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14 Beobachter 14/2018

SPITAL-TRICKS - unispital-basel.ch · vertretender Chefarzt ein privat versichertes Unfallopfer. Die Rechnung liegt dem Beob - achter vor. Die Operation dauerte rund vier Stunden

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Page 1: SPITAL-TRICKS - unispital-basel.ch · vertretender Chefarzt ein privat versichertes Unfallopfer. Die Rechnung liegt dem Beob - achter vor. Die Operation dauerte rund vier Stunden

14 Beobachter 14/2018

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TEXT: GIAN SIGNORELL UND JESSICA KING | INFOGRAFIKEN: ANNE SEEGER

Spitäler und Ärzte stellen privat und halbprivat Versicherten völlig überhöhte Rechnungen. Für Operationen fordern sie bis zu 4000 Franken pro Stunde.

Doppelt abkassiert

SPITAL-TRICKSTITELTHEMA

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Antonia Graber* liess sich im Basler Claraspital die Schild-drüse entfernen. Hinterher wollte sie wissen, was der Eingriff gekostet hat. Die Rechnungskopien erhielt sie

erst auf Nachfrage. Bei der Durchsicht kam sie aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Wenn sie nur allgemein versichert gewe-sen wäre, hätte der Eingriff 9760 Franken gekostet. Graber aber hat eine Spitalzusatz-versicherung. Deshalb verrechnete das Claraspital zusätzliche 7000 Franken. «Das Spital stellte Dinge in Rechnung, die bereits von der Grundversicherung bezahlt werden, etwa ärztliche Leistungen oder medizini-sches Verbrauchsmaterial.» Die Operation dauerte weniger als vier Stunden. Die Hono-rarforderung der Chirurgin: 4650 Franken. Macht einen Stundenlohn von 1160 Franken.

Antonia Graber konnte nicht glauben, dass diese Art der Verrechnung zulässig ist. «Man kann die gleiche Leistung doch nicht zweimal verrechnen!» Sie fragte bei ihrer Krankenkasse nach, wandte sich an die Patientenstelle und dann ans Gesundheits-departement. «Es hat aber niemanden gross interessiert. Alle haben mir versichert: ‹Das isch halt eso.›»

«Wir sind transparent». Beim Claraspital versteht man die Auf regung nicht. «Unsere Abrechnungen sind transparent. Die freie Arztwahl ist eine klare Mehrleistung, die wir der Zusatzversicherung in Rechnung stellen dürfen», sagt eine Sprecherin. Wenn es neue regulatorische Anforderungen gebe, flössen sie in die Tarifverhandlungen mit den Ver-sicherungen ein.

«Neue regulatorische Anforderungen» – hinter dem Begriff stecken Umwälzungen im Markt der Zusatzversicherungen, die bei Kader- und Belegärzten und in den Chef-sesseln der Spitäler seit Monaten für Nervo-sität sorgen. Besonders im Fokus steht das Universitätsspital Basel. Mit einigen Kassen befindet sich die Klinik in einem vertrag-losen Zustand. Die Tarifverhandlungen brachten bisher kein Ergebnis. Die Zeche müssen womöglich die halbprivat und privat Ver sicherten von Assura, Concordia, Groupe Mutuel, Helsana oder Sympany zah-len. Helsana und Sympany übernehmen die Kosten nur noch bis zu einem bestimmten Höchstpreis. Die Concordia hat bislang Kos-tengutsprache nach bisheriger Tarifhöhe geleistet und vergütet die Rechnungen in diesem Umfang. «Beträge darüber hinaus und Doppelverrechnungen von Arzthono-raren werden beanstandet», sagt Astrid Brändlin von der Concordia.

Den Konflikt losgetreten hat das Bundes-amt für Gesundheit (BAG) vor gut zwei Jah-ren – mit einem internen Papier mit dem Titel «Doppelte Vergütung von ärztlichen Leistungen». Es liegt dem Beobachter vor. Darin heisst es, dass das Bundesamt Kennt-nis erhalten habe, dass einige Spitäler die Arzthonorare von Beleg ärzten sowohl der Grundversicherung als auch der Zusatzver-sicherung verrechnen. Damit verletzten die Kliniken den sogenannten Tarifschutz. Da-nach dürfen Ärzte und Spitäler für ihre me-dizinischen Leistungen maximal den von den Behörden festgelegten Tarif verlangen.

