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Steinweg 1998 Maedchen-bild

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Marcus Steinweg, Sebastian Egenhofer; mädchen/bild. Zur Malerei von Marie-Luise Lebschick (Koblenz: Dietmar Fölbach, 1998)

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  • Marcus Steinweg Sebastian Egenhofer

    mdchen/bild Zur Malerei von Marie-Luise Lebschik

    Verlag Dietmar Flbach

    Koblenz

  • ur i r e

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    MARCUS STEINWEG

    DIE HNDE DER MALERIN

    ber Jahre jetzt streitet die Malerin mit diesem ei

    nen Bild. Nicht mit dem einzelnen, bestimmbaren

    Mdchen bild, aber mit dem namenlosen einen, das

    von einer Leinwand zur anderen mitfliegt, oder

    schon vorausgesprungen dem erneuten Anfangen

    wie ein fordernder Gru entgegenkommt. Und so hat jedes Anheben, jeder Beginn eine ebenso wohl

    vertraute, wie unvermeidbar neu beirrende Ratlosig

    keit mit sich, die in ihren uersten Momenten auch

    verzweifeln lt und zweifeln, ob es gelingen knn

    te dem noch namenlosen Flugbild dieses jetzige

    wenn nicht anzumessen, so vielleicht doch anzu

    hneln, denn dieses bewahrt seinen eigenen Stand.

    So will es scheinen, da zum Tagwerk der Malerin

    ein Versagen nicht minder gehrt als ein Triumphie

    ren. Es bleibt doch ein immer neu Mut einfordern

    des Bemhen, dem unausweichlich Strittigen der

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  • e igenen Arbeit noch zuku nftsbefreit, selbst

    gegenwartsfroh nicht sich zu beugen, eher schutz

    arm und verletzbar Bild um Bild sich neu .zu ffnen,

    um so dem gerade diesem Augenblick Mglichen

    kraftvoll zu entsprechen. Es ist die Beharrlichkeit ei

    nes nie allzuschnell selbstzufriedenen Maiens, das

    nicht endigt mit dem Aus-der-Hand-lassen der Pin

    sel, nicht mitt dem Wegtreten vom Malert, die dem

    bis in die Ruhezeiten we,it ausgespannten Bemhen um die Stimmigkeit des Farbganzen ein Richtma ist. Die Hnde der Malerin gengen so einer fr die

    Formulierung des Motivs unerl.Jichen Entschie

    denheit,einer Strenge des Willens, die staunen lt,

    deren Unerbittlichkeit, wie atuf sich selbst gerichte

    tes Wagnis das mgliche Scheitern erst schmerzhaft machtJedes Einzelbild entkommt diesem Hochma

    an Sei bstgef h rdu ng, einemZustand blogestellter

    Verletzbarkeit. Keines der Bilder geht leicht von der

    Hand.

    Dem wohl allen Bildern eigenartigen Ansichhalten der Mdchenfigur entsprechen jetzt, mit einem der

    neuesten, die dicht zueinander gebetteten Unterar-

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    me, der wortlos geschlossene Mund, die sanft gesenkten Lider, das blicklose Beisichsein der ganzen

    Gestalt. Das Gesicht des Mdchens ist hier wie ab

    gefinstert, ein Dunkelschleier wehrt den Zudring

    lichkeiten des Fremdblicks, es ist mit keiner Eindeu

    tigkeit des Ausdrucks belastet. Im Lesen der einzel

    nen Teilwirkungen verliert sich das Sehen fast glck

    reich im Widerstrittigen der eher unterschiedlichen

    Malspuren. Der Wunsch, von Stil-Vielfalt zu spre

    chen, ist schwer abweisbar,- ein schwaches Wort

    fr das erstaunlich glaubhafte Zusammensein der

    kaum einer einzigen Ausdrucksfamilie zugehrigen

    Linien und Tupfer, Flecken und Farbkrmel, deren

    Verbindung die Sinnenflche ebenso nervs wie

    gleichmig ruhig erscheinen lt.

