

8).

„Die besten Möglichkeiten für das Wachsen, Blühen und Gedeihen der Phantasie sind mit dem [freien, T.Sp.] kindlichen Spiel gegeben, in dem das Kind Welt erfährt und gestaltet. Spielen ist die sichtbare Seite der Phantasie.“ (Schiffer, 1999, S. 110)

Fantasie hat eine entwicklungsfördernde Rolle. Kinder verarbeiten im

kreativen Spiel ihre Erlebnisse, die so unbewusst auf ihre Bedeutung und

Wichtigkeit hin erfahren und aussortiert werden. Dabei hat das Spiel

heilende und regenerative Funktionen, wenn z.B. im Rollenspiel ein

Konflikt mit den Eltern verarbeitet wird (vgl. Lang, 1995, S. 46; Beier,

1997, S. 14; Kuhlen, 1993, S. 16).

Kinder flüchten nicht in Fantasiewelten. Sie benutzen ihre Fantasiekräfte

als Handlungsmotive und können jeder Zeit in die Wirklichkeit

zurückkehren. Der Stoff der kindlichen Spiele ist die Wirklichkeit, sowohl

inhaltlich, als auch materiell. Für eine positive Fantasieentwicklung ist es

daher entscheidend über diese verfügen zu können. Denn der Nährboden

der Fantasietätigkeit ist beschränkt auf die Erfahrungsmöglichkeiten im

Rahmen der eigenen Lebenswirklichkeiten (vgl. Grüneisl, 2000, S. 11).

Nicht zuletzt ist Sich-Bewegen Kreativitätserfahrung. Kinder setzen eigene

Ideen in Bewegung um. Dadurch, dass sie selbst etwas schaffen,

hervorbringen und verändern, erleben sie Kreativität. Mit Hilfe der eigenen

Fantasie können Probleme oder Bewegungsaufgaben gelöst werden.

Beim Tanzen entstehen z.B. eigene Ideen, die mit dem Körper umgesetzt

76

werden und zu neuen und einmaligen Bewegungen führen (vgl. Zimmer,

1998, S. 19).

Betrachtet man die Lebensumstände heutiger Kinder und die Rolle, die

Fantasie und Kreativität spielen, so wird deutlich, dass es Aufgabe der

Pädagogik sein muss, Kindern Räume zu schaffen, in denen wieder Platz

ist für kreatives Spiel und Fantasie.

6.7.2 Anregung von Fantasie und Kreativität

In Punkt 2.5.3 bin ich schon auf das Problem der Verunselbstständigung

von Kindern zu sprechen gekommen, die von einem Programm zum

nächsten „wandern“ und es mit der Zeit immer schwieriger finden, etwas

mit sich anzufangen, wenn ihnen keiner sagt, was sie tun sollen.

Der Kabarettist Richard Rogler spricht sarkastisch von „Freiheit

aushalten“. Freiheit meint hier, Situationen und Gelegenheiten zu

meistern, die nicht eindeutig, abgeschlossen und streng reglementiert

sind. Diese Fähigkeit muss, wie viele andere auch, erlernt werden,

verdient aber vermutlich, so Österreicher, einen besonders hohen

Stellenwert. Denn wer mit sich selbst etwas anfangen kann, eigenes

Interesse für seine Umgebung entwickelt und sich selbst strukturiert, wird

in hohem Maße imstande sein, andere Kompetenzen zu entwickeln (vgl.

Österreicher, 2002, S. 25).

Demzufolge ist es wichtig, Kindern diese Freiheit zu ermöglichen und sie

nicht ständig mit Programmpunkten und Angeboten „zu überschütten“.

Denn so können sie ihre Fantasie und Kreativität entfalten und entwickeln,

die sie brauchen, um mit sich selbst und ihrer Umgebung etwas anfangen

zu können.

76

Eine weitere Möglichkeit, Fantasie und Kreativität zu fördern, ist das

Bereitstellen von Materialien, die keine Verwendungsvorgabe haben.

