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Naunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. u. Pharmak. 243, 439--458 (1962) Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Hamburg Stiirungen des Siiure-Basen-Haushalts bei der akuten Kohlenoxydvergiftung und ihre Beeinflussung dureh Sauerstoff oder dureh C0~/0~-Gemisehe ~ Von G. M'ALORNY~ 0, M~LLER-:PLATHE und M. STRAUB Mit 4 Textabbildungen (Eingegangen am 15. Mtirz 1962) Die Empfehlung von HENDERSO~ U. HAGGARD (1920--1922), zur Behandlung der akuten CO-Vergiftung Sauerstoff mit einem Zusatz von 5--70/0 Kohlendioxyd (Carbogen) anzuwenden, ging yon der Vorstellung aus, dab der vergfftete Organismus wegen des Sauerstoffmangels zu- n/ichst mit einer Hyperventilation antworte, die dann wegen der ein- setzenden allgemeinen Hypokapnie in eine Mangelventilation umschlage; hierdurch werde die CO-Elimination in der Erholungszeit verzSgert. Aus der Herabsetzung des Gesamt-C02-Gehaltes im Blur, die isoliert betrach- tet stets zwei InterpretationsmSglichkeiten, die Ausbildung einer flfich- tigen Hyperventilationsalkalose bzw. einer anhaltenden metabolischen Acidose, zul~13t, folgerten die erw/thnten Autoren, da$ sieh bei der CO- Vergiftung ein Zustand entwickle, den man heute als ,,respiratorisehe Alkalose" bezeiehnen w~rde. Vor diesem Hintergrund mul3te die Ein- fiihrung des CO2-Zusatzes zum Sauerstoff als sinnvoll erseheinen. In der Folgezeit erhob man jedoch Befunde, die auf eine acidotisehe Stoffwechsellage hindeuteten (~¢[IKAMI 1926; KAMEI 1931; SWANI~ u BRIIOER 1949). Das Verhalten der Atmung wird bis heute nieht einheit- lieh beurteflt. Da im Falle einer Acidose die Zweckm/il3igkeit des CO~-Zusatzes zum Sauerstoff einer Uberprfifung bedarf, untersuchten wir in Versuehen an Hunden den S/iure-Basen-Haushalt bei der CO-Vergiftung, desgleichen die RestitutionsmSgliehkeiten mit reinem Sauerstoff und verschiedenen COz/02-Gemisehen. -- Aus friiheren Versuchen, in denen einer yon uns (MALoRN¥ 1956, 1959) an Hand von Gewebsgasanalysen das CO~-Defizit bei der CO-Vergiftung mit 12--14 Torr CO 2 ermittelte, ergab sieh fiir uns die Bereehtigung, zur Wiederbelebung insbesondere ein Gasgemiseh, bestehend aus 98 Vol-°/o O 2 und 2 Vol-°/0 CO 2 (etwa 15 Torr COs) , ver- gleiehend zu priifen. * Mit dankenswerter Unterst;iitzung durch den Forschungsrat der Freien und Hansestadt Hamburg. hraunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. Pharmak., Bd. 243 31

Störungen des Säure-Basen-Haushalts bei der akuten Kohlenoxydvergiftung und ihre Beeinflussung durch Sauerstoff oder durch CO2/O2-Gemische

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Naunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. u. Pharmak. 243, 439--458 (1962)

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Hamburg

Stiirungen des Siiure-Basen-Haushalts bei der akuten Kohlenoxydvergiftung und ihre Beeinflussung

dureh Sauerstoff oder dureh C0~/0~-Gemisehe ~ Von

G. M'ALORNY~ 0, M~LLER-:PLATHE und M. STRAUB

Mit 4 Textabbildungen

(Eingegangen am 15. Mtirz 1962)

Die Empfehlung von HENDERSO~ U. HAGGARD (1920--1922), zur Behandlung der akuten CO-Vergiftung Sauerstoff mit einem Zusatz von 5--70/0 Kohlendioxyd (Carbogen) anzuwenden, ging yon der Vorstellung aus, dab der vergfftete Organismus wegen des Sauerstoffmangels zu- n/ichst mit einer Hyperventi lat ion antworte, die dann wegen der ein- setzenden allgemeinen Hypokapnie in eine Mangelventilation umschlage; hierdurch werde die CO-Elimination in der Erholungszeit verzSgert. Aus der Herabsetzung des Gesamt-C02-Gehaltes im Blur, die isoliert betrach- tet stets zwei InterpretationsmSglichkeiten, die Ausbildung einer flfich- tigen Hyperventilationsalkalose bzw. einer anhaltenden metabolischen Acidose, zul~13t, folgerten die erw/thnten Autoren, da$ sieh bei der CO- Vergiftung ein Zustand entwickle, den man heute als ,,respiratorisehe Alkalose" bezeiehnen w~rde. Vor diesem Hintergrund mul3te die Ein- fiihrung des CO2-Zusatzes zum Sauerstoff als sinnvoll erseheinen.

In der Folgezeit erhob man jedoch Befunde, die auf eine acidotisehe Stoffwechsellage hindeuteten (~¢[IKAMI 1926; KAMEI 1931; SWANI~ u BRIIOER 1949). Das Verhalten der Atmung wird bis heute nieht einheit- lieh beurteflt.

Da im Falle einer Acidose die Zweckm/il3igkeit des CO~-Zusatzes zum Sauerstoff einer Uberprfifung bedarf, untersuchten wir in Versuehen an Hunden den S/iure-Basen-Haushalt bei der CO-Vergiftung, desgleichen die RestitutionsmSgliehkeiten mit reinem Sauerstoff und verschiedenen COz/02-Gemisehen. - - Aus friiheren Versuchen, in denen einer yon uns (MALoRN¥ 1956, 1959) an Hand von Gewebsgasanalysen das CO~-Defizit bei der CO-Vergiftung mit 12--14 Torr CO 2 ermittelte, ergab sieh fiir uns die Bereehtigung, zur Wiederbelebung insbesondere ein Gasgemiseh, bestehend aus 98 Vol-°/o O 2 und 2 Vol-°/0 CO 2 (etwa 15 Torr COs) , ver- gleiehend zu priifen.

* Mit dankenswerter Unterst;iitzung durch den Forschungsrat der Freien und Hansestadt Hamburg.

hraunyn-Schmiedeberg's Arch. exp. Path. Pharmak., Bd. 243 31

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440 G. MALORN¥, O. M/~iLLER-PLATI~E und M. ST~AV~:

Method ik

Allgemeine Versuehsanordnung. Als Versuchstier wurde der Hund gew£hlt, der nach A~so~ u. Mitarb. (1924/25) gegen Kohlenoxyd ~hnlich empfindlich reagiert wie der Mensch. Wir erzeugten bei 16 Hunden in 26 Versuchen eine CO-Vergiftung dutch Beatmung der Tiere in einer abgeschlossenen, 3 m a groi3en Versuchskammer, die wir yon einer Pumpe aus mit Zimmerluft durchstrSmten, welcher Kohlenoxyd in langsam steigender Konzentration bis zu einem Maximalbereich yon 0,27 bis 0,30 Vol-°/0 zugesetzt wurde (Abb. 1). Die in der Beatmungskammer herrschende CO-Konzentration wurde mit einem Dr~ger-CO-Messer kontrolliert und durch einen

zu/z A~zu~7

~, , \ Mazo-

Kompfe~or

LT/'f/'ervnz - l~lanome/e/'

D~']er- CO - M~sep ( ~p is) ~Z an aes~l fgllbl)'~e/schre/bef

Abb. 1. Versuchsanordnung

angeschlossenen Fallbfigelschreiber fortlaufend registriert. Nach durchschnittlich 30 min war die Maximalkonzentration im Versuchsraum erreicht.

