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Gynäkologe 2012 · 45:448–452 DOI 10.1007/s00129-011-2918-0 Online publiziert: 26. Mai 2012 © Springer-Verlag 2012 R. Souchon 1  · W. Budach 2  · J. Dunst 3 1  Klinik für Radioonkologie, Universitätsklinikum Tübingen 2    Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie,  Universitätsklinikum Düsseldorf 3  Klinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Strahlentherapie  Die S3-Leitlinien beanspruchen, Grundlagen eines Gesamtkonzeptes für eine optimale, qualitätsgesicherte multidisziplinäre, sektorenübergrei- fende Versorgung für Mammakarzi- nompatientinnen darzustellen, reali- siert durch Erarbeitung, kontinuierli- che Aktualisierung und Implementie- rung evidenzbasierter formal konsen- tierter Empfehlungen. Beim Update der S3-Leitlinie waren die daran be- teiligten Radioonkologen beauftragt, die für ihren Versorgungsbereich re- levanten aktuellen wissenschaftli- chen Erkenntnisse und Behandlungs- konzepte zu definieren und den da- raus abgeleiteten Änderungsbedarf anzugeben. Entsprechend den methodischen Vor- gaben des S3-Aktualisierungsverfahrens wurde die Gültigkeit bestehender Thera- pieindikationen weitgehend durch Adap- tation der vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) in de- ren Evidenzbericht Leitlinien-Synopse Mammakarzinom zusammengestellter und somit vorgegebener ausgewählter Leitlinien [4, 14, 18, 20] überprüft, gele- gentlich auch durch aggregierte Evidenz- quellen [11]. Für den Bereich RT erfolgte so- mit nicht für alle Statements jeweils eine eigene systematische Recherche in Datenbanken der beiden letzten zurück- liegenden Jahre und demzufolge nicht immer eine auf zwischenzeitlich publi- zierte Metaanalysen, randomisierte kli- nische Studien (RCT) bzw. den Original- arbeiten basierende Bewertung. Radiotherapie im Rahmen der Primärtherapie Eine postoperative perkutane Hochvolt- bestrahlungsbehandlung führt in allen Al- tersgruppen zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle und des Gesamtüberle- bens [11]. Obwohl auch primäre bzw. adju- vante antineoplastische Systemtherapien signifikant die lokoregionale Tumorkont- rolle erhöhen, reichen deren Effekte – und das ist entscheidend dabei – für die meis- ten Patientinnen jedoch nicht aus, um auf eine RT verzichten zu können. Radiotherapie nach  brusterhaltender  operativer Therapie Ergebnisse einer neuen Metaanalyse be- stärken die unverändert grundsätzliche Empfehlung zur RT nach brusterhalten- der operativer Therapie (BEO; [11]). Das Ausmaß der RT nach BEO auf die Rate lokaler bzw. lokoregionaler Rückfälle und auf die Senkung der tumorspezifischen Mortalität ist abhängig vom Tumorsta- dium zum Zeitpunkt der Diagnosestel- lung. Die RT verringert bei pN0 die Ra- ten aller Rückfälle (lokoregional und dis- tant; „any recurrence“) von 31 auf 15,6% (10 Jahre) und bei pN + von 63,7 auf 42,5% (10 Jahre; [11]). Nach primärer (neoadjuvanter) Sys- temtherapie und histopathologisch be- stätigter Vollremission (pCR) besteht in Analogie zur adjuvanten Bestrahlung nach BEO die Indikation zur RT der Brust. Obwohl die Datenlage weiterhin noch nicht ausreicht, begründet sich die Indikation durch die Kenntnis einer hö- heren Lokalrezidivrate nach neoadjuvan- ter Chemotherapie bei Verzicht auf eine RT [4, 5, 17]. Hypofraktionierung Die Ergebnisse prospektiv randomisierter Studien zur Hypofraktionierung haben zu einer differenzierteren Bewertung ge- führt und bestimmen die derzeitige kon- trovers geführte Diskussion [12]. In Groß- britannien und Kanada wird die hypo- fraktionierte RT als neuer Standard defi- niert, gleichwertig zur normofraktionier- ten RT angesehen [18, 13, 29] und in den dortigen aktualisierten Leitlinien generell empfohlen [13, 14, 18, 29]. In anderen na- tionalen Leitlinien wird sie als gleichwer- tig zur normofraktionierten RT [20] bzw. als eine Option für bestimmte Patientin- nengruppen angesehen [4, 5]. Internatio- nal werden die Bewertungen als gleich- wertige Option diskutiert, da lediglich von der kanadischen Studie Langzeitdaten (10 Jahre) vorliegen [5, 12, 24, 29]. Dieser Umstand führte in der aktuellen Beurtei- lung im „systematic review“ der Coch- rane Collaboration vom November 2010 zu einer Neubewertung der o. a. vier gro- ßen Studien zur Hypofraktionierung und einer substanziellen Änderung der dar- aus abgeleiteten Schlussfolgerungen [15]. Die Studien wurden gegenüber der von der Cochrane Collaboration vorgenom- menen Bewertung aus dem Jahr 2008 auf „Studien mit niedriger bis mittlerer Qua- lität“ herabgestuft. Besonders kritisch und bezüglich einer Bewertung als gleichwer- tig zu den bisherigen etablierten „normo- Redaktion R. Kreienberg, Ulm 448 | Der Gynäkologe 6 · 2012 Leitthema

