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Flottenmanagement 4/2006 Topseller 71 Im Volksmund heißt er immer noch oft „VW-Bus“, selbst dann, wenn es hin- ter der Fahrerkabine keine Seitenscheiben mehr gibt. Oder wird liebevoll „Bul- li“ genannt. Gemeint ist der VW-Transporter, seit 1950 die Urform dieser Fahr- zeug-Kategorie in Deutschland und das erfolgreichste Leichte Nutzfahrzeug überhaupt, das es immer auch als Bus gegeben hat. Insgesamt liefen in den vergangenen 55 Jahren rund 9,5 Millionen Einheiten vom Band. Mit dem aktuellen T5 konnte Volkswagen im ersten Quartal 2006 weltweit ein Absatz- Plus von 11,5 Prozent für diese Baureihe auf 42.700 Fahrzeuge verzeichnen, das waren deutlich über 50 Prozent des Wolfsburger Gesamtgeschäftes Leich- te Nutzfahrzeuge. Die Beliebtheit des VW-Transporters bis hin zum Kult-Auto liegt wohl wesentlich darin begründet, dass er der erste seiner Art war, das Original. Zudem gilt auch er als ein Sinnbild des Wirtschaftswunders in Deutschland, ein übriges leistete der Varianten-Reichtum der Baureihe. Innovationen im Zeitraffer Es war ein hässliches, aber sehr nützliches Gefährt in armen Zeiten, das sich einige Volkswagen-Mitarbeiter 1947 für das Werksgelände in Wolfsburg ge- bastelt hatten, eine fahrende Ladefläche mit Lenkrad und Sitzbank hinten. Sie inspirierte Ben Pon, seinerzeit niederländischer VW-Importeur, zur Skiz- ze eines Frontlenkers mit Heckantrieb und kastenförmigem Aufbau. Hartnä- ckig überzeugte er den damaligen VW-Chef Heinrich Nordhoff, die Entwick- lung zu beschließen. Der erste „Bulli“ kam mit selbsttragender Karosserie daher, gestützt auf einen Leiterrahmen, verwendete Motor (18 kW/25 PS bei 3.300/min.) und Achsen des VW Käfers und bot eine Nutzlast von 750 Kilo- gramm. 1954 gab es schon 30 verschiedene Modelle, die Tagesproduktion lag bei etwa 80 Fahrzeugen. Nordhoff entschloss sich zum Bau des Transporter- werkes in Hannover (Serienproduktion ab April 1956). 1960 wurden für die Baureihe der 25 kW-Motor (34 PS) und ein vollsynchronisiertes Getriebe ein- geführt, 1962 verließ der 1.000.000ste Transporter das Band. Die zweite Ge- neration (1967 bis 1979) präsentierte sich mit ungeteilter Frontscheibe, insgesamt größeren Fensterflächen und der nun obligatorischen hinteren Schiebetür. Durch bessere Aufteilung war der Innenraum gewachsen, ins Auge fiel auch die deutlich größere Heckklappe. Umfangreiche Veränderungen ebenso unter dem Blech: Das Fahrwerk wies jetzt hinten eine Doppelgelenk- Schräglenkerachse auf, eine verbesserte Federung der Vorderachse und Zwei- kreis-Bremsen. Der inzwischen 35 kW starke Motor (47 PS) ermöglichte 110 km/h. Der T3 wiederum (1979 bis 1989) bot dank 12,5 Zentimeter breiterer Karosse- rie erstmals drei Sitze vorn, Spur und Radstand waren gewachsen bei gleich- zeitig geringerem Wendekreis. Erhebliche Entwicklungsarbeit hatten die In- genieure in die Vorderachse mit doppeltem Querlenker, progressiv wirkenden Schraubenfedern und innenliegenden Teleskopstoßdämpfern samt Quersta- bilisator investiert. Die Zuladung lag jetzt nahe der 1.000 Kilogramm-Gren- ze. Die Auswertung von Crashtest-Ergebnissen führt zum Einbau eines Ramm- schutzes im Fahrerhaus-Vorbau in Kniehöhe und zu stabilen Profilen eines Seitenaufprallschutzes in den Türen. Die Benziner waren jetzt wassergekühlt, seit 1981 gab es Dieselmotoren im Sortiment. 1985 wurde die erste Allrad- Version „synchro“ vorgestellt. Der T4 (1990 bis 2004) schließlich demonst- rierte wesentlich das neue „Zugkopfprinzip“ mit Frontmotor und Frontan- trieb. Inzwischen war der Transporter in zwei Radständen (2.920 mm, 3.320 mm) und drei verschiedenen Nutzlast-Klassen (800 kg, 1.000 kg, 1.200 kg) zu haben. Der aktuelle T5 ist als Weiterentwicklung des T4 mit den wesentlichen Kon- struktionszielen Verbesserung von Komfort und Sicherheit zu sehen. Die Band- breite des Motorenprogramms (Diesel und Benziner) reicht jetzt von 62 kW bis 173 kW (84 bis 235 PS, inklusive eines 3,2 Liter-V6-Benziners). Die Fünf- und Sechszylinder-Motoren sind mit einem Sechsgang-Getriebe gekoppelt. Optional ist die Sechsgang-Automatik erhältlich. Das Fahrwerk mit Mc Pher- son-Federbeinen vorn, einen vom Aufbau entkoppelten Vorderachsschemel, und das Prinzip der Schräglenker-Achse mit „Miniblok“-Federn und separa- ten Stoßdämpfern hinten stellen eine Neuentwicklung dar. Das Cockpit präsentiert zahlreiche Ablagemöglichkeiten in- klusive breitem Gepäcknetz im Beifahrerfußraum. Die Joy- stick-Schaltung erleichtert auch einen freien Durchstieg in den Frachtraum (Fassungsvermögen 5,8 bis 9,3 cbm). Der VW-Transporter ist heute mit drei verschiedenen Dachhöhen lieferbar, die Hochdach-Variante bietet eine Stehhöhe von 1,94 Metern. Als die Deutsche Lufthansa im April 2005 ihr 50-jähriges Ju- biläum feierte, stellte die „Stiftung AutoMuseum Volkswa- gen“ rechtzeitg wieder ein Exemplar der ersten Generation in den Traditionsfarben der „Kranich“-Linie in den Dienst, nach alten Vorlagen handwerklich lackiert und beschriftet, wie sie lange Zeit als „Follow me“-Fahrzeuge, Shuttle oder Gepäcktransporter ihren Dienst taten. Aus der Zeit „Wir sind wieder wer!“. Auch der „Bulli“ ist eben Deutschland. Der „Bulli“ ist das erfolgreichste Leichte Nutzfahrzeug aller Zeiten „Wir sind wieder wer!“: Auch die T1-Generation des VW-Transporters fuhr Deutschland aus Schutt und Asche heraus (o.li.) Frachträume zwischen 5,8 und 9,3 Kubikme- tern: Der T5 ist mit drei verschiedenen Dach- höhen erhältlich (o.re.) Hoch zu den Hügeln empor: Seit 1985 gibt es Allrad-Versionen (re.) Auch er ist Deutschland

