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SACHSEN SCHRUMPFT demografischer Wandel in Ostdeutschland

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SachSen Schrumpftdemografischer Wandel in Ostdeutschland

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SachSenInhaLthOYerSWerDarIeSa

BautZenWeISSWaSSerfreIBerGpLauen

jOhannGeOrGenStaDt

Page 3: statistics about saxony

005-013

015-026

027-041

042-055

056-067

068-081

082-095

096-107

jOhannGeOrGenStaDt

Page 4: statistics about saxony

Die Zukunft, ist gemeinhin die Zeit, in der man bereut, nicht das getan zu haben, was man hätte tun können.

Page 5: statistics about saxony

SACHSEN

005Die Zahlen sprechen ei-ne deutliche Sprache.

Zu Beginn des Wendejahres 1989 lebten in Sachsen noch etwas mehr als 5 Millionen Menschen, heute sind es knapp 14% Prozent weniger. Bis 2020 werden weitere 15% weniger prognostiziert.

Ein Rückgang von fast einem Drittel seit 1989 - das ist, als ob die Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau vollständig entvölkert würden.

Wobei in Sachsen die Bevölke-rungsverluste etwas höher waren als im Durchschnitt der anderen ostdeutschen Länder. Ursache da-für, dass Sachsen etwas „schlech-ter“ abschneidet, ist ausschließlich die Sonderentwicklung in Branden-burg, da dieses Land als einziges der neuen Länder einen leichten Bevölkerungsgewinn von 0,5% verzeichnen konnte.

Nach der Bevölkerungsprog-nose des Freistaates Sachsen wird die Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2002 und 2020 um ca. 15,2% sinken.

1989

2008

2020

SachSen

4.25 mIO5 mIO

3.6 mIO

Page 6: statistics about saxony

18-2

5 jahre

30-5

0 jahre

65+ j

ahre

Die meisten Sachsen zieht es nach

Bayern und Baden-Würtemberg,

dicht gefolgt von Nordrhein-West-

falen. Rheinland-Pfalz, Berlin und

Hessen, belegen Platz zwei in der

Beliebtheit.Etwas abgeschlagen,

sind Bremen, Hamburg, Schlesweig

Holstein, Mecklenburg-Vorpommern

und das Saarland.

SchLeSWIG-hOLSteIn

hamBurG

meckLenBurG-vOrpOmmern

Bremen

BerLIn

nrW

heSSen

rheInLanD-pfaLZ

SaarLanD

BaDen-WürtemBerG

BaYern

Über ein Drittel aller Wanderungs-

verluste betrifft die Altersgruppe der

18-25-jährigen. Die anderen zwei

Drittel setzen sich aus den Alters-

gruppen 25-30 Jahre und 65 und

älter zusammen.

Page 7: statistics about saxony

bis 1997 normalisierten sich die Fortzüge, was bei gleichzeitig gestiegenen Zuwanderungen - insbesondere aus dem Ausland - zu Wanderungsgewinnen führte. Die dritte Phase begann 1998 mit erneuten Wanderungsverlus-ten für Sachsen auf Grund von starker Zunahme der Fortzüge in die alten Bundesländer.

Über ein Drittel aller Wande-rungsverluste der vergagenen12 Jahre betrifft die Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen. Die Alterstruktur der sächsischen Bevölkerung hat stets mindernd auf die Zahl der Fortzüge gewirkt, doch seit 1998 ist die Fortzugs-bereitschaft dominant und nimmt immer weiter zu. Sie waren zu rund 53 Prozent jünger als 30 Jahre. Sie verringern durch die hohe Fortzugsintensität der jun-gen Frauen zwischen 18 und

30 Jahren das Potential im ge-bärfähigen Alter und schränken damit die Möglichkeit steigender Geburtenzahlen in Sachsen wei-ter ein. 60 Prozent der Fortgezo-genen waren allein stehend, 33 Prozent lebten als Ehepaare oder Lebensgemeinschaften - drei Fünftel ohne Kinder und zwei Fünftel mit Kindern. Der Anteil der Alleinstehenden sank nach dem Umzug um 25 Prozent. Von den

53 %30 jahre

DIe fOrtGeZOGenen

Sachsens Bevölkerung schrum-pfte seit 1990 bis heute jährlich um durchschnittlich 0,9 Prozent. Etwa drei Fünftel des Bevöl-kerungsrückganges in diesem Zeitraum sind natürliche Verluste. Es gab nur etwa halb so viele Geburten wie Menschen gestor-ben sind. Dadurch ging Sach-sens Einwohnerzahl um 333 000 Personen zurück. Dazu verlor Sachsen etwa 212 200 Einwoh-ner, weil 1,04 Mill. Menschen das Land verließen und nur 831 000 ihren Wohnsitz hierher verlegten.

Von 1998 bis 2001 stieg die Abwanderung in das Bundes-gebiet pro Jahr im Durchschnitt um 9,6 Prozent. Insbesondere erreichte sie 2001 mit 62 300 Fortzügen in Richtung der alten Bundesländer den höchsten Wert seit 1992.

Das Wanderungsgeschehen hat höhere Dynamik als die natürli-che Bevölkerungsbewegung und gliedert sich seit 1990 in drei Phasen: Die erste umfasst die Wiedervereinigungsphase bis 1992 mit hohen Wanderungsver-lusten in das frühere Bundesge-biet. In der zweiten Phase 1993

DIe auSGanGSSItuatIOn

weggezogenen Frauen gingen 40 Prozent eine Lebensgemein-schaft oder Ehe ein, bei den Männern waren es 31 Prozent. Mit 97 Prozent aller Fortgezoge-nen verfügten fast alle über einen Schulabschluss. Es haben über-wiegend Personen mit höherem Schulabschluss den Freistaat Sachsen verlassen. Fast 37 Pro-zent der Fortgezogenen hatten Fachhochschul- bzw. Hochschul-reife, 47 Prozent die Realschule erfolgreich abgeschlossen und 12 Prozent die Schule nach dem Volks- oder Hauptschulabschluss verlassen. Von den fortgezoge-nen Personen im Alter von 21 bis 35 Jahren verfügten fast 44 Prozent über die Fachhochschul- oder Hochschulreife. Während knapp 18 Prozent der sächsi-schen erwachsenen Bevölkerung die Fachhochschul- oder Hoch-schulreife haben, liegt dieser An-teil bei den Fortgezogenen um 19 Prozentpunkte höher. Dagegen lag der Anteil der Fortgezogen mit Volks- und Hauptschulabschluss mit 12 Prozentpunkten unter dem sächsischen Durchschnitt (2001: 33 Prozent).

Von den Fortgezogenen ver-fügten reichlich 85 Prozent über einen beruflichen Ausbildungsab-schluss. 53 Prozent hatten eine Lehrausbildung oder Berufsfach-schule absolviert, 20 Prozent eine Fachhochschule, Hochschule oder Promotion und immerhin 8 Prozent eine Meister-, Techniker- bzw. Fachschulausbildung. Rund 13 Prozent der Fortgezogenen hatten ihre berufliche Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Umzuges stand rund die Hälfte der Fortgezoge-nen in einem Arbeitsverhältnis. Sie waren zu 25 Prozent als Angestellte und zu 21 Prozent als Arbeiter tätig. 16 Prozent waren arbeitslos und über 30 Prozent galten als Nichterwerbspersonen.

333.0001.04 Mio9.6 %62.300

SACHSEN

007

Page 8: statistics about saxony

DIe mOtIve

Der Hauptgrund des Fortzugs mit reichlich 40 Prozent war eindeutig Arbeitsaufnahme oder Fortset-zung einer Tätigkeit am Zielort. An zweiter Stelle rangierte mit 15 Prozent der Nachzug zum Ehe-partner, gefolgt vom Wegzug von 12 Prozent der Befragten wegen besserer Verdienstmöglichkeiten. Somit waren bei 52 Prozent aller Fortgezogenen Arbeitsmarktgrün-de ausschlaggebend.

Der Beginn einer Ausbildung oder die Aufnahme eines Stu-diums war für rund 9 Prozent ein Wegzugsgrund. Von den jungen Sachsen bis 21 Jahre war sogar für über 37 Prozent die Ausbildung oder das Stu-dium die Hauptursache für den Weggang aus Sachsen. Die jungen Arbeitslosen bis 25 Jahre, die Sachsen verlassen haben, kamen aus Ausbildungsberufen, die am stärksten besetzt sind. Bei den älteren Fortgezogenen ab 50 Jahre rangierten erwar-tungsgemäß mit fast 51 Prozent die familiären und persönlichen Gründe an erster Stelle. Eine neue Erwerbstätigkeit nannten in dieser Altersgruppe nur noch 14 Prozent der Fortgezogenen als wichtigstes Motiv.

Rund 62 Prozent der Fortgezoge-nen könnten sich vorstellen nach Sachsen zurückzukehren. Das gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Mit zunehmendem Alter sinkt das Interesse an einer Rückkehr deutlich. Während bei den 18- bis unter 30-Jährigen noch knapp 75 Prozent wieder nach Sachsen zurückkehren würden, sind es bei den 30 bis unter 50 Jahre alten Personen nur noch knapp 60 Prozent. Von den über 50-Jährigen können sich schließlich sogar nur noch 26 Prozent eine Rückkehr nach Sachsen vorstellen. Außerdem haben Frauen in der Altersgrup-pe von 25 bis unter 45 Jahre geringere Rückkehrabsichten als Männer in diesem Alter.

Mit steigendem Bildungs- und Ausbildungsabschluss sinkt die Rückkehrbereitschaft. Über 40 Prozent der fortgezogenen Personen, die einen Realschul-abschluss haben würden nach Sachsen zurückkehren, aber nur knapp über 20 Prozent der Fachhochschul-, Hochschulab-solventen sowie der Promovier-ten. Für nur fast 12 Prozent der

jungen Leute der Altersgruppe von 18 bis unter 35 Jahre, die Hoch- oder Fachhochschulreife erlangten, kommt eine Rückkehr in Frage. Wichtigste Vorausset-zung für eine Rückkehr nach Sachsen ist für jeden zweiten ein Arbeitsplatz, gefolgt von den

entsprechend höheren Verdienst-möglichkeiten. Für über ein Drittel der Fortgezogenen kommt eine Rückkehr nach Sachsen nicht in Frage. Diese Entscheidung haben Frauen um 5 Prozent häu-figer getroffen als Männer.

Der höhere Verdienst nach dem Wegzug ist für fast die Hälfte der Nichtrückkehrwilligen der Hauptgrund. Bei den Männern nimmt er mit 48 Prozent einen noch höheren Stellenwert als bei den Frauen mit 38 Prozent ein. Unterschiede in den Altersgrup-pen gibt es kaum. Die besseren Lebens- und Zu-kunftsbedingun-gen außerhalbvon Sachsen spielen immerhin noch für 22 Prozent eine Rolle. Dieser Umstand wird von den Frauen höher bewertet als von den Männern. Familiäre Gebun-denheit ist für 14 Prozent der Grund nicht in die alte Heimat zurückzukehren. Dies gilt haupt-sächlich für Menschen ab 45 Jahren.

arbeitpartnerstudiuM

DaS rueckkehrerpOtentIaLzurueckinteresse75 %

DIe nIchtrueck kehrWILLIGen

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Sachsen und die anderen ost-deutschen Länder stehen in den nächsten 15 Jahren vor drei zen-tralen Herausforderungen, die nicht isoliert voneinander gese-hen werden können.

an die Rückführung der Osttransfers,an die demographischen Veränderungen, sowie der Pro-Kopf-Ausgaben in der laufenden Rechnung an das Niveau der finanzschwachen Westflächenländer. Nach Durchführung der notwendigen Anpassungen wird es dem Land und seinen Bürgern nicht schlechter gehen,

die in den nächsten Jahren noch fließenden Osttrans-fers optimal zur Stärkung der Wirtschaftskraft eingesetzt werden, die Anpassung der Budgetstrukturen an den de-mographischen Wandel nicht durch Partikularinteressen behindert, sondern zügig mit Innovationskraft bewältigt werden, allen Betroffenen in der Politik, der Bevölkerung, den Medien usw. die Notwendigkeit der Maßnahmen erläutert werden und die Prozesse hinreichend transpa-rent sind und ferner die Politik dokumentiert, dass sie diesen Problemen nicht konzeptionslos, sondern bestens gerüstet entgegentritt.

die anpassung

wenn:rueckkehrverdienstgebunden

SACHSEN

009

bis unter 6 Jahre6 bis unter 16 Jahre16 bis unter 21 Jahre21 bis unter 28 Jahre28 bis unter 45 Jahre45 bis unter 67 Jahreälter als 67 Jahre

insgesamt

bestand 2002

184.836366.743287.748371.344

1.051.8601.340388

746.049

4.348.968

prognose2012

194.786286.102150.181351.122859.221

1.302.116918.998

4.052.331

prognose2020

153.165287.150147.937210.299774.251

1.212.292951.778

3.736.870

veränderung2002-2020

-17,1-21,7-48,6-43,4-26,4

-9,627,6

-14,1

aLterSentWIckLunG In SachSen

Page 10: statistics about saxony

bevoelkerungsbestand in deutschland in %

rueckkehrwillige

-0.9

-13.2

-12.0

-11.5

-10.8

-2.8

-2.6

-1.2

62.3%

37.7%

Page 11: statistics about saxony

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg

Thüringen

Sachsen

Saarland

Bremen

Brandenburg

Berlin

NRW

Hessen

Hamburg

Rheinland-Pfalz

Schleswig-Hol.

Niedersachsen

Bayern

B. Württemberg

SACHSEN

011

voraussetzungen fuer eine rueckehr

3.9

5.4

6.2

7.7

7.9

8.1

9.1

9.3

50.630.83.511.5

ArbeitsplatzVerdienstPerspek-tiven

Sonstige

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Page 15: statistics about saxony
Page 16: statistics about saxony

19 % arBeItSLOSenquOteeIn unD vIerZIGtauSenD eInhunDert vIer

GeBurtenDefIZIt

9.00071.00041.10432.000

Page 17: statistics about saxony

ist eine Große Kreisstadt im sächsi-

schen Landkreis Bautzen. Die größte

Stadt der nördlichen Oberlausitz liegt

etwa 35 km südlich von Cottbus und

55 km nordöstlich von Dresden im

sorbischen Siedlungsgebiet.

Die Einwohnerzahl von Hoyers-

werda stieg im Mittelalter und der

frühen Neuzeit nur langsam. Durch

die zahlreichen Kriege, Seuchen und

Hungersnöte ging sie immer wieder

zurück. Bis Mitte des 20. Jahrhun-

derts lebten in der Stadt nur wenige

tausend Menschen. Nach dem Bau

eines Braunkohleveredelungswer-

kes im Jahre 1955 beschleunigte

sich das Bevölkerungswachstum

rasant. Die Einwohnerzahl stieg von

rund 9.000 auf ihren historischen

Höchststand von über 71.000 im

Jahre 1981. Inzwischen ist die Be-

völkerungszahl jedoch wieder stark

gesunken. Am 31. Mai 2007 betrug

die amtliche Einwohnerzahl von Hoy-

erswerda 41.104.

