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Stadtrundgang Krefeld-Linn Beginn Rheinbabenstrasse Ich will heute nicht nur der Kriegstoten gedenken, wie mit den drei Kreuzen dort oben. Die Gegend um Krefeld-Linn war bei weitem nicht so besiedelt wie heute und bis in den 20. Jahren waren die Rheindeiche in Krefeld-Uerdingen nicht so gut, dass sie Hochwaser stets abhielten. So war Linn im Winter 1920 bei Rheinhochwasser fast ganz überflutet. Hochwasser Linn 1920 Alter jüdischer Friedhof (am Kreuzweg) Die Juden in Linn hatten eine alte Tradition. Seit etwa 1710 gab es in Linn einen jüdischen Gebetsraum und seit 1751 den jüdischen Friedhof am Kreuzweg. Dieser Friedhof enthält heute noch 63 Grabsteine und Grabsteinfragmente, der jüngste Grabstein ist von 1936. Die Grabsteine sind meistens in hebräisch, oder die neueren in hebräisch und deutsch oder nur in deutsch beschriftet. Die älteren Grabsteine sind in hebräisch mit Lobreden auf den/die Verstorbene beschriftet, die meisten jedoch ähnlich wie die christlichen Grabsteine mit dem Namen und den Geburts- und Todesdaten. Der Davidstern ist selten auf den Grabsteinen zu finden, er war kein gebräuchliches Symbol im 19. Jahrhundert, der jüngste

Stadtrundgang Krefeld- · PDF fileBergbau, Karbit ... herstellte. Auch die Zünderwerke hatten während des Krieges eine eigenes Zwangsarbeiterlager auf dem Werksgelände

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Stadtrundgang Krefeld-LinnBeginn Rheinbabenstrasse

Ich will heute nicht nur der Kriegstoten gedenken, wie mit den drei Kreuzen dort oben.

Die Gegend um Krefeld-Linn war bei weitem nicht so besiedelt wie heute und bis in den 20. Jahren waren die Rheindeiche in Krefeld-Uerdingen nicht so gut, dass sie Hochwaser stets abhielten. So war Linn im Winter 1920 bei Rheinhochwasser fast ganz überflutet.

Hochwasser Linn 1920

Alter jüdischer Friedhof (am Kreuzweg)

Die Juden in Linn hatten eine alte Tradition. Seit etwa 1710 gab es in Linn einen jüdischen Gebetsraum und seit 1751 den jüdischen Friedhof am Kreuzweg. Dieser Friedhof enthält heute noch 63 Grabsteine und Grabsteinfragmente, der jüngste Grabstein ist von 1936. Die Grabsteine sind meistens in hebräisch, oder die neueren in hebräisch und deutsch oder nur in deutsch beschriftet. Die älteren Grabsteine sind in hebräisch mit Lobreden auf den/die Verstorbene beschriftet, die meisten jedoch ähnlich wie die christlichen Grabsteine mit dem Namen und den Geburts- und Todesdaten. Der Davidstern ist selten auf den Grabsteinen zu finden, er war kein gebräuchliches Symbol im 19. Jahrhundert, der jüngste

Grabstein – Raphael Simon, gestorben 31. Juli 1936 – zeigt jedoch den Davidsstern. Der 1300 Quadratmeter große Friedhof wurde schließlich – zwangsweise – von der Stadt Krefeld für 500 RM gekauft. Jedoch wurde er nicht zerstört. Inzwischen steht der Friedhof unter Denkmalsschutz, allerdings erst seit 2005.