Wenn nach etwa 2 Std die Atmung deutlich abgeflacht war oder Unregelm~l]ig- keiten des Herzspitzenstoi3es auffielen, saugten wir die CO-Atmosphere mittels eines starken Exhaustors ab und 5ffneten die Kammer. Die Hunde waren dann stets t ier komatSs, hatten meistens erbrochen und ein bis zwei tonisch-klonische Krampfstadien durchgemacht. In allen Ftillen war unwillktirlicher Urinabgang, meistens auch Deft~kation, erfolgt. Der Cornealreflex war in den gepriiften F~llen nicht mehr auslSsbar. 1 min nach Beendigung der CO-Exposit.ion wurde die ers~e Blutentnahme durchgeffihrt; dieser Zeitpunkt ist in den Tabellen und Diagrammvn als NuUpunkt bezeichnet.

Unmittelbar nach diescr Entnahme wurde in den hierfiir vorgesehenen F~l]en mit der kontrollierten Restitution durch Zufuhr bestimmter Gasgemisehe begormen. Bei den Blutentnahmen h~ndelt es sich, soweit nicht anders bemerkt, um Venen- punktionen am Hinterlauf unter anaeroben Bedingungen (Verwendung besonders dicht schliei3ender Ganzglasspritzen, start Quecksilberdichtung Benetzung der Wandung mit Paraffin. liqu.). Wtihrend der ersten Blutentnahme nach der Ver- giftung wurde den Tieren yon zwei Hflfspersonen eine dichtsitzende Hundemaske aus Metall oder Leinen aufgesetzt, die mit einem Ansatzstiick fiir die Ein- und Ausatmungsventile nach GILDEMEISTER ausgeriistet war.

Sechs Hunde atmeten Luft, acht wurden mit reinem Saue1~toff, fiinf mit 5 Vol-°/o CO~ und 95 Vol-°/o 02 (Carbogen 5°/o), sechs mit 2 Vol-°/o C02 und 98 Vol-°/o

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S~ure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 441

02 (Carbogen 20/0) behandelt. Ein Hund starb noch vor Beginn der Behandlung, ein weiterer starb nach 7 min durch Herzstillstand. Unter den 16 Hunden waren 4 drei- mal im Versuch -- in Abstiinden von mindestens 6 Woehen -- und einer zweimal. Die mehrmalige Vergiftung fiihrten wir durch, um am gleichen Tier die Wirksamkeit der drei Behandlungsmethoden [miner 08, Carbogen (2°/o) sowie Carbogen (50/0)] studieren zu kSnnen.

Meistens entnahmen wir w~hrend der Erholungszeit fiinfmal Blur. Zur Gerin- nungsverhiitung und Glykolysehemmung wurden die Spritzen mit Fluorid-Oxalat- LSsung in der bei OPITZ u. BARTELS (1955) beschriebenen Weise vorbehandelt 1. Soweit das Blur nicht sofort verarbeitet werden konnte, wurde es fiir die gasanaly- tischen Messungen und zur pH-Messung unter fliissigem Paraffin aufbewahrt. Fiir alle untersuchten GrSflen mit Ausnahme yon CO-Hb wurden meistens tags zuvor, sonst unmittelbar vor Versuchsbeginn, Leerwerte entnommen, in den Tabellen und Diagrammen mit L bezeichnet.

Analytische Methoden. Die Hiimoglobinbestimmung erfolgte stufenphoto- metrisch nach BETKE U. SAVELSBERG (1950).

Kohleno xydMimoglobin wurde nach FlCETWURST U. MEINEKE (1959) mit Hilfe des Photometers ,,Eppendorf" bei 578 m~ bestimmt.

Die Messungen des O~-Gehaltes, des Gesamt-CO2.Gehaltes und des Standardbicar- bonats ffihrten wir im manometrisehen Apparat nach VAN SLYKE dureh, letztere Messung nach ~.quilibrierung des Blutes im Lau~-Tonometer mit 30°/o O 2 und 5,6°/o CO2.

Der Sauersto//druclc (p02) wurde mittels der Quecksilbertropfelektrode im H~moxytensiometer II nach BXaTELS (1951) bestimmt, die plt-Werte des Blutes mit der im gleichen Ger~t enthaltenen Glaselektrodenkette.

Der Kohlendioxyddruck (pCO~) lieB sich aus pH und Gesamt-CO2 nach der Henderson-Hasselbalchschen-Gleichung unter Berficksichtigung der zur Umrech- nung yon Vollblut auf Plasma notwendigen nomographisch gewonnenen Korrek- turen -- Hb wurde f'tir jede einzelne Blutprobe bestimmt -- errechnen (B~TELS, Bi~CHERL u.a. 1959; ROSSIER, Bi)HLMANN u. WIESINGER 1956).

Bei einer Reihe yon Tieren wurde das Blutlactat enzymatiseh naeh dem in ,,Bioehemica Boehringer" angegebenen Testverfahren (HORN u. BRUNS 1956; PFLEIDERER U. DOSE 1955) mit Hilfe des Photometers ,,Eppendorf" bei 366 m/~ bestimmt.

Fiir die Bestimmung der Natrium., Kalium- und Calciumionen im Serum benutzten wir das Flammenphotometer ,,Eppendorf", zur Chloridbestimmung das merkurimetrische Verfahren nach O. SC~ALES U. S. SCHALES (1941).

Ergebnisse

In unseren Versuchen erzeugten wir einen durchschni t t l ichen Ver-

gff tungsgrad yon 66,40/0 CO-Hb (Schwankungsbrei te 60--740/0 CO-Hb).

In Tab. 1 ist der mi t t le re CO-Hb-Geha l t fiir die einzelnen Versuchsgrup-

pen angegeben. Der Vergff tungsgrad lag bereits im letalen Bereich. So

wies ein in Gruppe C nach 7 min vers torbener H u n d einen CO-Hb-

Gehal t yon 68°/o auf ; ein wei terer Hund , der bereits vor Beginn der Behand lung starb, besal~ 72°/o CO-t tb .

1 Pro MiUfliter Blut werden dabei 0,02 ml einer 10°/o Kaliumoxalat und 50/0 Natriumfluorid enthaltenden LSsung aufgezogen, wobei die Spritzen luftfrei zu fiillen sind.

31"

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442 G. MALORN¥, O. MtTLLER-PLATHE und M. STRAUB:

Die in Tab. 1 angegebene Gruppeneinteilung, die den vier Grund- behandlungsmethoden entspricht, wird in den folgenden Abschnitten immer wiederkehren.

Tabelle 1

mit t l e rc r CO-Itb- Gehal t Gruppe Behand lungsa r t n in °/0 (Ze i tpunk t Null)

A B C

D

unbehandelt (Frischluft) miner Sauerstoff 980/0 02 + 20/0 C02

(Carbogen 2°/o) 950/0 02 -I- 50/0 C02

(Carbogen 50/0)

60,3 65,0 69,3

68,4

1oo %

.3o

~o

7o

6o

<4o

¢I0

30

20

70

0

1. C O - E l i m i n a t i o n

Die Besehleunigung des CO-Hb-Abfalls bei den Behandlungsmethoden mit reinem Sauerstoff bzw. COe/O~-Gemischen gegeniiber der unbehan- delten Kontrollgruppe ist aus Abb. 2 deutlieh zu erkennen. Das Zahlen-

~ ............ Lu,~

~ . . . . . . 0 2 \~.. .2"/oCO~,~, o2

\~'.. + . . . . . + 5°/oC02/n Og . .

