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Martin Hillebrecht Natascha Schmidt Stretching - Dehnungs- gymnastik I Inhalt Grundlagen und Prinzipien Dehnübungen für den Oberkörper 2. Prinzipien zur Durchführung von Stretching - Bei allen Dehnübungen wird nicht nachge- federt, gewippt oder geschwungen. Durch das Nachfedern wird im Muskel ein Dehnungsreflex (Schutzreflex) ausgelöst. Der Muskel zieht sich zusammen (Kontrak- tion), und man erreicht das Gegenteil von dem, was man erreichen will. Der Muskel wird nicht gedehnt, sondern er verkürzt sich. - Bei allen Dehnübungen wird bis kurz vor einen individuellen Schmerzpunkt ge- dehnt; hier sollte die Dehnung zwischen 5 und 10 Sekunden gehalten werden. Danach wird die Dehnung wieder langsam aufge- löst. In der Literatur findet man Zeitanga- ben von 5-30 Sekunden für die Dehnung. 5- 10 Sekunden Dehnzeit bieten aber einen guten Kompromiß zwischen Zeitaufwand und Wirksamkeit. An der individuellen Schmerzgrenze verspürt man ein leichtes Kribbeln in der gedehnten Muskulatur, das durch die Dehnung allmählich geringer wird. 1. Grundsätzliches zum Stretching Die Methode des Stretching beschreibt ein Dehnungstraining, das zur Verbesserung der Beweglichkeit beiträgt. Stretching kann von jedem, überall, zu jeder Zeit und ohne spezielle Hilfsmittel betrieben werden. Nach Verletzungen sollte vor der Durchführung von Stretching grundsätz- lich ein Arzt konsultitert werden. Stretching führt - zu einer besseren Gelenkmobilität, - zu erhöhter Elastizität von Muskeln, Sehnen und Bändern, - zu ökonomischeren Bewegungen, - zur Steigerung der Duchblutung und des Stoffwechsels in der Muskulatur, - zu schnellerer Regeneration, - zu geringerer Verletzungsanfälligkeit des Bewegungsapparates und - zu gesteigertem Wohlbefinden.

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Martin Hillebrecht Natascha Schmidt

Stretching - Dehnungs-gymnastik I

InhaltGrundlagen und Prinzipien

Dehnübungen für den Oberkörper

2. Prinzipien zur Durchführung vonStretching

- Bei allen Dehnübungen wird nicht nachge-federt, gewippt oder geschwungen.Durch das Nachfedern wird im Muskel einDehnungsreflex (Schutzreflex) ausgelöst.Der Muskel zieht sich zusammen (Kontrak-tion), und man erreicht das Gegenteil vondem, was man erreichen will. Der Muskelwird nicht gedehnt, sondern er verkürztsich.

- Bei allen Dehnübungen wird bis kurz voreinen individuellen Schmerzpunkt ge-dehnt; hier sollte die Dehnung zwischen 5und 10 Sekunden gehalten werden. Danachwird die Dehnung wieder langsam aufge-löst. In der Literatur findet man Zeitanga-ben von 5-30 Sekunden für die Dehnung. 5-10 Sekunden Dehnzeit bieten aber einenguten Kompromiß zwischen Zeitaufwandund Wirksamkeit. An der individuellenSchmerzgrenze verspürt man ein leichtes�Kribbeln� in der gedehnten Muskulatur,das durch die Dehnung allmählich geringerwird.

1. Grundsätzliches zum Stretching

Die Methode des Stretching beschreibt einDehnungstraining, das zur Verbesserungder Beweglichkeit beiträgt. Stretchingkann von jedem, überall, zu jeder Zeit undohne spezielle Hilfsmittel betriebenwerden. Nach Verletzungen sollte vor derDurchführung von Stretching grundsätz-lich ein Arzt konsultitert werden.Stretching führt- zu einer besseren Gelenkmobilität,- zu erhöhter Elastizität von Muskeln,Sehnen und Bändern,- zu ökonomischeren Bewegungen,- zur Steigerung der Duchblutung und desStoffwechsels in der Muskulatur,- zu schnellerer Regeneration,- zu geringerer Verletzungsanfälligkeit desBewegungsapparates und- zu gesteigertem Wohlbefinden.

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Bild 1 Bild 2

3. Dehnübungen für den Oberkörper

Dehnung der rückwärtigen Nackenmuskulatur(Bild 1):Der Übende liegt auf dem Rücken. BeideHände greifen verschränkt hinter den Kopfund ziehen diesen nach vorne auf die Brust.Die Dehnung erfolgt bis an die Schmerz-grenze; sie wird dort 5 bis 10 Sekundengehalten und dann langsam wieder aufge-löst.Variante: die Übung wird zunächst wieoben beschrieben durchgeführt. Nach derDehnung wird die Nackenmuskulatur für 5Sekunden angespannt, indem der Übendeseinen Kopf gegen den Widerstand derHände in Richtung Boden drückt. Dannerfolgt eine Entspannung der Muskulaturvon 3 bis 5 Sekunden und anschließend einenochmalige Dehnung.