Das BAG schaltete die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) ein, die für die Überwachung der Zusatzversicherungen zuständig ist. Resultat der Untersuchungen: Bei vielen Rechnungen von Ärzten und Spi-tälern war kaum nachvollziehbar, welche Leistungen überhaupt erbracht wurden und in welchem Verhältnis diese Leistungen zu den verlangten Preisen stehen. Solche Rech-nungen zu bezahlen stelle eine Verletzung der Grundsätze der guten Unternehmens-führung dar.

Der undurchsichtige Sondertarif. Problema-tisch sind insbesondere Tarifverträge nach dem Top-down-Prinzip. Dabei werden die Leistungen des Spitals und der an der Be-handlung beteiligten Ärzte nach einem Son-dertarif abgerechnet, der mit der Zusatzver-sicherung ausgehandelt wurde. Mehrleis-tungen wie Hotellerie und freie Arztwahl werden nicht gesondert ausgewiesen. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt denjenigen Teil, den sie allgemein versicherten Patienten bezahlen würde. Der Rest wird der Zusatzversiche-rung in Rechnung gestellt. Diese Beträge sind oft um ein Mehrfaches höher als der OKP-Anteil.

Laut Bundesgericht dürfen der Zusatz-versicherung aber nur echte Mehrleistun-gen verrechnet werden: Leistungen, die bei allgemein versicherten Patienten nicht be-zahlt werden. Dazu gehört etwa eine luxu-riösere Hotellerie oder die freie Arztwahl.

«Wir erwarten von den Zusatzversiche-rungen, dass sie nur Abrechnungen für ech-te Mehrleistungen ausserhalb der obligato-rischen Grundversicherung akzeptieren. Diese Vorgabe veranlasste offenbar verschie-dene Zusatzversicherungen, die Top-down-Verträge zu kündigen», so Finma-Sprecher Mathys Vinzenz. Neu müssen Ärzte und Spitäler nach dem Bottom-up-Prinzip Rech-nung stellen: Sondertarife sind separat aus-zuweisen, damit überhaupt ersichtlich wird, welche Leistungen erbracht wurden.

*Name geändert

1160Franken Stundenlohn verrechnete eine Chirurgin für die Entfernung

einer Schilddrüse.

«Man kann doch nicht die gleiche Leistung zweimal verrechnen! Aber alle haben mir versichert: ‹Das isch halt eso.›»Antonia Graber*, Patientin FO

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Bis zu 2,5 MillionenFranken verdienen Chefärzte, wenn sie ihre Einnahmen aus verschiedenen Quellen geschickt optimieren.

Satte Saläre für die ChefsSo viel verdienen Ärzte, die an Spitälern mit über 300 Mitarbeitern angestellt sind; in Franken pro Jahr.

die Schlechtverdiener: der «unterste» Viertel die Normalverdiener: das Mittelfeld (Medianlohn: Die Hälfte verdient mehr, die andere Hälfte weniger)

die Bestverdiener: der «oberste» Viertel

Assistenzarzt

Oberarzt

Leitender Arzt

Chefarzt und Klinikleiter

Schweizer Medianlohn78 000

DIE ÄRZTE

FixGrundlohn, Zulagen, Lohnnebenleistungen, Pensionskasse, Dozententätigkeit

VariabelBehandlung von Privatpatienten, Honorare, Gutachten

Externeigene Praxis, Arbeit als Belegarzt

500 Millionen Franken könnten jährlich gespart werden, wenn die Löhne der Spitalärzte auf eine halbe Million begrenzt würden.

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DIE SPITÄLER

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4,6 Mrd.Ärzte

1,8 Mrd.Medizinisches Personal

4,5 Mrd.Administratives Personal

5,3 Mrd.Pflegende

16 MilliardenFranken geben die

176 grössten Spitäler für Löhne aus. So verteilt sich die Summe auf die Angestellten.

