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Zeitschrift fur Allg. Mikrobiologie (i 4 1986 341-343 (Institut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie, Jena, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin). Stabile, penicillininduzierte L-Formen von E. coli B. U. TAUBENECK und EDITH SCHUHMANN L-Formen von E. coli sind bisher nur wenig untersucht worden, stabile L- Form-Stamme scheinen nicht zu existieren. I m Gegensatz zu der reichlichen Entstehung von L-Form-Kolonien auf der Oberflache von Penicillin-Serum- Agar bei Proteus mirubilis (DIENES1949, TAUBENECK 1962), sol1 unter diesen Bedingungen bei E. coli keine L-Form Entwicklung stattfinden. Die Bildung von L-Kolonien wurde nur in GuBschichten beobachtet (LEDERBERG und ST. CLAIR 1958, LANDMAN 1958). Eine Kultivierung von E. coli L-Formen in fliissi- gen Medien ist bisher nicht gelungen. Aus vielen Griinden ware es wunschenswert, analog zu den gut charakteri- sierten zellwandlosen stabilen L-Formen zahlreicher P. mirabilis-Stamme, auch von E. coli derartige Formen zu besitzen. Beispielsweise konnte dann die Rolle der einzelnen Schichten der Zellbegrenzung bei der Herstellung des Zellkontaktes konjugierender Bakterien untersucht werden. Auch fur die Aufklarung der Funktion der Zellwand bei der Teilung und Verteilung des genetischen Materials waren dann neue experimentelle Moglichkeiten gegeben. Mit stabilen Proteus- L-Formen wurden jetzt erste Experimente in dieser Richtung durchgefuhrt ( GUMPERT und TAUBENECK 1966). Die Ausdehnung dieser Untersuchungen auf geeignete E. coli-Stamme konnte weitere Aufschlusse bringen. Schliel3lich ver- langt auch die Analyse der Wirkungsweise der Colicine vergleichende Unter- suchungen an normalen Zellen und den entwicklungsfahigen zellwandlosen L-Formen. Ausgehend von den Erfahrungen mit Proteus-L-Formen wurden junge Kul- turen von E. coli B auf der Oberflache von Nahragar mit Penicillin (1000 E/ml) und Serum (20%) ausgestrichen und bei 37 "C bebrutet. Die meisten Zellen bildeten typische Spharoplasten und zerplatzten nach einigen Stunden. An zahl- reichen Stellen des Niihrbodens fand jedoch eine Entwicklung statt, die zur L-Form fiihrte. Ahnlich wie bei P. mirubilis (TAUBENECK, 1962) erfolgte zu- niichst das Eindringen von Zellinhalt in die Tiefe des Nahrbodens. Es kam je- doch nicht sofort zur Bjldung kompakter L-Kolonien, sondern Teile des primaren Wachstums traten wieder an die Oberflache und bildeten groBflachige, wabige Strukturen. Wurden Teile der Nahrbodenoberflache mit Uhrschiilchen abge- deckt, so erfolgte die Entwicklung hier verstarkt. Zur obertragung dieses Wachstums wurden Agarstucke ausgeschnitten und umgekehrt auf frischen Nahrboden gelegt. Nach einigen Tagen lie13 sich unter den Agarblocken gute Entwicklung feststellen. Wurden die Agarblocke danach uber die Nahrboden- oberflache geschoben, entwickelten sich auf der Schleifspur zahlreiche Kolonien. Nach einigen Passagen entstanden kompakte Kolonien, die typisches L-Wachs- turn reprasentieren (Abb. 1).

Stabile, penicillininduzierte L-Formen von E. coli B

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Zeitschrift fur Allg. Mikrobiologie (i 4 1986 341-343

(Institut fur Mikrobiologie und experimentelle Therapie, Jena, der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin).

Stabile, penicillininduzierte L-Formen von E. coli B. U. TAUBENECK und EDITH SCHUHMANN

L-Formen von E. coli sind bisher nur wenig untersucht worden, stabile L- Form-Stamme scheinen nicht zu existieren. I m Gegensatz zu der reichlichen Entstehung von L-Form-Kolonien auf der Oberflache von Penicillin-Serum- Agar bei Proteus mirubilis (DIENES 1949, TAUBENECK 1962), sol1 unter diesen Bedingungen bei E. coli keine L-Form Entwicklung stattfinden. Die Bildung von L-Kolonien wurde nur in GuBschichten beobachtet (LEDERBERG und ST. CLAIR 1958, LANDMAN 1958). Eine Kultivierung von E. coli L-Formen in fliissi- gen Medien ist bisher nicht gelungen.