Auch er ist Deutschland - Flotte...einige Volkswagen-Mitarbeiter 1947 für das Werksgelände in Wolfsburg ge-bastelt hatten, eine fahrende Ladefläche mit Lenkrad und Sitzbank hinten

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Page 1: Auch er ist Deutschland - Flotte...einige Volkswagen-Mitarbeiter 1947 für das Werksgelände in Wolfsburg ge-bastelt hatten, eine fahrende Ladefläche mit Lenkrad und Sitzbank hinten

Flottenmanagement 4/2006

Topseller 71

Im Volksmund heißt er immer noch oft „VW-Bus“, selbst dann, wenn es hin-ter der Fahrerkabine keine Seitenscheiben mehr gibt. Oder wird liebevoll „Bul-li“ genannt. Gemeint ist der VW-Transporter, seit 1950 die Urform dieser Fahr-zeug-Kategorie in Deutschland und das erfolgreichste Leichte Nutzfahrzeugüberhaupt, das es immer auch als Bus gegeben hat. Insgesamt liefen in denvergangenen 55 Jahren rund 9,5 Millionen Einheiten vom Band. Mit demaktuellen T5 konnte Volkswagen im ersten Quartal 2006 weltweit ein Absatz-Plus von 11,5 Prozent für diese Baureihe auf 42.700 Fahrzeuge verzeichnen,das waren deutlich über 50 Prozent des Wolfsburger Gesamtgeschäftes Leich-te Nutzfahrzeuge. Die Beliebtheit des VW-Transporters bis hin zum Kult-Autoliegt wohl wesentlich darin begründet, dass er der erste seiner Art war, dasOriginal. Zudem gilt auch er als ein Sinnbild des Wirtschaftswunders inDeutschland, ein übriges leistete der Varianten-Reichtum der Baureihe.

Innovationen im ZeitrafferEs war ein hässliches, aber sehr nützliches Gefährt in armen Zeiten, das sicheinige Volkswagen-Mitarbeiter 1947 für das Werksgelände in Wolfsburg ge-bastelt hatten, eine fahrende Ladefläche mit Lenkrad und Sitzbank hinten.Sie inspirierte Ben Pon, seinerzeit niederländischer VW-Importeur, zur Skiz-ze eines Frontlenkers mit Heckantrieb und kastenförmigem Aufbau. Hartnä-ckig überzeugte er den damaligen VW-Chef Heinrich Nordhoff, die Entwick-lung zu beschließen. Der erste „Bulli“ kam mit selbsttragender Karosseriedaher, gestützt auf einen Leiterrahmen, verwendete Motor (18 kW/25 PS bei3.300/min.) und Achsen des VW Käfers und bot eine Nutzlast von 750 Kilo-gramm. 1954 gab es schon 30 verschiedene Modelle, die Tagesproduktion lagbei etwa 80 Fahrzeugen. Nordhoff entschloss sich zum Bau des Transporter-werkes in Hannover (Serienproduktion ab April 1956). 1960 wurden für dieBaureihe der 25 kW-Motor (34 PS) und ein vollsynchronisiertes Getriebe ein-geführt, 1962 verließ der 1.000.000ste Transporter das Band. Die zweite Ge-neration (1967 bis 1979) präsentierte sich mit ungeteilter Frontscheibe,insgesamt größeren Fensterflächen und der nun obligatorischen hinteren