    Die Beine sind farbbeschattet bis unter den ge

    spannten, lichtgemusterten Rock,- der lt starke

    Oberschenkel vermuten -,die Knie sind nicht zusam

    mengehalten, die Gelenkpfel sichtbar, eigenartig

    versteinert, wie auch die fruchtrunden Wangen zwar

    zart gertet , aber nicht wirklich blutwarm, nicht

    jugendfrisch sind. Die Schultern wurden leicht an-

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  • gehoben, als friere das Kind, sein Kopf wirkt halslos

    so, der noch busenlose Oberkrper ist flchig ins Bild gebracht . berraschend feinfrmig ist die Nase, deren Rcken aufgehellt ist, wie die weichen etwas mdchenfetten Unterarme Leuchtstellen sind im sonst eher Lichtarmen der Gesamterscheinung. Die strahlt nicht nach Auen weg, blendet nicht, opfert

    sich nicht der Neugier der sie musternden Blicke,

    verschwendet sich nicht unntig grozgig der Kurzweil des Betrachters, wie es bei heiter-angestrengten Kindergesichtern die Regel ist. Das ist

    wohl ein Crund dafr, da im Betrachten das Bild nicht naherckt, es lst sich nicht auf in der geduldigen Zuwendung des Sehenden, eher zerstreut es sich ihm, teilt sich ungleichfrmig mit, erzhlt von seiner Entstehung, deren Spuren Ergebnisse manch

    mal auch des Zufalls sind.

    Den Bildinnenraum schlieen auch Krfte interes seloser Gleichg ltigkeit . Nichtjedem Bildteil ist mit gleicher Aufmerksamkeit des Ausdrucksbemhens entsprochen. Den S chwer- und Hhepunkten der Formulierung verhelfen die kaum sorglos, aber we-

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    n iger angestrengt artikulierten Nebenstellen erst zu Luft, sie erhalten so den notwendigen Freiraum ihrer W irkung ,- das Malen bleibt vorliebhaft so.

    Den Mdchen der Malerin wre kein Name anzu

    messen. Sie sind ganz Farbe geworden, ihr Gemalt

    sein enthebt sie der im Tatschlichen notwendigen Benennung. Zu mehrsinn ig sind sie jetzt, so vielsprachig. Mte es nicht notwendig grob und gewalt

    sam erscheinen, sie rufbar sein zu lassen, als sei es

    gemessen, dem Unmigen ihrer Gegenwart ein

    einziges Wort entgegenzuhalten ? Wie knnten Mdchen erinnerbar sein, htten sie nur diesen ei

    nen, die Widerspruchsflle ihrer Erscheinung verleugnenden, Unterschied um Unterschied verletzen

    den einzigen Namen? Soll es nicht Worte geben , die sich immer wieder selbst widersprechen, die jedem Begehren nach Eindeutigem versagen he lfen ? Ihr Selbstmitrauen knnte gewa lt ig sein, bergro, nicht ganz ohne Ma, aber voll an innerem Zwist,

    geschult darin, dem vermeintlich Mglichen mit

    Unmglichem zu erwidern. Sind es nicht etwa die

    Mdchen , die dem Sprachmensch unendliches, nein,

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  • nicht unendliches, aber fast unendliches Versagen

    mssen, nicht beibringen knnten, aber einzusehen

    verhelfen ? Und,- wre dies nicht sein Glck, schei

    tern zu mssen, seine Ausdrucksmittel als nutzlos,

    gerade noch brauchbar zu erfahren? Darf oder mu

    es nicht bald genau so sein, da :in der Ratlosigkeit

    der nicht frei gewhlten, aber doch endlich zugelas

    senen Verstummung der Sinn der Rede zusammen

    bricht, fr eine Zeit? Wieviel Irrenknnen wre fhl

    bar, fr Augenblicke blo, hielte das Beschreibenwol

    len genau dort inne, wo 1im Bild mehr Hiilflosigkeit

    als Knnerschaft Raum gewinnt, um hier, an diesen

    Nhten, sein Wissenwollen blank und unverstellt,

    scharf oder trostlos, als unbefhigt, und dennoch bemht zu erleben?

