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LBL EB Statik und Dynamik im informellen Lernen Subjektive Perspektiven auf die betriebliche Teamleitung Birgit Elend Forschung & Praxis ERWACHSENENBILDUNG UND LEBENSBEGLEITENDES LERNEN

Statik und Dynamik im informellen Lernen ...€¦ · Perspektive 2. Aufl., Bielefeld 2009, Best.-Nr. 6001623a ISBN 978-3-7639-3331-0 Band 15 Sebastian Lerch Lebenskunst lernen Lebenslanges

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Statik und Dynamik im informellen Lernen

Subjektive Perspektiven auf die betriebliche Teamleitung

Birgit Elend

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LBLEB

Statik und Dynamik im informellen Lernen

Subjektive Perspektiven auf die betriebliche Teamleitung

Birgit Elend

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Grundlagen und Theorie:Band 6 Jochen Kade/Wolfgang Seitter (Hg.) Pädagogische Kommunikation im Strukturwandel Beiträge zum Lernen Erwachsener Bielefeld 2005, Best.-Nr. 6001620 ISBN 978-3-7639-3328-0

Band 7 Sylvia Kade Altern und Bildung Eine Einführung 2. Aufl., Bielefeld 2009, Best.-Nr. 6001621a ISBN 978-3-7639-3336-5

Band 9Wiltrud GiesekeLebenslanges Lernen und EmotionenWirkungen von Emotionen auf Bildungs- prozesse aus be ziehungs theoretischer Perspektive2. Aufl., Bielefeld 2009, Best.-Nr. 6001623aISBN 978-3-7639-3331-0

Band 15Sebastian LerchLebenskunst lernenLebenslanges Lernen aus subjekt - wissenschaftlicher Sicht Bielefeld 2010, Best.-Nr. 6001630ISBN 978-3-7639-3346-4

Band 17Horst SiebertLernen und Bildung Erwachsener 2. Aufl., Bielefeld 2012, Best.-Nr. 6004185aISBN 978-3-7639-5062-1

Band 18Claus Kapelke, Barbara Ulreich (Hg.)Bildungsforschung für Praktiker inder Erwachsenenbildung Bielefeld 2011, Best.-Nr. 6004200ISBN 978-3-7639-4910-6

Forschung und Praxis:Band 19Christina Auer Fremdsprachenerwerb Erwachsener in der Weiterbildung Entwicklung eines teilnehmerorientierten UnterrichtkonzeptsBielefeld 2013, Best.-Nr. 6004288 ISBN 978-3-7639-5092-8

Band 20Ralf Lottmann Bildung im Alter – für Alle? Altersbilder, Ziele und Strukturen in der nach-beruflichen Bildung in Deutschland und den USABielefeld 2013, Best.-Nr. 6004295 ISBN 978-3-7639-5111-6

Band 21Bernd Käpplinger/Rosemarie Klein/ Erik Haberzeth (Hg.) Weiterbildungsgutscheine Wirkungen eines Finanzierungsmodells in vier europäischen Ländern Bielefeld 2013, Best.-Nr. 6004381 ISBN 978-3-7639-5276-2

Band 22Uwe Elsholz, Matthias Rohs (Hg.)E-Portfolios für das lebenslange Lernen Konzepte und Perspektiven Bielefeld 2014, Best.-Nr. 6004417ISBN 978-3-7639-5387-5

Band 23Rainer Brödel, Tobias Nettke, Julia Schütz (Hg.) Lebenslanges Lernen als Erziehungswissenschaft Bielefeld 2014, Best.-Nr. 6004382 ISBN 978-3-7639-5389-9

Band 24Daniela Schleifenbaum, Vanessa Walther Kooperationen auf dem Prüfstand Wie die pädagogische Praxis Zusammenarbeit wahrnimmt und gestaltetBielefeld 2015, Best.-Nr. 6004450 ISBN 978-3-7639-5487-2

Bisher sind in der Reihe „Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen“ erschienen (Auswahl):

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Statik und Dynamik im informellen Lernen

