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Struktur - OPUS 4 · Ein uss der molekularen Struktur auf rheologisc he Eigensc haften v on P olyst yrol-und P olycarb onatsc hmelzen Der T ec hnisc hen F akultät der Univ ersität

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Ein�uss der molekularen Struktur auf rheologische

Eigenschaften von Polystyrol- und

Polycarbonatschmelzen

Der Technischen Fakultät der

Universität Erlangen-Nürnberg

zur Erlangung des Grades

DOKTOR-INGENIEUR

vorgelegt von

Jens Hepperle

Erlangen � 2002

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Als Dissertation genehmigt von

der Technischen Fakultät der

Universität Erlangen-Nürnberg

Tag der Einreichung: 11.06.2002

Tag der Promotion: 06.12.2002

Dekan: Prof. Dr. rer. nat. A. Winnacker (Universität Erlangen-Nürnberg)

Berichterstatter: Prof. Dr. rer. nat. H. Münstedt (Universität Erlangen-Nürnberg)

Prof. Dr.-Ing. M. H. Wagner (Technische Universität Berlin)

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Molekulare und thermische Charakterisierungsmethoden 32.1. Gelpermeationschromatographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.1.1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1.2. Aufbau, Kalibrierung und Durchführung der Messungen . . . . . . 5

2.2. Kalorimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2.1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2.2. Aufbau und Durchführung der Messungen . . . . . . . . . . . . . . 7

3. Rheologische Charakterisierungsmethoden 93.1. Lösungsviskosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . 10

3.2.1. Grundlagen zur Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103.2.2. Versuchsarten der Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.2.3. Beschreibung der eingesetzten Scherrheometer und Durchführung

der Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung . . . . . . . . . . . . . . 21

3.3.1. Deformations- und Deformationsgeschwindigkeitstensoren bei Dehn-strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.3.2. De�nition der Spannungszustände und Viskositäten . . . . . . . . . 233.3.3. Versuchsarten in Dehnströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.3.4. Beschreibung des eingesetzten Dehnrheometers . . . . . . . . . . . . 25

3.4. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . 31

4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole 334.1. Literaturübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

4.1.1. Viskose Eigenschaften in Scherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344.1.2. Elastische Eigenschaften in Scherung und Dehnung . . . . . . . . . 344.1.3. Viskose Eigenschaften in uniaxialer Dehnung . . . . . . . . . . . . . 35

4.2. Molekulare Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.2.1. Ausgangsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.2.2. Bimodale Polystyrolmischungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . 424.3.1. Untersuchungen zum Ein�uss von Restlösemittel . . . . . . . . . . . 424.3.2. Untersuchungen zur thermischen Stabilität . . . . . . . . . . . . . . 444.3.3. Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln . . . . . . . . . . . 484.3.4. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

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ii Inhaltsverzeichnis

4.3.5. Nullviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.3.6. Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . 544.3.7. Spannungsrelaxationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung . . . . . . . . . . . . . . . . 594.4.1. Uniaxiale Dehnviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.4.2. Ein�uss der molekularen Struktur auf die Deformations- und Zeit-

abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen 735.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.2. Synthese von Pfropfpolymeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

5.2.1. Synthese der Makromonomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 795.2.2. Synthese der Pfropfpolymere durch Copolymerisation in Lösung . . 81

5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825.3.1. Untersuchungen mittels Gelpermeationschromatographie . . . . . . 825.3.2. Bestimmung der mittleren Anzahl an Verzweigungen pro Molekül . 875.3.3. Gekoppelte GPC mit Viskositäts- und Lichtstreudetektion . . . . . 905.3.4. Zusammenfassung der molekularen Parameter . . . . . . . . . . . . 98

5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.4.1. Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.4.2. Thermogravimetrische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.4.3. Untersuchungen zur thermischen Stabilität . . . . . . . . . . . . . . 1035.4.4. Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln . . . . . . . . . . . 1075.4.5. Nullviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155.4.6. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1235.4.7. Zeit-Temperatur-Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1285.4.8. Spannungsrelaxationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung . . . . . . . . . . . . . . . . 1395.5.1. Uniaxiale Dehnviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1395.5.2. Vergleich der Deformations- und Zeitabhängigkeit . . . . . . . . . . 1505.5.3. Vergleich linearer und verzweigter Polystyrole . . . . . . . . . . . . 153

5.6. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten 1596.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1596.2. Molekulare Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

6.2.1. Molekularmassenverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1606.2.2. Lösungsviskosimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

6.3. Scherrheologische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1646.3.1. Stabilitätsuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1646.3.2. Mechanisch-dynamische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . 1656.3.3. Nullviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1716.3.4. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

6.4. Dehnrheologische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1776.4.1. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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Inhaltsverzeichnis iii

7. Zusammenfassung und Ausblick 1837.1. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1837.2. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

A. Anhang 189A.1. Probenbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189A.2. Angaben zur Reproduzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

A.2.1. Reproduzierbarkeit der GPC-Messungen . . . . . . . . . . . . . . . 190A.2.2. Reproduzierbarkeit der mechanisch-dynamischen Messungen . . . . 191A.2.3. Reproduzierbarkeit der Dehnviskositäten . . . . . . . . . . . . . . . 192

A.3. Parameter aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . 193A.3.1. WLF-Parameter der linearen Polystyrole . . . . . . . . . . . . . . . 193A.3.2. WLF-Parameter der Pfropfpolystyrole . . . . . . . . . . . . . . . . 194

A.4. Bimodale Mischungen mit niedermolekularem Anteil . . . . . . . . . . . . 195A.5. Komplexe Viskositäten der Pfropfpolystyrole . . . . . . . . . . . . . . . . . 196A.6. Elastische Eigenschaften der Pfropfpolystyrole . . . . . . . . . . . . . . . . 197A.7. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . 198

A.7.1. Relaxationszeitspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198A.7.2. Zur Berechnung der Dämpfungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 202

B. Symbol- und Abkürzungsverzeichnis 205B.1. Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205B.2. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Literaturverzeichnis 211

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iv Inhaltsverzeichnis

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1. Einleitung

Die Verarbeitung thermoplastischer Polymerwerksto�e erfolgt in vielen Fällen aus derSchmelze heraus. Der molekulare Aufbau der Polymeren (Molmasse, Molmassenverteilungund Verzweigungsstruktur) hat einen starken Ein�uss auf das Flieÿverhalten im schmel-ze�üssigen Zustand. So führen Langkettenverzweigungen beispielsweise bei radikalisch po-lymerisierten Polyethylenen (LDPE) zu einer erhöhten Elastizität, einem starken Visko-sitätsanstieg mit der Deformation in Dehnströmungen (Dehnverfestigung) und zu einerausgeprägten Strukturviskosität der Schmelze. Die dehnverfestigenden Eigenschaften ha-ben anwendungstechnische Relevanz in Verarbeitungsprozessen, bei denen Strömungen mitfreien Ober�ächen auftreten (z.B. Extrusionsblasen, Folienblasen, Thermoformen, Spinnenund Schäumen), da hier durch den Viskositätsanstieg mit zunehmender Deformation eineAusheilung von Inhomogenitäten der Wandstärke begünstigt wird. Weiterhin führt die er-höhte Strukturviskosität bei der Extrusion hochviskoser Schmelzen zu einem niedrigerenEnergiebedarf des Extruders und nach Verlassen der pro�lformenden Austrittsdüse auf-grund der stark ansteigenden Schmelzeviskosität zu einer guten Standfestigkeit des Extru-dates, was zu besseren Fertigteileigenschaften hinsichtlich der Maÿhaltigkeit des Formteilsführt.

Aufgrund dieser vorteilhaften rheologischen Eigenschaften verzweigter Polyethylenewurden in den letzten Jahren durch eine Veränderung des molekularen Aufbaus an sichlinearer Polymerer langkettenverzweigte Typen entwickelt, die aufgrund ihrer verbessertenFlieÿeigenschaften neue Verarbeitungsverfahren (z.B. Tiefziehen) ermöglichen und damiterhöhte Marktanteile erschlieÿen. Beispiele für derartig optimierte Polymere sind langket-tenverzweigte Polyole�ne, wie Polyethylen und Polypropylen: Auf der Basis von Metallocen-Katalysatoren wurden kommerzielle schwach langkettenverzweigte Polyethylene niedererDichte (metallocene linear low-density polyethylene - mLLDPE) entwickelt, welche dievorteilhaften mechanischen Eigenschaften kurzkettenverzweigter Polyethylene (LLDPE)mit den günstigen rheologischen Eigenschaften langkettenverzweigter Polyethylene (LDPE)kombinieren. Langkettenverzweigte Polypropylene sind über eine peroxidische Vernetzungoder Elektronenbestrahlung herstellbar und werden beispielsweise in Tiefziehverfahren undzum Schäumen eingesetzt.

Das Au�nden eines Zusammenhangs zwischen dem molekularen Aufbau � wie demMolekulargewicht, der Molmassenverteilung und der Molekültopologie � und rheologischenEigenschaften spielt also für die Entwicklung von neuen oder die Modi�zierung bestehenderPolymerwerksto�e, aber auch in der Verarbeitungstechnik und beim Entwickeln polymer-analytischer Methoden eine entscheidende Rolle. Kommerziell erhältliche Polymere werdenjedoch oftmals über Polymerisationsverfahren hergestellt, die nur eine begrenzte Beein�us-sung der Molekültopologie zulassen.

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2 1. Einleitung

Der derzeitige Stand der Technik auf dem Gebiet der Polyole�ne ermöglicht zwar einegewisse Steuerung der Verzweigungsdichte über die Synthese, allerdings sind die analy-tischen Methoden zur genauen Ermittlung des Molekülaufbaus (z.B. Verzweigungslängeund -verteilung) bei Polyole�nen und anderen statistisch verzweigten Thermoplasten nochunzureichend. Bei langkettenverzweigten Polymeren überlagert sich zudem das Vorliegenvon Verzweigungen oftmals mit einer erhöhten Polydispersität oder einem hochmolekularenAusläufer in der Molmassenverteilung. Ein Problem ist es in solchen Fällen, den Ein�ussder Verzweigungen auf rheologische Eigenschaften von dem einer breiteren Molmassenver-teilung zu separieren.

Daher werden im Rahmen dieser Arbeit als Modellpolymere verzweigte Polystyrolegewählt, bei denen unter Verwendung der Makromonomertechnik Pfropfpolymere mit ei-ner de�nierten Länge und Anzahl an Pfropfästen pro Molekül ohne Folgeverzweigungenzugänglich sind. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich über die Synthese de�niert zu-gängliche Verzweigungen auf die scher� und dehnrheologischen Eigenschaften der Schmel-ze auswirken. Variiert wird bei den Pfropfpolymeren das Pfropfastmolekulargewicht, wel-ches unter- bzw. oberhalb der Verschlaufungsmolmasse eingestellt wird. Die Variation derPfropfastdichte bei konstanter Pfropfastlänge erlaubt eine Studie zum Ein�uss der Ver-zweigungsanzahl auf das Flieÿverhalten der Schmelze.

Weiterhin werden de�nierte Mischungen aus linearen Polystyrolen mit bimodaler Mole-kulargewichtsverteilung untersucht. Ziel der rheologischen Charakterisierung ist, festzustel-len, inwieweit durch die Zugabe einer hochmolekularen Komponente zu einer niedermoleku-laren Matrix � also einer Modi�zierung der Molekularmassenverteilung linearer Polystyrole� eine Erhöhung der Dehnverfestigung erreicht werden kann. Diese Untersuchungen spielenneben grundlegenden Erkenntnissen zum Ein�uss hochmolekularer Anteile auf rheologischeEigenschaften eine Rolle für die Optimierung beispielsweise von Polyole�nen mit bimodalerMolmassenverteilung, welche durch neuartige Metallocen-Katalysatoren auch in gröÿeremMaÿstab synthetisierbar sind.

Die Ergebnisse der Untersuchungen eines Zusammenhangs zwischen dem molekularenAufbau und den Flieÿeigenschaften der Schmelze sollten sich von einem Polymeren aufein anderes übertragen lassen. Einschränkungen ergeben sich durch den bei verschiede-nen Polymeren jeweils unterschiedlichen Verschlaufungsgrad der Moleküle, welcher durchdie polymerspezi�schen kritischen Molmassen für die Bildung von Verschlaufungen (entan-glements) zustande kommt. Die Untersuchungen rheologischer Eigenschaften von linearenund verzweigten Polycarbonaten und die Gegenüberstellung mit rheologischen Eigenschaf-ten der Modellpolystyrole und zu jenen von Polyethylen erlauben eine erste Aussage zuden Auswirkungen von Verzweigungen auf rheologische Eigenschaften in Abhängigkeit vomVerschlaufungsgrad und damit vom Typ des Polymers.

Vorliegende Arbeit soll anhand der Modellpolymere zu einer Erkenntnis über Struktur-Eigenschafts-Beziehungen beitragen und damit die Möglichkeit erö�nen, polymere Werk-sto�e über den molekularen Aufbau in Zukunft noch geeigneter und e�zienter maÿzu-schneidern als dies heute der Fall ist.

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2. Molekulare und thermische

Charakterisierungsmethoden

Nachfolgend werden die im Rahmen dieser Arbeit am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e ver-wendeten molekularen und thermischen Charakterisierungsmethoden vorgestellt. Für diemolekulare Charakterisierung der Molmassenverteilungen kommt vorwiegend die Gelper-meationschromatographie (Abschnitt 2.1) zur Anwendung, mittels Kalorimetrie (Abschnitt2.2) werden die Glasübergangstemperaturen bestimmt.

2.1. Gelpermeationschromatographie

2.1.1. Grundlagen

Die Molekulargewichtsverteilung kann mit der Gelpermeationschromatographie (GPC) oderauch Ausschlusschromatographie (SEC - Size oder Steric Exclusion Chromatography) be-stimmt werden. Diese chromatographische Methode trennt in verdünnter Lösung vorlie-gende Makromoleküle in der Trennsäule im Idealfall entsprechend ihrem hydrodynamischwirksamen Volumen Vh. Hierzu wird eine niedrig konzentrierte Polymerlösung mit einemkonstanten Volumenstrom durch in Reihe geschaltete Trennsäulen gepumpt, welche mitgequollenen vernetzten Polymeren mit unterschiedlicher Porengröÿe gefüllt sind. Die chro-matographische Trennung nach dem hydrodynamischen Volumen Vh erfolgt durch eine spe-zi�sche Verteilung der gelösten Makromoleküle zwischen der mobilen Phase (Lösemittel)und der stationären Phase (gequollenes polymeres Netzwerk). Die Polymermoleküle vertei-len sich in den beiden Phasen je nach Gröÿe ihres Knäuelvolumens. Dabei ist Molekülen mitkleinerem hydrodynamisch wirksamen Volumen Vh mehr Porenvolumen zugänglich; diesewerden daher später eluiert als Moleküle mit gröÿerem hydrodynamisch wirksamem Volu-men. Die Detektion der Konzentration ci der nach den Säulen eluierten Fraktionen erfolgtdurch ein Di�erentialrefraktometer, welches den Brechungsindex der Lösung gegenüberdem des reinen Lösungsmittels detektiert. Um Aussagen zu Molekulargewichtsverteilungenund damit zu Molekulargewichtsmittelwerten tre�en zu können, ist eine Kalibrierung derGPC-Anlage notwendig. Dies geschieht in der Regel mittels anionisch synthetisierter, engverteilter Polystyrolstandards, deren Mittelwerte des Molekulargewichtes durch Absolut-methoden bestimmt werden. Trägt man die experimentell ermittelten Elutionsvolumina Veder Polystyrolstandards unterschiedlicher Molmassen gegen die Molekularmasse des Peak-maximums Mp auf, so lässt sich für die eingesetzte GPC-Anlage eine Kalibrierkurve in derForm Ve = f(logMp) mit einem Polynom approximieren.

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4 2. Molekulare und thermische Charakterisierungsmethoden

Das Signal des RI-Detektors ist eine der Polymerkonzentration ci proportionale GröÿeWi, die dem Massenanteil des Polymeren in der i-ten Fraktion der Breite �Vi = Vi�1 � Vi(Skala der Elutionsvolumina) entspricht:

Wi = ci ��Vi; �Vi = const. (2.1)

Die Massenverteilungsfunktion der Molekularmasse ist de�niert als (z.B. [1]):

h(Mi) =WiPi

Wi

=ciPi

ci(2.2)

Die GPC-Chromatogramme werden üblicherweise als Massenverteilungsdichte w(Mi) dar-gestellt, welche über die Division der Massenverteilungsfunktion h(Mi) durch die Klassen-breite der i-ten Fraktion der Molekulargewichtsskala, bi, erhältlich ist:

w(Mi) =h(Mi)

bi(2.3)

Die Klassenbreite der Molekulargewichtsskala ergibt sich aus der Klassenbreite �Vi derElutionsvolumina und der Steigung der Eichkurve:

bi = ��Vi

�dM

dVe

�(2.4)

Zur Normierung für die Fläche der Massenverteilungsdichte wird die folgende Bedingungverwendet: X

i

bi � w(Mi) =Xi

h(Mi) = 1 (2.5)

Aus den Konzentrationen ci der eluierten Fraktionen und der Zuordnung zu einer Moleku-larmasse Mi anhand des Elutionsvolumens Ve können die Mittelwerte der Molekularmasseermittelt werden, insbesondere der Zahlenmittelwert der Molekularmasse:

Mn =

Pi

ciPi

ci=Mi

(2.6)

sowie der Gewichtsmittelwert der Molekularmasse:

Mw =

Pi

ciMiPi

ci(2.7)

Bei Vorliegen bimodaler Mischungen mit Gewichtsmittelwerten Mw;1 bzw. Mw;2 undGewichtsanteilen w1 = m1=mges bzw. w2 = m2=mges ergibt sich hieraus der Gewichtsmit-telwert der Mischung zu:

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2.1. Gelpermeationschromatographie 5

Mw =w1 �Mw;1 + w2 �Mw;2

w1 + w2(2.8)

Im Vergleich zu linearen Molekülen gleicher Molekularmasse weisen verzweigte Mole-küle in verdünnter Lösung ein geringeres hydrodynamisch wirksames Volumen Vh auf [2].Bei verzweigten Polymeren führt daher die Auswertung der Elugramme mit einer überlineare Standards ermittelten Kalibrierfunktion zu geringeren Gewichtsmittelwerten derMolekularmasse im Vergleich zu dem �wahren� Gewichtsmittelwert, wie er mittels einerAbsolutmethode (z.B. Lichtstreuung) bestimmt werden kann.

2.1.2. Aufbau, Kalibrierung und Durchführung der Messungen

Zur Charakterisierung der Molekularmassenverteilungen wird ein Raumtemperatur-Gel-permeationschromatograph (GPC) benutzt (Anlage des Lehrstuhls für Polymerwerkstof-fe). Die Trennung erfolgt mittels vier hintereinander geschalteten Trennsäulen (Fa. Waters,Porengröÿe: 106, 105, 104, 103 Å), die Konzentrationsdetektion mit einem RI-Detektor (Bi-scho� 8100). Die Messtemperatur beträgt T = 25 ÆC und der Volumenstrom 0.5 ml/min.Als Lösungsmittel dient THF; die Konzentration der eingespritzten Probe liegt bei 2 g/l,um bei den bimodalen Mischungen eine ausreichende Signalintensität am RI-Detektor zugewährleisten. Die Kalibrierung erfolgt mittels 12 engverteilter Polystyrolstandards (Her-steller: Polymer Laboratories) mit einem Molekulargewicht Mp am Peakmaximum von 580bis 7.3 � 106 g/mol. Die Kalibrierfunktion logMp = f(Ve) wird von der Auswertesoftwaremit einem Polynom siebten Grades approximiert. Als interner Standard dient Toluol, wel-ches eine de�nierte Retentionszeit aufweist und damit eine Auswertung der Elutionspeaksunabhängig vom Einspritzzeitpunkt erlaubt. Jede Probe wird zwei mal eingespritzt, umdie Reproduzierbarkeit der Messung zu überprüfen. Für die Auswertung wird die Messungmit der geringsten Schwankung der Basislinie herangezogen.