Dehnung der seitlichenNackenmuskulatur (Bild 2):Im aufrechten Stand mit leicht gegrätschtenBeinen wird der Kopf auf eine Schultergelegt. Gleichzeitig werden der Gegenarmund die Gegenschulter nach unten gezogen.Es ist wichtig, daß die Schulterachse paral-lel zum Boden gehalten wird.Diese Dehnstellung wird 5 bis 10 Sekundenbeibehalten und danach langsam wiederaufgelöst.

- Jede Dehnübung soll beidseitig ausge-führt und mindestens zweimal wiederholtwerden.

- Bei allen Dehnübungen ist auf eine nor-male, ruhige und regelmäßige Atmung zuachten. Preßatmung soll vermieden wer-den.

- Sehr gute Ergebnisse erzielt man mit demPrinzip �Dehnung - Anspannung der Mus-kulatur (Kontraktion) - Entspannung -nochmalige Dehnung�, wobei dieKontraktion in Verbindung mit der nach-folgenden Entspannung zu einer erhöhtenDehnbarkeit der Muskulatur bei dernachfolgenden Dehnung führt.

- Während jeder Dehnübung soll eineGanzkörperspannung erzeugt werden; dienicht unmittelbar an der Dehnungbeteiligten Muskelgruppen sollen ange-spannt werden.

- Nach einer Dehnübung für eine Muskel-gruppe (Agonist, z.B. rückwärtige Ober-schenkelmuskulatur) soll kurz darauf auchdie gegenüberliegende Muskelgruppe (An-tagonist, z.B vordere Oberschenkelmusku-latur) gedehnt werden.

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Variante (Bild 3): die Übung wird zu-nächst wie oben beschrieben durchge-führt. Danach hält eine Hand den Kopf aufder Schulter fest; der Übende versucht,den Kopf gegen den Widerstand der Handaufzurichten. Anschließend an dieseMuskelanspannung (5 Sekunden) erfolgteine Muskelentspannung (3 bis 5Sekunden) und eine nochmaligeDehnung.

Dehnung der rückwärtigenSchultermuskulatur (Bild 4):Ein Arm wird in Schulterhöhe vor denKörper bewegt; die Hand bzw. derUnterarm wird auf der Gegenschulterabgelegt. Mit der anderen Hand wird derArm so weit wie möglich an den Körperherangedrückt. Die Dehnung wird für 5bis 10 Sekunden beibehalten und danachlangsam wieder aufgelöst.Variante: nach der Dehnung wird derMuskel kontrahiert, indem der körperna-he Arm gegen den Widerstand desanderen Armes drückt (5 Sekunden).Anschließend wird der Muskel 3 bis 5Sekunden entspannt und nochmalsgedehnt.

Dehnung der vorderen Schultermus-kulatur, der Brustmuskulatur und deslangen Rückenstreckers (Bild 5)(gleichzeitig wird bei dieser Übung auchdie rückwärtige Oberschenkelmuskulaturgedehnt!):Im aufrechten Stand mit leicht gegrätsch-ten Beinen werden die Hände hinter demRücken gefaßt. Der Oberkörper wirdnach vorne abgebeugt, und die gefaßtenHände werden so weit wie möglich nach

Bild 5

Bild 6

Bild 4

Bild 3

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vorn-unten bewegt. An dem Punkt, wo dieSchmerzgrenze erreicht ist, wird dieseStellung 5 bis 10 Sekunden beibehalten undanschließend langsam aufgelöst.

Dehnung der vorderen Oberarmmusku-latur und der Brustmuskulatur (Bild 6):Im aufrechten Stand mit der Körpervorder-seite unmittelbar vor einer Wand (oderauch einer Tür, einem Zaun u.ä.) wird einArm in Schulterhöhe mit der Handfläche andie Wand gelegt. Aus dieser Position wirdder Körper langsam von der Wandweggedreht, wobei der Arm seinenKontakt zur Wand nicht verlieren darf. Andem Punkt, wo die Schulter sich von derWand zu lösen beginnt, soll dieDehnstellung 5 bis 10 Sekundenbeibehalten werden.Variante 1: in der beschriebenen Dehnstel-lung wird die an der Wand liegende Handnach hinten von der Wand weggeklappt.Variante 2: nach der Dehnung erfolgt einAnspannen der Muskulatur, indem der ander Wand liegende Arm gegen die Wand

drückt (5 Sekunden). Anschließend wirdder Muskel für 3 bis 5 Sekundenentspannt und nochmals gedehnt.