    Die Hnde der Malerin bleiben zart entschlossen

    dem nie mhellos Machbaren verantwortet. Ihre

    Gengsamkeit erstaunt. Sie ist selten.

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    SEBASTIAN EGENHOFER

    Mdchen blau

    Ohne Tisch sitzt das Mdchen in windiger Leere, im

    glockigen Blau des lichtdurchstreuten Raums. Es hlt sich sehr aufrecht auf seinem hockerartigen Sitz, als

    suche sein Krper durch die gerade Haltung die Pa

    kanten des Bildrechtecks, dessen stumme Zustim

    mung. Sein weiches Gesicht ist ausdrucksarm. Das

    Wechselrund der Profilii nie, der dunkle Augen- und

    Lidstrich, die gebogene Strhne der Ponyfrisur fol

    gen fast schematischen Z gen des Kinderantlitz'.

    Was an psychischer Intensitt das Bild hlt und

    durchspannt, geht aus von der Krperhaltung. Das

    Kind sitzt da in der Weitzgigkeit des Raums, nicht einfach gefgig, ein wenig starr eher, wie jemand

    mit einem ganz schwachen, noch unbewuten Schauer im Rcken. Die nicht angstfreie Stimmung dieses Sitzens, dieses einsamen Vorhandenseins I schwingt durch das ganze Bild als das Befremdliche

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  • d 1, ne Land d s Gemaltseins, das den Blauraum, er !\e r

    Schaft ist, und das Kind, das noch kaum das Strah . d t nd inein len eines Selbst gewonnen hat, verbm .e u

    ander verschrnkt. Es ist die andere Zeitlichkeit ih

    . . d Prsenz rer Gegenwart als Malerer, der ble rben en

    im Bild und als Bild. Dieses aus Farbe gemachte Ding

    und der Raum und das sitzende K i nd, die es aufhlt

    in seinem Anschein, wie bestimmen sie einander ?

    Es scheint, als wisse das gemalte Mdchen - nicht

    das Modell derMalerin-ein wenig davon (von dem Unheim1lichen?): gemalt zu sein, aufbewahrt in Far be, in einer eigenen Wirklichkeit.

    Ohne Tisch sitzt das Mdchen in der windigen Leere. Sein Korper fllt nicht die fast bermige Weite, bestimmt sie nicht als Ort seiner Gegenwart . Das schwere Blau ist zugleich samtig, seicht, und malos tief. Das warm e trb h el le Rot des Klei des scheucht das Andrngen der Malflche , das kleine Wallen des Himmels in eine diffuse Raum tiefe. Die schwindet zum Bildrand hin in der dichtbestrich-

    enen, festen Flche. Eine unbestimmt fernreichende horizontale Ebene ist angedeutet von einer Schicht kalkigerer Farbe. Hier sind die Fe des Mdchens

    durch den Schattenwurf des schrg einstrahlenden Lichts festgestellt. Sie stehen seitwrts versetzt ge

    gen die Standstelle des Stuhls, ferner als diese. Das verschiebt se ine Position, den einzigen Anhalt in der schwankenden Farbtiefe gegen sich selbst, sie bleibt

    unbersetzbar ins perspektivisch Regelhafte. Das

    bloe Sitzen des Kindes im Blauraum, der nicht den

    Motivreichtum einer Landschaft gew innt , wird situationslos. Keine Anekdote wre denkbar, die seine Zeit und seinen Ort e inbindet . Es ist in die Stellungen der Farben versetzt. Sein Dasein als Malerei

    ist nicht geschwchtes, nur niedergehaltenes, zu

    rckgedrngtes Handeln. Es wird nicht aufspringen nach einer unruhig geduldeten Zeit. Solche vitale

    Gespanntheit bleibt dem Bildgeschehen fremd. Kein

    Erzhlen lst die Beharrlichkeit seines Scheins.

