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SAMSTAG/SONNTAG, 3./4. MAI 2014 SPORT 29 VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED TOBIAS SCHNEIDER Bamberg — Das Coaching beim Basket- ball erfordert vollen Körpereinsatz. Es wird gefuchtelt, die Finger verbogen und ausladend gestikuliert. Chris Fle- ming, Trainer der Brose Baskets, ist ein Musterbeispiel dafür – ein emotionaler, aber dennoch kontrollierter Vertreter seiner Zunft. Die nonverbale Kommu- nikation beschränkt sich aber nicht nur auf rein taktische Anweisungen, jeder Mensch sendet durch seine Körper- sprache Signale, ob er möchte oder nicht. „Als Mensch wollen wir wirken. Und gerade Persönlichkeiten des öffentli- chen Lebens wissen um diese Ausstrah- lung. Es sind aber diese Sekunden, in denen man sich unbeobachtet fühlt, an denen wir einiges ablesen können“, sagt Michael Ehlers, Rhetorik-Trainer und Kommunikations-Experte aus Bam- berg. Wie ein Trainer sich an der Seitenli- nie verhält, ob er aggressiv oder ruhig agiert, ob er pessimistisch oder zuver- sichtlich handelt – all das überträgt sich in der Regel auch auf Mannschaft und Fans. Wer beispielsweise schon mit hängenden Schultern in die Arena ein- läuft, gibt seinen Mitstreitern natürlich nur wenig Zuversicht in die eigene Leistungsstärke. „Die Körpersprache ist viel älter als die Sprache des Mundes oder gar der Schrift. Heutzutage deuten Wissenschaftler sogenannte Mikro- ausdrücke. Das sind kleine mimische Muskelzuckungen, die in nur einer Fünftelsekunde eine Emotion wider- spiegeln: Freude, Angst, Ekel, Wut, Überraschung, Trauer oder Verach- tung“, sagt Ehlers. Körpersprache und Ausstrahlung ist in jedem Mannschaftssport elementar, bei den Basketballern der Brose Baskets aber besonders. Dort sorgt alleine schon der lautstarke An- hang dafür, dass die eigene Stimme nach wenigen Metern von den zahl- reichen Trom- meln er- barmungslos verschluckt wird. Umso wichtiger ist die Präsentation des eige- nen Ichs. „Die Wirkung auf das Umfeld – Mannschaft, Fans, aber auch Gegner – ist enorm. Der Trainer als Bezugsper- son strahlt natürlich auch aus, ob die Zuversicht echt ist oder nicht.“ Freitagabend, vergangene Woche, Bundesliga-Heimspiel gegen Olden- burg. Dass diese Partie für Fleming und die Brose Baskets mit einer 75:82-Nie- derlage enden wird, ist dem Coach da noch nicht anzusehen: Hände fest in die Hüfte gepresst, Brust raus, Kopf nach oben gereckt, optimistisches Lächeln. Was Fleming ausstrahlt, unmittelbar vor dem Tipp-Off, ist die absolute Zu- versicht. „Fleming führt stark mit Gesten und wirkt immer positiv – ein Trainer, wie er im Buche steht. Doch wenn seine Spieler ihn enttäuschen, seinen Erwar- tungen nicht gerecht werden, ist auch bei ihm zu sehen, was in ihm vorgeht. Denn wir können die wahren Emotio- nen eben nicht verstecken“, sagt Eh- lers. Auch Chris Fleming kann das nicht. Und wenn er wütend wird, sieht man es ihm auch an. Je weiter das Spiel gegen Oldenburg voranschritt, je gerin- ger die Aussicht auf einen Sieg war, des- to angespannter und unzufriedener wirkte auch der Brose-Coach. Enttäu- schung ist bei Fleming ideal an seinen Schultern abzulesen, die Körperspan- nung nimmt dann rapide ab, die Schul- tern hängen – und die Arme baumeln nur herunter. „Eigentlich ist er gegen eine solche Reaktion chancenlos, das passiert automatisch. Fleming aber ist ein grundpositiver Mensch mit einer enormen Fachkennt- nis, er findet nach jeder Ent- täuschung zu einem Plan und baut sich sofort wie- der auf“, sagt Ehlers. Nicht nur sich. Auch