Ein paar Wort zur Geschichte der Juden seit dem Mittelalter: Die Juden waren im Mittelalter in ihren Rechten stark eingeschränkt. Sie hatten keinerlei Freizügigkeit, die dürfen kein Grund- oder Hauseigentum erwerben, ihnen wurden nur wenige Berufe erlaubt. Nur die – nach mittelalterlicher Ansicht – unehrenhaften Berufe des Geldverleihers und des Altwarenhändlers (Trödler) durften sie ausüben, in einigen Regionen auch die des Viehhändlers, später auch die des Metzgers und Glasmachers. Das Rheinland war relativ liberal. In Linn gab es 1808 ingesamt 11 jüdische Familien, 5 waren Viehhändler, 5 Alteisenhändler, 1 Glaser. Während im Mittelalter die meisten Menschen Analphabeten waren (selbst Kaiser), soll es das bei den Juden nur selten gegeben haben. Das die Juden auch später Wert auf Bildung legten, zeigt eine Aufstellung von 1824. Damals lebten in Linn 43 Juden, davon 14 Kinder. Die Linner Juden hatten für sie einen eigenen Lehrer angestellt: Raphael Dessauer. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es Bestrebungen den Juden mehr Rechte zukommen zu lassen. Zunächst schlug das Pendel jedoch in die andere Richtung aus: 1836 wurde das alte Verbot nochmal gesetzlich bekräftigt, dass kein Jude einen christlichen Vornamen annehmen dürfe. Jedoch schon 1843 forderten Vertreter des liberalen Bürgertum die volle Gleichberechtigung der Juden. 1847, ein Jahr vor der Revolution, kam es zu einer Abstimmung in Preußen, bei der eine volle Gleichberechtigung der Juden abgelehnt wurden, ihnen aber weiter Rechte zugebilligt wurden. So erhielten sie das Recht der Freizügigkeit und durften nun ohne Genehmigung ihre Wohnung wechseln.Die völlige gesetzliche Gleichstellung der Juden kam in Preußen erst 1869.

Kreuzweg / Hessenstrasse

Zu Linn gehörten verschiedene Fabriken, bzw. sie lagen in der Nähe.

Das "Reichsbahn Ausbesserungswerk (RAW)" in Oppum (Maybachstr.) mit etwa 1000 Beschäftigten.Das RAW war von Linn aus nicht sehr weit und es haben wahrscheinlich verschiedene Linner dort gearbeitet. Die RAW-Arbeiterschaft war gewerkschaftlich aktiv, es hat dort vor 1933 eine KPD-Betriebszelle gegeben. Es arbeitete dort auch der örtlich bekannte Gewerkschafter Paul Emmen, er bekam aber bereits am 28.8.1933 von Werksdirektor eine Freistellung und ein Verbot das Werk zu betreten - wegen politischer Unzuverlässigkeit. Er beteiligte sich später führend an dem Versuch eine illegale Eisenbahnergewerkschaft aufzubauen. Nachdem die Gruppe verraten worden war, wurde er am 3. Dezember 1937

vom "Volksgerichtshof" zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.Nach Kriegsbeginn hatte das RAW drei eigene Zwangsarbeiterlager. 1937 bis 1939 wurde nach Nazi-Planungsvorgaben die Arbeitersiedlung Glockenspitz (Am Hirschsprung ...) gebaut. Für Arbeiter von RAW und Zünderwerke. Dabei sollte die Selbstversorgung im Mittelpunkt stehen, mit Gemüsegarten, Tieren ... der Dachboden war als Heuboden geplant, im Garten gab es ein "Ein-Mann-Loch" als Bunker.

Die Zünderwerke Ernst Brün GmbH, Bruchfeld 60-70. Das war eine Fabrik die Sprengkapseln für den Bergbau, Karbit ... herstellte.Auch die Zünderwerke hatten während des Krieges eine eigenes Zwangsarbeiterlager auf dem Werksgelände.

Auf dem Bruchfeld war auch noch eine kleine Schraubenfabrik und eine Schamott-Fabrik. Etwas weiter kam dann die Maschinenfabrik van Bebber & Nolden.Auch hier gab es ein Zwangsarbeiterlager auf dem Werksgelände.

