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——————————————————————————————————————————— www.lageso.berlin.de Landesamt für Gesundheit und Soziales 2 S P E Z I A L „Spezial“ Sammlung der Fachberichte des Jahres 2011 aus den epidemiologischen Wochenberichten über die im Land Berlin erfassten Infektionskrankheiten 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 14,0 16,0 18,0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Jahr Inzidenz (n/100.000) Berlin Deutschland

Spezialsammlung 2011 der EpiInfo Wochenberichte …... Landesamt für Gesundheit und Soziales 2 S P E Z I A L „Spezial“ Sammlung der Fachberichte des Jahres 2011 aus den epidemiologischen

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Landesamt für Gesundheit und Soziales 2

S P E Z I A L

„Spezial“

Sammlung der Fachberichte des Jahres 2011

aus den epidemiologischen Wochenberichten

über die im Land Berlin gemªÇ IfSG erfassten Infektionskrankheiten

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S P E Z I A L

„Spezial“ - Die Fachberichte des Jahres 2011 aus den epidemiologischen Wochenberichten

über die im Land Berlin gemäß IfSG erfassten Infektionskrankheiten

Inhalt

Influenzasaison 2010/11

MRSA - Studie aus Kanada

EHEC-Infektionen - schwerwiegende Folgen für Kinder möglich

BfR: Dioxin und gesundheitliches Risiko

GBE kompakt: Grippeschutzimpfung in Deutschland

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit einem Fallbericht aus Berlin-Lichtenberg

Erste Mückenkarte für Deutschland

Ausbruch Shigella sonnei - Nil-Kreuzfahrt

Tularämie in Berlin - reiseassoziierte Erkrankungen nach Türkeiaufenthalten

Norovirus-Ausbruchsgeschehen im Land Berlin im Jahre 2010 / E.-coli-Enteritis

Höhere mikrobiologische Belastungen bei automatischen Armaturen

Zur Masern-Situation in den EU/EEA Ländern und in Deutschland

Qualität der natürlichen Gewässer in Berlin: Überwachung und Information

Erste Ergebnisse des Berliner Masern-Serosurveys

EHEC / HUS: Zum aktuellen Ausbruch

EHEC-HUS-Ausbruchsgeschehen: Aktuelle Entwicklungen zur Epidemiologie

Zum Meldegeschehen beim EHEC/HUS-Ausbruch

Salmonella bovismorbificans

Masern - und kein Ende

Campylobacter fetus

Salmonella indiana

Tropische Viruserkrankungen in Italien und Griechenland endemisch

Fledermaus-Tollwut / Daten zur ersten Analyse der Berliner HUS/EHEC-Meldedaten

Poliomyelitis - Europäische Region bleibt frei

Norovirus - Ausbruchsgeschehen im Land Berlin in 2010

Ausbruch des seltenen Venezolanischen hämorrhagischen Fieber (VHF)

Salmonella Newport

E.-coli-Enteritis

Frohe Weihnachten in der Ferne

Erste Erfahrungen und Auswertungen mit der neuen Melde- und Übermittlungspflicht nosokomialer Ausbruchsgeschehen nach IfSG § 11 im Land Berlin

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 1/2011 des Landes Berlin vom 14.1.2011 www.lageso.berlin.de

1. Spezial: Influenzasaison 2010/11 Hinweise zum aktuellen Influenzageschehen in Großbritannien (Berichte über erhöhte Influenza-assoziierte Morbidität und Mortalität) Anfang Januar 2011 erschien in Eurosurveillance ein Bericht des Centre for Infection der britischen Health Protection Agency (HPA), in dem eine Untersuchung der Häufung von schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen durch Influenza seit dem Beginn der Influen-zasaison 2010/11 dargestellt wurde. Der Anteil von Influenza A/H1N1/2009 unter den In-fluenzanachweisen lag in Großbritannien am Jahresende 2010 bei 82%, Influenza B Nach-weise bei 16%. 738 Patienten mussten wegen schwerem Krankheitsverlauf hospitalisiert werden und betraf alle Altersgruppen (586 Fälle im Alter von 16 - 64 Jahre). 39 Todesfälle wurden in Zusammenhang mit Influenza berichtet, davon 23 Fälle mit bekannten Risikofak-toren für einen schweren Verlauf. Die Todesfälle betrafen sowohl Influenza A / H1N1/2009 (n=36) als auch Influenza B (n=3). Die meisten Todesfälle waren ungeimpft und hatten kei-ne frühe Therapie mit einer antiviralen Medikation erhalten. Virologische Untersuchungen mit Gensequenzierungen erbrachten keine Hinweise dafür, dass bestimmte Mutationen von Infuenza A/H1N1/2009 gehäuft mit einem schweren Verlauf oder Todesfälle assoziiert wa-ren.

Quelle: Ellis J, Galiano M, Pebody R, et al.: Virological analysis of fatal influenza cases in the United Kingdom during the early wave of influenza in winter 2010/11. Euro Surveill. 2011;16(1):pii=19760. Link: http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=19760

Aktuelle Publikation aus den USA zu Immunitätslage nach durchgemachter Infektion mit Influenza A/H1N1/2009 Eine zu Beginn dieser Woche erschienene Veröffentlichung aus den USA berichtet von Antikörpern mit außerordentlich breiter Effektivität gegen Influenza A-Viren. Aus dem Blut von Patienten, die erst kürzlich die Infektion durchgemacht hatten, wurden antikörperspezifische Gene aus solchen Immunzellen isoliert, die spezifische Antikörper gegen das pandemische Influenza A/H1N1/2009-Virus bildeten. Eine Reihe der mit Hilfe dieser Gene produzierten Antikörper war dazu in der Lage, nicht nur Influenza A/H1N1/2009 zu neutralisieren, sondern darüber hinaus sämtliche saisonalen H1N1-Stämme der vergangenen 10 Jahre, sogar bestimmte H5N1-Stämme und die Viren der „Spanischen Grippe“ von 1918. Eine Erklärungsmöglich-keit ist, dass diese breite Antikörperbildung in bereits vorhandenen und geprägten Gedächt-niszellen des Immunsystems durch die neue Influenza A-Variante angeregt wurde. Die Er-gebnisse haben sowohl für die Beurteilung der bevölkerungsbezogenen Immunität im Falle von Influenza-Pandemien eine Bedeutung als auch für die Entwicklung zukünftiger wirksa-merer Impfstoffe.

Quelle: Wrammert J, Koutsonanos D, Li G-M, et al.: Broadly cross-reactive antibodies dominate the human B cell response against 2009 pandemic H1N1 influenza virus infection. Journal of Experimental Medicine, Online-Veröffentlichung am 10.1.2011; doi: 10.1084/jem.20101352

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 1/2011 des Landes Berlin vom 14.1.2011 www.lageso.berlin.de

Erste Ergebnisse des Pandemische Influenza Labor-Serosurvey in Berlin (PILS-Berlin) Die Daten des Berliner Pandemische Influenza Laborserosurvey (PILS-Berlin) wurden am LAGeSo inzwischen ausgewertet. Insgesamt wurden am Nationalen Referenzzentrum für Influenza (NRZ Influenza) am RKI über 950 Seren zu etwa gleichen Teilen aus den Bezir-ken Steglitz-Zehlendorf und Lichtenberg untersucht. Diese beiden Bezirke waren gewählt worden, weil Steglitz-Zehlendorf während der Influenza-Pandemie 2009/10 die höchste und Lichtenberg die niedrigste Inzidenz der gemeldeten Fälle von Influenza A/H1N1/2009 aller Berliner Bezirke aufwiesen. Die Zusammensetzung nach Altersgruppen der Stichproben aus Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf entsprach nicht völlig derjenigen in der jeweiligen Be-völkerung. Daher wurde für die Bestimmung der Gesamtprävalenzen eine Altersadjustie-rung vorgenommen. Die Prävalenz von spezifischen Antikörpern gegen Influenza A/H1N1/2009 lag in Steglitz-Zehlendorf bei fast 30% und in Lichtenberg bei über 21%. Die Ergebnisse sind in der Tabelle dargestellt.

Der Gesamtunterschied zwischen Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf ist statistisch signifi-kant, wird aber ausschließlich im Altersbereich 15 - 25 Jahre erzeugt. Auch die Unterschie-de zwischen den Altersgruppen innerhalb der Bezirke sind teilweise signifikant (in beiden Bezirken z.B. zwischen 10 - 15 Jahre und sowohl 20 - 25 als auch 26 - 30 Jahre).

Insgesamt finden sich eine überraschend hoher Anteil antikörperpositiver Personen, insbe-sondere bei den 10-20-Jährigen, sowie signifikante Unterschiede zwischen den Altersgrup-pen und außerdem ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden untersuchten Bezir-ken. Der Unterschied zwischen den Bezirken ist allerdings deutlich geringer als anhand der Meldedaten erwartet wurde.

Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die bekannten Unterschiede in den Mel-dezahlen der Bezirke ihre Ursache einerseits in Faktoren haben, die die Meldeschiene selbst beeinflussen (z.B. Patientenverhalten, Arztverhalten, ggf. auch Meldeverhalten), an-dererseits zumindest für Teilpopulationen tatsächlich Unterschiede bezüglich des Anstek-kungsrisikos bestanden haben (z.B. unterschiedliche Exposition, Hygieneverhalten und ggf. weitere Faktoren). Um hier weitere Klärung herbeizuführen, sind ergänzende und weiterfüh-rende Untersuchungen geplant.

Influenza-Saison 2010/11 in Berlin: Information zu aktuellen Entwicklungen Die Influenza-Saison 2010/11 hat „offiziell“ in der 40. Woche 2010 begonnen. Seit der 50. Woche wird auch in Berlin ein zunächst leichter Anstieg der Fallzahlen beobachtet, der sich in der 1. Woche 2011 beschleunigt hat (siehe auch unter „Allgemeine Lageeinschätzung“ in diesem Wochenbericht).

Die aktuelle Entwicklung der Fallzahlen in Berlin wird bis auf weiteres wöchentlich mittels fortgeschriebener Grafiken und einer aktualisierten Lagebeurteilung auch auf der Home-page der SenGesUmV und des LAGeSo eingestellt (Grafiken am Ende diese Wochenbe-richts).

Datenquelle: LAGeSo, Datenstand 14.1.2011 Foto: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Viren der pandemischen Influenza A/H1N1/2009, koloriert, G. Holland, N. Bannert, Robert Koch-Institut

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 2/2011 des Landes Berlin vom 21.1.2011 www.lageso.berlin.de

Abb.: Janice Haney Carr, CDC, Atlanta, USA

2. Spezial

2.1. MRSA - Studie aus Kanada: Einzelzimmer auf Intensivstation führen zu deutlichem Rückgang nosokomialer Infektionen

In einer kürzlich veröffentlichten epidemiologischen Studie aus Kanada wird der Vorteil von Einzelzimmern auf Intensivstationen bezüglich verschiedener nosokomialer Infektionen un-tersucht. In der Studie wurden die Raten nosokomialer Infektionen in der Intensivstation einer Univer-sitätsklinik vor und nach baulichen Maßnahmen verglichen. In 2002 war diese Station kom-plett mit Einzelzimmern ausgestattet worden. Verglichen wurden die Infektionsraten vor und nach dieser Veränderung. Als Kontrolle diente die Intensivstation einer in der Nähe gelege-nen anderen Universitätsklinik, die sowohl Mehrbett- als auch Einzelzimmer hatte. Die adjustierten Infektionsraten gingen für MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) insgesamt um 54% zurück; der Rückgang bei MRSA allein betrug 47%. Die Infektionsrate mit Clost-ridium difficile fiel um 43% und für Pilzinfektionen um 51%. Bei insgesamt sechs von zwölf untersuchten häufigen Erregern war der Rückgang statistisch signi-fikant. Die Infektionsrate durch Koagulase-neagtive Staphylokokken wurde da-gegen nicht beeinflusst.

Quelle: Teltsch DY, Hanley J; Loo V, Goldberg P, et al.: Infection Acquisition Following Intensive Care Unit Room Privatization. Arch Intern Med.2011; 171:32-38; doi:10.1001/archinternmed.2010.469. Link: http://archinte.ama-assn.org/cgi/content/short/171/1/32

2.2. Hinweis auf aktuelle Veröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin:

Gibt es Bedenken gegen den Besuch von lediglich kolonisierten MRSA-Trägern in Kindergemeinschaftseinrichtungen?

Quelle: Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2011 Link: http://www.rki.de/cln_169/nn_196658/DE/Content/Infekt/EpidBull/epid__bull__node.html?__nnn=true

2.3. MRSA-Fallmeldungen im Land Berlin in 2010

Nach der Einführung der Meldepflicht für MRSA (Nachweis in Liquor und/oder Blut) Mitte 2009 ist 2010 das erste Jahr mit ganzjähriger Erfassung. Im Land Berlin wurden 233 Fälle entsprechend der Referenzdefinition gemeldet. Fünf von diesen Fällen wurden noch unter der Rubrik „Weitere bedrohliche Erkrankungen“ übermittelt, die in den vom RKI veröffentlich-ten Daten nicht auftauchen. Damit ergibt sich für Berlin entsprechend der RKI-Daten eine Inzidenz von 6,6 Fällen pro 100.000 Einwohner, die allerdings wegen des geschilderten Sachverhalts noch etwas höher liegen dürfte (6,8 Fälle pro 100.000 Einwohner). Im bun-desweiten Vergleich hatte Berlin damit die höchste Inzidenz aller Bundesländer (Tabelle 1 und Karte). In Berlin wies Spandau die höchste Inzidenz auf und Lichtenberg die niedrigste (10,3 bzw. 4,3 Fälle pro 100.000 Einwohner; Tabelle 2). Am meisten betroffen waren Patienten Im Alter von 70 Jahren und darüber (141 Fälle, 60%). 64 Fälle (27%) waren im Altersbereich 25 – 69 Jahre und die restlichen 18 Fälle (13%) darunter. 16 Patienten sind an den Folgen der MRSA-Infektion verstorben (7%).

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 2/2011 des Landes Berlin vom 21.1.2011 www.lageso.berlin.de

Die ab 11.10.2010 im Land Berlin eingeführten zusätzlichen anonymen Angaben im Freitextfeld wurden erfreulicherweise sehr gut umgesetzt. Für 55 von 62 Fällen seit der 41. Woche (fast 90%) wurden die entsprechenden Standardangaben übermittelt. Bei diesen 55 Fällen ergab die Auswertung folgendes Bild: Bei 26 Patienten wurde bei der Aufnahme im Krankenhaus ein MRSA-Sreening durchgeführt (47%). Bei diesen wurde in 18 Fällen (69%) MRSA nachgewiesen. Als Infektionserwerb wurde in 27 Fällen nosokomial entspre-chend der Definition von KISS-MRSA angeben (43,5%), in 24 Fällen handelte es sich um eine mitgebrachte Infektion (38,7%) und in 11 Fällen (17,7%) blieb diese Frage ungeklärt.

Aufgrund dieser ersten Auswertung der zusätzlich erhobenen Freitextfeldangaben für ein Quartal (4. Quartal 2010) kann das Ergebnis als sehr positiv bewertet werden. Die Neue-rungen wurden zum einen in allen Gesundheitsämtern sehr gut angenommen. Außerdem ist der epidemiologische Informationsgewinn durch relativ geringen zusätzlichen Aufwand be-trächtlich. Problematisch ist aus Sicht des LAGeSo lediglich, dass die Freitextfeldangaben in manchen Fällen nicht exakt nach dem vorgesehenen Schema eingefügt werden. Hier weisen wir noch einmal auf die Anfang 2011 an die Berliner Gesundheitsämter verteilten „Ergänzungen zu den Falldefinitionen des RKI“ und die zugehörige Ausführungsanleitung („Textpassagen im Modul Infektionsschutz“) hin und möchten darum bitten, diese konse-quent umzusetzen, da dies die Auswertungen am LAGeSo beträchtlich erleichtert.

Karte: Übermittelte MRSA-Fälle pro 100.000 Einwohner nach Bundesländern, Deutschland, 2010 (Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI, Datenstand: 19.1.2011)

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 2/2011 des Landes Berlin vom 21.1.2011 www.lageso.berlin.de

Bundesland Inzidenz (n/100.000)

Berlin 6,64

Sachsen-Anhalt 6,51

Mecklenburg-Vorpommern 5,53

Nordrhein-Westfalen 4,90 Niedersachsen 4,83

Thüringen 4,72

Sachsen 4,70

Brandenburg 4,68

Hessen 4,52

Schleswig-Holstein 4,16

Bremen 3,32

Rheinland-Pfalz 3,10 Bayern 2,50

Baden-Württemberg 2,25

Hamburg 0,00

Saarland 0,00

Tabelle 1: Inzidenzen der nach dem IfSG übermittelten MRSA-Fälle in 2010 nach Bundesländern (zugrunde liegen die vom RKI veröffentlichten Daten; Stand: 19.1.2011)

Bezirk Anzahl Inzidenz Mitte 31 9,41

Friedrichshain-Kreuzberg 24 8,87

Pankow 19 5,18

Charlottenburg-Wilmersdorf 17 5,34

Spandau 23 10,28

Steglitz-Zehlendorf 24 8,22

Tempelhof-Schöneberg 16 4,80

Neukölln 22 7,10

Treptow-Köpenick 14 5,85

Marzahn-Hellersdorf 14 5,64

Lichtenberg 11 4,25

Reinickendorf 18 7,46

Berlin gesamt 233 6,79

Tabelle 2: Inzidenzen übermittelten MRSA-Fälle in 2010 im Land Berlin nach Bezirken (zugrunde liegen die erweiterten Daten des LAGeSo; Stand: 19.1.2011)

Datenquellen/Karte:

LAGeSo Robert Koch-Institut: SurvStat

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 3/2011 des Landes Berlin vom 28.1.2011 www.lageso.berlin.de

3. Spezial

EHEC-Infektionen - schwerwiegende Folgen für Kinder möglich Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) sind eine besondere Art von E. coli-Bakterien, die Zellgifte (Shigatoxine bzw. Verotoxine) produzieren und zu schweren Erkrankungen führen können. Gefährdet sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder, ältere und abwehrgeschwächte Menschen. Als Folge einer EHEC-Infektion droht Ihnen das hämoly-tisch-urämische Syndrom (HUS), eine Erkrankung, die sich in Blutgerinnungsstörungen, einer Zerstörung der roten Blutkörperchen bis hin zum akuten Nierenversagen äußern kann. Erwachsene können sich hingegen mit EHEC infizieren, ohne dass Symptome auftreten.

EHEC kommen natürlicherweise im Verdauungstrakt von Wiederkäuern vor, zum Beispiel bei Rindern, Schafen und Ziegen, ohne dass diese selbst erkranken. Die Tiere scheiden die Bakterien mit dem Kot aus. Da EHEC relativ unempfindlich sind, können sie in der Umwelt, im Boden und im Wasser wochenlang über-leben. EHEC aus landwirtschaftlichen Nutztieren gelangen häufig bereits beim Melken oder Schlachten in die Milch bzw. auf das Fleisch. Über verunreinigtes Wasser und durch Düngen mit Gülle oder Mist können auch pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse mit EHEC belastet sein. Darüber hinaus kann der Keim aber auch durch Fehler in der Nahrungsmittelzubereitung und unzureichende Küchenhygiene in andere verzehrfertige Lebensmittel gelangen.

Weitere Risikofaktoren sind der Kontakt mit EHEC beim Baden in natürlichen Gewässern, die durch Tierkot verschmutzt sind. Für kleine Kinder spielen außerdem durch Fäkalien verschmutzte Planschbecken oder Buddelsand eine Rolle als Infektionsquelle.

Wie die meisten Lebensmittelinfektionserreger lassen sich auch EHEC-Bakterien durch Erhitzen abtöten. Tiefgefrieren garantiert hingegen nicht, dass ein Lebensmittel vollständig frei von EHEC wird. Um EHEC-Infektionen zu vermeiden, empfiehlt das BfR den Verbrauchern:

Fleisch und Hackfleisch von Wiederkäuern vor dem Verzehr ausreichend erhitzen (mindestens 70°C für zwei Minuten im Inneren des Fleisches)

Rohmilch vor dem Verzehr abkochen Hände gründlich mit Wasser und Seife waschen und sorgfältig abtrocknen

(mindestens vor der Zubereitung von Speisen, nach Kontakt mit Tieren oder rohem Fleisch und vor dem Essen)

Rohes Fleisch getrennt von anderen Lebensmitteln lagern und zubereiten, auch verschiedene Bretter, Teller, Messer und Zangen benutzen

Flächen und Gegenstände nach Kontakt mit rohem Fleisch, dessen Verpackungen oder Tauwasser sofort gründlich reinigen und abtrocknen

Lappen und Handtücher nach der Zubereitung von rohem Fleisch möglichst auswechseln und bei mindestens 60°C waschen

Menschen, die zu einer der Risikogruppen gehören, sollten darüber hinaus wissen, dass EHEC-Bakterien aufgrund der fehlenden Wärmebehandlung auch in streichfähigen Roh-

Mikroskopaufnahme von zwei E. coli-Bakterien © Dr. Jochen Reetz, BfR

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 3/2011 des Landes Berlin vom 28.1.2011 www.lageso.berlin.de

würsten, zum Beispiel Zwiebelmettwurst, Teewurst, Braunschweiger, und in Rohmilchkäse vorkommen können. Diese Lebensmittel sollten sie vorsichtshalber meiden. Verpackter Käse aus Rohmilch muss mit dem Wortlaut „mit Rohmilch hergestellt“ gekennzeichnet werden. Es ist außerdem ratsam, rohes Gemüse und Obst vor dem Konsum zu schälen oder wenigstens gründlich zu waschen.

Das BfR hat aktuell das neue Merkblatt „Schutz vor EHEC-Infektionen“ herausgegeben, was sich insbesondere an Verbraucher richtet. Es ist kostenlos erhältlich und kann schriftlich im BfR angefordert werden per Mail ([email protected] oder Fax 030-18412-4970. Es steht auch im Internet zum Herunterladen zur Verfügung unter: http://www.bfr.bund.de/cd/53817 In der Tabelle werden die kumulierten Fallzahlen für die weit überwiegend betroffenen Altersgruppen in Berlin und Deutschland dargestellt (bis 9 Jahre). Die jährlichen Inzidenzen in diesem Altersbereich liegen in Berlin deutlich niedriger als deutschlandweit. Ab dem Alter von 10 Jahren liegt die jährliche Inzidenz unter 1,0 pro 100.000 Einwohnern, ohne beim Vergleich von Berlin und Deutschland wesentliche Unter-schiede aufzuweisen. Berlin Deutschland Altersgruppen Fallzahlen Inzidenz Fallzahlen Inzidenz < 1 Jahr 20 6,66 877 12,601 Jahre 30 10,20 1.836 25,922 Jahre 13 4,54 1.129 15,783 Jahre 7 2,50 574 7,874 Jahre 4 1,44 434 5,815 – 9 Jahre 16 1,20 911 2,35

Tabelle: Kumulierte EHEC-Fallzahlen der Jahre 2001 bis 2010 in Berlin im Vergleich zu Deutschland und die durchschnittliche jährliche Inzidenz aus dem 10-Jahreszeitraum 2001 bis 2010 (Daten aus RKI-SurvStat; Stand: 26.01.2011) Beim labordiagnostischen Nachweis von EHEC-Fällen muss entsprechend der Falldefinition mindestens eine der folgenden Befundkonstellationen erfüllt sein:

Positiver Befund mit mindestens einer der beiden folgenden Kombinationen:

[Toxinnachweis:] - Erregeranzucht und –isolierung nur aus Stuhl UND Nachweis des Shigatoxins (Stx1 bzw. Stx2; syn. Verocytotoxin, VT) mittels ELISA in der

E.-coli-Kultur - Erregeranzucht in Mischkultur, Stuhlanreicherungskultur oder Isolierung von E. coli UND Nukleinsäure-Nachweis (z.B. PCR) des Shigatoxin-Gens (stx1, stx2) aus dieser Probe

Zusatzinformationen - Das Ergebnis der Serovarbestimmung sollte übermittelt werden. - Der alleinige Nachweis des Shigatoxins mittels ELISA in der Stuhlanreicherungskultur gilt

nicht als labordiagnostischer Nachweis.

Quellen: BfR, RKI SurvStat

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 4/2011 des Landes Berlin vom 4.2.2011 www.lageso.berlin.de

4. Spezial

BfR: Dioxin und gesundheitliches Risiko

Die Verunreinigung von Futtermitteln mit Dioxinen hat die Verbraucherinnen und Verbrau-cher erheblich verunsichert. Inzwischen wurden von Behörden der Bundesländer sowie von Mitgliedern von Fachverbänden des Agrarsektors zahlreiche Proben von Eiern, Fleisch, Milchprodukten und Futtermitteln auf ihre Gehalte an Dioxinen untersucht. Ergebnis: Nur in wenigen Fällen liegen die gemessenen Gehalte bei Eiern, Fleisch von Legehennen und Schweinefleisch über den gesetzlichen Höchstgehalten. Bei Milchprodukten und Geflügel-fleisch wurden keine Überschreitungen festgestellt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat das gesundheitliche Risiko für Verbrau-cherinnen und Verbraucher auf Basis dieser Daten abgeschätzt. „Selbst wenn in den letzten Monaten Eier oder Schweinefleisch mit Gehalten im Bereich der höchsten gemessenen Werte über einen längeren Zeitraum verzehrt wurden, ist eine Gefährdung der Gesundheit nicht zu erwarten“, sagte BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel auf einer Presse-konferenz zum Thema Dioxin in Lebensmitteln anlässlich der Grünen Woche in Berlin.

Das BfR legte bei seiner ersten Abschätzung Szenarien zugrunde, in denen Verbraucherin-nen und Verbraucher über einen längeren Zeitraum täglich 2 Eier (á 60 Gramm) verzehrt hätten. Zugleich wurde angenommen, dass diese Lebensmittel bei jeder Mahlzeit die höchsten gemessenen Gehalte von 12 Pikogramm je Gramm Fett aufwiesen. Nach diesem Worst-Case-Szenario würde die Körperlast (Body-Burden) eines jungen Erwachsenen im Verlauf eines Monats kaum merklich von 10,0 Pikogramm je Gramm Körperfett auf 10,336 Pikogramm je Gramm Körperfett ansteigen.

Unter Körperlast oder Body-Burden versteht man die Menge an Dioxinen, die ein Mensch bei der täglichen Aufnahme von Dioxinen aufgrund der Hintergrundbelastung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens angesammelt hat und langfristig in seinem Körper trägt.

Selbst im theoretischen Fall, dass jemand ein Jahr lang Lebensmittel mit den höchsten ge-messenen Dioxingehalten verzehrt hätte, stiege dessen Körperlast nur mäßig an. Am Ende des Jahres wäre sie nach dem Verzehr von insgesamt 730 Eiern mit dem höchsten gemes-senen Dioxingehalt um 4 Pikogramm auf insgesamt 14 Pikogramm je Gramm Körperfett gestiegen.