Seit der Wende in der DDR hat die

Stadt vor allem wegen der Abwan-

derung aufgrund der hohen Ar-

beitslosigkeit und in zunehmendem

Maße wegen des Geburtendefizits

40 Prozent ihrer Bevölkerung (rund

27.000 Personen) verloren. In Bezug

auf die damaligen Stadtgrenzen hat

Hoyerswerda seit Ende 1988 sogar

über 46 Prozent seiner Bewohner

(rund 32.000 Personen) eingebüßt.

Seit 1990 durchlebt die Region um

Hoyerswerda einen gewaltigen Struk-

turwandel. Mit dem Zusammenbruch

der bestimmenden Monoindustrie –

Bergbau- und Energiewirtschaft – er-

gaben sich in der Lausitz einschnei-

dende Veränderungen. In der Region

sind 100.000 bis 150.000 Arbeits-

plätze in allen Bereichen verschwun-

den und wurden nur leicht kompen-

siert. Es herrscht eine Arbeitslosen-

quote von etwa 19 %. Die Industrie

aus dem sekundären Sektor ist fast

komplett verschwunden. Die Stadt

belegt laut einer Statistik des Kin-

derschutzbundes über Kinderarmut

Platz 3 in Deutschland.

Die Stadt Hoyerswerda hat zu

ihrer weiteren wirtschaftlichen Ent-

wicklung ein Integriertes Stadtent-

wicklungskon-

zept in den Bereichen Wirtschaft

und Stadtumbau erstellen lassen. Im

Stadtumbaukonzept ist die Umge-

staltung, ein – sozial verträglicher

– Gesundschrumpfungsprozess der

Stadt, der Rückbau des Leerstandes

an Wohnsubstanz, eine Weiterent-

wicklung zur modernen Wohn- und

Dienstleisterstadt konzipiert. Das

Wirtschaftskonzept sieht das im

Strukturwandel befindliche Umland

als Chance für Hoyerswerda.

19 % arBeItSLOSenquOteeIn unD vIerZIGtauSenD eInhunDert vIer

GeBurtenDefIZIt

Page 18: statistics about saxony

juengste stadt Mit pensionaeren

1956 als „zweite so-zialistische Wohnstadt

der DDR“ für die Kohle- und Energie-arbeiter des „größten Braunkohle- und Steinkohle-veredlungskombinats Europas“, Schwarze Pumpe, errichtet, durchläuft seit der Wieder-vereinigung einen dramatischen De-Industria-lisierungsprozess.

Tausende Arbeitsplätze sind verloren gegan-gen. Gleichzeitig nimmt die Bewohnerschaft der Stadt stetig ab und die verbleibende wird immer älter. In etwa zehn Jahren, so die

hOYerSWerDa, gering. Hier droht ein Wiederanstieg der Altersarmut. Hinzu kommt, dass die gesamte technische und soziale Infrastruktur der Stadt angesichts der sinkenden Einwohnerzahlen überdimensioniert ist. Wie kön-nen Stadtmütter und -väter unter diesen Bedingungen ihre Stadt entwickeln? „Was fängt man mit einem Gemeinwesen an“, so der ostdeutsche Architekturkritiker Wolf-gang Kil zu Recht dramatisierend, „das sich weder durch Zuzüge noch durch eigenen Nachwuchs reproduziert, also de facto zum Aussterben verurteilt ist?“ Und weiter:

„Was fangen die Bürger dieser Stadt mit sich an, wenn sie mehrheitlich alt und immer älter werden, zunehmend beschwert von körperlicher Mühsal und ohne finanzielle Res-sourcen? Wird Hoyerswerda in zehn Jahren ein Rentnerparadies aus zweigeschossigen Hauszeilen, oder doch lieber mit alters- und pflegegerecht aufgerüsteten Hochhäusern, eingebettet in Parkanlagen mit vielen Bänken und Elektromobil-Ausleihservice, Haustierpfle-gestationen, die berühmte Bergarbeiter-Klinik umgerüstet zum geriatrischen Fachkranken-haus, in der Lausitzhalle allwöchentlich Musi-kantenstadl und schließlich die Friedhofsgärt-nerei als letzter Arbeitgeber mit garantierter Expansionsaussicht?“

Unabhängig von Lage, Größe, wirtschaftli-cher Basis, Geschichte und admin-istrativem Status zeigen sich die wirtschaft-lichen und sozialen Folgen der Wende

Prognosen, wird die einst „jüngste Stadt“ der DDR annähernd zur Hälfte von PensionärIn-nen bewohnt sein. Heute handelt es sich bei diesen zwar noch um die relativ gut versorg-ten KnappschaftsrentnerInnen.Aber künftig werden jene Personengruppen überwiegen, deren Bezüge als Folge von Vorruhestand und jahrelanger Arbeitslosigkeit eine eher trostlose Perspektive bieten: Einkommen/Ver-mögen und künftige Rentenansprüche sind

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HOYERSWERDA

019

EiNWOHNER

besonders in den tief greifenden Schrumpfungsprozessen von Städten und Regionen Ost-deutschlands. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik verän-derten sich die Rahmenbedin-gungen der Stadtentwicklung in

Ostdeutschland grundlegend. Die Wiedereinführung von Privatei-gentum an Grund und Boden, die Privatisierung volkseigener und genossenschaftlicher Mietwoh-nungen bei gleichzeitiger Resti-tutionspolitik nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ sowie die Altschuldenregelung für DDR-Wohnungsunternehmen und die Retablierung der kommunalen Selbstverwaltung bei gleichzeiti-gem Austausch der lokalen Eliten sind hier die wichtigsten Stich-worte. Alle Veränderungen in den Rahmenbedingungen stehen jedoch im Bann der „De-Industri-

De-InDuStrIaLISIerunG

alisierung“. Der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie hatte die folgenreichsten und schwer-wiegendsten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Basis der ost-deutschen Städte.

„Auf die Industrie entfielen im Saldo 70 % des Arbeitsplatzab-baus im Gefolge der deutschen Einheit.“

Die eruptive Marktöffnung, ein Umtauschkurs, der weit über der Kaufkraftparität lag, und eine erste Annäherung von Löhnen und Gehältern an das westdeut-sche Niveau verursachten einen „Abschmelzungsprozess“ bei

1000

2000

4000

5000

uNtER 25 25-55 55 uND ältER

1999 2004 2007

gESAmt 8282 6868 4876

Page 20: statistics about saxony

19% 19% 19%19%

Page 21: statistics about saxony

arbeitslosenquoteden Arbeitsplätzen. Die Landwirtschaft war für viele Städte im ländlichen Raum nach der Industrie die wichtigste wirtschaftliche Basis. Immerhin betrug der Arbeitskräftebesatz hier am 30. September 1985 850 000 Erwerbs-tätige, das heißt, er war etwa doppelt so hoch wie in dem bevölkerungs- und flä-chenmäßig viel größeren Gebiet der früheren Bundesrepublik. Wie in den anderen Wirt-schaftsbereichen war der Anpassungsdruck für die ostdeutsche Landwirtschaft enorm, nur betrug hier der Beschäftigungsrückgang zwischen 1989 und 1993 fast 80 Prozent; es handelte sich um den größten Arbeitsplatz-verlust im Vergleich aller Wirtschaftsbereiche. Die Umstrukturierung der Landwirtschaftli-chen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ist zwar wesentlich erfolgreicher gelungen als etwa die Transformation im Industriebereich. Aber der Aufstieg erfolgreicher - die EU-Subven-tionssysteme ausschöpfender - Agrarunter-nehmen erfolgte bei gleichzeitigem sozialen Abstieg von ländlichen Regionen wie der Alt-mark in Sachsen-Anhalt oder des Landkrei-ses Uckermünde-Randow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Landwirtschaft trägt heute nur noch unwesentlich zur Wirtschaftskraft einer Stadt bei.

Insgesamt ist die Entwicklung der Städte in Ostdeutschland von Funktionsverlusten und

HOYERSWERDA

021

Page 22: statistics about saxony

Hamburg

Bremen

B. Württemberg

Saarland

Hessen

NRW

Rheinland-Pfalz

Niedersachsen

Bayern

Berlin

Schleswig-Hol.

Brandenburg

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg

Sachsen

Thüringen

Deutschland

wirtschaftlichem Strukturabbau gekennzeichnet. Zentrales Pro-blem ist nicht die Transformation der wirtschaftlichen Basis, son-dern vielmehr ihre weitestgehen-de Erosion. Infolgedessen kam es zu einer hohen Arbeitslosigkeit und einer stagnierenden bzw. re-zessiven Wirtschaftsentwicklung, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Seit 1991 hat die Arbeits-losigkeit im Osten ständig zuge-nommen und verharrt seit etwa 1997 relativ konstant bei 18 bis 19 % der Erwerbsbevölkerung.Das sozioökonomische Profil der ostdeutschen Städte ist durch hohe Sozialleistungen bei gerin-gem Steueraufkommen und einer starken Abhängigkeit von staat-lichen Transferleistungen cha-rakterisiert. Da der ökonomische Wandel nicht nur - wie dargestellt - durch De-Industrialisierung verursacht ist, sondern einen all-gemeinen wirtschaftlichen Struk-turabbau umfasst, wird hier vor-geschlagen, treffender von der „De-Ökonomisierung“ zu spre-chen. Die wirtschaftliche Basis der ostdeutschen Städte ist weit-gehend frei von „Marktwirtschaft“. Schaut man sich die defizitären Haushalte der ostdeutschen

Städte an, wird offensichtlich, dass diese überwiegend von Transferzahlungen getragen sind. Selbst erwirt-schaftete Einnahmen von der Gewerbe- bis zur Hunde-steuer haben einen verschwindend geringen Anteil. Die Wanderungsbewegungen der Bevölkerung verlaufen schwerpunktmäßig von Ost nach West, und das sied-lungsstrukturelle Gefälle in Ostdeutschland wird verstärkt. Schließlich bewirkt der ausbildungs- und erwerbsbeding-te Abgang der jungen Bevölkerung in Ostdeutschland bei gleichzeitiger Zunahme der Lebenserwartung der Bürger in den fünf Ländern eine Alterung der Bevölkerung...

Die Arbeitslosenquote in Hoyerswerda beträgt 19 Prozent und liegt damit über dem bundesweiten Durch-schnitt von 9,6%. Derzeit sind 27,6 Prozent aller erwerbs-fähigen Frauen in Hoyerswerda arbeitslos. Die Frauen-arbeitslosigkeit ist also über der bundesweiten Quote von 11,1%. Das durchschnittliche Arbeitnehmerentgeld in Hoyerswerda liegt bei 2.327,00 Euro pro Monat und

2.934

2.881

2.849

2.833

2.687

2.685

2.667

2.666

2.630

2.608

2.583

2.094

2.065

2.043

2.010

1.975

2.630

2.251

2.052

2.083

2.085

2.045

1.971

1.962

2.054

1.986

2.110

1.940

1.736

1.643

1.537

1.533

1.582

1,952

m W

bruttoMonatsverdienst des produzierenden gewerbes

Page 23: statistics about saxony

HOYERSWERDA

023

ungenutzte Schulgbedäude

werden abgerissen

Page 24: statistics about saxony

Zukunft. Das Schicksal der 732-jährigen Sorben-Siedlung wird von zwei negativen, sich gegenseitig verstärkenden Trends dominiert: Abwanderung und Überalterung.

Hoyerswerda ist eine ausster-bende Stadt, bis 2015 schrumpft sie trotz einer vorgenommenen Eingemeindung auf 40 300 Ein-wohner, bestenfalls sind es 700 mehr. Im Jahr 2020 wird die Marke von 40 000 endgültig und nach-haltig unterschritten. Und damit ist die Abwärtsspirale längst nicht beendet...

De-InDuStrIaLISIerunG

Bremen

Niedersachsen

Hamburg

Bayern

B. Württemberg

Hessen

Berlin

Schleswig-Hol.

NRW

Rheinland-Pfalz

Saarland

Brandenburg

Mecklenburg

Sachsen

Thüringen

Sachsen-Anhalt

Deutschland

wochenarbeitsstunden/stundenlohn

36.2

36.3

37.6

37.6

37.6

37.6

37.6

37.7

37.9

38.1

38.2

39.4

39.9

39.9

40.0

40.2

37.9

17.94

16.47

17,70

15,52

16.67

15.98

15.47

15.24

15.89

15.70

16.60

11.96

11.39

11.11

10.84

11.52

15.45

h €

somit 398 Euro unter den 2725 Euro des bundesweiten Durchschnitts. Für Statistiker erschließt sich die Welt aus Zahlenreihen. Die in ihnen verborgene Wahrheit kann so brutal sein, dass sie sich manchmal nur mit drastischen Vokabeln erklären lässt. "Das Szenario", stöhnt Annett Kirschke auf, "ist einfach absolut horrorhaft." Seit gut vier Jahren arbeitet die Dresdnerin im Statistischen Landes-amt von Sachsen als Expertin für Demographie. In dieser Funktion hat sie jüngst daran mitgewirkt, die langfristige Entwicklung der Bevölkerung im Königreich von Kurt Bie-denkopf zu prognostizieren. Die Bewohner zwischen Zwi-ckau und Zittau vergreisen zunehmend, obwohl sie schon 1997 mit durchschnittlich 41,2 Jahren die ältesten Deut-schen waren. Doch das alles ist noch nichts. Gemessen zumindest an jener Kommune, die für die Statistikerin Kirschke "unsere grausigste im gesamten Freistaat" ist: das ostsächsische Hoyerswerda. In vier verschiedenen Varianten hat das Landesamt die Zukunft von Hoyerswer-da ausgeleuchtet. Das bittere Fazit: Die Stadt, einst für mehr als 72 000 Menschen gebaut, hat so gut wie keine

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15,3 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD achthunDert SechS unD vIerZIG

rechtSraDIkaLISmuS

47.32640.49137.56634.004

Page 29: statistics about saxony

ist eine Mittelstadt im sächsischen

Landkreis Meißen mit gegenwärtig

35.508 Einwohnern. Sie umfasst

eine Fläche von 58,84 km² und liegt

linksseitig der Elbe. Bekannt wurde

die Stadt vor allem durch die hier

vorhandene Stahl-Industrie und als

Sportstadt.Seit 1994 hat Riesa den

Status Große Kreisstadt im Freistaat

Sachsen.

Mit der industriellen Revolution

konnte Riesa vor allem seit Beginn

des 20. Jahrhunderts zur Stadt

heranwachsen. 1952 wurde Riesa

Kreisstadt. Nach der Wende 1989/90

sank die Einwohnerzahl Riesas – wie

in den meisten anderen mittelgroßen

Städten Ostdeutschlands – rapide.

