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8/20/2019 Strafe Als Mittel Der Erziehung http://slidepdf.com/reader/full/strafe-als-mittel-der-erziehung 1/6 SCHOCH: Strafe und Bestrafung als Mittel der Erziehung? © B. Schoch 2006 - 1 - Strafe und Bestrafung als Mittel der Erziehung? Definition Strafe und Bestrafung Als Strafe bezeichnet man ein absichtlich herbeigeführtes Ereignis, das zu unan- genehmen inneren Zuständen führt, die Betroffene für gewöhnlich vermeiden möchten. "Die Strafe besteht im Zufügen eines Übels, beziehungsweise im Entzug einer Annehmlichkeit" (RÜCKERT 1974, 15). Bestrafen ist der Vorgang des Zufügens oder Verhängens einer Strafe. Strafmotive - Ziele von Strafen Warum strafen Menschen, Institutionen und Gesellschaften? GEIßLER (1982) nennt folgende Motive und Gründe für Strafen (Funktionen von Strafe): Strafe hat ihm zufolge also vor allem zwei Aufgaben (Funktionen): 1. Rechtsfunktion: innerhalb von sozialen Gemeinschaften für Recht und Ge- rechtigkeit zu sorgen (Vergeltung, „wie du mir, so ich dir“), 2. Erziehungsfunktion: Menschen zur Einhaltung von Normen und Gesetzen zu erziehen (über Verhaltenskontrolle und Abschreckung). Menschen können aber auch noch aus drei weiteren Motiven heraus Strafen an- wenden wollen, Strafen haben dann folgende Funktionen: 3. Machtfunktion: aus Lust am Machtgefühl, aus Lust daran, andere leiden lassen zu können, 4. Sadismusfunktion: aus Lust am Leiden anderer, 5. Masochismusfunktion: aus Lust am eigenen Leiden. Strafe und Bestrafung im pädagogischen Kontext In der Erziehung darf es immer nur um Gerechtigkeit als auch um das Einhalten von Normen und Regeln gehen, niemals um Vergeltung und Rache oder um das Quälen von Kindern. weil eine Untat geschehen ist damit keine Untat mehr geschieht Sühne (Ausgleich) Wiedergut- machung im Hinblick auf den Täter im Hinblick auf die Gruppe (Gesellschaft) Besserung Abschreckung für den Täter (Lehre für die Zukunft) Abschreckung für andere (warnendes Beispiel) Änderung des Verhaltens und  der Motivation Änderung des Verhaltens Strafe

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Strafe und Bestrafung als Mittel der Erziehung?

Definition Strafe und Bestrafung 

Als Strafe bezeichnet man ein absichtlich herbeigeführtes Ereignis, das zu unan-genehmen inneren Zuständen führt, die Betroffene für gewöhnlich vermeidenmöchten.

"Die Strafe besteht im Zufügen eines Übels, beziehungsweise imEntzug einer Annehmlichkeit" (RÜCKERT 1974, 15).

Bestrafen ist der Vorgang des Zufügens oder Verhängens einer Strafe.

Strafmotive - Ziele von Strafen Warum strafen Menschen, Institutionen und Gesellschaften? GEIßLER  (1982)nennt folgende Motive und Gründe für Strafen (Funktionen von Strafe):

Strafe hat ihm zufolge also vor allem zwei Aufgaben (Funktionen):1.  Rechtsfunktion: innerhalb von sozialen Gemeinschaften für Recht und Ge-

rechtigkeit zu sorgen (Vergeltung, „wie du mir, so ich dir“),2.  Erziehungsfunktion: Menschen zur Einhaltung von Normen und Gesetzen

zu erziehen (über Verhaltenskontrolle und Abschreckung).

Menschen können aber auch noch aus drei weiteren Motiven heraus Strafen an-wenden wollen, Strafen haben dann folgende Funktionen:

3.  Machtfunktion: aus Lust am Machtgefühl, aus Lust daran, andere leidenlassen zu können, 

4.  Sadismusfunktion: aus Lust am Leiden anderer,5.  Masochismusfunktion: aus Lust am eigenen Leiden.

Strafe und Bestrafung im pädagogischen KontextIn der Erziehung darf es immer nur um Gerechtigkeit als auch um das Einhalten

von Normen und Regeln gehen, niemals um Vergeltung und Rache oder um dasQuälen von Kindern.

weil eine Untatgeschehen ist

damit keine Untatmehr geschieht

Sühne(Ausgleich)

Wiedergut-machung

im Hinblick aufden Täter

im Hinblick auf dieGruppe (Gesellschaft)

Besserung Abschreckung fürden Täter (Lehre

für die Zukunft)

Abschreckung für andere(warnendes Beispiel)

Änderung desVerhaltens und  der

Motivation

Änderung desVerhaltens

Strafe

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Es stellt sich dabei aber die Frage:1.  Erreichen Strafen im oben genannten Sinne (als absichtliches Zufügen von

als unangenehm empfundenen Ereignissen bzw. als absichtliches Unterlas-sen von als angenehm empfundenen Ereignissen) ihr Ziel, für Recht und

Ordnung zu sorgen und Gerechtigkeit wiederherzustellen sowie Kinder undJugendliche dahin zu erziehen, dass sie sich an Regeln und Normen hal-ten?