seine Mannschaft richtet er wieder auf. Zwar ging das Oldenburg-Spiel in die Bin- sen, doch in zwei Auftritten danach (82:71 beim Mittel- deutschen BC und 88:68 gegen Bonn) durften die Brose Baskets jeweils mit breiter Brust das Parkett verlassen – genau so, wie sich Ge- winner eben präsentieren. Bamberg — Bei Wolfgang Heyder von Tiefenentspanntheit zu reden, wäre sicher grundfalsch. Das wilde Fuch- teln bei strittigen Szenen, lange Zeit eine Art Markenzeichen des Ge- schäftsführers, suchte man mittler- weile vergebens. Obwohl die Nieder- lage gegen Oldenburg und manch Schiedsrichter-Entscheidung durch- aus Anlass für eine emotionale Ereife- rung hätte sein können: Heyder ließ seine Arme eng am Körper, wirkte je- derzeit voll kontrolliert. Nur an den sich bewegenden Augenbrauen, den zusammengepressten Lippen und dem festgezurrten Kiefer war hin und wieder sein Frust über das Gesehene ablesbar. „Ab und zu kann er einfach nicht mehr. Besonders bei Enttäu- schungen. Dann geht er zwei Schritte nach hinten. Kopf kurz runter, sam- meln, zurück in die versteinerte Posi- tion. Er ist in dieser Saison auffällig kontrolliert, es ist eindeu- tig ein neuer Heyder“ , analysiert Ehlers. Bamberg — Manchmal wirkte der Gesichtsausdruck von D’or Fischer, als trüge er ge- gen Oldenburg das gesamte Leid der Menschheit auf sei- nen Schultern. Und diese sackten von Spielminute zu Spielminute immer weiter ab. Manchmal verarbeitete der US-Amerikaner auf der Bank sitzend noch minutenlang ei- ne vorangegangene Szene, den Kopf schüttelnd oder wahlweise zum Boden ge- senkt. Das Spiel lief natürlich längst weiter. Das Auffallende, zumin- dest an diesem Tag: Einen erzielten Korb feierte Fi- scher ebenso ausgelassen wie er einen eigenen Fehler beklagte. Am Erfolg oder Misserfolg des gesamten Teams schien er auf dem ers- ten Blick aber einen nicht so großen Anteil zu nehmen. „Was vielleicht arrogant wirkt, ist genau das Gegen- teil“, sagt Ehlers dazu: „Fi- scher ist hochgradig selbstre- flektiert. Der Zuspruch vom Team ist sehr wichtig und gibt ihm merklich Sicherheit. Er ist ein Spieler, der das Team und das Publikum braucht wie kein anderer. Fi- scher kann alles erreichen. Es gibt nur eine Person, die den Erfolg verhindern kann: er selbst.“ Fotos: Matthias Hoch BASKETBALL Die Körpersprache besitzt in jedem Teamsport eine große Bedeutung. Gerade dort, wo es so laut ist, dass man sowieso nichts hört. Ein Besuch bei den Brose Baskets, eine seltene Niederlage und was die körperlichen Reaktionen über die Gemütswelt verraten. Wenn der Körper mehr sagt als Worte Heyder erfindet sich neu Kleine und große Dramen des D’or Fischer Fleming führt stark mit Gesten und wirkt immer positiv – ein Trainer, wie er im Buche steht.“ Michael Ehlers, Rhetorik-Trainer und Kommunikations-Experte Die „Fleming-Hocke“ – eine Position, die der Brose-Baskets- Coach über große Strecken des Spiels einnimmt: „Sie gibt ihm Halt und Stabili- tät“, sagt Ehlers. Die absolute Zuversicht, kurz vor Spiel- beginn: Hände in die Hüfte gepresst, Schultern auf einer Linie, optimistisches Lächeln. Die Enttäuschung über eine Szene schlägt sich direkt in der Körperspannung nieder: Die Schultern fallen zu Boden, der Mund steht fragend offen. Man möchte ihn in den Arm nehmen und trösten: D’or Fischer sieht gegen Oldenburg oftmals aus wie ein Häufchen Elend. „Er ist ein of- fenes Buch. Seine Mimik ist köstlich“, sagt Ehlers. Chris Fleming kann auch wütend sein: Weit aufgerissene Augen, lautstarke Anweisungen, eine von der Dynamik fast davon gewehte Krawatte.