Vor 20 Jahren hatten junge Erwachsene noch eine Körperlast von 30 Pikogramm Dioxine je Gramm Körperfett. Selbst bei diesen im Vergleich zu heute hohen Werten konnten bisher keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachgewiesen werden. Das BfR kommt daher zu dem Schluss, dass selbst bei Menschen, die in jüngster Zeit in größerem Umfang Eier und Eiprodukte oder Schweinefleisch mit einer Dioxinbelastung über dem jeweiligen Höchstgehalt verzehrt haben, eine gesundheitliche Beeinträchtigung auch langfristig nicht zu erwarten ist.

Legt man die derzeit in Verdachtsproben nachgewiesenen mittleren Dioxin-Gehalte in Le-bensmitteln zugrunde, wird die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI: Menge eines Stoffes, die über die gesamte Lebenszeit pro Tag aufgenommen werden kann, ohne dass spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher festzustellen sind.) allein durch die Aufnahme von Dioxinen (WHO-PCDD/F-TEQ) aus Eiern zu ca. 4 % ausgeschöpft. Da-bei wird von einem mittleren Verzehr auf Basis der Daten der Nationalen Verzehrsstudie II ausgegangen. Bei Schweinefleisch liegt dann eine Ausschöpfung des TDI von ca. 1 % vor. Für Vielverzehrer von Eiern und Schweinefleisch ergäbe sich eine Ausschöpfung des TDI von etwa 10% durch Eier und 2 % durch Schweinefleisch.

Bei Stoffen wie den Dioxinen ist nicht die täglich zugeführte Dosis, sondern die im Körper befindliche Menge, also die Körperlast, entscheidend für Auswirkungen auf die Gesundheit. Dioxine reichern sich im Körper an, und jeder Mensch nimmt aufgrund der bestehenden Hintergrundbelastung täglich Spuren von Dioxinen über verschiedene Lebensmittel auf.

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 4/2011 des Landes Berlin vom 4.2.2011 www.lageso.berlin.de

Es ist folglich dafür zu sorgen, dass auch im Alter eine gesundheitlich kritische Körperlast nicht erreicht wird. Die Aufnahme von Dioxinen über die Nahrung muss deshalb so weit wie möglich minimiert werden. Aus diesem Grund sind Überschreitungen der gesetzlichen Höchstgehalte in Lebens- und Futtermitteln nach Ansicht des BfR nicht hinnehmbar.

Höchstwerte für die Summe aus Dioxinen und Furanen (Daten aus: Anhang, Abschnitt 5 der EU-Verordnung (EG) Nr. 1881/2006) Was sind Dioxine? Die Stoffgruppe der Dioxine umfasst chemisch ähnliche Substanzen, die Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF). Allen diesen Substanzen gemeinsam ist eine charak-teristische Struktur mit Kohlenstoffringen und daran gebundenen Chloratomen. Insgesamt besteht die Gruppe der Dioxine aus rund 200 Verbindungen, die unterschiedlich zusam-mengesetzt und daher auch unterschiedlich toxisch sind.

Welche Auswirkungen haben Dioxine auf die Gesundheit? Dioxine sind sehr langlebige Verbindungen. Sie reichern sich im Fettgewebe an und werden so gut wie nicht abgebaut. Als chronische Wirkungen von Dioxinen wurden bei Tierversu-chen Störungen der Reproduktionsfunktionen, des Immunsystems, des Nervensystems und des Hormonhaushalts beobachtet. Als empfindlichste Zielorgane gegenüber den Dioxin-Expositionen wurden dabei die Leber und die Schilddrüse identifiziert. Bei einigen Dioxinen geht man davon aus, dass sie das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöhen können.

Akute Vergiftungen durch hohe Dioxin-Dosen sind beim Menschen nur nach Industrieunfäl-len, der Aufnahme hoher Konzentrationen am Arbeitsplatz und nach absichtlichen Vergif-tungen beschrieben. Am häufigsten treten dabei als Folge lang anhaltende entzündliche Hautveränderungen auf, die als „Chlorakne“ bezeichnet werden. Veränderungen der kli-nisch-chemischen Parameter (vor allem ein Anstieg der Konzentrationen an Triglyceriden, Cholesterin und Transaminasen im Blut) weisen auch auf Leberschädigungen bzw. auf Ver-änderungen im Fettstoffwechsel hin.

Quelle: BfR

© Bundesinstitut für Risikobewertung

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5. Spezial

GBE kompakt: Grippeschutzimpfung in Deutschland – Ergebnisse der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) 2009

Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland kein zentrales Impfregister. Zur Bestimmung der Impfquoten standen bisher vor allem telefonische Befragungen, Krankenkassendaten oder Haushaltsbefragungen (z. B. Mikro-zensus 2003) zur Verfügung (Blank et al. 2009; Blank et al. 2008; Wiese-Posselt 2006; Reuss et al. 2010; Rehmet et al. 2002; Statistisches Bundesamt 2004). Die Daten zeigen, dass die Grippe-Impfquoten nach einem leichten Anstieg am Anfang des Jahrtausends seit 2005/06 stagnieren; in den Zielgruppen sind sogar leicht abnehmende Impfquoten in Deutschland zu beobachten (Blank et al. 2009).

Um den Erfolg von jährlichen Impfkampagnen (BZgA 2011) zu messen und diese gegebe-nenfalls zu optimieren, ist eine systematische Erhebung von Impfquoten notwendig. Durch den telefonischen Gesundheitssurvey „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) der Abteilung Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung am RKI (www.rki.de/geda) besteht die Möglichkeit, kontinuierlich Impfquoten in der Allgemeinbevölkerung und den Zielgruppen zu erheben. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die erwachsene, deutsch-sprachige Wohnbevölkerung. Ein besonderer Vorteil der GEDA-Studie gegenüber anderen Telefonbefragungen zur Grippeimpfung (z. B. Blank et al. 2009; Blank et al. 2008; Wiese-Posselt 2006) besteht in der hohen Stichprobengröße von rund 21.000 Befragten. Diese ermöglicht eine detaillierte Auswertung der Grippeimpfdaten nach Zielgruppen sowie die Analyse der Zusammenhänge von Grippeimpfungen mit soziodemografischen und sozio-ökonomischen Faktoren. Zudem ist die GEDA-Studie im Kontext mit den vorherigen reprä-sentativen Gesundheitsbefragungen des RKI (GSTel03 - GSTel07; RKI 2008) zu sehen, die durch Zeitreihen die Entwicklung der Grippeimpfquoten abbildet.

Die nachfolgend dargestellten Analysen zur Grippeimpfung basieren auf Daten der GEDA-Studie 2009 (RKI 2010). Die Teilnehmenden wurden im Zeitraum Juli 2008 bis März 2009 nach dem Erhalt einer Grippeschutzimpfung in der vergangenen Wintersaison 2007/08 gefragt. Somit beziehen sich die nachfolgend präsentierten Daten zu den Impfquoten auf die Grippesaison 2007/08.

Die Daten der GEDA-Studie 2009 zeigen, dass sich in der Grippesaison 2007/08 ca. jeder dritte Erwachsene (31 %) gegen die saisonale Grippe impfen ließ. Insgesamt waren Frauen in der Saison 2007/08 tendenziell etwas häufiger geimpft als Männer (32 % vs. 30 %). Ein Vergleich der Impfquoten von sieben verschiedenen Altersgruppen zeigt, dass die Durch-impfung mit zunehmendem Alter ansteigt. Besonders deutlich steigen die Impfquoten bei Personen ab einem Alter von 60 Jahren an, also bei Personen für die die Impfung offiziell von der STIKO empfohlen wird. So erhielt etwas mehr als jede zweite Person ab 60 Jahre (57 %) und knapp zwei Drittel der Personen ab 70 Jahre (65 %) in der Saison 2007/08 eine Grippeschutzimpfung.

Auch fast zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland bestehen bei der Akzeptanz der Grippeschutzimpfung in der Bevölkerung noch deutliche Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern (RKI 2009). Die Impfquote in der Allgemeinbevölkerung lag in der Saison 2007/08 bei durchschnittlich 43 %. Die Daten zeigen, dass es sowohl bei den ab 60-Jährigen als auch bei den unter 60-Jährigen eine Ost-West-Differenz gab. So waren die jüngeren Personen in den neuen Bundesländern doppelt so häufig geimpft wie Gleichaltrige in den alten Bundesländern (OR=2,0, 95 %-KI=1,8-2,2), bei den ab 60-Jährigen betrug das Verhältnis 2,3:1 (OR=2,3, 95 %-KI=2,0-2,7). Mit der höheren Impfquote der Frauen und Männer in den neuen Bundesländern scheint sich eine größere Impfakzeptanz in der erwachsenen Bevölkerung in diesen Regionen widerzuspiegeln (RKI 2009).

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Unter den für die Saison 2007/08 interviewten Personen befanden sich auch 768 Personen, die im medizinischen Bereich tätig waren. Zu dieser Personengruppe zählen beispielsweise Ärztinnen und Ärzte (inklusive Zahnmedizin), Arzthelferinnen und -helfer, Krankenpflegerin-nen und -pfleger oder auch Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Der Anteil von medizi-nischem Personal lag in der Gesamtstichprobe der GEDA-Studie bei 4,7 %. Dies entspricht in etwa dem Anteil des medizinischen Personals an der erwachsenen deutschen Bevölke-rung (Statistisches Bundesamt 2010). Die Impfquote des medizinischen Personals lag bei 22 %. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu der Gruppe der älteren Personen sowie der chronisch Kranken bei medizinischem Personal die Männer häufiger geimpft waren als die Frauen. Ärztinnen und Ärzte waren mit einer Impfquote von rund 29 % häufiger geimpft als pflegendes medizinisches Personal, das eine Impfquote von rund 22 % aufwies. Insgesamt hatte medizinisches Personal nicht nur die mit Abstand geringste Impfquote unter den drei untersuchten Zielgruppen, es war auch signifikant weniger häufig geimpft als die Allgemein-bevölkerung.

In einer Studie, die die Grippeimpfquoten der fünf bevölkerungsstärksten EU-Staaten verglich, wurde für Deutschland eine Impfquote von 17 % für medizinisches Personal in der Saison 2007/08 gefunden (Blank et al. 2009). Die Impfquoten in dieser Zielgruppe sollten unbedingt erhöht werden, da Personen, die im medizinischen Bereich arbeiten, durch den Kontakt zu Grippeerkrankten stärker gefährdet sind, sich selbst mit dem Virus anzustecken. Des Weiteren kann medizinisches Personal als Ansteckungsquelle für die von ihnen betreu-ten und möglicherweise besonders gefährdeten, ungeimpften Patientengruppen fungieren. Medizinisches Personal nimmt darüber hinaus eine Schlüsselposition ein, wenn es darum geht, an die jährliche Grippeimpfung zu erinnern, den Nutzen und die Risiken der Impfung zu erklären und damit eine Entscheidungshilfe für Patientinnen und Patienten zu geben.

Wie in anderen Studien zuvor (z. B. Wiese-Posselt et al. 2006; Rehmet et al. 2002), wurden auch in der GEDA-Studie 2009 signifikant höhere Grippeimpfquoten bei Personen, die in den neuen Bundesländern leben, beobachtet. Die Ost-West-Unterschiede zeigen sich sowohl bei den ab 60-Jährigen als auch bei den jüngeren Personen. Die deutlich höhere Akzeptanz der Grippeimpfung in den neuen Bundesländern lässt sich möglicherweise als »Nachwirkung« der staatlich organisierten Impfprävention in der DDR verstehen. Die Grippeimpfung wurde in der DDR für Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung oder mit Gefährdung durch Exposition sowie für die arbeitende Bevölkerung empfohlen. Hierbei wurde die vollständige Impfung dieser Personengruppen angestrebt (RKI 2009; Dittmann, Thilo 1986).

Um eine Steigerung der Grippeimpfquoten in Deutschland zu erreichen, ist es notwendig, zielgruppenorientierte Impfkampagnen zu implementieren oder bestehende Kampagnen weiter auszubauen. Grundlage solcher Kampagnen ist die kontinuierliche und verlässliche Information der Bevölkerung über die Grippe und Schutzimpfungen. Ein besonders Erfolg versprechender Ansatz zur Steigerung der Impfquoten ist es, medizinisches Personal als zentrale Multiplikatoren für das Thema Grippeschutzimpfung zu sensibilisieren (Wortberg et al. 2009). Beispielsweise könnten bestehende Aufklärungskampagnen für medizinisches Personal (z. B. im Rahmen der Impfkampagne „Wir kommen der Grippe zuvor“, BZgA 2011) weiter ausgebaut werden. Untersuchungen zeigen, dass der ärztliche Rat, sich gegen Grippe impfen zu lassen, die stärkste Motivation für eine erhaltene Impfung ist (Wiese-Posselt et al. 2006).

Quelle: Böhmer M, Walter D (2011) Grippeschutzimpfung in Deutschland: Ergebnisse des telefonischen Gesundheitssurveys GEDA 2009. Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin GBE kompakt 2(1) www.rki.de/gbe-kompakt (Stand: 03.02.2011)

Foto: ©Andreas Morlok/pixelio.de

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6. Spezial

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit einem Fallbericht aus Berlin-Lichtenberg (Zwischenstand)

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) gehört zum Formenkreis der spongiformen Enzephalopathien des zentralen Nervensystems. Sie ist eine tödlich verlaufende Erkran-kung und kann sporadisch auftreten, aber auch familiär oder iatrogen verursacht sein. Die sporadische CJK ist in Deutschland und weltweit am häufigsten: Etwa 85 % aller Fälle von Prione-nerkrankungen weltweit sind der sporadischen Form zuzuordnen. Die weltweite Inzidenz der sporadischen CJK liegt zwischen 0,1 und 0,15 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die sporadische CJK tritt in der Regel im höheren Lebensalter auf und ist progredient, das durchschnittliche Alter zum Zeitpunkt der Erkrankung liegt bei 65 Jahren, die mittlere Überlebenszeit beträgt etwa 6 Monate.

Verschiedene Autoren haben vorausgegangene chirurgische Eingriffe als Risikofaktoren für die CJK beschrieben, jedoch scheint die Auswahl der Kontrollgruppe hierbei einen entschei-denden Einfluss darauf zu haben, ob die genannte Exposition (chirurgische Anamnese) mit CJK positiv assoziiert ist oder sogar protektiv wirkt.

Der Fall einer 72-jährigen Frau aus Berlin-Lichtenberg (Erstveröffentlichung im Epi-Info-Wochenbericht des LAGeSo, Nr. 2/2011) kann zwar ursächlich nicht auf einen chirurgi-schen Eingriff zurückgeführt werden, jedoch kam es in der Inkubationszeit zu einer umfang-reichen Zahnbehandlung (Zahnwurzelbehandlung) und Prothetik sowie zu einer CT-Unter-suchung des Ohres. In diesem Zeitraum, Ende Oktober bis Anfang Dezember 2010, traten bei der Patientin fremdanamnestisch Beschwerden auf, die jedoch zunächst keine Rück-schlüsse auf eine evtl. vorliegende Prioneninfektion zuließen. Im weiteren Verlauf kam es bei der Frau zu verschiedenen Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie), unwillkürli-chen Muskelzuckungen (Myoklonie) und fortschreitender Demenz. Das EEG-Muster zeigte periodische Sharp wave-Komplexe, die u.a. auch bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf-treten. Die „steilen Wellen“ (Englisch "Sharp waves") bezeichnen, wie ihr Name sagt, steil ansteigende bzw. abfallende EEG-Linien. Steile Wellen sind epilepsietypische Potentiale.

Die stationäre Aufnahme zur Diagnose erfolgte am 27.12.2010 (hospitalisiert bis 3.1.2011). Eine stationäre Wiederaufnahme wurde nach dem Befundeingang aus dem NRZ Göttingen am 7.1. 2011 durchgeführt. Im Liquor wurde proteaseresistentes Prionprotein (14-3-3-Protein) nachgewiesen. Am 14.1.2011 wurde die Patientin in die häusliche Pflege entlas-sen, wo sie nach äußerst progredientem Krankheitsverlauf am 19.1.2011 verstarb. Der Tod wurde in häuslicher Umgebung von einem Notfallarzt festgestellt, der jedoch nicht an das Gesundheitsamt meldete. Die Information des Gesundheitsamtes Lichtenberg über den Tod erfolgte erst durch die Familie der Verstorbenen. Das Gesundheitsamt hatte daraufhin das NRZ in Göttingen und die behandelnde Klinik informiert. Die „offizielle“ Todesfallmeldung entsprechend IfSG kam dann vom NRZ aus Göttingen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit hier bereits der Notarzt nach §6 IfSG den Tod an einer Prionenerkrankung hätte melden müssen.

Am 28.01.2011 erfolgte nach Ermittlungen des Gesundheitsamtes die persönliche Informa-

Abb.: Kristallstruktur von Prionprotein PrPc (links) und die krank-machende Variante PrPsc (rechts). Die Unterschiede zwischen

den beiden Proteinen kommen durch eine einfache Umlagerung der Aminosäurekette zu Stande.

Quelle: http://icanhaz.com/Creative_Commons

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tion des Zahnarztes, da die Wurzelbehandlung während des seinerzeit unbekannten Infekti-onsstatus der Frau möglicherweise das Risiko einer Prionen-Kontamination der genutzten Instrumente zur Folge hatte. Eine schriftliche Zusammenstellung der einzelnen Instrumente sowie der Aufbereitungsmaßnahmen wurde vom behandelnden Zahnarzt angefordert.

Kreuzkontaminationen mit anderen Instrumenten bestanden nach Auskunft des Arztes nicht. Die Instrumente für die Wurzelbehandlung wurden identifiziert (sog. Wurzelbebehand-lungsset). Es wurde festgestellt, dass keine Einmalfeilen verwendet wurden. Feilen bieten durch ihre Oberflächenstruktur keine Sicherheit zur vollständigen Beseitigung infektiösen Materials. Das Set wurde bis zur endgültigen Klärung zunächst aus dem Verkehr gezogen.

Unter der Prämisse der Verwendung eines nicht fixierenden Bohrerbades besteht bei Luft-trocknung und anschließender Sterilisation bei 134°C - 5 min nur noch ein sehr geringes Risiko. Dennoch wurde seitens des RKI empfohlen, die Endobox mit den Instrumenten der Wurzelbehandlung nicht mehr an Patienten einzusetzen, sondern sicher zu vernichten. Laut Zahnärztekammer befinden sich die Gesamtkosten der Instrumente auf einem relativ niedrigen Niveau.

Aus zahnärztlich-hygienischer Sicht sollten grundsätzlich nur Einmalfeilen verwendet werden. Die Aufbereitung von geeigneten Instrumenten erfolgt optimal mit hochalkalischen Lösungen, Ultraschallbad und Sterilisation bei thermostabilen Instrumenten gemäß Anhang 8,9 der RKI-Empfehlung für Zahnmedizin. Kritisch-B-Instrumente können direkt in nicht fixierendes Desinfektionsmittelbad abgeworfen werden, wenn eine anschließende Sterilisa-tion erfolgt.

Gemäß RKI-Empfehlung besteht ein mittleres Risiko bei Kontakt zu peripheren Nerven, die Belastung ist wesentlich niedriger als z.B. bei Gehirngewebe. Der Nachweis des Übertra-gungsrisikos von Prionen erfolgte bisher allerdings ausschließlich im Tierexperiment. Der Kontakt zur Zahnpulpa als Sonderfall ist somit nur mit einem niedrigen Risiko behaftet.

Aufgrund der Ermittlungen des Gesundheitsamts im beschriebenen Einzelfall kann nach Abschätzung und Gesamtbeurteilung der Risiken auf eine Look-back-Untersuchung der nachfolgend behandelten Patienten verzichtet werden.

Mit Unterstützung der der Zahnärztekammer sollten folgende Fragen geklärt werden:

Einsatz von Kritisch B-Instrumenten in der Zahlheilkunde Empfehlung zur Anwendung von Einmalinstrumenten (z.B. Feilen) Erfordernis der alkalischen Reinigung und Sterilisation bei 134° C – 5 min bei Mehrwegprodukten Liste von Instrumenten mit möglichem Kontakt zu CJK-Risikogewebe

Ein Arbeitstreffen mit Vertretern des Gesundheitsamtes Lichtenberg, LAGeSo, RKI, Zahn-ärztekammer Berlin, Bundeszahnärztekammer und Charité fand am 11.2.2011 statt. Hier wurde der vorliegende Fall eingehend erläutert. Die anwesenden Experten konnten das Gesundheitsamt mit wichtigen Hinweisen zum weiteren Vorgehen im Fall unterstützen. Einigkeit bestand, dass das genutzte Instrumentenset vernichtet werden sollte, um zukünfti-ge Übertragungsrisiken auszuschließen.

Die vorstehenden Ausführungen zum Fall stellen einen Zwischenstand dar.

Die gesetzliche Grundlage der Erfassung von CJK-Fällen ist die Übermittlung von Erkran-kungsfällen gemäß der in § 6 Absatz 1 des IfSG geregelten Meldepflicht. Danach müssen Ärzte den Erkrankungsverdacht, die Erkrankung und den Tod an humaner spongiformer Enzephalopathie an das zuständige Gesundheitsamt melden. Meldepflichtig sind entweder die sporadische CJK (ohne epidemiologische Bestätigung) oder die iatrogene CJK (mit epi-demiologischer Bestätigung). Die vom RKI erarbeitete Falldefinition regelt die Übermittlung von CJK-Fällen vom Gesundheitsamt an die zuständigen Landesbehörden und das RKI.

Im Jahr 2006 wurde das Nationale Referenzzentrum für die Surveillance transmissibler spongiformer Enzephalopathien mit zwei Standorten in Göttingen und München berufen. Diese Surveillance basiert auf der freiwilligen Mitarbeit der Kliniken.

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Mit Stand 15.2.2011 hat das RKI einen Infobrief (Nr. 29) zum Thema CJK und vCJK veröffentlicht. In diesem Zusammenhang wurde der Erhebungsbogen für die Gesundheits-ämter aktualisiert und ein neuer Neurophatologischer Erhebungsbogen für Leiter von entsprechenden Einrichtungen veröffentlicht.

Die vorgenanten Dokumente sind allen Berliner Gesundheitsämtern per Mail bzw. UMINFO zur Verfügung gestellt worden.

Quellen: Epid. Bull. 48/2008, RKI

GA Lichtenberg, Febr. 2011 SurvStat@RKI,

Datenstand 17.2.2011

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2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

CJK-Fälle Land BERLIN 2001 - 2010(Quelle: SurvSt at @RKI, Dat enst and 17.2.2011)

Abb.: Fallzahlen der CJK-Infektionen im Land Berlin von 2001 bis 2010 im Datenbestand des Robert-Koch-Instituts

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7. Spezial

Erste Mückenkarte für Deutschland

Neues Großprojekt zur Abklärung von Infektionsgefahren in der Mückenlandschaft

Stechmücken verbreiten eine Vielzahl an Krankheitserregern wie das West-Nil- oder das Dengue-Virus. Klimawandel und Globalisierung bewirken, dass Mücken Regionen erobern, in denen sie bisher nicht vorkamen, oder dass heimische Mücken vermehrt exotische Krank-heitserreger übertragen können.

Gibt es West-Nil-Fieber, Dengue-Fieber und Co. bald regelmäßig auch in Mitteleuropa? Um solche Risiken einschätzen zu können, erstellen Wissenschaftler des Senckenberg Deutsches Entomologisches Instituts (SDEI) in Müncheberg und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg gemeinsam eine Mückenkarte für Deutsch-land: Zunächst gilt es für die Taxonomen (Artenkunde) zu bestimmen, welche Mückenarten sich mittlerweile in Deutschland heimisch fühlen. Im nächsten Schritt untersuchen Entomo-logen und Virologen genau diese Mücken in speziellen Hochsicherheitslabors, um festzu-stellen, welche Virenfracht sie übertragen können.

Mücken gehören zu unserem natürlichen Umfeld. Sie erscheinen zwar dem Menschen oft als Schlaf raubender, surrender, lästiger Blutsauger, doch für andere Lebewesen, zum Beispiel Vögel, sind sie nahrhafte Häppchen. Bald tanzen, krabbeln, pieksen sie wieder; in wenigen Wochen beginnt die Mücken-Saison. Und auf die Mücken wartet bereits ein Team von Wissenschaftlern: „Wir brauchen verlässliche Daten, die es ermöglichen, einen Aus-bruch neuer Seuchen rechtzeitig zu erkennen und um vorbeugen zu können“, sagt Prof. Egbert Tannich, Tropenmediziner und Leiter der Abteilung Molekulare Parasitologie am BNI. Dies ist das Ziel des interdisziplinären Forschungsprojektes „Vorkommen und Vektor-kompetenz von Stechmücken“, das von der Leibniz Gemeinschaft mit 762.000 Euro geför-dert wird. „Innerhalb weniger Jahre wollen wir einen Überblick über die Artenverteilung der Mücken haben und wissen, was an Viren in ihnen steckt“, erläutert Prof. Sven Klimpel, Leiter des SDEI und des Projektbereichs Medizinische Biodiversität und Parasitologie des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) in Frankfurt.

Beide Wissenschaftler unterstreichen, dass die Kooperation ihrer Forschungsinstitute und damit zweier sehr unterschiedlicher Fachbereiche – der klassischen Taxonomie und der Molekularbiologie sowie der Virologie – ganz besonders wertvoll ist:„Unsere Kompetenzen ergänzen sich hervorragend, das ist besonders schön, weil wir so die Chance haben, lang-fristig eine feste Einheit auf dem Gebiet der medizinischen Entomologie zu etablieren“, sagt Klimpel und Tannich ergänzt, dass eigens für dieses Forschungsprojekt am BNI eine Ar-beitsgruppe für Molekulare Entomologie eingerichtet werde. Zudem bringe die virologische Abteilung des BNI als Kollaborationszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lang-jährige Erfahrung in der Virendiagnostik mit ein. Das BNI besitzt Laboratorien der höchsten Sicherheitsstufe, in denen auch gefährliche, neu importierte Viren untersucht werden kön-nen. Das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut in Müncheberg verfügt über eine weltweit einmalige Insektensammlung insbesondere auch im Hinblick auf die zu untersu-chenden Mücken.

Fächerübergreifende Forschung für ein verlässliches Frühwarnsystem Dass Taxonomen, Tropenmediziner, Infektionsbiologen, Molekularbiologen und Virologen gemeinsam Mücken untersuchen, hat Gründe: Etwa 45 Mückenarten gibt es in Deutschland – doch über diese Tiere existiert bisher nur lückenhaftes Wissen. In allen Bundesländern fangen Kooperationspartner zum Beispiel von wissenschaftlichen Einrichtungen und der Bundeswehr Mücken für das Forschungsprojekt. Sie ermitteln auch Wetterdaten, die das

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Klima am Fangort charakterisieren, und liefern ihr Material zur Auswertung an die Spezialis-ten. In Alkohol konserviert oder auf Nadeln präpariert, wird ein Teil der Tiere in einer taxo-nomischen Referenzsammlung dokumentiert.

