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Ausgabe 06 Juni 2009 [ STARS ] Stadträume in Spannungsfeldern Plätze, Parks und Promenaden im Spannun öffentlicher und privater Aktivitäten Stadträume in Spannungsfeldern Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten Deutschlandreise Nachdem wir Ihnen in den letzten Journalen ausführlich von den Ergebnissen unserer Fallstudienarbeit berichten konnten, haben wir nun eine weitere Etappe unserer Forschungsarbeit hinter uns gebracht: Das zweite Halbjahr 2008 verbrachten wir hauptsächlich mit Reisen und Gesprächen anlässlich unserer Interviewreihe, die wir in 20 Großstädten Deutschlands durchgeführt haben. Lange waren wir in der Republik unterwegs, sind viele Zugkilometer gefahren und haben mit Leiterinnen und Leitern von Grünächen- und Stadtplanungsämtern über „ihre“ hybriden Räume gesprochen. Dabei informierten wir uns nicht nur über das generelle Vorhandensein dieser Räume in den Kommunen, sondern fragten auch Erfahrungen ab, um neben der kommunalen Praxis im Umgang mit hybriden Räumen auch Handlungs- und Steuerungsbedarf der öffentlichen Hand zu erkennen. Im vorliegenden Journal möchten wir Ihnen nun – entlang unseres Fragebo gens – die ersten Ergebnisse unserer Gespräche darstellen. Wir wollten zunächst von den Kommunen wissen, welche Rolle der öffentliche Raum in ihrer Stadt spielt, welche Räume im Schnittbereich darunter existieren und wie bei diesen Räumen Akteure und Verantwortlichkeiten aufgeteilt sind. Weiterhin war uns wichtig zu erfahren, unter welchen Vorraussetzungen – aus Sicht der Kommune – diese Räume entstehen und welche Interessen dabei jeweils verfolgt werden. Wir fragten, wie in der Kommune die Interdependenz mit nicht-kommunalen Akteuren funktioniert und geregelt wird. Abschließend baten wir unsere Gesprächspartner/-innen um Angaben zum steuernden Eingreifen der Kommunen sowie eine Einschätzung zu Potenzialen der Zusammenarbeit zwischen kommunalen und nicht-kommunalen Akteuren. Die ersten Ergebnisse der Interviews lesen Sie ab Seite 2. Während der Vorbereitung der Interviewreihe bekräftigte sich der schon vorher oft angedachte Wunsch, auch die nicht-kommunale Perspektive auf hybride Räume zu untersuchen Trotz der im Projekt einseitig kommunal vorgesehenen Perspektive entschlossen wir uns daher , parallel 6 Fallstudien zu vertiefen und die andere Seite der Medaille zu befragen: Was halten eigentlich Private davon, öffentlichen Raum zu gestalten und wie kommt es dazu? Dazu unser Artikel „Multi-Akteurs-Perspektiven“ ab Seite 11. Und weil uns 20 Städte in Deutschland noch nicht genug waren, ist Juliane Pegels nach Chile und Australien gereist, um auch über die Landesgrenzen hinaus nach hybriden Räumen zu suchen. Ob das ein Anknüpfungspunkt für weitere Forschungsvorhaben wird, bleibt abzuwarten. Wir wünschen Ihnen mit diesem Heft eine interessante Reise durch „Stadträume in Spannungsfeldern“ und freuen uns schon jetzt auf Ihre Rückmeldung, Kritik und Anregungen. Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels, Bettina Perenthaler, Achim Reese und Klaus Selle

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Ausgabe 06 Juni 2009

[STARS]Stadträume in Spannungsfeldern

Plätze, Parks und Promenaden im Spannunöffentlicher und privater Aktivitäten

Stadträume in Spannungsfeldern

Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereichöffentlicher und privater Aktivitäten

Deutschlandreise

Nachdem wir Ihnen in den letzten Journalenausführlich von den Ergebnissen unsererFallstudienarbeit berichten konnten, habenwir nun eine weitere Etappe unsererForschungsarbeit hinter uns gebracht:Das zweite Halbjahr 2008 verbrachten wirhauptsächlich mit Reisen und Gesprächenanlässlich unserer Interviewreihe, die wir in20 Großstädten Deutschlands durchgeführthaben. Lange waren wir in der Republikunterwegs, sind viele Zugkilometer gefahrenund haben mit Leiterinnen und Leitern vonGrünächen- und Stadtplanungsämternüber „ihre“ hybriden Räume gesprochen.Dabei informierten wir uns nicht nur überdas generelle Vorhandensein dieser Räumein den Kommunen, sondern fragten auchErfahrungen ab, um neben der kommunalenPraxis im Umgang mit hybriden Räumen

auch Handlungs- und Steuerungsbedarf deröffentlichen Hand zu erkennen.Im vorliegenden Journal möchten wir Ihnennun – entlang unseres Fragebogens – die erstenErgebnisse unserer Gespräche darstellen. Wirwollten zunächst von den Kommunen wissen,welche Rolle der öffentliche Raum in ihrerStadt spielt, welche Räume im Schnittbereichdarunter existieren und wie bei diesenRäumen Akteure und Verantwortlichkeitenaufgeteilt sind. Weiterhin war uns wichtig zuerfahren, unter welchen Vorraussetzungen

– aus Sicht der Kommune – diese Räumeentstehen und welche Interessen dabeijeweils verfolgt werden. Wir fragten, wiein der Kommune die Interdependenz mit

nicht-kommunalen Akteuren funktioniertund geregelt wird. Abschließend baten wirunsere Gesprächspartner/-innen um Angabenzum steuernden Eingreifen der Kommunensowie eine Einschätzung zu Potenzialen derZusammenarbeit zwischen kommunalenund nicht-kommunalen Akteuren. Die erstenErgebnisse der Interviews lesen Sie ab Seite 2.Während der Vorbereitung der Interviewreihebekräftigte sich der schon vorher oft angedachteWunsch, auch die nicht-kommunale Perspektiveauf hybride Räume zu untersuchen Trotz derim Projekt einseitig kommunal vorgesehenenPerspektive entschlossen wir uns daher, parallel6 Fallstudien zu vertiefen und die andere Seiteder Medaille zu befragen: Was halten eigentlichPrivate davon, öffentlichen Raum zu gestaltenund wie kommt es dazu? Dazu unser Artikel„Multi-Akteurs-Perspektiven“ ab Seite 11.

Und weil uns 20 Städte in Deutschland nochnicht genug waren, ist Juliane Pegels nachChile und Australien gereist, um auch über dieLandesgrenzen hinaus nach hybriden Räumenzu suchen. Ob das ein Anknüpfungspunktfür weitere Forschungsvorhaben wird, bleibtabzuwarten.Wir wünschen Ihnen mit diesem Heft eineinteressante Reise durch „Stadträume inSpannungsfeldern“ und freuen uns schonjetzt auf Ihre Rückmeldung, Kritik undAnregungen.

Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels,Bettina Perenthaler, Achim Reese und Klaus Selle

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Die InterviewsErgebnisse aus 20 Kommunen

Unsere Reise durch 20 Kommunen Deutschlands hatte zwei Ziele: Zum einen wollten wir die Ergeb-

nisse der 29 Fallstudien aus Aachen, Hannover und Leipzig auch in einem breiteren kommunalenSpektrum untersuchen. Zum anderen waren wir an der kommunalen Perspektive auf „Stadträumein Spannungsfeldern“ interessiert. Während wir in den Fallstudien zunächst so viele Phänomenewie möglich sammelten, sollten die Interviews zeigen, ob diese Phänomene in einer gewissen Band-breite auch in den anderen Kommunen zu nden sind. Zudem stellten sich aus den Fallstudienheraus Fragen zum kommunalen Umgang mit hybriden Räumen und vor allem den involviertenAkteuren. Befragt haben wir 40 Leiterinnen und Leiter aus Stadtplanungs- und Grünächenämternin 20 Großstädten – quer durch die Bundesrepublik. Im Folgenden bleiben wir bei dieser Ämterbe-zeichnung, obwohl diese nicht mehr für alle Kommunen, die in Fachbereichen organisiert sind oderihre Grünächenämter aufgelöst haben, zutreffen. Im letzteren Fall befragten wir die uns entspre-chend genannten zuständigen Abteilungen, Garten- und Friedhofsämter usw. Wir erkundigten unszunächst, welche Konzepte, Strategien, Interessen, Motive, Planungs- und Steuerungsinstrumentezum Einsatz kommen. Darüber hinaus wollten wir herausnden, wie üblich bzw. unüblich ihre An-

wendung in den Kommunen ist.

Im Folgenden werden die Gespräche unserer„Deutschlandreise“ analog zur Untersuchungder Fallstudien ausgewertet. Dabei handelt essich um eine vorläuge Zusammenfassungder Auswertung, daher können die Ergebnisseteilweise nur vereinfacht dargestellt werden.Zunächst wird im Abschnitt 1 „Suchen undIdentizieren“ nachvollzogen, ob und wie Räu-me im Schnittbereich in den befragten Kom-munen wahrgenommen werden. In Abschnitt

2 „Erfassen und Beschreiben“ betrachten wirdie uns genannten Räume und Akteure näherund beschreiben die raumbestimmenden Ka-tegorien „Recht, Regulierung, Produktion“ imRahmen der von unseren Gesprächspartner/-innen angeführten Beispiele genauer. DerAbschnitt 3 „Analysieren und Erklären“ bein-haltet die sich aus den Fallstudien ergebendenFragen hinsichtlich der Anlässe und Motivezur Entstehung „hybrider“ Räume sowie dieBeschreibung von Wirkungszusammenhän-gen der in den Gesprächen beschriebenen In-

terdependenzen. Abschließend untersuchenwir in Abschnitt 4 „Fragen und Folgern“ dieEinschätzung der Befragten zum kommunalenHandlungs- und Steuerungsbedarf. Die Zitate

wurden anonymisiert in „Grün“ und „Stadt“plus einer laufenden Zahl – so dass die Zu-ordnung der Ämter zu einer Kommune nochmöglich ist; z. B.: Stadt 5 und Grün 5 bezeich-net Stadtplanungs- und Grünächenamt (bzw.ihre Äquivalente) derselben Kommune.