    Nur die Arme des Mdchens liegen locker, bewe

    gungsbereit auf den Oberschenkeln, als erwache in

    den von wenigen Pinselstrichen nur angedeuteten,

    noch leeren Hnden gerade erst die Mglichkeit ei-

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  • liedert ist. nes Wollens dessen Wahlfeld kaum geg ' . . edel1

    ' Vielleicht zufllig, uns1icher und metonymisch J .

    .. den ein falls kndigt zwischen den geffneten Han ' .. . d n Anfang schwaches Gluhen verstnchenen Rots e

    . eh hat, eines Handelnknnen an, das n1chts vor SI

    nichts zu begreifen hat.

    Die Stummheit des Bildes lt ein wenig ratlos. Es

    nimmt den Worten die Resonanz. Es hemmt den

    kontinuierlichen Diskurs- er mte sich unendlich

    verlangsamen. Nur der Raum vor dem Gemalten

    bleibt betretbar. Es ist dnne, nicht lasierende lmalerei. Ihre stellenweise vielfachen berlagerun

    gen geben kaum ein Relief, nehmen kaum an Schwere zu mit der Zeit des Maiens, doch trgt sich ihnen sein wachsamer Duktus ein, der unruhige Takt der bers ganze Bild gedehnten Konzentration. Es gibt eine Ungeduld, fast Unwilligkelt des Maiens, es ist kein selbstgewi gelassenes Tun. Die Sprossen des Hockers sind freigeschabte Leinwand. Das Schmerzliche des nicht-Hinkommens iist da' unaufgelst. Die

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  • Eintiefung des Himmels ist ruhiger, sein weiches

    Blau richtu ngsun bestimmt, ausgestrichen. Hier ver

    sickert die Lesbarkeit der je akut gesetzten Malspu r im fast Monochromen. Ein rascher Gestus hlt sich

    im porsen Schwung der helleren Ebene. Um den Krper des Kindes verschrnken sich die Farbwerte eng. Die Anstrengung, den nicht antizipierbaren

    Anblick, die lichtform dieses Krpers zu geben, hlt

    die Arbeit in der !Farbe auf, macht sie zgernd oder nervs-entschlossen, sacht oder unwillig.

    Die trgen Materialien gehen nie widerstandslos auf im Anblick der Sitzenden, es gibt immer Brche,

    Unschrfen, nicht bersetzte Flecken. Das Malen hat den Vorgriff der Zeichnung in den Raum des Motivs

    aufgegeben und verharrt bei seinem opaken Mate

    rial. Aber Farbe ist nicht als das reine Medium re

    flektiert und auf ihren elementaren Wesensbestand analysiert. Ohne diesen Gestus der Versicherung hat das Malen sich losgelassen ins stumpfe Leuchten des Farbigen als seinen nur schlicht unumgnglichen Umstand, in den Andrang der Sichtbarkeit, die sich

    in den Differenzen des Empfindens konstituiert. Die Malerei erffnet nichts .. Sie spannt die Farbe in die

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    ihr eigene diskrete Tiefe. So schliet sie sich im Bild

    zum Anblick. Die Bildfindung ist ungesichert, fast aporetisch. Ihr weist kein Gewutsein des Gegenstandes voraus. Die sprde, von Strstellen durch

    setzte Mal haut, ist keine Freigabe und kein Replikat eines ohnehin schon wahren, gesehenen Dings. Ein

    wirkliches Mdchen, eine Photographie, eine Erinnerung mgen der Malerin einfache Vorgabe einer

    Krperhaltung, von Gesichtszgen oder einer Stimmung sein, dem Gemalten gelten sie kaum noch als bindender Ursprung. Seine Wirklichkeit bleibt nicht

    im reproduktiven Konsens gefangen. Sie ist anarchisch und intensiv.