Strahlentherapie; Radiation therapy;

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Gynäkologe 2012 · 45:448–452DOI 10.1007/s00129-011-2918-0Online publiziert: 26. Mai 2012© Springer-Verlag 2012

R. Souchon1 · W. Budach2 · J. Dunst3

1 Klinik für Radioonkologie, Universitätsklinikum Tübingen2  Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie, 

Universitätsklinikum Düsseldorf3 Klinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Strahlentherapie 

Die S3-Leitlinien beanspruchen, Grundlagen eines Gesamtkonzeptes für eine optimale, qualitätsgesicherte multidisziplinäre, sektorenübergrei-fende Versorgung für Mammakarzi-nompatientinnen darzustellen, reali-siert durch Erarbeitung, kontinuierli-che Aktualisierung und Implementie-rung evidenzbasierter formal konsen-tierter Empfehlungen. Beim Update der S3-Leitlinie waren die daran be-teiligten Radioonkologen beauftragt, die für ihren Versorgungsbereich re-levanten aktuellen wissenschaftli-chen Erkenntnisse und Behandlungs-konzepte zu definieren und den da-raus abgeleiteten Änderungsbedarf anzugeben.

Entsprechend den methodischen Vor-gaben des S3-Aktualisierungsverfahrens wurde die Gültigkeit bestehender Thera-pieindikationen weitgehend durch Adap-tation der vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) in de-ren Evidenzbericht Leitlinien-Synopse Mammakarzinom zusammengestellter und somit vorgegebener ausgewählter Leitlinien [4, 14, 18, 20] überprüft, gele-gentlich auch durch aggregierte Evidenz-quellen [11].

Für den Bereich RT erfolgte so-mit nicht für alle Statements jeweils eine eigene systematische Recherche in Datenbanken der beiden letzten zurück-liegenden Jahre und demzufolge nicht immer eine auf zwischenzeitlich publi-zierte Metaanalysen, randomisierte kli-nische Studien (RCT) bzw. den Original-arbeiten basierende Bewertung.

Radiotherapie im Rahmen der Primärtherapie

Eine postoperative perkutane Hochvolt-bestrahlungsbehandlung führt in allen Al-tersgruppen zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle und des Gesamtüberle-bens [11]. Obwohl auch primäre bzw. adju-vante antineoplastische Systemtherapien signifikant die lokoregionale Tumorkont-rolle erhöhen, reichen deren Effekte – und das ist entscheidend dabei – für die meis-ten Patientinnen jedoch nicht aus, um auf eine RT verzichten zu können.