Haben Kinder eine große Menge dieser Materialien zur Verfügung, so

ermöglicht und erfordert das einen offenen Handlungsprozess. Dieser

steht im Gegensatz zu vielen Werk- und Bastelmaterialien, die Kinder zur

Verfügung haben, deren Verwendung aber häufig festen Vorgaben

unterliegt. Die Kinder müssen sich selbst ein Ziel setzen und zunächst das

Mögliche und Machbare erkunden. In solchen Situationen schöpfen Kinder

weit mehr als sonst aus ihrer Fantasie und lernen, auf sich selbst zu

bauen. Hierbei werden emotionale, praktische und kognitive Fähigkeiten

gebraucht, um erfolgreich zu sein (vgl. Österreicher, 2002, S. 26ff).

6.7.3 Der Naturerlebnisgarten als Ort für Fantasie und Kreativität

Die Natur eignet sich sehr gut, um die in Punkt 5.7.2 beschriebenen

Möglichkeiten der Anregung von Fantasie und Kreativität zu verwirklichen.

Allein die Umrisse der natürlichen Umgebung, die oft vieldeutig, unscharf

und verschiedenartig sind, regen Fantasie und Kreativität an (vgl.

Loewenfeld, 2002, S. 12; Trommer, 2000, S. 16). Als Beispiele fallen mir

Wolken und Bäume ein, die in ihren Formen oft Figuren oder Gesichter

erkennen lassen.

Die Materialien, die Kinder in der Natur zum Spielen vorfinden sind

ebenfalls vielfältig und es gibt keine Vorgaben zum Verwendungszweck.

Fantasie, Eigentätigkeit und Kreativität können dadurch von den Kindern

ausgelebt werden (vgl. Natur- und Umweltschutzakademie NRW, 1998, S.

29; Gebhard, 1994, S. 82).

„[...], ohne vorgefertigtes Spielzeug, mit geheimnisvoll wirkenden Bäumen und ungewohnten Geräuschen wird die Fantasie und Kreativität der Kinder angeregt. Dinge aus der Natur werden in einen ihrer Gedankenwelt entsprechenden Sinnzusammenhang gestellt. [...] Die Kinder sind zu eigenem Handeln herausgefordert, was einer

76

passiven Konsumhandlung entgegenwirkt.“ (Saudhof/Stumpf, 1998, S. 7)

Auch der Naturerlebnisgarten bietet diese Möglichkeiten. Was die Kinder

zum Spielen brauchen, müssen sie sich in der Natur suchen, denn

industrielles Spielzeug gibt es nicht. Und im Gegensatz zu meinen

anderen Kursen, die in geschlossenen Räumen stattfinden und bei denen

häufig Dinge wie Stofftiere oder Pokemonfiguren mitgebracht werden,

habe ich es im Naturerlebnisgarten noch nie erlebt, dass ein Kind

Spielzeug von zu Hause mitgebracht hat. Ganz offensichtlich bietet die

Natur genug Anregungspotential und das übliche Spielzeug kann zu

Hause bleiben.

Viele Kinder, vor allem die, die schon seit Jahren kommen, haben keine

Probleme, den Nachmittag über etwas mit sich selbst anzufangen. Sie

sprühen vor Tatendrang und kommen auf immer neue Ideen. Da wird der

Graben, der von der Lehmgrube aufs dahinter liegende Gelände führt,

freigemacht und die Lehmgrube entwässert, Lehmbau betrieben, auf

Bäume geklettert und vieles mehr. Und das alles, ohne dass wir als

Pädagogen auch nur eine Anregung geben müssten.

Bei einigen Kindern bemerke ich jedoch ganz deutlich, dass sie Probleme

haben, eigene Ideen zu entwickeln und einfach frei zu spielen. Diese

Kinder müssen „an die Hand“ genommen werden. Wir müssen mit ihnen

gemeinsam spielen und bauen und können uns nur ganz allmählich

zurückziehen und die Kinder ihrem freien Spiel überlassen.

Abschließend zum Thema Fantasie und Kreativität noch einige konkrete

Beispiele:

• In einer Stunde fand ein Junge einen Stock, den er den ganzen

Nachmittag über als seinen Hund mit sich herumtrug. Als er schon im

Auto saß, musste er noch einmal zurück, um sich von seinem „Hund“

zu verabschieden. Verglichen mit Spielzeughunden, die sogar von

76

alleine bellen und mit dem Schwanz wedeln, muss sehr viel Fantasie

verwandt werden, um in einem Stock einen Hund zu sehen.