Aus vielen Griinden ware es wunschenswert, analog zu den gut charakteri- sierten zellwandlosen stabilen L-Formen zahlreicher P. mirabilis-Stamme, auch von E. coli derartige Formen zu besitzen. Beispielsweise konnte dann die Rolle der einzelnen Schichten der Zellbegrenzung bei der Herstellung des Zellkontaktes konjugierender Bakterien untersucht werden. Auch fur die Aufklarung der Funktion der Zellwand bei der Teilung und Verteilung des genetischen Materials waren dann neue experimentelle Moglichkeiten gegeben. Mit stabilen Proteus- L-Formen wurden jetzt erste Experimente in dieser Richtung durchgefuhrt ( GUMPERT und TAUBENECK 1966). Die Ausdehnung dieser Untersuchungen auf geeignete E. coli-Stamme konnte weitere Aufschlusse bringen. Schliel3lich ver- langt auch die Analyse der Wirkungsweise der Colicine vergleichende Unter- suchungen an normalen Zellen und den entwicklungsfahigen zellwandlosen L-Formen.

Ausgehend von den Erfahrungen mit Proteus-L-Formen wurden junge Kul- turen von E. coli B auf der Oberflache von Nahragar mit Penicillin (1000 E/ml) und Serum (20%) ausgestrichen und bei 37 "C bebrutet. Die meisten Zellen bildeten typische Spharoplasten und zerplatzten nach einigen Stunden. An zahl- reichen Stellen des Niihrbodens fand jedoch eine Entwicklung statt, die zur L-Form fiihrte. Ahnlich wie bei P. mirubilis (TAUBENECK, 1962) erfolgte zu- niichst das Eindringen von Zellinhalt in die Tiefe des Nahrbodens. Es kam je- doch nicht sofort zur Bjldung kompakter L-Kolonien, sondern Teile des primaren Wachstums traten wieder an die Oberflache und bildeten groBflachige, wabige Strukturen. Wurden Teile der Nahrbodenoberflache mit Uhrschiilchen abge- deckt, so erfolgte die Entwicklung hier verstarkt. Zur obertragung dieses Wachstums wurden Agarstucke ausgeschnitten und umgekehrt auf frischen Nahrboden gelegt. Nach einigen Tagen lie13 sich unter den Agarblocken gute Entwicklung feststellen. Wurden die Agarblocke danach uber die Nahrboden- oberflache geschoben, entwickelten sich auf der Schleifspur zahlreiche Kolonien. Nach einigen Passagen entstanden kompakte Kolonien, die typisches L-Wachs- turn reprasentieren (Abb. 1).

342 U. TAUBENECK und EDITII SCFIUHMANN

Die L-Form, die unter den angegebenen Bedingungen gezuchtet) wurde, erwies sich als stabil. Nach Weglassen des Penicillins im Nahragar mit Serum- zusatz erfolgte keine Reversion in die Normalform. Inzwischen ist die stabile L-Form von E. coli B ohne Reversionserscheinungen uber 25 Passagen fort- geziichtet worden.

Versuche, die stabile L-Form von E. coli B in Submerskultur zu uberfiihren, haben noch keine optimalen Ergebnisse gebracht. Immerhin gelang es, eine beschrankte Vermehrung in stationiiren Serumbouillon-Kulturen zu erreichen. Mit diesem Wachstum konnten Doppelschicht-Platten hergestellt werden, bei denen die L-Kolonien in der beimpften Oberschicht gleichmal3ig vert.eilt waren.

l a l b Ahb. 1. Phagenresisteiite stabile L-Form r o n E. coli E. 20O:l.

a) durchfallendes Licht, b) Schragliclit

Mit derartigen Doppelschicht-Platten wurde das Verhalten der L-Form gegen. uber Bakteriophagen gepriift. Dazu wurden die Phagen T 1 bis T 7 auf die beimpften Oberschichten sofort und nach verschiedenen Vorbebriitungszeiten aufgetropft. Die stabile L-Form von E. coli B erwies sich gegenuber allen Phagen der T-Serie resident. Dagegen blieb die Empfindlichkeit gegenuber Colicinen, die die Normalform von E. coli B angreifen, auch in der L-Form voll erhalten (SMARDA und SCHUHMANN 1966).

Die stabile L-Form von E. coli B entspricht nach den bisherigen Befunden (Entstehungsweise, Phagenresistenz) den stabilen L-Formen, die von P. mira- bilis als Typ A bekannt sind und die ihre Zellwand bei der penicillininduzierten Umbildung praktisch vollstandig verloren haben (MARTIN, 1964), wahrend sie genetisch vollig ihren Ausgangsbakterien entsprechen (TAUBENECK 1963).

L i t e r a t u r DIENES, Id., 1949. The development of Proteus cultures in the presence of penicillin.

J. Racteriol. 57, 529. GUMPERT. J. u. TAUBENECK, U., 1966. Beobachtungen uber die Vermehrung der stabilen

1,-Form von Proteus mirabilis in fliissigen Nahrmedien und die Funktion der Zellwand bei der Zellteilung. Ztschr. Allg. Mikrobiol. 6, 211 -218.

Stabile L-Formen von E. coli B. 343

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MARTIN, H. H., 1964. Composition of the rnucopolymer in cell walls of the unstable and stable L-form of Proteus mirabilis. J. gen. Microbiol. 36, 441.

SMARDA, J . and SCHUHMANN, EDITH, 1966. Do certain colicines and bacteriophages share common receptors ? Nature (London) im Druck.

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