Radiotherapie nach brusterhaltender operativer Therapie

Ergebnisse einer neuen Metaanalyse be-stärken die unverändert grundsätzliche Empfehlung zur RT nach brusterhalten-der operativer Therapie (BEO; [11]). Das Ausmaß der RT nach BEO auf die Rate lokaler bzw. lokoregionaler Rückfälle und auf die Senkung der tumorspezifischen Mortalität ist abhängig vom Tumorsta-dium zum Zeitpunkt der Diagnosestel-lung. Die RT verringert bei pN0 die Ra-ten aller Rückfälle (lokoregional und dis-tant; „any recurrence“) von 31 auf 15,6% (10 Jahre) und bei pN + von 63,7 auf 42,5% (10 Jahre; [11]).

Nach primärer (neoadjuvanter) Sys-temtherapie und histopathologisch be-stätigter Vollremission (pCR) besteht in Analogie zur adjuvanten Bestrahlung nach BEO die Indikation zur RT der Brust. Obwohl die Datenlage weiterhin noch nicht ausreicht, begründet sich die

Indikation durch die Kenntnis einer hö-heren Lokalrezidivrate nach neoadjuvan-ter Chemotherapie bei Verzicht auf eine RT [4, 5, 17].

Hypofraktionierung

Die Ergebnisse prospektiv randomisierter Studien zur Hypofraktionierung haben zu einer differenzierteren Bewertung ge-führt und bestimmen die derzeitige kon-trovers geführte Diskussion [12]. In Groß-britannien und Kanada wird die hypo-fraktionierte RT als neuer Standard defi-niert, gleichwertig zur normofraktionier-ten RT angesehen [18, 13, 29] und in den dortigen aktualisierten Leitlinien generell empfohlen [13, 14, 18, 29]. In anderen na-tionalen Leitlinien wird sie als gleichwer-tig zur normofraktionierten RT [20] bzw. als eine Option für bestimmte Patientin-nengruppen angesehen [4, 5]. Internatio-nal werden die Bewertungen als gleich-wertige Option diskutiert, da lediglich von der kanadischen Studie Langzeitdaten (10 Jahre) vorliegen [5, 12, 24, 29]. Dieser Umstand führte in der aktuellen Beurtei-lung im „systematic review“ der Coch-rane Collaboration vom November 2010 zu einer Neubewertung der o. a. vier gro-ßen Studien zur Hypofraktionierung und einer substanziellen Änderung der dar-aus abgeleiteten Schlussfolgerungen [15]. Die Studien wurden gegenüber der von der Cochrane Collaboration vorgenom-menen Bewertung aus dem Jahr 2008 auf „Studien mit niedriger bis mittlerer Qua-lität“ herabgestuft. Besonders kritisch und bezüglich einer Bewertung als gleichwer-tig zu den bisherigen etablierten „normo-

RedaktionR. Kreienberg, Ulm

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Leitthema

fraktionierten“ Behandlungskonzepten wird von den Autoren herausgestellt, dass bei den 7095 innerhalb dieser randomi-sierten Studien behandelten Patientinnen nur eine relativ kleine Anzahl von ihnen über mehr als fünf Jahre nachbeobachtet worden ist und daher längere Nachbeob-achtungszeiten für eine fundierte Bewer-tung erforderlich wären. In der S3-Leit-linie wird eine Hypofraktionierung nur für ältere Patientinnen, die keine Chemo-therapie erhalten, mit kleineren Tumoren und ohne lokoregionalen Lymphknoten-befall als Alternative zur normofraktio-nierten RT aufgenommen.