• In Punkt 5.5 bin ich schon auf das Einrichten der Brombeerhöhlen zu

sprechen gekommen. Da die Mädchen hier ausschließlich

Naturmaterialien verwenden, müssen sie ihre Fantasie gebrauchen.

Holzstücke werden zu Tellern und Blüten zu Lampen, die von der

Decke hängen.

• Eine Gruppe hat in einer Ecke des Gartens ein großes Mandala zum

Thema Herbst gelegt. Dabei wurden ausschließlich Naturmaterialien

verwandt (Äste, Blätter, Beeren, Tannenzweige, Steine, etc.). Laut

Schlehufer und Kreuzinger ermöglicht Kunst in der Natur einen

besonders tiefen Zugang zum Lebendigen, da die Personen in einen

intensiven persönlichen Dialog mit der Natur treten und die

Aufmerksamkeit für Farben, Formen und Strukturen besonders hoch ist

(vgl. Schlehufer/Kreuzinger, 1997, S. 118).

• Ein Mädchen schmierte beim Lehmbau eine Stelle des Weidentipis mit

Lehm zu und benutzte diese Stelle dann, um immer wieder Bilder in

den feuchten Lehm zu malen. War ein Bild fertig, wischte sie den Lehm

glatt, um mit einem neuen zu beginnen.

6.8 Soziales Lernen

6.8.1 Erlernen sozialer Grundfähigkeiten

Die sozialen Grundfähigkeiten des Menschen bilden sich im frühen

Kindesalter aus. Die Erprobungs- und Aktivierungsfelder für diese

Fähigkeiten sind dabei Bewegungshandlungen, denn Sich-Bewegen ist

immer auch Gemeinschafts- und Sozialerfahrung. Dabei nimmt das

Bewegungsspiel in seinen vielfältigen Ausprägungen eine

76

herausgehobene Stellung ein. Hier erleben und erfahren Kinder

unmittelbar, dass Kooperation nötig ist, dass Regeln vereinbart und

eingehalten werden müssen.

Zusätzlich werden Grundlagen der Kommunikation erworben, wenn Kinder

sich über Regeln einigen, einmal nachgeben müssen und sich ein anderes

Mal durchsetzen können. Sie müssen sich absprechen, Rücksicht nehmen

und sich einfühlen (vgl. Größing/Größing, 2002, S. 71; Zimmer, 1998, S.

17).

Bis ungefähr zum 10. Lebensjahr benötigen Kinder etwa genauso viel Zeit,

um sich mit der Organisation des Spiels auseinanderzusetzen, wie für das

Spiel selber. Sie diskutieren beispielsweise darüber, wer als nächstes mit

Fangen dran ist, welche Regeln gelten, ob jemand gemogelt hat und wer

ausscheiden oder weiter mitmachen darf10.

„Die teilweise sehr heftig geführten Auseinandersetzungen auf der „Regie-Ebene“ des Spiels sind für die soziale Entwicklung des Kindes von nicht zu unterschätzender Bedeutung, lernt es doch, gemeinsam mit anderen soziale Regeln auszubilden und auf deren Einhaltung zu achten.“(Fritz, 1993, S. 72)

Kinder erfahren im Spiel, dass es Grenzen gibt und sie ihre Fähigkeiten im

Rahmen dieser Grenzen entfalten müssen. In der Organisation des Spiels

lernen sie, dass ihre eigene Sicht und ihre eigenen Impulse nicht die

einzig möglichen und gültigen sind. Sie erfahren und verstehen die

Sichtweisen und Vorstellungen der Mitspieler und können sie in ihre

Spielvorschläge mit einbeziehen. Dabei ahmen sie unbewusst häufig die

Umgangsformen ihrer Mitmenschen (z.B. die von Eltern, Erzieherinnen

und anderen Kindern) nach und verinnerlichen sie (vgl. Fritz, 1993,S. 72f;

Zimmer, 2002, S. 32).