Die Rheinische Kunstseide AG (Rheika) fast im Rheinhafen gelegen, gehörte aber noch zu Krefeld-Linn.Die Rheika wurde im Mai 1939 eröffnet und sollte das Deutsche Reich von der Baumwolle unabhängig machen. Deshalb war sie für die Nazis ein kriegsstrategisch wichtiger Betrieb. Während des Krieges wurden hier hauptsächlich Fallschirme produziert.Auch die Rheika hatte drei Zwangsarbeiterlager. Unter den osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen waren auch Schwangere. So wurde im Lager das Kind Edmund Kraftschenko geboren, das dort zweieinhalb Monaten später, am 22. August 1944, starb.Doch damit nicht genug hatte die Rheika auch ein Arbeitserziehungslager. Dorthin kamen Zwangsarbeiter die nicht recht arbeiten wollten, zu flüchten versucht hatten oder gegen die es sonst Klagen gab. In diesem Lager mußten sie noch länger arbeiten, bekamen noch weniger zu essen und wurden noch mehr schikaniert. Doch auch das war es noch nicht. Hier gab es etwas seltenes: Ein Lager für Strafgefangene, das "Außenkommando des Männerstrafgefängnisses und Frauenzuchthaus Anrath". Dafür erhielt das Gefängnis Anrath pro Tag und Gefangenen 3,60 Reichsmark. Dafür hatten die Gefangenen an 7 Tagen die Woche mindestens 60 Stunden zu arbeiten. Nach dem Vertrag war die Rheika zudem berechtigt, die Gefangenen auch ohne zusätzliche Bezahlung noch länger zur Arbeit zu zwingen. Der Anrather Direktor beklagte sich übrigens über die Rheika, da sie die Gefangenen ohne Schutzkleidung mit Salpetersäure arbeiten ließ, was wiederholt zu schweren Verbrennungen führte.Das die Rheika auch sonst nicht zimperlich war, zweigt ein Brief des Betriebsleiters vom 13.1.43 an die Gestapo. Darin wird der belgische Zwangsarbeiter Georg Verwaeke angeschwärzt. "So hat er am 7.1.1943 die von der Lampenkontrolle als schlecht gefundenen Düsen, ohne sie durch neue zu ersetzen, wieder angesponnen, und – um nicht

aufzufallen, neue saubere Düsen mit Viskose beschmiert abgegeben. Durch dieses Verhalten wird der weitere gesponnene Fadenfür den Betrieb unbrauchbar. Wir bitten, Verwaeke wegen Sabotage zur Anzeige zu bringen." Er wurde von der Gestapo am 19.1.43 ins KZ überstellt.

Stahlwerk Becker Rheinholdshütte, Krefeld-Linn, hinter der Hafendrehbrücke, rechts auf dem Gelände. Heute wäre das Uerdingen/Gellep.Auch das Stahlwerk Becker hatte Zwangsarbeiterlager auf dem Werksgelände, auch dort kam es zu Todesfällen, z.B. am 18.5.1944 der Russe Matwei Bondar.Dort ist auch folgende Geschichte dokumentiert: der Dreher Wilhelm Bonnmann arbeitete dort bereits seit Jahren. Als er 1938 erkrankte und seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte, wurde er als Pförtner in der Nachtschicht eingesetzt. Dabei wurde er überrascht, wie er den Rundfunk der Alliierten hörte. Der Betriebsleiter benachrichtigte die Gestapo und am 1.10.1943 wurde Bonnmann verhaftet. Die Gestapo legte ihm auch zur Last, dass er 1918 bei den Revolutionsausschüssen und dem Arbeiterräten mitgemacht habe, und bis 1927 der SPD angehört hatte. Da man ihm aber nicht nachweisen konnte Nachrichten systematisch weitergegeben zu haben und ein Kollege auch positiv für ihn aussagte, wurde er von Gericht nur zu der Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis wegen "Rundfunkvergehen" verurteilt.

Blick auf den Rheinhafen in den 20ern. Im Hintergrund links ist das Stahlwerk Becker.