Subjektive Perspektiven auf die betriebliche Teamleitung

Birgit Elend

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Die Arbeit ist eine überarbeitete Fassung der 2014 an der Technischen Universität Dresden angenommenen Dissertation mit dem Titel „Informelles Lernen in der betrieblichen Teamleitung aus Akteurinnensicht. Ein empirisch entwickeltes Analysemodell und die Konstruktion von Lerngestalten.“

Gutachterinnen: Prof. Dr. paed. habil. Gisela Wiesner, Technische Universität Dresden Prof. Dr. Sabine Schmidt-Lauff, Technische Universität Chemnitz

Disputation: 03.04.2014

Veröffentlicht mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Gesamtherstellung und Verlag:W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KGPostfach 10 06 33, 33506 BielefeldTelefon: (0521) 91101-11, Telefax: (0521) 91101-19E-Mail: [email protected], Internet: wbv.de

Umschlaggestaltung: Christiane Zay, PotsdamISBN 978-3-7639-5455-1 (Print) Best.-Nr. 6004434 ISBN 978-3-7639-5456-8 (E-Book)

© 2015, W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers und des Verlages in irgendeiner Form reproduziert, in eine andere Sprache übersetzt, in eine maschinenlesbare Form überführt oder in körperlicher oder unkörperlicher Form vervielfältigt, bereitgestellt oder gespeichert werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Eigennamen oder sonstigen Bezeichnungen in diesem Werk berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei verfügbar seien und von jedermann benutzt werden dürfen, auch wenn diese nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Reihe: „Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen“

Reihenherausgeber:

Prof. Dr. Rainer Brödel Institut für Erziehungswissenschaft, Arbeitsgruppe Erwachsenenbildung und Außerschulische Jugendbildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Prof. Dr. Dieter Nittel Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Jun.-Prof. Dr. Matthias Rohs Fachgebiet Pädagogik, Technische Universität Kaiserslautern

Prof. Dr. Sabine Schmidt-Lauff Institut für Pädagogik, Professur Erwachsenenbildung/ Weiterbildung, Technische Universität Chemnitz

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Meinen Eltern, Kosta und Melina

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Danksagung

Die unterschiedlichsten Menschen haben die Promotion begleitet und mich beraten.

Den Anstoß hat Prof. Dr. Wulf Hopf (em.) ausgelöst, gemeinsam mit Prof. Dr. Dr.Peter Alheit (em.). Beide haben mich motiviert, mit ihren methodischen und theore-tischen Ideen meine Horizonte erweitert und mich durch die Aufnahme in ihre For-schungswerkstätten unterstützt. Mein Dank gilt ihnen in besonderer Weise.

In der Weiterentwicklung der Forschungsidee und der Erstellung der Dissertationhat mir Prof. Dr. Gisela Wiesner (em.) als Betreuerin in jeder fachlichen Frage undpersönlichen Lebenslage zur Seite gestanden und mir wertvolle Hinweise gegeben.Prof. Dr. Sabine Schmidt-Lauff ist es als Gutachterin gelungen, die besten Seiten derDissertation zu betonen und mir den Mut zu geben, sie auf diese Weise zu veröffent-lichen. Ich danke beiden von Herzen.

Für die Unterstützung durch Diskussionen, Einzelgespräche und Workshops dankeich Prof. Dr. Andrä Wolter, Prof. Dr. Karl Lenz und Prof. Dr. Frank Nestmann sowieden Kolleginnen und Kollegen des Promotionskollegs „Lebenslanges Lernen – theo-retisches Konzept und bildungspolitische Vision“ an der TU Dresden sowie derHans-Böckler-Stiftung für ihre Förderung. Besonders danken möchte ich Dr. RalfLottmann, Stefanie Heiber, Ida Stamm und Dr. Yvonne Salman für die wertschät-zende und fruchtbare Zusammenarbeit in dieser Zeit. Aufrichtig danken möchte ichder Geschäftsführerin und den Mitarbeiterinnen des untersuchten Unternehmens,die diese Studie ermöglicht und mich herzlich aufgenommen haben.