Renate Zimmer hat eine Liste von sozialen Grundqualifikationen

zusammengestellt, die in Bewegung und Spiel erworben werden können. 10 Dies kann ich aus meiner Arbeit mit Kindern bestätigen.

76

Diese sollen eine Richtung angeben, die im Hinblick auf eine soziale

Erziehung durch Spiel und Bewegung angestrebt wird. Es handelt sich

hierbei um umfassende Kompetenzen, die nur in kleinen Schritten und

langfristig erreicht werden können:

• Soziale Sensibilität: z.B. sich in die Lage eines anderen

hineinversetzen; die Bedürfnisse anderer erkennen und im eigenen

Verhalten berücksichtigen,

• Regelverständnis: z.B. vereinbarte Regeln verstehen und einhalten;

selber einfache Regeln aufstellen,

• Kontakt- und Kooperationsfähigkeit: z.B. im Spiel Beziehungen zu

anderen aufnehmen; gemeinsam Aufgaben lösen; sich verbal mit

anderen auseinandersetzen,

• Frustrationstoleranz: z.B. Bedürfnisse aufschieben; mit Misserfolgen

umgehen lernen; sich in eine Gruppe einordnen können,

• Toleranz und Rücksichtnahme: z.B. Bedürfnisse anderer tolerieren;

Schwächere ins Spiel integrieren; die Andersartigkeit anderer

respektieren (vgl. Zimmer, 2002, S. 32f).

Daher ist es wichtig, dass Kinder nicht nur Spiele nachspielen, sondern

selber Spiele erfinden und Regeln variieren. Gleichzeitig mit der Zunahme

der Fähigkeit zur Organisation des Spiels wächst das Verständnis für

andere. Die Bereitschaft, das Vergnügen der Spielpartner mit dem

eigenen Vergnügen zu verbinden, steigt (vgl. Fritz, 1993, S. 74).

In Punkt 2.5.3 bin ich auf die verplante Freizeit von Kindern eingegangen

und auf das Problem, dass Kinder häufig kaum noch Zeit haben, einen

Nachmittag zu „verspielen“. Es scheint aber ausgesprochen wichtig zu

sein, dass Kindern die Möglichkeit gegeben wird, ohne Anleitung von

außen gemeinsam zu spielen, um so soziale Fähigkeiten entwickeln zu

können.

6.8.2 Freundschaften, Gruppen und Banden

76

Etwa vom 7. bis zum 12. Lebensjahr bilden Kinder Gruppen und Banden,

deren Struktur oft davon gekennzeichnet ist, dass es sich um Kinder

gleichen Alters und gleichen Geschlechts handelt. Sie treffen sich nach

der Schule und verbringen in den Ferien häufig ihre gesamte Freizeit

zusammen. Neben diesem Gruppenleben oder im Wechsel zu ihm werden

auch Zweierfreundschaften eingegangen, die in ihrer Intensität und

Ausschließlichkeit oft noch das Bandenleben übertreffen. Häufig handelt

es sich hierbei um Begegnungen mit Freunden oder Freundinnen, die

einen das ganze Leben hindurch begleiten.

Bei diesem Punkt handelt es sich um das letzte der 8 Grundthemen der

mittleren Kindheit von Thomas Lang, das von mir noch nicht behandelt

wurde. Es steht im Zusammenhang mit der Aneignung sozialer

Fähigkeiten, denn in der Gruppe Gleichaltriger und den ersten wirklich

engen Freundschaftsbeziehungen werden Grundformen des

menschlichen Zusammenlebens erfahren, erprobt und erlernt. Toleranz

und die Fähigkeit zur friedlichen Koexistenz werden eingeübt (vgl. Lang,

1995, S. 42f).