Und für den Fall, dass Strafen in diesem Sinne hilfreich sein könnten, bleibt diezweite Frage:

2.  Wollen wir unser Zusammenleben respektive die Erziehung auf eine solcheWeise gestalten (also Kindern und Jugendlichen absichtlich Übel zufügenoder Annehmlichkeiten vorenthalten) oder gibt es nicht humanere, freund-lichere Möglichkeiten dafür, für Gerechtigkeit und für die Einhaltung vonwichtigen Regeln und Normen gelingenden Zusammenlebens zu sorgen?

Regelverstöße als Symptom für unbefriedigende RegelnJedes menschliche Tun ist motiviert durch Wünsche, Träume, Interessen. Men-schen erhoffen sich durch die Erfüllung dieser Träume und Wünsche und durchdie Befriedigung ihrer Interessen und Bedürfnisse ein subjektiv lebenswertes Le-ben führen zu können, bevor sie sterben. Dass sie also nicht „bloß“ leben, son-dern ein Leben in großer Fülle leben können. Zu einem Leben in Fülle gehörtauch, dass man Anerkennung erfährt, für das was man ist und kann, sowie Zu-neigung und Wohlwollen. Typisch für Menschen ist ferner, dass sie in sozialenGemeinschaften leben und leben wollen. Durch und für das Zusammenleben in

solchen Gruppierungen etablieren sich Werte, Normen und Regeln. MenschlichesLeben ist insofern immer auch davon geprägt und herausgefordert, Eigeninteres-se und eigene Bedürfnisbefriedigung mit den Interessen anderer und der Ge-meinschaft abzugleichen.Wenn Menschen gegen Werte, Normen und Regeln verstoßen, geschieht diesmeist aus einem Unbehagen diesen Orientierungen gegenüber, weil diese dieBefriedigung subjektiv bedeutsamer Bedürfnisse erschweren oder unmöglich ma-chen bzw. weil gerade der Verstoß dagegen die Befriedigung solcher Bedürfnisseermöglicht. Regelverstöße sind deshalb oft Symptome für problematische Regeln,die überdacht, möglicherweise reformuliert oder gar ganz außer Kraft gesetztwerden müssen.

Beispiel: Finia, eine fünfzehnjährige Jugendliche verstößt gegen die Regel,bis spätestens Mitternacht wieder zuhause zu sein, weil sie lieber mit ihrenKlassenkameradinnen, die alle länger auf der Party bleiben dürfen, weiter-feiern möchte. Die Regel wurde von den Eltern aber aus Sorge um ihreTochter formuliert und deren Wünschen, ihre Tochter vor dem eigenenSchlafengehen sicher und wohlbehalten im Hause angekommen zu wissen.

Strafe als erzieherisch unwirksames Mittel mit NebenwirkungenWenn Strafe vom bestraften Heranwachsenden als Strafe erlebt wird, so wird erdas Verhalten unterlassen, aus Angst vor dem in der Strafe zugefügten Leid.

Wenn dem Heranwachsenden aber die Befriedigung subjektiv wichtiger Bedürf-nisse nicht auf anderem Wege eröffnet wird, so wird er entweder sein Tun heim-

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lich weiterverfolgen oder sofort wieder aufnehmen, sobald die Strafe nicht mehrzu befürchten ist. Strafe unterdrückt unerwünschtes Verhalten lediglich, eineVeränderung der Motivation, die dem Handeln zugrunde liegt, kann sie nicht er-reichen, sofern dieses Handeln aus der Befriedigung subjektiv bedeutsamer Be-

dürfnisse heraus motiviert ist. Wenn Erziehung das Ziel hat, junge Menschen zueigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähige Mitgliedern zu machen und zuMenschen, die sich aus Einsicht in die Sinnhaftigkeit von Regeln an eben diesehalten, dann kann bei Strafe als Erziehungsmittel nicht davon ausgegangen wer-den, dass Strafe den Zuwachs an eine solche Einsicht erhöht.