Alleinige Teilbrustbestrahlung und intraoperative Radiotherapie 

Eine am individuellen Risiko orientierte Indikation zur adjuvanten alleinigen in-tra- oder postoperativen Teilbrustbe-strahlung („partial breast irradiation“, PBI, oder „accelerated partial breast irra-diation“, APBI) nach kompletter Tumor-exzision unter Brusterhalt und Beschrän-kung des Bestrahlungsvolumens auf die Tumorregion ist weiterhin nicht ausrei-chend definiert. Sie stellt demzufolge kei-nen Therapiestandard dar. Sie wird ledig-lich als eine Option angesehen für Patien-tinnen, bei denen eine Homogenbestrah-lung der gesamten Brust nicht durch-führbar ist [17, 18, 20]. Bisher vorliegen-de Studienergebnisse ergaben zwar für be-stimmte Subgruppen mit unifokalem klei-nen Mammakarzinom lokale Tumorkon-trollraten, die mit denen einer RT der ge-samten Brust erreichbaren vergleichbar waren, doch sind die Nachbeobachtungs-zeiten für die innerhalb von prospektiven randomisierten Studien mit einer alleini-gen PBI therapierten Patientinnen insge-samt noch zu gering [3, 26].

Eine IORT als alleinige RT-Modali-tät stellt die extreme Variante der Kom-bination einer Hypofraktionierung und einer PBI dar und erfolgt unmittelbar nach der chirurgischen Tumorexstirpa-tion unter Beschränkung auf die Tumor-resektionshöhle mit Applikation einer als kurativ angesehenen Gesamtdosis. Die am individuellen Risiko orientier-ten Indikationsstellungen sind ebenfalls noch nicht definiert. Bisherige Studien differieren im Ausmaß der operativen

Therapie (in der TARGIT-A-Studie eine Lumpektomie [25], in der ELIOT-Stu-die eine Quadrantektomie [27]), ihren Einschlusskriterien, Strahlenqualitäten, Dosierungen und dem zu bestrahlen-den Brustvolumen, also in wesentlichen onkologisch-therapeutischen Aspekten [19]. Die relative biologische Effektivität der Verfahren im Vergleich und gegen-über der perkutanen Homogenbestrah-lung der gesamten Brust sowie die jewei-ligen Nebenwirkungs- und chronischen Komplikationsraten der verschiedenen APBI- bzw. IORT-Verfahren sind noch nicht ausreichend abzuschätzen [19, 28].

Radiotherapie der Brustwand nach Mastektomie

Eine postoperative RT der Thoraxwand nach Mastektomie kann neben der ver-besserten lokoregionalen Tumorkontrolle einen positiven Einfluss auf die brust-krebsspezifische Mortalität und die Über-lebenswahrscheinlichkeit haben: Je höher das individuelle Rückfallrisiko ist, desto größer ist der individuelle Benefit bezüg-lich der lokoregionalen Tumorkontrol-le und der Überlebenswahrscheinlichkeit durch eine postoperative RT [8, 21, 22].

Dabei sind als hohes Rückfallrisiko eine >20%, als intermediäres Risiko eine 10–20% Wahrscheinlichkeit für ein loko-regionales Rezidiv definiert. Ein hohes Rückfallrisiko haben Patientinnen mit T3- und T4-Tumoren, R1-und R2-Resekt-ion bzw. einem ipsilateralen axillären Be-fall von mehr als drei Lymphknoten. Ein intermediäres besteht für Patientinnen mit T1- oder T2-Tumoren und nur einem bis drei befallenen axillären Lymphkno-ten und weiteren Risikofaktoren, wie z. B. einem Grading G3, einem intrava-salen Tumorzellnachweis (Blut- und/oder Lymphbahnen; V1, L1) oder einem lobulä-ren histologischen Subtyp [10, 21].

> Für Patientinnen mit hohem lokoregionalen Rückfallrisiko ist der Nutzen einer Brustwand-bestrahlung gesichert.