• %.

\ \ + ~ , , x , . . ........... ~.

' \ "'o- " " .... \ ' \ . \ ~

\ \ .

I I I I I 10 20 30 z/O 50rain

Abb.2 . Prozentua le r CO-t tb-Abfal l in Abh~tngigkeit yon der Zeit und der

Behand lungsmethode

reinem 02 behandelten Tieren

material ffir diese Abbildung ist in Tab.2 enthalten. Um die dort an- gegebenen Original-Mel3werte vergleich- bar zu maehen, werden alle zu den angegebenen Zeitpunkten der Resti- tution gemessenen CO-Hb-Werte als Prozentsatz des maximalen Vergiftungs- wertes (100°/o) ausgedrfickt. Aus den so ffir alle Versuche gewonnenen Kurven haben wir fiir jede Gruppe die dureh- schnittlichen prozentualen CO-Hb-Werte ffir die einzelnen Zeitpunkte der Resti- tution ermittelt.

Wie Abb. 2 erweist, ist innerhalb der behandelten Gruppen die Uberlegenheit des Carbogen (5°/o) eindeutig. Die Werte fiir die Gruppe C, in der also die Tiere Carbogen (2°/o) atmeten, liegen nur wenig unter denen der Gruppe B (reiner Sauerstoff). W~hrend die Kontrolltiere erst naeh 60 min etwa 600/0 ihres CO-Hb beseitigt haben, ist dies bei den mit (Gruppe B) bereits naeh 37min der Fall,

bei Gruppe C nach 32 min und schlieBlich bei Gruppe D (Carbogen 50/0) schon nach 23 min. Somit wurde, bezogen auf den 60°/o-Wert, der CO-

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S~ure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 443

H b - A b f a l l d u r e h r e i n e n O 3 u m 43,30/0, d u r c h C a r b o g e n (20/0) u m 48,30/0

u n d d u r c h C a r b o g e n (50/0) u m 61,6°/o besch leun ig t .

Es ist zu beriicksichtigen, dal3 die mit C02-Zusgtzen behandelten Tiere (zufi~llig) im Durchschnitt etwas starker vergiftet waren als die beiden anderen Gruppen.

Tabelle 2. CO-Hb und Gesamt-Hb bei und nach akuter CO- Vergi/tung

Nr.

7 8

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 26 27 28 29 3O 31 32

Behandlungsart

Frischluft Frischluft Frischluft Frischluft Frischluft Carbogen 50/0 Carbogen5°/o Carbogen 5 °/o Carbogen5°/o Carbogen 5°~

CO-Hb in Prozent

05'

m

48 49 58 63 52

10' 15' 20'

37

42 31 30 37 29 20 45 37 33

52 47 41 32 23

30' 40'

- - 1 2 9 "

40 ! - - 27 / - - 39 -- 36 -- 24*** -- 13 -- 23 -- 36 31": - - 13

(Exit. let. Herzpunkt 3' p.m.)

Hb in g-%

Carbogen 2 o~ Carbogen 20/ Carbogen2°/ Carbogen2°/ Carbogen 2o/ Carbogen 20/ Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff Sauerstoff

* 50'-Wert. ** 35'-Wert.

18 37 33 58 50 42 59 -- 51 61 49 -- 60 47 45 52 (Exit. let. - - 4 9 - -

54 44 37 56 42 34 55 45 65 57 48 43 54 45 --

43 --

29 22 -- 36 25 35 26 21 42 34 28 40 -- 28

nach 7') 38 -- 24** 33 24 -- 31 27 36 28 25 43 38 32 38 -- 36 26 32 -- 23**

60" L ] 0 ]Ende

15,7 15,2 12,9 16,5 16,4 17,1 16,8 16,7 20,8 15,8

20,3 17,5 15,2 17,6 15,3 13,8 17,9 18,2 15,1 17.7 14,2 17,2 15,3 13,1

*** Beim Versuch Nr. 12 wurde die Carbogenzufuhr nach der 20'-Entnahme abgebrochen.

2. GesamtMimoglobin

B e i j ede r B l u t e n t n a h m e w u r d e de r t t / i m o g l o b i n g e h a l t b e s t i m m t . I n

Tab . 2 s ind die L e e r w e r t e , die W e r t e n a c h de r C O - E x p o s i t i o n u n d die-

j e n i g e n bei V e r s u e h s e n d e aufgef i ih r t . Be i 21 F/ i l len f a n d e n wi r eine

Steigerung des H b - G e h a l t e s n a e h de r C O - E x p o s i t i o n , in 2 F/ i l len eine

H b - V e r m i n d e r u n g u n d e i n m a l g l e i chb le ibende W e r t e . D e r D u r c h s c h n i t t

de r N u l l w e r t e l i eg t m i t 17,1g-°/o u m 11°/o f iber d e m D u r e h s e h n i t t de r

L e e r w e r t e (15,4 g-°/o ). D e r D u r e h s c h n i t t de r E n d w e r t e d e r j e n i g e n 17 Ver-

suche , die n a e h 3 0 - - 4 0 m i n b e e n d e t w u r d e n , betr/~gt 16,7 g-°/o u n d l ieg t d a m i t i m m e r n o e h u m 8,40/0 f iber d e m A u s g a n g s w e r t .

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444 G. MALORNY, O. MULLER-PLATHE u n d M. STRAUB:

Die It~moglobin-Endwerte der unbehandelten Tiere (Gruppe A) ge- h6ren einem sp~teren Zeitpunkt an (240--380 min nach der Vergfftung). Nach dieser Zeit werden die Leerwerte stets unterschritten, was wir zum Teil auf die wiederholten Blutentnahmen zurfickfiihren; insgesamt wurden pro Versuch 60--80 ml Blut entnommen.

Von 14 Versuchen liegen neben den tt~moglobinwerten die H~mato- kritwerte vor. W~hrend das H~moglobin in diesen Versuchen yon durch- schnittlich 16,0 g-°/o (e---- =L0,42) auf 18,0 g-°/o (e ~ 4-0,55) nach der CO-Exposition signifikant ansteigt, um nach 30--40 min auf 17,0 g-°/o (e -~ 4-0,51) abzufallen, bleiben die H~matokri twerte nahezu unver~indert (Leerwert 38,5 ~ 6,77; Nullwert 39,3 ~ 9,27; Endwert 36,4 =~ 7,13). Dieses Ph~nomen ist schwierig zu deuten. Wir halten es fiir m6glich, dab der normale Wasseraustausch zwischen den Erythrocyten und dem Plasma info]ge des CO~-Defizits bei der CO-Vergfftung gehemmt ist.

3. Sauersto//gehalt des Blutes und Sauersto//druck

Um ein weiteres Kri ter ium fiir den Schweregrad der Vergfftung zu gewinnen, best immten wir bei fast allen Versuchen den Sauerstoffgehalt und den Sauerstoffdruck im Venenblut. Der ven6se p0~ fiel yon 59,0 auf 19,7 mm Hg im Mittel. Entsprechend sank der O~-Gehalt yon 19,90 auf 5,99 Vol-°/o im Mittel.