Herzstück des Forschungsprojektes wird eine Datenbank sein, in die das Datenmaterial aller gesammelten Mücken eingeht. Jedes der Insekten wird quasi zu einem Punkt auf einer Deutschlandkarte: „Wir erhalten eine Verbreitungskarte, die uns zeigt, welche Mückenarten wo und in welchen Anzahlen vorkommen“, erläutert Klimpel. Parallel zur Bestimmung und Dokumentation der verschiedenen Arten bestimmen die Virologen, welche Viren in diesen Mücken zu finden sind. Infektionsversuche sollen zudem zeigen, ob die heimischen Mü-ckenarten bestimmte Viren aufnehmen und weitergeben können. „Solche Arbeiten erfordern erhöhte Sicherheitsbedingungen in speziell dafür ausgestatteten Laboratorien wie dem Hochsicherheitsinsektarium, das das BNI zur Verfügung stellt“, erklärt Tannich.

Überträger von West-Nil-Viren ab sofort unter Beobachtung Verschiedene Viren nutzen Mücken entweder als Wirt oder als Transportmittel, einen soge-nannten Vektor, um von einem Wirtsorganismus zu einem anderen zu gelangen. Die Mikro-organismen werden dabei von der Mücke mit einer Blutmahlzeit aufgenommen und beim nächsten Stich über den Speichel weitergegeben. Wenn eine Mücke zu einer Art gehört, die sowohl Vögel als auch Säu-getiere sticht, kann diese Mücke Viren von einem Vogel beispielsweise auf einen Menschen übertragen. So auch der Erre-ger des West-Nil-Fiebers, ein sogenanntes Arbovirus, der in Vögeln vorkommt, aber auch Menschen krank machen kann. Die Infektion verursacht in schweren Fällen Hirnhautentzündungen, die gerade bei äl-teren Menschen bedrohlich und sogar töd-lich verlaufen können.

Seit das ursprünglich aus Afrika und dem Mittelmeerraum stammende Virus 1999 erstmals in den USA festgestellt wurde und sich binnen weniger Jahre über fast ganz Nordamerika ausgebreitet hat, wird es intensiv erforscht. Aus Mitteleuropa sind bisher nur regionale Krankheitsausbrüche bekannt geworden. Ob das so bleibt, ist ungewiss: Zug-vögel pendeln seit Jahrtausenden zwischen Europa und den Verbreitungsgebieten des West-Nil-Fiebers in Afrika. Die Verschleppung ist also nicht unwahrscheinlich. Doch haben die heimischen Mücken überhaupt das Potenzial, dieses Virus vom Vogel auf den Men-schen zu übertragen? Diese und andere Fragen sollen mit dem neuen Forschungsprojekt beantwortet werden.

Das Projekt wird aus keiner Mücke einen Elefanten machen: Es ermöglicht die realistische Bewertung der Risiken. Faktenwissen ersetzt die Spekulation darüber, ob Krankheiten wie das West-Nil-Fieber auf die Menschen in Deutschland zukommen. Datenbanken erlauben es, auch langfristig auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben.

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten. Die Erforschung von Lebensformen in ihrer Vielfalt und ihren Ökosystemen, Klimaforschung und Geologie, die Suche nach vergangenem Leben und letztlich das Verständnis des gesamten Systems Erde-Leben – dafür arbeitet die SENCKENBERG Gesellschaft für Naturforschung.

Quelle: BNI

Stechmücke Foto:© Peashooter/pixelio.de

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8. Spezial

Ausbruch Shigella sonnei - Nil-Kreuzfahrt

Fallermittlungen unter Nutzung der bundesweit etablierten Informationswege Das Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin meldete telefonisch an das LAGeSo in der zweiten Februarwoche eine labordiagnostisch bestätige Erkrankung durch Shigella sonnei bei einer 67-jährigen Frau, die sich gemeinsam mit ihrem Mann in einer Reise-gruppe vom 20.01.2011 bis 27.01.2011 an Bord eines Kreuzfahrtschiffes in Ägypten befand. Die Route führte auf dem Nil von Luxor nach Assuan und wieder zurück.

Die Frau erkrankte mit typischer Symptomatik (u.a. Blut im Stuhl) am 24.1.2011, ihr Mann hatte nur leichte Bauchbeschwerden. Nach Rückkehr begab sie sich zur Untersuchung in das Tropeninstitut in Berlin, im Stuhl vom 31.1.2011 wurde die Infektion durch Sh. sonnei labordiagnostisch gesichert.

Bei den Ermittlungen erfuhr das Gesundheitsamt von der Betroffenen, dass wohl mehrere Personen an Bord des Schiffes derartige Erkrankungs-anzeichen hatten. Konkret wusste sie von der Erkrankung eines Ehepaars aus Dresden.

Das Gesundheitsamt hatte daraufhin Kontakt mit dem Veranstalter aufgenommen, um mit-tels einer Teilnehmerliste den Umfang des Teilnehmerkreises und daraus abzuleitender Maßnahmen feststellen zu können.

Da auf Grund der Umstände mit einer überregionalen, womöglich internationalen Beteili-gung zu rechnen war, informierte das LAGeSo umgehend das Robert Koch-Institut. Nach vier Tagen (dazwischen lag ein Wochenende) teilte die Abteilung für Infektionsepidemiolo-gie des RKI mit, dass bisher keine Erkenntnisse auf Bundesebene zu einem möglichen Ausbruch vorlagen. Während dieser Zeit war das Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf bemüht, die Teilnehmerlisten zu erhalten, was sich jedoch als nicht so einfach herausstellte. Der Veranstalter wollte die Daten der Teilnehmer „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ erst nach schriftlichem Antrag vom Amtsarzt dem Gesundheitsamt übergeben. Tags darauf konnte mittels eines Vorab-Faxes an den Veranstalter diese Angelegenheit doch noch zeit-nah geklärt werden.

Nach Sichtung der Listen teilte das Gesundheitsamt dem LAGeSo den Umfang der mögli-chen Kontaktpersonen mit. Es handelte es sich um Reisende aus mehr als 30 Wohnorten in 9 Bundesländern außerhalb Berlins. Um eine zügige Informationsweitergabe sicherzu-stellen und gleichzeitig den Arbeitsaufwand im Gesundheitsamt zu minimieren, wurden die Bundesländer vom LAGeSo in der wöchentlichen Telefonkonferenz mit dem RKI vorinfor-miert. Wenige Stunden später hatte das Gesundheitsamt alle Wohnorte der weiterzumel-denden Reisenden, nach Bundesländern sortiert, aufgelistet, so dass das RKI über das noch ausstehende Telefonkonferenz-Protokoll vom LAGeSo informiert werden konnte. Eine Herdkennung zur bundesweiten Zusammenführung möglicher weiterer Erkrankungs-fälle wurde festgelegt und ein Ansprechpartner im federführenden Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf bekannt gegeben. Somit konnten die bundesweit betroffenen Gesundheitsämter sich dann direkt mit dem Gesundheitsamt Steglitz-Zehlendorf in Verbindung setzen, um die Namen der Betroffenen zu erfahren. Gleichzeitig informierten einige Landestellen in ihren

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Wochenberichten die Gesundheitsämter über dieses Geschehen.

Das federführende Gesundheitsamt hatte bis Mitte dieser Woche, über Rückmeldungen, Mitteilungen und Nachfragen, folgenden Stand zu weiteren Erkrankungsfällen in anderen Bundesländern: Mindestens 6 weitere Reiseteilnehmer (aus Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) erkrankten, in 2 Fällen (aus Niedersachsen / Wilhelmshaven und Rheinland-Pfalz / Langenlonsheim) konnten labordiagnostische Nachweise geführt werden, ein Befund steht noch aus. Nicht in jedem Erkrankungsfall wurde eine bakteriologische Abklärung durchgeführt, aus zwei Gesundheitsämtern erfuhren die Berliner Kollegen bisher nichts. Dieses Krankheitsgeschehen konnte mit überschaubarem Aufwand für alle Beteiligten rasch erfasst und sein Umfang geklärt werden. Besonders hilfreich zeigten sich hier die etablierten Informationsschienen vom örtlichen Gesundheitsamt über das Landesamt zum RKI und von dort zurück an die Landesstellen der Bundesländer, die wiederum ihre örtlichen Gesundheitsämter informieren konnten.

Besonders bei überregionalen bzw. nationalen und internationalen Aus-brüchen sind die federführenden Gesundheitsämtern oftmals über-mäßig stark, allein schon mit den Kontaktaufnahmen zu anderen Gesundheitsämtern, beschäftigt. Schon die Suche und tatsächliche Kontaktherstellung zu einem telefo-nischen Ansprechpartner erfordert meist viel Zeit.

Es bietet sich an, wie in diesem Fall, die verfügbaren Informationskanäle zwischen den örtlichen Gesund-heitsämtern, den Landesstellen und der Bundesstelle (RKI) zu nutzen.

Die Informationsstrecken sind somit nicht nur für Ereignisse im Rahmen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) sinnvoll anwendbar.

Fotos: © Hans-Dieter-Buchmann/pixelio.de

© Grey59/pixelio.de

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 9/2011 des Landes Berlin vom 11.3.2011 www.lageso.berlin.de

9. Spezial

Tularämie in Berlin - reiseassoziierte Erkrankungen nach Türkeiaufenthalten

In der 9. Kalenderwoche 2011 meldete die Charité dem Gesundheitsamt Mitte zwei labor-diagnostisch bestätigte Infektionen durch den Erreger Francisella tularensis bei einer 27-jährigen Frau aus Berlin-Mitte und einem 26-jährigen Mann aus Berlin-Neukölln.

Beide Patienten hatten ähnliche Symptome, wie Fieber, Pharyngitis (Rachenentzündung), Otitis (Ohren-entzündung) und begleitender zervi-kaler Lymphadenopathie (Schwellung der Lymphknoten in der Halsregion), jedoch in unterschiedlicher Ausprä-gung. Die Infektionen bei beiden Erkrankten zeichneten sich durch einen protrahierten (verzögerten), eher chronischen Verlauf aus.

Sowohl die Frau, als auch der Mann, hielten sich, unabhängig voneinander vor und während des Erkrankungs-beginns jeweils bei ihren Familien in der Türkei auf. Zufälligerweise befan-den sie sich im selben Ort: Yozgat, eine Stadt in Mittelanatolien, Hauptstadt der gleichnamigen Pro-vinz, 218 km östlich von Ankara in einem Tal der Ak-Berge. Im Jahr 2008 lag, laut dem Türkischen Institut für Statistik, die Bevölkerungszahl der Stadt bei 71.768, die gleichnamige Provinz hat 492.127 Einwohner.

Der Erkrankungsbeginn der Frau war am 15. Dezember 2010, sie wohnte vom 25.Juli 2010 bis 29.Januar 2011 in Yozgat. Der Mann erkrankte am 10. Januar 2011, er hielt sich vom 24. Dezember 2010 bis zum 8. Januar 2011 in dem Ort auf. Wissentliche Kontakte zu Erkrankten im Ort bestanden nicht.

Die Diagnosen wurden Mitte Februar in Berlin, nach der Rückkehr aus der Türkei, gestellt. Die Differentialdiagnose ergab bei der Frau eine oropharyngeale Tularämie. Bei diesem klinischen Bild werden die Erreger über die Mundschleimhaut aufgenommen. Entsprechend sind die Symptome auf Mundhöhle und Rachen beschränkt: Dort bilden sich Geschwüre; die regionalen Lymphknoten sind geschwollen. Häufig entsteht begleitend eine Pharyngitis oder Tonsillitis (Mandelentzündung). Bei dem erkrankten Mann wurde differentialdiagnos-tisch eine ulzeroglanduläre Tularämie festgestellt. Dies ist die häufigste Form der Hasen-pest. Typische Symptome sind Geschwüre (lat. Ulzera) an der Eintrittstelle mit regionaler, oft eitriger Entzündung der Lymphknoten.

Die Kenntnis des Gesundheitsamtes über die Form des klinischen Bildes ist zur Einstufung derartiger Fälle nach Falldefinition und damit der Klärung einer Übermittlungspflicht wichtig.

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 9/2011 des Landes Berlin vom 11.3.2011 www.lageso.berlin.de

Insgesamt sieben verschiedene Formen des klinischen Bildes sind in der RKI-Falldefinition beschrieben.

Eine antibiotische Behandlung beider Patienten erfolgte. Sowohl bei der Frau, als auch bei dem Mann wurde im Konsiliarlaboratorium München mittels PCR der Erreger Francisella tularensis Typ B bestätigt.

Im Laufe der intensiven Ermittlungen der zuständigen Gesundheitsämter Mitte und Neukölln wurden u.a. zwei weitere Erkrankungen in der türkischen Familie des Mannes bekannt. Der Bruder erkrankte, wie der Patient selbst, am 10.1.11, seine Schwester dann am 13.1.11. Die Geschwister blieben jedoch am türkischen Wohnort.

Nachdem das Gesundheitsamt Mitte das für einen der Fälle zuständige GA Neukölln sowie die Landesstelle im LAGeSo informiert hatte, wurde von dieser umgehend die Landesseu-chenreferentin und das Robert Koch-Institut über die zwei unabhängig voneinander nach Berlin importierten, labordiagnostisch gesicherten Tularämiefälle mit Reiseanamnese be-nachrichtigt. Die Möglichkeit einer Einschleppung weiterer Infektionen nach Deutschland über den internationalen Reiseverkehr ist nicht auszuschließen, wie auch evtl. bisher unent-deckte Infektionen in Deutschland. Das RKI gab eine Meldung an das Zentrum für biologi-sche Sicherheit heraus, da zu diesem Zeitpunkt noch keine gesicherten Informationen über die Tularämie-Lage in der Türkei vorlagen. Das Zentrum für Biologische Sicherheit (ZBS) ist die zentrale fachliche Einrichtung des Robert Koch-Instituts in Fragen der biologischen Sicherheit. Dazu gehört – in enger Kooperation mit allen anderen Einheiten des Robert Koch-Instituts – die Entwicklung von Konzepten zur Erkennung von Anschlägen mit biologi-schen Agenzien durch epidemiologische Analysen und aufsuchende Epidemiologie sowie die Diagnostik der in Frage kommenden Erreger. Anfang dieser Woche informierte die Abt. Zoonosen am RKI den IHR Focal Point of Turkey sowie den IHR Contact Point WHO EURO über das Auftreten der importierten Fälle aus der Türkei. Außerdem wurden in der wöchent-lichen telefonischen Lagekonferenz alle deutschen Bundesländer benachrichtigt, um evtl. weitere Fälle schneller erkennen zu können. Zur Zusammenführung aller assoziierten Fälle lautet der Häufungsname zur gemeinsamen Herdkennung: FRT-Türkei-2011-01-01

Auf Anfragen beim Konsiliarlabor für Tularämie im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München konnten weitere Erkenntnisse zur speziellen epidemiologischen Lage in der Türkei und zu möglichen Infektionsquellen gewonnen werden. Demnach wurden in der Türkei im Jahre 2010 (bis November), nach Mitteilung des türkischen Referenzlabors in

Abb.: Mikrophotographie Francisella tularensis Bakterien mit Farb-stoff Methylenblau. Das Bakterium F. tularensis gilt als eine gefährliche biologi-sche Waffe. Das Potenzial besteht auf Grund seiner extremen Infekti-osität und einfachen Verbrei-tungsmöglichkeit.

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 9/2011 des Landes Berlin vom 11.3.2011 www.lageso.berlin.de

Ankara, ca. 1800 Tularämie-Fälle registriert. Damit ist die Türkei gegenwärtig das Land mit der höchsten registrierten Fallzahl (absolut). Diese deutliche Zunahme betraf wohl mehrere Landesteile, aber es waren besonders auch ländliche Regionen um Ankara herum betrof-fen. Damit setzt sich ein seit ca. 5-6 Jahren bestehender Trend in der Türkei fort. Der Grund des Anstiegs ist unbekannt. Neben einer echten Zunahme an Fällen muss auch an eine bessere Erfassung durch die türkischen Gesundheitsbehörden gedacht werden. Ursache sind in den meisten Fällen Kontaminationen von Trinkwasserreservoiren durch tote / mori-bunde Nager, die mit Francisella tularensis infiziert waren.

Solche auf Punktquellen beruhenden Tularämieausbrüche finden sich gehäuft in Ländern mit dezentraler Wasserversorgung (Zisternen, unzureichend behandeltes Oberflächen-wasser). In den letzten Jahrzehnten wurden solche Ausbrüche in Norwegen, Italien, Bulgarien, Kroatien, dem Kosovo und der Türkei beobachtet. Der Anstieg an Fällen in der Türkei wird von den dortigen Verantwortlichen im öffentlichen Gesundheitswesen mit Sorge beobachtet und führte wohl auch deshalb zur Einrichtung eines türkischen Referenzlabors in der Hauptstadt Ankara. Am 01. und 02. November 2010 fand in Ankara das dritte Natio-nale Symposium für Zoonosen statt, wo viele Aspekte der Tularämieausbrüche in der Türkei in Form von Vorträgen in einer besonderen Session beschrieben worden sind.

Aufgrund der relativ unspezifischen Symptomatik kommt es sehr häufig zu Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung. Der Erreger ist kulturell meist nicht nachzuweisen. Dies führt oft zu einem wochenlangen Leidensweg für die unerkannten und daher nicht adäquat antibio-tisch behandelten Tularämiepatienten. Die häufig empirisch eingesetzten Medikamente (Cephalosporine, Amoxicillin/Clavulansäure, Makrolide) sind unwirksam. Nicht selten kommt es auch zu einer chirurgischen Entfernung des vermeintlichen „Tumors“. Histo-pathologisch wird dann erst sehr spät die infektiologische Diagnose gestellt oder serolo-gisch bestätigt.

Zurzeit gibt es in anderen Bundesländern, nach Angaben des RKI, noch keine Hinweise auf Erkrankungen. Die Gefahr einer Mensch-Mensch -Übertragung bzw. weiteren Infektions-ausbreitung in Berlin kann als äußerst gering bezeichnet werden. Weitere importierte Infek-tionen sind jedoch auf Grund des int. Reiseverkehrs, insbes. in die Ausbruchsgebiete der Türkei und der in Berlin vorhandenen vielfältigen familiären Verbindungen dorthin möglich.

Mit diesen beiden Infektionen sind erstmals seit dem Jahre 2002 im Land Berlin wieder Tularämie-Fälle aufgetreten. Der letzte Fall vor beinahe einem Jahrzehnt betraf eine heute 40-jährige selbstständige Tierärztin aus Berlin-Spandau, die seinerzeit in Würzburg und Umgebung zeitweise tätig war und sich vermutlich dort infiziert hatte. Weitere Informationen zur Tularämie:

„Tularämie - Zum Vorkommen in Deutschland - Analyse auf der Basis der Meldedaten von 1949 bis 2006“ in Epid. Bull. Nr. 7 v. 16.2.2007

„Bericht aus dem Konsiliarlaboratorium für Tularämie: Zur Häufung von Tularämie-Erkrankungen in Deutschland im Jahre 2007“ in Epid. Bull. Nr. 4 v. 25.1.2008

sowie auf den Webseiten des RKI unter „Infektionskrankheiten A-Z“: http://www.rki.de/cln_178/nn_196658/DE/Content/InfAZ/T/Tularaemie/Tularaemie.html?__nnn=true

Wir danken allen Beteiligten, die an der Datenbeschaffung beteiligt waren, insbes. Herrn PD Dr. Splettstößer, Leiter des Konsiliarlaboratorium für Tularämie München.

Quellen: Foto Blick auf Yozgat: www.resimworld.com

Grafik Landkarte: http://de.wikipedia.com Mikrofotografie F. tularensis: CDC/Public Health Image Library (PHIL)

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10. Spezial

10.1. Norovirus-Ausbruchsgeschehen im Land Berlin im Jahre 2010

581 Ausbrüche mit insgesamt 7.442 Fällen durch Norovirus-Infektionen wurden im vergan-genen Jahr im Land Berlin übermittelt (Vorjahr 2009: 752 Ausbrüche mit 7.620 Fällen).

59 der Ausbrüche (10%) mit insgesamt 160 Fällen (2%) standen in Zusammenhang mit In-fektionsgeschehen in anderen Bundesländern (38 Häufungen im Land Brandenburg sowie 21 Häufungen in weiteren Bundesländern bzw. Ländern). Bei 48 Ausbrüchen, die mit Ge-schehen in anderen Bundesländern in Zusammenhang standen, gab es in Berlin nur einen Fall.

Bei 546 Ausbrüchen (7.407 Fälle) wurde in Berlin mehr als ein Fall pro Ausbruch übermit-telt, darunter 24 Geschehen in anderen Bundesländern bzw. Ländern. Dies bedeutet eine Steigerung der Zahl der Ausbrüche um 4% gegenüber dem Vorjahr, wobei sich die mit den Ausbrüchen in Zusammenhang stehende Fallzahl um 2% verringerte (2009 wurden 524 Ausbrüche mit mehr als einem Fall und insgesamt 7.572 Fällen beobachtet).

Übermittelt wurden 221 Ausbrüche mit je 2 bis 4 Fällen (im Vorjahr 236), 198 Ausbrüche mit 5 bis19 Fällen (im Vorjahr 179) und 124 Ausbrüche mit 20 und mehr Fällen (im Vorjahr 104). Bei drei Ausbrüchen wurden jeweils 100 oder mehr infizierte Personen registriert. Der größte Ausbruch im Bezirk Reinickendorf umfasste 171 Fälle.

Den Hauptanteil am Ausbruchsgeschehen stellten wie im Jahr 2009 die Ausbrüche in Kran-kenhäusern dar, wo es zu einer weiteren leichten Zunahme kam. 207 Ausbrüche wurden beobachtet, was einer Steigerung um 5% im Vergleich zu 2009 entspricht, wo aus Kranken-häusern 197 Ausbrüche bekannt wurden. In Altenpflege- und Rehabilitationseinrichtungen wurden 114 Ausbrüche registriert, was einer Steigerung um 13%, ausgehend von 101 im Vorjahr beobachteten Ausbrüchen, entspricht. In Kitas wurden 63 Ausbrüche registriert, im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Anstieg, als 38 Ausbrüche übermittelt wurden. Ausbrü-che in privaten Haushalten gingen wie zuvor weiter zurück (139 Ausbrüche nach 159 im Jahr 2009). Transmission Electron Micrograph (TEM): Norovirus ultrastrukturelle Morphologie

Text / Daten: LAGeSo,

FG Infektionsschutz / Infektionsepidemiologie

Foto: http://phil.cdc.gov (PHIL)

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10.2. E.-coli-Enteritis - Übersicht Inzidenzen und Altersverteilung Land Berlin - 1. bis 11. Woche 2011

Quelle: SurvStat Stand 23.3.2011

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11. Spezial

Studie: Höhere mikrobiologische Belastungen bei automatischen Armaturen

Forscher an der Johns Hopkins University School of Medi-cine haben festgestellt, dass elektronische Armaturen sehr viel stärker mit Bakterien, inklusive der Legionella spp., als traditionelle handbetätigte Armaturen verunreinigt sind. Die Studie wurde Anfang April 2011 auf der Jahres-tagung der „Society of Healthcare Epidemiology of America“ (SHEA) präsentiert.

Elektronische non-Touch Armaturen werden zunehmend in Kliniken für einen geringeren Wasserverbrauch und zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Infektionen über die Hände beim Personal eingesetzt.

Emily Sydnor von der Johns Hopkins University School of Medicine Baltimore und Kollegen untersuchten im Johns Hopkins Hospital vom Dezember 2008 bis Januar 2009 auf zwei Stationen 20 manuelle und 20 elektronische Armatu-ren, die mit identischen Wasserquellen versorgt werden. Sie wollten ursprünglich herausfinden, wie oft und für wie lange die neuen elektronischen Armaturen zu reinigen sind.

Die Ergebnisse des untersuchten Wassers der Armaturen zeigten, dass 50 % der Proben von elektronischen Armaturen mit Legionella spp. kontaminiert waren, während dies bei nur 15% der Proben von manuellen Armaturen der Fall war. Sydnor fand dabei auch her-aus, dass die Gesamtkeimzahlen in den Proben aus den elektrischen Wasserhähnen er-höht waren, wenn auch nicht signifikant. Selbst nach Reinigung und Desinfektion mit Chlor-dioxid von vier dieser Wasserhähnen (zwei mit Zerlegung in Einzelteile) wurden noch bei 29% der Proben von elektronischen Wasserhähnen Kulturen gefunden, bei den manuellen Wasserhähnen nur bei 7%. Er stellte zudem fest, dass bei den zerlegten elektronischen Wasserhähnen auf allen Bauteilen Legionella spp wuchs.

Den Grund für diese überraschenden Ergebnisse kennen die Wissenschaftler bisher noch nicht. Sie vermuten jedoch, dass die stärkere Besiedelung der elektronischen Hähne mit deren Aufbau zusammenhängt. Sie enthalten sehr viel mehr Schalter, Ventile und Regel-komponenten als herkömmliche Armaturen. Dadurch haben sie eine deutlich vergrößerte innere Oberfläche, die das Bakterienwachstum möglicherweise fördert.

Die Studienergebnisse, so die Wissenschaftler, sollen nicht die allgemeine Öffentlichkeit bei der Verwendung von elektronischen Wasserhähnen verunsichern. Die bakteriellen Belas-tungen des Wassers waren noch in dem Rahmen, den gesunde Personen gut vertragen. Vielmehr ergibt sich eine Besorgnis daraus, dass diese Ergebnisse eine besondere Gefähr-dung chronisch kranker oder immunsupprimierter Patienten in Kliniken aufzeigen.

Unabhängig von der Bauweise der Armaturen, resümierte Gordon, steht die Bedeutung der richtigen Hände-Hygienepraxis als ein grundlegendes und evidenzbasiertes Element zur Reduzierung der Übertragung von Krankheitserregern fest. Aufgabe der Fachleute sei es aber auch, die Vorteile von innovativen Technologien gegen den Schutz der Patienten vor Infektionen abzuwägen.

SHEA ist eine Fachgesellschaft mit mehr als 1.800 Ärzten und andere medizinischen Fach-kräfte weltweit. Sie widmet sich der Infektionsprävention in Krankenhäusern.

Weitere Informationen unter www.shea-online.org

Quelle: SHEAFoto:© juliherbstlaub/pixelio.de

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 14/2011 des Landes Berlin vom 15.4.2011 www.lageso.berlin.de

12. Spezial Zur Masern-Situation in den EU/EEA Ländern und in Deutschland

Trotz allen Anstrengungen im Lichte der beabsichtigten Ausrottung der Masern bis 2015 kam es im Jahr 2010 in Europa zur höchsten Zahl von Masern-Fällen seit mehr als 10 Jahren.

Die im Europäischen Überwachungsnetz für durch Impfung vermeidbare Krankheiten EUVAC.NET organisierten EU/EEA Länder (alle EU-Mitgliedstaaten zusammen mit Kroatien, Island, Norwegen, Schweiz und der Türkei) hatten im letzten Jahr mehr als 30 000 Masern-Fälle. Damit erkrankten fünf-mal mehr Menschen an Masern, als im jährlichen Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre.