1. „Suchen und identizieren“ –Räume im Schnittbereich und ihre Bedeutungin den Kommunen

Eine der Fragen, die sich aus der Auswertungder Fallstudien ergab, zielt auf die Wahrneh-mung „hybrider“ Räume im kommunalenAlltag der 40 befragten Amtsleiter/-innen.Zunächst zeigte sich bereits bei der Termi-nabsprache und dem Vorbringen unseresForschungsanliegens eine aus den Fallstudiendurchaus bekannte Reaktion – die Antwort:„solche Räume haben wir nicht“. Im jeweiligenGespräch stellte sich dagegen heraus, dasses diese Räume sehr wohl gibt, sie allerdingsdurchaus nicht immer im Bewusstsein der je-

weilig zuständigen Ämter stehen und als ganzalltägliche Räume wahrgenommen werden.Andererseits gab es aber auch einige Kommu-nen, die sich sehr bewusst waren, „hybride“

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Ausgabe Juni 2009

Editorial 01

Die InterviewsErgebnisse aus 20 Kommunen 02

Wichtigste Interviewergebnisse 10

Vertiefte Fallstudien:Multi-Akteurs Persepktiven 11

STARS go abroad.Ortsbesichtigung Santiago und Sydney 13

Was bleibt von STARS?! 20

Impressum/Kontakt 20

06

Räume im Netz der öffentlich zugänglichenRäume zu haben. Diese Kommunen legen inder Regel besonderen Wert auf die Entwicklungder öffentlich nutzbaren Räume in der Stadt

und haben entsprechende Konzepte und Pri-oritäten erarbeitet. In vielen Gesprächen kamaußerdem der Hinweis, dass „hybride Räume“kein neues Phänomen darstellen: „Die hat esschon vor 100 Jahren gegeben“ (Grün 6). Dabeiwurde auf Sponsoren- und Mäzenatentum beiprivat entwickelten öffentlich zugänglichenRäumen während der Industrialisierung undin neu entstandenen Stadtvierteln um die Jahr-hundertwende verwiesen. Von einem standar-disierten Umgang mit öffentlich zugänglichenRäumen im Schnittbereich zwischen kommu-nalen und privaten Akteuren berichtete keinerunserer Gesprächspartner. Es war stets vonEinzelfällen die Rede.

2. „Erfassen und Beschreiben“ –Räume, Akteure, Interdependenzen

Räume„Hybride“ Räume sind in allen Raumkatego-rien und Erscheinungsbildern von alltäglichen,öffentlich zugänglichen Räumen zu nden.Vom Museumsvorplatz über Streuobstwiesen,Universitätscampi bis zu Einkaufspassagen

werden Beispiele in allen Kontexten, räum-lichen Funktionen und in allen baulichen undPegezuständen genannt. Obwohl tendenziellbei unseren Gesprächspartnern zunächst derEindruck vorherrscht, „hybride Räume“ seienauf den Innenstadtbereich konzentriert, stelltesich das bei näherem Hinsehen im Gesprächals Fehleinschätzung heraus, da sich auch inallen anderen städtischen Kontexten und La-gen solche Räume nden. Die Hypothese derAlltäglichkeit hybrider Räume ist damit – wiesich schon in den Fallstudien zeigte – zutref-

fend. Für Nutzerinnen und Nutzer in der Regelunsichtbar, gewinnen die Grenzen zwischenkommunalen und nicht-kommunalen Räu-men bzw. die Notwendigkeit der Auseinan-dersetzung mit beteiligten nicht-kommunalenAkteuren auch für die zuständigen Ämter häu-g erst im Koniktfall Bedeutung. Die Alltäg-lichkeit hybrider Räume, also das „normale“Erscheinungsbild führt auch dazu, dass dieseRäume wenig als Besonderheit wahrgenom-men werden und dass der private Einuss auf diese öffentlich zugänglichen Räume seltengezielt thematisiert wird, sowohl in der Fach-

debatte als auch im kommunalen Alltag.Hybride Räume unterscheiden sich vor allemauch in einem wichtigen Punkt nicht von rein

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kommunalen Räumen: In der Regel werdensie nicht schlechter gepegt. Mitnichten bestä-tigte sich die Annahme, dass privat gepegteRäume in schlechtem Zustand seien und derkommunalen Aufmerksamkeit bedürften. Oftist sogar das Gegenteil der Fall und die kom-munale Pege ist weniger leistungsstark; ineinigen Fällen übernehmen Private sogar frei-willig die Pege kommunaler Flächen, um ei-nen besseren Standard zu erreichen.

AkteureWie schon in den Fallstudien, zeigt sich auchin den Interviews, dass keinesfalls entwederPrivate oder die Kommune die Hauptakteurein öffentlich zugänglichen Räumen sind. DieVielzahl und Unterschiedlichkeit der uns be-schriebenen Akteure verdeutlicht, welchegroße Zahl von Interessen in hybriden Räu-men aufeinander stoßen. Unsere kommunalenGesprächspartner nennen im Zusammenhangmit verschiedenen Projekten „hybrider“ Räu-me beinahe unzählige Akteure, mit denen sieinteragieren müssen. Die in den Fallstudiengetroffene Einteilung in Untergruppen, diesowohl die Orientierung am Markt, als auch

den Grad öffentlicher Einüsse oder Bezügeberücksichtigen, bestätigt sich im Hinblickauf die nicht-kommunalen Akteure. Jedochsagt die Unterteilung in diese Gruppen nichtsaus über die jeweiligen Interessenlagen, Zieleund Verhandlungsstrategien. Diese können in

den einzelnen Untergruppen sehr verschiedensein. Im Hinblick auf die kommunalen Akteuremüssten nach den Ergebnissen der Interviewsdie in den Fallstudien festgehaltenen Beobach-tungen weiter differenziert werden. So wurdedeutlich, dass „die Kommune“ aufgrund derverschiedenen agierenden Ämter selten mitnur einer Stimme spricht und z. B. Politik undVerwaltung mitunter deutlich gegeneinanderarbeiten. Auch 100%-ige städtische Töchterund städtische Eigenbetriebe werden von denInterviewten oft als „quasi-private“ Akteure

beschrieben, da sie betriebswirtschaftlich ef-zient arbeiten müssen – also in der Wahrneh-mung vieler unserer Gesprächspartner/-innennach „anderen“ Regeln funktionieren undentscheiden als kommunale Ämter. Dazu äu-ßerte ein Befragter: „Die Zusammenarbeit mitkommunen-nahen, öffentlichen oder quasi-öffent-lichen Akteuren ist nicht unbedingt leichter als diemit privaten Akteuren.“  (Stadt 1) Oftmals sinddie unterschiedlichen Vorstellungen und An-forderungen der kommunalen Ämter schon sovielschichtig, dass die Interaktion mit Privatennur noch weitere Komplexität schafft.

RechtDie Eigentumsrechte an einem Raum werdenin der Literatur und auch in der kommunalenPraxis häuger herangezogen, um öffentlichevon nicht-öffentlichen Räumen zu unterschei-den. Eine solche Denition greift allerdings zukurz. Obwohl das mitunter komplexe Gewe-be von Rechten hinter einem Raum wichtigeAspekte thematisiert, ist es für seinen Öffent-lichkeitscharakter, für seine Nutzbarkeit alsöffentlicher Raum nicht ausschlaggebend, für

die Nutzerinnen und Nutzer sind die Rechte ineinem Raum oft nicht sichtbar. Manche Kom-munen sind dazu übergegangen, rechtlichrelevante Grenzen in einem Raum kenntlichzu machen, um die Ausführung von Pichten(Pege, Haftung) zu erleichtern. Neben Eigen-tumsrechten sind auch Nutzungsrechte inte-ressant. Dabei existieren außer dauerhaftenWidmungen oder eingetragenen Grunddienst-barkeiten auch Räume, die ohne rechtlicheRegelungen der Öffentlichkeit zugänglichsind. Dies wird von den Befragten eher alsunbefriedigender Zustand wahrgenommen,da die Räume von den Nutzern als öffentlichregistriert werden, die Kommune aber keiner-lei Regulierungsmöglichkeiten inne hat: „der 

Die von uns ausgewähltenInterviewkommunen

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Platz ist nicht öffentlich-rechtlich gewidmet, aber natürlich ein öffentlicher Raum, was dann z. B.zu der Frage führt, was können wir dagegen tun,wenn da auf einmal verunstaltende großformatigeWerbung ist, weil es ja kein öffentlich-rechtlicher Raum ist …“  (Stadt 1).

Entgegen der Hypothese, dass in einem öf-fentlich zugänglichen Raum lediglich ein Ak-teur Rechte hat, verstecken sich hinter vielenBeispielen komplexe Gefüge von Rechten undPichten, die durch unterschiedliche recht-liche Instrumente gesichert werden können.Nicht immer sind sich die kommunalen Ak-teure dieser komplexen Gefüge bewusst. Diesist solange problemlos, bis ein Konikt- oderSchadensfall oder anderer Handlungsbedarf auftritt. Obwohl von den meisten Kommunenunmittelbar der B-Plan oder der städtebauliche

Vertrag als Instrumente der Wahl für die Si-cherung öffentlicher Rechte für privat produ-zierten öffentlich zugänglichen Raum genanntwurde, wählen einige Kommunen lieber ande-re Möglichkeiten. Eine davon ist die Varianteder Festschreibung öffentlicher Querungs-rechte im Grundbuch. Gerade in Kommunen,in denen Projektentwickler, Filialen und Inve-storen in kurzen Intervallen kaufen, verkaufenund weiterentwickeln, wird sehr viel Wert auf vom Eigentümer unabhängige Sicherungengelegt.