Material Datenherkunft_V cProbe Mn Mw Mw=Mn

[ml/min] [g/l] [g/mol] [g/mol]Hersteller k.A. k.A. 1 827 000 2 119 200 1.16

PS-a-1800GPC Erlangen 0.5 0.2 1 774 000 2 168 000 1.22GPC Erlangen 0.5 2 1 340 000 1 740 000 1.30GPC Stuttgart 0.8 10 1 200 000 1 540 000 1.29

Hersteller k.A. k.A. 613 200 650 000 1.06GPC Erlangen 0.5 0.2 600 800 613 900 1.02

PS-a-600 GPC Erlangen 0.5 1.5 525 700 549 100 1.04GPC Erlangen 0.5 2 523 000 566 900 1.08GPC Stuttgart 0.8 10 497 200 550 200 1.11

Tab. 2.1: Molekulare Daten der hochmolekularen Polystyrole bei unterschiedlichenMessbedingungen

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6 2. Molekulare und thermische Charakterisierungsmethoden

Bei den untersuchten hochmolekularen Polystyrolen tritt eine deutliche Abhängigkeitder Elugramme von der aufgegebenen Probenkonzentration auf. Tabelle 2.1 zeigt die mo-lekularen Daten zweier hochmolekularer anionischer Polystyrole, die mit unterschiedlichenMessbedingungen ermittelt wurden. Bei den beiden hochmolekularen Polystyrolen nähernsich Zahlen� und Gewichtsmittelwert erst bei kleinen Probenkonzentrationen an die Her-stellerangaben an.

Bei höheren Konzentrationen tritt eine Überladung der Trennsäulen auf. Als Ursachehierfür werden u.a. Viskositäts- und hydrodynamische E�ekte genannt [3]. Die hochmoleku-laren Komponenten werden daher mit einer gegenüber dem üblichen Konzentrationsbereichgeringeren Aufgabekonzentration von 0.2 g/l vermessen.

Die höchsten Gewichtsmittelwerte der anionischen Polystyrole, welche in dieser Arbeituntersucht werden, betrugenMw = 2:17 � 106 g/mol. Sie liegen damit in dem durch die Ka-librierung abgedeckten Molekularmassenbereich. Zur Überprüfung der GPC-Daten werdendie synthetisierten Polystyrole auch am Institut für Angewandte Makromolekulare Chemieder Universität Stuttgart gelpermeationschromatographisch untersucht. Die GPC-Anlagedort besteht aus einer Merck-Hitachi Pumpe L 6000 sowie einem Merck-Hitachi Integra-tor D 2520; die Trennung erfolgt durch drei hintereinander geschaltete Ultrastyrylsäulen(Porengröÿe 105, 104, 103 Å, Partikelgröÿe 5 mm). Die Detektion erfolgt über einen Merck-Hitachi L 4250 RI-Detektor bei einer Temperatur von 25ÆC und einem Volumenstrom von0.8 ml/min. Als Lösungsmittel dient THF; die Konzentration der gemessenen Probe liegtbei ca. 10 g/l. Die Lösung wird vor dem Einspritzen von groben Partikeln durch einenPTFE-Membran�lter (Porengröÿe 0.45 mm) gereinigt [4]. Die Kalibrierung erfolgt hiermittels 12 engverteilten Polystyrolstandards mit einem Molekulargewicht am Peakmaxi-mum Mp von 800 g/mol bis 2.18 �106 g/mol. Die Kalibrierfunktion logMp = f(Ve) wirdmit einem Polynom 3. Grades approximiert.

Die Polycarbonate werden am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e mit demselben Säulen-satz wie für die Polystyrole untersucht. Als Lösungsmittel dient THF; die Konzentration dereingespritzten Proben liegt bei ca. 2 g/l. Die Kalibrierung erfolgt in diesem Fall über breit-verteilte Polycarbonat-Standards1 mit bekannten MolmassenmittelwertenMn undMw. DieKalibrierfunktion für die Polycarbonate wird dabei aus der Polystyrol-Kalibrierkurve in denGrenzen der von den Standards vorgegebenen Molekularmassen so angepasst, dass die be-rechneten Molmassenmittelwerte hinreichend genau mit den Referenzmolmassen der Stan-dards übereinstimmen. Die so ermittelten Gewichtsmittelwerte werden zur Überprüfungmit den Herstellerangaben der Gewichtsmittelwerte für die untersuchten Polycarbonateverglichen (s. Abschnitt 6.2.1).

1 Hersteller: Fa. PSS, Polymer Standards Service, Mainz. Charge: PC 285 bzw. PC 110.

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2.2. Kalorimetrie 7

2.2. Kalorimetrie

2.2.1. Grundlagen

Die Dynamische Di�erenzkalorimetrie ist eine Methode zur Untersuchung thermisch akti-vierter physikalischer bzw. chemischer Prozesse. Details zu den Grundlagen dieses Messver-fahrens sind der einschlägigen Literatur zu entnehmen (z.B. [1, 5]). Bei Polymeren spieltinsbesondere die Ermittlung von Glasübergängen, die Untersuchung von Schmelz- undKristallisationsvorgängen sowie die thermische Zersetzung eine Rolle. Das Messprinzipberuht auf der Ermittlung der Temperaturdi�erenz zwischen einem Proben- und einemReferenztiegel, welche beide im Wärmestrom-Di�erenzkalorimeter mit einem de�niertenTemperaturprogramm beaufschlagt werden.

In den meisten Fällen erfolgt Heizen bzw. Kühlen mit einer konstanten Heiz- bzw- Kühl-rate �. Durch Messung der Temperaturdi�erenz �T zwischen Proben- und Referenztiegelerhält man die isobare spezi�sche Wärmekapazität cp:

cp =�T

m � � � A(2.9)

m bezeichnet die Probenmasse und A eine Apparatekonstante, welche durch Kalibrie-rung mit einer Referenzsubstanz bekannter Schmelzenthalpie ermittelt wird. Das Ther-mogramm wird in der Regel durch Angabe des spezi�schen Wärmestroms (Glg. 2.10) alsFunktion der Temperatur angegeben:

_Q

m= � � cp (2.10)

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Glasübergänge durch Heiz- und Kühlzyklen mitunterschiedlichen Heizraten � ermittelt. Bei einer endlichen Heizrate � ist dabei zu beach-ten, dass die ermittelte Glasübergangstemperatur nur die scheinbare Umwandlungstem-peratur ist. Aufgrund von Wärmeleite�ekten und damit einer Verzögerung zwischen der(gemessenen) Temperatur des Ofens und jener der Probe erscheint die Umwandlung imThermogramm zu höheren Temperaturen verschoben. Nur durch quasistatisches Aufhei-zen (mit � ! 0) wird eine von der Heizrate unabhängige Übergangstemperatur ermittelt.Praktisch wird diese Übergangstemperatur durch Extrapolsition der bei unterschiedlichenHeizraten ermittelten Glasübergangstemperaturen auf eine Heizrate von Null ermittelt.

2.2.2. Aufbau und Durchführung der Messungen

Die Bestimmung der Glasübergangstemperaturen erfolgt mittels eines Kalorimeters (Dif-ferential Scanning Calorimeter DSC 2920, Fa. TA Instruments). Die Enthalpie sowie dieTemperatur wird anhand der Schmelzenthalpie und -temperatur von Indium kalibriert.

Zum Vermessen werden die Polystyrolpulver bei T = 170 ÆC zu luftfreien Probekörpernerschmolzen, möglichst �ach aufgeschnitten, und eine Probenmasse von etwa 15 mg wird ineinen Aluminiumtiegel eingebracht. Die Messung erfolgt gegen einen leeren Referenztiegel

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8 2. Molekulare und thermische Charakterisierungsmethoden

70 80 90 100 110 120 130

-2

-1

0

0 2 4 6 8 10 12

100

102

104

106

108

mg

eig

°C

W/g

T

T

Heizrate β [K/min]

10

57

2

PS-r-95Wär

mes

trom

Q/m

Temperatur T

.

PS-r-95

K/min

Heizrate β

Gla

sübe

rgan

gs-

tem

pera

tur °C T

eig(β)

Tmg

(β)

Abb. 2.1: DSC-Thermogramm eines linearen Polystyrols (unterer Teil) und Abhängigkeitder onset-Temperatur Teig und der Mittenpunktstemperatur Tmg von der Heiz-rate � (oberer Teil; o�ene Symbole: Wiederholungsmessung an zweiter Probe).

gleicher Bauart unter Sticksto�atmosphäre. Um identische thermische Vorgeschichten zuerhalten, wird jede Probe vor Beginn der Messung auf T = 150 ÆC aufgeheizt und dannmit einer Kühlrate von � = - 10 K/min auf T = 50 ÆC abgekühlt. Die Heizraten betrugen� = 10, 7, 5 und 2 K/min, die Kühlraten einheitlich � = -10 K/min.

Im vorliegenden Fall wurden aufgrund der Abhängigkeit der Glasübergangstemperaturvon der Heizrate die extrapolierte Onset-Temperatur Teig und die Mittenpunktstempera-tur Tmg für jede Heizrate � ermittelt (analog DIN EN ISO 11357-1) und auf eine Heizratevon � = 0 extrapoliert (Abb. 2.1). Man erhält so eine von der Heizrate unabhängige Glas-übergansgtemperatur. Die Reproduzierbarkeit liegt im Rahmen der für die DSC üblichenMessgenauigkeit von etwa 1 K. Für die Glasübergangstemperatur wird im Weiteren die auf� = 0 extrapolierte Mittenpunktstemperatur Tmg herangezogen und mit Tg bezeichnet.

Die Untersuchung der im Vakuum getrockneten Polycarbonate erfolgt analog durchAufheizen auf T = 200 ÆC und Abkühlen mit einer Kühlrate von jeweils � = 10 K/minauf T = 100 ÆC sowie anschlieÿendem Aufheizen mit 10, 7, 5 und 3 K/min. Das Extrapo-lationsverfahren wird analog durchgeführt.

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3. Rheologische

Charakterisierungsmethoden

3.1. Lösungsviskosimetrie

Lösungsviskosimetrische Messungen sind dazu geeignet, verdünnte Polymerlösungen zu un-tersuchen, um damit beispielsweise ein unterschiedliches hydrodynamisches Verhalten vonverzweigten Polymeren gegenüber linearen Polymeren zu identi�zieren. Die Lösungsvis-kosität lässt sich z.B. mit Hilfe eines Ubbelohde-Viskosimeters bestimmen; hierbei wirdüber das im laminaren Bereich gültige Hagen-Poiseuillesche Gesetz die Viskosität derPolymerlösung durch Messung der Durchlaufzeit eines bestimmten Flüssigkeitsvolumensbestimmt [1, 2]. Zur Charakterisierung von Polymeren ist nicht die Gesamtviskosität derLösung von Interesse, sondern die relative Erhöhung gegenüber der Viskosität des Lö-sungsmittels. Diese kann über die spezi�sche Viskosität nach Glg. 3.1 bzw. über die rela-tive Viskosität nach Glg. 3.2 beschrieben werden. Beide Gröÿen bestimmen sich aus denDurchlaufzeiten t der Polymerlösungen und der Durchlaufzeit t0 des reinen Lösungsmittelsunter der bei geringen Lösungskonzentrationen berechtigten Annahme, dass die Dichte �der Polymerlösung und jene des Lösungsmittels (�0) näherungsweise gleich sind.

�spez =� � �0�0

=t� t0t0

; � = �0 (3.1)

�rel =�

�0=

t

t0; � = �0 (3.2)

Durch die Auswahl geeigneter Kapillardimensionen ist eine Extrapolation auf einenGeschwindigkeitsgradienten von Null nicht erforderlich1. Die intrinsische Viskosität ergibtsich aus der spezi�schen bzw. relativen Viskosität durch Extrapolation auf c = 0 nachGlgn. 3.3 und 3.4:

[�] = limc!0

h�spezc

i(3.3)

[�] = limc!0

�ln �relc

�(3.4)

1 In der Praxis liegt der Ein�uss des Geschwindigkeitsgradienten im Bereich des Messfehlers und musserst bei intrinsischen Viskositäten über 0.3 g/l berücksichtigt werden [6].

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10 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Die Ermittlung der intrinsischen Viskositäten sämtlicher Polystyrole wurde von Haugam Lehrstuhl für Angewandte Makromolekulare Chemie (Prof. Dr. C.D. Eisenbach) derUniversität Stuttgart durchgeführt. Die Versuchsbeschreibung, die Durchführung der Mes-sungen und Werte für die intrinsischen Viskositäten der im Rahmen vorliegender Arbeituntersuchten Polystyrole �nden sich in [4].

Die Messungen an den Polycarbonaten erfolgen am Lehrstuhl für Polymerwerksto�emit dem Lösungsmittel Dichlormethan analytischer Reinheit. Die intrinsischen Viskosi-täten werden anhand von Probenlösungen unterschiedlicher Konzentrationen c (Konzen-trationen im Bereich von 1 bis 4 g/l) mittels Ubbelohde-Viskosimetrie bestimmt. DasUbbelohde-Viskosimeter wird im Wasserbad auf T = 25 ÆC temperiert. Die Kapillarendes Ubbelohde-Viskosimeters haben einen Nenndurchmesser von 0.36 mm (0) und eineDurch�usskonstante Kc von 0.001083 bzw. 0.001079 mm2/s2. Die Messungen erfolgen nachDIN 51 562. Bei den ermittelten Durch�usszeiten wird die Korrektur nach Hagenbachdurchgeführt.

Die Ergebnisse der rheologischen Untersuchungen in verdünnter Lösung gehen in einenVergleich der Nullviskositäten der Pfropfpolymere ein (Abschnitt 5.4.5), die Ergebnisse derUntersuchungen an den Polycarbonatlösungen sind in Abschnitt 6.2.2 aufgeführt.

3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung

Die Grundlagen der rheometrischen Versuchsarten und des experimentellen Aufbaus derverwendeten Scherrheometer zur Untersuchung der Schmelzen sind nachfolgend aufgeführt.Mechanisch-dynamische Messungen dienen der Ermittlung der linear-viskoelastischen Ma-terialfunktionen, beispielsweise der dynamischen Moduln oder der komplexen Viskositäten.Informationen über nichtlinear-viskoelastisches Materialverhalten können über Spannungs-relaxationsversuche bei groÿen Scherdeformationen erhalten werden.

3.2.1. Grundlagen zur Scherströmung

In diesem Abschnitt werden die grundlegenden De�nitionen für die Betrachtung von Scher-deformationen gegeben. Für eine ausführliche Darstellung der Grundlagen aus kontinuums-mechanischer Sicht wird auf entsprechende Lehrbücher verwiesen (z.B. [1], [7], [8]).

In einer reinen Scherströmung kann in einem geeigneten orthonormalen Koordinaten-system das Geschwindigkeitsfeld durch ein Vektorfeld u in der Form

u(x; t) =

0@ _ (t) � x2

00

1A (3.5)

beschrieben werden. Die Längenkoordinate x2 steht dabei für eine der drei Achsenrich-tungen des Koordinatensystems. Das Strömungsfeld ist in zweidimensionaler Darstellungin Abb. 3.1 skizziert.

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3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung 11

Der Gradient der Strömungsgeschwindigkeit wird durch die Schergeschwindigkeit _ be-schrieben; diese wird ermittelt aus der zeitlichen Ableitung des Schergradienten , der sichaus dem Quotienten der Deformation in x1-Richtung und jener in x2-Richtung ergibt:

x1

x2

αs

u1(x2)

Abb. 3.1: Modell zur Deformation ei-nes Fluidelementes in einfacher Scherung(nach [8]).

=dx1dx2

= tan�s (3.6)

Die Ableitung nach der Zeit ergibt die Scher-geschwindigkeit:

_ =d

dt=

du1dx2

(3.7)

In der Praxis (beispielsweise bei einem Plat-te-Platte-Rheometer) wird der Schergradient aus dem Quotienten der Verschiebung x deroberen Platte des Rheometers und dem Plat-tenabstand H ermittelt:

=x

H(3.8)

Der Deformationsgeschwindigkeitstensor der Scherströmung ist de�niert als:

D =1

2

0@0 _ 0

_ 0 00 0 0

1A (3.9)

Die Schergeschwindigkeit _ hängt dabei von den Randbedingungen des Strömungsfel-des ab, welche durch die Versuchsart vorgegeben werden. Die Versuchsarten werden imnächsten Abschnitt erläutert.

3.2.2. Versuchsarten der Scherströmung

Mechanisch-dynamische Untersuchungen

Mechanisch-dynamische Untersuchungen werden üblicherweise im Bereich des linear-visko-elastischen Materialverhaltens durchgeführt; eine De�nition für diesen Deformationsbereich�ndet sich am Ende dieses Abschnitts. Gegenüber einer Scherdeformation mit konstanterSchergeschwindigkeit _ werden bei der Scherung in Oszillation mit ausreichend kleiner De-formationsamplitude 0 lediglich linear-viskoelastische Deformationsamplituden erreicht.Periodische Signale können zudem mit hoher Präzision gemessen werden, da Rauschsigna-le durch einen Frequenz�lter beseitigt werden können. Bei der oszillatorischen Scherungwird die Deformation in Form einer sinusförmigen Schwingung mit der Kreisfrequenz !vorgegeben:

(t) = 0 � sin(!t) (3.10)

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12 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Die Deformationsgeschwindigkeit ist ebenfalls eine Funktion der Zeit:

_ (t) = 0 � ! � cos(!t) (3.11)

Im eingeschwungenen Zustand erhält man bei linear-viskoelastischem Materialverhal-ten als Spannungsantwort ebenfalls eine Sinusschwingung, deren Phase jedoch um denDämpfungswinkel Æ verschoben ist:

�(t) = �0 � sin(!t+ Æ) (3.12)

Hieraus ergibt sich ein komplexer dynamischer Modul:

G� =�

(3.13)

=�0 0

cos Æ + i�0 0

sin Æ (3.14)

= G0(!) + iG00(!) (3.15)

G0(!) bezeichnet den Speichermodul,G00(!) den Verlustmodul. Das Verhältnis aus Spei-chermodul zu Verlustmodul ergibt den Tangens des Dämpfungswinkels und wird als (in-nere) Dämpfung bzw. Verlustfaktor bezeichnet:

tan Æ =G00

G0(3.16)

Der Absolutwert des komplexen dynamischen Moduls jG�(!)j ermittelt sich aus demVerhältnis der Spannungs� zur Deformationsamplitude:

jG�(!)j =�0 0

=p

[G0(!)]2 + [G00(!)]2 (3.17)

Die komplexe Viskosität erhält man aus dem Verhältnis von zeitabhängiger Schubspan-nung � zu zeitabhängiger Schergeschwindigkeit _ :

�� =�(t)

_ (t)=

G00

!� i

G0

!= �0 � i � �00 (3.18)

Die Gröÿen �0 und �00 bezeichnen den Speicher- bzw. Verlustanteil der komplexen Vis-kosität. Über Glg. 3.17 erhält man den Betrag der komplexen Viskosität:

j��(!)j =jG�(!)j

!(3.19)

=�0! 0

(3.20)

=

p[G0(!)]2 + [G00(!)]2

!(3.21)

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3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung 13

Aus der komplexen Viskosität ist unter der Annahme der Cox-Merz-Relation sowieder Gleissleschen Spiegelrelation die zeitabhängige Viskosität ermittelbar (z.B. [9]):

�(t) = j��(!)j!=1=t (3.22)

Die Speichernachgiebigkeit J 0 lässt sich aus den dynamischen Moduln gemäÿ

J 0(!) =G0(!)

jG�(!)j2(3.23)

berechnen. Bei kleinen Kreisfrequenzen strebt der Betrag der komplexen Viskositäts-funktion j��(!)j ebenso wie die Speicherkomponente der komplexen Nachgiebigkeit J 0(!)gegen einen frequenzunabhängigen Grenzwert. Im Grenzfall sehr kleiner Kreisfrequenzenkann zum einen die Nullviskosität �0 und zum anderen die GleichgewichtsnachgiebigkeitJ0e ermittelt werden:

�0 = lim!!0

j��(!)j (3.24)

J0e = lim

!!0jJ 0(!)j (3.25)

Die Nullviskosität ist ein Maÿ für die viskosen Eigenschaften der Polymerschmelze, dieGleichgewichtsnachgiebigkeit eine Materialkenngröÿe für die Elastizität.

Für die dynamischen Moduln gilt im Grenzfall kleiner Kreisfrequenzen:

G0(!) = �20J0e!

2 (3.26)G00(!) = �0! (3.27)

In doppeltlogarithmischer Darstellung der dynamischen Moduln als Funktion der Kreis-frequenz ! weist im terminalen Bereich des Flieÿgebietes der Speichermodul also eine Stei-gung von zwei, der Verlustmodul eine Steigung von eins auf.