Der durchsehnittliche p02 blieb mit 19,73 mm Hg eben fiber dem ,,kritisehen Druek" (19 mm Hg). Letzterer wurde in f'finf Versuchen unterschritten: Beim Ver- such 17, der letal endete, wurde 3 rain post mortem in dem dureh Herzpunktion gewonnenen Blut ein pO~ von 2,4 mm Hg bei einem 02-Gehalt yon 3,3 Vol-°/o gemessen.

Tabelle 3. Mittelwerte ]i~r 02-Gehalt und pO~ des ven6sen Blutes bei CO- Vergi/tung und unter verschiedenen Restitutionsmethoden

Gruppe L 0 20' 30' 60'

A (Frischluft)

B (Reiner O~)

C (Carbogen 2O/o)

D (Carbogen 5°/o)

pO~ mm Hg Vol-°/o 02 p0~ mm Hg Vol-°/o 02 P02 mm Hg Vol-°/o O~ pO, mm Hg Vol-°/o 02

74,0 20,7 59,9 17,8 53,7 20,8 52,3 20,3

20,9 6,5

29,4 8,0

12,6 5,4

17,0 5,4

37,7 10,6 46,0 12,0

31,3 10,3

14,4 45,9 14,2 60,6 14,8

42,3 12,3

Aus Tab. 3 ergibt sich, dal3 bei den behandelten Gruppen nach 30 min die Normalwerte wieder ann~hernd erreicht sind und somit das O~- Defizit des Gewebes weitgehend beseitigt ist. Demgegenfiber sind bei den unbehandelten Tieren (Luftatmung) zum gleichen Zeitpunkt die Normal- werte ffir 02-Gehalt und pO 2 noch nicht erreicht; selbst nach 60 min

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SEure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 445

findet sich bei diesen Tieren noch ein erniedrigter 02-Gehalt. - - Inner- halb der behandelten Gruppen B - - D sind bezfiglich der Sauerstoffwerte keine beweisenden Differenzen zu erkennen.

Beim Versuch 16 wurde arterielles und ven6ses Blur entnommen. Die Ergebnisse (siehe Abb.3) besti~tigen, dab bei der CO-Vergiftung trotz stark herabgesetztem O 2-

Gehalt der arterielle lOOt mmH~ Sauerstoffdruck unver- itndert bleibt. Das gleiche 80 Verhalten ergab sich im Versuch Nr. 22. 60

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2g

4. Sdure- Basen- Haushalt

Ffir die Beurteilung des Si~ure-Basen-Haushalts

haben wir folgende Kri- terien herangezogen :

a) Standardbiearbonat (T4o),

b) Kohlendioxyd-Par- tialdruck des Blutes (pC02),

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Leer- Null- Leer- Null- ~erl ~erl ~erf WeTl

Abb.3. O,-Gehalt und pO, bei der CO-Vergiftung artericll × × und ven6s × . . . . × (Nullwert = Maxinmm

der Vergiftung)

C) Aktuelle Wasserstoffionenkonzentration im Vollblut (pH).

Zur Terminologie : Wir haben die Ausdrficke metabolische bzw. respi- ratorische Acidose oder Alkalose im heute fiblichen Sinne verwandt (siehe auch ASTRUP 1957; ROB]~RTS 1957; BLAND 1959; SCHWAB U. KffHNS 1959). Es sei ausdrficklich hervorgehoben, dab wir unter Acidose bzw. Alkalose nicht erst die mit einer Verschiebung des pH einhergehen- den Ver/~nderungen des Si~ure-Basen-Haushalts verstehen, sondern auch bereits die respiratorisch (pCO2-Anpassung) oder metabolisch (Bicar- bonat-Anpassung) kompensierten StSrungen. Ver/~nderungen des S/~ure- Basen-ttaushalts ohne pH-Verschiebungen werden demnach kompensiert genannt; solche, die zu einer nennenswerten pH-Verschiebung gefiihrt haben, sind als dekompensiert zu bezeichnen.

a) Der Sdure-Basen-Haushalt unter dem Ein/lu[3 der CO-Vergi/tung. Regelmi~fiig beobachteten wir, wie Tab.4 erweist, einen starken Abfall des Standardbicarbonats, und zwar im Mittel yon 16,95 (Leerwert) auf 13,47 mmol/1 (Nullwert). Lediglieh im Versuch 26 1/ifit der Nullwert diesen Abfall vermissen. In diesem Falle zeigt sich abet behn 5 min-Wert ein Abfall auf 12,8 mmol/1, was darauf hinweist, dab hier ein stfirkerer Einstrom fixer Anionen ins Blur erst nach der Nullwert-Entnahme start- hat. Dieses Verhalten, dab T~ nach AbsehluB der Vergiftung noch eine

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446

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G. MALOR~Y, O. M~LLEE-PLATHE und M. STRAUB:

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S£ure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 447

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448 G. MALORNY, O. Mi3LLER-PLATHE und M. STRAUB:

Zeitlang weiter absinkt, 1/~Bt sich bei 16 von 26 Versuehen erkennen, und zwar sowohl bei behandelten wie auch bei unbehandelten Tieren.

Die PH-Werte fallen im Mittel yon 7,44 vor der Vergfftung auf 7,30 naeh der Vergiftung. Ein weiteres Absinken des pH wird bei unbehandel- ten Tieren nieht beobaehtet.

Die Nullwerte ffir den Kohlendioxyddruck sind mit durehsehnittlieh 3 4 , 1 9 m m H g gegeniiber der Norm erniedrigt; gem/~ Handbook of Biological Data (1956) ist fiir pCO 2 als Normalwert 38 m m Hg anzu- sehen. Wie sehr der pCO 2 den Kompensationszustand bedingt, geht dar- aus hervor, daft in den F/~llen ohne st/~rkere pH-Verschiebung der pCO 2 ira Mittel 28,69 m m Hg, in denen mit pH-Anderung hingegen 42,43 mm Hg betr/igt.

Unsere Leerwerte fiir pCO 2 liegen mit durchschnittlich 31,06 mm Hg zu tief. Dies ist als Folge psychisch bedingter Hyperventilation (Erregung bei der Blut- entnahme) mit begleitender respiratoriseher Alkalose zu deuten; fiir die Nullwerte scheidet diese Ursache aus, da die Tiere zu diesem Zeitpunkt s~mtlich komatSs waren.

In elf Versuchen fiihrten wir Best immungen der Blutmilchs~iure durch. Es ergaben sich Leerwerte zwisehen 0,26 und 1,8 mAqu./1 mit einem Durch- sehnitt von 1,07 m)~qu./1. Naeh erfolgter Vergfftung betrug der Dureh- sehnitt der maximalen Milehs/iurekonzentrationen -- ihr Gipfel f/~llt in der Regel nieht mit dem Zeitpunkt Null zusammen--3,15 m~qu./1 (Sehwankungsbreite 1,74--5,86 m~qu./1). Das entspricht einer mittleren Steigerung auf 3040/0 des Leerwerts. In aeht von elf F/~llen wurden die h6ehsten Milehs/~urewerte erst bei den w/~hrend der Restitution erfolgen- den Blutentnahmen beobachtet. Dies d/irfte die Hauptursache dafiir sein, da~ das Standardbicarbonat bei 16 yon 26 Versuchen nach AbsehluB der CO-Exposition weiterhin absank.