Für diese Patientinnen wird die Radio-therapie international einheitlich em-pfohlen [4, 5, 8, 14, 17, 18, 20, 21]. Für Patientinnen mit pN+ (1–3 befallene

Lymphknoten) und intermediärem Ri-siko wurde in einigen großen Studien ebenfalls ein allerdings geringerer Über-lebensvorteil durch die RT beobachtet [8, 14, 17, 18, 20]. Etwa zwei Drittel der am Konsensverfahren beteiligten Ab-stimmungsberechtigten waren bezüg-lich dieser Indikation für eine schwache Empfehlung („kann“), d. h. es wurde kein Konsens wurde erreicht.

Für Patientinnen mit pN0 und inter-mediärem Risiko ist die Indikation zur RT der Thoraxwand nach Mastektomie nicht ausreichend abgesichert [1, 16]. Nur eine Minderheit der Abstimmungs-berechtigten sah beim Zusammentref-fen vieler Risikofaktoren [1, 4, 16, 17, 22] eine relative Indikation zur RT der Tho-raxwand.

Nach primärer (neoadjuvanter) syste-mischer Therapie (PST) richtet sich die Indikation zur RT nach denselben Be-strahlungsindikationen wie für die nach Mastektomie ohne vorgezogene PST – auch für den Fall einer histopatholo-gisch bestätigten Vollremission nach PST (ypT0, ypN0) [4, 5, 12, 14, 17, 18].

Radiotherapie des regionalen Lymphabflusses

Der Wert einer Nachbestrahlung des re-gionalen Lymphabflusses ist bisher nicht durch prospektive und randomisierte Stu-dien eindeutig belegt. Darüber muss in-dividuell entschieden werden [4, 5, 17, 18]. Ergebnisse prospektiver und ran-domisierter Studien [MRC/EORTC (BIG 2–24) SUPREMO, EORTC-Pro-tocol-22922–10925, EORTC-Protocol-22023–10981(AMAROS), NSABP-B32, NCIC-CTG MA.20; [16, 30]] stehen der-zeit noch aus.

Werden in den regionalen axillären Lymphknoten lediglich isolierte Tumor-zellen oder Mikrometastasen nachgewie-sen, so rechtfertigt das nicht eine RT der Axilla [9].

Die zugrunde gelegten Leitlinien ge-ben differierende Empfehlungen zur RT der supra-/infraklavikulären Lymphab-flusswege bei pN+ (1–3 LK) und bezüg-lich einer Miterfassung bei Befall der Mammaria-interna-Lymphknoten [4, 14, 18, 20]. Zudem ist unklar, ob zusätzlich zu einer nach BEO obligaten RT der Brust,

Zusammenfassung · Abstract

Gynäkologe 2012 · 45:448–452   DOI 10.1007/s00129-011-2918-0© Springer-Verlag 2012

R. Souchon · W. Budach · J. Dunst

Strahlentherapie

Zusammenfassung

Die am S3-Leitlinien-Update beteiligten Ra-dioonkologen hatten fachgebietsbezogen unter Einbeziehung aktueller Daten und ra-dioonkologischer Konzepte einen daraus ab-geleiteten Änderungsbedarf für die Primär-therapie, beim lokalen/lokoregionalen Rück-fall und bei Metastasierung anzugeben. Ak-tualisierungen zu den Indikationen für eine Strahlentherapie (RT) betreffen Zielvolumina  bei lokoregionalem Befall, Teilbrustbestrah-lungen einschließlich (alleiniger) intraopera-tiver RT, Hypofraktionierungskonzepte, Kom-bination mit Systemtherapien i. R. der Pri-märtherapie und Einsatz bei lokoregiona-lem Rückfall und Organmetastasierung. Ge-mäß den methodischen Vorgaben des Upda-te-Verfahrens wurde die Gültigkeit bestehen-der RT-Indikationen weitgehend durch Adap-