Die dynamischen Moduln können über einMaxwell-Modell im linear-viskoelastischenFall aus der Summe der einzelnen Beiträge zu den Moduln mittels eines diskreten Relaxa-tionszeitspektrums beschrieben werden (z.B. [9]):

G0(!) =NXi=1

gi!2�2i

1 + !2�2i(3.28)

G00(!) =NXi=1

gi!�i

1 + !2�2i: (3.29)

Das diskrete Relaxationszeitspektrum wird durch einen Parametersatz an Relaxations-zeiten �i und Relaxationsstärken gi angegeben und mit fgi; �ig bezeichnet.

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14 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Der Parameter N bezeichnet die Anzahl der Stützpunkte des diskreten Relaxationszeit-spektrums. Aus dem diskreten Relaxationszeitspektrum {gi; �i} ist auch der zeitabhängigeRelaxationsmodul G(t) ermittelbar:

G(t) =NXi=1

gi exp

��t

�i

�(3.30)

Die transiente Scherviskosität lässt sich ebenfalls aus dem Relaxatationszeitspektrumberechnen (z.B. [9]):

�(t) =NXi=1

gi�i

�1� exp

��t

�i

��(3.31)

Im Grenzfall sehr langer Zeit (t!1) erhält man durch Aufsummieren des Produktesaus Relaxationszeit und Gewichtungsfaktor die anhand des diskreten Relaxationszeitspek-trums ermittelten Nullviskositäten:

�0 =NXi=1

gi�i (3.32)

Die Anhand Glg. 3.32 berechneten Nullviskositäten können mit den experimentell er-mittelten Werten verglichen werden (siehe Anhang, Abschnitt A.7.1).

Spannungsrelaxationsversuche

Beim Spannungsrelaxationsversuch erfolgt die Deformationsvorgabe durch einen Deforma-tionssprung zur Zeit t = 0:

(t) =

�0 t < 0 = const: t � 0

(3.33)

Die durch die Deformation erzeugte Spannung ist von der Zeit abhängig gemäÿ

�(t) =

�0 t < 0 �G(t; ) t � 0

(3.34)

G(t; ) bezeichnet den Relaxationsmodul, der von der Zeit und der aufgeprägten De-formation abhängig ist. Im Falle kleiner Deformationen liegt linear-viskoelastisches Mate-rialverhalten vor, und der Relaxationsmodul ist von der Deformation unabhängig2:

G(t) = lim !0

[G(t; )]: (3.35)

2 die früher gebräuchliche Bezeichnung G0(t) für den linear-viskoelastischen Relaxationsmodul wird nachneueren Regeln der Nomenklatur [10] nicht mehr angewandt.

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3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung 15

Der zeitabhängige, linear-viskoelastische Relaxationsmodul G(t) kann auch aus dendynamischen Daten über die Relaxationszeitspektren (Glg. 3.30) berechnet oder über Ap-proximationsformeln (Glg. 4.4) ermittelt werden. Näheres hierzu ist bei den Spannungsre-laxationsversuchen in den Abschnitten 4.3.7 und 5.4.8 aufgeführt.

Bei vielen Homopolymerschmelzen kann der Spannungsrelaxationsmodul G(t; ) ineinen zeitabhängigen Term, den Relaxationsmodul G(t), und einen deformationsabhän-gigen Term, die Dämpfungsfunktion h( ), separiert werden:

G(t; ) = G(t) � h( ) ; t > �k (3.36)

Mittels einer Verschiebung der doppelt logarithmisch dargestellten deformationsabhän-gigen Relaxationsmoduln G(t; ) auf den linear-viskoelastischen Modul G(t) für unter-schiedliche Deformationen lässt sich die Scher-Dämpfungsfunktion h( ) ermitteln. EineSeparabilität nach Glg. 3.36 wird bei vielen Lösungen und Schmelzen von Polymeren erstnach einer charakteristischen Zeit �k gefunden, die abhängig sein kann vom Molekularge-wicht, der Molekültopologie und der Temperatur [11, 12]. Daneben spielen insbesonderebei sehr kurzen Zeiten apparative E�ekte eine Rolle; hierauf wird in Abschnitt 5.4.8 ein-gegangen.

Linear und nichtlinear-viskoelastisches Materialverhalten

Die rheologischen Materialfunktionen, wie beispielsweise der Relaxationsmodul oder dieDehnviskosität, spiegeln je nach der Gröÿe der zur Ermittlung dieser Materialfunktio-nen aufgebrachten Deformationen unterschiedliches Materialverhalten wider. Im Folgendenwird die Zeit- und Deformationsabhängigkeit des Materialverhaltens anhand einer dimen-sionslosen Kennzahl kurz beleuchtet.

Eine dimensionslose Kennzahl zur Beschreibung der Zeitabhängigkeit rheologischerGröÿen ist die Deborah-Zahl (Glg. 3.37). Die Zeitabhängigkeit des Fluids wird durcheine charakteristische Relaxationszeit � beschrieben, t bezeichnet eine charakteristischeDeformationszeit [13]:

De =�

t(3.37)

Im Falle dynamischer Beanspruchung, welche nicht notwendigerweise im linear-visko-elastischen Deformationsbereich erfolgen muss, setzt sich die Deborah-Zahl aus der Kreis-frequenz ! und der Deformationsamplitude 0 zusammen, also De = 0�! [13]. Für denFall eines Spannversuchs mit konstanter Scherrate _ ergibt sich De = � _ .

Die Zeit- und Deformationsabhängigkeit ist in Abb. 3.2 anhand des Diagramms nachPipkin [14] (erweitert durch Macosko [13]) dargestellt. Aufgetragen ist die Deformation bzw. Deformationsamplitude 0 als Funktion der Deborah-Zahl.

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16 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Deborah-Zahl De = = λ γ = γ0 λ ωλt

Def

orm

atio

nsam

plit

ude

γ 0D

efor

mat

ion

γ

Gum

mie

last

izitä

t

Nichtlineare Viskoelastizität

Lineare Viskoelastizität

New

ton'

isch

esF

liess

en

1

1 Dynamisch-mechanischer Versuch mit unterschiedlichen Kreisfrequenzen2 Spannversuch

2

Abb. 3.2: Pipkin-Diagramm [14], erweitert durch Macosko [13]. Fall 1: Dynamisch-mechanische Versuche bei unterschiedlichen Kreisfrequenzen ! (Punkte). Fall2: Spannversuch bei konstanter Scherrate _ > 1

�.

Je nach Gröÿe der auf das viskoelastische Fluid aufgebrachten Deformation und derhierfür benötigten Zeit ergibt sich als Materialantwort ein unterschiedliches Verhalten:

Für kleine Deformationsamplituden 0 liegt linear-viskoelastisches (LVE) Materialver-halten vor. Für diesen Fall ist der komplexe Modul jG�j konstant und die Schubspannungs-amplitude �0 sowie die Deformationsamplitude 0 sind bei einer gegebenen Kreisfrequenz! proportional zueinander:

0 / �0 (3.38)

Das Materialverhalten kann in diesem Bereich durch eine geschlossene Theorie derlinearen Viskoelastizität beschrieben werden; Grundlage für diese Theorie ist das Boltz-mannsche Superpositionsprinzip (z.B. [1, 15]). Bei groÿen Deformationen bzw. Schubspan-nungen wird der Bereich linear-viskoelastischen Materialverhaltens verlassen (durchgezo-gene Linie in Abb. 3.2), und es liegt nichtlinear-viskoelastisches (NVE) Materialverhaltenvor. Die kritische Deformation zwischen linearem und nichtlinearem Materialverhalten istu.a. vom Material abhängig [15].

Ist die Relaxationszeit des viskoelastischen Sto�es � im Vergleich zur Deformations-zeit t sehr klein und damit die Deborah-Zahl sehr klein, dann liegt viskoses Flieÿen vor(Newton'scher Bereich oder terminaler Bereich des Flieÿgebietes). Bei sehr schneller De-formationsvorgabe hat das Material im Grenzfall unendlich groÿer Deborah-Zahlen keineZeit zu relaxieren, und es liegt eine elastische Deformation vor (Bereich der Gummielasti-zität).

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3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung 17

In Abb. 3.2 sind zwei Deformationsvorgaben durch Pfeile angedeutet: Im dynamisch-mechanischen Versuch (Fall 1) werden unter Vorgabe einer konstanten Deformationsam-plitude 0 die linear-viskoelastischen mechanisch-dynamischen Daten bei Durchlaufen ver-schiedener Kreisfrequenzen ! und damit Deborah-Zahlen ermittelt. Bei hinreichend kleinenKreisfrequenzen wird der Bereich Newtonischen Flieÿens erreicht.

Bei einem Spannversuch (Fall 2) liegt unter Vorgabe einer konstanten Scherrate _ nach Durchschreiten des linear-viskoelastischen Materialverhaltens ein nichtlinear-visko-elastisches Materialverhalten vor, falls die Scherrate ausreichend hoch ist.

Die Materialfunktionen im linear-viskoelastischen Bereich lassen sich entweder durchdirekte Korrelationen (z.B. Glg. 3.23) oder durch Näherungsbeziehungen (z.B. Glg. 4.4 inAbschnitt 4.3.7) ineinander überführen [1, 13, 15]. Im nichtlinear-viskoelastischen Bereichlassen sich die erhaltenen Materialfunktionen im allgemeinen nicht ineinander umrechnen.Zu den wichtigsten nichtlinearen Eigenschaften viskoelastischer Medien zählen in Scherströ-mungen die Strukturviskosität und in Dehnströmungen die Dehnverfestigung. Daneben istauch die Dämpfungsfunktion eine nichtlineare Materialfunktion.

Zeit-Temperatur-Verschiebung

Eine Temperaturerhöhung bewirkt bei Polymerschmelzen eine Verkürzung der Relaxati-onszeiten. Schmelzen verhalten sich dann thermorheologisch einfach, wenn sich bei einerTemperaturänderung von der Bezugstemperatur T0 auf eine Temperatur T alle Relaxati-onszeiten �i um denselben Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktor aT ändern und die Rela-xationsstärken gi(T ) konstant bleiben:

�i(T ) = aT�i(T0) (3.39)gi(T ) = gi(T0) (3.40)

Eine Auftragung der dynamischen Moduln als Funktion der reduzierten Kreisfrequenz!aT ergibt dann eine Masterkurve. aT (T; T0) bezeichnet den Zeit-Temperatur-Verschieb-ungsfaktor. Für Speicher- und Verlustmodul gilt unter Vernachlässigung der Dichtedi�e-renz:

G0(!; T ) = G0(aT!; T0) (3.41)G00(!; T ) = G00(aT!; T0) (3.42)

Für die dynamischen Viskositäten j��j gilt analog:

j��(!; T )j =j��(aT!; T0)j

aT(3.43)

Aus der Zeit-Temperaturverschiebung der dynamischen Moduln ist der Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktor zugänglich.

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18 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Für amorphe, unvernetzte Thermoplaste im Glas-Kautschuk-Übergang und im New-ton'schen Bereich hat sich zur Beschreibung der Temperaturabhängigkeit von aT (T; T0)die nach William, Landel und Ferry benannte WLF-Gleichung [16] bewährt:

log aT (T; T0) =�c1(T � T0)

c2 + (T � T0)(3.44)

In dieser Gleichung ist T0 eine willkürliche Bezugstemperatur und c1 bzw. c2 sind ma-terialspezi�sche Konstanten, die allerdings von der Bezugstemperatur T0 abhängen. DieGröÿen c1 � c2 und T1 sind invariant und gestatten daher die Berechnung der Konstantenc1 und c2 für eine andere Bezugstemperatur T 0:

T1 = T0 � c2 = T 0 � c2 (3.45)c1 � c2 = c1 � c2 (3.46)

Zur Bestimmung der Parameter c1 und c2 bei einer Bezugstemperatur T0 wird Glg. 3.44in der Form

�T � T0

log aT (T; T0)=

T � T0c1

+c2c1

(3.47)

angewendet. Ein Vergleich der Invarianten T1 und c1 � c2 wird herangezogen, um denEin�uss des molekularen Aufbaus auf die Temperaturabhängigkeit der rheologischen Ma-terialfunktionen amorpher Thermoplaste zu studieren [17].

3.2.3. Beschreibung der eingesetzten Scherrheometer und

Durchführung der Messungen

In diesem Abschnitt wird auf die Spezi�kationen der für die scherrheologischen Untersu-chungen verwendeten Rheometer, auf die Probenpräparation und auf die Durchführungder scherrheologischen Messungen eingegangen.

Spezi�kationen der Scherrheometer

Die scherrheologischen Messungen erfolgten an zwei kommerziellen Rotationsrheometern.Für die Stabilitätsmessungen an den Polystyrolen kam ein schubspannungsgesteuertesScherrheometer (Typ CSM 50, Fa. Bohlin) zum Einsatz, da durch die Temperierung derMessaufnehmer über eine Heizplatte der Volumenstrom an Sticksto� als Spülgas geringgehalten werden kann. Als Messaufnehmer wurde eine Kegel-Platte Geometrie (Durchmes-ser: D = 25 mm, Kegelwinkel � = 2.5Æ) eingesetzt.

Die Ermittlung der dynamisch-mechanischen Daten sowie die Spannungsrelaxations-versuche erfolgten an einem deformationsgesteuerten Scherrheometer (ARES, AdvancedRheometric Expansion System, Fa. Rheometric Scienti�c). Tabelle 3.1 gibt einen Überblickder Spezi�kationen der beiden Scherrheometer. Für die mechanisch-dynamischen Messun-gen und die Spannungsrelaxationsversuche an den Polystyrolen kam ausschlieÿlich eineKegel-Platte-Anordnung (Durchmesser D = 25 mm, Kegelwinkel � = 5.73Æ) zum Einsatz.

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3.2. Rheologische Charakterisierung in Scherströmung 19

ARES Bohlin CSM 50

Temperaturbereich [ÆC] -150 - 600 20 - 400Frequenzbereich [rad/s] 10�3 - 100 6 � 10�3 - 300Drehmomentbereich [mNm] 2 �10�3 - 20 10�3 - 50Drehmomentenau�ösung [mNm] < 10�5 3 �10�6

Drehwinkelau�ösung [rad] 5 �10�6 10�6

Tab. 3.1: Spezi�kationen der verwendeten Scherrheometer.

Eine Kegel-Platte-Anordnung wird bei Messungen mit Deformationen im Bereichnichtlinearen Materialverhaltens bevorzugt, da die Deformation über den gesamten Spaltkonstant ist. Zur Vermessung der mechanisch-dynamischen Materialfunktionen wird eineKegel-Platte-Anordnung gewählt, da im Vergleich zur Platte-Platte-Geometrie der Einsatzan Probenmaterial geringer ist.

Die Polycarbonate wurden ebenfalls mit dem deformationsgesteuerten Scherrheometeruntersucht. Hier wurde aufgrund der wesentlich höheren Schmelzeviskosität für sämtlicheMessungen eine Platte-Platte Anordnung (D = 25 mm) gewählt. Der Plattenabstand lagzwischen 1.5 und 2.7 mm. Alle Messungen erfolgten in einer Schutzgasatmosphäre ausSticksto�, um den oxidativen Angri� der Schmelze gering zu halten.

Durchführung der scherrheologischen Messungen

Sämtliche Polystyrole liegen nach der Synthese bzw. Abmischung und anschlieÿender Ge-friertrocknung als feinkörniges Pulver vor und werden vor dem Aufschmelzen mindestens48 h im Vakuumtrockenschrank bei T = 80 ÆC getrocknet. Mittels gelpermeationschro-matographischer Messungen wurde überprüft, dass der Trocknungsprozess nicht zu einemthermisch bedingten Molmassenabbau führt. Sämtliche Polystyrole sind mit einem phe-nolischen Stabilisator versetzt (Konzentration: 1000 ppm; Stabilisator: Irganox 1076; Fa.Ciba-Geigy AG, Basel).

Zur Herstellung der Proben für die scherrheologischen Untersuchungen wird von demgetrockneten Pulver eine Masse von etwa 0.5 g abgewogen und in einer Metallform bei T =170 ÆC etwa 40 Minuten aufgeschmolzen. Die Metallform wird unter Belastung mit einemGewicht zur Vermeidung von Vakuolen abgekühlt; es entstehen scheibchenförmige Probenmit einem Durchmesser von 20 mm und einer Höhe von etwa 1.8 mm. Die Proben weiseneine konische Vertiefung an der Oberseite auf. Die dynamisch-mechanischen Messungenerfolgten bei den Polystyrolen in einem Temperaturbereich von T = 140 ÆC bis T = 220 ÆCund einer Kreisfrequenz ! zwischen 100 rad/s und 0.1 rad/s. Die Deformationsamplitudenbetrugen einheitlich 0 = 0.03 und liegen im Bereich des linear-viskoelastischen Material-verhaltens. Bei stark schwankenden Werten des Phasenwinkels Æ im BereichNewton'schenFlieÿens wurde bei den höchsten Messtemperaturen (T = 210 ÆC und T = 220 ÆC) die De-formationsamplitude teilweise auf 0 = 0:10 erhöht, um die Signalqualität und damit dieGenauigkeit der Bestimmung des Phasenwinkels Æ zu erhöhen. Es wurde überprüft, dassDeformationsamplituden bis 0 = 0.10 im linear-viskoelastischen Deformationsbereich lie-gen.

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20 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Die Messung der dynamischen Moduln wurde bei den Polystyrolen nach einem vonLomellini vorgeschlagenen Verfahren [18] durchgeführt: Die Proben werden bei einerTemperatur von T = 190 ÆC eingebaut, die Kanten getrimmt und nach Abkühlen auf dieReferenztemperatur von T = 170 ÆC wird mit der ersten Messung begonnen. Danach wirddie Messung der dynamischen Moduln bei T = 140 ÆC durchgeführt und die Messtempe-ratur in Schritten von 10 K bis auf 220 ÆC erhöht, unter Anpassung des vorher kalibriertenTestaufnehmerabstandes. Dieses Vorgehen ermöglicht unter der Voraussetzung der ther-mischen Stabilität die Ermittlung der mechanisch-dynamischen Daten für unterschiedlicheMesstemperaturen unter Minimierung von Fehlern, wie sie durch eine unterschiedliche Pro-benbeladung zustande kommen können [18]. Zudem kann dadurch Probenmaterial gespartwerden.

Die Untersuchung der Polystyrole mittels Spannungsrelaxationsversuchen wurde eben-falls mit einer Kegel-Platte-Geometrie durchgeführt, da bei dieser Messaufnehmergeometriedie Scherung über den gesamten Bereich des Messaufnehmers konstant ist. Die Messun-gen wurden in einem Temperaturbereich durchgeführt, bei denen die Polystyrolschmelzennoch relativ niedrigviskos sind (�0 < 1.5�104 Pas). Damit wird sichergestellt, dass auch beihohen Scherstufen der Drehmoment-Messbereich des Scherrheometers nicht überschrittenwird. Zudem ist bei niedrigviskosen Schmelzen der parasitäre Ein�uss der Nachgiebigkeitdes Messsystems geringer als bei höheren Schmelzeviskositäten; letztere können aufgrundder höheren auftretenden Drehmomente zu einer Torsion der Messaufnehmer und damitzu fehlerhaften Werten für das gemessene Drehmoment führen können [19]. Durch diekurzen Relaxationszeiten kann zudem die Schmelze zwischen den einzelnen Scherstufenausreichend schnell relaxieren, und Artefakte durch Restspannungen bei Aufbringen dernächsten Scherstufe werden minimiert. Die Deformationssprünge wurden in einem Bereichvon = 0.01 bis = 4.95 aufgegeben. Die Zeit, in welcher die vorgegebene Deformation erreicht wird, ist bei vorliegender Messanordnung geringer als 0.1 s. Nach Aufbringender Deformation wird vor Aufbringen der nächsten Scherstufe solange gewartet, bis dieSchubspannung deutlich unterhalb des Messbereichs des Drehmomentaufnehmers liegt. De-formationen im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn ergaben gleiche Werte für denRelaxationsmodul G(t). Bei Deformationsstufen bis = 4.5 wurde ein Heraustreten derSchmelze aus der Probengeometrie nicht beobachtet. Dies wurde neben visueller Kontrolledadurch überprüft, indem nach Aufbringen der gröÿeren Scherstufen ( > 2) auch kleine-re Scherstufen ( = 0:1) aufgegeben wurden; die hieraus bestimmten Relaxationsmodulnstimmten mit den zu Beginn der Messung bei der gleichen Scherstufe ermittelten Rela-xationsmoduln G(t) überein.