Die höchste Zahl von Fällen wurde von Bulgarien (22 005 Fälle, einschl. 24 Todesfälle), gefolgt von Frankreich (5 021, zwei Todesfälle), Italien (861) und Deutschland (787) gemeldet. Nur 8 der 29 EU/EEA Länder hatten keine Masern. Die auffällige Zunahme bulgarischer Fälle ist einem Ausbruch geschuldet, der, laut EUVAG.Net, seinen Ursprung durch importierte Masern aus Deutschland im Jahre 2009 hat.

Auch in diesem Jahr setzte sich die Ausbreitung der Masern weiter fort. In den ersten beiden Monaten traten bereits 4 000 Fälle auf.

ECDC überwacht die Masern-Situation in Europa und arbeitet eng mit den Mitgliedstaaten und der Weltgesundheitsorganisation zur Realisierung des Vorhabens, der Ausrottung der Masern bis zum Jahre 2015, zusammen. Die nachstehende Abbildung zeigt die Anzahl an Masern-Fällen pro 1 Mio. Einwohner in 2010, berichtet von EUVAC.Net sowie Masern-Fälle, die von ECDC 2011 bekannt gegeben wurden.

Aktuell berichtete ECDC (Threats Report, 8.04.2011) über erhöhte Masernfallzahlen aus verschiede-nen europäischen Ländern:

In Belgien wurden bis Anfang April insgesamt 95 Masern-Erkrankungen aus Gent, Brüssel, Tournai, Namur (Zentral- und West-Belgien) gemeldet. Im gesamten Vorjahr lag die Fallzahl für ganz Belgien, zum Vergleich, bei insgesamt 40.

Das Vereinigte Königreich berichtete von Cluster-Geschehen aus allen Teilen des Landes. Haupt-sächlich betroffen seien 10-25 Jährige.

In Spanien stieg die Zahl bestätigter Masernfälle bis Anfang April 2011 auf insgesamt 432. Der Großteil der Fälle (277) wird einem initialen Ausbruch in Sevilla zugeordnet.

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 14/2011 des Landes Berlin vom 15.4.2011 www.lageso.berlin.de

Die Gesundheitsbehörden in Serbien berichteten von insgesamt 208 Masernfällen, die im Zusam-menhang mit einem Ausbruch innerhalb der Roma-Bevölkerungsgruppe in der Region Brestovac stehen.

Die aktuelle Situation in Deutschland zeigt ein ebenso auffälliges Bild:

In Baden-Württemberg stieg die Masern-Aktivität weiter an. 2011 (bis 11.4.11) wurden dem Robert Koch-Institut insgesamt 107 Fälle übermittelt, davon 74 Fälle in den Kalenderwochen 11-14 (seit Mit-te März). Die Meldungen kamen aus 15 Landkreisen und 6 Stadtkreisen, vor allem aus dem Raum Stuttgart, weiterhin Karlsruhe, Offenburg und Freiburg. Betroffen waren vor allem die Altersgruppe der 10-14-Jährigen (31 Fälle), sowie der unter 10-Jährigen (43 Fälle). Die 14 Herde verteilten sich auf Haushalte (7), Schulen (2), Arbeitsplatz (2) und KiTa (1). Bei einem landkreisübergreifenden Aus-bruch fand die Übertragung sowohl bei einer Veranstaltung als auch in Schule und im Haushalt statt.

In Bayern ist es in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit einer Masernerkrankung zu einem Todesfall gekommen. Betroffen war ein 26-jähriger Mann, der im Rahmen einer Chemothera-pie hospitalisiert war. Der Patient erkrankte am 7.3.2011 mit Fieber und entwickelte eine Pneumonie, die antibiotisch behandelt wurde. Am 16.3. entwickelte der Patient ein Ganzkörperexanthem, das als Arzneimittelexanthem fehldiagnostiziert wurde. Im Verlauf musste der Patient intensivmedizinisch behandelt werden und verstarb am 28.03.2011. Die Maserndiagnose wurde post mortem gestellt. Eine Blutprobe wurde ins NRZ gesandt. Die Ergebnisse stehen noch aus. Im Zusammenhang mit dieser Masernerkrankung ist es zu 3 Folgefällen gekommen. Betroffen sind ein Patient sowie 2 Mitar-beiter des Krankenhauses.

In Hessen, Raum Frankfurt, sind seit der 14. KW bisher 25 Masernfälle aufgetreten. Es gibt Hinwei-se darauf, dass in Roma-Familien die Masern weiter übertragen werden. Dieser Personenkreis ist aber kaum erreichbar. Gesicherte Folgeerkrankungen in Schulen und sonstigen Bereichen sind seit der letzten Woche nicht aufgetreten.

Das Land Berlin hat, im Gegensatz zum letzten Jahreszeitraum mit 66 Fällen bis zur 14. KW, bisher eine geringe Fallzahl. Nur in 4 von 12 Bezirken (Lichtenberg, Pankow, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg) traten die 6 Masern-Erkrankungen seit Jahresbeginn auf.

Abb.: Übermittelte Masernerkrankungen Berlin 2011 (bis 13.4.11) an das RKI Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 13.4.2011

Quellen: EUVAC.Net, ECDC, RKI

Abb.: ECDC, RKI

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13. Spezial Und dann nüscht wie raus nach Wannsee… Qualität der natürlichen Gewässer in Berlin: Überwachung und Information

Offiziell beginnt die Badesaison an den Bädern und Badestellen der Gewässer in Berlin am 15. Mai. Doch schon vor diesem Datum gibt es nicht nur „badefähige“ Tage und entsprechend motivierte Bürger, sondern auch viel zu tun von allerlei Fachleuten, um u.a. eine gesundheitlich unbedenkliche Wasserqualität sicherzustellen. Im Rahmen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes überprüfen das LAGeSo und die bezirklichen Gesundheitsämter während der offiziellen Badesaison bis zum 15. September die Badestellen und die Gewässer nach einem strengen und dichten Kontrollregime. Darin eingeschlossen ist auch die Prüfung auf Vorliegen von Blaualgen und ihrer Toxine. Die amtli-chen Untersuchungen werden im Behördenauftrag vom Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) durchgeführt.

Nirgendwo sonst gibt es eine Millionenstadt mit derart vielen und vielfältigen Möglichkeiten zum Baden in natürlichen Gewässern. Havel, Spree und Dahme fließen durch Berlin. An vielen Stellen sind diese Flüsse erweitert zu großen, ruhigen Wasserflächen. Am bekanntesten sind wohl der Große Wannsee und der Große Müggelsee. Daneben gibt es eine Reihe von Landseen, z.B. die Seen der Grunewaldseenkette, den Orankesee und den Weißen See. Idyllisch tief im Wald oder in Wiesen gelegen kann man an diesen Seen und Flussläufen im Sommer ein Badevergnügen ohne Ferienstau und ohne Kurtaxe genießen. Manche Gewässer liegen hingegen mitten in der pulsieren-den Großstadt wie z.B. der Flughafensee, wo der verträumte Blick auf startende und landende Flug-zeuge fällt, oder der Plötzensee, eine ruhige Oase mit Autobahnanschluss. Der Erholungswert an den Berliner Badegewässern ist unbestritten hoch und das Baden soll diesem auch keinen Abbruch tun.

Zur umfassenden und stets aktuellen Information für alle Berliner Badelustigen, aber auch für alle zugereisten Berliner Gäste, präsentiert das LAGeSo unter der Webadresse http://www.berlin.de/badegewaesser alle Berliner Badestellen auf einen Blick sowie eine Bade-stellenkarte. Darüber hinaus gibt es Links zu weiteren Informationen zu aktuellen Badeverboten, zu rechtlichen Hintergründen, zum Problem des möglichen Algenwachstums, zu den Badegewässer-profilen und zum Badegewässertelefon des LAGeSo. Die geschulten Mitarbeiter/innen im Call-Center des ITDZ sind von Montag bis Freitag von 07:00 bis 19:00 Uhr unter (030) 90229 5555 erreichbar. Bei spezielleren Fragestellungen besteht die Möglichkeit, direkt mit einem LAGeSo-Mitarbeiter verbunden zu werden. Außer-halb dieser Zeiten erfolgt eine Bandansa-ge zur Qualität der Berliner Gewässer. Da bekanntlich auch in unseren Nachbar-Bundesland Brandenburg in vielen Bade-seen eingetaucht werden kann, gibt es auf der Webseite auch eine Verlinkung zum Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) des Landes Brandenburg, wo adäquat um-fangreiche Informationen zu den Badege-wässern in Brandenburg bereitgestellt sind.

Aktuelle Informationen zu den Berliner Badeseen bietet darüber hinaus der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) auf seinen Videotext-Seiten 771, 778 und 779.

Sofern man Tipps und Hinweise zum Thema geben möchte, ist dies per Mail an [email protected] möglich.

So überwacht und informiert steht dem nichts mehr entgegen: Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein…

Quellen: Text: LAGeSo

Songtextzitate: Conny Froebes 1951 Bild: © Albrecht-E.-Arnold/pixelio.de

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14. Spezial

Erste Ergebnisse des Masern-Serosurveys bei Berliner Jugendlichen und jun-gen Erwachsenen

Im Rahmen dieses Surveys am LAGeSo wurden die Blutproben von 10-30-Jährigen aus den Bezirken Lichtenberg und Steglitz-Zehlendorf auf das Vorhandensein von spezifischen Masern-IgG-Antikörpern untersucht. Bei der Untersuchung wird nicht unterschieden, ob die Antikörper durch Impfung oder durchgemachte Infektion erworben wurden. Die Proben wa-ren von August bis Oktober 2010 in Berliner Laboren gesammelt worden. Zur Verfügung standen 489 Proben aus Steglitz-Zehlendorf und 473 Proben aus Lichtenberg, die am LLBB untersucht wurden. In Lichtenberg waren insgesamt 82% der Proben positiv, 8% fraglich und knapp 10% nega-tiv. In Steglitz-Zehlendorf waren 81% positiv, 8% fraglich und 11% negativ (Daten nicht al-tersadjustiert). Innerhalb der Altersklassen ergaben sich jedoch auffällige Unterschiede, die in der Tabelle dargestellt sind.

In Lichtenberg fällt der kontinuierliche Abfall des Anteils der Personen mit positivem Antikör-pernachweis mit zunehmendem Alter auf, parallel dazu steigt der Anteil derjenigen mit frag-lichem bzw. negativen Ergebnis. In Steglitz-Zehlendorf ist das Bild nicht einheitlich. Auffällig ist jedoch der sehr große negative Anteil von 17% bei den 10-15-Jährigen. In Berlin müssen daher weiterhin große Anstrengungen unternommen werden, um die Im-munisierung der Bevölkerung gegenüber Masern zu verbessern. Die STIKO-Empfehlungen müssen konsequent umgesetzt werden, auch ältere Kinder und junge Erwachsene, die noch nicht geimpft sind, sollten geimpft werden, bzw. wenn noch nicht durchgeführt, die zweite Masernimpfung erhalten. Hier ist insbesondere auch die Unterstützung der nicht pädiatrisch tätigen Ärzteschaft gefragt.

Zur aktuellen Masernsituation in Berlin

Seit der 13. Woche steigen in Berlin die Masernfallzahlen an. In 2011 wurden bisher 43 Fälle übermittelt, die meisten Fälle (14) in Reinickendorf, gefolgt von Pankow und Lichtenberg mit jeweils sechs Fällen. 35 Patienten waren ungeimpft, bei den übrigen acht wird der Impfstatus noch ermittelt. 12% der Fälle betreffen Kleinkinder unter 12 Monaten, die noch nicht geimpft werden konnten und bis zum Impftermin eigentlich von der Herdenimmunität profitieren sollten. 35% der Fälle sind zwi-schen 1 und 14 Jahren alt. Den größten Anteil haben 15-45-Jährige mit 53%, im vergangenen Jahr lag dieser Anteil noch bei 29%. Im übrigen Bundesgebiet lässt sich der gleiche Trend beobachten, jedoch nicht so ausgeprägt wie in Berlin. Da Ma-sern somit in Berlin keine ausschließliche Kinderkrankheit mehr ist, müssen die Impfstrategien an diese Situation angepasst werden, um die entsprechenden Zielgruppen tatsächlich zu er- reichen. Der Hospitalisierungsgrad ist mit 42% extrem hoch. Daten zum Krankheitsverlauf und zur schwere der Infektionen liegen dem LAGeSo noch nicht vor. Das LAGeSo bittet aufgrund der Lage darum, die entsprechenden klinischen Angaben intensiv zu ermitteln. Foto: PD-USGov - CDC/NIP/Barbara Rice

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15. Spezial

EHEC / HUS: Zum aktuellen Ausbruch

Selbst für Insider kam es in den letzten Wochen überraschend zu einem Ausbruch durch enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) mit einer nicht minder über-raschenden Häufung von lebensbedrohlichen Komplikationen bei den Infizierten mit Todesfolge. Die Arbeit in den Gesundheitsbehörden, Arztpraxen und Krankenhäusern ist entsprechend stark belastet und in der Öffentlichkeit stellt der Ausbruch derzeit das beherrschende Thema dar.

Dabei sind die EHEC-Bakterien nicht neu, sie wurden bereits vor mehr als drei Jahr-zehnten wissenschaftlich beschrieben. Das von ihnen produzierte Zellgift, das soge-nannte Shiga-Toxin, löst in den Darmzellen eine Abfolge von entzündungsähnlichen Reaktionen aus, mit dem Ergebnis schwerer Gesundheitsschäden. Durch die Fähig-keit, mittels Zellgiften den Organismus derart angreifen zu können, stellen sie eine gefährliche Variante des ansonsten unbemerkt und problemlos in jedem Darm leben-den Mitbewohners Escherichia coli dar.

In ca. 5 bis 10 % der Infektionen mit EHEC entwickelt sich beim Erkrank-ten das Krankheits-bild des hämoly-tisch-urämischen Syndroms, kurz genannt HUS. Hier kommt es zur Auflö-sung der roten Blut-körperchen, Bildung von Blutgerinnseln bis zu einem akuten Nierenversagen, was oft durch Dialy-se behandelt werden muss. Meist bildet sich die Niereninsuffizienz aber wieder zurück. Zur Entgiftung des Körpers ist darüber hinaus in schweren Fällen eine so genannte Plasmapherese (Blutplasmaaustausch) notwendig.

Wie bei den meisten Ausbrüchen, werden rund um den aktuellen Ausbruch jedoch inzwischen auch neue Erkenntnisse, z.B. zum Erreger selbst, bekannt:

die Identifizierung als HUSEC 41, ein Coli-Bakterium mit dem Oberflächenanti-gen O104 und dem Geißelantigen (Flagellinantigen) H4 - der Serotyp O104:H4.

Shiga-Toxin stx 2 - Bildner, verantwortlich für die hämolytische Wirkung. als Verursacher von Ausbrüchen bisher nicht bekannt. bislang kein typischer Erreger für das HUS.

Die Suche nach der Infektionsquelle gestaltet sich bei diesem Ausbruch ausgespro-chen schwierig. Es erkrankten bisher zu zwei Drittel Frauen, die nicht nur überwie-gend erwachsen sind, sondern auch noch mehrheitlich im Norden Deutschlands leben bzw. dort erkrankten. Auch die Zahl der schweren Verläufe (HUS) in einem recht kurzen Zeitraum ist sehr ungewöhnlich und fordert hochqualitatives und schnelles Handeln. Die vermeintliche Infektionsquelle, die verkündet wurde, nämlich spanische Gurken, kann keineswegs sicher als die Ursache für den Ausbruch gelten.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC

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Umso entscheidender werden zur erfolgreichen Abklärung der Ursache die Ermittlun-gen durch die Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsämtern. Hierzu steht ein Fragebogen zur Erhebung der Expositionsrisiken (Fragebogen für Fälle der Fall-Kontrollstudie in Hamburg) zur Verfügung, der von den Berliner Gesundheitsämtern auch schon in vielen Fällen genutzt wurde.

Zum Zweck qualitativ hochwertiger Erfassungen hat das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit den Landesstellen u.a. eine aktualisierte Falldefinition für HUS-Fälle im Rahmen des Ausbruchs erstellt:

(1) Nach IfSG sind alle HUS-Fälle dem Gesundheitsamt bereits als Erkrankungs-verdacht, Erkrankung und im Todesfall zu melden. Ein Erregernachweis (EHEC) ist für die Verdachtsmeldung nicht erforderlich. Diese Falldefinition gilt selbstverständlich weiter für alle HUS-Fälle, die nicht mit dem Ausbruchsgeschehen in Zusammenhang stehen.

(2) In der Meldekategorie EHEC sind klinisch-epidemiologisch und klinisch labor-diagnostisch bestätigte Erkrankungsfälle entsprechend der Falldefinition 2007 des RKI zu übermitteln. Entwickelt sich aus einem übermittelten EHEC-Fall ein HUS, muss die Meldekategorie des Falles entsprechend geändert werden. Dadurch wird vermieden, dass der gleiche Fall doppelt als EHEC und als HUS gezählt wird. Klinische EHEC-Verdachtsfälle (ohne HUS) sind nicht melde- und übermittlungs-pflichtig.

(3) Im Rahmen des aktuellen Ausbruchsgeschehens wurde eine ausbruchs-bezogene Falldefinition für HUS erstellt. Der Erkrankungsbeginn muss am oder nach dem 1.5.2011 liegen, der Expositions-zeitraum frühesten zwischen dem 21.4.2011 und dem Erkrankungsbeginn. Der Erkrankungsbeginn wird definiert als Zeitpunkt des Auftretens von Durchfall oder, sollte diese Symptomatik fehlen, als der Zeitpunkt des ersten Auftretens eines HUS-Symptoms (hämolytische Anämie, Thrombozytopenie ≤ 150.000 Zellen/mm3, Nieren-funktionsstörung). Es handelt sich dann um einen klinisch bestätigten HUS-Fall ohne EHEC-Nachweis (Kategorie F1). Ein HUS-Verdachtsfall kommt jedoch auch ohne bestätigte Symptomkategorien zur Erfassung und Übermittlung, wenn das klinische Bild nach Aussage des behan-delnden Arztes als akutes enteropathisches HUS einzuordnen ist (Kategorie F3). Des weiteren werden klinisch diagnostizierte HUS-Fälle mit EHEC-Nachweis (Kategorie F2) unterschieden.

Die neue ausbruchsbezogene Falldefinition wurde allen Gesundheitsämtern am 27.5.2011 per Mail zugesandt und steht auch zum Download in UMINFO bereit. Zur effektiveren Erhebung der ausbruchsbezogenen HUS-Fälle steht des Weiteren ein besonderer Erhebungsbogen zur Verfügung.

Zur Prävention und Information der Bevölkerung wird in Berlin Material der BZgA ge-nutzt, das den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellt wurde.

Bei Fragen zur Umsetzung dieser speziellen Falldefinition stehen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen des FB Infektionsschutz/Infektionsepidemiologie am LAGeSo selbstverständlich jederzeit zur gemeinsamen Klärung zur Verfügung.

Quellen:

Text: LAGeSo Foto: Manfred Rohde

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 21/22/ 2011 des Landes Berlin vom 10.6.2011 www.lageso.berlin.de

16. Spezial

EHEC-HUS-Ausbruchsgeschehen: Aktuelle Entwicklungen zur Epidemiologie Es sind die Sprossen!

Am heutigen Vormittag, Freitag den 10.6.2011 wurden auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von RKI, BfR und BVL die Ergebnisse weiterer Studien im Rahmen des aktuellen EHEC-HUS-Ausbruchsgeschehens vor-gestellt.

Mit einer sogenannten „Rezeptbasierten-Restaurant-Kohortenstudie“ war es möglich, die Ursache des Aus-bruchs epidemiologisch mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Verzehr von Sprossen einzu-grenzen. Diese Studie konnte erst jetzt durchgeführt werden, weil erst eine ausreichende Zahl von Restaurantkunden bekannt und verfügbar sein mussten, um eine ausreichende statistische Belastbarkeit der Analyse zu gewährleisten. In einer ersten Studie hatten nur etwa 30% der Erkrankten angegeben, Sprossen gegessen zu haben. Auffällig mehr Perso-nen hatten Tomaten, Gurken und Blattsalat angegeben. Daher war zunächst eine Empfeh-lung zum Verzicht auf letztere Lebensmittel ausgesprochen worden.

Um bei der Erfassung des Rohkostverzehrs weniger abhängig vom Erinnerungsvermögen der befragten Patienten und Kontrollpersonen zu sein, hat das RKI mit Hilfe dieser „Rezeptbasierten-Restaurant-Kohortenstudie“ folgenden Ansatz verfolgt. Fünf Gruppen (Reisegruppen, Vereine usw.) mit insgesamt 112 Teilnehmern, von denen insgesamt 19 Mitglieder nach einem gemeinschaftlichen Restaurantbesuch erkrankt sind, wurden auf ih-ren Verzehr im Restaurant hin untersucht. Dabei wurden die Restaurantbesucher nicht nur befragt, sondern aufgrund der Bestelllisten und Abrechungsdaten wurde ermittelt, welche Menüs die Mitglieder der Reisegruppen bestellt hatten. Zugleich wurde die Küche des be-troffenen Restaurants detailliert befragt, wie genau welches Menü zubereitet wurde und welche Mengen welcher Zutat in welchem Menü enthalten waren. Ergänzend wurden Fotos der Reisegruppen ausgewertet, um zu belegen, welche Lebensmittel und Garnierung sich auf den Tellern befanden. Diese Informationen wurden in einem Kohortenansatz ausgewer-tet, der es erlaubt, retrospektiv das relative Erkrankungsrisiko für Restaurantkunden zu be-rechnen. Hierbei ergaben die aktuellen Analysen, dass Kunden, die Sprossen verzehrt hat-ten, ein 8,6-fach höheres Risiko hatten, an EHEC/HUS zu erkranken als Kunden, die dieses Lebensmittel nicht verzehrt hatten (95% KI 1.5 - ∞). Zudem konnte auf diese Weise auch gezeigt werden, dass von den insgesamt in dieser Studie erfassten Fällen 100% Sprossen verzehrt hatten.

Die Vertriebswege von Sprossen aus einem niedersächsischen Gartenbaubetrieb können bislang 26 von 55 Erkrankungshäufungen bzw. Einzelerkrankungen von EHEC O104:H4 in fünf betroffenen Bundesländern erklären. Hierzu hat das Land Niedersachsen umfangreiche Daten aus seiner Lebensmittelüberwachung geliefert. Es kann nach derzeitigem Kenntnis-stand nicht ausgeschlossen werden, dass der Eintrag des Ausbruchserregers in den Gar-tenbaubetrieb durch Personen erfolgt ist. Auch ein Eintrag über Wasser, Vorlieferanten oder Saatgut ist denkbar. Dieses wird derzeit durch eine Überprüfung der Lieferbeziehungen und durch Labortests untersucht. Andere Eintragsquellen im Betriebsbereich können derzeit noch nicht ausgeschlossen werden.

Als Konsequenz der Ergebnisse wurde heute die Empfehlung zum Verzicht auf den Verzehr von Gurken, Tomaten und Blattsalat in Norddeutschland aufgehoben: Dagegen wird weiter vom Verzehr roher Sprossen abgeraten.

Quellen: Gemeinsame Erklärung RKI / BfR / BVL; Lagekonferenz von RKI und Bundesländern am 10.6.2011 Zusammenstellung: LAGeSo Foto: http://www.cdc.gov/nccdphp/dnpa/5aday/month/sprouts.htm

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17. Spezial

Zum Meldegeschehen beim EHEC/HUS-Ausbruch

Im Verlauf des aktuellen EHEC/HUS Ausbruchgeschehens kamen die nach dem IfSG vorgeschriebenen und etablierten Meldewege immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Die bestehenden Meldesysteme würden eine Meldeverzögerung begünstigen, insbesondere auf den Meldestrecken Arzt und Labor zum Gesundheitsamt.

Validierte Daten mit Angaben zu den Zeitspannen im Melde- und Übermittlungsprozess liegen in SurvNet bundesweit nicht vor. Von den Gesundheitsämtern werden jedoch Datumsangaben zum Erkrankungsbeginns, zur Diagnosestellung durch den Arzt, zur Meldung durch den Arzt, zur Diagnosestellung durch das Labor und zur Meldung durch das Labor übermittelt. Anhand dieser Daten haben wir eine schnelle und vorläufige Analyse von insgesamt 100 übermittelten EHEC- und HUS Fälle in Berlin in 2011 mit Stand vom 20.6.2011 erstellt. Dadurch ergibt sich ein erster sachlicher Einblick in diesen Problem-bereich. Wir bitten allerdings um vorsichtige Interpretation, da die Daten nicht systematisch erhoben und nicht validiert wurden.