= 5000 Vollzeitstellen

Jeder 13. Spitalaufenthaltwäre aus medizinischer Sicht unnötig und ist nur darauf zurückzuführen, dass Patienten halbprivat und privat versichert sind. Ihre Behandlung ist für Spitäler und Ärzte lukra­tiver als diejenige von allgemein Versicherten.

25% der Ein­nahmen im stationären

Bereich erwirtschaften die Spitäler durch die Behandlung von zusatz­versicherten Patienten.

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Die Aktivitäten der Finma kamen nicht überall gut an. Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli wollte die Behörde zurückbinden und reichte im März 2017 eine parlamenta-rische Initiative ein. Damit wollte er die Auf-sichtsfunktion der Finma bei den Zusatz-versicherungen einschränken. «Die Finma greift unverhältnismässig in die unterneh-merische Freiheit ein», sagt Dittli.

Letzten Dezember wurde Dittli zum Präsidenten des Krankenkassenverbands Curafutura gewählt, als Nachfolger von Bun-desrat Ignazio Cassis. Curafutura zahlt Dittli für das 40-Prozent-Pensum 140 000 Fran-ken. «Ich habe mich nicht kaufen lassen», versicherte er gegenüber der «NZZ».

Nach den Untersuchungen der Finma steht der Verdacht im Raum, dass Spitäler und Ärzte den Kassen und damit den Prä-mienzahlern jahrelang überhöhte Rechnun-gen gestellt haben. Kaum ein Spital oder Arzt will sich zu den Vorgängen äussern. Viele Kliniken antworteten auf Fragen des Beobachters ausweichend oder gar nicht, verwiesen auf das Geschäftsgeheimnis oder empfahlen, sich an die Verbände zu wenden.

Vom Verband Privatkliniken Schweiz wollte der Beobachter wissen, an welchen Grundlagen sich die Privatspitäler bei den Tarifverhandlungen mit den Zusatzversi-cherungen orientieren. «Das ist eine Frage der individuellen Verhandlungsstrategien der Mitglieder einerseits und der indivi-duellen Zusatzversicherer anderseits. Wir kennen diese Strategien und Orientierungs-punkte nicht», sagt Generalsekretär Guido Schommer. Der grösste Spitalverband H+ teilt mit: «Wir sind nicht in die Tarifverhand-lungen eingebunden.»

«Erstaunt, wie unehrlich es zugeht». Tarife, Honorare und Abrechnungsmethoden an der Grenze zur Illegalität – das ist eines der grossen Tabus im Gesundheitswesen. «Ich bin immer wieder erstaunt, wie unehrlich es in diesem Bereich zugeht», sagt ein Gesundheitsökonom, der anonym bleiben will. Er hat eine lange Liste von Tricksereien zusammengestellt, die zeigt, wie Leistungs-erbringer versuchen, ihre Einnahmen zu maximieren. Zwei Beispiele:�Wo Spitäler und Heime mit Tagespauscha-len abrechnen, wird bei einem Abteilungs-wechsel traditionell der Austrittstag der einen Abteilung zugleich als Eintrittstag der anderen Abteilung verbucht, derselbe Tag also zweimal in Rechnung gestellt.� Laboruntersuchungen werden bei spital-internen Wechseln in eine neue Abteilung auch dann in Auftrag gegeben, wenn eigent-lich noch gültige Resultate aus einer früher

erfolgten Untersuchung zur Verfügung stehen.

Der Gesundheitsökonom Heinz Locher spricht in diesem Zusammenhang gar von einem «Schweigekartell» (siehe Interview, Seite 22).

Darauf deutet eine 30-seitige Spitalrech-nung für einen privat versicherten Patienten hin, die dem Beobachter vorliegt. Behandelt wurde eine hochkomplexe Nervenstörung. 131 000 Franken fordert die Klinik, 77 000 Franken mehr, als die gleiche Behandlung für allgemein Versicherte gekostet hätte. Die Rechnung enthält seitenweise Posten wie nicht näher spezifizierte «Arztleistungen», Laboruntersuchungen oder medizinisches Verbrauchsmaterial. «Wir haben bei sol-chen Rechnungen keine Chance, zu über-prüfen, ob alle diese Leistungen nötig waren. Oder schlimmer noch, ob sie überhaupt erbracht worden sind», sagt eine Mitarbei-terin einer Krankenkasse.