Rheinbabenstrasse, vor dem Niederrheinischen Landschaftsmuseum

Im Rahmen des sogenannten Führer-Programms wurden in Krefeld 30 Bunker gebaut, zwei davon in Linn: dieser hier auf der Rheinbabenstrasse (mit 2.500 Plätzen) und am Memeler Platz, ebenfalls mit 2.500 Plätzen. Der Bunker an der Rheinbabenstrasse, neben der Burg, hatte damals, aus Tarnungsgründen, ein spitzes Dach. Nach dem Krieg wurde verbreitet, man habe von Anfang an geplant, dort einmal ein Museum einziehen zu lassen. Selbst wenn es so war, gab es doch einen anderen Grund für diesen Bunker besondere Mittel zu bewilligen. So erhielt der Bunker ein großzügig zugeschnittenes Treppenhaus und die heute noch vorhanden glatten Fußböden. Die Rechtfertiggung für diesen Aufwand leitete sich jedoch daher, dass dieser Bunker als Ausweichstelle für die NSDAP-

Kreisleitung vorgesehen war, die sich während des Bombenkriegs auch tatsächlich dorthin zurückzog.

Die Linner Juden hatten zwar bereits seit 1710 einen Gebetsraum, aber lange keine Synagoge. Der "Seidenbaron" Philipp de Greiff, der meiste in Linn gelebt hat – er war kein Jude sondern Menonit – besaß wohl gut-freundschaftliche Kontakte zu den Linner Juden. In seinem Nachlaß vermachte er den Linner Juden 8000 Taler für den Bau einer Synagoge. Da aber die Linner Juden keine rechtlichen Status hatten, war dieser Testamentsteil ungültig. Seine Erbin, Marianne Rhodius, hat jedoch ein Jahr später die Summe für den Bau der Synagoge gespendet. Sie wurde 1863 in einem leicht orientalischen Stil hier an der Rheinbabenstrasse errichtet.

In der Pogromnacht am 10. November 1938 wurde auch diese Synagoge zerstört. Man versuchte sie anzuzünden, aber nur die Kuppel brannte ab. Einen größeren Brand wollte man wohl auch nicht hier im engbebauten Linn verhindern, so dass von der Feuerwehr die Mauern eingerissen wurde. Die Brandstifter sollen dabei von auswärts gekommen sein. In einem Bericht heißt es: "Man setzt ja die Leute nicht in ihrem Wohnbezirk ein, aber am nächsten Tag haben auch die Linner mitgemacht und zerstört, was noch nicht zerstört war." Das hinter der Synagoge stehende Synagogendienerhäuschen sollte auch zerstört werden, aber es gelang den damaligen Bewohnern die Brandstifter davon zu überzeugen, dass sie "Arier" seien. Interessant ist noch folgende Episode: Am Tag nach dem Brand, 11. November 1938, schickte die Krefelder Baupolizei einen Brief an den Gemeindevorstand, mit der Aufforderung die Reste der Linner Synagoge abzutragen. Ineressant ist die Anschrift an die die Baupolizei den Brief schickte: Kurt Alexander, z.Zt. Polizeigefängnis. Kurz: es war ihnen klar, dass er gar nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung nachzukommen. Zudem wurde er wenige Tage später in das KZ Dachau überführt. Es war wohl eine reine Schikaneaktion.Bemerkenswert ist auch die Geschichte dreier Synagogenfenster. Sie wurden wohl damals von einem beteiligten Nazi mitgenommen und in seinem Keller gelagert. Warum er das gemacht hat ist unklar, vielleicht hoffte er sie verkaufen zu können. Sie wurden dann 1976 zufällig in einem Keller, hier in der Rheinbabenstrasse gefunden. Zwei der Fenster waren

noch völlig intakt. Sie sind heute in der neuen Synagoge auf der Wiedstrasse.Heute gibt es erfreulicherweise eine Gedenktafel an die Synagoge, aber leider keinen Hinweis in dem Plan am Linner Ortseingang.