SPORT 29 Wenn der Körper mehr sagt als Worte – ein Trainer ... · SAMSTAG/SONNTAG, 3./4. MAI 2014 SPORT 29 VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED TOBIAS SCHNEIDER Bamberg — Das Coaching

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Page 1: SPORT 29 Wenn der Körper mehr sagt als Worte – ein Trainer ... · SAMSTAG/SONNTAG, 3./4. MAI 2014 SPORT 29 VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED TOBIAS SCHNEIDER Bamberg — Das Coaching

SAMSTAG/SONNTAG, 3./4. MAI 2014 SPORT 29

VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED

TOBIAS SCHNEIDER

Bamberg — Das Coaching beim Basket-ball erfordert vollen Körpereinsatz. Eswird gefuchtelt, die Finger verbogenund ausladend gestikuliert. Chris Fle-ming, Trainer der Brose Baskets, ist einMusterbeispiel dafür – ein emotionaler,aber dennoch kontrollierter Vertreterseiner Zunft. Die nonverbale Kommu-nikation beschränkt sich aber nicht nurauf rein taktische Anweisungen, jederMensch sendet durch seine Körper-sprache Signale, ob er möchte odernicht.

„Als Mensch wollen wir wirken. Undgerade Persönlichkeiten des öffentli-chen Lebens wissen um diese Ausstrah-lung. Es sind aber diese Sekunden, indenen man sich unbeobachtet fühlt, andenen wir einiges ablesen können“, sagtMichael Ehlers, Rhetorik-Trainer undKommunikations-Experte aus Bam-berg.

Wie ein Trainer sich an der Seitenli-nie verhält, ob er aggressiv oder ruhigagiert, ob er pessimistisch oder zuver-sichtlich handelt – all das überträgt sichin der Regel auch auf Mannschaft undFans. Wer beispielsweise schon mithängenden Schultern in die Arena ein-läuft, gibt seinen Mitstreitern natürlichnur wenig Zuversicht in die eigeneLeistungsstärke. „Die Körperspracheist viel älter als die Sprache des Mundesoder gar der Schrift. Heutzutage deutenWissenschaftler sogenannte Mikro-ausdrücke. Das sind kleine mimischeMuskelzuckungen, die in nur einerFünftelsekunde eine Emotion wider-spiegeln: Freude, Angst, Ekel, Wut,Überraschung, Trauer oder Verach-tung“, sagt Ehlers.

Körpersprache und Ausstrahlung istin jedem Mannschaftssport elementar,bei den Basketballern der Brose Baskets

aber besonders. Dortsorgt alleine schonder lautstarke An-hang dafür, dassdie eigene Stimmenach wenigen

Metern vonden zahl-

reichenTrom-meln er-

barmungslos verschluckt wird. Umsowichtiger ist die Präsentation des eige-nen Ichs. „Die Wirkung auf das Umfeld– Mannschaft, Fans, aber auch Gegner– ist enorm. Der Trainer als Bezugsper-son strahlt natürlich auch aus, ob dieZuversicht echt ist oder nicht.“

Freitagabend, vergangene Woche,Bundesliga-Heimspiel gegen Olden-burg. Dass diese Partie für Fleming unddie Brose Baskets mit einer 75:82-Nie-derlage enden wird, ist dem Coach danoch nicht anzusehen: Hände fest in dieHüfte gepresst, Brust raus, Kopf nachoben gereckt, optimistisches Lächeln.Was Fleming ausstrahlt, unmittelbarvor dem Tipp-Off, ist die absolute Zu-versicht.

„Fleming führt stark mit Gesten undwirkt immer positiv – ein Trainer, wieer im Buche steht. Doch wenn seineSpieler ihn enttäuschen, seinen Erwar-tungen nicht gerecht werden, ist auchbei ihm zu sehen, was in ihm vorgeht.Denn wir können die wahren Emotio-nen eben nicht verstecken“, sagt Eh-lers. Auch Chris Fleming kann dasnicht. Und wenn er wütend wird, siehtman es ihm auch an. Je weiter das Spielgegen Oldenburg voranschritt, je gerin-ger die Aussicht auf einen Sieg war, des-to angespannter und unzufriedenerwirkte auch der Brose-Coach. Enttäu-schung ist bei Fleming ideal an seinenSchultern abzulesen, die Körperspan-nung nimmt dann rapide ab, die Schul-tern hängen – und die Arme baumelnnur herunter. „Eigentlich ist er gegeneine solche Reaktion chancenlos, daspassiert automatisch. Fleming aberist ein grundpositiver Menschmit einer enormen Fachkennt-nis, er findet nach jeder Ent-täuschung zu einem Planund baut sich sofort wie-der auf“, sagt Ehlers.Nicht nur sich. Auch seineMannschaft richtet erwieder auf. Zwar ging dasOldenburg-Spiel in die Bin-sen, doch in zwei Auftrittendanach (82:71 beim Mittel-deutschen BC und 88:68 gegenBonn) durften die BroseBaskets jeweils mit breiterBrust das Parkett verlassen– genau so, wie sich Ge-winner eben präsentieren.