Vor allem die Schließung des Stahl-

werks und der damit verbundene

Anstieg der Arbeitslosigkeit führte

dazu, dass die Einwohnerzahl von

fast 52.000 Einwohnern (1981) auf

gegenwärtig nur noch knapp 36.000

Einwohner gefallen ist.

Die Große Kreisstadt Riesa war zu

DDR-Zeiten eine klassische Indust-

riestadt. Sie war für Stahl, Sport und

Streichhölzer bekannt. Insbesonde-

re das Stahlwerk, mit über 13.000

Beschäftigten das größte metallur-

gische Kombinat der DDR, prägte

das Gesicht der Stadt. Die Wende

1989/90 führte zum Zusammenbruch

der alten Industrien und einer starken

Einwohnerabwanderung aus Riesa.

Die Streichholzfabrik VEB („Vorsicht,

Eines Brennt!“) wurde mit Ende der

DDR ebenso geschlossen wie das

große Stahlwerk hier. Eine Katastro-

phe für die ganze Region.

An die DDR erinnert hier noch eini-

ges. Die Plattenbauten, Gedenktafeln

mit Danksagungen an das sowjeti-

sche Volk, oder Straßennamen wie

die Rosa-Luxemburg-Allee. Von den

drei „S“ in Riesa blieb lediglich der

Sport bestehen. Deswegen nennt

sich Riesa heute „Sportstadt“.

15,3 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD achthunDert SechS unD vIerZIG

rechtSraDIkaLISmuS

Page 30: statistics about saxony

Durch den seit Jahren anhaltenden Bevölke-

rungsrückgang haben die Kom-munen in den neuen Bundeslän-dern mit teilweise drastischem Wohnungsleerstand zu kämpfen. Oftmals bleibt der Rückbau bzw. Abriss der einzige Ausweg aus der Misere, denn leere Wohnun-gen kosten Geld. Im vergange-nen Jahr wurden deshalb allein im Freistaat Sachsen über 13000 Wohnungen weniger registriert. Dem gegenüber wurden nur 8400 Wohnungen neu gemeldet. Die meisten Häuser verschwin-den in den Plattenbausiedlun-gen, die seit der Wende stark an Attraktivität verloren haben. Waren sie in der DDR wegen des relativ hohen Komforts begehrt, leben heute meist Seniorinnen und Senioren in den Häusern und Menschen, die preiswerten Wohnraum suchen. Die Folge ist, dass in manchen Blöcken ein Leerstand von 50% herrscht. Mit dem von der Bundesregierung aufgelegten Programm „Stadtum-bau Ost“ werden in den nächs-ten Jahren weitere Wohnungen verschwinden. Das Programm hat aber nicht nur den Rückbau von Häusern zum Inhalt, sondern

rIeSa StaDtumBau OSt1.7 Miokostet der abrissauch die Aufwertung von Vier-teln mit älterer Bausubstanz. Zu der Situation in Riesa sprachen wir mit Riesas Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Bauwesen Werner Nüse. Jana Abicht, Netzwerkstelle „Quo va-dis“: Seit wann beteiligt sich die Stadt Riesa an dem Programm „Stadtumbau Ost“? Werner Nüse: Seit 2002 nutzen wir dieses Pro-gramm, um auf den zwei mögli-chen Förderschienen die Stadt attraktiver zu gestalten. Einer-seits ist dies der Rückbau, also der Abriss, von leer stehenden Wohnungen. Andererseits fließen auch Mittel, um Gebiete

Page 31: statistics about saxony

mit älterer Bausubstanz zu verschönern. Jana Abicht: Wo wird derzeit die Stadt diesbezüg-lich verändert? Werner Nüse:

„Nach dem Abriss von mehreren Wohnblö-cken in Stadtteil Weida stehen nun die Kräne im Stadtzentrum auf der Berliner Straße. Seit 2002 haben wir 1,7 Millionen Euro in den geförderten Abriss von Wohnungen ge-steckt, was rund 800 Wohnungen entspricht. Geplant sind diese Rückbau-Maßnahmen noch bis Ende 2008, bis dahin werden noch

situationsbeschreibung

RiESA

031

einmal rund 100 Wohnungen betroffen sein.“ Die durchschnittliche Entfernung zu den

sächsischen Ballungsräumen Dresden, Leipzig und Chemnitz beträgt 50 bis 80 km. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das Frei-zeit- und Konsumverhalten der Menschen, sondern auch auf die Wahl der Arbeits- bzw. Lehrstellen von Jugendlichen. Die regionale Wirtschaft ist hauptsächlich durch Hand-werksbetriebe und kleinere mittelständische Betriebe geprägt. Größter Arbeitgeber der Region im produzierenden Bereich ist das traditionelle Chemiewerk in Nünchritz und der neu entstandene Betrieb Kronospan in Lampertswalde an der A13. Dennoch beträgt die Arbeitslosenquote im Landkreis seit Jahren unverändert rund 20%. Der westli-

Page 32: statistics about saxony

Bevölkerungsentwicklung der Stadt

Riesa von 1989 bis 2007, getrennt

nah männlich und weiblich

Zuzüge und Wegzüge aus dem/

in das Ausland 2008

1989

1995

2000

2005

2008

47.32642.62939.36736.56135.139

männer frauenGeSamt

22.61820.39619.03317.72617.066

jahr

24.70822.23320.33418.83518.073

Page 33: statistics about saxony

RiESA

033

Page 34: statistics about saxony

che Teil des Landkreises, die Region Riesa, wurde bis zur Wende durch das Stahlwerk mit seinen 13000 Beschäftigten geprägt. Der Aufschwung zur Industriestadt begann im 19. Jahrhundert durch den Bau der ersten sächsischen Eisenbahnlinie Dresden - Leip-zig, den Ausbau des Elb-Hafens und durch das 1843 gegründete Stahlwerk. Im Gesell-schaftssystem der DDR gehörte die Schwer-industrie zu den stark geförderten Zweigen. Somit wurde die Stadt zunehmend von der Monoindustrie der Stahlerzeugung geprägt, und das Stahlwerk gab ihr eine gewisse Identität. Die sehr beschäftigungsintensi-ve Produktionsweise der Siemens-Martin-Hüttentechnik und die politisch motivierten Subventionen der DDR in diese Industriezwei-ge schufen besonders für junge Familien aus anderen Landesteilen eine Perspektive, da die Grundbedürfnisse Arbeit, Wohnung, rela-tiv guter Verdienst und ein Netz von sozialen Betreuungsreinrichtungen für Kinder ausrei-chend gegeben waren. Durch Zuzug erfuhr die Stadt ein weiteres Wachstum, so dass sie in den 80iger Jahren ca. 50.000 Einwohner zählte. Es entstanden Plattenbausiedlungen, u.a. der neue Stadtteil Riesa-Weida. Nach der Auflösung der DDR-Gesellschaft und der

Herstellung der Deutschen Einheit durch Anschluss an das bundesrepublikanische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell wurde recht schnell das technisch überalterte Stahl-werk geschlossen, und die von dieser Mono-industrie geprägte Stadt verlor ihre Prägung und auch ihre Identität. Für viele zugezogene Arbeiter war das Werk ihr Lebensinhalt und nicht die Verwurzelung in geschichtsträchtige

Traditionen. Etwa 10.000 Arbeiter verloren ihre Arbeit, nachdem das Werk geschlossen und demontiert wurde. Demzufolge liegt die Arbeitslosenquote seit Jahren über 15% - trotz vieler Ansiedlungsanstrengungen und der erfolgreichen Umgestaltung des Stahl-werkes zum Industriepark für produzierendes Gewerbe. Die daraus entstandene soziale Verunsicherung und Neuorientierung, auch mit Phasen der Orientierungslosigkeit führte in den 90iger Jahren zu einer pluraleren interes-

verunSIcherunG unD OrIentIerunGSLOSIGke

Page 35: statistics about saxony

RiESA

035

koMMunalwahlen

Wahl 2009 Wahl 2004

cDu

Grüne

fDp

pDS

BürGerBeWeGunG rIeSa

SpD

npD

36.8%41.0%

3.7%

8.7%4.8%

20.3%21.8%

8.2%10.7%

14.1%15.5%

5.8%8.8%

Page 36: statistics about saxony

sengeleiteten Jugendszene in der Stadt. Unter anderem entwickelte sich auch eine rechtsradikale Szene. Diese Szene wurde beobachtet und deeskalierend mit Metho-den der akzeptierenden cliquenorientierten Jugendarbeit begleitet. Zunehmend konnte man besonders bei Familienfeiern wahrneh-men, dass ebenfalls unter der Elterngenerati-on fremdenfeindliches Gedankengut Wurzeln schlug. Verstärkt wurde diese Stimmung da-durch, dass im schon erwähnten Wohngebiet Riesa-Weida zunehmend Aussiedlerfamilien untergebracht wurden. Damit wuchs unter der dort lebenden Bevölkerung auch die Be-drohungsangst in ihrer schon beschriebenen sozialen Unsicherheit. Besonders in Gesprä-chen mit Lehrern aus Berufs- und Mittelschu-

len wurde in der 2. Hälfte der 90iger Jahre deutlich, dass rechtsradikale und fremden-feindliches Gedankengut unter Jugendlichen häufiger anzutreffen ist. In dieser Zeit kam es auch in der Stadt zu einigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den soge-nannten „Rechten“ und links- alternativ orien-tierten Cliquen. Auch die Springerstiefelkultur wurde im Stadtbild deutlicher. Diese Situation wurde 1999 von den führenden Kräften der Bundes-NPD geschickt ausgenutzt, um den bisher in Sinningen (Bayern) ansässigen Verlag der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in Riesa anzusiedeln. Inzwischen hat sich dieser Verlag zu einem bundesweiten Logis-tikzentrum der NPD entwickelt, und auch der Bundesvorstand der Jungen Nationalen hat

teILnehmer an auSGeWähLten maSSnahmen aktIver arBeItSmarktpOLItIk

beschäftigungsbegleitende Maßnahmen 1.755

679205

1.372Arbeitsgelegenheiten

Qualifizierung

ABM

Page 37: statistics about saxony

RiESA

037

aLterSGruppenverteILunG In rIeSa (%)

80+65-7945-64 25-4419-2416-1810-156-90-5

110

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

2006 2025

Page 38: statistics about saxony

seinen Sitz in Riesa. Diese er-folgreiche Verwurzelung der NPD in Riesa hat natürlich den Auftritt der Neonazis konkret vor Ort verändert: Man braucht keinen Straßenkampf mehr, dieser würde nur das Nest beschmutzen. Unter der wirkungsvollen Losung „Schöner Wohnen“ wird versucht, über ein soziales, nachbarschaft-lich freundliches Auftreten bei den Bürgern zu punkten. Anknüp-fend an deren soziale Ängste wird über diese Nachbarschafts-strukturen weiterhin die auslän-derfeindliche, antidemokratische Sündenbockideologie verbreitet.

Die durchgängigen Wahlerfolge der NPD in allen Wahlbezirken Riesas und besonders in den Randstadtteilen mit über 15 % zeigen ganz deutlich, dass wir es hier mit einer neuen Qualität der Verbreitung rechtsradikaler Ideo-logie zu tun haben. Besonders unter jungen Menschen ist der Prozentsatz, der radikal gewählt hat, sehr hoch. Dies zeigt, dass zur Zeit wenig Vertrauen in die momentan praktizierte Demokra-tie vorhanden ist. Darum ist es nötig praktische Erfahrungsräume für erlebbares demokratisches Handeln und beteiligungsorien-tierte lokale Politik zu schaffen. Es gibt vor Ort keine zwar sichtbare rechtsradikale Bedrohung, aber der Kampf um die Hirne ist im vollen Gang und zielt auf jun-ge Menschen, die enttäuscht bzw. überfordert sind von dem momentanen gesellschaftlichen Wandel und Alternativen zur derzeitigen Politik suchen. Zudem haben diese Jugendlichen in ihren Eltern auch nicht den da-zu kritischen Auseinandersetzungs-partner, weil sie durch den ge-sellschaftlichen Wandel selbst verunsichert sind. Unter diesen Bedingungen verschärft sich die Situation der Jugendlichen und

der Jugendarbeit dramatisch. Nach wie vor muss die Region den Wegzug von jungen Men-schen verkraften: Im Landkreis sinkt die absolute Zahl der unter 27-Jährigen um ca. 3%, bezogen auf das jeweilige Vorjahr.

In Riesa betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 1999 26%, vier Jahre später nur noch 24%. Die Ursachen für den sta-tistischen Schwund liegen in der geringen Geburtenrate sowie im Wegzug von jungen Menschen, die meist über einen guten Schul-abschluss verfügen. Ca. 10% der Gesamtarbeitslosen im Landkreis sind junge Volljährige im Alter von 18 bis 27 Jahren, die überwie-gend gering qualifiziert sind. Diese Situation provoziert die hier gebliebenen Jugendlichen zu der Frage, wozu sie überhaupt gebraucht werden oder welche Perspektiven bietet ihnen die Gesellschaft und besonders die Region, in die sie hinein geboren werden. Jugendliche mit den nötigen Schlüsselqualifikationen entscheiden sich in ihrem indivi-duellen Entwicklungsweg für eine andere Region. Für einige andere

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

2.000

1.500

1.000

500

0

Zu- unD WeGZüGe In Der StaDt rIeSa vOn 2000-2008

Page 39: statistics about saxony

RiESA

0392000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

FortzügeHinzüge

Zu- unD WeGZüGe In Der StaDt rIeSa vOn 2000-2008

Page 40: statistics about saxony

änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)

0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+

125

100

75

50

25

0

-25

-50

Page 41: statistics about saxony

sind diese Situation und ihre bisherigen Le-benserfahrungen der Einstieg in subkulturelle, extremistische Alternativen oder auch in den Missbrauch von Suchtmitteln. Ein gewisser Prozentsatz resigniert aber auch angesichts der Schwierigkeiten. Insgesamt wissen wir, dass diese jungen Menschen in 15 bis 20 Jahren die Gesellschaft prägen und steuern werden! Die labilen materiellen Existenzbe-dingungen und die Angst, in solche abzurut-schen, die Auflösungen von sozialen Milieus und die weit verbreitete Orientierungslosigkeit sind die Hauptmerkmale dafür, dass subkul-turelle und extremistische Aktivitäten in Ab-grenzung und Gegnerschaft zur bestehenden Gesellschaft entstehen.