RegulierungWährend die den Räumen zugrunde liegendenrechtlichen Regelungen für Nutzerinnen undNutzer in der Regel unsichtbar bleiben, sol-len Regulierungsmaßnahmen direkt auf dasNutzerverhalten einwirken – also auch ent-sprechend wahrnehmbar sein. Aufgrund vonvermehrten Problemen in öffentlich zugäng-lichen Räumen werden auch von kommunalerSeite zunehmend mehr Regeln aufgestellt unddurchgesetzt. Die Ordnungsämter schickenPatrouillen in von bestimmten Nutzergruppen

hoch frequentierte Räume. An einigen Ortenist dies verbunden mit zum Teil rigiden, meistaber lokal begrenzten Einschränkungen (z. B.„Alkoholverbot“ auf bestimmten Plätzen). In-wieweit diese Entwicklungen zu verstärktenSelektivitäten führen, bleibt unklar. Aus kom-munaler Sicht werden Probleme bekämpft, dieder Allgemeinheit schaden und die Kommune(und damit wiederum die Steuerzahler) vielGeld kosten.Obwohl aus kommunaler Sicht nicht expliziterläutert wurde, dass Private ein besondersausgeprägtes Interesse daran haben, die Nut-zerinnen und Nutzer ihrer Räume zu regle-mentieren, neiden manche Kommunen denPrivaten zum Teil durchaus ihre Eingriffsmög-

lichkeiten durch Ausübung des Hausrechts.Die Kommune hat vergleichsweise nur be-schränkte Eingriffsmöglichkeiten; sie darf nurRegeln durchsetzen, die z. B. per Satzung de-niert worden sind. In Räumen, in denen kom-plexe Rechtsgefüge und Grenzverläufe vorlie-

gen, können die Zuständigkeiten vor Ort unterUmständen schwierig und vor allem dem aus-führenden Sicherheits- oder Ordnungsamts-personal unklar sein.

ProduktionWie in den Fallstudien stellten wir auch in denKommunen die Frage, welche Akteure in wel-cher Weise an der Produktion (darunter verste-hen wir Planung, Bau, Pege, Unterhalt undInstandhaltung) von öffentlich zugänglichenRäumen beteiligt sind. Bauherren von öffent-

lich zugänglichen Räumen sind in allen Ka-tegorien von Akteuren zu nden. Wie wir er-fuhren, erfolgt in einigen Projekten sogar eineAufgabenteilung innerhalb eines Raumes, dasheißt Teilbereiche werden z. B. von einer Kom-mune gebaut, während ein anderer Teil voneinem privaten Akteur gebaut wird. In diesenFällen beauftragen die Bauherren in der Re-gel dieselben Architekten und Baurmen, umeine einheitliche Gestaltung und Herstellungder Räume zu gewährleisten. Auch bei der Fi-nanzierung eines Projektes sind verschiedeneKonstellationen möglich, so kann die Finan-

zierung komplett aus einer Hand oder durchverschiedene Akteure erfolgen. Durchausüblich ist in verschiedenen Kommunen eineMitnanzierung der Herstellung durch privateAkteure über Zuschüsse oder anteilige Über-nahme der Finanzierung.Auch die Kommune stellt hybride Räume her,besonders im Zusammenhang mit Maßnah-men von Investoren, die in diesem Rahmenselbst (ggf. an anderer Stelle) in den öffentlichnutzbaren Raum investieren: „Da haben die

 gesagt, wir investieren jetzt in dieses Fünf-Sterne-

Hotel (...) 30 Mio. oder was das damals war undda kommt es jetzt auf 40.000 Euro oder Mark für eine Außenanlage nicht an. Für uns war das na-türlich viel Geld, für die hat es zum Portfolio da-zugehört, ihr Fünf-Sterne-Hotel hier besser zu ver-markten. Und so konnten wir beide davon leben.Abgesehen davon haben wir ihnen den öffentlichenRaum auch an anderer Stelle verbessert; aber dashätten wir sowieso machen müssen.“ (Grün 15) Inder Pege und Instandhaltung von öffentlichzugänglichen Räumen wurde uns von ähnlichbreiten Akteurs-Konstellationen und Aufga-benteilungen wie bei deren Planung und Bauberichtet. Entsprechend sind verschiedene Ar-ten von Vereinbarungen und Aufgabenvertei-lungen zu nden. Ursächlich verantwortlich

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für die Pege – damit insbesondere für dieVerkehrssicherung – ist zunächst der Eigentü-mer eines Raumes, der diese Aufgabe jedochmittels verschiedener Rechtsinstrumente anandere Akteure abgeben kann (per Satzung,Vertrag etc.).

Die Verantwortlichkeiten für einen Raum be-schränken sich keineswegs nur auf seine Pla-nung und seinen Bau, sprich seine Herstellung.Diese Phase ist zwar wichtig, aber oftmals kurzund regelbar. Die daran anschließende langePhase der Pege ist gleichermaßen wichtig:oftmals sind die über Jahre anfallenden Pege-kosten vielfach höher als die Grundinvestitionbei der Herstellung des Raumes. Daher scheu-en nach Erfahrung der befragten Amtsleiter/-innen private und tendenziell auch anderenicht-kommunale Akteure vor der Übernah-

me von Pege- und Instandhaltungskostenzurück. Werden privat hergestellte Flächenspäter von der Kommune gepegt, so wirdder Aufwand oft im Vorfeld kapitalisiert. Beifür die Stadt wichtigen repräsentativen Räu-men achten viele Kommunen darauf, selberzu pegen: „Die Pege wird von der Stadt über-nommen – höchstens bei der Übergabe des Platzeskapitalisiert; denn es hat sich herausgestellt, dasInvestoren, die solche Projekte bauen, im Grundeauch nicht aufgestellt sind, um solche Pegear-beiten wirklich leistungsfähig, qualitativ gut undzuverlässig machen zu können. Da ist es leichter,

den Weg der Kapitalisierung zu gehen.“ (Stadt 5) Während Verantwortlichkeiten beim Bau undzur Pege eines Raumes oftmals thematisiertund vertraglich geregelt werden, bleiben The-men, die erst nach vielen Jahren auftauchenkönnen, zunächst ungesehen. Hierzu zähltz. B. die Frage, wer welche Pichten und La-sten bei Umgestaltungen oder Aufwertungenträgt. Diese Fragen müssen dann zum TeilJahrzehnte später erneut verhandelt bzw. abge-stimmt werden.

3. „Analysieren und Erklären“ –Ursachen und Wirkungszusammenhänge derInterdependenzenDie Frage nach den Ursachen und Wirkungs-zusammenhängen der Interdependenzen derAkteure beginnt mit der Frage danach, wieund warum Räume im Schnittbereich kom-munaler und nicht-kommunaler Aktivitätenentstanden sind. Hier werden – wie in denFallstudien – sowohl Auslöser und Anlässeals auch Motive und Interessen erfragt. In derFolge standen dann die Akteure selbst im Mit-telpunkt. Dabei interessierte uns die Regelungdes Zusammenspiels der Akteure, ob und wieihr Zusammenwirken funktioniert und wie essich manifestiert.

3.1 Wie und warum entstanden Räume imSchnittbereich?Es gibt spezische Auslöser für die Entstehungvon Kooperationen zwischen kommunalenund nicht-kommunalen Akteuren, wobei dieInitiative sowohl von der Stadt als auch von

Privaten ausgeht. Als Auslöser wurden vorallem Neubau, Sanierung, Konversion undStadterweiterung angeführt. Auch Förderpro-gramme (EU, Bund, Land), wie der Bundes-wettbewerb „Entente orale“, können Auslösersein, auf Private zuzugehen, da sie Projektefördern, die Bürger/-innen und die ansässigeWirtschaft aktiv mit einbinden. Bei den nicht-kommunalen Akteuren ist die Nachfrage nachBaurecht bei Bauvorhaben der Hauptanlass,mit der Kommune in Kontakt zu treten. Diemeisten Kommunen nutzen diese Anlässe,

um zum einen eigene angrenzende Flächenmit zu entwickeln, zu gestalten oder zu sanie-ren. Zum anderen versuchen die Kommunenim Rahmen von Neu- und Umbauten entste-hende oder neu zu gestaltende öffentlich zu-gängliche Räume (zum Teil auch kommunaleRäume) von privaten Akteuren mit nanzierenzu lassen: „Wir machen hier eine Menge von städ-tebaulichen Planungsprojekten, Bauleitplanungs-

  projekten, wo solche öffentlichen Räume mit Be-standteil sind – und versuchen dann, im Rahmenvon städtebaulichen Verträgen mit dem privatenInvestor auch die Finanzierung solcher Projekte

zu verankern.“ (Stadt 5) Auf Seiten der Kom-mune ist ein Hauptgrund, aktiv zu werden,der Erhalt der Substanz öffentlich nutzbarerRäume durch Sanierung, Umgestaltung undPege oder das Erschließen neuer Flächen imSinne der Stadtentwicklung (Öffnung/ Nach-nutzung).

Motive und InteressenKooperationen werden sicherlich aufgrundvon knappen nanziellen Ressourcen not-wendig; sind aber im Gegenzug keinesfalls

ein einfacher Ausweg bei Finanzknappheit.Die Motivation privater Akteure, im Sinne derKommune zu investieren, hat einen hohenStellenwert in den Kommunen. Die Qualitätdes öffentlich zugänglichen Raumes wird hochgeschätzt, und so gehört auch das Wahren vonGestaltqualitäten bei privater Beteiligung zuden vorrangigen Zielen der Kommune. DieMotivation privater Akteure, in einer Stadt aktivzu werden oder sich dort niederzulassen, hängtauch maßgeblich von dem ab, was die Stadt zubieten hat. Die Stadt muss immer wieder An-reize schaffen und motivieren; private Akteuresehen hauptsächlich ihren Gewinn – vor allembei globalisierten Unternehmensstrukturen.Allerdings wird in einigen Kommunen durch-

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aus ein Trend verzeichnet, dass Private den öf-fentlichen bzw. umgebenden Freiraum höherschätzen – was auch auf Vermarktungspro-bleme von Wohn- und Bürogebäuden zurück-zuführen ist, die eine Ausdifferenzierung desAngebots zur Folge haben. Tendenziell wird

eher in den Städten mehr freiwillig privat inve-stiert, in denen ohnehin schon viel geschieht.

3.2 Wie funktioniert das Zusammenspiel derAkteure?In den Fallstudien wurde deutlich, dass Inter-dependenzen durchaus auch baulich-räumlichsichtbar werden, dies aber keinesfalls notwen-digerweise so ist. In den Interviews bestätigtensich die Erkenntnisse aus den Fallstudien undkonnten an einigen Stellen noch differen-zierter gefasst werden.

Des Weiteren fragen wir danach, wie die Zu-sammenarbeit praktiziert wird und funktio-niert. Dabei soll untersucht werden, wie üblichdie in den Fallstudien vorgefundenen jewei-ligen kommunalen Praktiken im Umgangmit nicht-kommunalen Akteuren sind und obes Unterschiede im Umgang mit einem Ak-teurstypus gibt. Hierzu gehört auch die Fragenach Konikten. In diesem Kontext lassen sichin einigen Punkten durchaus deutliche Unter-schiede zu den Ergebnissen der Fallstudienfeststellen.