Darüber hinaus gilt mein Dank den Menschen, die an der wissenschaftlichen ArbeitInteresse gezeigt und mich gestärkt haben. Ohne diese Menschen wäre die Arbeitnicht abgeschlossen worden! Ich danke Eva Grevé und Hans-Gerd Alte-Grevé,Jacqueline Goldstein, Monika Heine, Dr. Manuela Kaiser-Belz, meinem BruderDr. Lutz-Eike Elend, seiner Familie und meinen Eltern Elke und Karl-Ludwig Elend.Auf bedeutungsvolle und wichtige Weise stehen mir mein Mann Konstantinos Atha-nassiadis und meine Tochter Melina zur Seite. Meiner Tochter möchte ich vor allemfür ihr Verständnis und ihre Geduld danken, weil „Mama das Buch jetzt endlich zuEnde geschrieben hat“.

Göttingen, im Juli 2015

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1 Prolog – Gegenstand und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2 Forschungsstand zum informellen Lernen im Prozess der Arbeit . . . . . . . 152.1 Begriffstheoretische Implikationen des informellen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2 Lernen und Arbeiten: Systematisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.3 Forschungsergebnisse zum informellen Lernen in der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 272.3.1 Disziplinübergreifende Verwendung von Lernförderlichkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . 322.3.2 Branchen- und berufsspezifische Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402.4 Zwischenfazit und Desiderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3 Rahmenbedingungen zum informellen Lernen in der betrieblichenTeamleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

3.1 Teamarbeit als lernförderliche Arbeitsorganisationsform? . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.2 Anforderungen in der Teamarbeit und -leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.3 Zum Zusammenhang von Forschungsstand, -interesse und -kontext . . . . . . . . . 61

4 Lerntheoretische Grundkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634.1 Lerntheorien zum Verhältnis Reflexion – Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654.1.1 Subjektorientierung – Handlungsbegründungen – Klaus Holzkamp . . . . . . . . . . . . . 654.1.2 Experience – Wahrnehmen, Beobachten, Denken, Handeln – John Dewey . . . . . . . . 754.1.3 Interpunktionen – Zusammenhänge und Ursachen – Gregory Bateson . . . . . . . . . . 854.2 Ein heuristischer Bezugsrahmen zur Untersuchung informellen Lernens aus

Akteurinnensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

5 Methodologische Ausrichtung – methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . 1015.1 Grounded Theory als methodologische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045.2 Das methodische Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.2.1 Auswahl des Samples durch teilnehmende Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115.2.2 Generierung von Kontextwissen durch Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1145.2.3 Qualitative Leitfadeninterviews mit Teamleiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155.3 Auswertungsprozess der Teamleiterinneninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Inhalt 7

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6 Analyse des Lernens in der betrieblichen Teamleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 1276.1 Kurzvorstellung der Teamleiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1286.2 Ein qualitatives Analysemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1316.2.1 Persönlicher Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1346.2.2 Handlungsmodelle und Mitarbeiterbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1486.2.3 Führungshandeln und Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1746.2.4 Polaritäten: Statik und Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2046.3 Lerngestalten in der Teamleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2146.3.1 Kontrastive Lerngestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2166.3.2 Die Zwischentöne des Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

7 Zusammenfassung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

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Vorwort

Mit der vorliegenden Forschungsarbeit zum „informellen Lernen“ ist ein Diskurs-feld innerhalb der Erwachsenen- und Weiterbildung aufgegriffen, das sich als über-aus kontrovers, vielfältig empirisch ausgeleuchtet und zugleich theoretisch weiterhindefizitär erweist. Dabei ist die Wertigkeit informell erworbenen Wissens und Hand-lungskompetenz im Prozess des lebenslangen Lernens mittlerweile unumstritten.Diskurse um informelles Lernen konnten sich – gerade auch aufgrund erziehungs-wissenschaftlicher und erwachsenenpädagogischer Arbeiten – größtenteils aus derpolitisierten Vereinnahmung lösen. Vermehrte Studien zur subjektiven Perspektiveauf informelles Lernen als Komplementär zum formalen Lernen (z. B. im Arbeits-kontext), als zieloffenes Lernen, als nachgängig-reflektives Lernen, als sozial nichtnur situiertes, sondern zugleich erwartetes Lernen u. v.m. haben diese Lernkategorieüber eine reine Residualverortung längst weitergeführt.