tation vorgegebener ausgewählter Leitlinien überprüft. Im Adaptationsverfahren werden aufgrund des zeitlichen Abstandes zum zu-rückliegenden Publikationsdatum der Quell-Leitlinien die aktuellsten Studiendaten durch das Wissen der nominierten Experten einge-bracht, um Empfehlungen eventuell modifi-zieren zu können. Die im multidisziplinären sektorenübergreifenden Konsensus erstellten Bewertungen und Empfehlungsgrade zu RT-Indikationen und -Modalitäten berücksich-tigen mehrheitlich das von den Radioonko-logen Vorgeschlagene. Auf die Änderungen wird im Einzelnen eingegangen.

SchlüsselwörterBrustkrebs · Radiotherapie · Leitlinien  ·  Konsentierung · Kombinationstherapien 

Radiation therapy

AbstractThe radiation oncologists involved in the up-dating process of the S3 guidelines had to identify the need for some refinements re-garding primary therapy, treatment of locore-gional recurrences and of metastatic disease taking recent data and concepts of radiother-apy (RT) into account. Updates with respect to indications for RT affect target volumes in cases of locoregional lymph node involve-ment, partial breast irradiation including (sole) intraoperative RT, hypofractionated RT, combinations with systemic treatment and the management of locoregional relap ses and distant metastases. In accordance with the methodological specifications of the S3 update procedure, the validity of existing in-dications for RT were to a large extent revised 

by adaption to a number of predetermined guidelines. Therefore, the new statements with respect to RT are only partially derived from up to date systematic reviews of data-bases and original references from the past 2 years. The appraisals and grades of recom-mendations related to indications and mo-dalities of RT developed in a multidisciplinary and cross-sectional comprehensive consen-sus incorporate most of the proposals of the radiation oncologists. Amendments are de-scribed in detail.

KeywordsBreast cancer  · Radiation therapy ·  Guidelines  · Consensus development ·  Combination radiotherapy

bei der aus physikalischen Gründen not-wendigerweise auch axilläre Lymphab-flussanteile in individuell unterschied- lichem Ausmaß erfasst werden, bei kli-nisch unauffälliger (cN0) Axilla, jedoch positiven/m Sentinel-Lymphknoten und Verzicht auf eine Axilladissektion eine Modifikation der RT-Technik für die lo-koregionale Tumorkontrolle axillär erfor-derlich ist. Im S3-Abstimmungspanel be-stand Konsens dahingehend, dass nach derzeitigem Wissensstand eine Modifi-

kation der Bestrahlungstechnik nicht em-pfohlen werden kann.

Therapiesequenz Antikörper- und Radiotherapie

Eine simultane Applikation von Trastu-zumab zur RT kann verantwortet wer-den, sofern keine Bestrahlung des Mam-maria-interna-Lymphabflusses vorgese-hen ist. Wenn Herzanteile innerhalb der Bestrahlungsvolumina miterfasst wer-den, ist eine mögliche additive oder su-

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praadditive radiogene Kardiotoxizität zu berücksichtigen [4, 6, 7]. Diese ist vor al-lem für Patientinnen mit linksseitig ma-nifestiertem Mammakarzinom von Be-deutung, insbesondere nach Chemo-therapie mit potenziell kardiotoxischen Substanzen (Anthrazykline). Randomi-sierte Studien zur Klärung von Unter-schieden einer sequenziellen gegenüber einer simultanen Radio- und Trastuzu-mab-Therapie gibt es nicht [6, 7]. Bei Pa-tientinnen mit kardialer Vorschädigung muss über die simultane Radio- und Antikörpertherapie im Einzelfall ent-schieden werden.