Wo und wie manifestiert sich der Schnittbereichkommunaler und nicht-kommunaler Akteure?Wie wird das Zusammenspiel geregelt?Der Schnittbereich kommunaler und nicht-kommunaler Akteure manifestiert sich primärin projektbezogenen bau- und vertragsrecht-lichen Festsetzungen und Absprachen. DerBebauungsplan ist in diesem Zusammenhangdas meistgenannte Instrument, welches durchstädtebauliche Verträge ergänzt wird. „DieKommune hat die Wahl zwischen Festsetzungenim B-Plan und städtebaulichem Vertrag, wobei

eine hohe Festsetzungsdichte im B-Plan schwer zurückzunehmen ist. Daher wird häuger par-allel der städtebauliche Vertrag eingesetzt, um imProzess Neues einarbeiten zu können.“  (Stadt 12) Weiterhin wurden Sondernutzungsrechte inunterschiedlich stark reglementierten Ausprä-gungen – je nach Stadt – genannt sowie das In-strument der Business-Improvement-Districts(BIDs) und Immobilien-Standort-Gemein-schaften. Diese rechtlichen Festsetzungen sozu gestalten, dass alle aktuellen und zukünf-tigen Fragestellungen, Koniktpotenziale undBelange ausreichend thematisiert und im Vor-feld geregelt werden, stellt die eigentliche kom-munale Herausforderung dar. Daneben gibt esaber durchaus auch informelle Regelungen,

zumeist mit intermediären Akteuren und auchBürgerinnen und Bürgern. Informelle Rege-lungen mit Unternehmen oder ähnlichen pri-vaten Akteuren sind eher selten und abhängigvon einer langjährig bestehenden Vertrauens-basis zwischen Personen auf Seiten der jewei-

ligen Akteure.Interdependenzen können sich auch baulich-räumlich manifestieren. In der Regel sind sieaber für Nutzerinnen und Nutzer nicht wahr-nehmbar. In einigen Fällen, z. B. um Sonder-nutzungsbereiche oder Zuständigkeitsgrenzenkenntlich zu machen, wird auf dezente undgestalterisch unauffällige Grenzmarkierungenzurückgegriffen, um diese für die Beteiligtenschnell im Raum sichtbar zu machen.

Wie wird das Zusammenspiel praktiziert?

Generell sind „frühe Kommunikation“ und„Austausch“ die Schlüsselworte für eine er-folgreiche Gestaltung von Interdependenzen.Je verhandlungsstärker eine Kommune dabeiist, umso eher weiß sie und gelingt es ihr,den kommunalen Einuss auch in Räumenin privaten Eigentum sicherzustellen. DieBefragten bemerken, dass die Kommunen indiesem Zusammenhang auch selbst aktiv wer-den müssten. „Um eine frühe Kommunikationmit den Beteiligten kommt man heute als Amtnicht mehr herum. Man muss sich als Amt heuteals Dienstleister verstehen und nicht mehr hoheit-

liche Aufgaben erfüllen.“ […] „Wenn Sie eine Ak-zeptanz haben wollen, müssen Sie die Leute vonvornherein mitnehmen.“   (Grün 4) Desgleichenwurde in den Gesprächen deutlich, dass vieleAbsprachen im Vorfeld der „ofziellen“ Ver-handlungen in bilateralen Gesprächen geklärtoder zumindest intensiv vorab diskutiert undausgelotet werden. In einigen Projekten bedarf es auch Vorab-Verträgen, um sicherzustellen,dass Vereinbarungen und die avisierte Über-nahme von Verantwortlichkeiten die langeZeit des Planungsprozesses überdauern. Von

regelmäßigen Arbeitskreisen, Gesprächsrun-den oder anderen Foren ist oft nur auf direkteNachfrage die Rede. Ein regelmäßiger Aus-tausch unter den Akteuren hängt dabei auchmaßgeblich von der Lage und Bedeutung derhybriden Räume für die Städte ab. In eini-gen wenigen Kommunen wird von konkretenAnsprechpartner/-innen für die Schnittstellezwischen Kommune und privaten Akteurenberichtet. Ein angeführtes Beispiel sticht deut-lich heraus: so leistet sich eine Kommune imStadtplanungsamt: „Sechs Mitarbeiterinnen undMitarbeiter, die sich nur um die Gestaltung unddas Erscheinungsbild des öffentlichen Raumeskümmern“ , wozu auch die Kontaktpege mitInvestoren gehöre.

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In den Gesprächen werden einige Beispielefür ereignisbezogene Interdependenzen an-geführt. Impulse sind des Öfteren Förder-programme oder Wettbewerbe, deren Ziel u.a. die Motivation von Privaten oder auch dieZusammenarbeit von kommunalen und pri-

vaten Akteuren ist. Während der Verhandlungzwischen privaten und kommunalen Akteurenbedienen sich die Kommunen verschiedenerStrategien, die je nach Situation zum Einsatzkommen. Die Befragten sind sich dahinge-hend einig, dass es wichtig ist, Kompromissezu nden, die von beiden Seiten getragen wer-den, um eine spätere gute Zusammenarbeit zugewährleisten. Allerdings, auch dies wird inden Gesprächen immer wieder deutlich, sinddie Möglichkeiten der Kommune begrenzt –was den kommunalen Akteuren auch durch-

aus sehr bewusst ist. Vor allem die Dauer derVerfahren ist für die privaten Akteure – demEindruck unserer Gesprächspartner/-innennach – ein kritischer Punkt. Die zuständigenkommunalen Ämter nehmen diese Diskre-panz in ihrem Alltag wahr und erkennen an,dass die Kommune nicht der alleinige oderausschlaggebende Impulsgeber bei der städte-baulichen Entwicklung ist: „So funktioniert dieWelt nicht mehr. Der Private ist inzwischen auchder Tempogeber.“  (Grün 4) Für die Privaten seies unter Umständen wichtiger, einen kalkulier-baren Zeitrahmen zu haben als Forderungen

durchzusetzen: „Oft haben Private keine unmä- ßigen Forderungen gestellt, viel wichtiger war, dasssie relativ schnell ,klare Sicht‘ bekommen, was siemachen können – und das beißt sich natürlich mitunseren ganzen Verfahrensrechten.“ (Stadt 1)

Wie funktioniert das Zusammenwirken der Ak-teure? Welche Erfahrungen werden mit welchenAkteuren gemacht?Die Frage nach Konikten zwischen privatenund kommunalen Akteuren wurde oftmalsdamit beantwortet, dass es sich lediglich um

„alltägliche“ oder „normale“ Unstimmigkeitenoder um verbesserungswürdige Abläufe han-dele. Die Vermutung, dass vermehrte Koniktespezisch für Räume im Schnittbereich sindund bei Kooperationen mit privaten AkteurenKonikte verstärkt auftreten, wird damit nichtbestätigt. Anlass zu Konikten bieten insbe-sondere übermäßige, ausufernde private Nut-zungen auf öffentlich zugänglichen Flächen,dazu gehören insbesondere Sondernutzungen.Auch die Ämterabstimmung zu einem solchenProblem kann den Konikten mit nicht-kom-munalen Akteuren ähneln, wie ein Amtsleiterzu Sondernutzungen konstatiert: „Das ist hier suboptimal gelöst. Hier sind fünf Ämter aus vier Dezernaten zuständig. Wenn z. B. ,Herr Tschi-

bo‘ draußen einen Tisch hinstellen will, wo SieIhre Kaffeetasse draufstellen sollen, sind das dreioder vier Ämter, die dazu was sagen. Also der Tisch ist Gaststättenrecht, die Gewerbeaufsicht.Warenauslage ist das Marktamt, die Benutzung der Oberäche selbst ist das Tiefbauamt und das

Stadtplanungsamt ist immer dabei, weil wir dieGestalter sind. Wir wollen diese Ordnung und dieästhetische Stimmigkeit die dahinter steckt. […] Das geht nicht zusammen.“  (Stadt 2) Wirtschaft-liche Überlegungen und Renditevorstellungenvon nicht-kommunalen Akteuren werdenals grundsätzlich brisantes Koniktpotenzialbeschrieben, da sie oft kommunalen Zielset-zungen entgegenstehen. Allerdings bemühensich die Kommunen der Bildung verhärteterFronten von vornherein entgegenzuwirken, in-dem sie Verständnis für die „anderen“ Akteure

aufbringen und einer ungünstigen Imagebil-dung – vor allem verwaltungsintern – vorbeu-gen: „Private sind nicht Feindbilder, manchmalverhalten die sich so, weil sie unsere Belange nichtverstehen. Im Regelfall versuchen wir, Gemein-samkeiten herauszuarbeiten.“   (Stadt 7) Trotzunterschiedlicher Interessen bemühen sichKommunen um einen Ausgleich: „Es gibt im-mer auch mal wieder Konikte, aber das ist auchnormal, wenn man im Prinzip nicht die gleichenInteressen hat sondern gegenläuge: deswegen istoffener Umgang und eine klare Artikulation der Interessen und Kompromissbereitschaft wichtig.“ 

(Grün 3) Aus Sicht vieler Gesprächspartner/-innen sinddie Möglichkeiten der Einussnahme auf Pri-vate relativ gering; so erlaubt das Baurecht nurbegrenzten Einuss, oder knappe nanzielleMittel beschränken die kommunalen Möglich-keiten: „Häug gibt es eine unausgesprochene Er-wartung von Privaten, dass etwas passiert, dass dieKommune die Initiative ergreift, was die öffentlicheHand oft – auch nanziell – nicht leisten kann.“ (Stadt 3) Generelle Aussagen zu Erfahrungenund Umgang mit spezischen Akteuren sind

laut den von uns Befragten nicht möglich. DieZusammenarbeit mit dem selben Kooperati-onspartner (z.B. Bund oder Land) kann je nachProjekt mal sehr zufriedenstellend verlaufenund dann wiederum sehr schwierig und ent-täuschend sein. So agieren nicht nur private,sondern auch öffentliche Akteure wie Bundes-länder oder der Bund durchaus renditeorien-tiert und damit häug gegen die Interessender Kommune. Daher arbeiten die Kommu-nen projektbezogen und nicht akteursbezo-gen. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dasseine gute Zusammenarbeit davon abhängt, obInteressen und Ziele der Akteure übereinstim-men.