Trotzdem sind viele Fragen insbesondere zum Prozess des informellen Lernens wei-terhin unbeantwortet. Wie nähere ich mich einem Prozess, der als grundständig un-beobachtbar gilt? Wie lassen sich Vollzugsmomente, die als vor-, unbewusst oderhandlungsinhärent angenommen werden, erschließen? Hier setzt die vorliegendeArbeit an, indem sie über die Erfassung subjektiv konstruierter Zusammenhänge in„iterativen Kreisläufen aus Handlung und Reflexion“ zu Phänomenen des informel-len Lernens (als Bestandteil beruflicher Kompetenzentwicklung) und reflektiertenLernergebnissen gelangt. In einem hermeneutischen Analysemodell werden subjektiveRessourcen und gezeigtes Führungs- bzw. Teamhandeln, Interaktion bezogen aufstrukturelle Zusammenhänge (soziale Praxis) gebündelt und theoretisch interdiszi-plinär angereichert. Fokussiert wird auf philosophische, anthropologische und psy-chologische Theorien zum Lernen, um Handeln und Denken in der Bewältigungunterschiedlicher Anforderungen und Situationen über Reflexion differenziert ver-binden zu können – es erschließt sich ein „Kontinuum an informellen Lernformen“.Das Wichtige dabei ist, dass trotzdem nicht „alles“ als zum Lernprozess gehörig er-klärt wird, sondern Lernen rekonstruierbar, als eine spezifische Variante der Herstel-lung von Zusammenhängen zwischen Handeln, Denken und Reflexion entfaltetwird.

Ziel war, Lernen aus Sicht der Akteurinnen zu erfassen und zudem eine Sinn- undHandlungsorientierung erwachsenenpädagogisch aufzunehmen, die Selbst- wieFremdperspektiven (Selbstverortung, Interaktionen, Mitarbeiter-/Führungsbilder)

Vorwort 9

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ebenso berücksichtigt wie kontextuelle arbeitsorganisatorische Veränderungen beider Übernahme einer neuen Funktion (z. B. Routinen, Erfahrungen versus Neues).

Eines der interessantesten Ergebnisse ist die Vielheit, in der informelles Lernen überdie Kontrastierung von Dynamik und Statik ausgeführt wird. Im iterativen Kreislaufvon Irritation, dem Suchen nach Lösungen, Handlungsschleifen und Reflexionen,dem bewusst veränderten Vorgehen in der Entwicklung anderer Strategien und ei-ner Balanceherstellung (nach innen und außen) vollzieht sich Lernen nach FrauElend vorrangig dynamisch. Hingegen stehen rigide Muster des Umgangs mit sichselbst und anderen, die Zuschreibung von Eigenschaften (nicht ihr Durchdenken),aber auch der Abbruch von Reflexionen und das Ausblenden von Wechselwirkungenfür die Statikseite. Eine der großen Stärken der Arbeit liegt in der offenen Darstel-lung daraus abgeleiteter kontrastiver Lerngestalten (in Anlehnung an Alheits Lernfigu-ren), die auf Umfang und Güte erlebten Lernens zwischen Stabilität und Dynamik,Kontinuität und Reproduktion, Konsistenz und Beharrung setzt. Eine jede entdeckteQualität hat ihre Vor- und Nachteile, Chancen und Grenzen, sodass auch impliziteWertungen im Sinne eines „gelungenen Lernens“ vermieden werden. Daraus erge-ben sich dann auch die eigentlich interessanten „Zwischentöne des Lernens“. Metho-dologisch interessant ist dabei, wie der Paradoxie einer stets angemahnten Begrenzt-heit von Verbalisier- und Erfassbarkeit informellen Lernens begegnet wird: Sie istnicht aufzulösen, aber interpretativ aufzufangen. Alles bleibt verortet in der Orien-tierung auf persönliche Relevanzen der Beforschten, das Analysemodell kann nur inAnsätzen Lernentwicklungen nachvollziehbar machen, sodass auch unsere je eige-nen Forschungsperspektiven, Erkenntnisinteressen und Interpretationsmuster im-mer wieder infrage gestellt werden.