Gespräche an Mittelschulen und in Berufs-vorbereitungsklassen der Berufsschulen bestätigen diese Situation. Diese Jugendli-chen fühlen sich von der Politik benachteiligt, glauben nicht an demokratische Veränderun-gen und fühlen sich aus dem Netz sozialer Aufstiegs- und Beteiligungsmöglichkeiten ausgegrenzt. Bereits im Bericht der Sächsi-

schen Staatsregierung zur Lage der jungen Menschen im Freistaat wird auf die daraus resultierenden, notwendigen Veränderungen hingewiesen: „Träger der Jugendhilfe müssen lernen, stärker als bisher auf die Lebensver-hältnisse der jungen Menschen einzugehen, die Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben herauszufor-dern, um damit auch künftiges Verständnis für die örtlichen Gegebenheiten zu entwi-ckeln.“ Ein Blick in die neun sozialräumlichen Planungsregionen jedoch zeigt, dass Ju-gendarbeit dies nicht alles allein leisten kann. Der finanzielle Druck auf die Kommunen wird immer größer, somit existieren nur begrenz-te fachliche Ressourcen für die vielfältigen geforderten Ziele. In allen Planungsregionen gibt es Angebote für Kinder und Jugendliche, die über die Gemeinde, frei Träger, Initiativen oder Ehrenamt organisiert sind. Über den Kreisjugendring, die Kreissportjugend sowie Arbeitsgemeinschaften des Landratsamtes gibt es Austauschprozesse und Ansätze von Zusammenarbeit. Die Schwierigkeiten dabei sind die knapper werdenden Finanzen bei den Trägern, der steigende Problemdruck der Zielgruppe und, dass die Vernetzung oft nicht mit Partnern aus Wirtschaft und Politik bzw. dem Gemeinwesen erfolgt.

RiESA

041

benachteiligung ausgegrenzt

Page 42: statistics about saxony
Page 43: statistics about saxony
Page 44: statistics about saxony

15,0 % arBeItSLOSenquOteZehntauSenD fünf unD ZWanZIG

WOhnunGSrückBau

10.0256.3065.5565.091

Page 45: statistics about saxony

ist eine Bergstadt im sächsischen

Erzgebirgskreis. Sie liegt direkt an

der tschechischen Grenze, ist ein

staatlich anerkannter Erholungsort

und nennt sich „Stadt des Schwib-

bogens“.

Die ab 1990 einsetzende Schlie-

ßung zahlreicher Betriebe der Hand-

schuh-, Textil- und Möbelindustrie

sowie des Maschinenbaues sorgte

für einen enormen Rückgang der

Bevölkerungszahl weit unter das Vor-

kriegsniveau. Dies wiederum hatte

den Abriss zahlreicher leerstehender

Fabrik- und Wohngebäude (vor allem

in Neuoberhaus, Pachthaus und der

Mittelstadt, teils frühere Baracken

der Wismut-Kumpel) zur Folge. Von

den Abbruchmaßnahmen war 2005

auch eines der wenigen Kultur-

denkmale der Stadt betroffen: Das

zwischen 1806 und 1812 errichtete

und vom großen Stadtbrand 1867

verschont gebliebene Gebäude des

Bergmagazins wurde mit Genehmi-

gung des Stadtrats abgerissen.

Die Region um Johanngeorgenstadt

in Sachsen zählt zu den deutschen

Extremschrumpfungsgebieten. Woh-

nungsleerstand, die Schließung von

Schulen und leere Kassen belasten

die Kommunen. Ist unter diesen

Bedingungen alle Mühe vergebens,

oder gibt es auch die Möglichkeit,

sich gesundzuschrumpfen?

Johanngeorgenstadt schrumpft.

1990 hatte die Kleinstadt im Erzge-

birge an der tschechischen Grenze

9.000 Einwohner. Ende 2004 waren

es nur noch 5.600. Johanngeorgen-

stadt schrumpft also sehr schnell:

Während der Freistaat Sachsen

im selben Zeitraum nur 10 Prozent

seiner Einwohner verloren hat, waren

es in der ehemaligen Bergbaustadt

39 Prozent! Eine selbst erstellte

Prognose geht von einer weiteren

Abnahme auf 3.800 Einwohner bis

zum Jahr 2016 aus. Damit gehört

die Region Johanngeorgenstadt zu

den Extremschrumpfungsgebieten in

Ostdeutschland.

15,0 % arBeItSLOSenquOteZehntauSenD fünf unD ZWanZIG

WOhnunGSrückBau

Page 46: statistics about saxony

umBau vOn SIeDLunGSStrukturen

Während Wissen-schaft und Politik die Folgen des „demo-graphischen Wan-

dels“ erst seit Ende der neunziger Jahre offen diskutiert haben, war in Johanngeorgenstadt und den umgebenden Gemeinden bereits Mitte der neunziger Jahre klar, dass es abwärts gehen würde, und zwar nicht nur mit der Ein-wohnerzahl.

In anderen Regionen wurde zu dieser Zeit noch eine politische Diskussion darüber geführt, ob es legitim sei, leerstehende Ge-bäude abzureißen; in der Johann-georgenstädter Region war der Abriss bereits in vollem Gange. Ein stagnierender Fremdenver-kehr, der Zusammenbruch der größten Industriebetriebe und das Ausbleiben von Investoren run-den das Bild von der schrump-fenden Region ab.

Die sächsische Landesplanung reagierte seinerzeit rasch auf das heranreifende Problem. Zunächst erstellte man mit staatlicher Förderung ein städtebauliches Entwicklungskonzept für Johann-georgenstadt. Als klar wurde, dass dessen Umsetzung durch

jOhannGeOrGenStaDt

eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Bedingung war seinerzeit, dass sich die Städte und Gemeinden um Johanngeorgen-stadt zu einem Kooperationsverbund zusam-menschlössen. Dieser hat bis heute Bestand und firmiert unter dem Namen Zentrales Erz-gebirge um Johanngeorgenstadt. Als dieses erste gemeinsame Vorhaben zu Tage brach-te, dass die Region mit der Lösung der Pro-bleme überfordert wäre, wurde ein weiteres Modellprojekt mit dem Namen „Umbau von Siedlungsstrukturen unter Schrumpfungsbe-dingungen“ initiiert, das 2005 abgeschlossen wurde.Mit den Forschungsarbeiten waren erste Umsetzungsschritte verbunden. Obwohl das Problem auch dadurch nicht gelöst wer-

die im Zuge des Bergbaus entstandenen Um-weltschäden nicht möglich sein würde, setzte sich die sächsische Landesplanung erfolg-reich dafür ein, das Bundesmodellvorhaben „Sanierungs- und Entwicklungsgebiete“ in der Region um Johanngeorgenstadt durchzufüh-ren mit dem Ziel, die Entwicklungshindernisse zu überwinden und damit die Grundlage für

Page 47: statistics about saxony

bevoelkerungsrueckgang1946-2008

19461953

1965

1990

20085.091

10.025

6.55945.693

10.849

Page 48: statistics about saxony

den konnte, gibt es nun relativ klare Zielvorstellungen für das gemeinsame Handeln der Kommunen, die in einer so genannten Integrierten Regionalen Anpassungsstrategie dargelegt sind.

Zwischen 1946 und 1958 baute die Sowjetisch-Deut-sche Aktiengesellschaft Wismut in Johanngeorgenstadt und Umgebung Uranerz ab. Die Einwohnerzahl der Stadt wuchs von 6.600 (1946) auf ca. 40.000 (1953); sie sank jedoch bis 1960 wieder auf 10.600. In reichlich einem Jahrzehnt war die Lagerstätte weitgehend erschöpft; die Region ist in dieser Zeit jedoch völlig neu strukturiert worden: Die Altstadt musste wegen Bergschäden zum großen Teil abgerissen werden. Um die ehemalige Stadt herum waren Wohnsiedlungen, Erzaufbereitungsanlagen und Verladestellen, ein Großkrankenhaus, Kulturhäuser und Versorgungseinrichtungen entstanden. Nach dem Ende des Bergbaus wurde zentralstaatlich gesteuert saniert, umgebaut und umgenutzt. Als Ersatz für den Bergbau entstanden mehrere große „Volkseigene Betrie-be“, Wohnquartiere der Bergarbeiter wandelten sich zu Kinderferienlagern und Ferienheimen von Betrieben und Institutionen aus der ganzen DDR. So konnte auch die „großformatige“ Infrastruktur weitgehend erhalten werden. Mit der politischen Wende 1989/90 brach jedoch fast alles zusammen.

Zu Beginn der staatlichen Intervention in der Mitte der neunziger Jahre war zunächst davon ausgegangen wor-den, bei Johanngeorgenstadt handele es sich um einen Sonderfall. Der frühe Uranbergbau habe Probleme singu-lären Charakters erzeugt, die über den Weg „besondere staatlicher Fürsorge“ gelöst werden könnten: durch die nachholende Sanierung radiologischer Altlasten, den Ab-riss alter Industrieanlagen und Wismut-Wohnsiedlungen, den Rückbau überdimensionierter Infrastruktur. Heute - mit zehn Jahren Abstand - ist klar, dass es sich um die Spitze eines Eisberges handelte, dessen Ausmaße inzwischen sichtbar geworden sind. Johanngeorgenstadt erscheint nun eher als das Sinnbild so genannter DDR-Entwicklungsstädte, die im Sozialismus strategische Aufgaben - etwa in der Grundstoff- und Schwerindustrie - übernehmen mussten und entsprechend als Produktions- und Wohnstandorte ausgebaut wurden. Nach dem Ende der DDR und deren wirtschaftlichen Autarkiebestrebun-

sonderfall oder spitze des eisberges?

DIe fOLGen Der SchrumpfunGgen ging der Entwicklungsimpuls verloren. Als weitere Beispiele für diesen Stadttyp lassen sich Weißwasser (37%), Hoyerswerda (36%), Eisenhüttenstadt (29%) und Schwedt (29%) anführen (in Klammern der relative Bevölke-rungsrückgang 1990 - 2004).

Mehrere der aufgezählten Städte scheinen sogar wieder auf ihre ursprüngliche Größe zurückzufal-len, Johanngeorgenstadt liegt be-reits darunter. In den Medien wird für dieses Phänomen gelegentlich der Begriff „Gesundschrumpfen“ verwendet. Doch wie gesund ist dieser Prozess für die betroffenen Kommunen?

Die unmittelbare Folge des Be-völkerungsrückganges ist Woh-nungsleerstand - dieser beträgt im Zentralen Erzgebirge zurzeit fast 18 Prozent. Obwohl seit 1990 bereits 1.400 Wohnungen

Page 49: statistics about saxony

abgerissen wurden und weitere Rückbau-maßnahmen geplant sind, wird es zu keiner Entlastung des Wohnungsmarktes kommen. Denn die Anzahl der Haushalte wird in den nächsten Jahren noch schneller abnehmen als die der Wohnungen. Nach den berech-neten Prognosen wird die Schere zwischen Angebot und Nachfrage bis 2016 deshalb noch weiter auseinanderklaffen als jetzt. Der Leerstand wird auf ca. 22 Prozent steigen.

Eine weitere Folge des demographischen Wandels ist neben dem Wohnungsleerstand die Unterauslastung der sozialen Infrastruktur. Das gravierendste Problem der Gemeinden des Zentralen Erzgebirges waren in den vergangenen Jahren die Schließungen von Schulen, zu denen es aufgrund des Rück-gangs der Schülerzahlen kam. Wegen der grenzwertigen Auslastung und der Prognosen stehen weitere Schließungen unmittelbar bevor. In der Region wird es künftig statt ehe-mals drei nur noch eine Mittelschule geben. Durch die Zentralisierung der Schullandschaft kommt es nicht nur zu einer Verschlechterung

JOHANNgEORgENStADt

049

Page 50: statistics about saxony
Page 51: statistics about saxony

der wohnortnahen Bildungsangebote, auch die (vereins-)sportlichen und kulturellen Angebote einzelner Gemein-den sind davon betroffen.

Ein immer teurer werdender Bestandteil der Wohnkosten ist die so genannte „zweite Miete“ - die Mietnebenkosten. Verschiedene Szenarien für Johanngeorgenstadt zeigen, dass es aufgrund des prognostizierten Bevölkerungsrück-gangs bis 2016 zu einem deutlichen - unterschiedlich hoch ausfallenden - Anstieg der stadttechnischen Kosten kommen wird. Je nach Ausmaß und räumlicher Verteilung des Rückbaus ergeben sich bis 2016 stadttechnisch bedingte Gebührenanstiege von 14 bis 31 Prozent (in-flationsbereinigt). Würde kein weiterer Rückbau erfolgen, stiegen die Kosten bis 2016 sogar um 38 Prozent. Insge-samt wird damit deutlich, dass unterschiedliche konzep-tionelle Ansätze zu sehr unterschiedlichen Konsequenzen beim Rückbau der Stadttechnik und damit auch für den gesamten Siedlungsrückbau führen.

Bei anhaltendem Bevölkerungsrückgang mit der Intensität wie in Johanngeorgenstadt ist eine kompakte Stadt-struktur - soweit sie nach dem Bergbau überhaupt noch vorhanden war - nicht mehr haltbar. Ein im Rahmen des Projektes entwickeltes städtebaulich-landschaftsplane-risches Konzept sieht deshalb vor, Johanngeorgenstadt als dezentralisierte Stadt mit neun Siedlungskernen zu entwickeln. Stabile Siedlungsteile sollen ergänzt, instabile Siedlungsteile wie Bergarbeitersiedlungen der vierziger und fünfziger Jahre und später entstandene Plattenbau-siedlungen schrittweise zurückgebaut werden.

Der demographische Wandel hat nicht nur Auswirkun-gen auf die physischen Strukturen, sondern auch auf die Wahrnehmung der Region durch Einwohner und Besucher. Das Außenimage von Johanngeorgenstadt ist durchaus positiv. Es wird durch eine schöne Landschaft und gute Wintersportmöglichkeiten geprägt - zwei As-pekte, die in der Wahrnehmung von Gästen dominieren. Eine völlig andere Ausprägung hat das Binnenimage. Die Einwohner Johanngeorgenstadts bewerten die wirtschaft-lichen und städtebaulichen Probleme sehr hoch und

die eigenen Perspektiven eher schlecht. Diese Art der Wahrnehmung wird als „Peripherisierung in den Köpfen“ interpretiert. Wie auch andere Untersuchungen zeigen, kann eine negative Selbstwahrnehmung die eigene Akti-

vität bremsen und dazu beitragen, dass sich lokale Akteure in ihr Schicksal fügen.

Wie die aufgezählten Problemfelder zeigen, geht extremer Bevölkerungsrückgang, wie er in Johanngeorgenstadt vorzufinden ist, mit einer Fülle von Spätfolgen einher. Diese treten unvermittelt auf und überlagern sich. Weder die Kommunen noch der Staat waren bzw. sind darauf vorbereitet. Insofern verwun-dert es nicht, dass die Kommunalverwaltun-gen und die Kommunalpolitik der Lösung der Probleme hinterherlaufen.