Von entscheidender Bedeutung fiir die zur Resti tution zu w~hlende Behandlungsart ist die genaue Kennzeiehnung der Situation im S/~ure- Basen-Geschehen bei der maximalen CO-Intoxikation. Auf Grund unserer zahlreiehen Versuehe sind wir in der Lage, die fiir die Beurteilung des Komlaensationszustandes wichtigsten Daten (Standardbicarbonat, C02-Druek und pH) ira Zeitpunkt der schweren CO-Vergiftung wieder- zugeben (siehe Tab. 5). In diesem Zusammenhang sind einige Versuehe der Tab.4 nieht aufgefiihrt, da die erforderliehen Mel3ergebnisse nicht vollst/~ndig vorliegen; daffir sind zwei bisher nieht erw/~hnte Versuche (Nr.25 und 33) hier eingeffigt, bei deneu die Resti tution aus /~ui~eren Grfinden nieht mit Analysen belegt werden komlte.

Es zeigt sieh, da~ in 25 yon 26 F/~llen zum Zeitpunkt der maximalen CO-Vergfftung eine ausgepr/~gte metabolische Aeidose vorliegt mit der dafiir eharakteristischen starken Erniedrigung des Standardbicarbonats. Dieses Ph/~nomen wiirde noch deutlieher zutage treten, wenn man nieht

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S~urc-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 449

die Nul lwer te , sondern die W e r t e einige Minuten nach der Vergi f tung heranzSge. So is t im Versuch Nr. 26 der S~ure -Basen-Hausha l t zur Zei t der Nul lwer te unges tSr t . E r s t bei den folgenden E n t n a h m e n zeigt sich die schwere dekompens ie r t e metabo l i sche Acidose (vgl. Tab. 4).

Tabelle 5. Der S~iure-Basen-Haushalt bei akuter CO-Vergi/tung

Nr.

6 8

10 11 12 13 14 15 16 17" 18 19 20 21 22 23 24 25 26

27 28 29 30

31 32 33

T40 mmol/l

14,8 14,2 14,4 14,4 11,2 14,2 13,6 13,1 12,4 11,4 12,5 12,5 14,8 14,7 13,3 12,6 12,5 14,8 17,5

14,3 11,4 15,4

15,9 13,8 11,5

pCO~ m m Hg

38,7 28,7 33,1 32,9 27,5 28,8 35,6 50,8 38,7 48,1 27,4 29,0 33,9 29,8 39,3

24,3 30,3 35,9

25,3 23,6 24,4 47,7

42,0 40,9 45,2

pH

7,26 7,38 7,30 7,28 7,36 7,39 7,36 7,18 7,16 7,09 7,36 7,35 7,38 7,41 7,20 7,20** 7,38 7,40 7,37

7,42 7,30 7,37 7,29

7,23 7,20 7,02

CO-Hb /0

60 65 61 66 73 63 71 72 63 72 62 71 71 70 74 68 67 64 65

62 66 74 60

64 62 66

Beurteilung

Dekompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Keine nennenswerte Acidose zur Zeit

der Nullwerte Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Kompensierte metabolische Acidose Geringe, fast kompensierte

metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose Dekompensierte metabolische Acidose

* Blutentnahme durch Herzpunktion 3 min post mortem. ** Dieser Wert stammt yon einer Blutentnahme, die 5 min nach Beginn der

Behandlung mit 2°/0 CO 2 in 02 gewonnen wurde.

Yon den 25 ac idot i schen Fa l l en der Tab. 5 s ind 11 als dekompens ie r t zu bezeichnen, w~hrend 14 F~ille als kompens i e r t anzusehen sind. Von Dekompensa t i on sprechen wir bei e inem pR un te r 7,30; als N orma lw e r t fi ir den H u n d wird 7,36 m i t e iner S t r euung von 7 ,31--7 ,42 angesehen (Handbook of Biological Da ta , 1956). Wie ause inandergese tz t , k a n n m a n un te r Ber i icks ich t igung des wei teren Ablaufs auch den Versuch 26 zu den dekompens i e r t en Acidosen rechnen (p~ 7,25; T40 min ima l 10,6 mmol/1).

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450 G. MALORNY, O. MOLLER-PLATHE und M. STRAUB:

Es erweisen sich demnach von 26 Versuchen mit dem Ergebnis einer metabolischen Acidose 14 als kompensiert und 12 als dekompensiert. Eine Beziehung zwischen Kompensationszustand und Schwere der Ver- giftung hat sich nicht ergeben. Die 14 kompensiert-acidotischen Hunde wiesen im Mittel 67°/o CO-Hb, die 12 dekompensierten Fiille 660/0 CO-Hb auf.

b) Der Siiure-Basen-Haushalt unter dem Ein]lufl der verschiedeneu Restitutionsmethoden. Es wurde schon darauf hingewiesen, dab die Steigerung des Milchs5urespiegels ihr Maximum vielfach erst einige Zeit

Tabelle 6. Mittelwerte des Blutmilchsgurespiegels (in m~qu./1) bei der CO- Vergi/tung und unter verschiedenen Restitutionsmethoden

Gruppe 0 30'

A (Frischluft) B (reiner 03) D (Carbogen 50/0)

1,13 2,91 3,00 0,99 1,70 1,24 1,13 2,87 2,46

60' 180'

2,24 0,89

nach Beendigung der CO-Exposition erreicht. Ein Vergleich der durch- schnittlichen 30 min-Werte (Tab. 6) ergibt, dal3 in der mit reinem Sauer- stoff behandelten Gruppe B der Ausgangswert nahezu erreicht wird, w~hrend bei den Luft atmenden Tieren zu diesem Zeitpunkt die hSchsten Lactatwerte gemessen werden und der Leerwert erst zwischen 60 und 180 min erreicht wird. Auffallend ist ferner, dab die mit Carbogen (50/0) behandelten Tiere nach 30 min immer noch einen auf das Doppelte des Leerwerts gesteigerten Milchsi~urespiegel erkennen lassen.

Die Erkl~rung fiir diese Erscheinung ist mSglicherweise in einer Steigerung des Muskelstoffwechsels zu suchen. Kommt es doch bei der Inhalation yon 5°/o CO s stets zu einer maximalen T~tigkeit der gesamten Atemmuskulatur einschliel~lich der Auxiliarmuskulatur. Auch an eine ~nderung der rena]en AusscheidungsvorgEnge ist zu denken.

Tabello 7. p H-Wert, Standardbicarbonat und CO~-Druck w~ihrend der l~estitution nach alcuter CO- Vergi/tung

Gruppe

A (Frischluft) B (reiner 02) C (Carbogen 20/0) D (Carbogen 50/0)

n pit

3 7,30 3 7,32 5 7,34 5 7,29

Nullwert ]

T40 pCO2 mmol/1 mm Hg

14,4 14,4 13,5 12,9

30--40 min-Wer t

T4o pK mmol/1

14,8 14,1 13,9 13,6

31,6 I 7,32 43,5 7,30 31,9 7,32 36,3 7,22

pC02 mm Hg

38,1 46,3 40,1 55,5

Die Werte ffir das Standardbicarbonat (Tab. 7) liegen nach 30--40 min noch recht tief. Die niedrigsten Werte finden sich hier in der mit Carbogen 5°/0 behandelten Gruppe D, eine Beobachtung, die dem Verhalten der Mflchs~ure entspricht.