6.8.3 Soziales Lernen im Naturerlebnisgarten

Meistens sind Naturerfahrungen mit sozialen Kontakten und

gemeinsamen Erlebnissen verbunden. Das Sozialverhalten in der Gruppe

wird durch gemeinsames Spielen, Bauen und durch das Bestehen von so

manchem Abenteuer gestärkt. Durch positive Naturerfahrungen wird die

Achtsamkeit und Wertschätzung für andere Lebewesen und auch für

andere Menschen gefördert. Kinder lernen, dass Menschen, Tiere und

Pflanzen miteinander leben und aufeinander angewiesen sind. Vor allem

Fähigkeiten wie Vertrauen oder Sich-Einlassen auf andere können

entwickelt und erprobt werden (vgl. Kreuzinger, in: Institut für Bildung und

Entwicklung, 2000, S. 31; Naturschutzzentrum NRW, 1990, S. 3).

76

Im Naturerlebnisgarten haben die Kinder ebenfalls verschiedenste

Möglichkeiten, ihre sozialen Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern.

Dadurch, dass die Gruppe zum einen aus Kindern besteht, die schon sehr

lange in den Naturerlebnisgarten kommen, zum anderen bei jedem Kurs

neue Teilnehmer dazukommen, haben die Kinder einen sehr

unterschiedlichen Erfahrungsschatz, was Naturerfahrungen angeht. Hier

erlebe ich es häufig, dass die erfahrenen Kinder den Neuen die

Spielmöglichkeiten zeigen, mit ihnen zusammen an den Teich gehen und

erklären, was man beachten muss, wenn man dort Tiere fangen will oder

sie in die Technik des Lehmbaus einweisen. So sind die neuen Kinder von

Anfang an in die Gruppe integriert.

Häufig müssen die Kinder auch Absprachen untereinander treffen. So z.B.

am beliebtesten Kletterbaum. Wenn viele Kinder gleichzeitig dort sind,

müssen sie zum einen festlegen, wer wann auf den Baum darf, zum

anderen müssen die Kinder, die gerade klettern, sich einigen, wer wohin

klettert, ohne, dass sie sich in die Quere kommen.

Auch am Teich kommt es manchmal zu kleineren Konflikten, da die

großen Käscher die beliebtesten sind, wir aber nur zwei davon haben. Die

Kinder müssen sich abwechseln. Hierbei werden die von Renate Zimmer

beschriebenen Grundqualifikationen gefördert (s. Punkt 5.8.1).

Des Öfteren organisieren die Kinder auf dem Spielhügel Fangspiele oder

Ähnliches. Die Auswirkungen auf das Sozialverhalten sind in Punkt 5.8.1

beschrieben. Auch beim Bau der Staudämme (s. Punkt 5.5) müssen die

Kinder Absprachen treffen und sich organisieren: Wo ist die beste Stelle

für einen Staudamm? Wer baut an welcher Stelle? Welches Material wird

verwandt? Meist werden die ganze Zeit über solche Fragen diskutiert und

unterschiedliche Vorstellungen in Einklang gebracht.

76

Im Umgang mit Tieren und Pflanzen lernen die Kinder rücksichtsvolles

Verhalten. Als Beispiel fällt mir hier ein Junge ein, der schon sehr lange in

den Naturerlebnisgarten kommt und vor allem am Anfang häufig durch

aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern auffiel. Dieser Junge

zeigt anderen Kindern, wie sie kleine Tiere auf die Hand nehmen können,

ohne diese zu verletzen und ermahnt sie, ja vorsichtig mit den Tieren

umzugehen.

Der Junge hat das Verhaltensmuster „Vorsicht und Rücksichtnahme“ in

Bezug auf Tiere erlernt, es ist also vorhanden und muss dann auf den

Umgang mit den Mitmenschen übertragen werden11.

7. Sozialpädagogik und naturnahe Arbeit

In dieser Arbeit ging es mir darum, die Möglichkeiten naturnaher Arbeit für

die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern herauszuarbeiten. Dabei ist zu

berücksichtigen, dass ich mich nur mit einem Aspekt naturnaher Arbeit

beschäftigt habe und mich daher auch nur auf diesen beziehen kann.

Bevor ich zu einem abschließenden Fazit komme, werde ich zunächst

kurz die Ergebnisse der vorangegangenen Kapitel zusammenfassen.

Es ist deutlich geworden, dass Kinder, die in städtischen Wohnumfeldern

aufwachsen, immer mehr in ihrem Spiel- und Bewegungsraum

eingeschränkt werden. In den Vordergrund treten dagegen

Sekundärerfahrungen, die besonders vor dem Fernseher und dem

Computer gemacht werden.