Inwieweit das komplexe Modell und die Typisierung durch Lerngestalten zukünftigauf weitere Praxis- bzw. Handlungsfelder der Erwachsenenbildung übertragen undgenutzt wird, bleibt abzuwarten. Möglichkeiten hierzu sind facettenreich aufge-schlüsselt. Ein großer Verdienst der Arbeit liegt in der sozial- und temporaltheoreti-schen Anreicherung von Lernphänomenen des informellen Lernens, die sich überModalitäten des Denkens, Handelns, Beobachtens bzw. Reflektierens zwischen Sta-tik und Dynamik für die erziehungswissenschaftlichen Debatten weiter, konkreterund auch neu fassen lassen.

Chemnitz, im September 2015

Prof. Dr. Sabine Schmidt-Lauff

10 Vorwort

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1 Prolog – Gegenstandund Ergebnisse

Die vorliegende erwachsenenpädagogische Studie untersucht informelles Lernenvon Erwachsenen in der betrieblichen Teamleitung. Empirisch umgesetzt wird dasForschungsinteresse mit Unterstützung eines Samples von Mitarbeiterinnen, die imKontext eines betrieblichen Veränderungsprozesses eine erste Leitungspositionübernommen haben. Ziel ist es, zu zeigen was und wie in einem betrieblichen Kon-text informell gelernt wird.

Die Grundlage des Erkenntnisinteresses ist eine Konzeption informellen Lernens,die deutlich hervorhebt, dass Lernen mit anderen Fähigkeiten und Tätigkeiten ver-flochten ist. In der handelnden Auseinandersetzung mit den betrieblichen Erfor-dernissen, den veränderten Arbeitsformen und Arbeitsaufgaben in einer neuenPosition gehen Beobachtungs-, Denk- und Reflexionsprozesse einher. Um diese sub-jektiven Verknüpfungen herauszustellen, werden Lerntheorien notwendig, die dasinformelle Lernen von Erwachsenen über Handlung und Reflexion fassen können.Über die konkrete Art und Weise der Handlungsgestaltung und ihrer individuellenReflexion können Lernergebnisse und persönliche Entwicklungen herausgearbeitet,aber auch förderliche bzw. hinderliche Aspekte (der Lernbedingungen oder des Ler-nens) identifiziert werden. Informelles Lernen kann daran verdeutlicht und gleich-zeitig in Umfang und Güte eingeschätzt werden. Die verwendeten Lerntheorien ha-ben ihren Ursprung in unterschiedlichen Wissenschaftstraditionen. Sie verbindet,dass sie Handlung und Reflexion über die Herstellung subjektiver Zusammenhänge ineine Beziehung zueinander setzen. Gemeinsam wurde aus ihnen ein heuristischerBezugsrahmen entwickelt (vgl. Kapitel 4). Mit dessen Hilfe sollen die Forschungsfra-gen nach dem informellen Lernen in der betrieblichen Teamleitung und in der Ge-staltung von beruflichen Handlungsbedingungen beantwortet werden (vgl. Arnoldu. a. 2000).