Dehnung der rückwärtigenOberarmmuskulatur (Bild 7):Im aufrechten Stand mit leicht gegrätsch-ten Beinen wird ein Arm hinter den Kopfbewegt, so daß die Hand zwischen dieSchulterblätter fällt. Mit der anderenHand wird der Ellenbogen hinter denKopf gezogen. Diese Dehnstellung wird 5bis 10 Sekunden beibehalten und an-schließend langsam aufgelöst.Variante 1 (Bild 8): die Dehnung erfolgtwie oben beschrieben, zusätzlich beugtder Übende den Oberkörper seitlich ab.Dabei ist ein Ausweichen nach vorn oderhinten zu vermeiden.Variante 2: nach der Dehnung wird dieMuskulatur für 5 Sekunden gegen denWiderstand des haltenden Armes ange-spannt, danach für 3 bis 5 Sekunden ent-spannt und nochmals gedehnt.

Bild 8Bild 7

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Dehnung der Muskeln auf derUnterarminnenseite (Bild 9):Der Übende befindet sich im Kniestandund setzt die Arme vor sich senkrecht amBoden auf. Dabei zeigen die Fingerspit-zen zu den Knien. Diese Dehnstellungwird für 5 bis 10 Sekunden gehalten unddann langsam aufgelöst.

Dehnung der seitlichenRumpfmuskulatur (Bild 10):Im aufrechten Stand, wobei die Beinemehr als schulterbreit gegrätscht sind,wird der Oberkörper seitlich abgebeugtund darf dabei nicht nach vorne oderhinten ausweichen; der Rumpf und diegegrätschten Beine bleiben in einer Ebe-ne!Variante 1 (Bild 11): der Arm der gedehn-ten Rumpfseite wird fast gestreckt nebendem Kopf mit zur Seite gebeugt.Variante 2: der Arm der nicht gedehntenRumpfseite stützt den Rumpf am Ober-schenkel ab.Variante 3: nach der Dehnung wird dieMuskulatur angespannt, indem ein Part-ner den Übenden am Aufrichten desOberkörpers hindert (5 Sekunden). An-schließend wird die Muskulatur für 3 bis 5Sekunden entspannt, und es erfolgt einenochmalige Dehnung.

Dehnung der seitlichen Rumpfmusku-latur und der Brustmuskulatur (Bild12):In der Rückenlage ist der Körper gestrecktund beide Arme liegen in einem 90-Grad-Winkel zum Körper am Boden. Ein Beinwird angewinkelt und mit dem Fuß auf dasKnie des anderen Beins gesetzt. Dannwird das Knie des angewinkelten Beines

Bild 9

Bild 10

Bild 11

Bild 12

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in Richtung Gegenarm so weit wiemöglich zum Boden bewegt. Dabei sollenbeide Schultern Kontakt mit dem Bodenbehalten. Diese Dehnstellung wird 5-10Sekunden gehalten und dann langsamaufgelöst.Variante 1 (Bild 13): der Übende zieht dasKnie des angewinkelten Beines mit demGegenarm in Richtung Boden.

4. Literatur

ANDERSON, B.: Streching, 1. dt. Aufl.Waldeck-Dehringhausen 1982.BLUM, B./WÖLLZENMÜLLER, F.:Stretching: Bessere Leistungen in allenSportarten. Oberhaching 1985SÖLVEBORN, S.-A.: Das Buch vom Stret-ching. München 1983.SPRING, H.: Was bringt das Stretching?Schweizer Zeitschrift für Sportmedizin, 33,1985WIRHED, R.: Sport-Anatomie und Bewe-gungslehre. Stuttgart, New York 1984.

Bild 13

Variante 2: ein Partner hält die Schultern amBoden und drückt das Knie des angewinkel-ten Beines in Richtung Boden.Variante 3: nach der Dehnung wird dieMuskulatur für 5 Sekunden angespannt,indem das angewinkelte Bein gegen denWiderstand des Gegenarms oder eines Part-ners aufgerichtet wird. Anschließend folgteine Entspannung für 3 bis 5 Sekunden undeine nochmalige Dehnung der Muskulatur.

Dehnung der langen Rückenstrecker(Bild 14):Der Übende sitzt mit angewinkelten Beinenund beugt seinen Oberkörper soweit nachvorne, daß sich der Kopf bzw. die Schulternzwischen den Knien befinden. In dieserDehnstellung soll 5-10 Sekunden ausgeharrtwerden.Variante 1: Der Übende faßt seine Füßebzw. seine Fußgelenke und zieht sich soweitnach vorne, bis er seine individuelleSchmerzgrenze erreicht hat.

Bild 14