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S~ure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 451

Interessant ist ein Vergleieh der mitt]eren pH- Werte naeh 30--40 min. Ffir die luftatmenden Tiere sowie ffir die mit reinem Sauerstoff bzw. Car- bogen (2°/o) behandelten Tiere unterseheiden sieh die gemessenen Werte nur innerhalb der Fehlerbreite der Methodik; auch die Untersehiede gegenfiber den Nullwerten sind unbedeutend. Die pH-Zahlen liegen im

m~H~

pCOz ,~.

J , . . . . . . r

7,sb, 7,¢ ..-

pH 7,3t" ~ .....

7,21 ~-- Z, IL I I :

m.mol/L

/ # /0 ZO 30 //Ornin Z 0 10 20 30 Z/Omin Nr. 1~u. 20 Nr. zSu. 21

-/" I

I r i i

L 0 70 20 30 Z/Omin L 0 10 20 30 VOmin #c Z#u. 22 A/~ Z2u. /8

Abb.4. Erliiuterungen siehe Text

wesentlichen am unteren Rande der Kompensation. Bei der mit Carbogen 50/0 behandelten Gruppe ergibt sich ffir diesen Zeitraum ein mittlerer Wert von 7,22, der damit deutlieh unter den Werten der Gruppen A- -C liegt und sogar gegeniiber dem zugehSrigen Nullwert um 0,07 erniedrigt ist. Einzig bei dieser Gruppe fibersteigt der C02-Druck mit 55 mm Hg den Normbereich wesentlieh.

Bei der mit Carbogen (5°/o) behandelten Gruppe f~llt somit w/~hrend der Resti tution eine deutliehe Acidose auf, die mit stark erh5hten pCO 2- Werten einhergeht. Bemerkenswerterweise fehlt die Aeidose bei den an- deren Gruppen, insbesondere aueh bei der mit Carbogen (2°/o) behandelten Gruppe C.

I m folgenden haben wir deshalb das Verhalten von ffinf Itunden, die das eine Mal mit 5°/o CO 2 und das andere Mal mit 2°/o CO S als Zusatz zum Sauerstoff behandelt wurden, verglichen. Es handelt sieh um die Ver- suehspaare Nr. 12 und, 18, 13 und 19, 14 und 20, 15 und 21 sowie 16 und 22 unserer Tab.4. - - In Abb.4 ist ffir vier dieser Hunde das Verhalten

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452 G. MALORNY, O, M(~LLER-PLATHE und M. STRAUB:

des Shure -Basen-Hausha l t s durch Wiede rgabe der GrSBen pCO2, S t a n d a r d b i c a r b o n a t (T40) und pH graphisch dargestel] t .

An den K u r v e n ffir T40 e rkennen wi t zun~chst , daB fiir alle Versuchs- paa re das S t a n d a r d b i c a r b o n a t ungef~hr im gleiehen AusmaB gesenkt is t und dab somit die Anforderungen an die K ompe nsa t i onsme c ha n i sme n des Si~ure-Basen-Haushal ts durchaus verg le ichbar sind. Es folgen nun die n~heren Er l~u te rungen zu Abb .4 , wo beide Behand lungsver fah ren jeweils am gleichen Tier e rp rob t wurden.

Nr. 14 und 20. Nach der CO-Exposition besteht im Nullwert bei beiden Ver- suchen eine kompensierte metabolische Acidose (p~ 7,36 bzw. 7,38). Unter der Behandlung mit 5°/0igem C02-Zusatz kommt es zu einem erheblichen Abfall des pH bei auf etwa 50 mm Hg gesteigerten pCOa. Unter Carbogen (20/o) bleibt das PH im Bereich der Norm. Der pC02 h~lt sich zwischen 30 und 40 mm Hg.

Nr. 15 und 21. Unter Carbogen (50/0) bleibt das schon tief gesenkte PH nach vorfibergehender weiterer Senkung dekompensiert, begleitet yon einem pCO~- Anstieg bis auf 65 mm Hg. Der Zusatz yon 2°/o CO S l~i~t das im Bereich der Norm gebliebene p~ nur unwesentlich absinken; der pCO 2 stellt sich auf Normalwerte ein.

:Vr. 16 und 22. In beiden Versuchen liegt zun~chst eine dekompensierte Acidose vor (PH = 7,16 bzw. 7,20). Weiteres Absinken des PH bei Applikation von Carbogen 5'~/0 mit erst verzSgertem, dann starkem pCO2-Anstieg; unter Carbogen (20/0) Anstieg des PH und des pCO 2 bis fast in den Normalbereich.

Nr. 12 und 18. In beiden F~llen ergibt sich aus den Nullwerten eine kompen- sierte Acidose (mit gleichem PH von 7,36). Bei Anwendung von Carbogen 50/0 kommt es zu einem ausgiebigen PH-Sturz bis auf 7,14 und zu einem pCOz-Anstieg bis 54,3 mm Hg. Naeh der 20 min-Entnahme wurde die Zufuhr dieses Gemisches abgebroehen, nachfolgend Atmung von Frischluft. Innerhalb yon 10 min normalisiert sich das Pn auf 7,35; pCO 2 sinkt auf 27,4 mm Hg ab. Bei Anwendung von Carbogen (2°/o) ergeben sich ffir pC02 und PH fast normale Werte 1.

Aus diesen Gegeni ibers te l lungen geht hervor , dab bei Verwendung yon Carbogen mi t 5°/oigem CO~-Zusatz in e inem Fa l l eine kompens ie r t e Aeidose dekompens ie r t wird und dab in zwei F/~llen eine dekompens ie r t e Acidose wel te r dekompens ie r t wird bzw. dekompens ie r t b le ib t ; in e inem wei teren Fa l l t r i t t nach Abbreehen der Zufuhr unverzi igl ich der Z us t a nd der K o m p e n s a t i o n e i n . - - B e i Verwendung von Carbogen (2°/0) b le ib t dem- gegenfiber en tweder die K o m p e n s a t i o n erhal ten, oder es n/~hern sich bei vor l iegender Dekompensa t ion die W e r t e dem Normalbere ich . Typ i sch is t das hier s te ts spiegelbi ldl iche Verha l ten der K u r v e n fiir pH und pCO 2.

5. Se rume lek t ro l y t e

Bei ach t Versuchen wurden E l e k t r o l y t b e s t i m m u n g e n im Serum durchgeff ihr t . Es soll te gepr i i f t werden, ob das k o n s t a n t beobach te t e Abs inken des S t a n d a r d b i c a r b o n a t s auger durch Vermehrung fixer S/iuren (Milchs/~ure) noch durch eine ErhShung des Serumchlor id-

1 Die Kurven fiir das Versuchspaar 13 und 19 sind in Abb.4 nicht aufgefiihrt. Hier verhalten sich PH und pC02 bei beiden Behandlungsmethoden fast gleich. Anscheinend verffigte dieser Hund fiber einen sehr stabilen S~ure-Basen-Haushalt.