Ein hoher Vertreter einer anderen Kran-kenkasse erzählt, wie Tarifverhandlungen mit Spitälern verlaufen können: «Die Spital-vertreter fordern 20, 50, manchmal gar 100 Prozent höhere Pauschalen – ohne zu

«Die Spitäler fordern 20, 50, manchmal gar 100 Prozent höhere Pauscha len – ohne jegliche Begründung.»Ein Kadermitglied einer Krankenkasse

77000Franken mehr verlangte

ein Spital, weil der Patient privat versichert war.

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28,5 Milliarden Franken Krankenkassenprämien haben wir 2016 in die Grundversicherung gezahlt. Das entspricht knapp 3400 Franken pro versicherte Person. 2018 werden die tatsächlichen Gesundheits­ausgaben erstmals 10 000 Franken pro Einwohner überschreiten.

10,2 MilliardenFranken haben wir 2016 für Zusatzversicherungen ausgegeben. Seit 20 Jahren steigen die Kosten kontinuierlich.

DIE VERSICHERUNGEN 21%

Halbprivat- undPrivatversicherte

79%Allgemein-versicherte

Jeder 5. ist halbprivat oder privat

versichert, schätzt das Bundesamt für Gesundheit.

Ältere schliessen eher Zusatzversicherungen ab

als Junge.

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begründen, warum diese krassen Steige-rungen gerechtfertigt sein sollen.» Deshalb begännen mit solchen Forderungen oft langwierige Tarifkämpfe.

Die Kassen sitzen am kürzeren Hebel. Sie haben ihren Versicherten die freie Spital- und Arztwahl versprochen und sich damit praktisch in Geiselhaft von Spitälern und Ärzten begeben. Das wissen diese und konnten deshalb ihre Preisforderungen meist durchsetzen.

«Wir beanstanden häufig die Höhe der Privathonorare», sagt Karin Devalte von der Krankenkasse Assura. «Manchmal sogar mit Erfolg, trotz der geringen gesetzlichen Handhabe gegen diese Exzesse. Von den Massnahmen der Finma erwarten wir viel. Wir hoffen, dass der Druck dazu führt, dass die Ärzte ihre Honorarforderungen senken.»

Am Basler Unispital operierte ein stell-vertretender Chefarzt ein privat versichertes Unfall opfer. Die Rechnung liegt dem Beob-achter vor. Die Operation dauerte rund vier Stunden. Allein für die ärztliche Leistung verrechnete das Spital 10 500 Franken. Ein anderer Chefarzt operierte während dreier Stunden eine Hand. Der Eingriff wird von der obligatorischen Krankenversicherung pau-schal mit 18 000 Franken vergütet. Von der Zusatzversicherung forderte das Spital für die ärztlichen Leistungen des Chefarztes weitere 12 000 Franken. Das entspricht einem Stundenlohn von 4000 Franken.

«Nur rund die Hälfte dieser Beträge kommt direkt den Ärzten zugute», wehrt sich Thomas Pfluger, Mediensprecher des Universitätsspitals Basel. «Aus Vergleichen wissen wir, dass unsere Ärzte gemessen an anderen öffentlichen Spitälern markt-gerecht abgegolten werden. Im Vergleich mit Privatspitälern ist die Entgeltung eher tiefer.» Die ärztlichen Leistungen würden nach dem Spitalleistungskatalog 1992 ver-rechnet, der heute noch in unveränderter Form gültig sei.

Mehr als eine halbe Million im Jahr. Leitende Ärzte und Chefärzte in Spitälern gehören zu den Topverdienern. Ihr Jahresgehalt liegt im Mittel bei 584 000 Franken, berechnete der Vergütungsexperte Urs Klingler, gestützt auf Daten des Bundesamts für Gesundheit. Bei demjenigen Viertel, der am besten ver-dient, sind es sogar 754 600 Franken (siehe Grafik, Seite 17). «Wenn man die Vergütung von Spitalärzten auf eine halbe Million be-grenzen würde, könnten jährlich 500 Millio-nen gespart werden», sagt Klingler.