Therapiesequenz endokriner System- und Radiotherapie

Endokrine Therapieformen können si-multan zur RT oder sequenziell durch-geführt werden [4, 6, 7]. Eine Einnahme von Aromatasehemmern oder Tamoxi-fen unter Verzicht auf eine RT nach BEO ist mit einer signifikant höheren lokalen Rückfallrate verbunden und bestätigt, dass eine antineoplastische endokrine Systemtherapie für die lokale Tumorkon-trolle nicht ausreicht und in keinem Fall eine RT ersetzen kann.

»  Eine endokrine Systemtherapie kann die Strahlentherapie auf keinen Fall ersetzen 

Mögliche Unterschiede in Bezug auf eine Akuttoxizität bei einer sequenziell gegen-über einer simultan zur RT erfolgenden Einnahme des Aromatasehemmers Le-trozol wurden bei postmenopausalen Pa-tientinnen in einer randomisierten Stu-die untersucht und ergaben nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Therapiesequenzen bezüglich therapieassoziierter kutaner Akuttoxizitäten [2, 4]. Aussagen zur kar-dialen Toxizität oder zu Effekten auf das tumorspezifische Überleben sind auf-grund der kurzen Nachbeobachtungspe-riode nicht möglich.

Radiotherapie bei lokalem oder lokoregionalem Rezidiv

Falls im Rahmen der Primärtherapie keine Bestrahlung erfolgte, ist eine post-operative Bestrahlung zu erwägen. Dies gilt umso mehr, wenn das Lokalrezidiv nicht in sano operiert werden konnte (R1, R2). Bei Vorliegen zusätzlicher ungünsti-ger Risikofaktoren kann auch nach einer zuvor bereits durchgeführten adjuvan-ten RT erneut eine kleinvolumige niedri-ger dosierte Re-Bestrahlung indiziert sein. Bei Inoperabilität können sowohl eine RT als auch systemische endokrine und Che-motherapien jeweils als alleinige Maßnah-me oder auch in Kombination zur Symp-tom- und Tumorkontrolle eingesetzt wer-den. Es gibt Hinweise dafür, dass mit si-multan zur RT eingesetzter Chemothe-rapie oder Oberflächenhyperthermie als strahlensensibilisierende Verfahren hö-here lokale Ansprechraten und eine bes-sere lokale Tumorkontrolle als eine Re-Bestrahlung allein erzielt werden [23]. Die Überlebensraten werden hierdurch jedoch nicht verbessert [17, 23].

Radiotherapie bei Skelett- oder Hirnmetastasierung

Zur Indikationsstellung oder Durchfüh-rung palliativer RT bei Skelett- oder Hirn-metastasierung liegen keine neuen Ergeb-nisse aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) vor, die zu substanziellen Änderungen in den S3-Leitlinien-Emp-fehlungen führen.

Fazit für die Praxis

FAktuelle Metaanalysen sowie Daten aus systematischen Reviews und ran-domisierten klinischen Studien be-stätigen den Stellenwert der RT im multimodalen Therapiekonzept beim Mammakarzinom.

FDaraus resultierende Präzisierungen für die Indikationsstellungen zur RT sind in den herangezogenen interna-tionalen Guidelines angegeben und wurden bei der Aktualisierung der S3-Leitlinien soweit wie möglich berück-sichtigt.

FSie betreffen Zielvolumina bei loko-regionalem Lymphknotenbefall, Teil-

brustbestrahlungen inklusive (alleini-ger) intraoperativer RT, Hypofraktio-nierungskonzepte, Kombination mit Systemtherapien bei der Primärthera-pie und das radioonkologische Vorge-hen bei lokoregionalem Rückfall und Organmetastasierung.

FDie methodischen Vorgaben des S3-Update-Verfahrens und die Auswahl der im Konsensverfahren Abstim-mungsberechtigten wirken sich aus auf die Bewertungs- und Empfeh-lungsgrade einzelner Statements zur RT. Sie sollten bei zukünftigen Up-dates kritisch überprüft werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. R. SouchonKlinik für Radioonkologie,  Universitätsklinikum Tübingen72016 Tü[email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

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