Zeitdifferenz von Diagnosedatum durch den Arzt bis zur Arztmeldung

Nach dem IfSG besteht eine ärztliche Meldepflicht nur für HUS und nicht für EHEC. Trotz-dem liegen in 77 EHEC- und HUS-Fällen auch Angaben zum Datum der Diagnose und Meldedatum durch den Arzt vor. Die Validität und Bedeutung dieser Daten ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Immerhin in 52% der Fälle erfolgte diese Meldung innerhalb von 24 Stunden (im IfSG vorgeschriebene Frist). In 42% erfolgte die Mel-dung innerhalb von 2-7 Tagen, in etwa 6% dauer-te es länger als 1 Woche. In Tabelle 1 werden die Ergebnisse detailliert gezeigt. Tabelle 1: Meldezeiten zwischen Arztdiagnose und Arztmeldung

Insgesamt kann es als erfreulich angesehen werden, dass in Berlin über die Hälfte der ärzt-lichen Meldungen innerhalb von 24 Stunden nach Diagnosestellung erfolgten. Es besteht aber noch ein großer Spielraum, hier den Meldezeitraum zu beschleunigen. Die Ursachen für den Meldeverzug im ärztlichen Sektor sollten sorgfältig analysiert werden, um Verbesse-rungen dann effektiv umzusetzen. Sollte sich erweisen, dass hier tatsächlich in vielen Fällen noch die Briefform genutzt wird, sollte über andere, schnellere Verfahren nachgedacht werden. Zeitdifferenz von Diagnosedatum des Labors bis zur Meldung durch das Labor

Erfreulicherweise ergeben die vorliegenden Daten bei 98 Fällen, dass in knapp 80% inner-halb von 24 Stunden nach Diagnose gemeldet wurde (IfSG-Frist). In weiteren 19% wurde innerhalb von 2-7 Tagen gemeldet und in nur 1% brauchte die Meldung länger als eine Woche. Es ist zurzeit nicht bekannt, ob diese Zahlen repräsentativ für Labormeldungen in Berlin sind. Da die Differenz zwischen Diagnose und Meldung im Labor ausschließlich durch Einflussfaktoren innerhalb des Labors und der Datenübersendung bestimmt wird, kann hier lediglich eine gezielte Intervention seitens der Gesundheitsämter noch eine weitere Verbesserung bringen (z.B. Labore, die öfter spät melden sollten um Verbesserung der Meldedisziplin gebeten werden, notfalls auch als Ordnungswidrigkeit zu behandeln). Tabelle 2: Meldezeiten zwischen Labordiagnose und Labormeldung

Zeitspanne n % am gleichen Tag 23 29,9% 1 Tag 17 22,1% 2 - 3 Tage 13 16,9% 4 - 7 Tage 19 24,7% > 7 Tage 5 6,5% gesamt 77 100,0%

Zeitspanne n % am gleichen Tag 46 46,9% 1 Tag 32 32,7% 2 - 3 Tage 6 6,1% 4 - 7 Tage 13 13,3% > 7 Tage 1 1,0% gesamt 98 100,0%

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Zeitdifferenz von Erkrankungsbeginn bis zur Meldung durch das Labor

In diesem Segment zeigt sich eine Einschränkung des Meldeverfahrens, die naturgemäß nur schwer zu beeinflussen ist. Die Analyse der Daten von 82 Fällen mit vorhandenen Angaben in SurvNet ergibt, dass etwa knapp die Hälfte der EHEC-HUS-Fälle in Berlin innerhalb von einer Woche nach Erkrankungsbeginn gemeldet wurde. In knapp 20% beträgt der Zeitraum bis zur Meldung an das Gesundheitsamt über 14 Tage. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein/e Erkrankte/r sucht bei ersten Symptomen nicht unbedingt gleich einen Arzt auf. Und wenn er/sie sich zu diesem Schritt entschlossen hat, führt der Arzt nicht unbedingt gleich eine entsprechende Stuhldiagnostik durch. Das Diagnoseverhalten hängt einerseits von der Schwere des Krankheitsbildes und andererseits von individuellen und klinischen Paradigmen ab. Auch organisatorische Faktoren wie z.B. der Probentransport und die Koordinierung der Arbeiten im Labor sind hier wirksam. Dieser Zeitraum ist letztendlich am schlechtesten zu beeinflussen. Durch frühzeitige zielgruppen-spezifische Information der Bevölkerung, der niedergelassenen Ärzteschaft und der Kranken-häuser kann hier womöglich doch eine Verbesse-rung erzielt werden. Tabelle 3: Meldezeiten zwischen Erkrankungsbeginn und Meldung durchs Labor

Übersicht der Meldeverzögerung anhand Erkrankungs- und Meldewoche

Das Diagramm zeigt, dass bei den EHEC- und HUS-Fällen in Berlin in 2011 ein durch-schnittliche Zeitraum von Erkrankungsbeginn bis zur Meldung durch das Labor an das Gesundheitsamt von etwa einer Woche beobachtet werden kann. Bei den 11 von 13 HUS-Fällen im Rahmen des Ausbruchsgeschehens mit vorhandenen Daten erfolgte die Meldung in einem Zeitraum von maximal vier Tagen nach Diagnosestellung (nicht tabellarisch dargestellt). Während des Ausbruchs erfolgten tägliche Übermittlungen der Gesundheitsämter an das LAGeSo. Dabei wurden in vielen Fällen noch nicht abgeschlossene und in Ermittlung befindliche Fälle weitergegeben, um die Melde- und Übermittlungsdauer abzukürzen. Eine Differenz von einer bis maximal zwei Wochen vom Erkrankungsbeginn bis zur Übermittlung des Falles ist unter Berücksichtigung der dargestellten Voraussetzungen insgesamt recht positiv zu bewerten.

* *Bei sieben Fällen liegt kein Erkrankungsdatum vor (labordiagnostisch nachgewiesene EHEC-Infektionen bei nicht erfülltem oder unbekannten klinischen Bild)

Zeitspanne n % 1 Tag 2 2,5% 2 - 3 Tage 4 4,9% 4 - 7 Tage 35 43,2% 8 - 14 Tage 24 29,6% > 14 Tage 16 19,8% gesamt 81 100,0%

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Zusammenfassung

Die Gesundheitsämter haben, der EHEC-HUS-Ausbruchssituation angepasst, Ermittlungen und Übermittlungen intensiviert. Verbesserungen im Meldesystem, insbesondere in der Zeit zwischen ärztlicher Diagnosestellung und Meldung durch das Labor, scheinen in einge-schränktem Umfang möglich, betreffen jedoch in erster Linie den ärztlichen Sektor und nicht die Labore, die vermutlich nur in Einzelfällen betroffen sind. Die Daten dieser Analyse sind jedoch nur eingeschränkt zu bewerten, da sie nicht systematisch erhoben und nicht validiert wurden.

Zeitweise wurde von den Gesundheitsämtern auch eine tägliche aggregierte, kumulierte Fallzahlmeldung an das LAGeSo umgesetzt. Zu erwägen ist, dieses Verfahren, das vor allem in der Frühphase von großen, überregiona-len Ausbruchsgeschehen angebracht ist, als festes Instrument im IfSG und in SurvNet zu verankern. Ein solches einfach und nicht aufwändig durchzuführendes, ausbruchsbezoge-nes Meldeverfahren kann bei Bedarf zusätzlich zur individuellen Fallübermittlung hoch- und wieder heruntergefahren werden kann. Damit bliebe auch ausreichend Zeit zu qualitativ hochwertiger Ermittlungsarbeit der Einzel-fälle vor der Übermittlung erhalten, ohne dass auf Daten zur aktuellen Fallzahlentwicklung verzichtet werden müsste.

Das Corpus Delicti: Ehec-Bakterien unter dem Elektronenmikroskop

Foto S. 8: © Manfred Rohde, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)

Text/Tabellen: LAGeSo

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 25/26/ 2011 des Landes Berlin vom 8.7.2011 www.lageso.berlin.de

18. Spezial

Salmonella bovismorbificans

In diesem Jahr wurden mit Stand 6.7.11 im Land Berlin insgesamt 22 Infektionen durch Salmonellen der Gruppen C2 und C3 übermittelt. Darunter befinden sich 13 Fälle mit aus-differenziertem Serovar bovismorbificans.

Seit dem 20.4.11 (Erkrankungstag) traten 10 Erkrankungen auf, bei denen dieses Serovar diagnostiziert wurde. Hinzu kamen 3 nicht näher differenzierte Fälle der Gruppe C2. Die Erkrankten wohnen in den Bezirken Neukölln (4 Fälle), Friedrichshain-Kreuzberg (4), Mitte (1), Pankow(1), Tempelhof-Schöneberg (1), Reinickendorf (1) und Steglitz-Zehlendorf (1). Die Infektionen betreffen 3 Kinder im Alter bis 10 Jahre, 3 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren sowie Erwachsene bis zum 68. Lebensjahr. Bisher konnten in 5 Fällen Verbindun-gen zum geografischen Bereich des Kottbusser Tors im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ermittelt werden. So erwarben Erkrankte türkischer Herkunft ihre Nahrungsmittel aus dort ansässigen, teils türkischen Supermärkten sowie auf einem mobilen türkischen Markt. Ein Kind aus dem Bezirk Mitte hielt sich während eines Arztbesuches am Kottbusser Tor auf. Kontakte untereinander hatten die Erkrankten dem aktuellen Ermittlungsstand nach nicht. Die Lebensmittelaufsicht wurde eingeschaltet. Nähere Hinweise auf verdächtige Lebensmit-tel oder solche, die mehr als ein Erkrankter erwarb und verzehrte, liegen noch nicht vor. Auf Grund der bisher ermittelten Daten kann von einem Ausbruch auf lokaler Ebene ausge-gangen werden.

Nordrhein-Westfalen verzeichnet seit einigen Wochen ebenfalls gehäufte Erregernachweise des Salmonellentyps. Bei einem erkrankten 54-jährigen Mann aus dem LK Herne, der sich einige Tage in einem Berliner Hotel im Bezirk Mitte aufhielt, sind die Ermittlungen zur mögli-chen Infektionsquelle noch im Gange.

Aus Österreich wurde über die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernäh-rungssicherheit, Humanmedizin Graz) ein Ausbruch durch Salmonella bovismorbificans mit bisher 15 Erkrankungen innerhalb der letzten beiden Wochen aus drei Bundesländern (Niederösterreich, Kärnten und Wien) bekannt. Eine mögliche Infektionsquelle ist bisher nicht gefunden worden. Wie in Deutschland, treten auch in dem südlichen Nachbarland

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Erkrankungsbeginn / Woche

S.Bovismorbificans und S. Gruppe C2 / C3 Fälle nach Erkrankungswoche im Land Berlin 2011

Stand: 06.07.2011; 12:00 Uhr

Salmonella Gruppe C3

Salmonella Gruppe C2

Salmonella Bovismorbificans

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normalerweise recht wenige Infektionen pro Jahr auf.

Der Erreger bovismorbificans wurde am 17. März 1893 im Hygienischen Institut der Univer-sität Amsterdam von F. Basenau aus dem Fleisch einer Kuh isoliert. Das Tier hatte am 7. März gekalbt und war anschließend so schwer erkrankt, dass es am 16. März auf dem städtischen Schlachthof Amsterdam geschlachtet werden musste. Wegen der anscheinend septikämischen Veränderungen in den Brust- und Bauchorganen wurde der Tierkörper als untauglich zum Genuss für Menschen beurteilt. F. Basenau berichtete ausführlich über den Fund im Arch. Hyg. 20, 242-294 (1894) unter dem Titel “Über eine im Fleisch gefundene infektiöse Bacterie“. Dabei gab er an, dass die Bezeichnung Bazillus bovis morbificans von dem Institutsdirektor Prof. Forster vorgeschlagen worden war. Serologische Untersu-chungen zur Klärung der Antigenstruktur wurden von White durchgeführt1.

Bovismorbificans ist im Kauffmann-White-Schema den Gruppen C2/3 mit dem O-Antigen O:8 zugeordnet. Der Serovar-Name des Salmonellentyps wurde auf Grund seiner Wirts-spezifität so benannt. Bovis ist die lateinische Bezeichnung für Rind bzw. Ochse, Morbi / Morbidus bedeutet Krankheit / Kranksein. Sein vollständiger Name, entsprechend der Nomenklatur lautet Salmonella Enterica subsp. bovismormificans Serovar. Bei der verkürz-ten Nomenklatur reicht jedoch die Angabe der Gattung und des Subtyps, wobei zu beach-ten ist, das sich hier die Abkürzung der Gattung (S. für Salmonella) verbietet, da einer Abkürzung die Angabe einer Art folgt.

Infektionen durch Salmonellen sind „Krankheiten und Infektionen, die auf natürlichem Wege zwischen Wirbeltieren und Menschen übertragen werden“2, so genannte Zoonosen (griechisch: zoon "Lebewesen", nosos "Krankheit"). Der Mensch infiziert sich in der Regel über rohes Fleisch (Rohwurst, Schweinehackfleisch, roher Schinken, Geflügel, aber auch rohe Eier, Kopf- und Eisbergsalat, Sprossen3). Bovismorbificans gehörte bei Untersuchungen des BfR von 2000 bis 2008 mit zu den 20 häufigsten Serovaren aus den vier Herkunftsgruppen Umwelt, Futtermittel, Tiere und Lebensmittel. Bei Untersuchungen von rohem Schweinefleisch waren unter allen Isolaten mehr als 4% diesen Typs.4

Da nicht alle Labore diesen, nicht stark verbreiteten Salmonellentyp differenzieren können, bitten wir Sorge dafür zu tragen, dass möglichst alle Befunde der Salmonellengruppen C2 und C3 zu einer Differenzierung gelangen: Nationales Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Burgstraße 37, 38855 Wernigerode; Telefon: (03943) 679-0, Telefax: (03943) 679-207

Das RKI hält auf seinen Webseiten weitere Informationen hierzu bereit, Begleitschein und Gebührenordnung sind per Download ebenso verfügbar über diesen Weg: RKI-Startseite > Infektionsschutz > Nationale Referenzzentren > Salmonellen > Leistungen

Bei Ermittlungen zu aktuellen Fällen in Ihrem Bezirk möchten wie Sie bitten, zum jetzigen Zeitpunkt auch mögliche Zusammenhänge zu den hier beschriebenen Ausbruchsgebieten zu berücksichtigen, insbesondere zum Kreuzberger Gebiet „Kottbusser Tor“. Möglicher-weise lässt sich so eine gemeinsame Infektionsquelle über ein Lebensmittel, das dort in Verkehr gebracht wurde, ermitteln. 1 Kelterborn, Eckehart: Salmonella-Species. Erstbefunde, Namen und Vorkommen. First Isolations, Names, Occurrence. Leipzig: Hirzel, 1967. 535 S.

2 WHO-Expertenkomitee 1958

3 EpiBull Nr. 07/2005 S. 54-55; Zu einem überregionalen Ausbruch von Samonella Bovosmorbificans Erste Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie, RKI

4 Hsg. Andreas Schroeter und Annemarie Käsbohrer: Deutsche Antibiotika-Resistenzsituation in der Lebensmittelkette - DARLink - Salmonella 2000-2008. 12/2010, BfR

Wir danken herzlich: Fr. Dr. med. Koller MSc, Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung und Herrn Dr. med. Kornschober, AGES Humanmedizin Graz sowie Fr. Zimmler, Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Grafik: © LAGeSo

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————————————————————————————————————————————- aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 27/28/ 2011 des Landes Berlin vom 22.7.2011 www.lageso.berlin.de

19. Spezial Masern - und kein Ende

Am 15.7.2011 berichtete die WHO-Region Europa, dass in 2011 bis Ende Mai 2011 aus insgesamt 38 europäischen Staaten bereits mehr als 12.000 Masernfälle gemeldet wurden. Mehr als 90% aller Fälle sind in den folgenden 8 Ländern aufgetreten: Belgien, Frankreich, Serbien, Spanien, Schweiz, Mazedonien, Großbritannien und Usbekistan.

Auch Deutschland und Berlin sind von dieser ungünstigen Entwicklung nicht ausgenom-men. In Berlin wurde bereits mit Stand vom 20.7.2011 mit 135 übermittelten Fällen die Gesamtzahl der Fälle aus 2010 übertroffen (Grafik 1).

Der Schwerpunkt des diesjährigen Geschehens liegt im Norden in den Bezirken Pankow (bisher 52 Fälle) und Reinickendorf (33 Fälle). Hier bestimmte u. a. ein Ausbruch an einer Waldorfschule in Reinickendorf mit insgesamt 22 Fällen sowie zusätzlich 8 Fällen in Bran-denburg das Geschehen. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Fallzahlen nach der Woche des Erkrankungsbeginns.

Grafik 1: Nach dem IfSG übermittelte Masernfälle im Land Berlin 2001 - 2011

(* Stand: 20.7.2011)

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Fallz

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Fälle im 2. Halbjahr

Fälle im 1. Halbjahr

Grafik 2: Masern nach Erkrankungswochen 1. Halbjahr 2011 in Berlin (n = 130 + 8 Brandenburg)

(davon Waldorfschule n = 21 Berlin + 8 Brandenburg)

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Waldorfschule

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Die Karte zeigt die Verteilung der Fälle nach LOR-Prognoseräumen der Bezirke.

Im Geschehen wurden bisher 16 Häufungen ermittelt. Die größte Häufung mit 21 Fällen in Berlin und zusätzlich acht Fällen mit Wohnsitz in Brandenburg betraf eine Waldorfschule in Reinickendorf. In vier weiteren Häufungen wurden je vier Fälle, in drei Häufungen je drei Fälle und in acht Häufungen je zwei Fälle zugeordnet.

Die Altersverteilung wird in den Grafiken 3 und 4 dargestellt. Hier fällt im Vergleich zum Vor-jahr die relativ hohe Fallzahl von Erkrankten unter einem Jahr und älter als 15 Jahre auf. Bei den Erkrankten < 1 Jahr erreicht die Inzidenz in 2011 40/100.000. Diese hohe Inzidenz weist darauf hin, dass die Herdenimmunität für diesen Teil der Bevölkerung in der aktuellen Lage nicht greift.

Darüber hinaus werden erhöhte Hospitalisierungsraten berichtet. Bei den Erkrankten < 1 Jahr mit 54% und denen über 15 Jahre mit 45% sind diese höher als bei den Kindern im Alter von 1 - 4 Jahren (17%) und 5 - 14 Jahren (7%). Als Hospitalisierungsgrund wird zwei-mal eine Pneumonie angegeben. In weiteren nicht hospitalisierten Fällen wird einmal eine Pneumonie und einmal eine Otitis media berichtet.

In 47 Fällen wurde am NRZ der Masernwildtyp angegeben, davon in sieben Fällen der Genotyp D4. Als Infektionsort wurden in 13 Fällen (10%) europäische Länder ermittelt (meist Frankreich und Italien), in einem Fall Indien und ansonsten Deutschland (80% Berlin).

In 9 Fällen wurden vorherige Impfungen ermittelt. Aber lediglich in einem Fall war regelrecht entsprechend der STIKO-Empfehlung zweimal geimpft worden.

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Quelle: LAGeSo Berlin; WHO Europa, Kopenhagen

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Altersgruppen

Grafik 3: Masern nach Altersgruppen 1. Halbjahr 2010 und 2011 im Vergleich (absolut)n (2010) = 74 / n (2011) = 130

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Altersgruppen

Grafik 4: Masern nach Altersgruppen 1. Halbjahr 2010 und 2011 im Vergleich (Inzidenz)

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20. Spezial

Campylobacter fetus

Über das Gesundheitsamt Berlin-Mitte wurde kürzlich die Erkrankung einer 24-jährigen Frau bekannt, bei der im Stuhl mittels ELISA-Antigennachweis die beim Menschen sehr selten auftretende Spezies Campylobacter fetus1 diagnostiziert wurde. Die alleinstehende Frau erkrankte am 20. Juni 2011 mit Durchfall und unspezifischen Abdominalschmerzen. Insgesamt drei Stuhluntersuchungen wurden zur Abklärung der Erkrankung durchgeführt. Bei den in Abständen von einigen Tagen entnommenen und untersuchten Stuhlproben kam es zu diesen Ergebnissen: St. v. 21.6. C. coli, St. v. 24.6. C. spp, St. v. 6.7. C. fetus.

Die Ermittlungen des Gesundheitsamts ergaben folgendes: Die Erkrankte ist als Mitarbeiterin in einer Hotelbar tätig. Es wurden keine Hinweise auf eine reiseassoziierte Infektion bekannt. Lebensmittel erwarb die Erkrankte in einem gut frequentierten Supermarkt in Berlin-

Mitte. Speiseneinnahmen erfolgten des Öfteren in verschiedenen Lokalitäten innerhalb

des Berliner Hauptbahnhofs; hier verzehrte sie, nach eigenen Angaben, u.a. Sushi, Steaks (medium) und rohes Hackfleisch.

In der Umgebung der Patientin traten zum Zeitpunkt ihrer gesundheitlichen Beschwerden keine weiteren Erkrankungen auf.

Weitere labordiagnostisch differenzierte Untersuchungen über die Nationalen Referenz-zentren des RKI waren leider nicht möglich, da das Privatlabor die Isolate jeweils wenige Tage nach der Diagnostik, dem Vernehmen nach aus Kostengründen, bereits vernichtet hatte. Eine durch das Gesundheitsamt veranlasste vierte Stuhluntersuchung verlief negativ. Ursache war möglicherweise die bereits durchgeführte Antibiotika-Therapie der Patientin2.

Die o. g. Befundreihe kann unterschiedlich bewertet werden. Zum anfänglich gefundenen C. coli etablierte sich im Krankheitsverlauf, z.B. durch

Schwächung des Immunsystems durch diese Infektion, C. fetus, der vornehmlich u.a. bei Erwachsenen mit Resistenzminderungen infolge bestehender Grunderkrankungen oder bei Immunsuppression auftritt.4 Ein diesbezüglich bestehender Gesundheitszu-stand wurde bei der erkrankten Frau jedoch nicht bekannt.

Die Spezies C. fetus ist i. d. R. mesophil (mittlere Temperaturen liebend), jedoch können sie auch thermophil (hohe Temperaturen liebend) existieren. Ungeklärt ist, welches Temperaturniveau bei der Anzucht im Labor zur Anwendung kam. So könnte angenommen werden, dass sich auch einer oder gar zwei falsch positive Befunde darunter befinden. Gemäß der ISO 10272 werden thermophile Campylobacter zur höheren Selektivität gegenüber der Begleitflora bei 42 °C durch die Labore ange-züchtet und isoliert, da diese den Hauptanteil der Campylobacter-Infektionen beim Menschen ausmachen. Daher gehen normalerweise mesophile C. fetus Stämme bei der Routineanalyse verloren. Dies könnte auch einer der Hauptgründe dafür sein, dass dieser Subtyp bei Humaninfektionen sehr selten diagnostiziert wird.

Auf Grund der ermittelten Daten kann im vorliegenden Fall mutmaßlich davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um eine Infektion durch den beim Menschen sehr selten auf-tretenden Subtyp Campylobacter fetus handelt. Es konnte zwar kein Nachweis bei den in Betracht kommenden Lebensmitteln durchgeführt werden, jedoch wurden Verzehrgewohn-heiten bei der Infizierten ermittelt, bei denen ein potentiell höheres Risiko zum Erwerb einer Infektion durch C. fetus besteht. Die weiterführenden Differenzierungen der positiven Befun-de der Erkrankten waren nicht möglich, so dass offen bleibt, ob tatsächlich die Spezies C. fetus subsp. fetus oder C. fetus subsp. venerealis auftrat.

Der heute als Campylobacter bekannte Genus wurde 1886 von dem Kinderarzt Theodor Escherich entdeckt. Er beschrieb bisher unbekannte, nicht kultivierbare spiralförmige

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Bakterien aus Stuhl- und Darmproben von an Durchfall erkrankten Jungkatzen und bezeich-nete die Bakterien Vibrio felinus.

Einige Jahrzehnte später, um 1910, wurde erneut ein vibrio-ähnliches Bakterium beschrie-ben, was im Zusammenhang mit einer Schafsseuche gefunden wurde. Um 1919 wurde schließlich über die Isolierung morphologisch ähnlicher Bakterien berichtet, die bei abortierten Rinderföten erfolgte und die Bezeichnung Vibrio fetus erhielten. In den 1940-er Jahren konnten dann in Stuhl- und Blutproben bei an Enteritis erkrankten Menschen nicht anzüchtbare und mehrfach gewundene Vibrionen nachgewiesen werden, die auf Grund ihrer Morphologie und vermuteten Epidemiologie (Verzehr von Rohmilch) ebenfalls als Vibrio fetus bezeichnet wurden. Erst im Jahre 1947 gelang erstmals die Isolierung von Vibrio fetus - im Blut von schwange-ren Frauen in Frankreich.3 Neun Jahre später wurde in Deutschland die erste Campylobac-teriose mitgeteilt. Man fand im Blut erkrankter Kinder Vibrionen, die ihr Wachstumsoptimum bei höheren Temperaturen aufwiesen.4 So wurden, zur besseren Übersicht, zwei Gruppen aufgestellt, die einerseits Vibrio fetus und andererseits vibrio-ähnliche Bakterien enthielten, die ihr Wachstumsoptimum bei 42oC hatten und bei Menschen isoliert waren. Die letztgenannte Gruppe, zu der auch einige Vibrio fetus –Stämme gehören, erhielt in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts den Namen Campylobacter, der aus dem Griechischen kommt und übersetzt „gebogene Stäbchen“ heißt. 1972 konnte erstmals aus Stuhl Campylobacter isoliert werden. Im Laufe des Jahrzehnts wurde für diesen Erreger eine Routinediagnostik etabliert, die in der Folge systematische Untersuchungen des Erregers ermöglichte und Ende der siebziger Jahre als Erreger für Gastroenteritiden beim Menschen publik wurde. Weltweit waren Anfang der Achtziger Jahre 200 Erkrankungen beschrieben, bei denen in ca. 95% der Infektionen die Subspezies intestinalis isoliert wurde, der Nachweis von Subspezies fetus war jedoch sehr selten. Seinerzeit bestand bei diesen beiden Subspezies weitgehende Unklarheit über die Infektionsquelle.5

Bis zum Jahre 2009 konnten, nach mehrmaligen Neu-Klassifizierungen in den letzten Jahr-zehnten, über 20 verschiedene Campylobacter-Spezies und zehn Subspezies zur Gattung Campylobacter zugeordnet werden.6 Darunter befinden sich u.a. die bekannten human-pathogenen Spezies C. fetus subsp. fetus, C. jejuni, C. coli. Einige der Spezies haben veterinärmedizinische Bedeutung.

Die Unterteilung der Gattung Campylobacter erfolgt nach Penner7 u.a. in „thermophile enteropathogene Spezies“ (37oC - 42oC), zu denen u.a. C. jejuni und C. coli gehören und in „andere echte Campylobacter“ (25oC - 37oC), wo u.a. C. fetus zu finden ist. Diese Gattung ist, neben den Genera Heliobacter und Arcobacter , der Familie der Campylobac-teraceae zugeordnet.

Das Rasterelektronenmikroskop zeigt eine Gruppe von gramnegativen Bakterien Campylobacter fetus, vergrößert 4.976 x © CDC 2004, Foto: Janice Carr

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Campylobacter fetus subsp. fetus kann eine Bakteriämie oder andere extra-intestinale Infektionen in immunkomprimierten Wirten, aber auch selten selbstlimitierte Durchfall- erkrankungen in vorhergehend gesunden Personen bewirken. Etablierte Komplikationen von C fetus - Infektionen beinhalten Meningitis, Endokarditis, Pneumonie, Thrombophlebitis, Sepsis, Arthritis, und Peritonitis.8

Neben Tierbeständen in der Landwirtschaft können auch Haustiere, wie z.B. Hunde und Katzen, Träger von u.a. Campylobacter spp. sein. Vorzugsweise sind Infektionen durch diesen Erreger lebensmittelbedingt, wobei nach internationalen Fallstudien als Haupt-infektionsquelle unzureichend erhitztes oder kontaminiertes Geflügelfleisch und -produkte (nicht aber Eier) in Betracht kommen. Weitere Infektionsquellen sind nicht pasteurisierte Milch, kontaminiertes, nicht aufbereitetes Trinkwasser und Heimtiere (besonders durchfall-kranke Welpen und Katzen) sowie rohes Hackfleisch.1

Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist wegen der geringen krankheitsaus-lösenden Infektionsdosis von ≥ 500 Keimen insbesondere bei Kindern möglich. Auch Infektionen beim Baden in kontaminierten Oberflächengewässern kommen vor. Krankheitsübertragende Lebensmittel und Wasser sind primär von ausscheidenden Tieren kontaminiert.1

Seit 1962 bestand eine Meldepflicht für die Erkrankung durch Campylobacter, die nach dem BSeuchG unter „Enteritis infectiosa – übrige Formen“ erfasst wurde. Seit 2001 ist nach § 7 IfSG (Labornachweis) „…der direkte oder indirekte Nachweis von darmpathogenen Campy-lobacter spp., soweit er auf eine akute Infektion hinweist.“ meldepflichtig.