Beispiel: Finia wird mit einem zweiwöchigen Entzug ihres Handys bestraftund die Eltern drohen ihr an, diese Strafe bei einem erneuten Verstoß ge-gen die Ausgeh-Fristen zu verschärfen. Weil ihre Freundinnen aber weiterlänger wegbleiben dürfen und sie das ebenfalls möchte, wird dies einStreitpunkt in der Familie bleiben und wird Finia wieder später nach Hausekommen, sobald ihre Eltern ihr Nachhausekommen nicht überwachen kön-

nen, weil sie beispielsweise selbst länger weg sind.

Ferner belastet der Vorgang des Bestrafens den pädagogischen Bezug zwischenErzieher und Heranwachsendem, insofern sich der Bestrafte vom Strafenden ge-demütigt fühlen und sich ihm gegenüber als ohnmächtig erfahren kann. Vor al-lem aber wirft Bestrafung einen Schatten auf die für den pädagogischen Bezugwichtigen Gefühle der Empathie und des Wohlwollens: Mitgefühl und Wohlwollen-lassen sich nach menschlichem Empfinden nur schwer damit vereinbaren, einemSchwächeren und Abhängigen kalkuliert und gleichsam „kaltherzig“ Leid zuzufü-gen, selbst wenn der bestrafende Erwachsene vorgibt, dem Heranwachsendendieses Leid aus wohlwollendem erzieherischen Interesse heraus zuzumuten. Kin-

der erleben Strafen oft als Lieblosigkeit und konzentrieren sich dann mehr auf „Vergeltungsphantasien“ als auf die mit der Strafe eingeforderte Verhaltensände-rung.

Beispiel: Finia beginnt aufgrund der Strafaktionen ihrer Eltern an derenechter Zuneigung zu zweifeln und beginnt als Reaktion darauf, sich von die-sen abzuwenden: sie verschließt sich ihnen und reagiert mit Rebellion.

Aushandeln, Transparenz und Sicherung von BedürfnisbefriedigungWill man auf erzieherischem Wege und im Sinne einer emanzipatorischen Päda-gogik (vgl. MOLLENHAUER 1968) nachhaltige Veränderung eines Verhaltens errei-chen, dann müssen:•  Regeln gemeinsam ausgehandelt,•  Sinn und Hintergründe von Regeln transparent gemacht (aufzeigen, warum es

lohnt, sich an die Regeln zu halten) und•  Wege für regel- und normgerechte Befriedigung wichtiger Bedürfnissen aufge-

zeigt oder entwickelt werden.

Beispiel: die Eltern könnten mit Finia ihre Beweggründe (Sorgen um sichereHeimkehr und genügend Schlaf) und die ihrer Tochter (mit Freundinnenwas erleben und sichere Heimkehr) besprechen und damit die jeweiligenHintergründe transparent machen. Sie könnten dann gemeinsam überle-

gen, wie die Befriedigung aller Bedürfnisse möglichst breit gewährleistetwerden kann und dafür Regeln gemeinsam aushandeln (z.B. langes Weg-

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bleiben in den Ferien, in der Schulzeit früher nach Hause kommen; Nach-hauseweg nur mit sicheren Fahrern, die vorher bekannt gegeben werden;rechtzeitig Bescheid geben, wenn sich Veränderungen ergeben).

Solche Regeln verhindern unnötige Regelverstöße und vermeiden, dass Erziehersich genötigt fühlen, Regelverstöße mit Bestrafung zu ahnden.

Grenzensetzen und Grenzen durchsetzenNun gibt es aber dennoch Situationen, die das Setzen von Grenzen sowie Mittelzur Durchsetzung dieser Grenzen (also Mittel, mit denen auf Grenzverletzungenerfolgreich reagiert werden kann) erforderlich machen. LautFLITNER (1996, 105f) sind solche Situation dann gegeben,wenn folgende Gefahren drohen:•  Gefahr für das Kind: an Leib und/oder Seele ernsthaften

Schaden zu nehmen,•  Gefahr für Andere: verletzt, gekränkt, geplagt zu werden,•  Gefahr für das gemeinschaftliche Leben: dass Sitte und

gemeinsame Werthaltungen, gemeinsame Dinge undGeräte beschädigt werden.

Beispiele: Milena, 2 Jahre, sieht auf der anderen Seiteder Hauptstraße eine kleine Katze sitzen und will zu ihrhinüberrennen, um sie zu streicheln. Gleichzeitig nähertsich hinter der Kuppe ein Lastwagen.Björn, 14 Jahre, hat es sich zum Sport gemacht, die Fünftklässler zu drang-salieren und ihnen je nach Lust und Laune Wertgegenstände abzupressen.