Wenn sich niedrige Geburtenraten und Wan-derungsverluste zu einem extremen Bevölke-rungsrückgang addieren, wenn zudem junge und aktive Bevölkerungsgruppen bevorzugt abwandern, wenn städtebauliche Strukturen rasch zerfallen, Infrastrukturen nicht mehr finanzierbar sind, Funktionen verloren gehen und negative individuelle Wahrnehmungen zur Passivität der Menschen führen, dann ver-dichten sich die Probleme in der Tat zu einer Gefahr des „Ausblutens“.

Welche Handlungsspielräume verbleiben den Schlüsselakteuren in den betroffenen Regio-nen, um diesem Trend gegenzusteuern? Als Ergebnis der Prozessbegleitung im Zentralen Erzgebirge um Johanngeorgenstadt sind diesbezüglich einige Ideen entwickelt worden.Zum einen geht es um die Abmilderung der Folgen des Bevölkerungsrückgangs durch interkommunale Kooperation; zum anderen wird gezeigt, wie Integrierte Regionale Anpas-sungsstrategien zur Orientierung in Schrump-fungsgebieten beitragen können.

JOHANNgEORgENStADt

051

peripherisierung in den koepfen

Page 52: statistics about saxony

änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)

0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+

60

50

40

30

20

10

0

-10

-20

-30

-40

-50

-60

-70

Page 53: statistics about saxony

JOHANNgEORgENStADt

053Ein Großteil der Altstadt

musste aufgrund von

Bergschäden von 1953

bis 1960 weitgehend

abgebrochen werden und

es wurden mehrere neue

Wohnsiedlungen errichtet

in die die Einwohner um-

ziehen mussten.

Page 54: statistics about saxony

0

-5

-10

-15

-20

-25

-30

-35

-40

-45

einfluss von wanderungen auf die bevoelkerungsentwicklung bis 2025 (in %)

natürliche Bevölkerungs-

entwicklung mit Wanderungen

natürliche Bevölkerungsent-

wicklung ohne Wanderungen

Page 55: statistics about saxony

Nicht nur Johanngeorgenstadt schrumpft. Auch Halle an der Saa-le hat seit der politischen Wende 90.000 Einwohner verloren. "Die graue Diva legt sich ein grünes Kleid an", lautet eine der jüngsten Schlagzeilen in den Medien. Dem massiven Leerstand begegnen die Stadtplaner von Halle mit einem Mix aus rigorosem Rückbau und Wohnumfeldgestaltung. In der Tat ist unter Stadt- und Raumplanern eine Diskussion im Gange, in der neben den Risiken des Bevöl-kerungsrückgangs auch offensichtliche Chancen hervorgehoben werden. Diese könnten etwa darin bestehen, in dicht besiedelten Stadtteilen neue Freiräume zu schaffen, den Siedlungsdruck auf empfindliche Naturräume zu mindern oder allgemein den Flächenver-brauch für bauliche Zwecke zu senken. Für Extremschrumpfungsge-biete vom Typ Johanngeorgenstadt trifft dies aber nicht zu. In solchen geht es schlichtweg um das weitere Funktionieren kommunaler Gemeinwesen. Wie die Befunde zeigen, geht ein derart schneller Bevölkerungsrückgang mit Funktionsverlusten und einer Verschlech-terung der Lebensbedingungen der verbleibenden Einwohner einher.

Interkommunale Kooperation - dies hat der Bericht gezeigt - ist ein probates Mittel, reicht aber allein nicht aus, um die Folgen der Schrumpfung zu bewältigen. Es bedarf weiterführender Lösungen: Neue Organisationsformen müssen erprobt werden, beispielsweise bei den Wohnungsgesellschaften. Betreibermodelle sind zu modi-fizieren, zum Beispiel in der stadttechnischen Versorgung. Es gilt, Alternativen zu prüfen, etwa bei der Energieversorgung. Rückbau ist unvermeidlich, aber er bedarf der Steuerung. Die Ressorts der Stadtverwaltungen müssen ihre Planungen untereinander abstimmen. Es geht darum, öffentliche und private Dienstleistungsangebote zu koordinieren. Die Ziele der Kommunen sind mit den Richtlinien der staatlichen Behörden abzugleichen. Die Bevölkerung muss stärker in die Debatte um den demographischen Wandel einbezogen werden. Wo Kooperation scheitert, sind Gemeindezusammenschlüsse mög-licherweise der Rettungsanker. Der Staat hat bei der Konsolidierung schrumpfender Regionen eine wichtige Funktion. Über den Finanz-ausgleich kann er Nachteile in Teilräumen ausgleichen.

Der entscheidende Punkt ist also, dass sich die Schlüsselakteure ak-tiv dem Problem der Schrumpfung stellen und Strategien entwickeln, um dem Ausbluten der Region entgegenzuwirken.

JOHANNgEORgENStADt

055

faZIt unD perSpektIven

Page 56: statistics about saxony
Page 57: statistics about saxony
Page 58: statistics about saxony

12,9 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG

keIne mehrGeneratIOnSfamILIen

52.39444.76342.68841.766

Page 59: statistics about saxony

obersorbisch Budyšin, ist eine Große

Kreisstadt in Ostsachsen. Die Stadt

liegt an der Spree und ist Kreissitz

des nach ihr benannten Landkreises

Bautzen. Mit rund 41.000 Einwoh-

nern ist Bautzen zugleich die größte

Stadt des Kreises.

Obwohl in der Stadt selbst nur

eine sorbische Minderheit von 5 bis

10 % der Bevölkerung wohnt, gilt die

historische Hauptstadt der Oberlau-

sitz neben Cottbus als politisches

und kulturelles Zentrum der Sorben.

Bautzen zählte im Frühmittelalter

zu den größten Städten in Mittel-

deutschland. Etwa seit dem 15. Jahr-

hundert stagnierte die Entwicklung.

Die relativ spät einsetzende Indus-

trialisierung brachte neue Impulse.

Auch in DDR-Zeiten konnte Bautzen

Bevölkerungsgewinne verzeichnen.

Seit der politischen Wende 1990

nahm die Einwohnerzahl aufgrund

von Abwanderung und niedriger

Geburtenrate von 52.000 (1989) auf

42.000 ab. Seit etwa 2000 hat sich

dieser Trend merklich verlangsamt.

Am 1. Januar 2007 waren 98,1 %

der Bautzener deutsche Staatsan-

gehörige. In einer jährlich von der

Sächsischen Staatskanzlei veröffent-

lichten Studie zur Wirtschaftsstärke

der sächsischen Städte besetzt

Bautzen seit mehreren Jahren

regelmäßig den Spitzenplatz. Dabei

werden verschiedene Wirtschafts-

merkmale, zum Beispiel Steuerauf-

kommen und Anzahl sozialabga-

benpflichtiger Arbeitsplätze, mit der

Einwohnerzahl ins Verhältnis gesetzt.

12,9 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG

keIne mehrGeneratIOnSfamILIen

Page 60: statistics about saxony

sensibilisieren und die verantwortlichen Akteure „wachrütteln“ sollen, denn der de-mografische Wandel wird sich besonders im ländlichen Raum bemerkbar machen. Projektkoordinatorin Juliane Habel vom SLK erläuterte das Ziel und die Aufgaben des Projektes mit ei-ner Laufzeit von ei-nem Jahr. Im Mittel-punkt steht dabei die Erarbeitung einer Konzeption für den Aufbau eines zukunftsfähigen Netzwerkes sowie für

aufBau effektIver arBeItSStrukturen

Die Zahlen belegen es: Bis zum Jah-

re 2020 wird es im Landkreis Bautzen voraussichtlich einen weiteren Rückgang bei der Be-völkerung um 13 % geben, das Durchschnittsalter wird um über 5 Jahre auf 49,6 Jahre steigen.

In besonderer Weise wirkt der demografische Wandel in den ländlichen Gebieten. Noch spür-barer als in den Städten sind hier Bevölkerungsrückgang und wachsendes Durchschnittsalter.Das Sächsische Landeskurato-rium Ländlicher Raum e.V. (SLK) möchte mit Hilfe des Projektes „Gemeinsam den demografi-schen Wandel gestalten – Kon-zeption für den Aufbau effektiver Arbeitsstrukturen im Landkreis Bautzen“, welches von der Säch-sischen Staatskanzlei gefördert wird, mithelfen speziell für den ländlichen Raum Strategien zu entwickeln, um die durch den de-mografischen Wandel hervorge-rufenen Veränderungen zu be-gleiten. Am Montag, dem 06.10.2008 fand im Roten Saal des Klosters St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau im Rahmen des Projektes eine erste Veran-staltung statt. Neben Herrn Land-

BautZen

rat Harig und Landrätin a. D. Frau Kockert waren der Einladung zu dieser Veranstaltung über 40 Gäste, darunter Bürgermeister, Ver-treter von Kirchen, Vereinen und Verbänden aus dem Landkreis Bautzen gefolgt.

In seinem Einführungsvortrag stellte Land-rat Harig unter anderem an Beispielen aussozialen, kulturellen und sportlichen Be-reichen sehr anschaulich dar, vor welchen Herausforderungen wir im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel im Land-kreis Bautzen stehen. Er machte aber auch deutlich, dass manche Herausforderung auch als Chance verstanden werden sollte. Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, Präsidentin des Statistischen Landesamtes, bekräftigte dieAusführungen des Landrates in ihrem Vortrag und ging insbesondere auf die Entwicklungen in den Sektoren Altersstrukturen, Bildungswe-ge, Einkommen und medizinische Betreuung ein. Sie stellte klar, dass diese Prognosen

Page 61: statistics about saxony

genommen werden. Übereinstim-mender Tenor in der Diskussion war, dass ein solches Netzwerk gebraucht wird und das man als Verantwortungsträger aktiv vor Ort mitwirken würde. Wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit sind die persönli-chen Gespräche und Kontakte mit engagierten Personen vor Ort. Bürgermeister, Kirchenvertreter, Vereinsmitglieder, professionelle und ehrenamtliche Akteure die über Erfahrungen im Umgang mit demografischen Veränderun-gen verfügen. Die Konzeptionen oder Initiativen kennen, die sich in Planung befindenoder bereits umgesetzt werden konnten. Die-se Akteure und ihre empfehlens-werten praktischen Beispiele zur

die Einrichtung einer Kontakt- und Koordinati-onsstelle Demografie. Sie wird deshalb in den kommenden Monaten weitere Gespräche mit Verantwortungsträgern u. a. aus Politik, Kirchen, Kultur, Handwerk und Sport führen, damit sie deren Ideen und Gedanken bei der Erarbeitung der Konzeption mit berück-sichtigen kann. Zudem wird ab 01.11. 2008 eine Homepage und ein alle zwei Monate erscheinender Newsletter neben den Veröf-fentlichungen in den Medien über das Projekt informieren. Geplant sind für das I. Quartal 2009 Veranstaltungen in den Regionen, um weitere Akteure für eine zukünftige Mitarbeit im Netzwerk „Demografie“ zu gewinnen und die Öffentlichkeit für dieses Thema weiter zu sensibilisieren.

In der sich anschließenden regen Diskussi-on wurde deutlich, dass in vielfältigster Weise - und regional sehr unterschiedlich - die demografischen Prozesse wirken und wahr-

BAutZEN

061

Page 62: statistics about saxony
Page 63: statistics about saxony

Erhaltung bzw. zur Verbesserung der Lebens-bedingungen, besonders im ländlichen Raum des Landkreises Bautzen, werden wir in un-serem Projekt erfassen und demnächst auf unserer Internetseite veröffentlichen.

In der Gemeinde Großharthau, einer länd-lich geprägten Region in der touristisch wun-derschön gelegenen Oberlausitz, lebten am 31.12.2007 ca. 3.179 Einwohner auf einer Fläche von 3730 ha. Zur Gemeinde Groß-harthau gehören die Ortsteile Bühlau, Schmiedefeld und Seeligstadt, das Thema Abwanderung ist hier für viele Familien un-geliebte Realität. Die Kirchgemeinde Bühlau –Lauterbach ist ein Teil dieser Gebietsge-meinschaft. Mit einem Konzept hat der Pfarrer dieser Gemeinde den Bürgermeister auf

BAutZEN

063

die demografische Situation in seinem Verantwortungs-bereich aufmerksam gemacht und um Unterstützung gebeten. Durch den Wegzug vieler junger und aktiver Menschen an den Ausbildungs- bzw. Arbeitsort gibt es in den Dörfern kaum noch die traditionellen Mehrgenerati-onsfamilien wie sie in der dörflichen Gemeinschaft üblich waren. In einem „4 Punkte Modell“ zur aktiven Senioren-betreuung möchte der Pfarrer speziell den älteren Men-schen vor Ort deutlich machen, das sie nicht vergessen sind, dass man ihr Lebenswerk achtet und ihnen die Möglichkeit gib auch im Alter in ihrer gewohnten Um-gebung bleiben zu können. Ein offener Seniorentages-treff, Besucherdienste, betreutes Wohnen in ländlicher Umgebung mit Kleintierhaltung und leichter Gartenarbeit sowie einer Hospizbetreuung gehören in seine Planung.Der Landkreis Bautzen belegt mit 41,9 Punkten Platz 361 von insgesamt 409 Kreisen und kreisfreien Städten im

Freiberg

BautzenRiesa

Plauen

Hoyerswerda

Weisswasser

Johanngeor-genstadt

20

0

-20

-40

-60

-80

-100

-120

-140

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38

Bild

ungs

wan

der

ung

in %

Arbeitslosenanteil in Jahren

vergleich aller staedte nach arbeitslosenanteil und bildungswanderung

Page 64: statistics about saxony

Bautzen

Hoyers-werda

Freiberg

Plauen

Johann-georgen-stadt

Weiss-wasser

Riesa

2003 2004 2005 2006 2007

geburten pro frau iM vergleich zuM bundesdurchschnitt(%)Negativwert Positivwert

Page 65: statistics about saxony

BAutZEN

065

zweiten wissenschaftlichen Regionalranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Innerhalb des Landes Sachsen be-legt der Landkreis Bautzen Platz neun unter 13 Kreisen und kreisfreien Städten.

10,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Bautzen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Bundesweit liegt der Anteil Hochqualifizierter bei 7,8 Prozent. Deutschlandweit ergibt sich so Rang 68 sowie Platz sieben unter 13 un-tersuchten Städten und Kreisen in Sachsen.Die Schulden der Gemeinden und Gemein-deverbände belaufen sich im Kreis Bautzen auf 984 Euro je Einwohner. Bundesweit sind es im Schnitt 1.456 Euro. Das sorgt für Rang 95 im INSM-Ranking und Platz fünf unter 13 Städten und Kreisen in Sachsen.7,5 Prozent der über 18-Jährigen im Kreis Bautzen sind nach Definition der Organisation creditreform privat verschuldet. Deutschland-weit sind es 9,6 Prozent. Platz 98 im Bun-desvergleich, Rang zwei von 13 im eigenen Bundesland.