Bei den Polycarbonaten erfolgten die Stabilitätsuntersuchungen und die dynamischenMessungen ebenfalls am deformationsgesteuerten Scherrheometer. Das in Granulatformvorliegende Polycarbonat wird nach Trocknung im Vakuum bei T = 80 ÆC in einer Pressebei T = 220 ÆC zu scheibchenförmigen Proben mit einem Durchmesser von D = 25 mmund einer Dicke von 2 bis 3 mm erschmolzen. Um eine Hydrolyse der aufgeschmolzenenProben zu minimieren, werden die gepressten Proben im Vakuumofen gelagert und erstkurz vor Beginn der Messung dem Ofen entnommen. Die dynamischen Daten werden ineinem Temperaturbereich von T = 180 ÆC bis T = 290 ÆC und bei einer Kreisfrequenz! zwischen 100 rad/s und 0.1 rad/s ermittelt. Die Deformationsamplitude betrug in allenFällen 0 � 0:05 und liegt damit im Bereich linear-viskoelastischen Materialverhaltens [20].

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3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung 21

3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung

In diesem Abschnitt werden die Grundlagen der rheometrischen Versuchsarten in Dehn-strömungen und des experimentellen Aufbaus des verwendeten Dehnrheometers behandelt.

3.3.1. Deformations- und Deformationsgeschwindigkeitstensoren

bei Dehnströmungen

In einer homogenen Dehnströmung kann das Geschwindigkeitsfeld durch ein Vektorfeld uin einem geeigneten orthonormalen Koordinatensystem in der Form

u(x; t) =

0@ _"1(t) x1

_"2(t) x2_"3(t) x3

1A (3.48)

beschrieben werden. Die Längenkoordinaten x1, x2 und x3 stehen dabei für die dreiAchsenrichtungen des Koordinatensystems.

Nimmt man inkompressibles Materialverhalten an, was für die Polymerschmelzen auf-grund der Volumenkonstanz im vorliegenden Fall erfüllt ist, so muss die folgende Beziehungerfüllt sein:

divu = r � u = _"1 + _"2 + _"3 = 0 (3.49)

Bei Dehnströmungen können demnach generell nur zwei der drei Hauptdehngeschwin-digkeiten frei gewählt werden.

Der Deformationsgeschwindigkeitstensor D ist de�niert nach Glg. 3.50.Dabei bezeichnet 5u den Geschwindigkeitsgradienten, 5uT dessen Transponierte.

D =1

2(5u+5uT ) (3.50)

Die einfache Dehnströmung ist rotationsfrei, d.h. die Fluidelemente drehen sich � andersals bei der einfachen Scherströmung � nicht. Die Bedingung hierfür lautet:

rotu = 0 (3.51)

Die Fluidelemente werden also lediglich in drei festen, zueinander senkrechten Richtun-gen gedehnt oder gestaucht, nicht aber gedreht. Der DeformationsgeschwindigkeitstensorD des Geschwindigkeitsfeldes ergibt sich für die uniaxiale Dehnung mit einer konstantenDehnrate _" zu:

D =

0@ _" 0 00 � _"=2 00 0 � _"=2

1A (3.52)

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22 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Die Hauptdiagonalelemente des Deformationsgeschwindigkeitstensors D sind die Dehn-geschwindigkeiten der entsprechenden Koordinatenrichtungen. Bei einer einachsigen Dehn-strömung verlängert sich ein Fluidelement in die Richtung der Dehngeschwindigkeit _" > 0und verkürzt sich in den beiden anderen Richtungen jeweils mit halber Dehngeschwindig-keit. Neben der Deformation in x1-Richtung �ndet also eine Querkontraktion in x2- undx3-Richtung statt.

Bei einfacher Dehnung ist mit der Deformation "(t; t0) = "(t)�"(t0) im Hencky-Dehnmaÿder Fingersche Deformationstensor B

tde�niert als:

Bt(t; t0) = C�1

t(t; t0) =

0@e2"(t;t

0) 0 00 e�"(t;t

0) 00 0 e�"(t;t

0)

1A (3.53)

Der Fingersche Deformationstensor kann also über Inversion des Cauchy-Tensors Ct

erhalten werden, welcher wie folgt de�niert ist:

Ct(t; t0) =

0@e�2"(t;t

0) 0 00 e"(t;t

0) 00 0 e"(t;t

0)

1A (3.54)

Die Deformationstensoren werden für die Anwendung einer rheologischen Zustandsglei-chung (Abschnitt 3.4) benötigt. Für die uniaxiale Dehnung ergeben sich die erste, zweiteund dritte Invariante des Fingerschen Deformationstensors zu:

IB = tr Bt= e2" + 2e�" (3.55)

IIB =1

2(I2B � trB2

t) = 2e" + e�2" (3.56)

IIIB = detBt= 1: (3.57)

Die Invarianten des Deformationstensors sind vom Bezugssystem unabhängige Gröÿen.

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3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung 23

3.3.2. De�nition der Spannungszustände und Viskositäten

Die Beschreibung des dreidimensionalen Spannungszustandes in einem kontinuierlichenMedium erfolgt durch den Spannungstensor �:

� =

0@�11 �12 �13�21 �22 �23�31 �32 �33

1A (3.58)

Die Indizes 1 bis 3 bezeichnen die drei Koordinatenrichtungen der orthonormalen Ba-sis. Im Falle uniaxialer Dehnung stellt die gemessene Zugspannung � in x1-Richtung dieerste Normalspannungsdi�erenz �11��22 des Spannungstensors dar. Bei konstanter Dehn-geschwindigkeit _" ist im Falle uniaxialer Dehnung die Dehnviskosität de�niert als:

�E(t; _") =�11(t; _")� �22(t; _")

_"=

�(t; _")

_"(3.59)

Die Komponenten des Spannungstensors sind bei transienten, also zeitabhängigen Strö-mungen auch eine Funktion der Zeit.

3.3.3. Versuchsarten in Dehnströmung

In vorliegender Arbeit wird eine uniaxiale Dehnströmung unter Aufprägung einer konstan-ten Hencky-Dehngeschwindigkeit _" auf eine zylinderförmige Probe mit der Länge l0 unddem Durchmesser d0 realisiert. Diese Deformationsvorgabe wird als Spannversuch bezeich-net. Aus dem Quotienten der Gesamtlänge der verstreckten Probe l(t) und der Ausgangs-länge l0 wird die Verstreckung � berechnet:

�(t) =l(t)

l0=

�l(t) + l0l0

(3.60)

Die Hencky-Dehnung ist über den natürlichen Logarithmus der Verstreckung � de�niert:

"(t) = ln�(t) = lnl(t)

l0(3.61)

Beim Spannversuch wird die Deformationsgeschwindigkeit _" zum Zeitpunkt t = 0 stu-fenförmig aufgegeben:

_"(t) =

�0 t < 0_" = const: t � 0

(3.62)

Durch Di�erentiation der Glg. 3.61 erhält man folgende Di�erentialgleichung:

_" =d"

dt=

1

l(t)�dl(t)

dt= const. (3.63)

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24 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Hieraus ergibt sich mit der Anfangsbedingung l(t = 0) = l0 ein Zusammenhang zwi-schen der Dehngeschwindigkeit _" und der Probenlänge l(t):

l(t) = l0 � e_"�t (3.64)

Durch Ableitung von Glg. 3.64 erhält man die Geschwindigkeit, mit welcher die Probedeformiert wird:

u(t) =dl(t)

dt= l0 � _" � e

_"�t (3.65)

Die axiale Deformationsgeschwindigkeit nimmt also für eine konstante Hencky-Dehn-geschwindigkeit _" exponentiell mit der Zeit zu. Die Geschwindigkeit der Abzugsstange desDehnrheometers (Abschnitt 3.3.4) muss entsprechend gesteuert werden.

Am unteren Teil der Probe wird die Zugkraft F (t) gemessen; hieraus ermittelt sich dieZugspannung �(t) in der Probe gemäÿ:

�(t) =F (t)

A(t)(3.66)

Zur Berechnung des zeitabhängigen Probenquerschnittes A(t) wird die Volumenkon-stanz des deformierten Schmelzestranges vorausgesetzt:

V = A0 � l0 = A(t) � l(t) = const. (3.67)

Diese Bedingung ist erfüllt, wenn das Material inkompressibel ist, d.h. � = const: gilt.Weiterhin ist wichtig, dass eine homogene Deformation über der gesamten Probenlängevorliegt und der Probenkörper so dimensioniert ist, dass Rande�ekte an den Fixierungs-punkten der Probe vernachlässigt werden können. Im Falle von eingespannten Proben darfweiterhin auch kein Schmelzetransport aus den Einspannstellen heraus erfolgen, was zueiner Volumenzunahme führen würde.

Aus der Kraftmessung erhält man mit Glg. 3.64 und 3.67 die zeitabhängige Zugspan-nung:

�(t) =F (t)

A(t)=F (t)

A0� e _"�t (3.68)

und hieraus die zeitabhängige Dehnviskosität �E(t; _"):

�E(t; _") =�(t; _")

_"(3.69)

Details zum Aufbau des Dehnrheometers und zur Durchführung der Messungen folgenim nächsten Abschnitt.

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3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung 25

3.3.4. Beschreibung des eingesetzten Dehnrheometers

In diesem Abschnitt wird auf den Aufbau des Dehnrheometers und die Probenpräparationsowie -applikation im Dehnrheometer eingegangen.

Aufbau des Dehnrheometers

Das verwendete Dehnrheometer entspricht im Prinzip der Apparatur, die von Münstedt1978 publiziert wurde [21]. Es handelt sich hierbei um ein kommerziell vertriebenes Gerätder Fa. Rheometrics mit der Typenbezeichnung RER 9000, welches dem Lehrstuhl für Po-lymerwerksto�e von der Fa. Hoechst AG (Frankfurt) überlassen wurde3.

Das Dehnrheometer besteht aus einer Temperier- und Messeinheit, einer Steuer- undMessdatenerfassungskonsole und einem Rechner zur Parameterübertragung und Messda-tenerfassung. Die Temperier- und Messeinheit des Dehnrheometers ist in Abb. 3.3 darge-stellt.

Die Temperiereinheit besteht aus einem externen Thermostaten sowie einem Glasgefäÿ,in welchem sich zur Temperierung und Gravitationskompensation des Schmelzestranges Si-liconöl be�ndet. Zur Beschleunigung der Wärmeübertragung ist im Glasgefäÿ ein Rührereingebaut. Die Messung der Abzugskraft F (t) erfolgt durch eine Kraftmessfeder, welcheunterhalb der Probe angebracht und an einen induktiven Wegaufnehmer gekoppelt ist.Das Glasgefäÿ ist auf einem Rahmen befestigt, welcher zum Ein- und Ausbau der Probevertikal beweglich angeordnet ist. Die Antriebseinheit besteht aus einem Linearmotor mitInkrementalgeber. Über einen Zahnriemen erfolgt die Kraftübertragung auf die Zugstange,mit welcher die Deformation auf den Schmelzestrang aufgebracht wird. Der Messweg derAbzugsstange beträgt maximal lmax = 600 mm.

Das Messprinzip ist vergleichbar mit dem einer Zugprüfmaschine für Festkörper. ZumVermessen von viskoelastischen Fluiden ist ein Stützmedium erforderlich, für das übli-cherweise Siliconöle4 unterschiedlicher Dichte eingesetzt werden; es be�ndet sich in derinnersten Kammer des Glasgefäÿes, die nach oben o�en ist. Die mittlere Kammer wird voneinem Temperieröl5 durch�ossen, das durch einen Thermostaten beheizt und über einenKreislauf umgepumpt wird. Die äusserste Kammer des Glasgefässes enthält Luft zur ther-mischen Isolierung gegenüber der Umgebung.

Das Siliconöl zur Probentemperierung weist nach Herstellerangaben bei T = 180 ÆCeine Dichte von � = 0.972 g/cm3 und eine Viskosität von � = 17 mPa auf; diese Silicon-öldichte ist aufgrund der Schmelzedichte der untersuchten Polystyrole und Polycarbonateerforderlich. Der Einsatz der angewendeten Siliconöle wird in o�enen Systemen nur bis T= 200 ÆC empfohlen, weshalb die maximale Messtemperatur für dieses Öl begrenzt ist; diemaximale Messtemperatur des Dehnrheometers RER 9000 ist allerdings mit T = 250 ÆCspezi�ziert. Die Temperatureinstellung erfolgt durch Regelung der Temperieröltemperaturam Thermostaten. Eine direkte Regelung über ein Thermoelement in der innersten Kam-mer war aufgrund der langen thermischen Ausgleichszeiten nicht möglich.

3 Dank geht an dieser Stelle an Herrn Dr. Fleissner (Fa. Hoechst AG).4 hier: Siliconöl AP 500 unstabilisiert, Fa. Wacker (Polydimethylmethylphenylsiloxan).5 Siliconöl Baysilone PH 300, Fa. Bayer AG (Polymethylphenylsiloxan).

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26 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Temperieröl

Blattfeder

Probe

Rührer

Thermoelemente

induktiver WegaufnehmerMetallbecher

Ölablasshahn

Zentrierführung

Motor

Zahnriemen

Zugstange

Inkrementalgeber

Stützmedium (Siliconöl)ρ(TÖl) ρ(TProbe)

Abb. 3.3: Skizze der Temperier- und Messeinheit des Dehnrheometers RER 9000.

Die Wärmeübertragung wurde mittels eines Rührers durch erzwungene Konvektion ver-bessert. Dies war erforderlich aufgrund der hohen Viskosität und Dichte des Siliconöles undder damit verbundenen schlechten Wärmeübertragung. In der Nähe der Probe sind keineRührblätter angebracht, um eine Deformation der Probe durch die Ölbadströmung vorVersuchsbeginn zu vermeiden.

Mittels vier Thermoelementen wird die Temperatur in der Nähe der Probe (T3 undT4) sowie die Temperatur entlang der Messstrecke (T1 und T2) ermittelt (s. Abb. 3.3).Diese Thermoelemente wurden gegen das Thermoelement des deformationsgesteuertenScherrheometers kalibriert.

Der zeitliche Verlauf der Ölbad- und Probentemperatur ist in Abb. 3.4 gezeigt. DieProbentemperatur wird durch Einbringen eines Thermoelementes vor Versuchsbeginn ineine Bohrung in der Mitte des Probekörpers ermöglicht. Nach Einbringen der Probe in dieHalterung und Hochfahren des Ölbades wird der Rührer gestartet. Zur Probentemperie-rung ist eine ausreichende Rührzeit �tR erforderlich. Nach Abschalten des Rührers wirdzum Erreichen der Temperaturhomogenität und Beruhigung der Strömung eine thermische

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3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung 27

0 5 6 10 15168

169

170

171

172T = 170 °CProbe: PS 158 K

∆tM∆t

G∆t

R

°C

min

T1

T2

T3

TProbe

Tem

pera

tur

Ti(t

)

Zeit t

Abb. 3.4: Temperaturverlauf im Ölbad und im Inneren der Probe (hier: Polystyrol PS158 K) nach Einbau der Probe und Hochfahren des Ölbades.

Ausgleichszeit �tG benötigt. Die Probentemperatur und die Temperatur T3 in der Näheder Probe sind nach Erreichen der Temperaturhomogenität nahezu identisch (Abb. 3.4).

Die Temperaturverteilung sollte während der Messzeit �tM konstant bleiben und ent-lang der axialen Messstrecke im Rheometer gleichbleibend sein. Die Homogenität der Tem-peraturverteilung hängt allerdings von der Messtemperatur ab. So wurde bei der Mes-stemperatur von 170 ÆC ein Temperaturgradient von etwa 0.5 ÆC entlang der Messstreckegefunden, während bei 200 ÆC ein Gradient von etwa 0.7 ÆC ermittelt wurde.

Die Längenmessung erfolgt über einen optischen Inkrementalgeber, welcher über eineAchse mit dem Antriebsmotor verbunden ist. Wenn sich die Zugstange um �l= 0.1 mmbewegt, gibt der Inkrementalgeber ein Signal an den Zähler. Die Länge wird vor Beginnder Messungen mit der entsprechenden Probenhalterung, jedoch ohne Probe, auf l = 0 mmkalibriert. Die Probenlänge l0 wird somit nach dem Einspannen direkt über den Inkremen-talgeber ermittelt.

Die Kraftmessung erfolgt über eine Blattfeder, welche mit einem induktiven Wegauf-nehmer gekoppelt ist (s. Abb. 3.3). Die eingesetzte Blattfeder hat eine maximale Nennlastvon mmax = 100 g. Für den gesamten Kraftmessbereich stehen 4096 Inkremente zur Verfü-gung; die Massenau�ösung liegt also bei �m = 24.4 mg. Da die Kraftmesseinrichtung sehrtemperaturemp�ndlich ist, be�ndet sie sich in einem Metallbecher, um beim Probenwech-sel die Abkühlung der Messeinheit möglichst gering zu halten. Dies ist hinsichtlich einesstabilen Nullpunktes und verlässlicher Kraftsignale insbesondere bei der höheren Messtem-peratur von T = 200 ÆC wichtig. Die Messbereiche des Dehnrheometers RER 9000 sindzusammenfassend in Tab. 3.2 angegeben.

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28 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Parameter Spezifikation RER 9000

Temperatur T [ÆC] 30 - 250max. Kraft F [g] 100

Kraftau�ösung �m [mg] 24.4Dehngeschwindigkeit _" [s�1] 0.001 - 5

max. Länge l [mm] 600Längenau�ösung � l [mm] 0.1max. Hencky-Dehnung6 "max 3.2

Tab. 3.2: Spezi�kationen des Dehnrheometers RER nach Herstellerangaben.

Probenpräparation

Da das im Labor synthetisierte Polystyrol als Pulver vorliegt, wird dieses nach Trocknungim Vakuum bei T = 80 ÆC zunächst in einer Vakuum-Glaspresse bei T = 180 ÆC aufge-schmolzen, so dass ein zylinderförmiger, blasenfreier Körper entsteht. Für eine geeigneteFormgebung wird dieser nachfolgend in einem Schmelzindexgerät bei T = 170 ÆC nocheinmal aufgeschmolzen und durch eine Runddüse mit geeignetem Durchmesser d0 extru-diert. Der extrudierte Strang wird dabei in einem Siliconöl aufgefangen, um zu verhindern,dass sich der schmelzeförmige Teil des Extrudates durch das Eigengewicht deformiert unddamit zu einer inhomogenen Durchmesserverteilung der Ausgangsprobe führt.

Die durch die Extrusion eingebrachten Eigenspannungen werden durch ein Wiederauf-schmelzen des Stranges in einem Siliconölbad durch Spannungsrelaxation abgebaut. Diegewählte Temperatur entspricht der Messtemperatur der dehnrheologischen Untersuchun-gen. Für die linearen und verzweigten Polystyrole wurde dabei eine Retardationszeit von12-15 Minuten, für die Polystyrole mit hochmolekularen Komponenten eine Retardations-zeit von etwa 20 Minuten eingehalten. Die Vollständigkeit des Retardationsprozesses wirddurch Ausmessen der Dimensionen des Schmelzestranges nach Behandlung im Ölbad über-prüft.

Die Probenpräparation erfolgt bei Polycarbonat durch Trocknen des Granulates beiT = 80 ÆC im Vakuum und anschlieÿender Extrusion bei T = 200 ÆC im Schmelzindex-gerät. Danach erfolgt die Spannungsrelaxation im Siliconölbad bei T = 200 ÆC für etwa15 Minuten. Die vollständige Retardation wurde durch Überprüfung der zeitabhängigenDurchmesseränderung eines Probenstranges sichergestellt [22].

Durch die hohen Temperaturen �ndet eine geringfügige Di�usion des Siliconöles in dieProben statt. Die Ölaufnahme wurde gravimetrisch ermittelt. Bei T = 180 ÆC beträgt dieÖlaufnahme in Polystyrol nach 20 Minuten lediglich 0.1 Gew.-%. Bei Polycarbonat lässtsich nach 20 Minuten bei T = 200 ÆC eine Gewichtszunahme von 0.25 Gew.-% feststellen.Die amorphen Thermoplaste zeigen aufgrund der geringen Ölaufnahme keine signi�kanteViskositätsänderung, wie durch mehrfache Überprüfung der gemessenen Dehnviskositä-ten mit den Scherviskositätsfunktionen über das Trouton-Verhältnis festgestellt werdenkonnte (s. Abschnitt 4.4.1).