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4. „Fragen und Folgern“ – kommunaler Hand-lungs- und Steuerungsbedarf Der Zwang zur Kooperation mit Privaten(meist schon aus nanziellen Gründen) wirdvon den meisten Amtsleiter/-innen als gege-ben anerkannt. Die Bewertung dieser Situation

fällt durchaus unterschiedlich aus: Sie reichtvon resignativer Kenntnisnahme über bloßesArrangement bis hin zu pragmatischer und ak-tiver Gestaltung dieser Kooperation. Die Ten-denz geht eher dahin, hoheitliches Handelnzurückzunehmen (auch weil es ineffektiv ist)und frühzeitig zu kommunizieren, Vertrau-en aufzubauen und Überzeugungsarbeit zuleisten. Es wird deutlich, dass allein die Mög-lichkeiten direkter Steuerung der Kommunegarantieren, dass ihre Interessen umgesetztwerden. Eine starke Position hat die Kommune

auch, wenn sie Eigentümerin der Fläche ist undüber Privatrecht steuern kann: „Privatrechtlichist immer der goldene Weg, eigentlich.“  (Stadt 16) Die Interviewten berichten, dass über die Ge-nehmigung von Sondernutzungen, Zwischen-nutzungen und privaten Projekten auf öffent-lichen Flächen sowie Verpachtungen und dendamit verbundenen Vertragswerken gesteuertwird, wobei der diesbezügliche Handlungsbe-darf vom Druck auf die jeweiligen Städte unddie jeweiligen Flächen abhängt. Sondernut-zungsgenehmigungen usw. werden als dasAlltagsgeschäft an der Schnittstelle zwischen

öffentlich und privat beschrieben: „Das Tages- geschäft ist der Sondernutzungsvertrag – für jedesWerbeschild, für jede Gastronomie. Nur wenn eineStadt alles genehmigt, was beantragt wird, dannsteuert sie auch nicht.“  (Stadt 17-2) In den Kom-munen werden ganz unterschiedliche Rege-lungsgrade genannt: Zum Teil werden nichtnur die Art und Weise der Nutzung und Ge-staltung reguliert, sondern auch, welche Nut-zung wo erwünscht ist und wo nicht. EinigeKommunen haben Abstufungen erarbeitet, dieauch berücksichtigen, wie kommerziell eine

Veranstaltung ist. Durch geringe Laufzeitenbehalten sich einige Kommunen engere Kon-troll- und kurzfristige Eingriffsmöglichkeitenvor.Die Kommune hat, so sie nicht als Eigentü-merin oder hoheitlich handelt, nur schwacheEinussmöglichkeiten auf nicht-kommunalesHandeln. Indirekte Steuerungsmöglichkeitenhängen in mehr oder weniger hohem Maßevom Wohlwollen privater Akteure ab. Wobeies häug genug „einen“ kommunalen Willennicht gibt, sondern einzelne Fachbehörden,Dezernate und Kommunalpolitik oft unter-schiedliche Interessen verfolgen. Abhilfeschaffen verwaltungsinterne Richtlinien undHandbücher sowie Satzungen und Verord-

nungen, um nicht-kommunales Handeln ein-zuschränken bzw. zu lenken. So wurde z.B.Umweltrecht und Denkmalrecht genannt, umAnforderungen durchsetzen zu können. Teil-weise nutzt auch eine Vorleistung der Kommu-ne, um Private zu motivieren.

Im Rahmen strukturierender Steuerung wirdvon den Interviewten eine ganze Palette anKonzepten und Programmen genannt, vonStadtentwicklungskonzepten bis zu verwal-tungsintern ausformulierten Richtlinien, beiwelchen der öffentliche Raum mit thematisiertwird, allerdings in den seltensten Fällen zwi-schen kommunalem und nicht-kommunalemöffentlichem Raum unterschieden wird. Trotzdieser rahmengebenden Konzepte, wird immerwieder der Einzelfall, der jeweilige Prozess so-wie die Vertrauenswürdigkeit des nicht-kom-

munalen Akteurs hervorgehoben. Wichtig istaußerdem, so betonten einige: „Die Kommunemuss wissen, was sie will, muss Ziele haben. Dannkann man sich darüber unterhalten, wie und mitwelchen Instrumenten man sie umsetzt, kann sichüberlegen, wie weit man mit dem Stichwort Pri-vatisierung geht und wie weit man den Einussbehält.“  (Stadt 17-2)

Mehr Informationen zu unseren Interviewsund deren Auswertung in unserem Material-band 3 unter:www.pt.rwth-aachen.de

-> Publikationen ->PT-Materialien

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Eine erste Auswahl der wichtigsten Interviewergebnisse

1. Hybride Räume existieren in allen Kontexten und Lagen in der Stadt.

2. Die Wahrnehmung hybrider Räume bei unseren Gesprächspartner/-innen ist paradox: Zunächst

werden sie als nicht existent beschrieben. Im Gespräch zeigt sich jedoch ein großer Wissens- und

Erfahrungsschatz zu diesen Räumen: Sie sind Teil des Alltags der kommunalen Verwaltung.

3. Es passt zum Alltagsbefund, dass Räume im Schnittbereich nicht als „anders“ wahrgenommen

werden, da sie keine signikanten Unterscheidungsmerkmale in ihrem Zustand aufweisen: weder

baulich-räumlicher Art noch hinsichtlich der Pege.

4. Im Gegensatz zur üblichen Unterteilung in zwei bis drei Akteure, die gemeinhin als monoli-

thisch gesehen werden („der Private“, „die Stadt“) ndet sich eine große Vielfalt an Akteuren.Dazu gehört eine Fülle von aufeinandertreffenden Interessenslagen. Selbst einzelne Akteure ar-

beiten mit unterschiedlichen Interessen an unterschiedlichen Projekten, so dass es keinen klaren

Akteursbezug oder ein Akteursmuster gibt, nach dem Kommunen ihr Handeln steuern könnten.

Sie arbeiten vielmehr projektbezogen.

5. Die Marktdynamik unterscheidet sich erheblich von der Verwaltungsdynamik. Daher sieht die

Kommune eine starke Notwendigkeit an Eigentümer-unabhängigen Regelungen.

6. Die Kommune hat andere Grundsätze zur Zugänglichkeit von öffentlichem Raum als die nicht-

kommunalen Akteure. Gleichwohl neidet sie den Privaten ihre Regulierungsmöglichkeiten undwählt daher teilweise bewusst eine Konstellation, um privatrechtliche Verfügungsrechte ausüben

zu können.

7. Bei der Betrachtung der Produktion von Räumen im Schnittbereich wird die Zeitebene entschei-

dend: Die über viele Jahre anfallenden Kosten für Pege und Instandhaltung sind in der Regel

vielfach höher als die Grundinvestition für Planung und Bau und daher ein wichtiger Punkt bei der

Verhandlung von Kooperationen.

8. Interdependenzgestaltung wird hauptsächlich über den Bebauungsplan und damit verbundene

städtebauliche Verträge betrieben. „Frühe Kommunikation“ und „Austausch“ sind Schlüsselwortefür eine erfolgreiche Gestaltung der Kooperation.

9. Es wurde nicht bestätigt, dass Konikte spezisch für Räume im Schnittbereich seien. Es han-

delt sich lediglich um alltägliche und normale Unstimmigkeiten. Koniktpotenzial bieten haupt-

sächlich die unterschiedlichen Interessenslagen der Akteure. Dabei ist die Zusammenarbeit mit

öffentlichen oder komunen-nahen Akteuren nicht leichter als die mit privaten Akteuren.

10. Die Kommune hat, so sie nicht als Eigentümerin oder hoheitlich handelt, nur schwache Ein-

ussmöglichkeiten auf nicht-kommunales Handeln. Wobei es häug genug „einen“ kommunalen

Willen nicht gibt, sondern einzelne Fachbehörden, Dezernate und Kommunalpolitik oft unter-schiedliche Interessen verfolgen. Die Kommune muss wissen, was sie will und wie sie Steuerungs-

instrumente optimal nutzen kann, um ihre Interessen gegenüber Privaten durchzusetzen.

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12 STARS Ausgabe 06_2009[ ]

Mehr Informationen zuunseren Fallstudien und

deren Auswertung inunserem Materialband 2

unter:www.pt.rwth-aachen.de

-> Publikationen-> PT-Materialien

RWTH im Bereich der Aachener Hochschul-Räume zeigt aber, dass bei Beteiligung vonmehr als einem wichtigen nicht-kommunalemAkteur direkt Koniktpotenzial vorhandensein kann: Die Auffassungen von RWTH undBLB über die jeweils eigenen Kompetenzen

und Rollen stehen zum Teil im Widerspruchzueinander. Es bleibt unklar, wer nun die end-gültige Entscheidungsmacht besitzt und werdamit als entscheidender Ansprechpartner fürdie Kommune dient.Weitere wichtige Akteure sind städtische Ge-sellschaften und Tochterunternehmen. LWBund HRG zeigen – bei gewissen Unterschie-den –, dass die Kommune (bzw. HannoverRegion) auch bei scheinbar „privaten“ Gesell-schaften nominell einen durchaus starkenEinuss haben kann. Gleichzeitig scheint die

nominelle Einussmöglichkeit in der Alltag-spraxis jedoch wenig relevant zu sein. So hatdie Stadt Hannover die ehemalige Passerel-le an ihre Tochter HRG übergeben und ihralle Verfügungsmöglichkeiten und auch dieVermarktungspicht überlassen. Die HRGnimmt diese Rechte und Pichten sehr ernstund setzt beispielsweise ihre an der Vermark-tungsoptimierung orientierte Sicherheitsstra-tegie durch. Diese deutlich über kommunaleStandards hinausgehende und damit rigidereStrategie ist in einem Vertrag zwischen Stadtund HRG abgesichert.