    Ein Raum doch ohne Wind. Eine eigenartige Trbung hat ihn erfat, keine langsame Verstaubung des

    Lichts, sondern der Ruck seiner Vereignung an die

    Materie von Farbe. Es ist der schwere Knoten der realisation- die Dinge in Farbe machen. Die lichten

    Linien der Geometrie sind verwischt. Die europi

    sche Malerei hat sich lange vom Nachglanz der certa

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  • idea Raffaels erhalten. Er flirrt noch in den panischen

    Tieraugen Delacroix'. Die ratioder Malerei, die lebendige Seele und das reine",absolut leichte" Licht wa

    ren immer im analogischen Spiel identifizierbar.*

    Erst der Impression ismus hat methodisch ausdrucklieh das Licht an die trocknende Farbe vermacht. Vor diesen Schritt einer radikalen Verdinglichung des Gemldes reicht auch heute keine starke Malerei un

    bedacht zurck. Doch so entschieden sich aufzuhalten an der realisation-nicht an der versachlichenden Erhebung nur der farbbesetzten Flche, sondern an der Verfgung dieser mit der Gegenwart des Motivs-, ist der tiefe, unbedingte Anachronismus der Mdchenbilder von Marie-Luise Lebschik . Sie assimiHeren sich nicht, wie fast alle gegenwrtige figrliche Malerei, gegebenen Reproduktionsformen,- der Photographie, den Drucktechniken etc. Sie halten sich auerhalb der Reflexion von Bild

    simulacren, die das mgliche Scheitern als Malerei

    konzeptuen auffangen. Sie berschreiten andererse:its den steifen Eigensinn, den Purismus selbstreflexiver Bildautonomie,- eine Reflexion, die heute nur noch Autopsie ist. Mit den Mdchenbilldem

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    hlt Marie-Luise Lebschik mit vielleicht lngst nicht mehr bef ragter Entschlossenheit, geduldig und exzessiv, an der Referenz als Aufgabe der Malerei fest, am Gegenstand, der ihre Identitt verletzt.

    Mit jedem neuen Bild wird es ein Mdchen gewesen sein. Der Widerstand seines dichten trgen Krpers ist mehr als die serielle Strapaze des Malwillens, anderes als die Voraussetzung einer Motivik ber

    haupt, die die Malerei in ihre Arbe i t des Tastens der Farben setzt. Das eine Motiv hat die Flche schon durchschlagen. Eine schmale ffnung, ein eng ums,umter Ri bleibt .zurck. Und es ist auch die Arbeit der Malerei, homogene Dichte herzustellen, den Zug des Wiedererl.ebens zu versammeln im gleichmig-dinghaften Bild.

    Sage: Stuhl, Strhne, Horizont- folgelose Zeit, da.

    Ihre Dr ift bewegt sacht das besinnungsarme Kind. Es sieht ber seine Hnde weg vor sich hin, nichts sehend, nicht wartend. Der Bildverlauf durchquert es und wird nur an ihm zum Sehen, Sitzen, ohne sich

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  • so zu zentrieren. Das Kind ist ohne handelndes Erin

    nern, ohne eigens gespannten inneren Sinn. Seine

    Zeit, sein Selbs.tverhltnis, verliert in diesem steten

    Verstreichen einer Gegenwart jede Markierbarkeit.

    Das Anschauen wird nicht zur Einfhlung. Es stt

    auf kein Gegenber, bleibt ohne Widerblick.

    ln anderen Bildern spricht ein leiser Trotz oder ein loses Eingesunkensein der Mdchen deutlicher in der Atmosphre des Ganz,en mit. Das Kind hier ist

    von der Seelenlosigkeit bloen Dingseins bedroht.

    Und summt es nicht, tonlos oder monoton, um sich

    dem zu groen Raum entgegenzuhalten? Ich glau

    be es nicht. Es ist zu gelst aus sich. Aber es hat ein

    groes Ohr und hrt vielleicht, ohne zu horchen, auf

    das helle Rauschen um es her- und auf das schwa

    che Gerusch, das leise Schaben der Pinsel.

    Mit einer etwas angestrengten Zusammenziehung

    des ermdeten Blicks lieen sich die angedeuteten,

    schwebenden Bezge formaHsieren:** die Farbe, die

    undurchsichtig geworden ist, die ni.cht, wie im Im-

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  • pressionismus noch, spektrale Materie und Er

    scheinungsart des reinweien Lichts ist, sondern

    Phnomen der Erde, des Stofflichen, so wesentlich,

    da der Raum selbst stofflich in ihr gebunden ist.