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3.3. Rheologische Charakterisierung in Dehnströmung 29

Sämtliche Proben bestehen aus einem zylinderförmigen Körper mit einem Durchmesservon d0 = 4 mm bis d0 = 5:5 mm. Die Abweichungen im Durchmesser d sind entlang einesProbenkörpers für die Dehnrheologie � bedingt durch die Probenpräparation � kleiner als�d = 0.2 mm. Die e�ektive Probenlänge beträgt l0 = 20 mm bis l0 = 28 mm. Rande�ek-te an der Einspannstelle können vernachlässigt werden, wenn die Probenlänge wesentlichgröÿer ist als der Probendurchmesser.

Für die Proben�xierung zur dehnrheologischen Messung wurden zwei verschiedene Me-thoden angewandt: Die Probenkörper der Polystyrole werden mit einem hochviskosenEpoxidharzkleber an ihren Stirn�ächen auf T-förmig gefalzte Plättchen aus Aluminiumgeklebt; für Details wird auf die Doktorarbeit von Kurzbeck verwiesen [23]. Die Unter-suchung der relativ hochviskosen Polycarbonatschmelzen im Dehnrheometer erfolgte mit-tels eigens hierfür entwickelter Klemmbacken. Polycarbonat lässt sich nicht als stirnseitigverklebte Probe vermessen, da die Klebe�ächen für die auftretenden Zugspannungen zuklein sind und die Klebeverbindung hierfür keine ausreichende Adhäsion bzw. mechanischeFestigkeit bietet. Der Probenkörper wird daher in einer Klemmbacke mit innenliegendemGewinde eingebracht, mit einer Folie7 umwickelt und mittels Schrauben �xiert. Die Foliestellt eine haftende Verbindung zwischen Metall und Polymerober�äche her und verhinderteine zu starke Kerbwirkung des Gewindes, was zu einer Spannungserhöhung und damit zumRiss während der Messung der schmelzeförmigen Probe führen könnte. Das Einspannen inden Klemmbacken verhindert ein Heraus�iessen der Schmelze aus der Einspannstelle.

Durch Vergleichsmessungen an einem kommerziellen Polystyrol wurde die Genauigkeitder dehnrheologischen Messungen mit den Klemmbacken überprüft. Details zum Aufbauder Klemmbacken, zur experimentellen Durchführung und die Vergleichsmessungen sindder Diplomarbeit von Wörle zu entnehmen [22].

Zur Dichte des Siliconöls und der vermessenen Schmelzen

Die Berechnung der Dehnviskosität erfordert die Kenntnis der Probendimensionen bei derMesstemperatur T . Unter der Voraussetzung der Volumenkonstanz und der Isotropie derthermischen Ausdehnung lassen sich die Probendimensionen, z.B. die Länge l0(T ), ausdem Verhältnis der spezi�schen Volumina v(T ) oder der Schmelzedichten �(T ) bei derMesstemperatur T berechnen:

l0(T ) = l0(TR) �3

sv(T )

v(TR)= l0(TR) �

3

s�(TR)

�(T )(3.70)

TR bezeichnet die Raumtemperatur. Die Berechnung der Schmelzedichte �(T ) erfolgtmittels der dilatometrisch bestimmten Dichteänderungskoe�zienten �:

� =d�

dT(3.71)

7 Te�onr-Folie, Fa. DuPont, Bad Homburg.

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30 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Damit lässt sich die temperaturabhängige Dichte ermitteln:

�(T ) �

(�(TR) + �g ��T T � Tg�(Tg) + �l ��T T > Tg

(3.72)

Dabei bezeichnet �g den Ausdehnungskoe�zienten des amorphen Festkörpers, �l jenender Schmelze. Aus den Angaben für die Dichte und die Ausdehnungskoe�zienten nachSchwarzl [1] ergibt sich die Dichte von Polystyrol bei 170 ÆC zu 0.993 cm3/g und jenefür Polycarbonat bei 200 ÆC zu 1.151 cm3/g 8.

Für Polystyrol oberhalb der Glastemperatur Tg geben Überreiter und Kanig eineBeziehung für die Temperaturabhängigkeit des spezi�schen Volumens an [24]:

v(T ) = 0:7674 + 5:5 � 10�4 � T (Einheit: cm3/g; T in K;T � Tg) (3.73)

Die hieraus ermittelte Dichte von Polystyrol bei 170 ÆC zu 0.989 cm3/g weicht wenigerals 2% von dem über dilatometrische Daten bestimmten Wert ab. Glg. 3.73 wird daher fürdie Berechnung der Dichten von Polystyrol im Temperaturbereich von 150 ÆC bis 170 ÆCherangezogen.

Die Dichte des Siliconöles, welches im Dehnrheometer zur Probentemperierung ver-wandt wird, liegt bei T = 170 ÆC mit � = 0.978 cm3/g nahe dem Wert der Schmelze-dichten für die Polystyrole9. Gravitationse�ekte bedingt durch Dichtedi�erenzen zwischender aufgeschmolzenen Probe und dem umgebenden Siliconöl sollten sich hinsichtlich derProbendimensionen demnach nicht bemerkbar machen.

Die Polycarbonatschmelzen weisen mit � = 1.151 cm3/g aber eine höhere Dichte aufals das Siliconöl bei der Messtemperatur von T = 200 ÆC (� = 0:960cm3/g10); das Ei-gengewicht der Probe kann dadurch nicht vollständig kompensiert werden. Aufgrund derhohen Schmelzeviskositäten der Polycarbonate bewirkt diese Dichtedi�erenz jedoch keinesigni�kante Änderung der Probengeometrie nach dem Aufschmelzen und vor dem Aufprä-gen der Deformation:Wörle konnte zeigen, dass sich der Durchmesser der Probe nach 20Minuten weniger als � 0.1 mm ändert [22].

8 zugrunde gelegt: Tg;PS = 100.0 ÆC und Tg;PC = 145.0 ÆC.9 Angaben von Kellermann [25].

10 interpoliert aus Daten von Kellermann [25].

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3.4. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung 31

3.4. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung

Die ermittelten experimentellen dehnrheologischen Daten lassen sich durch die Anwen-dung einer rheologischen Zustandsgleichung in andere Materialfunktionen überführen. Ei-nige rheologische Zustandsgleichungen zur Beschreibung des viskoelastischen Materialver-haltens von Fluiden wurden in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Eine Kategorie sinddie auf kontinuumsmechanischen Grundlagen basierenden phänomenologischen Modelle,bekannt unter der Klasse der nach Bernstein, Kearsley und Zapas benannten K-BKZ-Gleichungen (z.B. [13, 26]). Eine spezielle Form dieser Gleichung, die sog. separableRivlin-Sawyers-Gleichung, wird im Rahmen dieser Arbeit als rheologische Zustandsglei-chung herangezogen.

Der Anteil des Spannungstensors � setzt sich bei dieser Gleichung aus der zeitabhän-gigen Gedächtnisfunktion (memory function) und einem Tensor, S

t(t0), der die Deforma-

tionsabhängigkeit berücksichtigt, zusammen (z.B. [13], [26]):

� =

tZ�1

m(t� t0)St(t0) dt0 (3.74)

Dabei bezeichnet t den beobachteten Zeitpunkt und t' die Zeitpunkte in der Vergan-genheit, d.h. es gilt t0 � t. Die Gedächtnisfunktion m(t� t0) ist mit dem RelaxationsmodulG(t) verknüpft:

m(t� t0) = �dG(t� t0)

dt0(3.75)

Sie lässt sich praktikabel in diskreter Form als eine Summe von exponentiellen Funk-tionen angeben:

m(t� t0) =NXi=1

gi�i

exp

��(t� t0)

�i

�(3.76)

Die Wertepaare {gi; �i} bezeichnen das diskrete Relaxationszeitspektrum. Es lässt sichdurch An�tten der im linear-viskoelastischen Bereich ermittelten experimentellen Datender dynamischen Moduln über die Glgn. 3.28 und 3.29 ermitteln.

Eine vereinfachte Form der separablen Rivlin-Sawyers-Gleichung wird vonWagnerangegeben [27], wobei für den deformationsabhängigen Tensor S

tgilt:

St(t0) = h(IB; IIB)B t

(t0) (3.77)

und sich aus Glg. 3.74 die folgende Integralgleichung ergibt:

� =

tZ�1

m(t� t0) � h(IB; IIB) �B t(t0)dt0 (3.78)

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32 3. Rheologische Charakterisierungsmethoden

Für eine Deformation in uniaxialer Dehnung ergibt die Inversion von Glg. 3.78 nachWagner [27] einen Ausdruck für die deformationsabhängige Dämpfungsfunktion in uni-axialer Dehnung:

hu(t) =

�(t)

G(t)�

tR0

�(t0) m(t0)

G2(t0)dt0

e2 _"t � e� _"t: (3.79)

Glg. 3.79 lässt sich unter Einführung der Hencky-Dehnung " = _"t und Substitutionauch folgendermaÿen angeben:

hu(") =

�(")

G(")� 1

_"

"R0

�("0) m("0)

G2("0)d"0

e2" � e�": (3.80)

Die Dämpfungsfunktion hu kann also mittels des Relaxationszeitspektrums {gi; �i} unddes zeitabhängigen Spannungsverlauf �(t), berechnet aus der Dehnviskosität nach

�( _"; t) = �E( _"; t) � _" (3.81)

ohne variierbare Parameter direkt ermittelt werden [27]. Für die Berechnung des Inte-grals in Glg. 3.79 wird ein Runge-Kutta-Verfahren angewendet [28].

Über einen Vergleich der Relaxationszeitspektren, welche die Zeitabhängigkeit des Flieÿ-verhaltens der Polymerschmelze beschreiben, sowie einen Vergleich der Dämpfungsfunk-tionen hu("), welche die Deformationsabhängigkeit beschreiben, lassen sich die einzelnenEin�üsse dieser Gröÿen auf den Spannungstensor und damit auf die Dehnviskositäten ana-lysieren. Damit ist es möglich, den Ein�uss molekularer Parameter auf die einzelnen Termedes Spannungstensors darzustellen und zu interpretieren. Voraussetzung hierfür ist, dasssich der Spannungszustand in der Schmelze über die Gleichung 3.78 beschreiben lässt. Die-se Bedingung ist dann erfüllt, wenn für unterschiedliche Dehnraten _" die nach Glg. 3.79berechneten Dämpfungsfunktionen zu einer Funktion zusammenfallen (z.B. [27, 29]). EineAnalyse mittels dieser Methode wird für die bimodalen Mischungen in Abschnitt 4.4.2 undfür die verzweigten Polystyrole in Abschnitt 5.5.2 aufgezeigt.

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4. Rheologische Eigenschaften von

Mischungen linearer Polystyrole

In diesem Kapitel wird nach einer kurzen Literaturübersicht der Ein�uss der Molekular-massenverteilung und speziell von hochmolekularen Komponenten auf die scher- und dehn-rheologischen Eigenschaften bimodaler Polystyrolmischungen, welche aus einer niedermo-lekularen Matrix (Gewichtsmittelwert Mw;1, Massenanteil w1) und einer hochmolekularenKomponente (Gewichtsmittelwert Mw;2 mit Mw;2 > Mw;1; Massenanteil w2) bestehen, auf-gezeigt und interpretiert.

Wesentliches Ziel der Untersuchungen ist, festzustellen, in welcher Weise bei bimoda-len Mischungen von Polystyrol sich das Verhältnis der Gewichtsmittelwerte Mw;2=Mw;1 derMischungskomponenten, der Massenanteil w2 der hochmolekularen Komponente sowie diePolydispersität der Matrix auf die rheologischen Eigenschaften in einer Scher� und eineruniaxialen Dehnströmung auswirken. Ein weiteres Ziel der Untersuchungen an bimodalenMischungen ist, festzustellen, ob durch geeignete Molekularmassenverteilung eine ähnlicheDehnverfestigung wie bei verzweigten Polystyrolen erzielt werden kann. Die Untersuchun-gen sollen zum Verständnis des Ein�usses sehr langer Moleküle in einer Matrix aus kurzenMolekülen auf die rheologischen Eigenschaften beitragen und erörtern, ob bei linearenPolymeren eine signi�kant erhöhte Dehnverfestigung alleine durch Änderung der Molmas-senverteilung erzielt werden kann.

Im Vergleich mit den verzweigten Polystyrolen, welche in Kapitel 5 behandelt werden,soll geklärt werden, inwieweit eine Dehnverfestigung über Verzweigungen oder aber überdie Zugabe von langen Molekülen erzielt werden kann. Dieser Vergleich hat anwendungs-technische Bedeutung für eine Optimierung des Verarbeitungsverhaltens von Polymeren,welche in durch Dehnströmungen dominierten Verarbeitungsprozessen deformiert werden.Die Untersuchungen sollen eine gezielte Optimierung des rheologischen Verhaltens von Po-lymerschmelzen ermöglichen. Ein Vergleich der Dehnviskositäten der bimodalen Mischun-gen mit jenen der verzweigten Polystyrole �ndet sich in Abschnitt 5.5.3.

4.1. Literaturübersicht

Neben der Molekularmasse eines Polymers hat seine Molekularmassenverteilung Ein�ussauf die Dehnviskosität. Die in der Literatur genannten Untersuchungen zum Ein�uss derMolmassenverteilung auf dehnrheologische Eigenschaften umfassen auf der einen Seite Stu-dien zum Ein�uss der Polydispersität, auf der anderen Seite Studien zum Ein�uss hoch-

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34 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

molekularer Anteile, d.h. die Untersuchung bimodaler Molmassenverteilungen. Für eineausführliche Literaturübersicht zum Zusammenhang zwischen molekularer Struktur undden rheologischen Eigenschaften linearer Polymere in Dehnströmungen sei auf die Dis-sertation von Kurzbeck verwiesen [23]. Die wichtigsten Literaturergebnisse werden hierzusammengefasst.

4.1.1. Viskose Eigenschaften in Scherung

Die Nullviskosität linearer Polymeren ist oberhalb eines als kritisches MolekulargewichtMc

bezeichneten polymerspezi�schen Gewichtsmittelwertes mit der 3.4-ten Potenz von der Mo-lekularmasse abhängig, bei Molekulargewichten unterhalb von Mc wird eine proportionaleAbhängigkeit der Nullviskosität von der Molekularmasse gefunden:

�0 = K� �Mw ;Mw < Mc (4.1)�0 = K �M3:4

w ;Mw > Mc (4.2)

Diese Beziehung wurde für verschiedene Polymerschmelzen experimentell validiert (z.B.[1, 13, 30]). Der Wert von Mc wird für Polystyrol mit Werten zwischen 31 200 g/mol und38 000 g/mol angegeben [30]. Er entspricht etwa dem doppelten Wert des Verschlaufungs-molekulargewichtes Me, welches üblicherweise aus dem Plateaumodul G0

N ermittelt wird(s. Abschnitt 5.2.1).

Die Nullviskosität hängt dabei lediglich vom Gewichtsmittelwert, nicht aber von derMolmassenverteilung der Polymere ab. Dies zeigen Untersuchungen vonMünstedt an Po-lystyrolen mit unterschiedlicher Molmassenverteilung [31]. Für bi- und trimodale Mischun-gen anionischer Polystyrole wird dies von Masuda et al. auch gefunden. Die Mischungenzeigen dabei die gleiche Molekulargewichtsabhängigkeit der Nullviskosität wie die linearen,engverteilten Ausgangskomponenten [32].

Die Schergeschwindigkeitsabhängigkeit der Viskositätsfunktion, d.h. die Strukturvisko-sität der Schmelze, ist hingegen deutlich von der Molekulargewichtsverteilung abhängig.Münstedt �ndet, dass die Viskosität für ein breitverteiltes Polystyrol bei einer kleinerenSchergeschwindigkeit absinkt als bei einem Polystyrol mit engerer Molmassenverteilung.Bei sehr hohen Schergeschwindigkeiten schneiden sich die Viskositätsfunktionen, so dassdas Polystyrol mit der breiten Verteilung eine geringfügig höhere Viskosität aufweist alsder enger verteilte Typ [31]. Die von Schuch untersuchten drei linearen Polystyrole mitunterschiedlicher Polydispersität (Mw/Mn liegt zwischen 1.06 und 2.5) zeigen mit zuneh-menden Wert von Mw/Mn ebenfalls eine erhöhte Strukturviskosität im Übergangsbereichzwischen dem Newtonischen Plateau und dem Bereich einer näherungsweise konstantenSteigung der Viskositätsfunktion (power-law -Bereich) [33].

4.1.2. Elastische Eigenschaften in Scherung und Dehnung

Neben der starken Dehnverfestigung zeigen bimodale Blends aus engverteilten Polystyroleneinen ausgeprägten Anstieg der elastischen Eigenschaften im Vergleich zu den Ausgangs-komponenten. So nimmt beispielsweise die Kriecherholungsnachgiebigkeit J0

e eines anioni-schen Polystyrols mit Mw;1 = 8:68 � 104 g/mol um mehr als eine Dekade zu, wenn eine

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4.1. Literaturübersicht 35

hochmolekulare Komponente (Mw;2 = 5:00 � 105 g/mol) mit Massenanteilen von 10 bis 25Gew.-% zugegeben wird [30]. Dabei durchläuft die Kriecherholungsnachgiebigkeit als Funk-tion des Massenanteils an hochmolekularer Komponente w2 ein Maximum. Bereits einigeProzent an hochmolekularem Polystyrol können sich in einem Anstieg der Kriecherholungs-nachgiebigkeit um mehr als eine Dekade bemerkbar machen [34, 35]. Ähnliche Ergebnisse�nden auch Berger und Meissner bei bimodalen Mischungen von engverteilten Poly-butadienen [36] und Pechhold et al. an bimodalen Mischungen von Polyisobutylenen [37].

In uniaxialer Dehnströmung zeigte Münstedt einen starken Anstieg der linearen sta-tionären Dehnnachgiebigkeit D0

e bei Zugabe einer hochmolekularen Komponente (Mw;2 =7�105 g/mol) zu einer niedermolekularen Matrix (Mw;1 = 4�104 g/mol). Bereits sehr gerin-ge Massenanteile von 0.1 Gew.-% der hochmolekularen Komponente erhöhen die reversibleDehnung um den Faktor 30 [31]. Ein höheres MolekulargewichtMw;1 der niedermolekularenKomponente (d.h. ein geringeres Verhältnis der Molekulargewichte der Mischungskompo-nenten Mw;2/Mw;1 von 5.6 im Vergleich zu 17.5) ergibt bei unveränderter hochmolekularerKomponente einen geringer ausgeprägten Anstieg der Dehnnachgiebigkeit D0

e mit zuneh-mendem Massenanteil w2 der hochmolekularen Komponente.

Im linear-viskoelastischen Fall sind die stationäre Dehnnachgiebigkeit und die stationäreScher-Kriecherholungsnachgiebigkeit gemäÿ

D0e =

1

3J0e (4.3)

verknüpft. Daher kann der Ein�uss von molekularen Gröÿen auf die stationäre Scher-Kriecherholungsnachgiebigkeit J0

e mit den Ergebnissen des Ein�usses auf die stationäreDehnnachgiebigkeit D0

e in Zusammenhang gebracht werden.

4.1.3. Viskose Eigenschaften in uniaxialer Dehnung

Untersuchungen von Münstedt [38] an zwei Polystyrolen mit unterschiedlicher Moleku-larmassenverteilung (Abb. 4.1) zeigen, dass eine höhere Polydispersität bei vergleichbarermittlerer Molekularmasse zu einer etwas stärkeren Dehnverfestigung führt:PS IV (Mw = 219 000 g/mol, Mw/Mn = 2.3) zeigt eine leichte Dehnverfestigung bei ho-hen Dehnraten, welche mit sinkender Dehnrate abnimmt. Bei dem enger verteilten PS III(Mw = 253 000 g/mol, Mw/Mn = 1.9) ist keine ausgeprägte Dehnverfestigung zu �nden.Die Tendenz einer Zunahme der Dehnverfestigung bei breiterer Molekularmassenverteilungwird von Takahashi et al. [39] an Polystyrolen mit unterschiedlicher Polydispersität be-stätigt. Eine Dehnverfestigung bei breitverteilten Polystyrolen (Mw/Mn > 3.0) wird auchvon Ide und White [40] sowie von Venerus et al. (Mw/Mn = 2.85) [41] angegeben.