Schiebetür. Durch bessere Aufteilung war der Innenraum gewachsen, ins Augefiel auch die deutlich größere Heckklappe. Umfangreiche Veränderungenebenso unter dem Blech: Das Fahrwerk wies jetzt hinten eine Doppelgelenk-Schräglenkerachse auf, eine verbesserte Federung der Vorderachse und Zwei-kreis-Bremsen. Der inzwischen 35 kW starke Motor (47 PS) ermöglichte 110km/h.

Der T3 wiederum (1979 bis 1989) bot dank 12,5 Zentimeter breiterer Karosse-rie erstmals drei Sitze vorn, Spur und Radstand waren gewachsen bei gleich-zeitig geringerem Wendekreis. Erhebliche Entwicklungsarbeit hatten die In-genieure in die Vorderachse mit doppeltem Querlenker, progressiv wirkendenSchraubenfedern und innenliegenden Teleskopstoßdämpfern samt Quersta-bilisator investiert. Die Zuladung lag jetzt nahe der 1.000 Kilogramm-Gren-ze. Die Auswertung von Crashtest-Ergebnissen führt zum Einbau eines Ramm-schutzes im Fahrerhaus-Vorbau in Kniehöhe und zu stabilen Profilen einesSeitenaufprallschutzes in den Türen. Die Benziner waren jetzt wassergekühlt,seit 1981 gab es Dieselmotoren im Sortiment. 1985 wurde die erste Allrad-Version „synchro“ vorgestellt. Der T4 (1990 bis 2004) schließlich demonst-rierte wesentlich das neue „Zugkopfprinzip“ mit Frontmotor und Frontan-trieb. Inzwischen war der Transporter in zwei Radständen (2.920 mm, 3.320mm) und drei verschiedenen Nutzlast-Klassen (800 kg, 1.000 kg, 1.200 kg)zu haben.

Der aktuelle T5 ist als Weiterentwicklung des T4 mit den wesentlichen Kon-struktionszielen Verbesserung von Komfort und Sicherheit zu sehen. Die Band-breite des Motorenprogramms (Diesel und Benziner) reicht jetzt von 62 kWbis 173 kW (84 bis 235 PS, inklusive eines 3,2 Liter-V6-Benziners). Die Fünf-und Sechszylinder-Motoren sind mit einem Sechsgang-Getriebe gekoppelt.Optional ist die Sechsgang-Automatik erhältlich. Das Fahrwerk mit Mc Pher-son-Federbeinen vorn, einen vom Aufbau entkoppelten Vorderachsschemel,und das Prinzip der Schräglenker-Achse mit „Miniblok“-Federn und separa-

ten Stoßdämpfern hinten stellen eine Neuentwicklung dar.Das Cockpit präsentiert zahlreiche Ablagemöglichkeiten in-klusive breitem Gepäcknetz im Beifahrerfußraum. Die Joy-stick-Schaltung erleichtert auch einen freien Durchstieg inden Frachtraum (Fassungsvermögen 5,8 bis 9,3 cbm). DerVW-Transporter ist heute mit drei verschiedenen Dachhöhenlieferbar, die Hochdach-Variante bietet eine Stehhöhe von1,94 Metern.

Als die Deutsche Lufthansa im April 2005 ihr 50-jähriges Ju-biläum feierte, stellte die „Stiftung AutoMuseum Volkswa-gen“ rechtzeitg wieder ein Exemplar der ersten Generationin den Traditionsfarben der „Kranich“-Linie in den Dienst,nach alten Vorlagen handwerklich lackiert und beschriftet,wie sie lange Zeit als „Follow me“-Fahrzeuge, Shuttle oderGepäcktransporter ihren Dienst taten. Aus der Zeit „Wir sindwieder wer!“. Auch der „Bulli“ ist eben Deutschland.

Der „Bulli“ ist das erfolgreichste Leichte Nutzfahrzeug aller Zeiten

„Wir sind wieder wer!“:Auch die T1-Generation

des VW-Transportersfuhr Deutschland aus

Schutt und Ascheheraus (o.li.)

Frachträume zwischen5,8 und 9,3 Kubikme-

tern: Der T5 ist mit dreiverschiedenen Dach-

höhen erhältlich (o.re.)

Hoch zu den Hügelnempor: Seit 1985 gibt

es Allrad-Versionen(re.)

Auch er ist Deutschland