Für eine gesunde und ganzheitliche Entwicklung ist es jedoch

unerlässlich, dass Kinder Primärerfahrungen machen, also spielen und

11 Auf die Transferhilfen und –schwierigkeiten werde ich im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehen, da sie ausschließlich bei diesem einen Beispiel Thema sind.

76

sich bewegen. Daher ist es Aufgabe der Pädagogik, Kindern wieder (Frei-

)Räume zu schaffen, in denen sie die Möglichkeit dazu haben.

Die in Kapitel 2 beschriebenen Merkmale stellen Entwicklungstrends dar,

die nicht pauschal und einheitlich auf alle Kinder übertragen werden

können. Geht man jedoch davon aus, dass diese Trends sich in den

nächsten Jahren weiterentwickeln, so muss man auch davon ausgehen,

dass die Aufgabe der Pädagogik einen immer höheren Stellenwert

einnehmen wird.

In Kapitel 5 habe ich anhand des Beispiels des Naturerlebnisgartens

verdeutlicht, welche Möglichkeiten die Natur als Spiel- und

Bewegungsraum bietet. Dabei ist meines Erachtens klar geworden, dass

diese sehr vielfältig sind. Motorik, Sinneswahrnehmung, Fantasie und

Kreativität werden gefördert. Die Kinder erlernen soziale Fähigkeiten,

Sprache und Intellekt entwickeln sich weiter. Zudem erleben sie sich als

Teil der Natur, begreifen ökologische Zusammenhänge und können eine

positive Beziehung zur Natur aufbauen. Dabei erleben die Kinder

Lebensfreude und Kraft, die beim Sich-Bewegen, vor allem in der Natur,

entstehen.

Die besondere Beziehung, die Kinder zur Natur haben, ermöglicht ihnen

einen Zugang zu dieser, der Jugendlichen und Erwachsenen nicht möglich

ist.

Bezogen auf Sozialpädagogik bedeutet das meiner Meinung nach, dass

es sinnvoll und wichtig ist, naturnahe Arbeit vermehrt als Methode

einzusetzen.

Sinnvoll ist der Einsatz naturnaher Arbeit allein deshalb, weil die Natur

Möglichkeiten für die kindliche Entwicklung bietet, die sonst häufig mit viel

Materialaufwand und Planung, z.B. in Spielaktionen, ermöglicht und

verwirklicht werden müssen.

Wichtig ist der Kontakt mit der Natur für Kinder, weil sie sich so als Teil der

Natur erleben, eine individuelle Beziehung zu dieser aufbauen und sich

76

spielerisch mit sich selbst, ihrer personalen, räumlichen und materiellen

Umwelt auseinandersetzen können.

Aufgabe der Pädagogen ist meines Erachtens, den Kindern in der Natur

eine geschützte Atmosphäre zu bieten, in der sie ohne Angst, dafür aber

mit Spaß und Freude diese Erfahrungen machen können. Die Pädagogen

sollten die Kinder dabei begleiten, sich aber dennoch zurückhalten. Das

bedeutet, dass sie die Kinder spielen und ihre eigenen Lösungen finden

lassen müssen, dass sie mitspielen, ohne gleich korrigierend und

belehrend einzugreifen. So können sich bei den Kindern Selbstvertrauen,

Sicherheit und Selbstständigkeit entwickeln und schließlich zur Entfaltung

der Persönlichkeit führen.

Obwohl naturnahe Arbeit in der von mir benutzten Literatur fast

ausschließlich positiv beschrieben wurde, stellt sie meiner Ansicht nach

kein „Wundermittel“ für die kindliche Entwicklung dar. Dazu hängt diese

von zu vielen Faktoren (wie z.B. von der familiären Situation) ab.

Für mich ist naturnahe Arbeit jedoch eine ausgezeichnete Methode, um

die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und Kindern gleichzeitig die

Natur wieder näher zu bringen. Sie steht neben vielen anderen Methoden,

die in der Sozialen Arbeit angewandt werden.