Das ebenfalls von Münstedt untersuchte lineare Polystyrol PS II zeigt demgegenübereine sehr stark ausgeprägte Dehnverfestigung über einen Bereich der Dehnraten von _" = 0:3s�1 bis 0.009 s�1 (Abb. 4.2). Obwohl PS II eine Polydispersität Mw/Mn von nur 1.1 auf-weist, ist anhand der Molekularmassenverteilung (siehe Einschub in Abb. 4.2) zu erkennen,dass neben der engverteilten Matrix auch eine hochmolekulare Komponente vorliegt, derenMolekulargewichte deutlich von denen der Matrix separiert sind.

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36 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Der Gewichtsanteil der hochmolekularen Komponente von PS II wurde durch Integrati-on der Peak�ächen des Chromatogramms zu etwa 15 Gew.-% abgeschätzt. Hierbei handeltes sich wahrscheinlich um das Kopplungsprodukt aus der anionischen Synthese (z.B. [4]),da das Molekulargewicht des Peakmaximums der hochmolekularen Komponente (7 � 104

g/mol) etwa doppelt so hoch ist wie das der Hauptkomponente (3:5 � 104 g/mol). Das Ver-hältnis Mw;2=Mw;1 der Gewichtsmittelwerte aus Matrix und hochmolekularer Komponentebeträgt demnach etwa zwei.

Neue Untersuchungen von Minegishi et al. bestätigen anhand bimodaler Polystyrol-mischungen eine Zunahme der Dehnverfestigung bei Zugabe einer hochmolekularen Kom-ponente zu einer niedermolekulareren Matrix [42, 43, 44]. Mischungsreihen mit einembreit verteilten Polystyrol als Matrix (Mw = 4.23�104 g/mol, Mw/Mn = 2.36) und zweihochmolekularen engverteilten Polystyrolen unterschiedlichen Molekulargewichts (Mw =3.22�106 g/mol, Mw/Mn = 1.05 und Mw = 15.4�106 g/mol, Mw/Mn = 1.3) wurden un-tersucht. Dies entspricht einem Verhältnis der Gewichtsmittelwerte der Mischungskom-ponenten Mw;2/Mw;1 von 7.6 bzw. 36.4. Mit einer Erhöhung des Gewichtsanteils w2 derhochmolekularen Komponente nimmt die Dehnverfestigung zu. Bei sehr kleinen Gewichts-anteilen w2 � 0:5 Gew.-% der hochmolekularen Komponente �nden die Autoren gegenüberder Matrix keine deutlich erhöhte Dehnverfestigung.

10-1 100 101 102 103 104103

104

105

106

107

s

3 η0

Deh

nvis

kosi

tätη

E(t,ε

)

Zeit t

PS IIIT = 160°C

0.003

0.0150.050.07.

Dehnrate ε [s-1]

104

105

106

107

108

PasPas

3 η0

Dehnviskositätη

E (t,ε)

PS IVT = 160°C

0.00070.0030.0150.070.3Dehnrate ε [s-1]

104 105 106

M [g/mol]

PS IV

PS III

Abb. 4.1: Ein�uss der Polydispersität auf die Dehnverfestigung: Transiente Dehnviskosi-tät �E(t; _") für zwei lineare Polystyrole mit unterschiedlicher Molekularmassen-verteilung, aber ähnlicher mittlerer Molekularmasse [38].

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4.1. Literaturübersicht 37

10-1 100 101 102 103 104104

105

106

107 Pas

Pas

s

PS IT = 130°C

3 η0

Deh

nvis

kosi

tätη

E(t,ε

)

Zeit t

0.00340.0140.0510.2

0.4

.Dehnrate ε [s-1]

105

106

107

108

0.0010.003

0.0090.030.090.20.3

PS IIT = 130°C

.Dehnrate ε [s-1]

3 η0

Dehnviskositätη

E (t,ε)

104 105

PS II

PS I

M [g/mol]

Abb. 4.2: Ein�uss einer separaten hochmolekularen Komponente auf die Dehnverfestig-ung: Transiente Dehnviskosität �E(t; _") für zwei lineare Polystyrole [38].

Der kritische Massenanteil w2, ab dem eine erhöhte Dehnverfestigung gegenüber derMatrix zu detektieren ist, hängt auch vom Molekulargewicht der hochmolekularen Kom-ponente Mw;2 ab [44], und damit vom Verhältnis des Gewichtmittelwertes von hoch- zuniedermolekularer Komponente, also dem Quotienten Mw;2=Mw;1. Bei konstantem Mas-senanteil w2 der hochmolekularen Komponenten nimmt die Dehnverfestigung bei einemhöheren Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Mischungskomponenten zu [42].

Bei den Untersuchungen vonMinegishi et al. sind allerdings keine Molmassenverteilun-gen angegeben, welche für eine vollständige molekulare Charakterisierung nötig sind. Eineo�ene Frage gegenüber den Ergebnissen von Münstedt und Minegishi et al. ist auch,inwieweit die Matrixpolydispersität das Ausmaÿ der Dehnverfestigung beein�usst. Ziel vor-liegender Untersuchungen ist daher eine systematische Studie an bimodalen Polystyrolen,die eine umfassende molekulare Charakterisierung, mechanisch-dynamische Messungen inScherung sowie dehnrheologische Untersuchungen umfasst.

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38 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

104

105

106

107

0

2

4

6

8

10

12

14 10

-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

g/mol

PS-a-600

PS-a-1800

PS-a-170

PS-r-95

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

Molekularmasse

Abb. 4.3: Molekularmassenverteilungen der linearen Polystyrole PS-a-170 und PS-r-95und der hochmolekularen Mischungskomponenten PS-a-600 und PS-a-1800.

4.2. Molekulare Charakterisierung

4.2.1. Ausgangsmaterialien

Als niedermolekulare Matrixmaterialien für die bimodalen Mischungen wurden am Insti-tut für Angewandte Makromolekulare Chemie der Universität Stuttgart zwei Polystyroleunterschiedlicher Polydispersität, aber mit etwa gleichem Gewichtsmittelwert der Moleku-larmasse synthetisiert1. Die Molekularmassenverteilungen des radikalisch synthetisiertenPolystyrols PS-r-952 und des anionisch synthetisierten Polystyrols PS-a-170 sind in Abb.4.3 dargestellt, die molekularen Daten in Tab. 4.1 am Ende des folgenden Abschnitts auf-geführt. Die höhere Polydispersität des radikalisch synthetisierten PS-r-95 (Mw/Mn = 1.6)gegenüber dem anionisch synthetisierten PS-a-170 (Mw/Mn = 1.11) ist deutlich zu erken-nen (Abb. 4.3). PS-a-170 weist keinen detektierbaren Kopplungspeak aus der Synthese auf;dies ist wichtig, da anhand der in Abschnitt 4.1 angeführten Ergebnisse von Münstedtgefolgert werden muss, dass bereits geringe Anteile einer hochmolekularen Komponente zueiner deutlichen Dehnverfestigung sowie einem Anstieg der Elastizität führen können [38].

1 Die Synthesebedingungen sind in [4] aufgeführt.2 Nomenklatur: PS-x-y; x = r für radikalisch, x = a für anionisch synthetisiertes PS; y gibt den gerundetenZahlenmittelwert Mn in kg/mol an.

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4.2. Molekulare Charakterisierung 39

Die für die Mischungsherstellung verwendeten anionisch synthetisierten hochmoleku-laren Komponenten PS-a-600 und PS-a-1800 wurden von externen Herstellern bezogen3.Auch bei diesen Polystyrolen war ein hochmolekularer Kopplungpeak mittels GPC nichtzu detektieren.

4.2.2. Bimodale Polystyrolmischungen

Zur Herstellung der Mischungen werden die Einzelkomponenten in Benzol gelöst, mit einemphenolischen Stabilisator versetzt (1000 ppm Irganox 1076, Fa. Ciba-Geigy AG, Basel) undgefriergetrocknet4. Die Mischungsherstellung über eine Lösung soll eine homogene Disper-gierung der hochmolekularen Komponente in der Matrix sicherstellen5. Die Massenanteilewi der Einzelkomponenten werden aus den eingewogenen Massen gemäÿ wi = mi=mges er-mittelt. Die Nomenklatur der Mischungen erfolgt unter Angabe des Massenanteils w1 derniedermolekulareren Matrix und des Massenanteils w2 der hochmolekularen Komponente(in Gew.-%).

Die Molekularmassenverteilungen, welche am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e (Metho-de: siehe Abschnitt 2.1) bestimmt wurden, sind in Abb. 4.4 und Abb. 4.5 aufgeführt. Dieniedermolekulare Matrix erscheint durch die auf die Fläche normierte Darstellung der Mas-senverteilungsdichte w(M) verzerrt. Eine Normierung der Massenverteilungsdichte auf dasPeakmaximum der niedermolekularen Komponente ist im Anhang aufgeführt und zeigt,dass die Molmassenverteilungen der Matrixkomponenten vor und nach der Mischungsher-stellung im Rahmen der Messgenauigkeit identisch sind (Anhang, Abb. A.1). Neben derReproduzierbarkeit der gelpermeationschromatographischen Untersuchungen ist damit ge-zeigt, dass sich die Matrix durch die Mischungsherstellung nicht verändert.

Bei den Mischungen PS-r-95/PS-a-600 beträgt das Verhältnis der Gewichtsmittelwer-te Mw;2/Mw;1 = 4.0. Der hochmolekulare Ausläufer der Matrix und die hochmolekulareKomponente überlappen sich (Abb. 4.4a). Bei den Mischungen PS-r-95/PS-a-1800 ist dieMolekularmassenverteilung der Matrix von jener der hochmolekularen Komponente deut-lich separiert (Abb. 4.4b). Das Verhältnis der GewichtsmittelwerteMw;2/Mw;1 beträgt hier14.3. Bei der Mischung mit w2 = 1 Gew.-% an hochmolekularer Komponente lässt sichder hochmolekulare Anteil gelpermeationschromatographisch noch au�ösen, wie anhandder Vergröÿerung in Abb. 4.4b zu erkennen ist. Bei der Mischung mit einem Massenan-teil w2 von nur 0.1 Gew.-% ist die hochmolekulare Komponente nicht mehr mittels GPCzu erfassen; die Signalintensität entspricht dem Grundrauschen der Basislinie des Elug-ramms. Dies steht in Übereinstimmung mit Angaben von Münstedt, der bei bimodalenPS-Mischungen für die hochmolekulare Komponente (Mw;2 = 7�105 g/mol) eine Au�ö-sungsgrenze der GPC von 0.1 Gew.-% angibt [31].

3 PS-a-600: Fa. Pressure Chemical, Pittsburgh, USA; Lot. No.: 61120.PS-a-1800: Fa. Polymer Source, Montreal, Kanada; Probenbezeichnung: P849-St.

4 Die Mischungsherstellung wurde von Dr. Peter Haug am Institut für Angewandte MakromolekulareChemie (IAMC) der Universität Stuttgart durchgeführt.

5Doumoulin et al. geben beispielsweise an, bei der Compoundierung von Schmelzen hochmolekularenPolyethylens in HDPE wegen der hohen Schmelzeviskosität des hochmolekularen Polyethylens keinehomogenen Schmelzen zu erhalten [45].

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40 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

103 104 105 106 1070

1

2

3

4

510-6

mol/g

a) GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

PS-r-95 / PS-a-600

w1/w

2[Gew.-%]:

100 / 099 / 195 / 5

g/mol

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

Molekularmasse M

103 104 105 106 1070

1

2

3

4

510-6

mol/g

b) PS-a-95 / PS-a-1800

w1/w

2[Gew.-%]:

100/099.9/0.199/195/5

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

g/mol

Molekularmasse M

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

106

Abb. 4.4: Molekularmassenverteilungen der Mischungen mit radikalischer Matrix PS-r-95(w2 = 0) und unterschiedlichen Massenanteilen w2 der anionischen hochmo-lekularen Komponente PS-a-600 (a) sowie der anionischen hochmolekularenKomponente PS-a-1800 (b).

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4.2. Molekulare Charakterisierung 41

104 105 106 1070

2

4

6

8

10

12

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

g/mol

PS-a-170 / PS-a-1800

w1/w

2[Gew.-%]

100 / 099.9 / 0.199 / 195 / 5

Molekularmasse M

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

106

Abb. 4.5: Molekularmassenverteilungen der anionischen Matrix PS-a-170 und der Mi-schungen mit unterschiedlichen Massenanteilen w2 der anionischen hochmo-lekularen Komponente PS-a-1800.

Zur Untersuchung des Ein�usses der Matrixpolydispersität auf rheologische Eigenschaf-ten dient die Mischung PS-a-170/PS-a-1800 mit engverteilter, anionischer Polystyrolma-trix und einem vergleichbaren Verhältnis der Gewichtsmittelwerte Mw;2/Mw;1 von 11.5 imVergleich zu der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 mit Mw;2/Mw;1 = 14.3. Die Molekularmas-senverteilungen sind in Abb. 4.5 dargestellt.

Die nieder- und hochmolekulare Komponente sind deutlich separiert und überlappensich nicht. Bei einem Gewichtsanteil der hochmolekularen Komponente von w2 = 1 Gew.-% ist eine Detektion der hochmolekularen Komponente trotz verrauschten Signals nochmöglich, ein Anteil von w2 = 0:1 Gew.-% wird allerdings nicht mehr detektiert.

Die molekularen Daten sind zusammenfassend in Tab.4.1 dargestellt; unter `Anlage 1'sind die am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e ermittelten Werte aufgeführt, unter `Anlage2' jene des am Institut für Angewandte Makromolekulare Chemie (IAMC) der UniversitätStuttgart ermittelten. Dieser Vergleich zeigt, mit welcher Genauigkeit gelpermeationschro-matographische Untersuchungen zwischen verschiedenen eigens kalibrierten Anlagen durch-geführt werden können: Die Gewichtsmittelwerte unterscheiden sich zwischen den beidenAnlagen maximal um 15 %. Umfassende Untersuchungen eines Vergleichs der Genauigkeitgelpermeationschromatographischer Untersuchungen von Polystyrol zwischen verschiede-nen Anlagen existieren in der Literatur nicht.

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42 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Tab. 4.1: Molekulare Daten der linearen Ausgangskomponenten und der Mischungen mithochmolekularer Komponente

Anlage 1a Anlage 2b

Probe Mn Mw Mw/Mn Mn Mw Mw/Mn

w1=w2 [Gew.-%] [kg/mol] [kg/mol] [kg/mol] [kg/mol]

PS-r-95 / PS-a-600100/0 94 560 151 300 1.60 84 500 146 600 1.7399/1 92 300 159 300 1.73 84 900 145 300 1.7195/5 101 500 180 700 1.78 89 500 162 500 1.810/100 600 800 613 900 1.02 613 200c 650 000c 1.06c

PS-r-95 /PS-a-1800100/0 94 560 151 300 1.60 84 500 146 600 1.7399.9/0.1 90 800 152 000 1.67 k.A. k.A. k.A.99/1 79 900 153 600 1.92 89 300 159 100 1.7895/5 96 800 244 600 2.53 90 000 201 800 2.240/100 1 774 000 2 168 000 1.22 1 827 000c 2 119 200c 1.29c

PS-a-170 /PS-a-1800100/0 170 000 187 800 1.11 145 560 164 140 1.1399.9/0.1 163 000 189 000 1.16 148 700 166 900 1.1399/1 169 200 210 400 1.24 137 400 168 300 1.2395/5 171 800 263 000 1.53 k.A. k.A. k.A.0/100 1 774 000 2 168 000 1.22 1 827 000c 2 119 200c 1.29c

a bestimmt mittels GPC am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e, Universität Erlangen-Nürnbergb falls nicht anders vermerkt, bestimmt mittels GPC am Institut für Angewandte MakromolekulareChemie (IAMC), Universität Stuttgart [46]

c Herstellerangaben

Die Polydispersität nimmt bei allen bimodalen Mischungen im Vergleich zu der reinenMatrix zu. Mit einem zunehmenden Gewichtsanteil w2 der hochmolekularen Komponenteerhöht sich die Polydispersität, insbesonders bei den Mischungen mit einem Anteil w2 von1 bzw. 5 Gew.-%. Bei erhöhtem Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Mischungskomponenten nimmtbei konstantem Gewichtsanteil w2 und gleicher Matrix die Polydispersität wie zu erwartenebenfalls zu; dies ist beispielsweise anhand der Mischungen PS-r-95/PS-a-600 (99/1) undPS-r-95/PS-a-1800 (99/1) ersichtlich.

4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung

4.3.1. Untersuchungen zum Ein�uss von Restlösemittel

Niedermolekulare Zusätze können die Viskosität bei Polymerschmelzen stark herabsetzenund damit eine Aussage zum Ein�uss des molekularen Aufbaus auf die rheologischen Eigen-

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 43

10-1 100 101 102102

103

104

105

PS 158 K

Pa

rad/s

T = 200 °C

T = 170 °C

G'(ω) G''(ω)Ausgangsmaterialmit Stabilisator (0.1 % Irganox 1076)Sp

eich

erm

odul

G'(ω

),V

erlu

stm

odul

G''(

ω)

Kreisfrequenz ω

Abb. 4.6: Dynamische Moduln von PS 158 K (Ausgangsmaterial) und von PS 158 Knach Stabilisatorzugabe in Lösung (Benzol) mit anschlieÿender Gefrier- undVakuumtrocknung

schaften verfälschen. Um sicherzustellen, dass keine niedermolekularen Bestandteile (z.B.Fällungs- oder Lösemittel) in der Probe vorhanden sind, wird an den unaufgeschmolze-nen Proben PS-r-95, PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1), PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) und PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) nach der Trocknung eine Headspace-Analyse durchgeführt. Dieseerfolgen mittels eines Gaschromatographen (Sigma 2, Perkin Elmer, Trägergas: Sticksto�,Kolonne: Widebore SE 54 25 �m, Detektor: Flammenionisationsdetektor (FID))6. EineMasse von je etwa 150 mg der Proben wird dabei aufgeschmolzen, die evt. verdampfen-den Gase (`Headspace') werden im Trägergas chromatographisch aufgetrennt und mit demFlammenionisationsdetektor analysiert. Für sämtliche getrockneten Proben liegt der Ge-halt an �üchtigen Kohlenwassersto�en (`volatile organic compounds', VOC) unterhalb von36 ppm oder unterhalb der Nachweisgrenze.

Um den Ein�uss des niedermolekularen Stabilisators auf die rheologischen Eigenschaf-ten zu untersuchen und um zu überprüfen, ob die Trocknungsprozedur zur Entfernungvon Restlösemittel erfolgreich ist, wird ein kommerzielles Polystyrol (PS 158 K7), das perse keine Lösemittelreste mehr enthalten sollte, ebenfalls in Benzol gelöst, mit Stabilisatorversetzt, gefriergetrocknet und das so erhaltene Pulver wie oben aufgeführt im Vakuum beiT = 80 ÆC nachgetrocknet. Aus dem Pulver werden zur scherrheologischen Untersuchungunter denselben Bedingungen wie bei den anderen Polystyrolen scheibchenförmige Probenerschmolzen. Das Ausgangsmaterial, wie vom Hersteller erhalten, wurde nur im Vakuum

6 die Messungen wurden am Institut für Textil- und Faserchemie der Universität Stuttgart durchgeführt.7 Hersteller: Fa. BASF, Chargen-Nr.: 009 8289.