Rheinbabenstrasse 106

Hier wohnte Alex Alexander mit seiner Familie. Er war Viehhändler. Alex kam aus Xanten und hatte in die Linner Familie Simon eingeheiratet. Er hatte zwei Töchter Ruth und Ilse. Die Familie war in Linn integriert und soll sich sozial innerhalb der Nachbarschaft gezeigt haben. In der Progromnacht im November 1938 drangen 8 Personen gewaltsam in das Haus ein verwüsteten es und stahlen eine goldene Uhr mit Kette und etwa 100 RM. Das ist in den Gestapo-Akten vermerkt mit dem Hinweis: "Der Täter soll Winkmann heißen". Die Winkmann's sind eine große und weitverzweigte Linner Familie. Ob die Tat untersucht wurde ist nicht bekannt, jedoch wurde Alex Alexander verhaftet und zwei Wochen festgehalten. Er starb im Januar 1941 in Krefeld. 1942 wurden seine Frau Olga und seine beiden Töchter ins KZ Isbica deportiert. Sie haben das KZ nicht überlebt. Ilse und Ruth Alexander waren bei der Deportation 14 und 17 Jahre alt. Stolpersteine erinnern heute an sie. Das Haus Rheinbabenstrasse 106 wurde später als Zwangsarbeiterlager benutzt, es ist in der Krefelder Zwangsarbeiterlagerliste aufgeführt.. Welche Zwangarbeiter hier untergebracht waren weiß ich nicht, aber am 29.1.1945 starb hier der niederländische Zwangsarbeiter Jan Buyk, geboren am 12.11.1904 in Rotterdam.

Issumer Straße 7

Dies war das Haus der Familie Daniels. Artur Daniels war Viehhändler und wohnte mit seiner Frau Martha und den beiden Kindern Kurt und Hannelore hier. Dem Sohn Kurt gelang 1939 die Flucht nach England, er hat überlebt. Artur, Martha und Hannelore Daniels wurde nach Riga deportiert. Hannelore Daniels hat die Zeit überlebt, ihre Eltern nicht. Stolpersteine erinnern hier an sie.Aktenkündig ist folgende Geschichte: Die NSDAP-Ortsgruppe Linn schickte 1941 einen Brief an die Gestapo. Darin wird aufgeführt, dass eine Frau Gertrud Platen in der Nacht vom 27./28.11.1941 sich im Bunker folgendermaßen geäußert habe: "Es ist eine Schande, daß der arme Jude Daniels jetzt Linn verlassen muß. Zum Beispiel hat Daniels 10 Kühe, die werden jetzt verkauft und das Geld stecken die da oben in die Tasche." Ein Nazi habe ihr darauf entgegnet, dass wer Erbarmen mit Juden habe, wie ein Jude zu betrachten sei und auch einen Judenstern tragen solle. Frau Platen habe darauf geantwortet: "Das ist nicht schlimm, den kleben wir uns dann auf den Hintern und f... solange darauf, bis er braun geworden ist." Frau Platen wurde dann von der Gestapo verhört. Im Protokoll ist vermerkt, dass sie einen "Nervenanfall mit Schreikrämpfen" bekommen habe. Eine Begleiterin von Frau Platen, einer Frau Link, gelang es dann sie herauszureden und die Sache wurde eingestellt.

Textilmuseum, Andreasmarkt

Das Textilmuseum besteht hier erst seit Ende der 70er. Während der Nazi-Herrschaft befand sich sie die Textilsammlung in der Webereischule auf der Malmedystrasse.Im Mai 1939 besuchte einer der höchsten Nazi-Repräsentanten Krefeld, der NSDAP-Reichsleiter und Präsident des Kolonialbundes Franz Ritter von Epp. Offiziell kam er nach Krefeld weil hier der Kolonialgedanke so vorbildlich gepflegt würde und um die Textilsammlung zu sehen. Hintergrund war wohl etwas anderes: Damals wurde innerhalb des NS-Staats darüber geredet, eine "Kolonial-Universität" zu gründen. Krefeld bewarb sich gleich für den Standort dieser "Kolonial-Universität". Die Einladung Ritter von Epp's sollte wohl der Werbung dienen für den Zuschlag an Krefeld. So wurde Ritter von Epp mit großem Pomp empfangen, einer Fahnen-geschmückten Stadt und begleitenden Zeitungsartikeln, in denen hervorgehoben wurde, wie wichtig doch neue Kolonien wären. Aus der "Kolonial-Universität" wurde aber nichts, weder hier in Krefeld noch woanders.