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Siiure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 453

gehal tes bzw. durch eine Verminderung der Se rumka t ionen mi tbee in- fluSt wird. I n Tab. 8 s ind die gefundenen Mi t te lwer te einschliel~lich ~ ffir Cl- , N a +, K + und Ca ++ aufgeffihrt . Die Ergebnisse , s/ imtlieh in Ver- suchen gewonnen, in denen zur R e s t i t u t i o n re iner Sauers toff ve rwende t wurde, lassen keine s ta t i s t i sch ges icher ten Differenzen erkennen. Die Frage , wieweit der Abfa l l des N a t r i u m s und besonders der des K a l i u m s mi t der renalen Aussche idung der v e r m e h r t anfa l lenden Milchs/iure und mSglicherweise wei te rer fixer Si~uren zusammenhi tngt , b le ib t in unseren

Tabelle 8. Serumelektrolyte bei CO-Vergi/tunff, einschliefllich Angabe der mittlereu Fehler der Mittelwerte in m~qu./l

Restitution unter Verwendung reinen Sauerstoffs

C1-

Na +

K+

C a + +

L e e r w e r t N u l l w e r t 1 5 - - 2 0 ' 3 0 - - 4 0 '

n n n n

115,20 ±2,47 136,20 ±5,24

4,32 ±0,36

5,33 =L0,05

120,30 ±3,07 134,00 ±4,46

3,64 ±0,24

5,63 ±0,09

117,40 ±2,53 134,40 ±4,23

3,36 JL0,18

5,20 ±0,36

7 112,30 ±0,45

7 133,70 ±4,42

7 3,84 :LO,17

3

Versuchen often. Die Ver~nderungen der Se rume lek t ro ly tkonzen t r a t i onen bei der CO-Vergif tung sind - - wenn sie f iberhaupt bes tehen - - sicherlich pa thogene t i sch ohne Gewicht . Eine wesent l iche Beeinflussung des S~ure- Basen -Hausha l t s yon dieser Seite her dfirfte du tch diese Ergebnisse aus- geschlossen sein.

Diskuss ion

Aus unseren Versnchen geht e indeut ig hervor , dab bei de r schweren CO-Vergif tung eine typ i sche metabo l i sche Acidose vorl iegt , die im Einzel- fal l kompens i e r t oder dekompens ie r t ver laufen kann.

Schon M~KAMI (1926--1927) berichtet, dab bei seinen tierexperimentellen CO- Vergiftungen das Plasma-pH erniedrigt war. Entsprechend beobachtete KAMEI (1931) eine Zunahme des Verh~ltnisses freies CO 2 zu gebundenem C02, also eine Erniedrigung des Bicarbonatgehaltes im Blur. C~ODI u. Mitarb. (1941) sahen eben- falls erniedrigte pH-~'erte, dabei aber erhShte pCO2-Werte , was unseres Wissens sonst nirgends beschrieben ist. Daraus schlossen diese Autoren auf eine Depression des Atemzentrums wi~hrend der C0-Vergiftung. Diese trit t jedoch unseres Erachtens erst am Ende der Vergiftung auf, und zwar als Folge der Anoxie.

Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit denen yon SWAIN u. BRVCER (1949), die zusammenfassend schreiben: , , . . . the changes in acid-base equilibrium are very similar to those in acute or progressive anoxia, differing only ia that they occur in an animal that is not overbreathing".

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454 G. MALORN¥, O. MT)LLER-PLATHE und M. STRAVB:

Die Acidose als Begleiterscheinung der schweren CO-Vergiftung geht auch aus den Ergebnissen yon KILLICK U. MAlCCHANT (1959) hervor. Diese Autoren finden ebenso wie wir ErhShungen des Blutlactats, welche im iibrigen erstmalig von ARAKI (1891--1894) beschrieben sind.

I m Hinb l ick auf die Anwendung von C02-Zus~tzen bei der Rest i - t u t i on erscheint es uns yon Bedeutung , dab das E ins t rSmen fixer Anionen (Lacta t ) keineswegs mi t dem E n d e der CO-Expos i t ion au fhSr t ; bei unbehande l t en Ticren h a t nach 30 min die Normal i s i e rung des Blut - l ac t a t s noch n ich t begonnen. Dennoch zeigt sich infolge der K o m p e n - sa t ionsmechan ismen zu diesem Z e i t p u n k t k a u m mehr eine Ern ied r igung des pH-

Da die K o m p e n s a t i o n einer metabo l i schen Acidose durch eine Ver- r ingerung des freien CO s - - in unseren Versuchen gemessen als Senkung des pCO~ - - erfolgt, erscheint die the rapeu t i sehe Anwendung yon Carbo- gen (5°/o) unzweckm~Big ; denn der Organismus wird h ic rdurch bei seinen Kompensa t i onsve r suehen behinder t . Unsere Befunde lassen erkennen, dab durch Carbogen mi t 5°/o CO~-Zusatz kompens ie r t e Acidosen in de- kompens ie r te f ibergehen kSnnen und dab bei bere i t s vor l iegender Dekom- pensa t ion die Wiederhers te l lung des S~iure-Basen-Gleichgewichts zwangs- l~ufig ve rh inde r t wird. - - D a m i t is t ein neuer E i n w a n d en t s t anden gegen das Carbogen (50/0).

Schon in den zwanziger Jahren konnten sich nicht alle Autoren entschlieBen, entsprechend den Empfehlungen yon HENDERSON U. HAGGARD (1920--1922) dem Carbogen den Vorzug gegeniiber reinem Sauerstoff zu geben (SAYERS U. YA~T 1923 ; WALTON U. Mitarb. 1926; SAYERS U. DAVENPORT 1930). Die starke Beschleunigung der CO-Elimination durch Carbogen, wie HENDERSON U. HAGGARD sie beschrieben hatten, wurde nicht allseitig besti~tigt bzw. als quantitativ unbedeutend angesehen. Die urspriingliche Beobachtung dieser Autoren, dab sogar durch 10°/0 CO S in Luft die CO-Elimination st~irker beschleunigt werde als durch reinen Sauerstoff, wurde von NICLOUX u. Mitarb. (•925) sowie von WALTOI¢ U. Mitarb. (1926) nicht best~tigt. Eine derartige C02-Konzentration in der Einatmungsluft fiihrt nach unseren Erfahrungen in der l~egel nicht mehr zu einer ErhShung des Atemminutenvolumens, in vielen F~llen sogar schon zu einer Atemdepression. NICLOUX u. Mitarb. wie auch neuerdings KILLICK U. ]~ARCHANT (1959) erhielten durch Carbogen (5°/o) etwa die gleiehe Steigerung der C0-Elimination, wie auch wir sie gesehen haben.

APTHORP, BATES, MARSHALL U. MENDEL (1958) ber ich ten fiber Selbst- versuche, in denen sie K o h l e n o x y d bis zu einer K o n z e n t r a t i o n von 30 bis 50°/0CO-Hb e ingea tme t haben. Sie vergleiehen die CO-El imina t ion un te r re inem Sauers toff sowie Carbogen (5°/o) und stel len fest, dab Carbo- gen (5°/0) bei ve rdoppe l t em A t e m m i n u t e n v o l u m e n die CO-Aba tmung rund 30°/o steigere.

Mit dem W e r t der einzelnen Bea tmungsmSgl ichke i t en (Sauers toff mi t und ohne CO~-Zusatz in K o m b i n a t i o n mi t verschiedenen Methoden der kf inst l ichen Bea tmung) befassen sich die Arbe i t en yon SCHWERMA U. Mitarb. (1948--1949). Die Auto ren ha l t en den CO~-Zusatz zum Sauers toff fiir , ,an unnecessary the rapeu t i c a d j u n c t " . Auch DONALD U. PATON

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S~ure-Basen-Haushalt und Kohlenoxydvergiftung 455

(1955) sprechen sich gegen den C02-Zusatz aus. Mit Rech t heben sie ganz allgemein fiir schwere asphyktische F~lle den Wer t der kiinstlichen Bea tmung hervor.