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44 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

0.90

0.95

1.00

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000

0.90

0.95

1.00

-5 %

-5 % PS-r-95PS-r-95/PS-a-600 (95/5)PS-r-95/PS-a-1800 (99/1)PS-r-95/PS-a-1800 (95/5)

τ = 10 Pa, ω = 0.1 rad/s

rela

tive

kom

plex

eV

isko

sitä

t|η*

|(t)/

|η*|

(t0)

T = 220 °C

PS-a-170PS-a-170/PS-a-1800 (99/1)PS-a-170/PS-a-1800 (95/5)

s

τ = 10 Pa, ω = 0.1 rad/s

T = 220 °C

Zeit t

Abb. 4.7: Komplexe Viskosität, bezogen auf den ersten Messwert bei t = t0 als Funk-tion der Zeit für die linearen Polystyrole und Polystyrolmischungen. Gestrichelte Linie:Abweichung vom Ausgangswert um 5%.

bei T = 80 ÆC getrocknet und in gleicher Weise bei T = 170 ÆC zu einer scheibchenförmigenProbe erschmolzen. Die Abweichung der dynamischen Moduln zwischen dem Ausgangsma-terial und dem gelösten und mit Stabilisator versetzten Material ist kleiner als 3.5%, wasim Rahmen der Messgenauigkeit liegt (Abb. 4.6). Ein Verdünnungse�ekt des niedermo-lekularen Stabilisators oder eines Restlösemittelanteils durch unvollständiges Austreibenist anhand dieser Messungen also nicht zu bestätigen. Weiterhin wurde weder währendder Probenpräparation noch während der Durchführung der rheologischen Messungen eineBlasenbildung in den Schmelzen beobachtet.

Anhand der aufgeführten Methoden kann also angenommen werden, dass sämtlicheProben lösemittelfrei sind und die ermittelten rheologischen Eigenschaften nicht durchLösemittelanteile verfälscht werden. Alle rheologisch vermessenen Proben wurden unterdenselben, reproduzierbaren Bedingungen bezüglich des angelegten Vakuums und der Tem-peraturführung präpariert.

4.3.2. Untersuchungen zur thermischen Stabilität

Um verlässliche rheologische Messdaten von Polymerschmelzen zu erhalten, ist ein Über-prüfung der thermischen Stabilität erforderlich, da durch die Probenpräparation oder wäh-rend der Messung molekulare Veränderungen statt�nden können. Eine rheologische Me-thode zur Identi�zierung der thermischen Stabilität ist die Messung einer bezüglich derMolmasse sensitiven rheologischen Gröÿe (beispielsweise der komplexen Viskosität) bei

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 45

103 104 105 106 1070

2

4

6

8 10

-6

mol/g

Pulver nach rheol. Messung

g/mol

PS-a-170 / PS-a-1800 (95/5)

Molekularmasse M

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

106

10-1 100 101 102101

102

103

104

105

PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) G

'( ω),

G''(

ω)

T = 220 °C

rad/s

Pa

G' G'' frische Probe nach rheol. Messung

Kreisfrequenz ω

Abb. 4.8: Vergleich der dynamischen Moduln der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) imAusgangszustand sowie nach den rheologischen Messungen im Temperaturbereich von 140ÆC bis 220 ÆC sowie Vergleich der Molekularmassenverteilung (die zugehörigen molekularenDaten sind in Tab. 4.2 aufgeführt).

konstanten Messparametern über eine längere Zeit.Die linearen Polystyrole sowie deren Mischungen mit einem hochmolekularen Anteil

von w2 � 1 Gew.-% wurden in dem schubspannungsgesteuerten Rotationsrheometer BohlinCSM bei der höchsten während den rheologischen Untersuchungen angewandten Messtem-peratur untersucht. Die Messungen erfolgten unter Sticksto�atmosphäre. Die Schubspan-nung � wurde dabei so eingestellt, dass Deformationen im linear-viskoelastischen Bereicherreicht werden ( 0 < 0:3); das Vorliegen des linear-viskoelastischen Bereiches (�0 / 0)wurde vorher anhand des komplexen Schubmoduls |G*| mit ansteigender Schubspannung �0bei konstanter Frequenz � überprüft. Die Messfrequenz beträgt einheitlich � = 0:0159s�1,was einer Kreisfrequenz von ! = 0.1 rad/s entspricht. Dies entspricht der niedrigsten Kreis-frequenz ! der mechanisch-dynamischen Untersuchungen.

Die komplexe Viskosität j��j, bezogen auf den ersten Messwert bei t = t0 als Funktionder Zeit ist für die linearen Polystyrole und die Polystyrolmischungen mit hochmolekularerKomponente in Abb. 4.7 dargestellt. Als Kriterium für die thermische Stabilität wurdewillkürlich ein Abweichung von 5 % vom ersten Messwert zugrunde gelegt.

Für das radikalische Polystyrol PS-r-95 wird bei T = 220 ÆC nach etwa einer Stunde einAbsinken der Scherviskosität um 5 % beobachtet. Die Mischungen mit den hochmolekularenAnteilen PS-a-600 und PS-a-1800 sind ähnlich thermisch stabil wie die Ausgangsmatrix.Ein thermisch induzierter beschleunigter Abbau, der bei den Mischungen durch die hohen

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46 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Tab. 4.2: Ergebnisse der GPC von PS-Mischungen imAusgangszustand (Pulver) und nachden mechanisch-dynamischen Messungen.

Probe Zustand Mw Mw=Mn �Mw

[g/mol]

PS-r-95 Pulver 146 600a 1.73a

PS-r-95 nach Stabilitätsmessungb 137 700a 1.76a -6.5 %PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) Pulver 244 600 2.53PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) nach Stabilitätsmessungc 201 900 2.36 -20.9 %PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) Pulver 263 000 1.53PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) nach rheol. Messungd 243 500 1.51 -8.0 %Peak PS-a-170e Pulver 178 100 1.08Peak PS-a-170e nach rheol. Messungd 177 700 1.13 - 0.2 %Peak PS-a-1800f Pulver 2 185 000 1.19Peak PS-a-1800f nach rheol. Messungd 1 995 000 1.11 - 9.5 %

a GPC Institut für Angewandte Makromolekulare Chemie, Universität Stuttgart [4]b ca. 3 h bei T = 240 ÆC (Vorversuch)c 2 h bei T = 220 ÆCd ca. 2 h im Temperaturbereich T = 140 bis T = 220 ÆCe aus der Integration des niedermolekularen Peaks der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5)f aus der Integration des hochmolekularen Peaks der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5)

Molekulargewichte von PS-a-600 und PS-a-1800 bedingt sein könnte, ist im untersuchtenTemperatur- und Frequenzbereich nicht festzustellen. Das anionisch polymerisierte PS-a-170 zeigt gegenüber PS-r-95 eine erhöhte thermische Stabilität. Hier sinkt die Viskositätnach etwa 80 Minuten um 5 %. Die Mischungen mit dem hochmolekularen Anteil PS-a-1800sind ebenfalls ähnlich thermisch stabil wie die Ausgangsmatrix.

Eine Kontrolle der thermischen Stabilität erfolgte auch mittels GPC anhand der Mi-schung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5), bei der die hochmolekulare Komponente von der Ma-trix gut separiert ist (Abb. 4.8). Da während der Messung der dynamischen Daten je-weils eine Probe ohne Ausbau derselben vermessen wird (siehe Abschnitt 3.2.3), wird dieSchmelze etwa 2 Stunden in einem Temperaturbereich von T = 140 bis T = 220 ÆC ther-misch belastet. Die Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) zeigt nach den scherrheologischenUntersuchungen in der Molekularmassenverteilung einen leichten molekularen Abbau derhochmolekularen Komponente. Dies ist anhand Abb. 4.8 in der Vergröÿerung der hochmo-lekularen Komponente und aus dem Vergleich der Gewichtsmittelwerte der Einzelpeaks ausTab. 4.2 ersichtlich. Der Gewichtsmittelwert der hochmolekularen Komponente verringertsich um fast 10 % und liegt damit signi�kant niedriger als die thermisch unbelastete Probe.

Ein deutlicher Unterschied in den dynamischen Moduln nach der Messung (d.h. nachDurchlaufen eines Temperaturbereiches von T = 140 ÆC bis T = 210 ÆC) ist im Vergleichzu einer frischen Probe aber nicht festzustellen: Die Werte für G0 und G00 der vermes-senen Mischung PS-a-170/PS-a-1800 weichen im Vergleich zu den Werten einer frischenProbe um weniger als 5 % voneinander ab (Abb. 4.8); diese Abweichung liegt im Rahmen

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 47

der Messgenauigkeit. Dies ist damit zu erklären, dass die Matrix PS-a-170 thermisch sehrstabil ist (vgl. Molmassenmittelwerte in Tab. 4.2) und der molekulare Abbau der hochmo-lekularen Komponente PS-a-1800 aufgrund ihrer langen Relaxationszeiten im untersuchtenFrequenzbereich nicht sehr sensitiv zu detektieren ist. Die Ergebnisse in Abb. 4.7 bestätigendiese Annahme, da unabhängig vom Gewichtsanteil w2 der hochmolekularen Komponentedie gleiche Änderung der komplexen Viskosität detektiert wird.

Die Molmassenmittelwerte in Tab. 4.2 zeigen für ein thermisch stark belastetes PS-r-95eine wesentlich schwächer ausgeprägte Molmassenänderung als die thermisch geringer be-lastete Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (95/5), was ebenfalls darauf hindeutet, dass sich derthermisch bedingte Molmassenabbau insbesondere bei den Mischungen mit der hochmole-kularen Komponente PS-a-1800 bemerkbar macht.

Bei der Probenpräparation für die Dehnrheologie werden die Polystyrole lediglich etwa30 Minuten bei T = 170 ÆC (Vakuumpresse und Extrusion) und etwa 25 Minuten bei derMesstemperatur (T = 150 bis 170 ÆC) durch die Spannungsrelaxation im Ölbad und diedehnrheologische Messung thermisch belastet. Da hier im Vergleich zu den scherrheologi-schen Untersuchungen wesentlich niedrigere Temperaturen zur Anwendung kommen, istbei den dehnrheologischen Untersuchungen mit einem signi�kanten thermisch bedingtenmolekularen Abbau nicht zu rechnen.

10-2

10-1

100

101

102

103

104

100

101

102

103

104

105

106

MasterkurveT

0 = 170 °C

Kreisfrequenz ω, reduzierte Kreisfrequenz ω aT

MasterkurveT

0 = 170 °C

Messtemperatur T [°C]: 140 150 160 170 180 190 200 210 220

Spei

cher

mod

ul

G'( ω

), G

'( ω a

T) Pa

101

102

103

104

105

106

PS-a-170 Pa

Messbereich

rad/s

Messtemperatur T [°C]: 140 150 160 170 180 190 200 210 220

Ver

lust

mod

ul

G''(

ω),

G''(

ω a

T)

Abb. 4.9: Zeit-Temperaturverschiebung von PS-a-170. Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC.

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48 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

4.3.3. Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln

Zur Ermittlung der Masterkurven wurden die im Temperaturbereich zwischen 140 ÆC und220 ÆC ermittelten dynamischen Moduln auf eine Masterkurve bei der Bezugstemperatur T0= 170 ÆC verschoben. Ein Beispiel der Zeit-Temperatur-Verschiebung ist für das anionischePolystyrol PS-a-170 in Abb. 4.9 dargestellt. Die dynamischen Moduln lassen sich horizontalzu einer Masterkurve (T0 = 170 ÆC) verschieben. Der Messbereich von knapp drei Dekadenkann dadurch auf über sechs Dekaden erweitert werden. Eine Diskussion der aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung ermittelten Werte von aT erfolgt in Abschnitt 4.3.6.

Die Masterkurven des Speicher- und Verlustmoduls von PS-r-95 mit unterschiedlichenAnteilen an hochmolekularer Komponente PS-a-600 sind in Abb. 4.10, die Mischungen mitder hochmolekularen Komponente PS-a-1800 in Abb. 4.11 dargestellt. Im Frequenzbereichdes gummielastischen Plateaus verändert sich die Frequenzabhängigkeit der dynamischenModuln im Rahmen der Messgenauigkeit durch die hochmolekularen Komponenten nicht.Bei der Mischung PS-r-95/PS-a-600 macht sich der hochmolekulare Anteil von 1 Gew.-%in einem geringfügigen Ausläufer in der Molekularmassenverteilung bemerkbar (vgl. Abb.4.4) und führt im niederfrequenten Bereich zu einer sehr geringen Zunahme des Speicher-moduls G0.

10-3

10-2

10-1

100

101

102 rad/s 10

410

0

101

102

103

104

105

106

Auflösungsgrenze

PS-r-95/PS-a-600

Spe

iche

rmod

ul G

'( ω a

T),

Ver

lust

mod

ul G

''(ω

aT)

2

1

T0 = 170 °CPa

G' G'' w1 / w

2 [Gew.-%]:

100 / 0 99 / 1 95 / 5

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. 4.10: Masterkurven von Speicher- und Verlustmodul der radikalisch synthetisiertenMatrix PS-r-95 und den Mischungen mit der anionischen hochmolekularen KomponentePS-a-600. Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC. Die Au�ösungsgrenze des Scherrheometers istfür die vorliegenden Messbedingungen eingetragen.

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 49

10-3

10-2

10-1

100

101

102 rad/s 10

410

0

101

102

103

104

105

106

Pa

1

2

G' G'' w1/w

2 [Gew.-%]:

100 / 0 99.9/ 0.1 99 / 1 95 / 5

T0 = 170 °C

PS-r-95 / PS-a-1800

Spe

iche

rmod

ul G

'( ωa T

), V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. 4.11: Masterkurven von Speicher- und Verlustmodul der radikalisch synthetisiertenMatrix PS-r-95 und den Mischungen mit der anionischen hochmolekularen KomponentePS-a-1800. Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC.

Bei erhöhtem hochmolekularem Anteil von 5 Gew.-% ist der Anstieg von G0 stärkerausgeprägt. Ein höheres Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Gewichtsmittelwerte der Einzelkompo-nenten bei gleichem Massenanteil w2 der hochmolekularen Komponente wirkt sich dagegenin einem wesentlich gröÿeren Anstieg des Speichermoduls G0 bei niedrigeren Kreisfrequen-zen aus (Abb. 4.11). Bei Massenanteilen w2 von 1 bzw. 5 Gew.-% ergeben sich bei kleinenKreisfrequenzen deutliche Unterschiede im Speichermodul G0.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Mischungen mit der anionischen Matrix (Abb.4.12). Bei PS-a-170/PS-a1800 (99/1) lässt sich der terminale Bereich des Flieÿgebietes(G0 / !2, G00 / !) der Matrix von dem Relaxationsanteil der hochmolekularen Kompo-nente bei kleinen Kreisfrequenzen trennen: Die hochmolekulare Komponente ist bei PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) erst bei Frequenzen von etwa ! < 0:1 rad/s in einem deutlichenAnstieg der dynamischen Moduln zu erkennen (Abb. 4.12).

Die in der Literatur aufgeführten bimodalen Mischungen bestehen aus Komponentenmit Gewichtsmittelwerten der Molekularmassen, die über dem kritischen Molekulargewichtliegen, für die also Mw;2 > Mw;1 > Mc gilt. Die Untersuchungen von Montfort etal. [47, 48] sowie Watanabe und Kotaka [49, 50] zeigen einen stufenförmigen Verlaufdes Speichermoduls und einen durch die langen Relaxationszeiten der hochmolekularenKomponente bedingten zweiten terminalen Bereich des Flieÿgebietes im niederfrequenten

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50 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

10-3

10-2

10-1

100

101

102 rad/s 10

410

0

101

102

103

104

105

106

Pa

1

2

G' G'' w1/w

2 [Gew.-%]:

100 / 0 99.9/ 0.1 99 / 1 95 / 5

T0 = 170 °C

PS-a-170 / PS-a-1800

Spe

iche

rmod

ul G

'( ωa T

), V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. 4.12: Masterkurven von Speicher- und Verlustmodul der anionisch synthetisiertenMatrix PS-a-170 und variierenden Massenanteilen der anionischen hochmolekularen Kom-ponente PS-a-1800. Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC.

Bereich, der für bimodale Mischungen charakteristisch ist. Die Frequenzabhängigkeit derdynamischen Moduln der in dieser Arbeit untersuchten Polystyrole entspricht damit Lite-raturangaben von bimodalen Polystyrolmischungen engverteilter Polystyrole.

4.3.4. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten

Die Masterkurven der Speichernachgiebigkeit J 0 sind zur Abschätzung der Schmelzeelas-tizität in Abb. 4.13 dargestellt. Plateauwerte für J 0, die J0

e entsprechen, sind strichliertangedeutet; die Mittelwerte von J0

e aus mindestens drei Messungen sind mit den Anga-ben der Standardabweichung in Tab. 4.3 aufgeführt. Obwohl nicht bei allen Schmelzen fürJ 0(!) im niederfrequenten Bereich ein Plateau erreicht wird, verdeutlicht Abb. 4.13 denstarken Anstieg der elastischen Eigenschaften bedingt durch die Zugabe der hochmoleku-laren Komponenten.

Die wesentlich höhere Zunahme von J 0 bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800mitMw;2/Mw;1

= 14.3 gegenüber der Mischung PS-r-95/PS-a-600 mitMw;2/Mw;1 = 3.7 zeigt, dass der Ein-�uss der hochmolekularen Komponente auf die Elastizität neben ihrem Massenanteil w2

bei vergleichbarer Polydispersität der Mischungskomponenten auch vom Verhältnis derentsprechenden Gewichtsmittelwerte Mw;2/Mw;1 abhängig ist.

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 51

10-3

10-2

10-1

100

10-5

10-4

10-3

w2 [Gew.-%]

w2 [Gew.-%]

Mw,2

/Mw,1

= 3.7

0.1

0.1

5

1

0

0

1

5

w2 [Gew.-%]

015

T0 = 170 °C

T0 = 170 °CT

0 = 170 °C

PS-r-95/PS-a-600

Spe

iche

rnac

hgie

bigk

eit J

'( ωa T

) Pa

10-3

10-2

10-1

100

101

Mw,2

/Mw,1

= 11.5Mw,2

/Mw,1

= 14.3

rad/s

PS-r-95 / PS-a-1800

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

10-3

10-2

10-1

100

101

Je

0 anion. PS (Lit.)

PS-a-170 / PS-a-1800

rad/s rad/s

Abb. 4.13: Masterkurven der Speichernachgiebigkeit J' (Ausschnitt im niederfrequentenBereich), berechnet aus den dynamischen Moduln mittels Glg. 3.23. Bezugstemperatur:T0 = 170 ÆC. Vergleich mit Literaturwerten von J0

e engverteilter, anionischer Polystyrole[30, 51].

Die Untersuchungen von Akovali et al. [35] undMills et al. [34] mit unterschiedlichenVerhältnissen Mw;2/Mw;1 der Komponenten bimodaler Polystyrolmischungen zeigen einähnliches Verhalten: Mit einem höheren Verhältnis Mw;2/Mw;1 von 5.8 im Vergleich zu 2.1ergibt sich bei gleichen Massenanteilen beider Mischungskomponenten eine deutlich höhereKriecherholungsnachgiebigkeit (zitiert nach [30]).

Aus Abb. 4.13 ist weiterhin ersichtlich, dass der sehr niedrige Massenanteil von w2 =0.1 Gew.-% nur bei der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1) zu einem deutlichen An-stieg der Speichernachgiebigkeit im untersuchten Frequenzbereich führt. Bei der MischungPS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) mit der radikalischen Matrix PS-r-95 ist eine deutliche Zu-nahme der Speichernachgiebigkeit im untersuchten Frequenzbereich nicht zu detektieren,obwohl das Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Mischungskomponenten höher ist als bei der Mi-schung PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1). Die breitere Verteilung der radikalischen MatrixPS-r-95 gegenüber der anionischen Matrix PS-a-170 führt also bereits zu einer höherenSpeichernachgiebigkeit, welche sich nach Zugabe von 0.1 Gew.-% der hochmolekularenKomponente PS-a-1800 im untersuchten Frequenzbereich nicht weiter erhöht. Die Polydis-persität der Matrix hat demnach ebenfalls Ein�uss auf das Ausmaÿ der Elastizitätszunah-me durch die hochmolekulare Komponente.

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52 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Tab. 4.3: Zusammenstellung der viskoelastischen Grenzwerte aus den dynamischen Daten.Bezugstemperatur: T0 = 170 ÆC.