Statistisch stehen 100 Nachfrager im KreisBautzen einem Angebot von 93,3 Ausbil-dungsplätzen gegenüber. Mit dieser Ausbil-dungsplatzdichte wird Rang 392 im bundes-weiten INSM-Vergleich belegt. Deutschland-weit stehen im Schnitt 98,9 Lehrstellen für 100 Bewerber zur Verfügung. In Sachsen bedeutet das Platz elf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen.

Der Saldo der Gewerbean- und -abmel-dungen vermittelt einen Eindruck von der re-gionalen Gründungsdynamik. Im Kreis Baut-zen lag dieser Saldo 2007 bei 0,1 je 1.000 Einwohner. Bundesdurchschnitt ist ein Wert von 1,4. Das bringt Rang 382 im Gesam-tranking und Platz zwölf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen in Sachsen.

Die Einkommensteuerkraft vermittelt einen Eindruck von der regionalen Einkommenssi-tuation: Im Kreis Bautzen beläuft sie sich auf 113 Euro je Einwohner. Rang 377 bei einem bundesweiten Mittelwert von 282 Euro. In Sachsen erreicht der Kreis Bautzen Rang neun von 13.

Nach der Wende 1989 verlor die Stadt sehr viele Einwohner durch Abwanderung. Bis zum Jahr 2005 sank die Bevölkerung um

984 eurO SchuLDen prO eInWOhneretwa 10.000 Einwohner auf reichlich 42.000. Aufgrund der hohen Zuwanderung zu Ende der DDR-Zeit gehörte die Bevölkerung der Stadt zu den jüngsten in Sachsen. Dies hatte zwei Folgen. Zum einen wurden in Bautzen im ostdeutschen Maßstab auch weiterhin relativ viele Kinder geboren. Während drei Fünftel des Bevölkerungsrückganges in Sachsen zwischen 1990 und 2005 auf den Sterbeüberschuss zurückgehen und nur ein Drittel auf die Abwanderung (Sachsen hat eine überalterte Bevölkerung und es werden weniger Kinder geboren als alte Menschen sterben), lag in Bautzen die Bedeutung der Abwanderung (sowohl in die alten Bundes-länder als auch infolge der Suburbanisierung in nahe ländliche Gemeinden) bei über 75%. Des Weiteren wanderten aber aufgrund der besonderen Mobilität junger Leute auch über-durchschnittlich viele Menschen ab. Der Al-tersdurchschnitt Bautzens liegt heute (2005) nur noch leicht unter dem Sachsens. Seit dem Jahr 2000 zeigt Bautzen Tendenzen einer (vorübergehenden) Stabilisierung des Bevölkerungsrückganges. Hauptursache ist

Page 66: statistics about saxony

DurchSchnIttSaLter 49,6 In BautZenDie Geburtenrate geht in Bautzen stark zurück, was zur Folge hat, dass die Stadt altert. Junge Menschen ziehen weg,, die Älteren bleiben.

Page 67: statistics about saxony

BAutZEN

067die vergleichsweise gute wirtschaftliche Ent-wicklung. Obwohl Bautzen nicht die größte Stadt Ostsachsens ist, hat es absolut die meisten Arbeitsplätze. Bei einem sächsischen Städtevergleich für das Jahr 2004, der Daten wie Steuereinnahmekraft und Beschäftigte am Arbeitsort je 1000 Einwohner zusam-menfasste, belegte Bautzen den ersten Platz noch vor Dresden. 2004 ist die Bevölkerung erstmals seit 1989 nicht mehr gesunken, was die Lokalpresse als das „Wunder von Baut-zen“ bezeichnete. 2005 ist die Bevölkerungs-zahl erneut konstant geblieben, 2006 wieder relativ stark zurückgegangen.

Prognosen rechnen nach einer zwischen-zeitlichen Stabilisierung spätestens ab 2020 (wie fast überall in Ostdeutschland) mit einem erneut verstärkten Bevölkerungsrückgang, da dann die geburtenschwachen Nach-wendejahrgänge ins Familiengründungsalter kommen. Allerdings sind diese Prognosen oft nach einheitlichen Verfahren erstellt und berücksichtigen die Unterschiede zwischen den einzelnen Städten teilweise nur unge-

nügend. So gestaltete sich die Bevölke-rungsentwicklung von Bautzen in den letzten fünf Jahren deutlich günstiger als in den Prognosen, während z. B. Hoyerswerda sich deutlich schlechter entwickelte. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass in Bautzen auch weiterhin die Geburtenrate geringer sein wird als die Sterberate. Sollten sich allerdings die Wanderungsgewinne der letzten Jahre auch weiterhin bestätigen, ist es durchaus möglich, dass die Bevölkerung Bautzens kurzfristig konstant bleibt und mittelfristig nur moderat schrumpft.

prognosen

WunDer vOn BautZen

Page 68: statistics about saxony
Page 69: statistics about saxony
Page 70: statistics about saxony

23 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD eInhunDert neun unD vIerZIG

auSBLutenDe faBrIken

38.28828.60522.75819.906

Page 71: statistics about saxony

obersorbisch B�ła Woda, ist eine

Große Kreisstadt in Sachsen und

die drittgrößte Stadt im Landkreis

Görlitz. Die Stadt liegt in einer

braunkohlereichen Heidelandschaft

zwischen dem Lausitzer Seenland

und der deutsch-polnischen Grenze.

Nach seinem Aufstieg vom bäuerlich

geprägten Heidedorf zur Industrie-

stadt erlebt Weißwasser gegenwärtig

einen sozialen Wandel, durch den in-

nerhalb eines Zeitraums von weniger

als 40 Jahren die Bevölkerung von

19.000 Einwohnern auf über 38.000

anwuchs und wieder auf 20.000

zurückfiel.

In den Anfangsjahren der DDR erfuhr

die Stadt neben den Glasbetrieben

auch durch das neu erbaute Kraft-

werk Boxberg und kleinere Industrie-

betriebe einen Aufschwung, der zu

einem stetigen Bevölkerungswachs-

tum führte, so dass die Stadt Ende

der 1980er Jahre einen Höchststand

von knapp 39.000 Einwohnern

erreichte und damit dreimal so groß

wie 30 Jahre zuvor war. Ab den

1960er Jahren entstand daher süd-

westlich der ursprünglichen Stadtla-

ge das Wohnviertel Weißwasser-Süd,

das vorwiegend aus Plattenbauten

besteht. Nach der politischen Wende

in der DDR mussten die meisten

Glas- und Industriebetriebe schlie-

ßen, weitere Betriebe mussten

Arbeitsplätze abbauen, um im geän-

derten politischen System wirtschaft-

lich überleben zu können. Die hohe

Arbeitslosenquote von über 20 %

und die Stadtflucht entwickelten sich

zu größeren Problemen – innerhalb

der folgenden zwei Jahrzehnte hat

sich die Einwohnerzahl fast halbiert,

großflächiger Wohnungsrückbau ist

die Folge. Anders als viele andere

Kreisstädte konnte Weißwasser zur

teilweisen Kompensation des Bevöl-

kerungsrückgangs keine Orte des

Umlands eingemeinden.

Der Bevölkerungsrückgang zeigte

seine Auswirkungen vor allem in

Weißwasser-Süd. Während Anfang

der 1990er Jahre mit der Südpas-

sage ein Einkaufszentrum inmitten

eines Wohngebietes der Südstadt

entstand, steht dieses rund 15 Jahre

später nahezu am Rand der bebau-

ten Stadtfläche.

23 % arBeItSLOSenquOtevIertauSenD eInhunDert neun unD vIerZIG

auSBLutenDe faBrIken

Page 72: statistics about saxony

ueBernehmen, prOfItIeren unD SchLIeSSen

Das Glasmuseum in Weisswasser ist in einer hergerichteten alten Fabrikantenvilla

untergebracht. Herr Hahn, ein ehemaliger Glasbläser, betreut es. Bis zur Wende hat er in einer Glasfabrik gearbeitet und kennt sich bestens aus. Er war so freundlich, extra für uns das Mu-seum zu öffnen, obwohl Ruhetag war. Von Herrn Hahn erfahren wir, dass Weisswasser und Bad Muskau bis zur Wende vierzehn Glashütten hatten. Hier war der grösste und bedeutendste Produktionsort für Trinkgläser und Spezialgläser für die pharmazeuti-sche und chemische Industrie. Im Museum ist die ganze Bandbreite der hier produzierten Gläser aus-gestellt. Das faszinierende Glas-handwerk wird sowohl in zahlrei-chen Modellen als auch mittels der Originalwerkzeuge vorgestellt. Ein sehr lehrreicher Film verdeut-licht die Arbeitsatmosphäre in einer Glashütte, zeigt die faszi-nierende handwerkliche Kunst der Glasbläser, der Glasschleifer und Glasmaler. Es wurde in vier Schichten im Akkord produ-ziert, und die Produkte konnten nur in vorbildlich eingespielter

WeISSWaSSer

in die ehemalige Sowjetunion als auch nach Kanada und Neuseeland zu übernehmen. Innerhalb kürzester Zeit bluteten sie die Glas-werke hier aus, nahmen die Maschinen und Anlagen in andere Produktionsstätten mit und schlossen die meisten Werke in Weisswasser und Bad Muskau.

Heerscharen von bestausgebildeten Glasblä-sern und anderen Facharbeitern stehen seit Mitte der Neunziger Jahre auf der Strasse. Eine verbliebene Glashütte mit 200 Beschäf-tigten, der nahe Braunkohletagebau mit dem

Zusammenarbeit gelingen. In Weisswasser waren bis zur Wende etwa 4000 Hand-werker beschäftigt. Die Treuhand habe die Betriebe übernommen und an Konkurrenten aus Westdeutschland verkauft. Diese waren offensichtlich weniger an der Produktion in der Region als daran interessiert, sowohl die Handelsbeziehungen der hiesigen Glashütten

Page 73: statistics about saxony

WEiSSWASSER

073

änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)

0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+

125

100

75

50

25

0

-25

-50

-75

Page 74: statistics about saxony

modernisierten Braunkohle-kraftwerk von Vattenfall sind die einzigen grösseren Arbeitgeber der Region, die können aber den Tausenden von Arbeitslosen auch keine neue richtige Berufspers-pektive bieten.

Hier gibt es mehr Alte als Jun-ge, sie sind alle weg. Und wenn man Kinder in die Welt setzt, weiß man, die müssen dann auch weggehen, weil es hier keine Zukunft gibt. Von ehemals etwa 40 000 Einwohnern sind nur noch an die 20 000 hier. Alle Betriebe haben zugemacht oder die Belegschaft drastisch verringert. Nur eine kleine Glas-hütte produziert noch, aber kaum nennenswert. Vattenfall beschäf-tigt noch 600 von ehemals 4000 Mitarbeitern. Dazu kommt noch, dass viele Menschen im nahen

Polen einkaufen, vor allem auch Medikamente, oder sie lassen sich dort die Zähne machen. Dort ist es halt billiger, wenn man eh wenig hat! So schliesst sich der Teufelskreis. Aber jetzt werden die alten Gruben mit Wasser gefüllt. Das gebe ein schönes Erholungsgebiet, mit grossen Seen zum Schwimmen und Boot fahren. Eine gewisse Hoffnung bestehe, dass jetzt Tourismus kommt. Landschaftlich ist es ja sehr schön hier. Mit dem herrli-chen weitläufigen Fürst-Pückler-Park an der Neisse gelegen.

Doch die Existenznot, die Aufbauarbeit, die drückenden Schulden, bleiben in den Köp-fen. Und jetzt müssen sie sich von Westdeutschen anhören, sie hätten doch viel Geld bekom-men, Solidarbeiträge, wieso sie

Page 75: statistics about saxony

WEiSSWASSER

075nichts daraus gemacht hätten. Niemand, der hier nicht gelebt hat, könne sich vorstellen, wie das gewesen ist zu DDR-Zeiten, die Armut und die Entbehrun-gen. Eine Apfelsine habe es zu Weihnachten gegeben, und dafür hat man noch Schlange stehen müssen. Wieder einmal bleibt uns nicht viel mehr übrig als die berechtigte Verbitterung über das arrogante Gehabe von uns „Bes-serwessis“ entgegenzunehmen.

Page 76: statistics about saxony

So geht es den meisten hier. Die einen sind knapp dran, weil sie zu den 25 Prozent gehören, die keine Arbeit haben. Die anderen sind knapp dran, weil die Arbeit oft schlecht bezahlt wird. Drei bis vier Euro Stundenlohn für eine Verkäuferin sind ortsüblich. Beim Arbeitslosenverband ging kürzlich ein Ge-such für eine Buchhaltungskraft ein, „Vollzeit, perfekt in Word und Excel“, für 650 Euro im Monat. Ein Aushilfslehrer Deutsch, Mathe, Englisch wurde für 9,20 Euro pro Stunde gesucht. Ergebnis: Auch die meisten Selbst-ständigen haben es schwer, weil hier keiner mehr was kaufen kann.

Nirgendwo in Deutschland ist die allgemeine Unzufriedenheit so groß wie in der sächsi-schen Region Oberlausitz-Niederschlesien. Nur 21 Prozent meinen, in der Gegend östlich von Dresden ließe sich „alles in allem sehr gut leben“. Hoyerswerda, Bautzen, Gör-litz, Zittau - in allen Städten liegt die Arbeitslo-senquote über 20 Prozent. Die Altstädte sind wieder fein herausgeputzt, die Schlaglöcher aus den Straßen verschwunden, aber die Arbeitsplätze auch.

Weißwasser war einst der Stolz der DDR. Zuoberst auf dem Boden lag der Sand - Rohstoff für Glas -, darunter die Braunkohle für die nötige Schmelzenergie. 16 Prozent der Braunkohle, 20 Prozent des Stroms und 60 Prozent des DDR-Glases wurden in der Region um das ursprünglich nur 13.000 Einwohner zählende Städtchen produziert. Tausende von Plattenbauten stampfte man aus der Erde. 1989, im Jahr der Wende, hat-te Weißwasser 38.000 Einwohner. Seitdem wird geschrumpft.

1998 hat Inken Baumann ein Klassentreffen organisiert. „Die meisten Schulfreunde habe ich im Westen aufgespürt“, sagt sie. Mensch Inken, hier lacht ja keiner mehr, haben die meisten gesagt. Und: Gib mir Arbeit, und ich komme zurück. Aber Arbeit gibt es nicht. Das Kraftwerk Boxberg beschäftigte einst rund

4000 Menschen. Heute sind es noch 600. Die Glasindustrie schrumpfte von rund 4000 auf 200. Jedes Jahr kehren rund 2000 Einwohner Weißwasser den Rücken. Ein Ende der Abwärts-spirale ist nicht abzusehen. „Der Letzte macht das Licht aus, ist hier ein Standardspruch“, sagt Karin Zurawski vom Arbeitslosen-verband.