Klinglers Zahlen sind umstritten. Er prä-sentierte sie erstmals im Februar in einem Bericht der «Rundschau». Die Verbindung

der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) rief in einem Communiqué zu einer «sach-lichen, faktenbasierten Diskussion» auf. Falls die Informationen zutreffen, würde die FMH Chefarztlöhne in der behaupteten Höhe nicht unterstützen. Der langjährige Spitaldirektor Beat Straubhaar sagte aber, die Zahlen ergäben «ein völlig falsches Bild». Er habe im letzten Jahrzehnt in keinem Spital einen Chefarztlohn von einer Million oder mehr gesehen.

151 Franken pro Minute kassiert. Ähnlich ho-he Honorarforderungen wie die Kaderärzte stellen auch Belegärzte. Das sind Mediziner mit eigener Praxis, die nur in ein Spital kom-men, um ihre Patienten zu operieren. Dafür mieten sie vom Spital Infrastruktur und Per-sonal. An der Klinik Im Park, einer «familiä-ren Privatklinik auf höchstem Standard an idyllischer Lage am linken Zürichseeufer», operierte ein Facharzt einen Patienten an der Wirbelsäule. Der Eingriff dauerte laut Rechnung 133 Minuten. Der Spezialist ver-rechnete dafür 11 220 Franken. Ein anderer

Arzt- und Spitalrechnungen müssen per Gesetz «detailliert» und «verständlich» sein. Wenn Ihnen die Rechnung zu hoch erscheint oder inkorrekt, können Sie Folgendes unternehmen:� Fragen Sie beim Arzt oder

beim Spital nach und fordern Sie eine Erklärung.

� Falls weiter Unklarheiten bestehen, besprechen Sie diese mit Ihrer Krankenkasse.

�Wenn Fragen offenbleiben: Ombudsstelle Krankenver-sicherung, Morgartenstrasse 9, 6002 Luzern, Tel. 041 226 10 10 (werktags von 9 bis 11.30 Uhr); www.om-kv.ch

Riesen-Rechnung – was tun?

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Orthopäde stellte für einen Wirbelsäulen-eingriff 19 960 Franken in Rechnung. 132 Minuten hatte die Operation gedauert. Der Minutenlohn: 151 Franken.

Wie kann man derart hohe Honorarfor-derungen rechtfertigen? Ärzte und Klinik antworteten nicht auf eine Anfrage des Be-obachters. «Das sind Einzelfälle. Der aller-grösste Teil der Belegärzte gibt sich Mühe, anständig und korrekt abzurechnen», sagt Voja Lazic vom Verband der Belegärzte. Mit den Honoraren werde die komplette Leis-tung am Patienten abgegolten. Eine Um-rechnung in Stundenansätze verfälsche die Rechnung. Die Preisgestaltung im Bereich der Zusatzversicherungen sei frei und un-terliege dem Wettbewerb. «Wenn in Einzel-fällen das Honorar nicht angemessen er-scheint, ist es an der Zusatzversicherung, einzugreifen», so Lazic.

Exzessive Honorarforderungen sorgen zunehmend auch in der Politik für Kopf-schütteln. «In Zürich ärgern sich viele über die masslosen Löhne des medizinischen Kaders. Auch gut informierte Kreise im Gesundheitswesen», sagt der Winterthurer SP-Kantonsrat Andreas Daurù. Er forderte in mehreren Vorstössen Lohntransparenz bei den Kaderärzten der öffentlichen Spitä-ler sowie Massnahmen gegen Exzesse.

Bundesrat «verunglimpft» Ärzte. Wenn ein-zelne Spezialisten mehr als eine Million Franken pro Jahr verdienten, sei das nicht akzeptabel, monierte Gesundheitsminister Alain Berset Ende Januar in der «Tages-schau». Der Präsident der Chirurgen, Josef Brandenberg, wehrte sich darauf in einem offenen Brief und warf dem Bundesrat Ver-unglimpfung von Ärzten vor.