Thea, 10 Jahre, sitzt am Vespertisch, es sind noch nicht alle Familienmit-glieder da, deshalb kann es noch nicht losgehen mit Essen. Ihr ist langwei-lig und sie beginnt, mit dem Messer das Tischtuch zu zerschneiden.Die dritte Klasse besucht mit ihrer Religionsehrerin eine Kirche, vereinzeltknien Erwachsene in den Bänken und beten. Da beginnen Torben, Mathisund Merit unvermittelt zwischen den Kirchenbänken lautstark Fangen zuspielen.

In solchen Situationen muss man als Erzieher aus der Verantwortung für dasWohl der Heranwachsenden selbst oder für das Wohl anderer Menschen eingrei-fen, Grenzen setzen und diese Grenzen auch durchsetzen. Erfordert das Durch-

setzen der Grenzen aber nun, dass man Grenzverletzungen bestraft oder mitStrafandrohung zu verhindern versucht?

PräventionZunächst gilt hier dasselbe, was oben im Zusammenhang mit Regeln schon for-muliert wurde: auch Grenzen sind transparent zu machen und so zu setzen, dassberechtigte Bedürfnisse von Kindern sicher befriedigt werden. Auf diese Weisekann Grenzverletzungen vorgebeugt werden. Auch REDL  und WINEMAN  (1976)legen den Akzent auf präventives erzieherisches Handeln und beschreiben detail-liert 15 (!) Möglichkeiten, ohne Rückgriff auf Drohungen und Bestrafung (sowie

unter Verzicht auf Versprechungen und Belohnungen als nur vermeintlich positive

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 „pädagogische“ Mittel) auf aggressives und auch selbst-, fremd und sachgefähr-dendes Verhalten von Heranwachsenden zu reagieren:

1.  Bewusstes Ignorieren2.  Eingriff durch Signale

3. 

Kontrolle durch körperliche Nähe und Berührung4.  Engagement in einer „Interessensgemeinschaft“5.  Affektive Zuwendung6.  Spannungsentschärfung durch Humor7.  Hilfestellung zur Überwindung von Hindernissen8.  Deutung als Eingriff9.  Umgruppierung10.  Umstrukturierung11.  Direkter Appell12.  Einschränkung der räumlichen Bewegungsfreiheit und der Verfügbarkeit

von Gegenständen

13. 

Herausnehmen aus einer Situation14.  Physisches Eingreifen15.  Erlaubnis und Verbot

Alle diese fünfzehn Techniken müssen so angewandt werden, dass jeglicher „strafende“ Anschein unterbleibt, die Grundhaltung der Erzieher muss von abso-lutem Wohlwollen und Bemühen um Verstehen geprägt sein, und der Erzieher inder Lage, dies dem Heranwachsenden auch zu vermitteln: „Ich bin jemand, derdich gern hat, dich ernst nimmt und der konsequent sowie mit aller Kraft darumkämpft, dir zu helfen ein glückliches und erfülltes Leben in Gemeinschaft mit an-deren zu führen sowie nach meinen Möglichkeiten Schaden und Leid von dir fern-

zuhalten – auch dann, wenn ich dir verbiete, mit dem Messer das Tischtuch zuzerschneiden“.

Konfrontation als letzte MöglichkeitFLOSDORF (2004) bezieht sich in seinen Ausführungen zur heilpädagogischen Be-ziehungsgestaltung unter anderem auf REDL /WINEMAN, würde seinem Konzeptentsprechend die genannten Techniken im Falle von Björn oder anderen Jugend-lichen, die andere Menschen unterdrücken und quälen, noch um die Technik des „Konfrontierens“ ergänzen. Dieses Konfrontieren nehmen auch Vertreter der so-genannten „Konfrontativen Pädagogik“ (WEIDNER /KILB  2004) in Anspruch und

entwickeln darauf basierend ein umfassendes, noch nicht abschließend kritischausdiskutiertes Konzept für den Umgang mit mehrfachstraffälligen und gewalttä-tigen Jugendlichen. Dies hier eingehender und mit der angesichts eines solchheiklen Themas nötigen Differenziertheit darzustellen würden den Rahmen diesesAufsatzes sprengen, weshalb darauf verzichtet und lediglich auf die entsprechen-den Veröffentlichungen verwiesen wird. Wichtig bleibt hier festzuhalten, dass „Konfrontieren“ Strafe nicht notwendig miteinschließt, und dass die Vertreter die-ses Konzepts darauf insistieren, dass Konfrontieren immer nur als „ultima ratio“(als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen pädagogischen Versuche erfolglos blie-ben) zu verstehen ist sowie nur auf der Grundlage einer von grundsätzlicherWertschätzung und dem Ringen um den Jugendlichen geprägten Beziehungsar-

beit stattfinden darf (vgl. BRAND /GALL /WEIDNER o.D.).