Wenn eine Region in den Sog des Vergessens gezogen wird, dann die Gegend um die Glas-macherstadt. „Sollte der große Aufschwung Ost tatsächlich ein-mal in Weißwasser anklopfen, ist wahrscheinlich keiner mehr da, der die Tür aufmacht“, schrieb die Frankfurter Rundschau im Mai nach einem Besuch im vergesse-nen Winkel der Republik. Seit der Wende hat Weißwasser ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Wer an die Zukunft glaubt, packt die Sachen. 26 000 sind geblieben. Viele Wohnungen stehen leer. Ganze Blöcke werden abgeris-sen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 25 Prozent, überdurch-schnittlich viele deutschstämmige Spätaussiedler aus Russland wurden ansässig.

unzufrieden

der stolz

vergessen

Page 77: statistics about saxony

DIe StaDt WeISSWaSSer Spart unD BeLeuchtet nachtS nur nOch jeDe ZWeIte StraSSenLater-ne. DaS kInO hat GeSchLOSSen, nur ZWeI aLtenheIme WerDen DerZeIt neu GeBaut.

WEiSSWASSER

077

Page 78: statistics about saxony

Das Projekt „Re-Urbanisierung der Weißwasseraner In-nenstadt - Chancen im demografischen Wandel“ sucht nach neuen und innovativen Wegen für die Re-Urbani-sierung und Stärkung der Innenstadt im demografischen Wandel. Diese neuen Wege zur Funktions- und Attraktivi-tätssteigerung der Kernstadt orientieren sich am Leitbild der Europäischen Stadt, mobilisieren eine neue Engage-mentkultur und tragen insbesondere zur Identitäts- und Imagebildung in der Stadt Weißwasser bei.

Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen folgende Hand-lungsfelder zur Innenstadtbelebung: innovative Konzepte für den Wohnungsmarkt (neue Wohnformen, Eigentums-bildung, neue Finanzierungsformen, Energieoptimierung), Verbesserung der Attraktivität und Funktionsfähigkeit durch vielfältige Nutzungen (Wohnen, Arbeiten, Einkau-fen, Dienstleistung, Kultur, Freizeit, soziale Infrastruktur),

Leerstands- und Brachflächen-management, verändertes Mobili-tätsverhalten, neue Allianzen und Organisationsformen zwischen unterschiedlichsten Interessen-gruppen, die stärkere Ausrich-tung auf Nachfragetrends und Zielgruppen.

Im Mittelpunkt des umsetzungs-orientierten modellhaften Vor-habens steht die Entwicklung konkreter Projekte für prioritäre Aufgaben der Re-Urbanisierung der Innenstadt. Dabei erfolgt eine Orientierung an den Chan-cen durch eine trendgestützte Strategieentwicklung.Ein beson-derer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung von Stadtidentität und Stadtimage durch ein aktives „Identitäts- und Imagemanage-ment“. In einem anschließenden besonderem Coaching-Prozess sollen die Innenstadt-Macher für ihre Zukunftsaufgaben „fit gemacht“ werden.

haben die Stadt Weisswasser

bis heute verlassen

Anteil der Frauen an den ab 80

-Jährigen in %

Anteil der 15-45-Jährigen Frauen

an der Gesamtbevölkerung in %

2006 2025

18.388

Page 79: statistics about saxony

WEiSSWASSER

079

650 €Im mOnat

Page 80: statistics about saxony

Den Abwärtstrend kann

man nur mit guten Ideen

und Konzepten aufhalten.

Nebenstehen, sind solche

aufgeführt. Sie wurden

in der Praxis schon

angewemdet und waren

erfolgreich. Der Schrump-

fungsprozess kann wohl

kaum aufgehalten werden,

aber verlangsamt!

Page 81: statistics about saxony

WEiSSWASSER

081

Mindestens 10 zentrale Handlungsfelder auf

kommunaler Ebene

entWIckLunG kOmmuaL-SpeZIfIScher StrateGIen

Vorbereitungs-und Sensibilisierunsphase

Transparenz über die demografische Ent-wicklung herstellen

Ziele vereinbaren und Schwerpunkteidentifizieren

Handlungskonzepte entwi-ckeln und implementieren

Wirkung analysieren

eInBInDunG aLLer akteure unD reSSOrtS

Infrastrukturplanung

Zusammenleben der Generationen

Flächenentwicklung

Inenstadtentwicklung

Integration

Kinder- und Fami-lienfreundlichkeit

Seniorenpolitik

Bildung

Ehrenamtlichen Engagement

Finanzen

Page 82: statistics about saxony
Page 83: statistics about saxony
Page 84: statistics about saxony

10 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG

fachkraeftemanGeL

51.47644.53343.68342.364

Page 85: statistics about saxony

ist eine Universitätsstadt, Große

Kreisstadt und Bergstadt, die etwa in

der Mitte des Bundeslandes Sachsen

zwischen Dresden und Chemnitz

liegt. Freiberg ist Verwaltungssitz des

am 1. August 2008 neu gebildeten

Landkreises Mittelsachsen und Teil

der Metropolregion Sachsendreieck.

Der gesamte historische Stadtkern

steht unter Denkmalschutz.

Durch die Aufnahme von vielen aus-

gebombten Menschen der umliegen-

den Großstädte und von Vertriebe-

nen wuchs die Einwohnerzahl von

Freiberg sprunghaft. Bemühungen

der SDAG Wismut in der Nachkriegs-

zeit, spaltbares Material in Form von

Uranerz im Freiberger Bergbaurevier

zu finden, waren nicht erfolgreich. Ab

1952 wurde in der DDR im Rah-

men einer Verwaltungsreform die

Stadt dem Bezirk Karl-Marx-Stadt

zugeschlagen. Der Bergbau auf Zink

und Blei lief bis 1969 weiter, bevor

er endgültig eingestellt wurde. Durch

den massiven Ausbau der Hüttenin-

dustrie in und um Freiberg zum Zen-

trum der Nicht-Eisen-Metallurgie und

wegen der unbefriedigenden Lösung

des Problems der Abwasser- und

Abgasreinigung entstanden enor-

me Schäden an der Umwelt in der

näheren und weiteren Umgebung. Im

Süden, Südwesten und Westen der

Stadt entstanden zwischen 1964 und

1990 größere Wohngebiete. Um 1970

überstieg die Einwohnerzahl 50.000.

Neben der stürmischen Entwicklung

Freibergs durch den schnellen Auf-

schwung des Bergbaus, prägte auch

der Fernhandel die Struktur der Stadt

und ließ sie zum ökonomischen Zen-

trum der Markgrafschaft Meißen im

Mittelalter werden. Aber auch Stadt-

brände, Kriege und wirtschaftlicher

Niedergang prägten die Entwicklung

unserer Stadt. Die erste Hauptperio-

de des Freiberger Bergbaus, die sich

auf das Gebiet zwischen Mulde und

Münzbach konzentrierte, ging Ende

des 14. Jahrhunderts zu Ende. Die

Krise im Freiberger Revier konnte

erst zu Beginn des 16. Jahrhun-

derts durch die Erschließung großer

Vorkommen im Süden der Stadt

überwunden werden. Den dritten

großen Aufschwung gab es Ende des

18. Jahrhunderts mit dem Aufschluss

reicher Gangfelder südlich von Frei-

berg. Die vierte und letzte Hauptperi-

ode des Freiberger Bergbaus begann

1937, nachdem der Bergbau 1913

bereits eingestellt worden war und

endete 1969.

Im Gefolge des Bergbaus ent-

wickelte sich auch die Industrie zur

Verhüttung der einheimischen Erze

im Freiberger Raum sehr rasant. Da-

rüber hinaus spielte Freiberg als Ver-

waltungszentrum für das sächsische

Berg- und Hüttenwesen eine wichtige

Rolle. Seit 1542 hatte das Oberberg-

amt und seit 1555 das Oberhütten-

amt seinen Sitz in der Stadt.

10 % arBeItSLOSenquOteSIeBentauSenD vIerhunDert neun unD vIerZIG

fachkraeftemanGeL

Page 86: statistics about saxony

als soziale und fa-milienfreundliche

Stadt bietet allen Einwohnerinnen und Einwohnern gleiche Lebens-chancen, um Benachteiligung oder Ausgrenzung wegen des Geschlechts, einer Behinderung, wegen ethnischer oder religiö-ser Zugehörigkeit sowie infolge Erwerbslosigkeit, Armut oder des Alters zu verhindern.

Freiberg erhält seine soziale und kulturelle Infrastruktur und entwickelt sie weiter, so dass mit Kindertagesstätten, Schulen aller Stufen mit verschiedenen Profilen, Kultur- und Sportmög-lichkeiten, Jugend-, Frauen-, Familien- und Senioreneinrichtun-gen, Beratungsangeboten etc die Voraussetzungen für ein funk-tionierendes Netzwerk Familie gegeben sind. In den einzelnen Stadtteilen werden Möglichkei-

freIBerG ten des Treffens und Kommunizierens sowie einer aktiven Freizeitgestaltung in öffentlichen Räumen unterstützt.

Der Förderung von Selbsthilfeaktivitäten, generationsübergreifenden Kontakten und von Präventivangeboten sowie der Integration von Ausgegrenzten kommt eine besondere Bedeutung. Die Stadt Freiberg stellt sich den sich aus dem demografischen Strukturwandel ergebenden Veränderungen und nimmt Ein-fluss auf die Schaffung notwendiger Dienste und Einrichtungen für Seniorinnen und Seni-oren. Damit bietet sie der älteren Generation gute Perspektiven für ein sinnerfülltes und zufriedenes Leben. Ambulante und stationäre Dienste, bedarfsgerechter Wohnraum und spezielle Wohnformen für unterschiedliche Altersstufen, Begegnungsstätten und aktivie-rende Freizeit-, Bildungs- und Kulturprogram-me sollen der Bevölkerung in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Mit dem ehren-amtlichen Einsatz durch Freiberger Bürgerin-nen und Bürger werden in vielen Lebensbe-reichen wichtige Angebote geschaffen. Diese werden weiterhin unterstützt und gefördert.

Eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftli-che Entwicklung einer Region ist die Verfüg-

stadt fuer alle generationen

fachkraeftequalifikation

Page 87: statistics about saxony

087FREiBERg

Page 88: statistics about saxony

barkeit von Fachkräften. Mit der TU Bergaka-demie Freiberg verfügt die Region Freiberg über Ressourcen zur Qualifikation und Be-reitstellung der benötigten akademischen Fachkräfte und Forschungsleistungen für die ansässigen Unternehmen. Diese werden je-doch nicht nur für die regionale Wirtschaft ausgebildet.

In Folge der in den nächsten Jahren rückläufi gen Schülerabgangszahlen an den Berufsschulen ist insbesondere im verarbei-tenden Gewerbe ein Fachkräftemangel zu erwarten.

Zurzeit wird die Wirtschafts- und Innovations-fähigkeit der Region Freiberg noch durch eine Vielzahl an älteren Arbeitnehmern gesichert. Bei den Beschäftigten über 50 Jahre liegt Freiberg deutschlandweit über dem Durch-schnitt. Angesichts einer globalen Wissens-gesellschaft sind gut ausgebildete, hoch motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter das wichtigste Potenzial für den Wirtschafts-und Innovationsstandort und seine Akteure (Un-ternehmen, Bildungseinrichtungen, Verwal-tung). Folgen für den Ausbildungssektor sind in den kommenden Jahren unausweichlich. Bereits heute ist der Fachkräftbedarf als langfristiges Strukturproblem erkennbar. In der Region Freiberg sind insbesondere die Bereiche der Halbleiter- sowie der Metall- und Elektroindustrie betroffen. Den regionalen Unternehmen stehen immer weniger Auszu-bildende und Studierende der technischen und naturwissenschaftlichen Richtungen zur Verfügung. Langfristiges Ziel ist es, eine ausreichende Zahl an erforderlichen Fach-kräften auszubilden und durch attraktive Arbeitsangebote der Abwanderung aus der Region entgegenzuwirken. Zusammenfüh-rung, Abstimmung, Kooperation und Ausbau bestehender Maßnahmen, initiiert durch eine Fachkräfteinitiative, können einen Baustein bilden, um den Wirtschafts- und Innovati-onsstandort Region Freiberg langfristig zu sichern, Arbeitskräfte und Unternehmen zu binden und das Bildungsniveau zu erhöhen.

Die Attraktivität einer Region für deren Be-wohner liegt neben den natürlichen Gege-

benheiten im Vorhandensein eines entspre-chenden sozialen Umfeldes und der Möglich-keit zur Erzielung eines tragfähigenEinkommens.

Die wirtschaftliche Ausgangssituation der Region Freiberg kann auf Grund der guten Entwicklung bestehender und der Ansiedlung neuer innovativer Unternehmen im verar-beitenden Gewerbe und im Energiesektor, trotz demografischen Rückgangs, als positiv eingeschätzt werden. Beginnend ab 2004 ist der Gesamtumsatz im verarbeitenden Gewer-be jährlich zweistellig gewachsen.

Damit liegt Freiberg deutlich über den Zuwachsraten Sachsens, der neuen Länder und Gesamtdeutschlands und nimmt dabei einen beachtlichen Platz ein. Die Export-quote beträgt inzwischen 38 %. Dies hatte auch positive Auswirkungenauf die Höhe der Arbeitslosenquote, die sich im Jahr 2007 auf 10% verringerte.

Die regionale Wirtschaft ist gekennzeichnet durch intensive Forschung und Entwicklung sowie die konsequente Umsetzung von In-novationen. Insbesondere die Förderung des verstärkten Einsatzes erneuerbarer Energien zur Energieversorgung, durch die Bundesre-publik als auch die Europäische Union, wirkt sich auf die Entwicklung der in der Region ansässigen Unternehmen positiv aus.

Der zu verzeichnende Klimawandel und der damit einhergehende Temperaturan-stieg beeinflussen die Region Freiberg. Die Klimadaten der letzten 100 Jahre weisen auf ein in Zukunft deutlich milderes Klima hin. Vom Anfang des 20. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Jahresdurchschnittstem-peratur gestiegen.

Seit den 1970er Jahren ist eine Tempe-raturerhöhung, bis heute um etwa 1°Celsius zu verzeichnen. Entgegen den Temperaturen ergeben sich für die Niederschlagsmengen in der Region Freiberg keine gravierenden Ver-änderungen. Allenfalls ist mit einer Verschie-

soziales

wirtschaft

kliMawandel

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FREiBERg

089

bung des jahreszeitlich bedingten Auftretens der Niederschläge zu rechnen, mit im Frühjahr und Herbst tendenziell eher gerin-geren und im Sommer höheren Niederschlagsmengen.