Um tiefer in die bereits wissenschaftlich belegten Zusammenhänge zwischen lern-förderlichen Arbeitsbedingungen, informellem Lernen und Kompetenzentwicklungeinzudringen (vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 2004; Bergmann 2005; Dehnbostel2005; Frieling u. a. 2006; Wiesner/Wolter 2005; vgl. Kapitel 2.3.) und die identifi-zierten Desiderate zu beantworten (vgl. Kapitel 2.4.), wird informelles Lernen ausSicht der Subjekte expliziert. Erwachsene sind in der Lage aus ihrem beruflichen

1 Prolog – Gegenstand und Ergebnisse 11

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Handeln und der Interaktion etwas zu lernen und über ihren Lernprozess Auskunftzu geben. Dieses ‚Etwas‘ gilt es genauer zu spezifizieren. Es bedeutet danach zu fra-gen, was, wodurch und vor allem wie gelernt wird, aber auch welche Veränderung, per-sönliche Entwicklung oder Erweiterung beruflicher Handlungsmöglichkeiten durchdie Subjekte erlebt und welche Erkenntnisse formuliert werden. Ein wichtiges Anlie-gen dieser Arbeit ist es, die Subjektperspektive in den Mittelpunkt der Erforschung in-formellen beruflichen Lernens zu stellen. Subjektive Lern- und Wirklichkeitskonstruk-tionen sind das ‚Rückgrat‘ der vorliegenden Arbeit. Sie geben Auskunft darüber, wieLernen, konzipiert als das Herstellen von Zusammenhängen in iterativen Kreisläu-fen aus Handlung und Reflexion, subjektiv vollzogen wird bzw. welche Begrenzun-gen im Lernen auftreten.

Aus dem Forschungsinteresse und zur Konzeption des Lernens als subjektive Wirk-lichkeitskonstruktion leitet sich ein qualitativ-methodisches Vorgehen ab (Kapitel 5).Die Studie ist auf die Generierung einer gegenstandsbezogenen Theorie gerichtetund will Aussagen über Lernprozesse, die Art und Weise der Reflexion und die Er-gebnisse des Lernens bei der Übernahme einer ersten Leitungsposition formulieren.

Zudem ist eine Konkretisierung der (strukturellen) Rahmenbedingungen durch eineBeschreibung von betrieblichen und organisatorischen Merkmalen erforderlich.Denn diese Rahmenbedingungen sind der Kontext, in dem Lernen stattfindet, dieden Lernprozess begrenzen oder fördern können, in denen Lernergebnisse generiertund methodisch erfasst werden können. Innerhalb von betriebswirtschaftlichen In-teressen geht es jedoch vorrangig um die effektive Erledigung von Arbeitsaufgaben,die Steuerung von Arbeitsabläufen sowie um rentable Ergebnisse. Diese Kontextbe-dingungen haben Einfluss auf das informelle Lernen und können z. B. die Lernpro-zesse zeitlich oder durch die Art der Tätigkeit bzw. der Aufgabe beeinflussen odergar beschränken (Kapitel 3).

Eine Haupterkenntnis der Studie ist, dass mithilfe spezifischer pädagogisch-philo-sophischer und subjekttheoretischer Lerntheorien erwachsenenpädagogische Frage-stellungen theoretisch und empirisch abgesichert sowie gewinnbringend zur Er-kenntnisgenerierung eingesetzt werden können. Es bedeutet, dass Lerntheorienanderer Wissenschaftstraditionen, die der Erwachsenen- und Weiterbildungsfor-schung ‚nahe‘ stehen, in einem heuristischen Bezugsrahmen zusammengeführtwerden können, um einen Beitrag zur Erklärung empirischer Lernprozesse sowiezur Entwicklung gegenstandsangemessener Modelle und Theorien zu leisten. DerTransfer spiegelt sich in zwei empirischen Hauptergebnissen wider: in einem qualitati-ven Analysemodell und in spezifischen Lerngestalten.

Die Lerngestalten präsentieren unterschiedliche Formen der Herstellung von Zusam-menhängen, Grade von Reflexionsfähigkeiten und die Vielfalt bzw. die Grenzen derEntwicklung von Handlungsalternativen. Sie wurden aus datenbasierten Lernkatego-rien und der Rekonstruktion von Lernprozessen entwickelt. So können gleichzeitigVariationen, Vielfalt und Gemeinsamkeiten dargestellt werden. Die spezifischenKennzeichen der Gestalten ermöglichen es passgenaue Unterstützungskonzepte ein-

12 Kapitel 1

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zusetzen, d. h. Reflexionen über eigenes Handeln zu fördern, Handlungsalternativenzu entwickeln oder das Bewusstsein über (interaktive) Zusammenhänge zu fördern.