NSDAP-Reichsleiter Ritter von Epp besucht die Textilsammlung

Vorhof Burg Linn, vor der "Ehrenhalle"

Während des Krieges befand sich in Linn eine der beiden großen Flak-Stellungen um Krefeld, die Batterie 2./264 – Latumer Bruch (die andere war in Fichtenhain). Es gab noch etwa ein Dutzend kleinerer Flakgeschütze um Krefeld, aber nur diese beiden schweren Batterien. Die Geschützstellung befand sich im Lohbruch, etwa da wo heute die Autobahnabfahrt Oppum/Linn ist. Auf dem Turm der Burg Linn hatte sie einen Beobachtungsposten, der den ganzen Krieg über mit einem Beobachter besetzt war. Die Leitung der Flakstellung befand sich in der Schule Danziger Platz. In der Flak-Stellung befand sich eine Gruppe regulärer Soldaten, etwa 12 bis 15 russische Kriegsgefangene, die als Munitionsschlepper dienten, und eine Gruppe von HJ-Flakhelfern. Das waren 16 jährige Oberschüler, die dazu eingezogen wurden. Zeitweise gab es auch einen Ausweichflugplatz Linn der Wehrmacht. Wo genau der war weiß ich nicht, er soll in Sichtweite der Burg gewesen sein. Dieser Ausweichflugplatz bestand aber wohl nur 1944.

Die Flak-Stellung war auch für Linner gefährlich, durch herunterkommende Stahlsplitter von den Geschossen, die tödlich sein konnten. Deshalb mußten die Linner stets bei Alarm der Flak in die Luftschutzräume. Ein Problem der Flak war die Identifizierung der Flugzeuge. Es gab kein Radar und keine Elektronik, allein nach Sicht war das nicht so einfach. Der erste Abschuß der Flak-Stellung am 16. Mai 1940 war auch gleich ein eigenes deutsches Flugzeug.Die russischen Zwangsarbeiter in der Flak-Stellung hatten nur schlechte und dünne Kleidung, auch im Winter. Da wohl nicht so was wie Freundschaften aufkommen sollten, kannte man sie nicht mal mit Namen, sie wurden nur "Russki" gerufen. Es gibt verschiedene Berichte von Krefelder HJ-Flakhelfern. Im Bericht von Hans Fuchs wird eine besondere Begebenheit geschildert: "Als wir wieder einmal in der Kantine Mathematik-Unterricht hatten und in die Pause gingen, bewegte sich ein dort mit Reinigungsarbeiten beschäftigter Russe an die Tafel und rechnete eine ungelöst gebliebene, komplizierte algebraische Gleichung blitzschnell aus, ohne etwas dazu zu sagen. Wir waren völlig sprachlos. Dieser für uns unglaubliche Vorgang wollte nicht so recht in das Bild passen, das man uns von den 'bolschewistischen Untermenschen' vermittelt hatte."

Hier vor der "Ehrenhalle" gab es regelmäßig, bei den vielen "nationalen Gedenktagen" Nazi-Aufmärsche. Das Bild hier stammt von "Führers Geburtstag" 1942.

Heute wird hier zwar in Bildern und Kästen von der Zerstörung Krefelds berichtet, aber leider bekommen nur die deutschen "gefallenen Soldaten" ein Gesicht. Die Ermordeten, die umgekommenen Zwangsarbeiter ... sind nicht berücksichtigt.

Herbert Steeg, Trift 101, 47809 Krefeld, eMail: [email protected]