Vor allem in den für alle Beteiligten bedeutsa-men repräsentativen zentralen Räumen ist einregelmäßiger Austausch zwischen den kom-munalen und nicht-kommunalen Akteurenüblich. Hier ist aus Sicht der befragten Akteuredas Verständnis füreinander bzw. die Qualitätder Kommunikation stark von den handelndenPersonen abhängig.Erfahrungen mit dem Akteur StadtAus Sicht der nicht-kommunalen Akteure er-schweren die fragmentierten städtischen Ver-waltungsstrukturen den Alltag immer wieder

stark. Vor allem die Einussnahme der Politikmacht das „Gegenüber“ Stadt häug schwerkalkulierbar und über langfristige Prozesseschwer zu beurteilen – was oft zu schwierigenAbstimmungsprozessen führt. Auch der feh-lende „Blick über den Tellerrand“ des kommu-nalen Schreibtischs wurde als Manko beurteilt.Das gegenseitige Einlassen auf die Sicht desanderen ist eine wichtige Forderung von Seitender nicht-kommunalen Akteure. Immer wiederwurde betont, dass eine frühzeitige Kommuni-kation vieles erleichtern kann. Grundlegendhängt die Zusammenarbeit aber von der Mög-lichkeit ab, gegenseitigen protieren zu kön-nen, wenn also Win-Win-Situationen erreichtwerden, wenn es ein gegenseitiges Geben und

Nehmen gibt.RealisierungBei der Realisierung von Projekten wird dasbisherige Bild bestätigt, dass eine Kommunesich selten allein nanziell engagiert – mei-stens bringen erst die Investitionen des Priva-

ten den maßgeblichen nanziellen Anteil.Kommunaler EinussDer Ernst-August-Platz und vor allem die Ni-ki-de-Saint-Phalle-Promenade in Hannoverbestätigten in gewisser Weise das Klischeedes „privatisierten“ öffentlichen Raums mitÜberwachung und Nutzerselektion. Hier hatdie Kommune entweder – im Fall des Ernst-August-Platzes – darauf verzichtet, klare Re-gelungen zu vereinbaren und so dem privatenAkteur große Einussmöglichkeiten gelassen.Oder sie hat die privat-kommerziell orientierte

Regulierungsstrategie bewusst so vereinbart.Auch die starke Orientierung an kommerzi-eller Nutzung auf dem Ernst-August-Platz istein Ergebnis kommunaler Zurückhaltung beider Denition von Rahmen und Grenzen. Hiersind der Bahn kaum verbindliche Grenzen zur„Bespielung“ gemacht worden – zugelassensind „bahnbezogene“ Nutzungen, die sich sehrweit gedehnt denieren lassen. Entsprechendnutzt die Bahn den Bahnhofsvorplatz häu-g und zum Teil äußerst intensiv für Märkteund Events. Die sehr sorgfältige, noch jungeGestaltung geht hierbei regelmäßig in den De-

korationen, Verkaufsständen und temporärenMöblierungen unter.In anderen Fällen jedoch ist die Kommune sehrdaran interessiert, auf die nicht-kommunalenAkteure einzuwirken. Dies geschieht teils er-folgreich im Zuge freiwilliger Vorleistungen,wie im Beispiel des RWTH-Campus-Konzep-tes, teils weniger erfolgreich wie im Beispieldes Aachener Bücherplatz, wo der private Ak-teur bisher noch nicht überredet werden konn-te, städtische Gestaltungsideen auf seinemGrund zu nanzieren. Besonders klare und

weit reichende Vorgaben hat die Stadt Leipzigim Fall der Leipziger Ritterpassage formuliert.Hier konnte die Stadt den privaten Akteur ver-traglich dazu motivieren, enge Auagen zurBebauung der Parzelle zu erfüllen. Darüberhinaus hat die Stadt dem Privaten sogar nocheine kostspielige Freiraumgestaltung abgenö-tigt – ohne ihm Mitspracherechte an der wei-teren Nutzung oder Verwertung der Fläche zugewähren.Die Möglichkeiten kommunaler Einussnah-me auf nicht-kommunales Handeln hängenalso stark von der Motivation der Kommunesowie von den konkreten Rahmenbedingun-gen ab – prinzipiell „machtlos“ sind die Kom-munen anscheinend aber nicht.

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Die Lust zu reisen ist nicht neu. Dass dabeidie Neugier, das Interesse an privat produ-zierten oder privat beeinussten öffentlichenStadträumen mitreist, braucht kaum erläutertzu werden. Doch dass nach intensiver Ausei-

nandersetzung mit öffentlich zugänglichenRäumen im Schnittbereich privater und kom-munaler Aktivitäten nicht nur deutsche Städtevon hybriden Räumen wimmeln, sondern inanderen Städten anderer Kontinente hybri-de Räume gleichermaßen sichtbar sind, magverwundern. Hatten Stimmen der Fachdebat-te vor Jahren noch vom „entweder-oder“, vomöffentlichen oder privaten Raum gesprochen,so entdecken wir mehr und mehr öffentlichzugängliche Räume, die Ko-Produkt kommu-naler und privater Aktivitäten sind. Und dies

nicht nur in deutschen Städten. Auf Reisendurch Chile und Australien konnte an den pri-vat-produzierten öffentlichen Räumen nichtvorbeigesehen werden.

Die Auseinandersetzung mit  privatelyowned public space in New York City war sicher-lich hilfreiche Ausgangsbasis. Zum einen sindalle Arten und Ausprägungen von den durch in-centive zoning entstandenen plazas und arcadesvertraut, zum anderen aber wurde die Studieder New Yorker Räume Anlass einer neuen,internationalen Kooperation. Im vergangenenJahr fanden sich junge Forscherinnen zusam-men, die ähnliche Fragestellungen zum The-ma verfolgen. Mittlerweile kann das Netzwerkauf fünf deutschsprachige Mitglieder zurück

greifen, die aus ihren derzeitigen Standortenin Afrika, Asien, Australien, Süd- und Nord-amerika und Europa Wissen zu öffentlichenStadträumen zusammen tragen können. ErsteDiskussionen und Begegnungen gab es im ver-

gangenen Sommer auf der pt-Tagung „Plätze,Parks und Promenaden“ in Aachen. Im Herbstfolgte die Veranstaltung „POPS – Seminario in-ternacional. Espacios Privados de Uso Público“ inSantiago de Chile und im Frühjahr ein Vortragam Royal Melbourne Institute of Technologyin Melbourne, Australien. Die Einladungen zudiesen Veranstaltungen waren erste Schrittegemeinsamer Forschungsaktivitäten, vor allemaber auch Anlass zum Erkunden. Hier folgtalso weniger ein Forschungsbericht als viel-mehr die Beschreibung zweier Begegnungen:

mit Santiago de Chile und Sydney, das auf einerAustralienreise nicht fehlen durfte.

StaRS go abroadOrtsbesichtigungen in Sydney und SantiagoMit STARS-geschultem Blick zu reisen bedeutet nach Stadträumen in öffentlich-privaten Spannungs-feldern Ausschau zu halten. Je ferner die Städte umso fremder die Stadträume – könnte man meinen.Die Begegnungen mit dem chilenischen Santiago und dem australische Sydney zeigen das Gegen-teil. In beiden Städten sind „hybride“ Plätze, Parks und Promenaden nicht zu übersehen. Ohne vielRecherche sind Räume zu nden, deren Existenz privaten Initiativen zu verdanken sind, die an dieprivately owned public spaces in New York City erinnern.

Woran liegt es, dass privat produzierte, öffentlich zugängliche Räume so deutlich zu erkennen sind?Welche Ziele verfolgen die Kommunen, wenn sie private Akteure das Gefüge aller öffentlich zugäng-lichen Stadträume bereichern lassen? Über welche Erfahrungen verfügen die City of Sydney unddie Municipalidad de Santiago im Umgang mit privat produzierten öffentlichen Räumen? WelcheFormen der privat-öffentlichen Interdependenz stehen dahinter? Erste Eindrücke machen neugierig;erste Begegnungen werfen Fragen auf, die zu weiteren Forschungen anregen.

Sydney Opera House undseine Freiräume

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Streifzug durch SydneySydney besticht schon auf den ersten Blickdurch seine Lage an der Bucht, durch seinelangen und vielfältigen Uferzonen, durch dieHöhenrücken, die Ausblick auf Stadt und Meerpreisgeben, durch große grüne Freiräume, die

die unterschiedlichen Stadtteile miteinanderverbinden. Während der central business district mit seinen Hochhäusern an Schluchten ameri-kanischer downtowns denken lässt, erinnern dieangrenzenden Stadtteile mit ihren kleinen Ge-bäuden eher an England – bei Sonne, verstehtsich! Als Tourist macht man sich meist schnellauf den Weg zu dem Höhepunkt der Stadt, dembekannten Sydney Opera House. An diesemOrt schlägt nicht nur das architektonisch inte-ressierte Herz höher, sondern auch Forscheröffentlicher Räume kommen auf ihre Kosten.Gleichermaßen attraktiv wie dieses architek-tonische Juwel von Jorn Utzon, das die in dieBucht ragende Landzunge ziert, faszinieren dieumgebenen öffentlichen Räume. Als „Trüffel-schwein auf Reisen“ stellt sich an dieser Stelledirekt die Frage, wer Eigentümer dieser Flächensein mag und wer für Pege und Instandhal-tung verantwortlich ist. Unsere Forschungsin-terviews in deutschen Großstädten hatten ge-zeigt, dass die Vorplätze von Konzerthäusernund anderen kulturellen Einrichtungen oftmalsprivatisierten, städtischen Gesellschaften, Lan-desinstitutionen oder privaten Stiftungen ge-

hören und die Kommune die Belange der Ge-staltung, der Pege und Bespielung mit diesenAkteuren abstimmen muss.

Diese Vermutung war auch in Sydneynicht falsch, wie Ralph Bott, der Hospitalityand Protocol Ofcer des Sydney Opera Houseerläuterte: „The land is deemed to be [State] CrownLand, and is vested in the Sydney Opera HouseTrust, which was established by an Act of Parlia-ment. As such, it is the name of the Sydney OperaHouse Trust that appears on the land titles docu-ments (there are several) that cover the full extent

of the site. The Sydney Opera House is responsible for maintaining the whole of the site, which meansthat it is also responsible for cleaning, maintenance

and repairs, site-improvements and tending the [li-mited] number of plants that are on the site. Our adjacent neighbours (The Royal Botanical Gardens,Government House, and the City of Sydney) are re-sponsible for the maintenance of their own land.“Ralph Bott beschreibt eine Verteilung von Ver-

antwortlichkeiten, die uns zunächst nicht fremdscheint. Der Sydney Opera House Trust wurdeausdrücklich, im Staatsauftrag, gegründet, umdie Eigentumsrechte an den Flächen und somitdie Verantwortung für Pege, Instandhaltung,Reparaturen und Aufwertungen zu überneh-men. Zu Fragen regt eher die Erläuterung an,dass das Land als Staats- bzw. Land der Kroneerachtet wird.