Bamberg — Bei Wolfgang Heyder vonTiefenentspanntheit zu reden, wäresicher grundfalsch. Das wilde Fuch-teln bei strittigen Szenen, lange Zeiteine Art Markenzeichen des Ge-schäftsführers, suchte man mittler-weile vergebens. Obwohl die Nieder-lage gegen Oldenburg und manchSchiedsrichter-Entscheidung durch-aus Anlass für eine emotionale Ereife-rung hätte sein können: Heyder ließseine Arme eng am Körper, wirkte je-derzeit voll kontrolliert. Nur an densich bewegenden Augenbrauen, denzusammengepressten Lippen unddem festgezurrten Kiefer war hin undwieder sein Frust über das Geseheneablesbar. „Ab und zu kann er einfachnicht mehr. Besonders bei Enttäu-schungen. Dann geht er zwei Schrittenach hinten. Kopf kurz runter, sam-meln, zurück in die versteinerte Posi-tion. Er ist in dieserSaison auffälligkontrolliert,es ist eindeu-tig ein neuerHeyder“ ,analysiertEhlers.

Bamberg — Manchmal wirkteder Gesichtsausdruck vonD’or Fischer, als trüge er ge-gen Oldenburg das gesamteLeid der Menschheit auf sei-nen Schultern. Und diesesackten von Spielminute zuSpielminute immer weiter ab.Manchmal verarbeitete derUS-Amerikaner auf der Banksitzend noch minutenlang ei-ne vorangegangene Szene,den Kopf schüttelnd oderwahlweise zum Boden ge-senkt. Das Spiel lief natürlichlängst weiter.

Das Auffallende, zumin-dest an diesem Tag: Einenerzielten Korb feierte Fi-scher ebenso ausgelassen

wie er einen eigenen Fehlerbeklagte. Am Erfolg oderMisserfolg des gesamtenTeams schien er auf dem ers-ten Blick aber einen nicht sogroßen Anteil zu nehmen.„Was vielleicht arrogantwirkt, ist genau das Gegen-teil“, sagt Ehlers dazu: „Fi-scher ist hochgradig selbstre-flektiert. Der Zuspruch vomTeam ist sehr wichtig undgibt ihm merklich Sicherheit.Er ist ein Spieler, der dasTeam und das Publikumbraucht wie kein anderer. Fi-scher kann alles erreichen. Esgibt nur eine Person, die denErfolg verhindern kann: erselbst.“

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BASKETBALL Die Körpersprache besitzt in jedem Teamsport eine großeBedeutung. Gerade dort, wo es so laut ist, dass man sowieso nichts hört. EinBesuch bei den Brose Baskets, eine seltene Niederlage und was die körperlichenReaktionen über die Gemütswelt verraten.

Wenn der Körpermehr sagt als Worte

Heyder erfindetsich neu

Kleine und großeDramen des D’or Fischer

Fleming führt starkmit Gesten undwirkt immer positiv– ein Trainer, wie erim Buche steht.“

Michael Ehlers, Rhetorik-Trainerund Kommunikations-Experte

Die „Fleming-Hocke“– eine Position, die der Brose-Baskets-Coach über große Strecken des Spielseinnimmt: „Sie gibt ihm Halt und Stabili-tät“, sagt Ehlers.

Die absolute Zuversicht, kurz vor Spiel-beginn: Hände in die Hüfte gepresst,Schultern auf einer Linie, optimistisches Lächeln.

Die Enttäuschung über eine Szene schlägtsich direkt in der Körperspannung nieder:Die Schultern fallen zu Boden, der Mund stehtfragend offen.

Man möchte ihn in den Arm nehmen und trösten: D’or Fischer siehtgegen Oldenburg oftmals aus wie ein Häufchen Elend. „Er ist ein of-fenes Buch. Seine Mimik ist köstlich“, sagt Ehlers.

Chris Fleming kann auch wütend sein: Weitaufgerissene Augen, lautstarke Anweisungen, eine vonder Dynamik fast davon gewehte Krawatte.