Der labordiagnostische Nachweis erfolgt kulturell durch Erregerisolierung und seit 2004 auch als Antigennachweis mittels ELISA. Der Nachweis des Erregers C. fetus stellt, wie oben beschrieben, besondere Anforderungen an das Labor, da durch die Routinediagnostik das Wachstumsfenster der Subspezies, u.a. C. fetus ssp. fetus, nicht erfasst wird. Hilfestellungen kann das Nationales Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Burgstraße 37, 38855 Wernigerode; Telefon: (03943) 679-0, Telefax: (03943) 679-207 geben.

Im Zeitraum 2001-2010 stieg in Deutschland die Anzahl der Campylobacter-Enteritiden. Die Anzahl der jährlich übermittelten Fälle unterlag deutlichen Schwankungen mit einer Gesamtzunahme von 21 %. Auch im Jahre 2010 wurde im Vergleich zum Vorjahr eine bundesweite Zunahme der Erkrankungsfälle um 5 % festgestellt. Insgesamt wurden dem RKI 65.714 Campylobacter-Enteritiden übermittelt, die der Referenzdefinition entsprachen. Dies entspricht einer Inzi-denz von 80,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. In 50.999 Fällen lagen genauere Angaben zur Spezies hervor.9 Dabei entfielen in 2010 nur sechs Infektionen auf Campylobacter fetus ssp. fetus und eine einzige Infektion auf Campylobacter fetus ssp. venerealis. Im Zeitraum 2001-2011 nahmen hingegen die Nachweise dieser beiden Subspezies in Deutschland auffallend ab, wie die Abb. 1 zeigt.10

Abb.1: Übermittelte Campylobacter-Fälle nach Jahr , Deutschland, Erreger: Campylobacter fetus ssp. fetus; Fälle entspr. Referenzdefinition des RKI10

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Im Land Berlin wurden dem LAGeSo im letztgenannten Zeitraum insgesamt 30.793 Campylobacter-Erkrankung-en übermittelt. Darunter befinden sich lediglich 19 Fälle durch C. fetus. Unter diesen wurden in 16 Fällen C. fetus ssp. fetus diagnosti-ziert. Mit 21.845 Nachweisen liegt C. jejuni an erster Stelle, gefolgt von C. ssp. (5080) und C. coli (3103). Keine Differenzierungen erfolgten in 352 Fällen bei der Diagno-se C. jenuni/coli. Weitere Subspezies, die übermittelt wurden sind C. butzleri (3 Fälle), C. hyointestinalis ssp. hyointestinalis (3), C. hyointestinalis ssp. lawsonii (4), C. jejuni ssp. doylei (7), C. jejuni ssp. jejuni (455), C. lari (41), C. pylori (2) und C. upsaliensis (7). 17 Fälle waren in dem Zeitraum von 2001 bis 4.8.11 nicht ermittelbar bzw. sonstige/andere Campylobacter-Infektionen.

In Abb. 2 ist der Datenstand des LAGeSo für den Erreger Campylobacter fetus ssp. fetus aufgezeigt. Die Fälle traten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf (2 Fälle), Lichten-berg (1), Marzahn-Hellersdorf (4), Mitte (4), Neukölln (1), Pankow (1), Reinickendorf (1), Steglitz-Zehlendorf (2), Tempelhof-Schöneberg (1) und Treptow-Köpenick (2) auf.11

Das RKI hält auf seinen Webseiten weitere Informationen zu Campylobacter - Infektionen bereit. Zum Leistungsangebot des NRZ für Salmonellen und andere bakterielle Enteritis-Erreger befinden sich auf der Webseite auch Links zum Download von Begleitschein und Gebührenordnung: RKI-Startseite > Infektionsschutz > Nationale Referenzzentren > Salmonellen > Leistungen 1 Ratgeber für Ärzte - Campylobacter-Infektionen, RKI, 2006 2 Mitteilung v. Fr. Fechler, GA Berlin-Mitte v. 25.7.11 3 Vinzent, R., Dumas, J., Picard, N.: Septicémie grave au cours de la grossesse, due a un vibrion. Bull. Acad. Nat. Méd. (Paris) 131(1947) 90-92 4 Christ, P.: Über Erkrankungen durch anerobe, nicht sporenbildende Bakterien. Dtsch. Arch. Klin. Med. 203 (1956) 186-200 5 Ullmann, U., Langmaack, H., Blasius, Ch.: Campylobacteriosis des Menschen durch die Subspezies intestinalis und fetus unter Berücksichtigung sechs neuer Erkrankungen. Infection 10 (1982) Suppl. 2, 64-66 6 J. Euzéby, Laboratoire de Bactériologie, École Nationale Vétérinaire de Toulouse (ENVT), 23, chemin des Capelles, B.P. 87614, 31076, Toulouse cedex 03, France 7 Penner, J.L. in : BALOWS, A. (Hrsg.) (1991): Manual of clinical microbiology. Washington, D.C., 402-409 8 Baron S, editor. Medical Microbiology. 4th edition. Galveston (TX): University of Texas Medical Branch at Galveston; 1996. Chapter 23 9 RKI: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch für 2010, Berlin 2011 10 RKI: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 27.7.11 11 LAGeSo: SurvNet 2, Datenstand: 4.8.11

Abb.: © CDC / RKI / LAGeSo

Wir danken herzlich: - Frau Doris Fechler, Gesundheitsamt Berlin-Mitte, - Frau Dr. Kerstin Stingl, BfR, Nationales Referenzlabor für Campylobacter, Fachgruppe Lebensmittelhygiene und Sicherheitskonzepte, Abteilung für Biologische Sicherheit, Berlin, - Herrn Wolfgang Rabsch, RKI, NRZ für Salmonellen und andere bakterielle Enteritis-Erreger, Wernigerode.

Abb. 2: Übermittelte Campylobacter-Fälle nach Jahr, Land Berlin, Erreger: Campylobacter fetus ssp. fetus; Fälle entspr. Referenzdefinition desRKI11

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21. Spezial

Salmonella indiana

Erneut wurde, nach dem im letzten Wochenbericht beschriebenen Fall einer Campylobacter fetus-Infektion, ein recht seltener Erreger gastrointestinaler Beschwerden in Berlin diagnos-tiziert: Salmonella indiana. Die Ermittlungen erfolgten durch das Gesundheitsamt Fried-richshain-Kreuzberg. In diesem zentrumsnahen Berliner Bezirk wohnt der 28 - jährige be-troffene Mann, der seinen Arbeitsplatz in einer Verwaltung hat. Der Mann stellte sich am 1.7.11 beim Arzt wegen Juckreiz im Analbereich vor und berichtete diesem von „Maden-würmer“, die er, nach seinen Aussagen, im Stuhl gesehen hatte. Es erfolgte eine Stuhlab-nahme zur labordiagnostischen Abklärung, die am 11.7.11 das Ergebnis S. indiana ergab. Eine gleichzeitig durchgeführte, nicht näher bekannte Therapie führte zur Eliminierung der Würmer.1

In der Inkubationszeit hielt er sich u.a. drei Tage an der Ostsee auf (11.-13.6.11). Am darauf folgenden Wochenende (18./19.6.11) war der Mann bettlägerig wegen Bauchbeschwerden und allgemeiner Mattigkeit. Durchfall, Erbrechen oder Fieber habe er nicht gehabt. Ca. zwei Wochen vor seinem Unwohlsein habe er Hühnchen in einem Geflügel-Restaurant in Berlin gegessen. Die Ermittlungen ergaben weiterhin, dass der Betroffene kein Haustier in seiner Wohnung hält und auch keinerlei Tierkontakte hatte. Sonstige Auffälligkeiten, die weitere Hinweise auf die mögliche Infektionsquelle hätten geben können, wurden nicht bekannt.1

S. indiana gehört zur Gruppe der Subspezies S. enterica subsp. enterica im Stammbaum der Gattung Salmonella und ist ein Serovar in der Serogruppe B. Das Serovar wurde erstmals 1953 aus Stuhl eines neun Monate alten Mädchens isoliert, das wegen akuter Gastroenteri-tis in das St. Vincent‘s Hospital Indianapolis eingewiesen wor-den war. Entsprechend der Empfehlung des Enterobacteri-aceae-Sub-Committees wurde der gefundene Erreger ein Jahr später nur mit Angabe der An-tigenformel als „A new Salmo-nella serotype (4,12 : z : 1,7)“ publiziert. Der Name wurde zum ersten Mal von Kauffmann im Kauf-mann-White-Schema verwen-det und bezieht sich auf den US-Bundesstaat Indiana, in dem der erstmalige Nachweis dieses Serovars gelang.2

In der Fachliteratur finden sich umfangreiche Hinweise zum nachgewiesenen Vorkommen von S. indiana in verschiedene Tieren, so auch in Geflügel. Weniger häufig, ja sehr selten, tritt das Serovar, bei Betrachtung aller diagnostizierten Serovare, beim Menschen auf.

Zu einem großen Ausbruch, der sich in zwei Phasen vollzog, kam es im März 1981 bei einer Konferenz in den Niederlanden unter ca. 1100 Teilnehmern. Seinerzeit erkrankten 600 bis 700 Menschen durch S. indiana.3 Ein weiterer Ausbruch im Dezember 2000 betraf 17 Mitarbeiter, Verwandte und Patienten in

Dieses historische Foto von 1963 zeigt die Labortechnik, wie sie zur Durchfüh-rung eines Dia-Agglutinationstests auf serologische Gruppen von Salmonella spp. Kulturen seinerzeit vorhanden war. In der heutigen Zeit sind derartige Arbeiten nur noch mit persönlichen Schutz-ausrüstungen (PSA) (einschl. Schutzbrille, Handschuhe, Mundschutz) möglich, um die Mitarbeiter beim Umgang mit infektiösen Material zu schützen.

Foto: © CDC/ Dr. U.P. Kokko 1963

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einem Krankenhaus in Swansea, der zweitgrößten Stadt in Wales auf den britischen Inseln. Epidemiologische Untersuchungen identifizierten Sandwiches mit Ei und Mayonnaise als Vehikel, die zum Ausbruch führten. Die Quelle konnte nicht direkt nachgewiesen werden, als wahrscheinlichste Erklärung wurde nicht ausreichend erhitztes Ei für diese Sandwiches angegeben. Sandwiches waren zu dieser Zeit die am häufigsten festge-stellte Quelle von lebensmittelbe-dingten Salmonellen-Ausbrüchen in Krankenhäusern in England und Wales.4

In Deutschland traten seit 2001 nur 247 S. indiana-Fälle auf. Im Vergleich zur allen übermittelten Salmonellen-Erkrankungen in dem Zeitraum 2001 bis 2011 (Stand 10.8.11) von 541.689 Fällen ist der Anteil dieses Serovars mit knapp 0,05 % äußerst gering. Die Jahres-verteilung der Fälle in Deutschland sind in Abb. 1 dargestellt.5

Im Land Berlin kam es in diesem Zeitraum zu 11 Übermittlungen des Serovars. Die Fälle traten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf (1 Fall), Friedrichshain-Kreuzberg (2), Lichtenberg (2), Mitte (2), Neukölln (1), Pankow (1), Tempelhof-Schöneberg (1) und Treptow-Köpenick (1) auf. Nur in den Jahren 2001, 2003, 2010 und in diesem Jahr traten in Berlin über-haupt S. indiana-Infektionen auf. In Abb. 2 ist die Jahresverteilung für das Land Berlin dargestellt.5

Das RKI hält auf seinen Webseiten weitere Informationen zu Salmonella-Infektionen bereit:

RKI-Startseite > Infektionskrankheiten A - Z > Salmonellose

Informationen zum Nationales Referenzzentrum (NRZ) für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger sind ebenso abrufbar über: RKI-Startseite > Infektionsschutz > Nationale Referenzzentren > Salmonellosen 1 Mitteilungen v. Herrn Balkie, GA Friedrichshain-Kreuzberg v. 27./29.7.11 2 Kelterborn, Eckehart: Salmonella-Species. Erstbefunde, Namen und Vorkommen. First Isolations, Names, Occurrence. Leipzig: Hirzel, 1967. 190/191 S. 3 Bilthoven: Two outbreaks of salmonellosis caused by Salmonella indiana. A survey of the european summit outbreak and its consequences; The Netherlands, Laboratory for Water and Food Microbiology, National Institute of Public Health and Environmental Hygiene, Int. J. Food Microbiol. (1985) 2:185-195 4 Mason BW, Williams N, Salmon RL, Lewis A, Price J, Johnston KM, Trott RM.:Outbreak of Salmonella indiana associated with egg mayonnaise sandwiches at an acute NHS hospital. Commun Dis Public Health. 2001 Dec;4(4):300-4. 5 RKI: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 10.8.11 Wir danken Herrn Uwe Balkie, Gesundheitsamt Friedrichshain-Kreuzberg.

Abb. 2: Übermittelte Salmonella-Fälle nach Jahr, Land Berlin, Erreger: S. indiana; Fälle entspr. Referenzdefinition desRKI5

Abb.1: Übermittelte Salmonella-Fälle nach Jahr , Deutschland, Erreger: S. indiana; Fälle entspr. Referenzdefinition des RKI5

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22. Spezial

Tropische Viruserkrankungen in Italien und Griechenland endemisch

Bis 2010 wurden, im dritten Jahr in Folge, sechs Erkrankungsfälle eines West-Nil-Fiebers (WNF) in Norditalien bestätigt, darunter drei Fälle der neuroinvasiven Form. Man kann davon ausgehen, dass das West-Nil-Fieber Virus (WNFV) mittlerweile in Italien endemisch ist. Traditionell sprach man zuvor von dem tropischen West-Nil-Fieber Virus, einem Arbovirus der Virus-familie Togaviren und Gattung Flaviviren, zu denen auch die bekannteren Frühsommer-Meningo-Encephailits (FSME-)-, Gelbfieber-, Dengue- und Japan-B-Encephalitisviren zählen.

Übertragen wird das WNFV durch die auf Vögel spezialisierte Culex Mücke. Wildvögel bilden das Reservoir. Die Infektion von Men-schen und Wildpferden führt zu „Sackgassen“ in der Übertragungs-kette. Aber auch in Griechenland scheint sich der Virus zu etablie-ren, denn zwischen dem 16. Juli und 21. August 2011 wurden 31 neuroinvasive West Nil Fieber Fälle aus 4 Regionen be-richtet. Von diesen erschienen 17 in Bezirken, die in dem großen Ausbruch von 2010 nicht betroffen waren. Das Wiederauftreten der Erkrankung innerhalb von zwei Jahren und die Verbreitung in neue Gebiete spricht, wie in Italien, für den Beginn einer Endemie. In diesem Jahr wurde bisher über 56 Fälle von WNF auch aus anderen Ländern Osteuropas und des mittleren Ostens berichtet: Russland, Israel, Albanien, und Rumänien.

Klinisch ist die Infektion gekennzeichnet von einer akuten selbstlimitierenden fieberhaften Erkrankung mit zweiphasischen Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, Exanthem, Lymph-adenopathie und einer seltenen neuroinvasiven oder hämorrhagischen Form. Wahrschein-lich wegen seines unauffällig-milden Krankheitsverlaufs und des fehlenden bedrohlichen Übertragungsmusters ist WNF, außer bei hämorrhagischem Fieber, in Deutschland nicht meldepflichtig.

In den meisten WNFV-Fällen treten innerhalb von drei bis sechs Tagen nach der Infektion die ersten Symptome auf: grippeähnlichen Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, Fieber, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen. Weitere Krankheitsmerkmale sind geschwollene Lymphknoten, Hautausschlag an Rücken, Brust und Armen bei ca. einem Drittel der Patien-ten. Besonders ältere Menschen, deren Immunsystem geschwächt und die evtl. auch Vor-erkrankungen haben, sind bei einer Infektion mit dem West-Nil-Virus lebensgefährlich be-droht. Da das Virus in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, können in knapp einem Prozent aller Erkrankungen schwere Verläufe auftreten: Enzephalitis oder Meningitis.

Die Zahl der tatsächlich Infizierten könnte, auf Grund der überwiegend leichten Krankheits-verläufe, deutlich höher liegen. Bis heute ist eine wirksame Behandlung der Erkrankung nicht möglich oder unbekannt. Viele Patienten, die eine Infektion von West-Nil-Fieber

Abb.1: Karte von Nordost-Italien mit Darstellung der West-Nil-neuroinvasiven Erkrankungen und West-Nil-Fieber in Italien, 2008-2010 (n = 32). Quelle: http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=19949

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überstanden haben, sind aber zukünftig immun gegen diese Krankheit. Deswegen schätzen die Experten, dass mit jeder Infektion das Risiko einer Epidemie verringert wird.

Seit 2007 beherbergt Italien zudem eine weitere, ehemals nur in tropischen Gebieten behei-matete Togavirusinfektion, die mit Fieber und Gelenkbeschwerden einhergeht, in seltenen Fällen auch mit hämorrhagischem Fieber. Das Chikungunya Fieber Virus (CHIKV) der Gat-tung Alphavirus hatte vorwiegend in der Region des Indischen Ozeans, insbesondere in der Küstenregion Kenias, auf der Insel La Reunion und auf dem Indischen Subkontinent wie-derkehrend für Ausbrüche gesorgt, nachdem es erstmals 1957 aus dem Blut eines fiebern-den Patienten in Tansania isoliert worden war. Das Wort Chikungunya heißt „der gekrümmt Gehende“ und stammt ursprünglich aus der Sprache der Makonde, einem Bantuvolk im Südosten Tansanias. Nun wurde CHIKV in Italien durch die Infektion eines Mannes aus Kerala (ein Bundesstaat an der Malabarküste im Südwesten Indiens) eingeführt. Durch die lokalen „Tigermücken“ (Aedes albopictus) konnte sich der Infektionszyklus in Italien erhal-ten. Im Gegensatz zum WNFV benötigt das CHIKV kein tierisches Reservoir und wird von Mensch zu Mensch übertragen.

Die Einführung tropischer Viren in zuvor virusfreie Länder mit Epidemien und endemischer Etablierung scheint ein Resultat der Globalisierung und Migration von Vektoren (Mücken) und Menschen zu sein. Dank der für Mücken günstigen Wetterbedingungen (Regen und hohe Temperaturen) konnten sie sich an neue Umgebungsbedingungen adaptieren und vermehren. Obgleich sich der Schweregrad der Klinik beider Virusinfektionen nur unwesent-lich unterscheidet, zählt CHIK in Deutschland zum meldpflichtigen klinischen Syndrom „Hämorrhagisches Fieber“ gemäß §6 Abs. 1 und §7 des IfSG.

Die Situation gehäuft gemeldeter, ehemals exoti-scher Virusarten kann auch in Zusammenhang mit einer höheren Sensibilisierung der Mitarbei-ter im Gesundheitswesen und verbesserten La-borkapazitäten gesehen werden. Um die Auswir-kungen möglicher West-Nil-Fieber- und Chi-kungkunya-Virus- Ausbrüche in Ländern mit er-höhtem entsprechendem Risiko zu minimieren, ermutigt die WHO die Mitgliedstaaten zur Um-setzung geeigneter Maßnahmen. Für Reisende ist dies einfach und heißt, wie bei der Malaria, konsequente Mückenexpositionsprophylaxe.

Das RKI hält auf seinen Webseiten weiterfüh-rende Informationen zum Thema bereit. Bei der Sucheingabe des Begriffs „Klima-wandel“ kann man auf mehr als zwei Dutzend Dokumente zugreifen. Quellen:

1. WHO Europa http://www.euro.who.int/en/what-we-do/health-topics/communicable-diseases/malaria

2. Barzon L, Pacenti M, Cusinato R, Cattai M, Franchin E, Pagni S, Martello T, Bressan S, Squarzon L, Cattelan AM, Pellizzer G, Scotton P, Beltrame A, Gobbi F, Bisoffi Z, Russo F, Palù G. Human cases of West Nile Virus Infection in north-eastern Italy, 15 June to 15 November 2010. Euro Surveill. 2011;16(33):pii=19949 http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=19949

3. Danis K, Papa A, Papanikolaou E, Dougas G, Terzaki I, Baka A, Vrioni G, Kapsimali V, Tsakris A, Kansouzidou A, Tsiodras S, Vakalis N, Bonovas S, Kremastinou J. Ongoing outbreak of West Nile virus infection in humans, Greece, July to August 2011. Euro Surveill. 2011;16(34):pii=19951. Available online: http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx? ArticleId=19951

4. Poletti P, Messeri G, Ajelli M, Vallorani R, Rizzo C, Merler S. Transmission potential of chikungunya virus and control measures: the case of Italy. PLoS One. 2011 May 3;6(5):e18860. PMID: 21559329

5. CDC, 19.08.2011

6. ECDC Risk Assessment 23.08.2011

7. RKI-EpiLag 16. und 23.8.2011

Abb. 2: "Ei Floß" einer weiblichen Culex quinquefasciatus Mücke. Mücken der Culex Arten legen ihre Eier in Form von Ei-Flößen, die in stehendem Wasser schweben. Die Mücke legt die Eier einzeln ab und klebt sie zusammen zur Form eines Floßes. Ein Ei Floß kann 100 bis 400 Eier enthalten. Die Eier gehen durch Larven- und Puppenstadi-um bis zur Entwicklung in fliegende Mücken. Quelle: CDC / Harry Weinburgh, 1968

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23. Spezial

23.1. Fledermaus-Tollwut

Anfang September wurde am Lietzensee im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf eine verletzte Fledermaus gefunden, die inzwischen verstorben ist und sehr wahrscheinlich an Tollwut erkrankt war. Es war nicht auszuschließen, dass sich Menschen, die die Fleder-maus retten wollten, mit Tollwutviren infiziert haben. Deshalb erfolgte auch ein öffentlicher Aufruf an die Berliner Bevölkerung, um mögliche Kontaktpersonen finden und postexpositio-nell behandeln zu können. Ohne rechtzeitige Therapie besteht, im Falle eines Kontakts, regelrechte Lebensgefahr für Menschen, die durch Biss– oder Kratzverletzungen von er-krankten Tieren betroffen sind.

Es meldeten sich, außer der Finderin, noch mehrere Hundebesitzer beim zuständigen Gesundheits- sowie Veterinäramt des Bezirks. Untersuchungen, auch bei den Tieren, wurden durchgeführt. Eine Postexpositionsprophylaxe wurde bei zwei Frauen mit direkten Fledermauskontakten eingeleitet.

Die aufgefundene und verstorbene Breitflügelfledermaus war männlichen Geschlechts, 10 cm groß und 22 g schwer. Sie wurde zu weiteren Untersuchungen in das Landeslabor Berlin-Brandenburg gebracht. Hier wurde mittels molekularbiologischen Untersuchungen zunächst der Europäische Fledermaus-Virus Typ 1 (European Bat Lyssa Virus - EBLV-1)ermittelt.

Einen weiteren Kontakt mit einer Fledermaus übermit-telte das GA Steglitz-Zehlendorf. Hier kam es zum direkten Kontakt in einer Wohnung, als der 46- jährige Bewohner das von seiner Katze getötete Tier zwecks Untersuchung einpackte. Das Ergebnis der Labordia-gnostik war glücklicherweise negativ. Bereits kurz nach dem Fund wurde der Mann im Tropeninstitut einmal geimpft.

Die Fledermaustollwut ist eine Infektionskrankheit, die durch ein Virus verursacht wird, das sich vom klassi-schen Tollwutvirus der Fuchstollwut unterscheidet. Epidemiologisch steht die Fledermaustollwut mit der sogenannten Fuchstollwut nicht in Verbindung. Es besteht derzeit kein Risiko, sich in Deutschland mit klassischen Tollwutviren bei einem Wildtier zu infizie-ren. Auf keinen Fall sollte aber die Gefährdung unter-schätzt werden, die durch den Reiseverkehr in Toll-wut-Endemiegebiete sowie das Vorkommen der Fledermaus-Tollwut besteht. Auch wenn bislang in Europa nur wenige Fälle einer Erkrankung von Menschen durch Fledermaus-Tollwutviren dokumentiert wurden, sollten Fledermäuse – wenn überhaupt – nur von Sachverständigen oder mit festen Lederhandschuhen angefasst werden. Nach einer Bissverletzung durch eine Fledermaus ist die Gabe einer Postexpositionsprophylaxe (PEP) in jedem Fall erfor-derlich.

Im Gegensatz zur Tollwut, die gemäß den Richtlinien der Weltorganisation für Tiergesund-heit (OIE) für Deutschland Tollwutfreiheit seit 2008 attestiert, tritt die Fledermaus-Tollwut in Deutschland und Europa endemisch auf. Hier wird die Fledermaus-Tollwut hauptsächlich durch die Europäischen Fledermaus-Tollwutviren der Typen1 und 2 (EBLV-1 und -2) her-vorgerufen. EBLV-1 und -2 sind eng mit dem klassischen Tollwutvirus verwandt, durchlau-fen aber einen von diesem epidemiologisch abzugrenzenden Infektionszyklus bei insekten-fressenden Fledermäusen. Zwischen 1954 und 2009 wurden europaweit insgesamt 931

Gemeldete Fledermaus - Tollwutfälle in Deutschland (1954 – 2009); Quelle: Nationales Referenzlabor für Tollwut, FLI

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tollwut-positive Fledermäuse an das WHO Collaborating Centre for Rabies Surveillance and Research des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) gemeldet. Epidemiologische Untersuchungen ergaben, dass die Fledermaus-Tollwut signifikant häufiger im norddeutschen Flachland vor-kommt. Dies scheint mit der Verbreitung und Häufigkeit der Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) zusammenzuhängen. Diese Art, die nun auch aktuell in Berlin aufge-funden wurde, stellt offenbar das wichtigste Reservoir für EBLV-1 dar. EBLV-2 wurde bisher bei Wasser- und Teichfledermäusen Myotis (M. daubentonii und M. dasycneme) in den Nie-derlanden, in Großbritannien, in Finnland und der Schweiz nachgewiesen. Im Jahr 2007 konnte EBLV-2 auch erstmals in Deutschland bei einer Wasserfledermaus aus dem baden-württembergischen Biberach nachgewiesen werden. Dennoch traten seit 2001 weder im Land Berlin noch im restlichen Bundesgebiet humane (autochtone) Infektionen nach Bissen durch Fledermäusen auf.

Nach § 6 IfSG besteht eine namentliche Meldepflicht für den Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie den Tod an Tollwut, ebenso für die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder –ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers. Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rabiesvirus meldepflichtig.

Das RKI hält auf seinen Webseiten weiterführende Informationen zum Thema bereit. Unter dem Pfad RKI-Startseite > Infektionskrankheiten A - Z > Tollwut sind mehrere Dokumente zu dieser Infektionskrankheit abrufbar.