Abschließend komme ich daher zu dem Ergebnis, dass naturnahe Arbeit

in der Sozialpädagogik verstärkt genutzt werden sollte, da sie Kindern

eine ganzheitliche Entwicklung und einen Zugang zur Natur und damit

auch zu sich selbst ermöglicht.

76

Anhang

Ziele und Inhalte naturnaher Arbeit

Literaturverzeichnis Ayres, A. J.: Bausteine der kindlichen Entwicklung, Die Bedeutung der Integration der Sinne für die Entwicklung des Kindes – 3., korrigierte Aufl. – Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 1998 Balster, K.: Kinder mit mangelnden Bewegungserfahrungen Teil 1, Praktische Hilfen für den Umgang mit Bewegungsmängeln und Verhaltensauffälligkeiten – 5. Aufl. – Duisburg: Basis Druck, 2000 Beier, G.: Ganzheitlichkeit im Kinderspiel, Kinderzeit, 48, 1/1997, S. 12-14

Naturnaher Spielbereich Sozialer Aspekt

z.B. Kommunikation, Interaktion mit

Partnern

Sensomotorik z.B.

visuelle, akustische und taktile Wahrnehmung

Motorik z.B.

Grob-, Feinmotorik Koordinationsfähigkeit

Begreifen ökologischer

Zusammenhänge, positive Beziehung zur

Natur

Fantasie und Kreativität

z.B. Naturmaterialien

als Spielzeug

Sprache und intellektuelle Entwicklung

z.B. Wortschatz, Lernfähigkeit

Platz für Ruhe und Geborgenheit,

für Abenteuer und Entdeckungsreisen

76

Brand, I.; Breitenbach, E., Maisel, V.: Intergrations-Störungen, Diagnose und Therapie im Erstunterricht – 4., überarbeitete Aufl. – Würzburg: Maria-Stern-Sch. D. Marienvereins mit Marienheim e.V., 1988 Fischer, K.: Einführung in die Psychomotorik, München, Basel: E. Reinhardt, 2001 Fritz, J.: Theorie und Pädagogik des Spiels, eine praxisorientierte Einführung – 2. korrigierte Aufl. – Weinheim, München: Juventa Verlag, 1993 Gebhard, U.: Kind und Natur, Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1994 Größing, S., Größing, N.: Kinder brauchen Bewegung, Ein Leitfaden für Eltern und Erzieher, Wiebelsheim: Limpert, 2002 Grüneisl, G.: Kunst und Krempel, Fantastische Ideen für kreatives Gestalten mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen – 3. Aufl. – Münster: Ökotopia Verlag, 2000 Hendker, A.: Ein Kiga im Wunderland, Kinderzeit, 52, 3/2001, S. 8-10 Hillebrand, B.: Auf in den Wald, Kinderzeit, 51, 2/2000, S. 15-17 Hirler, S.: Wahrnehmungsförderung durch Rhythmik und Musik, Freiburg im Breisgau: Verlag Herder, 1999 Holthaus, K.: Spiel und ästhetische Naturerfahrung, gruppe&spiel, 21, 2/1995, S. 38-41 Hurrelmann, K.: Lebensphase Jugend, Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung – 5. Aufl. – Weinheim und München: Juventa, 1997 Institut für Bildung und Entwicklung im Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V. (Hrsg.): Naturerfahrung im Kindergarten, München: Don Bosco Verlag, 2000 Jehle, U.: Bewegungsbaustelle, Kinderzeit, 49, 4/1998, S. 23/24 Jugendrecht – 23., überarbeitete Aufl., Stand: 1. August 1999 – München: Beck-Texte im dtv Kalff, M.: Handbuch zur Natur- und Umweltpädagogik, Theoretische Grundlegung und praktische Anleitung für ein tieferes Mitweltverständnis – 3. Aufl. - Tuningen: Günter Albert Ulmer Verlag, 2001 Knecht, G.: Spielen lernen bilden, gruppe und spiel, 28, 1/2002, S. 2-5 Kretschmer, U. Früh übt sich..., Kinderzeit, 49, 4/1998a, S 16-18 Kretschmer, U.: Die Bedeutung der Spielumwelt, 49, 2/1998b, S.11-13

76

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