Mehr Klarheit soll eine Studie schaffen, die das BAG in Auftrag gegeben hat. Sie ist notwendig. «Die letztmalig systematisch erhobenen Daten zu den Ärzteeinkommen beziehen sich auf das Jahr 2009. Der Bun-desrat ist der Ansicht, dass hier Transparenz geschaffen werden muss», sagt Bersets Sprecherin Nicole Lamon. Die Resultate der Studie werden im Herbst vorliegen.

Bald soll es auch eine Studie geben, die aufgrund von soliden Kennzahlen Betriebs-vergleiche von Spitälern möglich macht. Vor allem die Zahlen zu Kosten und Ergebnis-qualität dürften dann bei der Prüfung von Tarifen zum Zug kommen. Die entsprechen-de gesetzliche Vorgabe ist seit 2009 in Kraft, der Bund hat aber erst 2014 etwas unternom-men. BAG-Sprecher Jonas Montani gibt den Schwarzen Peter weiter: «Die Kantone müs-sen ausreichend einbezogen werden. Das hat zu gewissen Verzögerungen geführt.» n

Beobachter: Einzelne Ärzte verrechnen Stundenansätze von 4000 Franken. Überrascht Sie das?Heinz Locher: Ja und nein. Das ist natürlich schlicht eine Abzockerei auf Kosten des Prämienzahlers. Solche Exzesse sind aber ein Stück weit im System der Zusatzversi-cherungen angelegt. Es gibt keine andere Branche, wo die Chefs ihr Einkommen selbst festlegen kön-nen. Nur im Gesundheitswesen ist das möglich.

Belegärzte und Privatspitäler argumentieren, Zusatzversiche run­gen seien freiwillig. Die Allgemein­heit werde nicht geschädigt.Das stimmt eben genau nicht. Hohe finanzielle Anreize führen dazu, dass mehr behandelt wird als nötig. Diese Mengenausweitung geht zu Lasten der allgemeinen Kranken-versicherung. Sie muss nämlich für diese unnötigen Behandlungen der Zusatzversicherten den genau glei-chen Betrag zahlen, den sie auch für einen allgemein Versicherten aufgebracht hätte.

Trifft die Versicherungen eine Mitschuld?Sowohl Ärzte und Spitäler als auch die Zusatzversicherungen mach-ten gute Geschäfte. Der Deal funk-tionierte für beide Seiten. Weil alle profitierten, gab es unter allen Be-teiligten eine Art Schweigekartell.

Die Versicherungen argumentieren, sie hätten kaum eine gesetzliche Handhabe.Für die bestehenden Verträge mag das zutreffen. Bei den Neukunden hätten sie aber ohne weiteres neue Modelle einführen können, bei de-nen nur Rechnungen bis zu einer vorgängig ausgemachten Höhe bezahlt werden. Wenn der Versi-cherte eine zu teure Leistung in Anspruch nehmen will, muss er die Differenz selber zahlen.

Wird das Eingreifen der Finanzmarktaufsicht etwas ändern?Die Finma ist jetzt endlich aufge-wacht und hat die Zügel angezogen. Das ist sehr erfreulich. Sie hat mei-ner Meinung nach viel zu lange zu-gesehen und die Versicherten zu wenig vor Missbrauch geschützt, obwohl sie gesetzlich dazu ver-pflichtet war. Allerdings wird sie von den Profiteuren unter Druck gesetzt. Den parlamentarischen Vorstoss des Urner FDP-Ständerats und Curafutura-Präsidenten Josef Dittli, der die Finma zurückbinden will, finde ich schlichtweg skan-dalös (siehe zu diesem Thema auch Seite 19, oben).INTERVIEW: GIAN SIGNORELL

BEHANDLUNGSKOSTEN. Ärzte, Spitäler und Kassen machten gute Geschäfte, sagt Gesundheitsökonom Heinz Locher. Es habe ein Schweigekartell gegeben.

«Abzockerei auf Kosten der Prämienzahler»

Heinz Locher ist Gesundheitsökonom. Er war Mitglied der Expertengruppe des Bundesrats zum Gesundheitswesen.

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