    Die ganze Aufgabe der Malerei ist ihrem struktur

    armen Andrang bergeben. Sie findet nach immer

    anderem Gesetz zum dichten Anblick des Dings irYl

    Raum und im Licht. Doch Licht und Raum besitzen

    keine Prioritt mehr gegenber der Kontingenz deS

    eigenfarbigen Dings. Sie sind gegrndet in der Far

    be und sind im Bild nur durch sie da .. Es ist die Ab

    sorption dessen, was rein war im Medium der Ma

    lerei, die rationa1le Geometrie das farblose Sichtbar , machen des Lichts selbst, in den Trbheiten, in den

    matten Widerstnden des Farbigen. Das ideelle Eie

    ment der freibeweglichen Seele, der Sympathie mit

    dem Gegenber, ob Subjekt oder belebte Natur, ist

    gebrochen. Damit verschliet sich die bewute Zeit

    im Bild, das Selbst des Kindes, der widerstandslosen

    Einfhlung. Das Erzhlen wird so gehemmt wie daS

    Begreifen der Form. Mit dem Medium der zeitfreien

    oder unendlich beschleunigten Reflexion verfllt

    auch deren sinnliche Metaphorik, die der Gleichzei

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    tigk . elt des s lb tn . .

    e stbewegten Spiegelbilds. D1ie Korn-un i kation . t .

    111 15 um v1eles schwerer. Die Wahrneh-

    ung bleibt . . t

    von der Fremdatt:ekt1on der Farbe be-raffen D . as Bild hlt den Wahrnehmenden in seiner G ege n wa rt k e zuruc . Aber es isoliert n'icht ganz,

    5 reduzie rt d A

    as Sehen nicht auf den vereinzelnden ugen blick E . . .. s 1st ohne den Glauben, der dte Repra-

    sentation t .. . ragt, eme Gegenwart lebendig erhalten zu knn en, aber es hlt im Bleiben der Farbe den halbhell

    .

    .

    .

    ..

    .

    .

    en Raum, das Zw 1eltcht des Gedachtn1sses frden G . . egenstand als er inne1rbaren offen. Es 1st der Bildrau m . d . .. .

    '1n em das Licht rieselt. Es gibt em Horen

    1111 Bild und ein Hren auf das Bild. Keine seelische lntirnit't

    .. a verspricht es, aber es spricht von der mag-liehen K t d orrespondenz seiner getrennten Ze1 en, er des M 1 . a ens, des Sehens und der des Kmdes, semer be

    glnnenden Wachheit.

    Mit geschlossenen Augen, im Unscharfen der ent

    fernten Sicht, ist das Bild noch ein Kasten voll von

    Licht , voll von sprdem, gehemmten Licht. Man mag

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  • die Hand halten in den unmglichen Raum seiner zerbrechlichen Schichtungen. Sie wird sich hell und blulich frben.

    G.F.W. Hege I, Vorlesungen ber die sthetik 111, Were ln zwanzig Bnden, Bd 15, Frankfurt a.M.1970, p. 31.

    Diese Formallslerung Ist vor dem Hintergrund von Hegels krlstalliner Darlegung des geschichtlichen Wesens der Malerei im ,System der einzelnen Knste durchgefhrt. Vgl. Hegel, Vorlesungen lll,a.a.O., p.n131,lnsbes.den Abschnitt ber das ,sinnliche Material der Malerei', p. 2634

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  • Impressum

    Marcus Steinweg Sebastian Egenhofer mdchen/bild

    Zur Malerei von Marie-Luise Lebschick

    Herausgegeben von Christoph Steinweg

    Verlag Dietmar Flbach, Koblenz

    Gestaltung: Christoph Steinweg, Kln

    Fotos: Lothar Schnepf, Kln Abb. S. 14 S. Egenhofer, Kln

    Herstellung: Druckerei Flbach, Koblenz

    Die Autoren, der Herausgeber und der Verlag, Koblenz 1998

    ISBN 3-923532-74-1