Quellen: Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, PM vom 5.9.2011; Dr. Deleré, “Tollwut in Deutschland: Gelöstest Problem oder versteckte Gefahr?”, EpiBull 28/2011

Indikationen für eine postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe (Quelle: www.rki.de)

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23.2. Rechtzeitigkeit von Meldungen nach dem IfSG während des EHEC-HUS- Ausbruchgeschehens

Daten zur ersten Analyse der Berliner HUS/EHEC-Meldedaten

Im Zusammenhang mit dem EHEC/HUS-Ausbruchsgeschehen wird in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit die Rechtzeitigkeit und Aktualität der Meldungen und Übermittlungen diskutiert. Die Verzögerung der Mel-dung von Infektionserkrankungen kann dazu führen, dass Ausbrüche auf Landes- und Bundesebene erst verspätet erkannt werden. Dadurch verzögern sich die erforderlichen Maßnahmen zur Untersuchung der Ausbruchsursache und zur Kontrolle des Ausbruchsgeschehens. Die un-verzügliche Umsetzung solcher Maß-nahmen ist aber insbesondere bei bedrohlichen Erkrankungen wie z.B. HUS von vorrangi-ger Bedeutung, um schwerwiegende Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden.

Eine erste vorläufige Analyse der Melde- und Übermittlungszeiträume im Land Berlin ergab für bisher 104 EHEC-Labornachweise in 2011 einen durchschnittlichen Zeitraum von 13,4 Tagen vom Erkrankungsbeginn bis zur Übermittlung an die Bundesoberbehörde, das Ro-bert Koch-Institut (RKI). Von der Meldung durch das Labor an das zuständige Gesundheits-amt bis zur Übermittlung durch das LAGeSo an das RKI vergingen im Durchschnitt 3,3 Ta-ge (47% der Fälle wurden innerhalb von 24 Stunden bearbeitet). Dieser Zeitraum wird in erster Linie für intensive Ermittlungen der Gesundheitsämter benötigt, da die reinen Labor-daten zunächst kaum Patienteninformationen enthalten. Die Labore haben erfreulicherwei-se in fast 80% der Fälle innerhalb von 24 Stunden nach Diagnosestellung gemeldet. Der durchschnittliche Zeitraum lag bei 1,3 Tagen zwischen Diagnose und Meldung durch das Labor.

Die entsprechende Analyse der HUS-Fälle ergab einen durchschnittlichen Zeitraum von 6,8 Tagen vom Erkrankungsbeginn bis zur Übermittlung an das RKI (15 von 18 HUS-Fällen mit verfügbaren Daten). HUS-Fälle wurden durch die behandelnden Ärzte erfreulicherweise in knapp 80% der Fälle innerhalb von 24 Stunden gemeldet (Durchschnitt 1,5 Tage). Von der Diagnosestellung über die Meldung an das Gesundheitsamt bis zur Übermittlung durch das LAGeSo an das RKI vergingen durchschnittlich etwa 2,1 Tage, in 75% der HUS-Fälle betrug der Zeitrahmen für diese Schiene 24 Stunden.

Insgesamt lag der Zeitrahmen in Berlin deutlich unter den im IfSG vorgegebenen Fristen nach Diagnosestellung. Die beteiligten Ärzte, Labore, Gesundheitsämter und das LAGeSo haben hier unter Nutzung moderner Kommunikationsmittel äußerst effektiv kooperiert. Der Zeitraum von Erkrankungsbeginn bis zur Diagnosestellung ist dagegen von verschiedenen Faktoren abhängig, die im Rahmen gesetzlicher Meldefristen nur schwer zu beeinflussen sind. Auszug aus dem Halbjahresbericht des LAGeSo 1. Halbjahr 2011, erschienen in „Berliner Ärzte“ Heft 9/2011;

http://www.berliner-aerzte.net/pdf/bae1109_026.pdf

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24. Spezial

Poliomyelitis - Europäische Region bleibt frei

Die Regionale Zertifizierungskommission für die Eradikation der Poliomyelitis in der Europäischen Region (RCC) gab im Rahmen ihrer 25. Tagung in Kopenhagen Ende August bekannt, dass die Euro-päische Region trotz der Einschleppung des Polio-virus vom Typ 1 im Jahre 2010 ihre Zertifizierung als poliofrei behält. Da die Länder wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen hatten, konnte die Verbreitung des wilden Poliovirus gestoppt werden. Seit September 2010 wurden keine neuen Fälle mehr gemeldet.

Die WHO-Regionaldirektorin für Europa, Zsuzsanna Jakab, äußerste sich erfreut über die neuerliche Entscheidung der RCC, die dem Einsatz der Mitgliedstaaten und Partnerorgani-sationen zu verdanken ist: „Das WHO-Regionalbüro für Europa wird weiterhin mit den Mit-gliedstaaten zusammenarbeiten, damit die Region wachsam bleibt und ihre Zertifizierung als poliofrei aufrechterhalten wird“.

Im Jahre 2010 wurden in vier Ländern – Kasachstan, der Russischen Föderation, Tadschi-kistan und Turkmenistan – 475 im Labor bestätigte Fälle des wilden Poliovirus Typ 1, darunter 30 Todesfälle, gemeldet. Bei der Tagung legten alle 53 Länder der Region, ein-schließlich derer, in denen 2010 das Poliovirus kursierte, einschlägige Informationen vor, die der RCC eine unabhängige Experteneinschätzung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Zertifizierung der Region als poliofrei ermöglichten. Die RCC prüfte die vorliegenden Erkenntnisse, um zu bestimmen, ob die Europäische Region ihre Zertifizierung als poliofrei behalten kann. David Salisbury, der Vorsitzende der RCC, lobte die Gegenmaßnahmen der Mitgliedsstaaten und insbesondere ihre Bemühungen, die Bevölkerung zu schützen und die Ausbreitung des Poliovirus zu unterbinden. Dies wurde durch abgestimmte zusätzliche Impfaktionen erreicht, die oft in Form landesweiter Impfkampagnen erfolgten.

Die RCC erkannte an, dass die Mitgliedstaaten die im Rahmen der 24. Tagung im Januar 2011 in St. Peters-burg herausgegebenen Empfehlungen zu ihrer Zufrieden-heit umgesetzt hätten. Sie erklärte, die Länder hätten ausreichend Informationen in Bezug auf die Durchimp-fung und die Schwachstellen in ihren Polio-Überwach-ungssystemen sowie den nachhaltigen Transport von Laborproben geliefert. Deshalb sei es nicht nötig, den Zertifizierungsprozess für alle 53 Mitgliedsstaaten in der Europäischen Region oder für eine Teilregion zu wieder-holen.

Die RCC erkannte auch den Beitrag bzw. die technische Unterstützung des WHO-Regionalbüros für Europa, der Partner im Rahmen der weltweiten Initiative zur Ausrot-

tung der Kinderlähmung sowie der Russischen Föderation, Indiens und der internationalen Entwicklungsbehörde der Vereinigten Staaten an.

„Wir beobachten entscheidende Fortschritte in Indien, dem Ursprungsland der Einschlep-pung in die Europäische Region im letzten Jahr, wo wir seit über sechs Monaten keinen Fall mehr hatten. Zusammengenommen sind diese Entwicklungen ein starkes Signal, dass mit ausreichender Finanzierung und politischem Willen eine schnelle Eradikation von Polio er-reicht werden kann“, sagte Bruce Aylward, der Beigeordnete Generaldirektor der WHO für Polio, Notsituationen und länderübergreifende Zusammenarbeit.

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——————————————————————————————————————————— aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 37/38/ 2011 des Landes Berlin vom 30.9.2011 www.lageso.berlin.de

Auf globaler Ebene bestehen bei der Ausrottung von Polio entscheidende Finanzierungs-lücken in Höhe von 590 Mio. US-$ bis Ende 2012.

Die weltweite Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung (GPEI) wird von der WHO, Rotary International, den United States Centers for Disease Control and Prevention und UNICEF angeführt. Seit 1988, dem Jahr der Gründung der GPEI, hat sich die Anzahl der Neuerkran-kungen um mehr als 99% verringert. Damals traten in den über 125 endemischen Ländern jährlich über 350 000 Fälle von Kinderlähmung auf. Bisher wurden 2011 (Stand: 16. August) weltweit 325 Fälle gemeldet. Nur vier Länder sind weiterhin endemisch: Afghanistan, Indien, Nigeria und Pakistan. Deutschland-Rückblick

Zwischen 1909 und 1937 gab es in Deutschland vier Polio-Epidemien, die verheerendste ereignete sich 1952. Mindestens 100.000 Menschen hatten sich infiziert, es kam zu 9.706 offiziell erfassten Erkrankungen und 776 Todesfällen. In den Gesundheitsämtern läuteten landauf, landab die Alarm-glocken. Doch zunächst gelang es in Deutschland nicht, die Seuche zu bekämpfen - auch nicht der 1954 gegründeten "Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung". Ein Jahr später schöpften die Deutschen Hoffnung: Der US-amerikanische Arzt Dr. Jonas Salk hatte einen Impfstoff gegen die Kinderlähmung entwickelt, die nach langer Prüfung für "unschädlich und wirksam" befun-den wurde. Doch die Euphorie hielt nicht lange an. Nachdem 6 Millionen Kinder geimpft worden waren, erkrankten plötzlich 204 von ihnen an Polio - schuld war ein Produkti-onsfehler eines Pharmaunternehmens.

Der Präsident der "Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderläh-mung" sprach sich gegen "ungezielte und unkontrollierte Massenimpfungen" aus. In den USA wurde nach 6-wöchiger Unterbrechung weiter geimpft - in Deutschland war man verunsichert. Daran änderte auch zunächst die Entde-ckung eines anderen amerikanischen Wissenschaftlers nichts: Albert Sabins Impfstoff gegen Polio musste man nicht spritzen, sondern man konnte ihn mit einem Stückchen Zucker einnehmen.

In der DDR warb man 1960 mit bunten Plakaten für die neue Schluckimpfung. Als sich in der Bundesrepublik eine neue Epidemie ankündigte, schickte DDR-Minister Willi Stoph 1961 ein Telegramm an den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Er machte das Angebot, "sofort 3 Millionen Einheiten des Impfstoffs von Sabin zu liefern. Da es sich um eine Schluckimpfung handelt, lässt sich die Rettungsaktion schnell und unkompliziert durchführen." Doch unmittelbar vor dem realen DDR-Mauerbau errichteten die Westdeutschen eine medien- und publikumswirksame, medizinische BRD-Mauer. Sie lehnten das Angebot aus dem Osten zunächst ab. Als sich die Epidemie jedoch weiter ausbreitete, zog der Freistaat Bayern die notwendigen Konsequenzen und verordne-te als erstes Bundesland die Einnahme des "kommun-istischen" Medikaments. Die anderen Bundesländer zogen rasch nach. Was jahrelang zu endlosen Debat-ten und Querelen geführt hatte, ging nun plötzlich im Eiltempo über die Bühne: 22 Millionen Deutsche wur-den polio-resistent. Traten 1961 noch 4600 Erkrankun-gen auf, so waren es 1962 nur noch 298 - das ent-spricht einem Rückgang von 99 Prozent!

Bis heute ist die Kinderlähmung nicht heilbar. 90 Prozent der Infizierten wissen gar nicht, dass sie jemals Polio hatten. Sie werden "von selbst" geheilt. Kritisch wird die Lage bei etwa einem Prozent der Fälle, wenn die Polioviren Nervenzellen im Rückenmark befallen. Dann kann es zu Lähmungen der Arme, der Beine oder der Atmung, zu Gehirnschäden oder gar zum Tod kommen. Bei manchen Menschen, die in ihrer Kindheit an Polio erkrankt waren, kann es auch nach Jahrzehnten zu plötzlichen Spätfolgen kommen: Müdigkeit, Muskelkrämpfe und Schwierigkeiten beim Laufen.

Quellen: WHO, Regionalbüro für Europa, Kopenhagen, 25.8.2011. BR-online, Bayerischer Rundfunk- radioZeitreisen, 5.11.2010

»Kinderlähmung droht wieder - Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam« Plakatkampagne, um 1965 (Stiftung Deutsches Hygie-ne-Museum, Dresden, Sammlung Chiron-Behring)

Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam - dieser Slogan rief dazu auf, sich gegen Polio impfen zu lassen. Als erstes Bundesland verordnete Bayern die Impfung. Der damalige bayerische Innenminister Alfons Goppel sagte 1962 über das Zuckerwasser: "Der Trunk schmeckt gut!"

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aus: Epidemiologischer Wochenbericht Nr. 39/40/ 2011 des Landes Berlin vom 14.10.2011 25

25. Spezial Norovirus - Ausbruchsgeschehen im Land Berlin in 2010

In 2010 wurden im Land Berlin insgesamt 581 Ausbrüche mit insgesamt 7.442 Fällen von Norovirus-Infektionen übermittelt.

59 Ausbrüche (10%) mit insgesamt 160 Fällen (2%) darunter standen in Zusammenhang mit Infekti-onsgeschehen in anderen Bundesländern. 38 dieser Häufungen wurden im Land Brandenburg sowie 21 Häufungen in anderen Bundesländern gemeldet. In 35 dieser 59 Ausbrüche in anderen Bundes-ländern wurde in Berlin jeweils nur ein einziger dazugehöriger Fall beobachtet.

Bei 546 Ausbrüchen mit insgesamt 7.407 Fällen wurde jeweils mehr als ein Fall im Zusammenhang mit dem Geschehen übermittelt. Darunter waren auch 24 Ausbrüche in anderen Bundesländern, bei denen mehr als ein Erkrankter in Berlin gemeldet wurde. Die Zahl von 546 Ausbrüchen mit mehr als einem Fall bedeutet eine Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr, wobei sich die mit den Ausbrü-chen in Zusammenhang stehende Fallzahl um 2% verringerte. In 2009 wurden 542 Ausbrüche mit mehr als einem Fall und insgesamt 7.572 Fällen beobachtet.

Es gab 221 Ausbrüche mit je zwei bis vier Fällen (im Vorjahr 236), 198 Ausbrüche mit 5 bis 19 Fällen (im Vorjahr 179) und 124 Ausbrüche mit 20 und mehr Fällen (im Vorjahr 104). Bei drei Ausbrüchen wurden jeweils 100 oder mehr infizierte Personen registriert. Die Zahl der Ausbrüche hat im Ver-gleich zu 2009 in Krankenhäusern, Altenpflege- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Kindertages-stätten zugenommen, in privaten Haushalten dagegen weiter abgenommen.

Den Hauptanteil am Ausbruchsgeschehen stellten die Ausbrüche in Krankenhäusern dar, wo es zu einer weiteren Zunahme im Vergleich zum Vorjahr kam. 207 Ausbrüche wurden beobachtet, was einer Steigerung um 5% im Vergleich zu 2009 entspricht, wo in Krankenhäusern 197 Ausbrüche ge-meldet wurden. In Altenpflege- und Rehabilitationseinrichtungen wurden 114 Ausbrüche registriert, was einer Steigerung um 13% entspricht, ausgehend von 101 im Vorjahr beobachteten Ausbrüchen. In Kitas wurden 63 Ausbrüche registriert, im Vergleich zu 2009 ein ausgeprägter Anstieg um 66%, als 38 Ausbrüche berichtet wurden. Die nach Häufigkeit in 2008 noch an erster Stelle stehenden Ausbrüche in privaten Haushalten gingen auch im Berichtsjahr weiter zurück und fanden sich nur noch an zweiter Position wieder. Die Verteilung der in 2010 in Berlin beobachteten Norovirus-Ausbrüche nach dem Ort des Geschehens wird in der Abbildung dargestellt.

Abbildung: Verteilung der beobachteten Norovirus-Ausbrüche mit mehr als einem registrierten Fall in 2010 im Vergleich zum Vorjahr nach Ort des infektiologischen Geschehens (546 Ausbrüche, davon 522 Ausbrüche im Land Berlin selbst und 24 Fall-häufungen in Zusammenhang mit Ausbruchsgeschehen in anderen Bundesländern)

Quelle: LAGeSo

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fehlende Angaben

andere gemeinsamer A ufenthaltso rt

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Anzahl der beobachteten Ausbrüche

2010

2009

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Zuckermaus (oben) und Zuckerrohrratte (rechts)

26. Spezial

Ausbruch des seltenen Venezolanischen hämorrhagischen Fieber (VHF)

Über PROMED wurde kürzlich berichtet, dass es im August im venezolanischen Bundes-staat Portuguesa zu einem Ausbruch des Venezolanischen Fiebers kam. Der Ausbruch beschränkte sich auf das Dorf Banco Morrones (Gemeinde Guanarito), wo innerhalb von nur zwei Wochen vier Erkrankungen auftraten. Ein Erkrankter verstarb.

Der Erreger dieser Krankheit ist das Guanarito-Virus, was zur Familie der Arenaviren der neuen Welt gehört. Es wurde 1989 erstmals beschrieben.

Zu den Symptomen des VHF gehören, neben den allgemeinen Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen typischerweise auch Zahnfleischbluten und Blutun-gen in der Haut oder Schleimhäute sowie später Krämpfe. Die hämorrhagischen Blutungen

und neurologischen Manifestationen in der zwei-ten Phase der Erkrankung sind für die hohe Mor-talität von mehr als 30 % verantwortlich.

Der Hauptwirt für das Guanarito-Virus ist die Zuckerrohrratte (Zygodontomys brevicauda). Wie auch die Baumwollratte (Sigmodon alstoni), welche möglicherweise ebenfalls mit dem

Guanarito-Virus infiziert werden kann, lebt die Zuckerrohrratte im venezolanischen Grasland. In den Jahren 1989 bis 1997 wurden 220 Fälle von VHF beschrieben. Die Infektion des Menschen erfolgt durch Kontakte zu Ausscheidungen der infizier-ten Nager.

Der Begriff Arenaviren der neuen Welt bezeichnet die Virustypen, die in Südamerika auf-treten, während das zu den Arenaviren der alten Welt gehörende Lassa-Virus in Afrika endemisch, oder wie im Falle des im Jahr 2008 in Südafrika neu aufgetretenen Lujo-Virus (mit fünf Erkrankungen, davon vier Sterbefällen), sporadisch vorkommt. Zur Familie der südamerikanischen Viren gehören weitere Typen wie das Junin-, Machupo- und Sabia-Virus.

Allen Viren ist gemein, dass sie grundsätzlich von infizierten Nagetieren verbreitet werden. Diese Nagetiere können persistierend infiziert sein und das Virus über längere Zeit aus-scheiden. Die Verbreitung des Virus innerhalb der Nagerpopulation geschieht horizontal (auf die gleiche Generation) und nicht vertikal auf den Nachwuchs. Die Übertragung auf den Menschen ereignet sich meist über Exkremente und Sekrete (Stuhl, Urin und Speichel).

Das Virus wird entweder über kleine Verletzungen in der Haut aufgenommen oder es gelangt durch Inhalation von kontaminierten Staubpartikeln und Aerosolen in die Atem-wege. Dass sich das Virus durch Aerosole übertragen lässt, wurde bei Nagetieren auch experimentell nachgewiesen. Die Infektionsdosis für Mensch und Tier wird auf 1-10 Viren geschätzt. Außerdem wurde gezeigt, dass die Viren in der Umwelt während mehrere Stunden stabil sind.

Das Junin-Virus, der Erreger des Argentinischen Hämorrhagischen Fiebers (AHF), wurde

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erstmals 1958 in der nördlichen Provinz um Buenos Aires isoliert. Das Gebiet, in dem Junin-Viren heute vorkommen, erstreckt sich vom Norden Buenos Aires bis zum Süden von Santa Fe bis Cordoba und dem Nordosten der Provinz La Pampa. Die Mortalität liegt bei 15 bis 20 %. Das Virus wird hauptsächlich durch wildlebende, kleine Nagetiere (Calomys musculinus und Calomys laucha) und in seltenen Fällen durch die Hausmaus übertragen. Die Tiere bewohnen Korn-, Mais- oder Sonnenblumenfelder und infizieren Feld-arbeiter über kontaminierten Staub und Getreideprodukte oder Aerosole, die entstehen, wenn Nagetiere von Feldmaschinen erfasst und zerkleinert werden. In einer Periode von 30 Jahren wurden ca. 21.000 Fälle registriert, mit saisonalen Schwankungen und starken Unterschieden zwischen einzelnen Jahren.

Das Machupo-Virus wurde 1964 als der Erreger des Bolivianischen Hämorrhagischen Fiebers (BHF) identifiziert. Die Verteilung des Virus scheint auf einen Teil des Departe-ments Beni im Osten Boliviens beschränkt zu sein. Infektionen ereignen sich unter norma-len Bedingungen nur in wenig bewohnten, ländlichen Regionen. Die Mortalität liegt bei 20 %. Das einzig bekannte Reservoir für das Virus ist die kurzschwänzige Ratte (Calomys Callosus), welche hauptsächlich am Rande von tropischem Grasland und tropischem Wald im Osten Boliviens, aber auch in Paraguay und im Westen Brasiliens vorkommt. Bereits in den Jahren 1959 bis 1963 ereigneten sich mehrere Ausbrüche des BHF mit über 1.000 In-fektionen. 1963 kam es in der Folge einer starken Vermehrung dieser Tiere zur Invasion der bolivianischen Stadt San Joaquin und zur Übertragung des Virus auf mehrere hundert Personen. Durch ein effektives Nagetierkontrollprogramm wurde die Epidemie beendet.

Das Sabia-Virus wurde 1990 in Sao Paulo als Erreger des Brasilianischen Hämorrhagi-schen Fiebers isoliert. Sporadische Infektionen mit dem Sabia-Virus sind in der Gemeinde Sabia in der Nähe von Sao Paulo beschrieben worden. Das natürliche Reservoir für das Virus ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass es sich dabei um ein Nagetier handelt, wel-ches in der Umgebung der kleinen brasilianischen Gemeinde Sabia in der Nähe von Sao Paulo vorkommt. Infektionen ereignen sich gewöhnlich wie bei den anderen Arenaviren über Exkremente und Sekrete. Es sind bis jetzt nur ganz wenige Infektionen mit dem Sabia-Virus bekannt geworden. Gut dokumentiert wurde aber eine Laborinfektion, bei welcher sich ein Wissenschaftler über Aerosole, die beim Zentrifugieren von kontaminiertem Material entstanden, infizierte.

Die Labordiagnose von Arenaviren sollte grund-sätzlich unter Bedingungen der Biosicherheitsstufe 4 durchgeführt werden, insbesondere wenn das Virus kultiviert werden muss. Für serologische und molekularbiologische Untersuchungen können die Proben zuvor inaktiviert und bei tieferen Sicher-heitsstufen bearbeitet werden.

Südamerikanische Arenaviren sind hochinfektiös und können via Aerosole übertragen werden. Die Viren sind in Form von Aerosolen recht stabil. Die meisten der Viren lassen sich in Zellkulturen auf hohe Konzentrationen vermehren. Außerdem verursachen die Viren schwere Krankheitssymptome und können von Patienten auch auf Dritte übertragen werden. Sie erfüllen somit wichtige Kriterien für den Einsatz als biologi-sche Waffen. Die Freisetzung der Viren im Rahmen eines terroristischen Aktes z. B. durch die Verbreitung im Belüftungssystem eines Gebäudes wäre denkbar.

Quellen: - ProMed - “Argentinisches-, Bolivianisches-, Venezuelanisches- und Brasilianisches Hämorrhagisches Fieber”, Labor Spiez, 2005 - “Flugmedizin-Tropenmedizin-Reisemedizin”, 2011; 18(5); 213 - PLoS Pathogens May 2009,Volume 5, Issue 5, e1000455 - CDC, Bildarchiv - University of Michigan, Bildarchiv

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27. Spezial

Salmonella Newport

In der Veröffentlichung “The paratyphoid B group”, Lancet I, 198, 93-97 (1920), beschrieb H. Schütze Kulturen, die 1915 anlässlich einer Lebensmittelvergiftung in Newport und 1918 bei einer großen Epidemie in einem englischen Truppenlager in Nordfrankreich von H. M. Perry isoliert worden waren. Die Epidemiologie dieses Geschehens hatten Perry und Tidy zuvor publiziert. Savage und White führten weitere serologische Untersuchungen durch, und White konnte nachweisen, dass auch der von Weil und Saxl beschriebene Stamm Pa-ratyphus ß2 zu S. Newport gehörte. Bei mehreren Kulturen aus der Sammlung des Robert Koch-Instituts Berlin, die bei einer Fleischvergiftung 1912 in Brandenburg isoliert und als “Glässer-Voldagsen”- Stämme bezeichnet wurden, handelte es sich ebenfalls um S. New-port. Die Antigenformel wurde 1930 von Kaufmann und Mitsui aufgestellt.

Synonyma: Paratyphus ß2 (Weil und Saxl) Bazillus paratyphosus B, Newport type (Schütze) Paratyphus Newport-Typ (Kauffmann) Typus Newport (Kauffmann) Salmonella Newport (Schütze) Salmonella newportensis (Haupt)

Es lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob es sich bei Newport um die Hauptstadt von Monmouthshire im Westteil von England oder um die Hauptstadt der Insel Wight handelt.1

Infektionen durch Salmonellen sind „Krankheiten und Infektionen, die auf natürlichem Wege zwischen Wirbeltieren und Menschen übertragen werden“2, so genannte Zoonosen (griechisch: zoon "Lebewesen", nosos "Krankheit"). Der Mensch infiziert sich in der Regel über den Verzehr von Lebensmitteln, aber auch über Amphibien und Reptilien, die als Haustiere gehalten werden.3

Offenbar durch den Verzehr von abgepackten „Ready-to-eat“ Salat erkrankten in England im Jahre 2001 neun Personen, darunter ein Vegetarier. Solche Lebensmittelinfektionen tre-ten, gegenüber denen tierischen Ursprungs, relativ selten auf.4 Im selben Jahr wurden u.a. S. Newport - Nachweise in Erdnüssen geführt, die aus China über Singapur in drei Länder (Australien, Kanada und Großbritannien) importiert worden waren.5

In den Monaten Mai und Juni des Jahres 2003 wurde bei 14 erkrankten Personen der Sero-typ Newport diagnostiziert. Der Subtyp trat in einem beschränkten geografischen Gebiet im Norden Frankreichs auf. Betroffen waren beide Geschlechter und alle Altersgruppen (Durchschnittsalter 24 Jahre). Alle Erkrankten hatten Pferdefleisch verzehrt. Mindestens sechs Personen nahmen es im rohen Zustand zu sich. Das Fleisch, was in verschiedenen Städten erworben wurde, hatte seinen Ursprung in sechs verschiedenen Ländern außer-halb Frankreichs, vor allen in Süd- und Nordamerika, aber auch in Europa und Ozeanien. Bemerkenswert ist, dass seinerzeit bei diesem Serotyp Resistenzen gegen Beta-Lactame (Ampicillin, Ticarcillin, Piperacillin, Cephalosporine der ersten, zweiten und dritten Generati-on mit Ausnahme von Cefepime und Imipenem) festgestellt wurden.6

Erneut kam es in Großbritannien im Jahre 2004 durch Salatverzehr zu S. Newport - Erkran-kungen. Mindestens 372 bestätigte oder vermutete Fälle, die in Lincolnshire (147), den West Midlands (95), Nordirland (113) und der Isle Of Man (17) sowie einigen weiteren Fäl-len in ganz England auftraten, wurden in einer Fallkontrollstudie untersucht. In den meisten Fällen konnte als Ursache der Verzehr von Kopfsalat gefunden werden.7

In jüngster Zeit kam es zu einem länderübergreifenden S. Newport - Ausbruch in Frank-reich, Region Annemasse (nahe Genf) und der Schweiz im Kanton Genf. Im Sommer 2010

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wurden insgesamt 32 Erkrankte, davon 24 in Frankreich ermittelt. Das statistisch höchste Risiko beim ermittelten Lebensmittelverzehr hatte ein französischer Ziegenweichkäse. Durchgeführte Untersuchungen in der verdächtigen Käserei erbrachten in 20 Fällen (bei 162 Analysen von Tieren, Milch, Käse und der Umgebung) positive Befunde auf S. New-port. Er wurde auch durch eine Stichprobe des beanstandeten Käses bestätigt.8

In einer retrospektiven Studie des Klinischen Instituts für Hygiene der Universität Wien wur-den von 1997 bis 1999 mehrere Hundert frische Kotproben von individuell in Terrarien ge-haltenen sowie freilebenden Amphibien, Schlangen, Echsen und Schildkröten auf Salmo-nellen untersucht. Aus 426 Kotproben von 35 Amphibien und 153 Reptilien wurden 69 Sal-monellen-Stämme isoliert. Während freilebende Reptilien fast ausschließlich S. arizonae beherbergten, wurde in den Terrarientieren ein unregelmäßiges Muster einer vorüberge-henden Salmonella Typ 1 - Ausscheidung beobachtet. Unter den diagnostizierten Subtypen war auch S. Newport bei Echse und Schlange gefunden worden.3 Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung teilt aktuell mit, dass ihm S. Newport - Isolate u.a. von Reptilien, aber auch von Futtermitteln für Hunde, vorliegen.9

Da nicht alle Labore diesen, nicht stark verbreiteten Salmonellentyp differenzieren können, bitten wir Sorge dafür zu tragen, dass möglichst alle Befunde der Salmonellengruppe C2 zu einer Differenzierung gelangen: Nationales Referenzzentrum für Salmonellen und andere bakterielle Enteritiserreger, Burgstraße 37, 38855 Wernigerode; Telefon: (03943) 679-0, Telefax: (03943) 679-207

Das RKI hält auf seinen Webseiten weitere Informationen hierzu bereit, Begleitschein und Gebührenordnung sind per Download ebenso verfügbar über diesen Weg: RKI-Startseite > Infektionsschutz > Nationale Referenzzentren > Salmonellen > Leistungen Aktuelle Entwicklungen im Land Berlin Seit 2011 wurde eine allmählicher, seit 2009 sogar deutlicher Rückgang der jährlichen Salmonellose-Fallzahlen festgestellt. Die Grafik 1 zeigt, dass dieser Rückgang bundesweit beobachtet wird10.