In Verbindung mit den ansteigen-den Temperaturen impliziert dies eine steigende Wahrscheinlich-keit des Auftretens von Extrem-wetterereignissen mit größeren Dürreperioden in Frühjahr und Herbst und Starkniederschlägen u.a. während der Sommermo-nate. Dies wiederum ist von entscheidender Bedeutung für die Landwirtschaft und den Tou-

11%

19%

29%

27%

Anteil der Erwerbstätigen an Wirtschaftsberei-chen im Landkreis Freiberg in %

Öffentliche und private Dienstleister

Finanzierung, Vermietung und Unternhemensdienstleistungen

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

Land- und Forstwirtschaft, Fischrei

Produzierendes Gewerbe

Baugewerbe

4%

9%

Page 90: statistics about saxony

rismus. Insbesondere für das an den Landkreis Freiberg angrenzende Erzgebirge als Urlaubsziel könnten langfris-tig negative Folgen auftreten. Hier gilt es für betroffene Unternehmen und die Region alternative Programme zu entwickeln.

Rahmen einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit Hilfe von 22 Indikatoren in den fünf Bereichen Demografi e, Wirtschaft, Ausländerintegration, Bildung und Familienfreundlichkeit bewertet. Die nachfol-gende Übersicht zeigt die Ergebnisse derUntersuchung für den Landkreis Freiberg.

Die Kernregion Freiberg mit der Kreisstadt Freiberg und dem Umland hat ihre traditionellen touristischen Potenzia-le in einem Mix aus den Sehenswürdigkeiten der Berg-stadt Freiberg mit attraktiven, z. T. einmaligen Einzelob-jekten an der „Ferienstraße Silberstraße“, den natürlichen Gegebenheiten des Mittelgebirges „Erzgebirge“, dem Bekanntheitsgrad von Volkskunst aus dem Erzgebirge und der schnellen Erreichbarkeit von herausragendenZielen in der Umgebung (z. B. Dresden, Meißen). Eine ausgeprägte Alleinstellung ist bisher nicht vorhanden.Eine spezielle touristische Bedeutung hat die Region Frei-berg auf dem Gebiet des Montanwesens durch die TU

ZukunftSfaehIGkeIt vOn freIBerG

tourisMus

Page 91: statistics about saxony

GLück auf!

Page 92: statistics about saxony

änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)

0-2 3-5 6-9 10-15 16-18 19-24 25-44 45-64 65-79 80+

125

100

75

50

25

0

-25

-50

-75

eInWOhnerZahL In 5 jahreSSchrItten BIS 2025

50.000

45.000

40.000

35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0

2006 2010 2015 2020 2025

Page 93: statistics about saxony

FREiBERg

093

Anteil der Frauen an den ab 80

-Jährigen in %

Anteil der 15-45-Jährigen Frauen

an der Gesamtbevölkerung in %

2006 2025

Zehntausend Menschen werden bis 2025 aus Freiberg wegzie-hen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben und einen Job.

10.000menSchen

Page 94: statistics about saxony
Page 95: statistics about saxony

Bergakademie Freiberg und deren geowis-senschaftliche Sammlungen sowie auf dem Gebiet der Musik durch das Schaffen des Orgelbauers Gottfried Silbermann.

Mit der Entwicklung der Montanregion Erzge-birge zum UNESCO Welterbe kann sich auch für die Region Freiberg eine neue touristi-sche Dimension ergeben. Dazu bedarf es der konsequenten Entwicklung der eigenen Stärken in Verbindung mit der gegenwärtigen positiven Wirtschaftsentwicklung, bei der es gelungen ist, anknüpfend an Traditionen, zu-kunftsträchtige technologische Entwicklungen zu realisieren. Die Entwicklung spezifischer Angebote und die Qualität aller touristischen Dienstleistungen spielt eine zunehmende Rol-le. Zur Nutzung der Chancen des Marktes

FREiBERg

095ist eine individuelle Analyse der jeweiligen Angebotsstärken notwendig.

Um touristische Trends abzuleiten, können Daten zum Konsumentenverhalten hilfreich sein. Bei der gegenwärtigen Bedeutung des Tourismus als regionaler Wirtschaftsfaktor ist es strategisch bedeutsam, diese Wirtschafts-kraft zu erhalten und gegebenenfalls zu stär-ken. Hinzu kommt, dass touristische Angebo-te auch für den Wirtschaftsstandort und das Lebensumfeld aller Einwohner attraktiv sind.

Page 96: statistics about saxony
Page 97: statistics about saxony
Page 98: statistics about saxony

12,3 % arBeItSLOSenquOtefuenftauSenD eInhunDert eIn unD DreISSIG

WIn WIn SItuatIOn

77.77468.03371.54367.600

Page 99: statistics about saxony

ist ein Oberzentrum im Südwesten

des Freistaates Sachsen und mit

knapp 68.000 Einwohnern die größte

Stadt des Vogtlandes und die fünft-

größte Stadt Sachsens. Seit 1996 ist

sie Kreisstadt des Vogtlandkreises, in

den die bis dahin kreisfreie Stadt am

1. August 2008 eingegliedert wurde.

Weltweit bekannt wurde die Stadt

durch die Plauener Spitze.

Während der sowjetischen Besat-

zung wurden viele Industrieanla-

gen als Re-parationsleistungen

demontiert und in die Sowjetunion

verbracht. Ab 1946 begann die

Enteignung und Verstaatlichung der

Großbetriebe. Es wurden Volkseigene

Betriebe gegründet und die Bodenre-

form durchgeführt.

1950 wurde damit begonnen,

dem durch die starke Zerstörung

hervorgerufenen Wohnungsmangel

entgegenzuwirken. Um kostenspa-

rend und schnell neuen Wohnraum

zu schaffen, führte man die neuen

Wohngebäude in der als unansehn-

lich geltenden, aber aufgrund der

Zentralheizung beliebten Plattenbau-

weise aus. Besonders der Stadtteil

Chrieschwitz, das Mammengebiet

und die Umgebung des Oberen

Bahnhofs sind bis heute von dieser

Bauweise sehr geprägt.

Plauen wehrte sich intensiv gegen

Pläne des sächsischen Innenmi-

nisteriums, der Stadt im Zuge der

Kreisgebietsreform den Status einer

kreisfreien Stadt zu nehmen, den sie

seit 1907 besaß. Am 22. April 2008

lehnte der Sächsische Verfassungs-

gerichtshof die von der Stadt Plauen

beantragte einstweilige Verfügung

zur Aussetzung der Kreisgebietsre-

form ab. Damit wurde Plauen zum 1.

August 2008 als Kreisstadt wieder in

den Vogtlandkreis eingegliedert.

12,3 % arBeItSLOSenquOtefuenftauSenD eInhunDert eIn unD DreISSIG

WIn WIn SItuatIOn

Page 100: statistics about saxony

Die Einwohnerzahl der Stadt Plauen

überschritt 1904 die Grenze von 100.000, wodurch sie zur Groß-stadt wurde. 1912 erreichte die Bevölkerungszahl mit 129.000 ihren historischen Höchststand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland geteilt und Plauen lag nun am Rand des Grenzgebiets.

Unter anderem dadurch nahm die Einwohnerzahl stark ab, so dass sie heute weit von der Großstadt-grenze entfernt ist. Laut einer Prognose der Bertelsmann AG wird die Einwohnerzahl der Stadt in den nächsten Jahren weiterhin deutlich abnehmen.

Am 31. Dezember 2007 be-trug die amtliche Einwohnerzahl für Plauen nach Fortschreibung des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen 67.600

pLauen (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern).Die derzeitige Arbeitslosenquote liegt bei etwa 10 % und ist im Landesvergleich am niedrigsten.

Seit der Wiedervereinigung steigt das Durchschnittsalter der Stadt kontinuierlich an, etwa 31 % der Bevölkerung hat das Alter von 60 Jahren überschritten. Während die Zahl der Gesamtbevölkerung rückläufig ist, wird eine ansteigende Zahl von Bürgern über 60 Jahren verzeichnet. Dadurch ist die Errich-tung weiterer altersgerechter Unterkünfte erforderlich. Das Jahr 2008 war für die In-nenstädte kleinerer Städte wie Plauen, Görlitz oder auch Zweibrücken ein hervorragendes Jahr. Das ergab eine Untersuchung des auf Einzelhandelsimmobilien in 1A-Lagen speziali-sierten Immobilienunternehmens Lührmann.

Wie die Vergleichsstudie „Cityfacts“ zeigt, haben die besten Shopping-Lagen der genannten Städte im vergangenen Jahr eine erstaunliche Entwicklung vollzogen: Mit einer durchschnittlichen Mietpreissteigerung von 66,7 Prozent liegt die Einkaufslage mit der deutschlandweit höchsten Mietpreissteige-rung in 2008 in der Innenstadt von Plauen.

Die sächsische 70 000-Einwohner-Kommune Plauen ist auch im Vergleich der Immobili-

altersgerechte unterkuenfte

cityfacts

Page 101: statistics about saxony

Arbeitsgelegenheiten

weitere Beschäftigungsschaf-fende Maßnahmen

Förderung der Selbstständigkeit

Förderung abhängiger Beschäftigung

Eignungsfestellungs- und Trai-ningsmaßnahmen

Berufliche Weiterbildung

änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %)

2006 2010 2015 2020 2025

45.00

40.000

35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0

eInSatZ marktpOLItIScher InStrumente

3%

6%

11%

40%

27%

13%

Page 102: statistics about saxony

2000 2010

aBWanDerunG In 5-jahreS SchrItten

199071.774 71.543 67.696

Page 103: statistics about saxony

PlAuEN

103

enwert-Steigerungen einzelhandelsgenutzter Immobilien in 1A-Lagen Spitzenreiter. Ein Zuwachs von 56,8 Pro-zent bedeutet ebenfalls Platz 1 im deutschlandweiten Wertsteigerungs-Ranking. Die zweit- und drittplatzier-ten Städte Görlitz in Sachsen (57 000 Einwohner) und Zweibrücken in Rheinland-Pfalz (mit 35 000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands) verzeichneten ebenfalls hohe Wertzuwächse und Mietsteigerungen. So kletterten die Mieten in Görlitz um 25 Prozent, in Zwei-brücken um 13,6 Prozent. Der Wertzuwachs der Einzel-handelsimmobilien lag bei 27,9 beziehungsweise 26,4 Prozent.

Die Untersuchung „bestätigt den allgemeinen Trend der aufstrebenden 1A-Lagen jenseits deutscher Metro-polen“, kommentiert Guido Kleinschmidt, Geschäftsfüh-render Gesellschafter bei Lührmann Maklermanagement. Zwar gelte noch immer: Je größer die Stadt, desto wahr-scheinlicher ist ein hoher Mietpreis. Trotzdem holten viele kleinere Städte auf. „Filialisten mieten zunehmend auch jenseits der großen Städte.“

Gute 1A-Lagen in kleineren und mittelgroßen Städ-ten seien für führende expansionswillige Unternehmen hochattraktiv: „Die Mieten sind einerseits nicht so hoch wie in Großstädten, andererseits lässt sich dort ein guter Umsatz erwirtschaften.“ Das führe zu einer klassischen Win-Win-Situation, denn funktionierende 1A-Lagen „binden die örtliche Kaufkraft, locken Shopping-Touristen aus dem Umland an und sind Aushängeschild einer ganzen Stadt“, sagt Kleinschmidt. Von solchen Erkennt-nissen profitierten auch die Fußgängerzonen in Erding,

Lüneburg, Coburg oder Trier. Besonders für Plauen sei die Entwicklung erfreulich. Die Innenstadt der sächsischen Stadt gehörte im Jahr zuvor noch zu Deutschlands Lagen mit den niedrigsten Mieten. Hier habe das Interesse der Einzelhändler und Investoren deutlich zugenommen. Kleinschmidt: „Wenn eine Stadt eine gute Prognose hat, sind Ein-zelhandelsunternehmen immer bereit, für die besten Lagen gutes Geld zu bezahlen.“

Das mache sich auch auf dem Investitions-markt bemerkbar. „Gerade die Beispiele Plauen, Görlitz und Zweibrücken zeigen, dass es sich für die Kommunen und dort ansässi-ge Unternehmen lohnt, in ihre Innenstädte zu investieren. Durchdachte Einzelhandelskon-zepte und kreative Stadtmarketingkampag-nen unterstützen die Magnetwirkung dieser 1A-Lagen, locken neuen Unternehmen in die Stadt und machen den Markt für finanzkräf-tige Investoren interessant“, ergänzt Achim Weitkamp, der bei Lührmann den Verkauf von Gewerbeimmobilien in 1A-Lage koordiniert.

1a-lage

win win situation

Page 104: statistics about saxony

WeSt

SueD

nOrD

Page 105: statistics about saxony

PlAuEN

107Die technische und die soziale Infrastruktur müssen der Bevölkerungsentwicklung und gegebenenfalls einem Rückgang oder einer Verschiebung in der Nachfrage kommunaler Dienstleistungen angepasst werden. Intelli-gente Lösungen müssen gefunden werden, um eine gute Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, die finanzierbar bleibt.

Der öffentliche Nahverkehr, Ver- und Ent-sorgungssysteme aber auch die medizini-sche Versorgung, Bildungs sowie Betreu-ungs- und Pflegeangebote werden zukünftig entsprechend den Bevölkerungsprognosen ausgerichtet.Dabei geht es nicht allein um Rückbau, Stilllegung oder Gebührenerhöhung für die Verbraucher; beispielsweise sind im öffentlichen Personennahverkehr Anrufbusse oder Sammeltaxis oftmals eine Alternative zur Reduzierung der Taktzeiten oder Linien im Netz als Reaktion auf ein zurückgehendes Fahrgastaufkommen.

Dezentrale Systeme zur Strom- und Wär-meversorgung (wie Blockkraftwerke) oder bei der Abwasser- und Abfallentsorgung können hohe Fixkosten und Folgekosten durch Unterauslastung überdimensionierter, zentra-lisierter Systeme in der Fläche vermeiden und sind flexiblere und oft auch ökologischere Lösungen bei zurückgehenden Bevölke-rungszahlen. Ein mobiles Bürgerbüro, mobile Ärztesprechstunden oder Nachbarschaftslä-den können trotz Nachfragerückgang wichti-ge Versorgungsangebote aufrechterhalten.

Sinkende Einwohnerzahlen bedeuten für Kommunen ein sinkendes Einkommensteu-eraufkommen. Sinkende Kaufkraft und sink-endes Arbeitskräftepotenzial können mit ei-nem Rückzug privater Unternehmen und Dienstleister neben einem sinkenden Umsatz-steueraufkommen auch sinkende kommunale Einnahmen über die Gewerbesteuer zur Folge haben. Sinkende Einwohnerzahlen treffen Ko-mmunen aber auch über zurückgehende Zu-weisungen aus dem einwohnerbezogenen kommunalen Finanzausgleich.

Page 106: statistics about saxony

Demografische Veränderung in SachsenMonique MardusTypografieProf. Andreas Hogan