In Diskussionen in Melbourne war ange-deutet worden, dass „öffentlich“ in Australienmitunter anders zu verstehen sei. Man hättekeine demokratische Staatsordnung, sondernsei Teil des Commonwealth – die Queen alsAkteurin der Stadtplanung? Was bedeutet das?Welche Kompetenzen hat sie, der Staat undschließlich die jeweiligen Kommunen? Wennwir in Deutschland die Vielfalt der Akteure„kommunalen“ und „nicht-kommunalen“ Kate-gorien zuordnen, muss in Australien vielleichtvon „privaten“ und „nicht-privaten“ gesprochenwerden, zumindest solange, bis wir mehr überdie „öffentliche Hand“, die Rolle des Staatesbzw. der Queen als Akteure in der Produktionund Instandhaltung öffentlicher Räume wis-

sen. Wenn der Staat respektive die Queen überzentrale Freiräume in Städten verfügen, welcheRolle spielen dann die Kommunen? WelcheKompetenzen und Aufgaben haben sie?

Setzt man den Streifzug durch Sydneyfort, stellen sich diese Fragen. Auf dem Vorplatzdes Museum of Sydney zum Beispiel wünschtman mehr darüber in Erfahrung zu bringen.Aber auch in der attraktiven und frequentiertenFußgängerzone, will man mehr über die Ent-wicklung und Regulierung öffentlicher Räumewissen. In der Innenstadt sind einige kleinere

Querstraßen vom Verkehr befreit und zu pedes-trian zones umgebaut worden. Auffällig ist, dassdort nicht daran gespart wird, die „do‘s“ undOn the way to the opera...

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„don‘ts“ deutlich zu machen. Auf einem weithinsichtbaren Schild wird eine ganze Reihe vonRegeln genannt, die die Nutzung des Raumesregulieren. Die auf diesem Schild angedrohte

Strafe von 550 AU$ (etwa 275 Euro) bei Zuwi-derhandlungen erschreckt denjenigen, der ge-sehen hat, dass kurzes Parken im Halteverbotsofort mit 15o AU$ geahndet werden. Für dieDurchsetzung zeichnet der „General Manager of the City of Sydney“ verantwortlich. Dies machtdie Tafel vor Ort deutlich: die City of Sydney istHauptakteur und scheint Regeln denieren zudürfen, die aus unserer kommunalen Perspek-tive das „normale“ Maß übersteigen. WelcheKompetenzen also hat eine australische Kom-mune? In welcher Wechselbeziehung steht siezum Staat, zur Queen? Das alles sind Fragen,

die wir in Deutschland nicht stellen, die aberbei einer Betrachtung privat-öffentlicher Inter-dependenzen im Ausland zu untersuchen sindund entsprechend interessante Vereinbarungenvermuten lassen.

Unweit der Fußgängerzone springenFreiräume ins Auge, die an die privately owned

  public spaces in New York City erinnern. Sinddort plazas in allen Varianten zu nden, so hatSydney auch arcades, sunken plazas, elevated pla-zas, sidewalk widenings etc. zu bieten. Sind die-se privately owned public spaces also ein globales

Phänomen? Während an dieser Stelle die Ver-mutung nahe liegt, dass die Räume in privatemEigentum sind und entsprechend gepegt und

Instand gehalten werden, ist wenig über derenEntstehung bekannt. Verfügt auch die City of Sydney über Anreizstrategien, die den Bau vonöffentlich zugänglichen Räumen auf privatem

Grund fördern? Oder sind es allein architek-tonische Motive – wie sie auch Mies van derRohe in den 1950ern bewogen, seinem NewYorker Seagram Building einen großzügigenPlatz vorzulagern? Im Falle des Gebäudes vonHarry Seidler spielten sicherlich architekto-nische Überlegungen eine zentrale Rolle. DasFliesenkunstwerk von Lin Utzon am Rande desFreiraums zeugt noch heute von gestalterischerFeinarbeit. Die Vielzahl und Vielfalt der  priva-tely owned public spaces machen neugierig auf Fragen zur Rolle, die privat produzierte Räumein Sydney spielen, wann und wo sie entstehenund welche Formen der Interdependenz zwi-schen privaten und nicht-privaten Akteurensich dahinter verbergen. Insbesondere wennman die von Kayden als „marginal“ bezeich-neten Räume in New York City denkt, möchteman mehr über Sydneys Räume in Erfahrungbringen. Denn die Freiräume, die ich in Sydneygesehen habe, schienen äußerst belebt und be-liebt. Waren das nur Ausnahmen? In welchemSpannungs- oder besser „Entspannungsfeld“entstehen die Räume? Wie sind die Interessender involvierten Akteure jeweils moderiert, und

was kann man daraus lernen?

Museum of Sydney Pedestrian Zone und deren do‘s und don‘ts

Sunken Plaza, Urban Plaza, Arcade – ganz wie in NewYork City

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Schon ein erster Streifzug durch Sydney gibtden Blick auf Freiräume preis, die nicht nurihrer Lebendigkeit und Attraktivität wegenauf sich aufmerksam machen. Ein genauererBlick offenbart Details, die viele Fragen auf-werfen und deren Untersuchung interessante

Erkenntnisse verspricht – sowohl zu  privatelyowned public spaces, als auch zur Rolle, die die„öffentliche Hand“ in Australiens städtischenFreiräumen spielt.

Ortsbesichtigung Santiago de ChileAnders als der Streifzug durch Sydney war dieerste Begegnung mit Santiago de Chile ehereine Ortsbesichtigung, die durch die zweitägigeKonferenz „POPS – Seminario internacional.Espacios Privados de Uso Público“ vorbereitetwar. Ob ich nach der großen Zahl thematischerBeiträge ein besseres Verständnis von der Ent-stehung der Stadt und ihrer öffentlich zugäng-lichen Räume hatte, sei dahin gestellt. Zumin-dest aber war mein Blick für bestimmte Räumesensibilisiert. Generell aber stellte die ersteBegegnung mit einer südamerikanischen Stadteine größere Herausforderung dar, als der Be-such des australischen Sydneys.

Der Blick auf den Stadtplan von Santiago deChile oder auch der erste Blick von oben auf die Stadt, vom Cerro San Cristobal, einem der

beiden zentrumsnahen Hügel, verwirrt. EinStraßenraster prägt zwar die Stadtstruktur inder weitläugen Ebene, aber die unterschied-lichen Gebäudehöhen und -dichten dezentralüber den gesamten Raum verteilt, machen eineOrientierung schwierig. Wo man ein downtown,eine Stadtmitte zu erkennen meint, entdecktder Blick schon eine weitere Mitte, eine weitereBallung großer Strukturen. Den einzigen Haltgeben letztlich die Anden, diese mächtige Berg-kette, die der Stadt im Osten deutlichen undimposanten Einhalt bietet.

Der erste Eindruck von den vielen Zen-tren ist gar nicht falsch. Neben dem historischenStadtzentrum, gibt es viele weitere Stadtteile,

die von zentralen Funktionen und Strukturengeprägt sind. Im alten Stadtkern, der sich ineinem Dreieck zwischen Rio Mapuche im Nor-den, der Avenida O‘Higgins im Süden und derAvenida Norte Sur im Westen aufspannt, domi-niert zwar noch immer das koloniale Straßen-

raster, das Pedro de Valdivia 1541 hat anlegenlassen. Auch ist die Plaza de Armas, der zentra-le Platz, noch immer erkennbar und von histo-rischer Bebauung gerahmt, doch ansonsten ha-ben bauliche Eingriffe verschiedener Epochender urbanen Struktur arg zugesetzt. Man be-gegnet einem beinahe unverständlichem patch-workartigem Nebeneinander von kleinteiligen,meist alten Baustrukturen und riesigen Hoch-hauskomplexen aus den letzten Jahrzehnten.Halt gemacht haben diese großmaßstäblichenÜberbauungen scheinbar nur vor bedeutsamenöffentlichen Gebäuden, wie zum Beispiel demPalacio der la Moneda.

In diesem urbanen Gefüge des koloni-alen Straßenrasters fallen Passagen ins Auge.Immer wieder begegnet man Eingängen zuPassagen; oft unauffällig und schmucklos, le-diglich Erschließung für im Gebäudeinnerenliegende Einzelhandelsächen; in Einzelfällenaber auch aufwendig gestaltete und an Passa-gen europäischer Städte erinnernde Innenräu-me. Leider präsentierte sich die Stadt aufgrundder Feierlichkeiten zum 1.November sehr ver-schlossen und die Passagen meist durch Git-

ter unzugänglich, aber die „ pasajes“ oder „ gal-lerias“ sind interessante, hybride Räume imhistorischen Kern Santiagos. Im Rahmen derTagung wurde u.a. diskutiert, ob nicht kommu-nale Unterstützung für die Renovierung dieseröffentlich zugänglichen, aber privaten Räumeeinzufordern sei. Trotzdem diese Räume vieleQuadratmeter wertvoller Einzelhandelsächeerschließen, somit deutlich die Einnahmendes Gebäudeeigentümers steigern, wird eineöffentliche Beteiligung an der Aufwertung ge-wünscht. Diese Forderung verwundert und lässt

fragen, als wessen Aufgabe die Entwicklungund Produktion öffentlicher Räume gesehenwird. Liegt sie primär in privaten Händen und

Plaza de Armas, Plaza dela Libertad, Pasajes prägen

das Centro von Santiago

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erfährt nur öffentliche Unterstützung? DieserEindruck bestärkt sich im nächsten Stadtteil: inProvidencia.