In 2011 gingen die Fälle in Berlin im Vergleich zum Vorjahr zunächst weiter zurück; in der zweiten Jahreshälfte wird in Berlin bisher jedoch ein deutlicher Zuwachs beobachtet, so dass die Gesamtfallzahlen in 2011 bis zur 46. Woche 825 erreicht haben (Vorjahresvergleich 782 Fälle). Beim Vergleich der Bezirke ergeben sich deutliche Unterschiede. Die Fallzahlen liegen zwischen 35 und 90 Fällen und die Inzidenzen zwischen 14,5 und 28,2 Fällen pro 100.000 Einwohner (Karte siehe nächste Seite).

Übermittelte Salmonellosen 2001 - 2011* in Berlin und Deutschland im VergleichStand: 24.11.2011 (* in 2011 bis 46. Woche)

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Berlin Deutschland ohne Berlin

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Im aktuellen bundesweiten Häufungsgeschehen durch Salmonella Newport ist Berlin überduchschnittlich betroffen. Bis zum 24.11.2011 wurden in Berlin 15 der Referenz-definition entsprechende Fälle übermittelt bei bundesweit etwa 70 Fällen seit dem 20.10.2011 (ca. 21%). Die Entwicklung der Fallzahlen in Berlin wird in der folgenden Epikurve dargestellt:

Karte: Kumulierte bisherige Jahresinzidenzen nach Bezirken der in 2011 nach IfSG

übermittelten Salmonellosen in Berlin (Stand: 24.11.2011)

Nach IfSG im Land Berlin übermittelte S. Newport-Fälle (n = 14) (Stand: 24.11.2011) - LAGeSo

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39.Woche

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Erkrankungsbeginn

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Das aktuelle Ausbruchsgeschehen unterstreicht erneut die grundlegende Bedeutung der Serovar-Bestimmung. Nur durch die Differenzierung wird es möglich, Ausbruchsgeschehen zu erkennen und Infektionsketten und ggf. auch Infektionsquellen ausfindig zu machen. Leider war in den vergangenen Jahren und besonders auffällig seit 2005 der Anteil aus-differenzierter Salmonellen-Serovare in Berlin rückläufig und lag in 2010 nur noch bei etwa 65%. In 2011 wurden etwa 70% bis zur 46. Woche jedoch wieder mehr isolierte Stämme ausdifferenziert als in 2010 (Grafik 2).

Quellen: 1 Kelterborn, Eckehart: Salmonella-Species. Erstbefunde, Namen und Vorkommen. First Isolations, Names, Occurrence. Leipzig: Hirzel, 1967. 283-284 S.

2 WHO-Expertenkomitee 1958

3 Mitt. Österr. Ges., Tropenmed. Parasitol. 23(2001) 39-41

4 IS Fisher, Sarah O‘Brien: Salmonella newport infection in England associated with the consumption of ready to eat salad, Euro Surveill 2001; (5)26

5 C Little: Salmonella Stanley and Salmonella Newport in imported peanuts - update, Euro Surveill 2001; (5)43

6 E Espié, FX Weill: Outbreak of multidrug resistant Salmonella Newport due to the consumption of horsemeat in France; , Euro Surveill 2003; (7)27

7 IA Gillespie: Outbreak of Salmonella Newport infection associated with lettuce in the UK, Euro Surveill 2004; (8)41

8 Bundesamt für Gesundheit Schweiz: Ausbruch von Salmonella Newport (GE) - Juli 2010, Bulletin 51 v. 20. Dezember 2010

9 Chr. Frank, RKI: S. newport; Mitt. v. 23.11.11

10 RKI: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 24.11.2011.

Grafiken: © LAGeSo

Anteil der nicht ausdifferenzierten Salmonellosenserovare 2001 - 2011*Stand: 24.11.2011 (in 2011 bis zur 46. Woche)

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Vollständig ausdifferenzierte Serovare Teildifferenzierung (Gruppen) Keine Dif ferenzierung

Grafik 2

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28. Spezial

E. coli-Enteritiden - Aktuelle Entwicklungen in Berlin

Escherichia coli, kurz E. coli genannt, zugehörig der Familie der Enterobacteriaceae, Gattung Escherichia, sind ubiquitär verbreitet. Sie treten sowohl innerhalb von warm-blütigen Organismen, als auch in der Umwelt auf. E. coli ist ein stäbchenförmiges Bakte-rium, das zu den gramnega-tiven nicht sporenbildenenden Bakterien gehört.

Der deutsch-österreichische Kinderarzt Dr. Theodor Escherich isolierte das Bakte-rium 1885 aus dem Stuhl von Säuglingen. Er stufte es als “harmlosen Schmarotzer” in der Normalflora des Darms ein. Jedoch wurden Anfang des letzten Jahrhunderts, neben dieser “Harmlosigkeit”, einige krankmachende Eigenschaften festgestellt. Der Ursprungsname des Bakteriums war „Bacterium coli commune“. Im Jahre 1919 wurde dem Erreger zu Ehren seines Entdeckers, der Name “Escherichia” gegeben. Die Gattung Escherichia ist eng mit denen der Salmonellen und Shigellen verwandt.

Primär ist E. coli, als Teil der normalen Darmflora (Dickdarm) von Mensch und Tier, kein Krankheitserreger. Ein Prozent der Darmflora sind koloniebildene E. coli-Einheiten und sind für eine ordnungsgemäße Verdauung unerlässlich.

Zur Identifizierung der unterschiedlichen Stämme ist E. coli im modifizierten Kaufmann-Schema in diverse Serovare, nach ihren über 170 Oberflächen (O)-, ca. 100 Kapsel (K)- und 56 Geißel (H)-Antigenen, eingeteilt.

Es existieren jedoch auch pathogene Typen. Die Verbreitung des Darmkeims außerhalb von Organismen erfolgt über Stuhlausscheidung und gelangt so in die Umwelt, insbesondere in Lebensmittel und Wasser. Dadurch kommt dem Keim u.a. eine hohe Bedeutung als Index- bzw. Indikatororganismus für Verunreinigungen fäkaler Art zu.

Extraintestinal pathogene E. coli (ExPEC) gehören zu den häufigsten Erregern von Harn-wegsinfektionen beim Menschen. Darüber hinaus können sie eine Vielzahl weiterer Erkrankungen wie Pneumonie, Wundinfektion, Neugeborenenmeningitis oder Sepsis her-vorrufen. Diese obligat pathogenen E. coli-Stämme gehören nicht zur physiologischen Darmflora.

Die Bezeichnungen für derartige Infektionen sind: UPEC - uropathogene E. coli NPEC - nephropathogene E. coli SPEC - meningoseptische bzw. septopathogene E. coli

Intestinale E. coli (IPEC) verursachen i.d.R. gastrointestinale Erkrankungen, wie z.B. Durchfall. Auf Grund unterschiedlicher Pathogenitätsfaktoren erfolgt die Zuordnung dieser Stämme in verschiedenen Pathovare. Derzeit sind mindestens neun E. coli-Pathovare bekannt. Von diesen sind fünf als Lebensmittel übertragbare Infektionserreger von Bedeutung, die insgesamt als enterovirulente E. coli (EVEC) bezeichnet werden:

0:169 H41 ETEC: Elekronenmikroskopische Aufnahme, coloriert

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EHEC - enterohämorrhagische E. coli EPEC - enteropathogene E. coli ETEC - enterotoxische E. coli EaggEC - enteroaggregative E. coli EIEC - enteroinvasive E. coli Weitere Pathovare sind: DAEC - diffus-adhärente E. coli NTEC - nekrotoxische E. coli CDEC/DHEC - cytolethal distending / toxin-producing E. coli

VTEC/STEC und EHEC bleiben in der nachfolgenden Übersicht unberücksichtigt, da sie, auf Grund ihrer speziellen Eigenschaften als Toxinbildner eine eigene Meldekategorie nach IfSG bilden. Im laufenden Jahr wird in Berlin ein deutlicher Anstieg der E. coli-Enteritiden beobachtet. Während im gesamten Vorjahr in Berlin 290 Fälle übermittelt wurden, sind es in 2011 Ende November bereits 541 Fälle. Die Zunahme der Fälle ist deutlich ausgeprägter als im Bun-desgebiet. Die Inzidenz liegt in Berlin im laufenden Jahr fast doppelt so hoch wie im Bun-desdurchschnitt (Grafik 1).

Grafik 1: Inzidenzen (Fälle/100.000 Einwohner) der in 2001 - 2011 nach dem IfSG in Berlin und Deutschland übermittelten E. coli-Enteritis-Nachweise (Stand: 29.11.2011; Quelle: LAGeSo und SurvStat@RKI) Welche Entwicklungen stehen hinter dieser Beobachtung? 1) Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind zunehmend betroffen

Während die Inzidenz bei den Kleinkindern bis 4 Jahre weitgehend unverändert ist, ist sie bei Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen teilweise deutlich gestiegen (Grafik 2). Der Zuwachs sowohl der Fallzahlen als auch der Inzidenzen ist auffällig stark im Altersbe-reich 5 - 49 Jahre, aber auch ab 70 Jahre und älter. 2) Weibliches Geschlecht aktuell geringfügig mehr betroffen

Während in den Jahren bis 2007 mehr Fälle männlichen Geschlechts beobachtet wurden, sind inzwischen geringfügig mehr Frauen erkrankt (in 2011 291 Fälle weiblich im Vergleich zu 252 männlich).

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Grafik 2: Inzidenzen der nach IfSG in 2001 - 2011 übermittelten E. coli-Enteritiden in Berlin nach sechs Altersklassen ab 5 Jahre (Stand: 30.11.2011; Quelle: LAGeSo und SurvStat@RKI) 3) Infektionsort im Ausland wird zunehmend ermittelt

In den Jahren 2001 bis 2009 wurde bei etwa 10-15% der Fälle ein Infektionsort im Ausland ermittelt; in 2010 und 2011 liegt dieser Anteil bei etwa 30%. Der Anteil der im Ausland ver-muteten Infektionsquelle liegt besonders hoch im Altersbereich 10 bis 69 Jahre (20% bei den 10 bis 14-Jährigen bzw. zwischen 28 und 34% bei den 15 bis 69-Jährigen). 4) EPEC weiterhin am Häufigsten, aber ETEC und EAggEC spielen eine zunehmende Rolle

In den Vorjahren wurden meist EPEC nachgewiesen. Seit 2010 werden aber auch mit 8-9% ETEC und mit 9-12% EAggEC vermehrt nachgewiesen. Der Anteil von ETEC- und EAg-gEC-Fällen ist häufiger bei den Infektionen, deren Ursprung im Ausland vermutet wird. Eine ausführliche Version dieser Darstellung, mit weiteren Daten und Grafiken, Informationen zu Häufungen sowie zusätzlichen operativen Hintergründen, ist als EPI-INFO-AKTUELL - Beilage zum epidemiologischen Wochenbericht bereit gestellt.

Quellen: Steinmüller: Escherichia coli (Teil 1 u. 2),

ErnährungsUmschau 4/2010/B13 ff. / 7/2010/B 25 ff.

LAGeSo

SurvStat@RKI

Foto: CDC/ Janice Haney Carr (2008)

Grafik: LAGeSo

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29. Spezial

Frohe Weihnachten in der Ferne

Während sich in Deutschland in diesen Tagen alles um Stollen, Tannenbäume und Weihnachtsmänner dreht, ist man in anderen Ländern dieser Erde nicht minder bemüht, das Weihnachtsfest gebührend zu begehen. Allerdings gilt hier natürlich die bekannte Regel: andere Länder - andere Sitten (und Gebräuche).

In einigen Ländern ist bereits die Advents-zeit mehr eine Zeit der Einkehr, als die des Einkaufs diverser Geschenke. Viele Osteu-ropäer, wie Slowenen, Bulgaren und Polen, die in ihrer katholischen Tradition verwurzelt sind, nutzen die Vorweihnachtszeit bis zum Heiligabend noch immer als Fastenzeit und verzichten auf tierische Lebensmittel. In Bul-garien wird eine ungerade Zahl an Gerichten vorbereitet, in der Regel sieben, neun oder dreizehn, während in Polen traditionell der Apostel wegen genau zwölf Speisen serviert werden.

Die Menschen in anderen Ländern leben in diesen Wochen dagegen weniger asketisch, was, zugegeben, mitunter auch den dort herrschenden klimatischen Bedingungen geschuldet sein dürfte. So wärmen sich die Skan-dinavier gern mit, durchaus als Glühwein de luxe zu bezeichnenden, sogenannten Glögg auf, der mit Mandeln, Rosinen oder Beeren einen gewissen Biss hat. Selbigen haben die Schweden bei ihrem Festessen mit Weihnachtsschinken, Sülze und Wurst. Dazu wird reichlich Bier und Schnaps gereicht. Auch die Kinder trinken Bier - Julmust - ein süßes, aber alkoholfreies Malzbier.

Was die Flüssigkeitsaufnahme betrifft, so zeigen sich unsere Nachbarländer Belgien und Dänemark mit dem Griff zu einem kalten Bier doch etwas profaner. Dafür ist das so ge-nannte Julebryg der Dänen ein regelrechtes, etwas stärkeres Weihnachtsbier. Die Belgier nutzen das dort nicht vorhandene deutsche Reinheitsgebot des Bieres und mixen diverse Gebräue zu unterschiedlichen Weihnachtsbiersorten zusammen.

Natürlich wird zu den Festtagen auch süße und herzhafte Nahrung gereicht. In vielen Län-dern spielt Essen eine große, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle. Zur ersten Speise-Kategorie sind die kuppelförmige Mailänder Kuchenspezialität Panettone in Italien und für Spanien Turrón, ein Nougat der klassisch aus Mandeln, Honig, Zucker und Eiklar besteht, zu nennen. Unsere französischen Nachbarn greifen zum Nachtisch beim traditionellen Weihnachtsessen dann zu Bûche de Noël – ein Biskuit-Buttercreme-Kuchen in Form eines Baumstammes. Als Hauptspeise verzehrt der als Gourmet bekannte Franzose Réveillon de Noël Austern, Schnecken, die berühmte Gänseleberpastete Foie Gras und mit Maronen gefüllten Truthahn.

Neben diesen traditionellen Speisungen sind althergebrachte Bräuche zum Weihnachtsfest in verschiedenen Ländern nicht minder interessant. In Finnland und Estland findet vor dem Essen ein Saunagang statt, in Mazedonien und Bulgarien wird man im neuen Jahr Glück haben, sofern man im selbstgebackenen Brot eine darin versteckte Münze findet.

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In Lettland hingegen wird man glücklich und reich, wenn man zu Weihnachten neun Spei-sen zu sich nimmt - sofern man davon überzeugt ist.

Nicht ganz ohne Aufwand kommen die russischen Kinder zu ihren Geschenken. Väterchen Frost und seine Enkelin Schneeflöckchen wollen zunächst ein Gedicht oder ein Lied vom zu Beschenkenden hören, erst dann klappt es mit der Bescherung.

In Schweden stellt man Heiligabend vorsichtshalber einen Milchbrei vor die Tür. Damit geben sich Jultomte und seine Tomtenissar, der Weihnachtsmann und seine Wichtel, als Gegenleistung für die Bescherung dann schon zufrieden.

In Island kommt der Weihnachtsmann gleich mit 13 Weihnachtszwergen aus den Bergen zum Geschenkeverteilen, während in Oberitalien die alte Hexe Befana dafür zuständig ist. In den Niederlanden passiert die Bescherung bereits lange vor dem Weihnachtsfest, durch den Nikolaus. Dieser kommt zusammen mit seinem Diener, dem schwarzen Piet, und einem Schimmel auf einem Dampfer von Spanien nach Holland, wo er von der Königin und dem Bürgermeister in Empfang genommen wird.

Und in Spanien kommen die Heiligen Drei Könige, los Reyey Magos, auf ihren Kamelen angeritten und bringen, in Anlehnung an die Weihnachtsgeschichte, die Geschenke. Die Kinder stellen den Kamelen zur Stärkung nach der schweren Reise Wasser und Brot vor die Tür. Blicken wir noch kurz über den europäischen Horizont hinaus, so sieht man die Amerikaner bei nicht weniger opulenten Festmahlzeiten dinieren. Hier ist der gefüllte Truthahn sozusa-gen Stand der Technik, also mehr oder weniger fakultativ. Ganz anders, der Jahreszeit entsprechend, feiert man auf dem australischen Kontinent: mit Familie und Freunden bei schönstem Sommerwetter mit einem Barbecue am Strand. Na dann: fröhliche Weihnachten überall!

Quelle: www.themenportal.de Motiv Tannenbaum: A. Peters

Foto: A. Schubert _____________________________

Die Fachgruppe Infektionsschutz / Infektionsepidemiologie des LAGeSo hat auch in diesem Jahr wieder aktuelle Informationen zur Entwicklung der epidemiologischen Situation im Land Berlin und darüber hinaus veröffentlicht und Ihnen bereit gestellt. Dabei stützten wir uns in einem großem Umfang auf die durch die Kolleginnen und Kollegen in den Berliner Gesundheitsämtern ermittelten Daten und Sachverhalte. In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen allen dafür danken, dass Sie durch Ihre engagierte Ermittlungsarbeit die erforderliche hohe Datenqualität ermöglicht haben. Wir freuen uns darauf, die sehr gute Zusammenarbeit mit Ihnen auch im nächsten Jahr fortzusetzen.

Alle Mitarbeiter der Fachgruppe Infektionsschutz/ Infektionsepidemiologie des LAGeSo

wünschen schöne Weihnachten und

viel Gesundheit im neuen Jahr!

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30. Spezial

Erste Erfahrungen und Auswertungen mit der neuen Melde- und Übermittlungspflicht nosokomialer Ausbruchsgeschehen nach IfSG § 11 im Land Berlin

Am 20.7.2011 wurde durch Änderung des IfSG eine nicht namentliche Meldepflicht für no-sokomiale Ausbruchsgeschehen eingeführt (§11 IfSG). Das RKI hat bisher für diese Melde-schiene noch kein bundesweit einheitliches Vorgehen festgelegt. Ein Vorschlag des RKI vom Oktober 2011 konnte nicht umgesetzt werden, da weit über die Vorgaben des IfSG hi-nausgehende Daten abgefragt werden sollten.

Das LAGeSo weist darauf hin, dass Häufungen durch nach dem IfSG meldepflichtige Infek-tionserreger bekanntermaßen auf dem bereits bisher praktizierten Melde- und Übermitt-lungsweg erfasst wurden. Durch den „klassischen“ Melde- und Übermittlungsweg werden somit auch nosokomiale Häufungen erfasst. Die vorliegenden Daten umfassen alle in der neuen Meldepflicht für nosokomiale Ausbrüche erforderlichen Informationen: Gesundheits-amt, Zahl der Fälle, Untersuchungsergebnis (Laborbefund), Monat und Jahr der Diagnosen und Angaben zum Infektionsweg bzw. -risiko.

In der aktuellen Diskussion auf Landes- und Bundesebene ist allerdings noch nicht ent-schieden, ob Ausbrüche regulär meldepflichtiger Erreger und Krankheiten, die wie darge-stellt bereits nach dem bisherigen Verfahren übermittelt werden, noch einmal zusätzlich als nosokomialer Ausbruch zu melden wären. Damit käme es zu Doppelübermittlungen, die zusätzlich aber unnötigerweise Ressourcen der Gesundheitsämter und Landestellen bean-spruchen.

Das LAGeSo hat die im Land Berlin seit der Änderung des IfSG Ende Juli 2011 vorliegen-den Daten für die 30. - 51. Woche 2011 ausgewertet (Stand: 22.12.2011). Insgesamt wur-den 103 nosokomiale Ausbrüche übermittelt. Davon erfolgten 99 auf dem „klassischen“ Weg und vier mittels des in Berlin umgesetzten vorläufigen Verfahrens mit einem Fax-Dokument. Weitaus am Häufigsten wurden Ausbrüche durch Noroviren übermittelt (95 Ge-schehen). Einen Überblick gibt die Tabelle. Die Fallzahlen liegen zwischen 2 und 103 Fällen (Mittelwert: 12). 50 Häufungen wiesen bis zu 5 Fälle, 37 Häufungen 6 - 20 Fälle, 13 Häufun-gen 21 - 50 Fälle und 3 Häufungen über 50 Fälle auf. 78% der Geschehen wurden aus Krankenhäusern und 22% aus Einrichtungen der Altenpflege und Rehabilitation gemeldet. 76% der Häufungen lagen im Zeitraum 45. - 50. Woche, was in erster Linie dem winterli-chen Gipfel der Norovirusinfektionen geschuldet ist.

Die Verteilung der nach IfSG übermittelten noso-komialen Ausbrüche nach Bezirken ist in der Grafik dargestellt. Den durchge-führten Ermittlungen zufolge kam es zu keinem lebens-mittelbedingten Ausbruch. Bei einem Ausbruch durch Pseudomonas mit fünf Fäl-len wurde als mutmaßliche Infektionsquelle die Trink-wasserversorgung nachge-wiesen (Gesundheitsamt Reinickendorf). Als Übertragungsweg wurde in 57 Ausbrüchen (55%) „andere medizinische/pflegerische Anwendungen“ und in 20 Geschehen (19%) „Hygienische Richtlinien wurden nicht befolgt“ angegeben.

Erreger Häufigkeit Übermittlungsweg Acinetobacter baumannii 1 neu Clostridium difficile 1 Routine Escherichia coli ESBL 1 neu Klebsiella pneumoniae ESBL 1 neu MRSA 2 Routine / neu Norovirus-Gastroenteritis 95 Routine Pseudomonas 1 Routine Rotavirus-Erkrankung 1 Routine gesamt 103 Routine

Tabelle: Nosokomiale Ausbruchsgeschehen im Land Berlin 30. - 51. Woche 2011 (Stand: 22.12.2011)

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Das LAGeSo vertritt auf Grund der aktuellen Datenlage die Auffassung, dass nosokomiale Ausbrüche nach dem IfSG meldepflichtiger Erreger und Krankheiten nicht noch einmal als nosokomiale Ausbrüche gesondert übermittelt werden sollten. Die bereits jetzt vorhandenen Daten für die nach Definition des LAGeSo nosokomialen Ausbrüche im "weiteren Sinn" sind ausreichend und werden auch den Anforderungen der IfSG-Änderung gerecht. Noso-komiale Ausbrüche im „weiteren Sinn“ umfassen entsprechende Geschehen durch Erreger, die nicht typischerweise und nicht überwiegend nosokomial übertragen werden. Daher soll-ten ausschließlich Ausbrüche durch nicht meldepflichtige nosokomiale Erreger im „engeren Sinn“, deren Übertragungsweg typischerweise und überwiegend nosokomial ist, zusätzlich durch das neue Meldeverfahren erfasst werden. Bei diesen Erregern besteht bisher keine namentliche Meldepflicht für die Einzelfallerkrankung.

Die Daten nosokomialer Ausbrüche könnten zukünftig aus beiden Quellen ("klassische" Schiene und neues Verfahren für nicht als Einzelfall meldepflichtige nosokomiale Erreger im "engeren Sinn") am LAGeSo auf Landesebene und am RKI auf Bundesebene zusammen-geführt werden. Aufgrund der knappen humanen und monetären Ressourcen sollte insbe-sondere unter Berücksichtigung der Belastungen für die Gesundheitsämter auf eine völlig unnötige Doppelübermittlung nosokomialer Ausbrüche verzichtet werden.

Grafik: Anzahl der übermittelten nosokomialen Häufungen im Land Berlin in der 30. - 51. Woche 2011 nach Bezirken (Stand: 22.12.2011)

Text, Tabelle, Grafik: LAGeSo

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Herausgeber:

Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) Fachgruppe Infektionsepidemiologie und umweltbezogener Gesundheitsschutz (I C 2)

Hr. Schubert / Fr. Hentschel / Fr. Dr. Simon / Hr. Dr. Bätzing-Feigenbaum

Turmstraße 21 Haus A, 10559 Berlin

Tel. 90229-2427 /-2428 /-2430 /-2434, Fax: (030) 90229-2096

Groupmail: [email protected], Groupfax-IfSG: (030) 90283385

www.berlin.de/lageso/gesundheit/index.html Eine Weitergabe sowie Be- und/oder Verarbeitung der Daten zu kommerziellen Zwecken ist ohne Genehmigung des Herausgebers nicht zulässig. Zur Aufnahme in den email-Verteiler zum elektronischen Bezug der epidemiologische Wochenberichte des LAGeSo senden Sie eine Mail an [email protected]

V.i.S.d.P. Silvia Kostner © 2013 LAGeSo ———————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————–-—