Mithilfe des Analysemodells kann ermittelt werden, mit welchen Voraussetzungenund aktuellen Handlungsmöglichkeiten unterschiedliche Personen an ihre (neuen)Aufgaben herangehen und welche Alternativen eröffnet werden können. Es zeigt da-mit nicht nur Lernvoraussetzungen, sondern auch aktuelle Denk- und Interaktions-weisen. Darüber hinaus verdeutlicht das Modell, dass sich Lernen aus Reflexion undHandlung in einem Spannungsfeld zwischen einem statischen und einem dynamischenPol vollzieht. Die eindeutig abgrenzbaren Kernkategorien der Pole mit ihren Eigen-schaften verweisen auf unterschiedliche Lernformen, -möglichkeiten und die spezifi-schen Gestalten des Lernens. Insgesamt sind mit dem Analysemodell Kategorienaufgezeigt, wie der ‚Status‘ des informellen Lernens im Führungshandeln einge-schätzt werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten können (auch) auf Grundlagedes Modells abgeleitet werden.

Die Studie zeigt differente Lernprozesse auf, aber auch die Grenzen des Lernens, d. h. woweitere Handlungs- und Reflexionsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Fokussiertwurden (relativ) kurzzeitig Lernprozesse in konkreten beruflichen Interaktionssitua-tionen. Dies hat den Vorteil, dass die Lernprozesse im beruflichen Kontext eingebet-tet sind bzw. bleiben und ihre Ergebnisse dort angewendet werden können.

Neben der Zusammenführung verschiedener Lerntheorien aus nicht bildungswissenschaft-licher Diskussion, die einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Forschung zum in-formellen Lernen von Erwachsenen bietet, geht die vorliegende Studie in einem wei-teren Punkt über den bereits bestehenden Erkenntnisstand hinaus: InformellesLernen wird nicht ausschließlich über die Abgrenzungskennzeichen wie Intentio-nalität, Bewusstheit, Ort des Lernens oder der Art der Tätigkeit definiert, sonderndurch die Untermauerung mit pädagogischen, psychologischen und philosophi-schen Lerntheorien wird informelles Lernen an aktuelle Lerndebatten (vgl. Faulstich2014) angeschlossen, die eine Erweiterung von Handlungsalternativen und reflexi-ven Fähigkeiten erklären können. Mit der Integration verschiedener Lerntheorien ineinen heuristischen Bezugsrahmen ist eine neuartige Weiterentwicklung der lern-theoretischen Diskussion in der Erwachsenenbildung möglich, die darüber hinausdurch die empirischen Ergebnisse abgesichert sind. Das entwickelte Analysemodellist zudem anschlussfähig an sozialwissenschaftliche Handlungstheorien, die reproduk-tive und dynamisch-innovative Komponenten des menschlichen Handelns heraus-stellen (vgl. Giddens 1988; Joas 1996).

Eine weitere Erkenntnis betrifft die methodische Umsetzung der qualitativen Studie:Lernprozesse können aus verbalen Daten expliziert werden, indem auf zwei ver-schiedenen Ebenen analysiert und interpretiert wird: Das vordergründig formulierteLernen wird mit dem ‚dahinter liegenden‘ Lernen in den Interviews konfrontiert.Die Konfrontation kann Widersprüche auflösen und gibt Auskunft über das Ausmaßdes Lernens aus Reflexion und Handlung.

1 Prolog – Gegenstand und Ergebnisse 13

Page 15: Statik und Dynamik im informellen Lernen ...€¦ · Perspektive 2. Aufl., Bielefeld 2009, Best.-Nr. 6001623a ISBN 978-3-7639-3331-0 Band 15 Sebastian Lerch Lebenskunst lernen Lebenslanges