Verlässt man das Zentrum von Santia-go Richtung Providencia, einen im Westen an

die Innenstadt grenzenden Stadtteil, sind wei-tere öffentlich zugängliche Räume in privatemEigentum nicht zu übersehen. Fast wie eineZeitreise durch die pops-Geschichte mutet derGang durch Providencia an:

Ein kopfsteingepasteter, ge- und be-wachsener Raum zeugt von frühen Bemü-hungen, private Blockinnenbereiche öffentlichzugänglich und nutzbar zu machen. Währenddieser Ort frequentiert und belebt ist, wirkt derInnenbereich eines nahen 70er-Jahre-Blockssteril und verlassen (siehe Bilderleiste oben).Noch weniger akzeptiert aber scheint der priva-

tely owned public space jüngsten Datums im be-nachbarten Blockinnenbereich. Unbelebt undallein von Rauchern genutzt, wirft dieser RaumFragen auf. Sicherlich trägt die abgeschiedeneLage, jenseits der Hauptfußgängerströme zuseiner Abgeschiedenheit bei. Dennoch interes-siert, wann und in welchem Zusammenhanger entstanden ist? Welche Ziele verfolgte derEigentümer beim Bau; welche Rolle spielte dieKommune in diesem Projekt?

Ein anderer Typ   privately owned public space ähnelt den oben beschriebenen Passagen

der Innenstadt von Santiago. Während die äl-teren Räume lediglich eingeschossige Durch-gänge beinhalten, die an beiden Seiten von

Geschäften gesäumt sind, locken die jüngerenVarianten mit deutlich mehr Attraktionen. Siewerden oft nicht nur als Boulevard bezeichnet,was an Flanieren und Verweilen denken lässt,sie bieten auch mehr als lediglich Schaufen-

sterfronten. Neben den Einzelhandelsächen,die über mehrere Geschosse, ein lichtdurchu-tetes Atrium säumen, bieten unterschiedlichegastronomische Angebote Möglichkeiten zumVerweilen. Auch oder insbesondere weil dieseRäume sehr attraktiv sind, stellt sich die Frage,was die Entstehung dieser Räume geprägt hat?Sind sie primär als innerstädtische Shopping-Malls zu verstehen?

Eine nächste Kategorie von privately ow-ned public space unterscheidet sich nur wenigvon den vorher beschriebenen Passagen. Wäh-rend die Passagen in ein Gebäude integriert

sind, liegen diese verwandten, oft von einerauffälligen Dachkonstruktion überspanntenBereiche zwischen mehreren Gebäuden oderGebäudeteilen. In die meist großzügigen, über-dachten Bereiche laden Platzräume ein, dieals Bindeglied zwischen Gehweg und Passageeine wichtige Schnittstelle darstellen. Auchhier sind an Materialien und gestalterischenDetails unterschiedliche Entstehungszeitenauszumachen. Aber auch hier interessiert, auf wessen Initiative diese Räume entstehen, wel-che Absprachen und Vereinbarungen zwischen

privaten und kommunalen Akteuren bestehenund wer die Entwicklung dieser Raumtypen in-itiiert.

Streifzug durch dieGeschichte der privatelyowned public spaces inProvidencia

Streifzug Teil II – die neu-eren privately owned public spaces in Providencia

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Weniger der Durchquerung eines Blocksals vielmehr repräsentativen Zwecken dienenzahlreiche Platzräume, die meist Bürogebäu-den vorgelagert sind bzw. deren ausgesparteGebäudeecken ersetzen. Die Vielzahl dieser

„abgebissenen“ Gebäudeecken fällt in Provi-dencia auf und weckt Erinnerungen an NewYork City. Auch dort schmückt sich eine großeZahl von Bank- oder Bürogebäuden mit Vor-plätzen, über deren Sinn und Zweck der Nutzernachdenken mag. So scheinen auch in Provi-dencia viele dieser Räume wenig genutzt; ihreGestaltung und Lage lädt auch wenig dazu ein,obwohl ihre Ausstattung und Materialien kei-ne sparsame Sprache sprechen. Aber was sol-len diese Räume, wem dienen sie? Sollen sieüberhaupt genutzt werden oder sind die Nutzer

eher unerwünscht? Sind, wie Smithsimon inNew York City beobachtet, viele kostenintensiveAusstattungselemente, wie reinigungs- undwartungsaufwendige Wasserspiele, eigentlichdazu gedacht, Nutzer abzuhalten indem sievermeintliche Sitzgelegenheiten ständig nassspritzen und so ein Sitzen unmöglich machen?Der Anblick der Freiräume in Providencia lässtdie Thesen von Smithsimon aueben: WelcheInteressen verfolgen die Bauherren bei derProduktion dieser Räume? Wie viel Interessebesteht daran, die Räume zu nutzbaren Aufent-haltsorten zu machen?

In Providencia lässt nicht nur das äußereErscheinungsbild dieser Räume an New YorkerVorbilder denken, auch die dahinter stehendeStrategie des incentive zoning . In einigen Teilender Stadt existieren schon heute Anreizstrate-gien und derzeit wird diskutiert, ob dieses demNew Yorker incentive zoning  nachempfundeneInstrument auf andere Teile der Stadt ausge-weitet werden soll. Das „POPS – Seminariointernacional. Espacios Privados de Uso Público“war u.a. der Frage nachgegangen, was Santiagode Chile von New York Citys Erfahrungen ler-

nen kann. Aus deutscher Perspektive wäre inte-ressant zu verfolgen, auf welche Art und Weisedie Interessen der beteiligten Akteure durch

diese Instrumente moderiert werden und wiesich dieser Ausgleich vor Ort dem Nutzer prä-sentiert.

Nun wäre der Eindruck falsch, Santiagos Frei-

räume sind geprägt von privat produzierten,nutzerabweisenden Vorplätzen. Es gibt auchBeispiele für beliebte privat produzierte Räu-me, wie den viel besuchten Patio Bellavista imStadtteil Recoleta. Dieser ist nicht das Produktvon öffentlichen Anreizen, sondern geht alleinauf eine private Initiative zurück. In diesem ge-lungenen Beispiel wären die Motive und Grün-de der Entstehung interessant zu erforschen.Welche Gründe hatten seine Bauherren, die beianderen Akteuren, in anderen Räumen offen-sichtlich fehlen?

Fragen und ForschungenSo facettenreich und persönlich dieser Streifzugdurch Sydney und die Begegnung mit Santiagoauch sind, sie machen in jedem Fall deutlich,dass private Akteure auch in anderen Ländernan der Entwicklung und Produktion öffentlichzugänglicher Stadträume beteiligt sind. DieserTatbestand ist zum Teil ganz deutlich zu sehen;zum Teil aber auch nur durch Nachfragen inErfahrung zu bringen. So unterschiedlich die-se Räume aussehen, so unterschiedlich belebtund beliebt sie sind, so verschieden sind sicher-lich auch Hintergründe ihrer Entstehung, dieGründe und Interessen, die die jeweils beteili-gten Akteure zur Produktion motivierten unddie Zusammenarbeit zwischen privaten undnicht-privaten Akteuren. Und wenn hier diePrivate und die Nicht-Privaten genannt werden,dann vor dem Hintergrund, dass der Vielzahlvon unterschiedlichen privaten Akteuren, diewir schon in deutschen Städten identizierenkonnten in anderen Städten und Ländern auchsehr verschiedene nicht-private Akteure – von

den Vertretern der Kommunen bis zur bri-tischen Queen im Commonwealth – gegenü-berstehen. Dass diese jeweils andere Ziele und

Aufenthaltsqualität versusInstandhaltungsaufwand?

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Strategien bei der Entwicklung und Produktionöffentlicher Räume verfolgen, ist leicht vor-stellbar. Dass dabei so unterschiedliche Erfah-rungen in der Zusammenarbeit so unterschied-licher Akteure gemacht werden, macht weitere,

global blickende Forschungen so reizvoll. VielGesehenes will genauer erkundet werden; vieleFragen müssen sortiert werden. In jedem Fallscheint in diesem Themenfeld rund um denGlobus großes Erfahrungs- und Austauschpo-tenzial zu stecken.

 Juliane Pegels

Der Vorzeigeort: Patio Bellavista und die Oasen am Rio Mapuche

Quellen

Kayden, Jerold S.. The New York City Depart-ment of City Planning (DCP) und The Muni-cipal Art Society of New York (MAS). Privately

Owned Public Space: The New York Experience.New York 2000

Smithsimon, Gregory. „Dispersing the Crowd.Bonus Plazas and the Creation of Public Space“.In: Urban Affairs Review 1/2008

Bott, Ralph. „SOH land enquiry“. In: Emailvom 4. Mai 2009. Ralph Bott, Hospitality andProtocol Ofcer. [email protected], Sydney Opera House, Bennelong Point,Sydney NSW 2001, Australia

Seminario Internacional. POPS (privately ow-ned public spaces). Espacios privados de usopúblico Aprendiendo de Nueva York y Tokio.Reexiones para el manejo de espacios priva-dos de uso público en Santiago de Chile.Universidad Andres Bello. El Centro de Investi-gaciones Territoriales y Urbanas (CITU). Okto-ber 2008. In: www.unab.cl/fad/info/pops.htm

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20 STARS Ausgabe 06_2009[ ]

Was bleibt von STARS?!

Unsere ausführlichen Materialbände zum Projekt:

Band 1 enthält eine Einführung in das STARS-Projekt sowie eine Kurzdokumentation mit allen er-schienen Journalen.

Band 2 stellt unsere Fallstudienarbeit komplett dar: Von der Suche nach Verdachtsräumen überderen Auswahl, Langfassung aller Fallstudien und ihre Darstellung in Bild und Kartenmaterial biszur ausführlichen Auswertung.

Band 3 widmet sich den Ergebnissen der Interviewreihe in 20 Kommunen. Außer einer ausführ-lichen Gesamtauswertung nden sich darin anonymisierte Interviewaufzeichnungen, die die Erfah-rungen unserer Gespräche ungekürzt nachvollziehbar werden lassen.

Alle Materialien werden zum Abschluss des Projekts als PT-Materialien erscheinen und sind späte-stens ab September 2009 zu nden auf unserer Homepage:www.pt.rwth-aachen.de | Stichwort „Publikationen“

06 Impressum/Kontakt

Journal zum Forschungsprojekt [STARS] – Stadträume in Spannungsfeldern.Herausgegeben im Juni 2009 von:Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels, Bettina Perenthaler, Achim Reese und Klaus Selle

PT Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, RWTH AachenPostfach, 52056 Aachen. T +49 241 80 983 [email protected] www.pt.rwth-aachen.deBildnachweis: Wenn nicht anders angegeben, alle Abbildungen: PT