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Natürliche und logische Konsequenzen anstelle von StrafeFALK-FRÜHBRODT (2004) unterscheidet zwischen „Strafe“ und „Konsequenzen“ undplädiert dafür, Heranwachsende nicht gleichsam willkürlich zu bestrafen, sondernauf sogenannte natürliche und logische Konsequenzen als Alternativen zu Strafen

zurückzugreifen: „Natürliche Konsequenzen sind Folgen eines Verhaltens, die sich ganz vonalleine einstellen: Wenn ich mich zu dünn angezogen habe, wird mir kalt.Wenn ich mir die Zähne nicht putze, bekommen sie Löcher. Wenn ich nichtsesse, verspüre ich Hunger. Manche dieser Folgen können einem Kind zu-gemutet werden; andere nicht. Läuft ein Kind unachtsam auf die Straße,könnte eine natürliche Folge sein, dass es vom Bus erfasst wird. Das müs-sen Eltern verhindern. Mit Gefahren verbundene natürliche Konsequenzenersetzt man am besten durch logische Konsequenzen. (…) Logische Konse-quenzen sind Folgen kindlicher Verhaltensweisen, die die Eltern oder andereErziehende herbeiführen. Sie haben stets eine inhaltliche und zeitliche Nähe

zum Verhalten des Kindes“ (ebd.).Beispiele für logische Konsequenzen: Wenn Björn nicht davon ablässt ande-re Kinder zu erpressen, darf er nur noch in Begleitung eines Älteren auf denPausenhof. Wenn Milena trotz Warnung über die Straße zur Katze rennenwill, muss sie an der Hand des Vaters bleiben.

FALK-FRÜHBRODT empfiehlt Eltern und Erziehern solche natürlichen und logischenKonsequenzen einzusetzen, weil Heranwachsende sie besser nachvollziehen kön-nen als Strafen, da „sie nicht auf seine Person bezogen sind, sondern sich ausden Erfordernissen der Wirklichkeit ableiten lassen. Weder verurteilen sie dasKind, noch werten sie es ab. Im Gegensatz zu Strafen werden Konsequenzen ru-

hig und freundlich benannt bzw. sprechen für sich. Das Kind soll sich durch sienicht bestraft fühlen, sondern die auch für Kinder geltenden Sachzwänge erken-nen“ (ebd.).

Literatur

BRAND,  Markus  /GALL,  Reiner  /WEIDNER,  Jens: IKD. Deutsches Institut für konfrontative PädagogikAnti-Aggressivitäts –und Coolness-Training [online] ohne Datum. http://www.konfrontative-paedagogik.de/start.html (Stand: 03.10.2006)

FALK-FRÜHBRODT, Christine: Strafe muss sein! – Muss Strafe sein? Teil 1: Natürliche und logischeKonsequenzen statt Strafen [online]. Dezember 2004. http://www.ads-

kurse.de/strafen_logische_konsequenzen.htm (Stand: 02.10.2006)FLITNER, Andreas: Konrad, sprach die Frau Mama…. Über Erziehung und Nicht-Erziehung. Beltz19968

FLOSDORF, Peter: Heilpädagogische Beziehungsgestaltung. Freiburg i.Br.: Lambertus 2004

GEIßLER, Erich E.: Erziehungsmittel. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1982.

MOLLENHAUER, Klaus: Erziehung und Emanzipation. Polemische Skizzen. München: Juventa 1968

REDL, Fritz / WINEMAN, David: Steuerung des aggressiven Verhaltens beim Kind. München: R. Piper& Co. 1976

RÜCKERT, Bernd: Strafe und Strafvollzug. In: Erziehung im Strafvollzug. Ein pädagogisches Organi-sationskonzept. Dissertation FAU Erlangen 1974. S. 14-30.

SPONSEL, Rudolf: Allgemeine und integrative Psychologie der Strafe. Wozu taugen Strafen, wassetzt ihre Wirksamkeit voraus, wie funktionieren sie? [online]. 06.10.2003, letzte Änderung

24.10.2003. http://www.sgipt.org/forpsy/strafe/psystraf0.htm (Stand: 03.10.2006)WEIDNER, Jens / KILB, Rainer (Hrsg.): Konfrontative Pädagogik. Konfliktbearbeitung in sozialer Ar-beit und Erziehung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004