Allerdings ging man insofern wohl zu weit, als auf Empfehlung des Committee for Research on Breathing Apparatus for Protection against Dangerous Fumes and Gases in England im Jahre 1953 vom Medical Research Council Atemgasgemische mit CO~-Zusatz yon den Rettungsstellen ffir Erste Hi]re entfernt wurden. Dies fiihrte zu einer heftigen Kontroverse, in deren Verlauf MARRIOTT (1956, 1957) darauf hin- wies, dab die Todesf~lle an CO-Vergiftung nach Abschaffung jeglicher C02-Zus~tze um 25°/0 gegenfiber dem statistischen Mittel der Vorjahre angestiegen seien.

Daraufhin empfahl W~LTIER (1957) eine differenzierte Behandlung der CO- Vergiftungen. Er unterschied drei Stadien. Bei der leichten CO-Vergiftung, wo das Bewul3tsein erhalten ist, soll Carbogen (50/o) alternierend mit Frisehluft zur Anwen- dung gelangen, und zwar in fiinfminiitigem Wechsel. Bei mittelschweren Vergiftun- gen mit Bewu~tlosigkeit bei normaler Atmung soll Carbogen (5°/o) bis zur Erreichung des Stadium I allein verwendet werden, yon da ab Weiterbehandlung wie Stadium I. Im dritten Stadium mit tiefer Bewul]tlosigkeit und Atemdepression so]l nut reiner Sauerstoff, gegebenenfalls mittels kiinstlicher Beatmung zugefiihrt werden; bei normalisierter Atmung danach Weiterbehandlung wie Stadium II bzw. I.

TELEKY (1955) hi~lt eigenartigerweise die Apnoe, die bei der therapeutischen Anwendung yon reinem Sauerstoff bei CO-Vergifteten 5fter auftritt, fiir harmlos und meint, ,,da~ die Empfehlung des Carbogen allzusehr rein theoretisch ausgedacht se i ~ ~.

Der Vorzug des Carbogen (5°/o), der darin zu sehen ist, daI~ die CO- El iminat ion im Vergleich zum reinen Sauerstoff um etwa ein Dri t tel gesteigert wird, s teht der betr/~chtliche Nachteil der Siiuerung yon Blut und Geweben gegenfiber. Bei der Suche nach einem Ausweg waren die Beobachtungen yon MALORN¥ (1956 und 1959), der in seinen Versuchen am Pneumoper i toneum feststellte, dal3 bei Verwendung eines Gemisches yon 95o/0 0 s und 5o/o CO s die Gewebsgasspannung ffir COs welt fiber die Norm hinaus anstieg, yon Bedeutung; analog hierzu beobachteten wir fiir den ven6sen pCO s ein erhebliches l~bersehreiten des Normbereiches. Hingegen erwies sich ein Zusatz yon 20/0 CO 2 zum Sauerstoff als durchaus geeignet, eine rasche Verbesserung der Sauerstoffversorgung der Gewebe herbeizuffihren. Der COs-Zusatz dient ja nicht nur der Am'egung der Atmung, sondern ebenso der Aufrechterhal tung des Bohreffekts. Dies wird aber bereits du tch einen Zusatz yon 2o/0 CO s erreicht, wobei noch h inzukommt, dab die vorhandene Aeidose im Falle der pH-Senkung ihrerseits den Bohreffekt erleichtert.

Aus unseren Versuchen geht weiterhin hervor, daft bei Anwendung yon Carbogen (2o/0) die blutchemischen Werte, soweit sie den S/iure-Basen- Hausha l t betreffen, normalisiert werden, wi~hrend Carbogen (5°/o) ver- schlechternd wirkt. Die Eliminationsleistung des reinen Sauerstoffs wird in unseren Versuchen dureh Zusatz von 20/0 CO s nm" wenig gesteigert. Dies verwunder t nicht, da hierdurch die A t m u n g nicht so s tark stimu- liert wird wie durch Carbogen (50/0). t t ingegen reicht der Zusatz yon 20/0

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456 G. MALORNY, 0. M~LLER-PLATttE und M. STRAUB:

CO s roll aus, um das im Verlaufe der CO-Vergfftung entstandene COs- Defizit auszugleichen. Zudem ist mit der bei Anwendung yon reinem Sauerstoff stets zu beffirehtenden Apnoe bei Applikation yon Carbogen (2°/o) nieht zu reehnen.

Zusammenfassung Zur Prfifung der Frage, welches Behandlungsverfahren bei der

schweren akuten C0-Vergiftung angezeigt ist, werden in 26 Versuchen am Hund folgende Vorg~nge bestimmt :

a) die Belastung des S~ure-Basen-Haushalts nach Beendigung der C0-Einwirkung (Endwert im Mittel 66,4°/o CO-Hb),

b) die Gesehwindigkeit der C0-Elimination bei vier Behandlungsver- fahren [Luft, Sauerstoff, Carbogen (2°/o) und Carbogen (h°]o)].

e) die Beeinflussung des S~ure-Basen-Haushalts dureh das gew~hlte Behandlungsverfahren.

In allen Versuchen bildet sieh eine typische metabolische Acidose aus. Diese bleibt in 12 Fallen dekompensiert (pHi7,30) und wird in 14 F~llen durch Erniedrigung des pCO~ kompensiert.

Das Einstrhmen fixer Anionen als Ursaehe der Aeidose, was sich am Beispiel der Milchs~ure verfolgen l ~ t , ist mit dem Ende der Giftexposi- tion noeh nieht abgeschlossen. Dureh Sauerstoffzufuhr wird dieser Pro- zel3 eindeutig abgekfirzt; jedoch ist diese Abk~irzung bei Anwendung von Carbogen (5°/0) [95 Vol-°/0 03 ~- 5 Vol-°/0 COs] weniger stark ausgepr~gt.

Eine nennenswerte Beeinflussung des S~ure-Basen-Haushalts durch Versehiebung der Serumelektrolyte kann ausgeschlossen werden.

W~hrend der Restitutionsphase erfolgt der Abfall des C0-H~mo- globinsunter Carbogen (5°/o) um etwa ein Drittel sehneller als unter reinem Sauerstoff. Dureh Anwendung von Carbogen (5°/o) kann aber eine bereits vorhandene Aeidose aus dem Zustand der Kompensation in die Dekom- pensation fibergehen; bei einer primer dekompensierten Aeidose wird der Khrper in der Regel an der Kompensation gehindert. Hierfiir ist in erster Linie die bei diesem Verfahren exogen erhhhte Kohlendioxydspannung verantwortlieh zu maehen.

Die Anwendung yon Carbogen (2°/o) [98 Vol-°/0 03 -~ 2 Vol-°/o COs] bewirkt keine zus~tzliche Belastung des S~ure-Basen-Haushalts. pH und ~0CO 2 n~hern sieh deutlich erkennbar dem Normalbereieh. Das sieh im K6rper w£hrend der CO-Vergiftung ausbildende C0~-Defizit wird vonder respiratorischen Seite her aufgeffillt. Bei diesem Verfahren haben wir eine Apnoe, die maneherseits bei Applikation reinen Sauerstoffs mit Recht beffirehtet wird, nicht beobaehtet.

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