Material �0 J0e

[Pas] [10�5 Pa�1]PS-r-95 36 000 6.87 � 0.14PS-r-95/PS-a-600 (99/1) 36 700 8.30 � 0.29PS-r-95/PS-a-600 (95/5) 61 500 10.03 � 0.59PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) 37 000 7.52 � 0.30PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) > 40 400 > 43PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) > 94 000 > 90PS-a-170 87 000 1.38 � 0.06PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1) 87 100 > 2.2PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) > 87 400 > 20PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) > 162 400 > 50

Ähnliche Ergebnisse wie an den hier untersuchten Mischungen �nden Minegishi etal. in einer neueren Arbeit [44], bei denen anhand einer Mischung mit breitverteilter Po-lystyrolmatrix (Mw/Mn = 2.36) und einem engverteilten hochmolekularen Polystyrol miteinem Anteil von w2 = 0.1 Gew.-% ebenfalls dann ein Anstieg von G' im Bereich kleinerFrequenzen gefunden wird, wenn die hochmolekulare Komponente ein ausreichend hohesMolekulargewicht mit einem Gewichtsverhältnis von Mw;2/Mw;1 = 36.4 besitzt; bei nied-rigerer Molekularmasse der hochmolekularen Komponente, d.h. einem Verhältnis von nurMw;2/Mw;1 = 7.6 zeigt sich im untersuchten Frequenzbereich kein Anstieg in G'. Das Ver-hältnis Mw;2/Mw;1 ist mit 14.3 bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) wesentlichgeringer als bei der von Minegishi et al. untersuchten Mischung, welche einen Anstiegvon G' zeigt. Die vorliegenden Untersuchungen stehen damit nicht im Widerspruch zu denLiteraturdaten.

Auch Münstedt �ndet bei einer bimodalen Polystyrolmischung (Mw;2/Mw;1 = 17.5)mit anionischen Polystyrolen und einem Massenanteil w2 der hochmolekularen Komponen-te von 0.1 Gew.-% eine deutliche Zunahme der linearen stationären DehnnachgiebigkeitD0

e [38]. Die vorliegenden Untersuchungen sowie die Literaturdaten zeigen, dass sehr gerin-ge Gewichtsanteile an hochmolekularen Komponenten, welche sich im Allgemeinen nichtmehr gelpermeationschromatographisch nachweisen lassen, zu einer deutlichen Zunahmeder elastischen Eigenschaften der Schmelze führen können.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass für einen signi�kanten Anstieg der elastischenEigenschaften unabhängig von der Matrixpolydispersität ein hohes Verhältnis Mw;2/Mw;1

sowie eine ausreichende Konzentration w2 der hochmolekularen Komponente erforderlichist.

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 53

4.3.5. Nullviskositäten

Sofern bei den untersuchten Polystyrolen bei kleinen Kreisfrequenzen das Newton'schePlateau der komplexen Viskosität erreicht wird, sind die aus den dynamischen Daten er-mittelten Nullviskositäten der Polystyrole als Funktion des Molekulargewichts in Abb. 4.14dargestellt.

Da der Molekularmassenbereich der untersuchten Polystyrole sehr klein ist, wurde dieDarstellung durch Angaben der Nullviskositäten anionischer Polystyrole anderer Autorenergänzt. Dazu wurden die Daten vonGraessley undRoovers [51] sowie vonMünstedt[38] bei Bezugstemperaturen T0 von 169.5 ÆC bzw. 150 ÆC auf eine Bezugstemperatur von170 ÆC umgerechnet (Glg. 3.43 und 3.44). Zur Berechnung wurden die Werte der WLF-Parameter c1 und c2 aus Tab. A.2 herangezogen. Die ermittelte Abhängigkeit der Nullvis-kosität von der Molekularmasse stimmt im Rahmen der Messgenauigkeit sehr gut mit denLiteraturdaten überein. Geringe Di�erenzen können sowohl auf Ungenauigkeiten bei derBestimmung der Gewichtsmittelwerte Mw (siehe Fehlerbalken in Abb. 4.14) als auch aufFehler bei der Zeit-Temperatur-Verschiebung der Nullviskositäten zurückgeführt werden.

105 106104

105

106

107

[Münstedt (1980)]

T0 = 170 °C

3.4

breiter verteilte Polystyrole:PS IIIPS IVengverteilte, anionische Polystyrole

[Graessley & Roovers (1979)]

PS-r-95 PS-r-95 / PS-a-600 (99/1) PS-r-95 / PS-a-600 (95/5) PS-r-95 / PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-a-170 PS-a-170 / PS-a-1800 (99.9/0.1)

Fehlerbalken GPC: + 5 %

g/mol

Pas

Molekularmasse Mw

Nul

lvis

kosi

tät η

0

Abb. 4.14: Nullviskosität als Funktion der Molekularmasse bei der Bezugstemperatur vonT0 = 170 ÆC sowie Literaturangaben von Nullviskositäten breiter verteilter Polystyrole vonMünstedt [38] (Molekularmassenverteilungen von PS III und PS IV siehe Abb. 4.1) undengverteilter Polystyrole von Graessley und Roovers [51]. Die Fehlerbalken symboli-sieren eine Abweichung der Gewichtsmittelwerte von �5%.

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54 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Die Molekularmassenabhängigkeit der Nullviskosität kann bei den untersuchten Poly-styrolmischungen mit einem Potenzgesetz in der Form nach Glg. 4.2 beschrieben werden(Linie in Abb. 4.14). Für den Parameter K (Glg. 4.2) ergibt sich K = 8:4 � 10�14 Pas �(g/mol)�3:4. Die Beziehung 4.2 ist demnach auch für die untersuchten bimodalen Polysty-role mit unterschiedlichen Molekularmassenverteilungen erfüllt, im Einklang mit Literatur-daten (siehe Abschnitt 4.1). Die aus den dynamischen Daten ermittelten Nullviskositätensind zusammenfassend in Tab. 4.3 aufgeführt.

4.3.6. Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren

Abb. 4.15 zeigt die aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung erhaltenen Verschiebungsfak-toren aT (T; T0), die über den gesamten Temperaturbereich von 140 ÆC bis 220Æ C mitkonstanten Parametern c1 und c2 der WLF-Beziehung nach Glg. 3.44 beschrieben werdenkönnen (Linie in Abb. 4.15). Im Bereich des Glasübergangs können sich nach Schwarzldie Parameter c1 und c2 jedoch ändern, auch wenn hier die WLF-Beziehung weiterhingültig ist [1]. Das von Schwarzl für Polystyrol als Glasübergangsbereich de�nierte Tem-peraturfenster umfasst einen Bereich von 90 ÆC bis 130 ÆC, und liegt damit noch 10 ÆCunter der hier ausgewerteten geringsten Messtemperatur von T = 140 ÆC.

-30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 6010-2

10-1

100

101

102

103

T0 = 170 °C

K

WLF:c

1 = 5.41

c2 = 116.8 K

PS-r-95 PS-r-95 / PS-a-600 (99/1) PS-r-95 / PS-a-600 (95/5) PS-r-95 / PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-r-95 / PS-a-1800 (99/1) PS-r-95 / PS-a-1800 (95/5) PS-a-170 PS-a-170 / PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-a-170 / PS-a-1800 (99/1) PS-a-170 / PS-a-1800 (95/5)

Ver

schi

ebun

gsfa

ktor

aT(T

, T0)

Temperaturdifferenz T-T0

Abb. 4.15: WLF-Auftragung der experimentell ermittelten Zeit-Temperatur-Verschieb-ungsfaktoren aT (T; T0). Bezugstemperatur: T0 = 170 ÆC. Linie: WLF-Gleichung (Glg. 3.44).

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 55

Eine Abweichung der Verschiebungsfaktoren aT (T; T0) von der WLF-Beziehung bei denniedrigsten Messtemperaturen ist nicht festzustellen. Die hier ermittelten Invarianten c1 �c2und T1 gelten damit also für das gummielastische Plateau und das Flieÿgebiet.

Im untersuchten Molekularmassenbereich beein�ussen weder der Gewichtsmittelwertnoch die Polydispersität bzw. der Zusatz hochmolekularer Komponenten die Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren. Dieser Befund wird unterstützt von Literaturangaben für Polysty-role mit Gewichtsmittelwerten Mw > Mc, bei denen eine Abhängigkeit der Verschiebungs-faktoren von der Molekularmasse nicht gefunden wird [52, 53].

Das gleiche gilt für Polystyrolmischungen, bei denen sämtliche MischungskomponentenGewichtsmittelwerte oberhalb des kritischen Molekulargewichts aufweisen, also Mw;2 >Mw;1 > Mc gilt [49, 50].

4.3.7. Spannungsrelaxationsversuche

Neben der Zeitabhängigkeit der viskoelastischen Eigenschaften der untersuchten Schmelzenspielt bei gröÿeren Deformationen auch die Deformationsabhängigkeit eine Rolle. In diesemAbschnitt wird der Ein�uss des molekularen Aufbaus auf die Scher-Dämpfungsfunktionenh( ) beleuchtet. Die Dämpfungsfunktionen lassen sich über Spannungsrelaxationsversucheermitteln; die experimentelle Durchführung ist in Abschnitt 3.2.2 beschrieben.

Zeitabhängigkeit der Relaxationsmoduln

Abb. 4.16 zeigt exemplarisch die Relaxationsmoduln des radikalisch synthetisierten PS-r-95. In doppeltlogarithmischer Darstellung entspricht das zeitabhängige Verhalten des Re-laxationsmoduls G(t; ) unabhängig von der aufgebrachten Deformation dem des linear-viskoelastischen Relaxationsmoduls G(t). Da eine Verschiebung der deformationsabhängi-gen Moduln zu einer gemeinsamen Kurve möglich ist, lassen sich die Dämpfungsfunktionenh( ) ermitteln.

Die verschobenen Relaxationsmoduln G(t; )/h( ) sind in Abb. 4.16 (mit dem Faktor10 vertikal verschoben) dargestellt. Die Separabilität in einen zeit- und einen deformations-abhängigen Term nach Glg. 3.36 ist damit für PS-r-95 sowie für die anderen untersuchtenSchmelzen in dem experimentell zugänglichen Zeitfenster erfüllt. Eine Separabilität wirdin der Literatur für Schmelzen und Lösungen von nicht zu eng verteilten Polystyrolen, d.h.mit Polydispersitäten zwischen Mw/Mn = 2.44 und 2.9, ebenfalls gefunden [19, 54, 55].

Bei kleinen Deformationen zwischen 0.01 und 0.2 kommen alle Werte des Relaxati-onsmoduls auf einer Kurve, dem linear-viskoelastischen Relaxationsmodul G(t), zu liegen(in Abb. 4.16 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt). G(t) lässt sich über ei-ne phänomenologische Approximationsformel für den Relaxationsmodul nach Ferry undNinomiya mittels einer Umrechnung mechanisch-dynamischer Daten in den Relaxations-modul überprüfen [30]:

G(t) = [G0(!)� 0:4G00(0:4!) + 0:014G00(10!)]!=1=t (4.4)

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56 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

0.1 0.5 1 2

101

102

103

104

105

106

PS-r-95T = 200 °C

Rel

axat

ions

mod

ul G

(t, γ

),

bezo

gene

r R

elax

atio

nsm

odul

G(t

, γ)/

h(γ)

Zeit t

x 100

G(t, γ = 0.1)

x 10

G(t,γ) / h(γ)

G(t,γ)

Deformation γ (von oben nach unten): 0.1 1.0/1.5/2.0/2.5/3.0/3.5/4.0 4.5

G(t) aus dyn. Moduln

s

Pa

Abb. 4.16: RelaxationsmodulnG(t; ) von linearem Polystyrol PS-r-95. Mit Faktor 10 ver-tikal verschoben: Auf den linear-viskoelastischen Modul G(t) bezogene Werte G(t; )=h( ).Mit Faktor 100 vertikal verschoben: (� � ��) Direkte Messung von G(t, = 0:1) und Vergleichmit G(t), ermittelt aus den dynamischen Moduln (2 Linien): (��) G(t) aus dem Relax-ationszeitspektrum nach Glg. 3.30 sowie (-�-�-) berechnet aus der Approximation nach Glg.4.4.

Hierzu müssen der Speichermodul G0 bei der Frequenz ! = 1=t sowie der VerlustmodulG00 bei zwei anderen Frequenzen bekannt sein. Zur Berechnung von G(t) werden die in Ab-schnitt 4.3.3 aufgeführten dynamischen Moduln bei der entsprechenden Messtemperatur(T = 200 ÆC) herangezogen8. Der so berechnete Relaxationsmodul G(t) ist in Abb. 4.16als strichpunktierte Linie dargestellt.

Um einen Approximationsfehler bei der Berechnung der Funktion G(t)nach Glg. 4.4 aus-zuschlieÿen, wurde aus den dynamischen Moduln G0(!) und G00(!) bei der entsprechendenMesstemperatur (T = 200 ÆC) auch das Relaxationszeitspektrum fgi; �ig ermittelt undhieraus über Glg. 3.30 der Relaxationsmodul G(t) bestimmt. Der aus dem Relaxations-zeitspektrum berechnete Relaxationsmodul ist in Abb. 4.16 mit einem Faktor 100 vertikalverschoben als durchgezogene Linie dargestellt. Er stimmt sehr gut mit dem approximier-ten Wert aus Glg. 4.4 überein.

8 Die Berechnung der Relaxationsmoduln erfolgte mit einem kommerziellen Softwareprogramm(Orchestrator c , Fa. Rheometric Scienti�c Inc.).

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4.3. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 57

Bei Messzeiten t < 0.2 s weichen die berechneten Relaxationsmoduln G(t) vom gemes-senen Wert ab, bei gröÿeren Messzeiten stimmen beide Werte für G(t) sehr gut überein.Da diese Abweichung bei unterschiedlichen Materialien und Messtemperaturen auftritt, er-scheint ein Fehler bei der Bestimmung der dynamischen Moduln oder bei der Berechnungvon G(t) unwahrscheinlich. Vielmehr ist von einem systematischen Messfehler bei den sehrkleinen Messzeiten (t < 0.3 s) auszugehen, da der obere Messaufnehmer des Scherrheo-meters eine gewisse Ansprechzeit benötigt. Die Genauigkeit der Bestimmung von h( ) ausder Verschiebung von G(t; ) wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt.

Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktionen

Für PS-r-95 und PS-r-95/PS-a-600 (95/5) wurden die Relaxationsmoduln G(t) bei zweiMesstemperaturen ermittelt und daraus die Dämpfungsfunktionen bestimmt (Abb. 4.17).Für beide Polystyrole sind die Dämpfungsfunktionen im untersuchten Temperaturbereichunabhängig von der Messtemperatur. Zwischen der Matrix PS-r-95 und der Mischung mitder hochmolekularen Komponente ist kein signi�kanter Unterschied in der Deformations-abhängigkeit von h( ) festzustellen. An Lösungen engverteilter Polystyrole konnten Osakiund Fukuda et al. zeigen, dass die Dämpfungsfunktion h( ) unabhängig von der Moleku-larmasse und der Löungskonzentration ist [12, 56]. Demnach sollten sich die Unterschiedein der Molekularmasse zwischen PS-r-95 und der Mischung mit der hochmolekularen Kom-ponente nicht auf die Dämpfungsfunktionen auswirken.

Allerdings wird eine, wenn auch geringe, Abhängigkeit der Dämpfungsfunktion von derBreite der Molekularmassenverteilung in der Literatur diskutiert; daher sind in Abb. 4.17Literaturdaten eines Polystyrols geringer Polydispersität (PS50124, Mw/Mn = 1.1) undeines breiter verteilten Polystyrols (PS606, Mw/Mn = 2.5) dargestellt. Ein Vergleich derDämpfungsfunktionen von PS-r-95 und PS-r-95/PS-a-600 (95/5) mit den Literaturdatenzeigt, dass die hier ermittelten Werte von h( ) mit jenen des breiter verteilten PolystyrolsPS606 vergleichbar sind. Eine engere Molekularmassenverteilung führt demgegenüber zueiner etwas stärkeren Deformationsabhängigkeit von h( ), wie anhand des engverteiltenPolystyrols PS50124 festgestellt werden kann. Analoge Befunde wurden von Archer undVenerus et al. für Lösungen von Polystyrolen unterschiedlicher Polydispersität festgestellt[11, 19]. Die gegenüber der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion hDE( ) geringere Deforma-tionsabhängigkeit der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Polystyrole ist auf ihre imVergleich zu anionischem, engverteiltem PS breitere Molmassenverteilung zurückzuführen.

Die experimentellen Daten von h( ) können für beide untersuchten Polystyrole durchein Funktional für die Scher-Dämpfungsfunktion mit einem Fitparameter nach Papana-stasiou, Scriven und Macosko (PSM-Funktion [58]) beschrieben werden (durchgezo-gene Linie in Abb. 4.17):

h( ) =�

� + 2(4.5)

Der Fitparameter � = 7:8 stimmt gut mit dem von Khan et al. angegebenen Wert von7.9 für ein breiter verteiltes Polystyrol (Mw/Mn = 2.44) überein [54].

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58 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

0 1 2 3 4 5

0.2

0.3

0.4

0.50.60.70.80.9

1

PSM-Funktion ( α = 7.8) h

DE [Larson (1985)]

PS606 [Isaki & Takahashi (1998)] PS50124 [Isaki & Takahashi (1998)]

lin. Polymere (Typ A) [Osaki (1993)]

PS-r-95 (T = 180 °C) PS-r-95 (T = 200 °C) PS-r-95 / PS-a-600 (95/5) (T = 200 °C) PS-r-95 / PS-a-600 (95/5) (T = 210 °C)

D

ämpf

ungs

funk

tion

h( γ

)

Deformation γ

Abb. 4.17: Scher-Dämpfungsfunktionen der radikalischen Matrix PS-r-95 sowie der Mi-schung PS-r-95/PS-a-600 (95/5). Vergleich mit Literaturdaten von Isaki und Takahashiengverteilten (PS50124, Mw/Mn = 1.1) und breitverteilten (PS606, Mw/Mn = 2.5) Po-lystyrols [19]. Graue Fläche: Klassi�zierung für lineare Polymere mit Mw/Mn < 3 nachOsaki [12]. Strichlierte Linie: Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion hDE( ) [57].

Der schattierte Bereich in Abb. 4.17 bezeichnet eine Klassi�zierung von Osaki fürdie von unterschiedlichen Autoren experimentell ermittelten Dämpfungsfunktionen vonSchmelzen und Lösungen 24 unterschiedlicher linearer Polymerer, darunter Polybutadi-en (PBD), Polydimethylsiloxan (PDMS), Polyisobutylen (PIB), HDPE und PS [12]. Dieuntersuchten Polymere weisen Polydispersitäten von Mw/Mn < 3 auf. Da die Dämpfungs-funktion weitgehend unabhängig von der Messtemperatur sowie von der Molekularmasseist, lässt sich somit ein Bereich der Deformationsabhängigkeit von h( ) angeben, der fürunterschiedliche lineare Polymere mit nicht zu breiter Molekularmassenverteilung gilt; die-se Art von Dämpfungsfunktion wurde von Osaki als Typ A bezeichnet.

In Abb. 4.17 ist eine Approximation der Dämpfungsfunktion, hDE( ), nach der Mo-lekulartheorie von Doi und Edwards angegeben; sie entspricht der PSM-Funktion miteinem Parameter � = 5 und wird mehrmals zitiert (z.B. [57, 59]). Polymerschmelzen und-lösungen weisen in der Regel eine vergleichbare oder schwächere Deformationsabhängig-keit im Vergleich zu hDE( ) auf (z.B. [12, 19, 60, 61, 62]). Eine stärkere Deformationsab-hängigkeit von h( ) im Vergleich zur Dämpfungsfunktion nach Doi und Edwards, d.h.Messpunkte unterhalb von hDE( ), �ndet sich nur in seltenen Fällen bei hochverschlauf-ten (Mw > 50Me) Polymeren; dieser E�ekt wird mit einem inhomogenen Strömungsfeld

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4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 59

(verursacht beispielsweise durch Wandgleiten) in Zusammenhang gebracht [12, 63]. Fürdie hier untersuchten Polystyrole wird h( ) > hDE gefunden. Weiterhin wurden bei un-terschiedlichen Temperaturen und damit unterschiedlichen Spannungsverläufen �(t) durchdie Verschiebung von G(t; ) die gleichen Dämpfungsfunktionen erhalten. Ein Vorliegenvon Wandgleiten ist daher unwahrscheinlich.

Die Deformationsabhängigkeit von h( ) ist von Interesse, da im nächsten Abschnittdie aus den uniaxialen Dehnvikositäten ermittelten Dämpfungsfunktionen hu(") bestimmtund mit den Scher-Dämpfungsfunktionen h( ) verglichen werden. Weiterhin wird auf dieAbhängigkeit der Dämpfungsfunktionen vom molekularen Aufbau bei verzweigten Poly-styrolen in Abschnitt 5.4.8 eingegangen.

4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse der rheologischen Untersuchungen in uniaxialerDehnung an den Polystyrolmischungen vorgestellt. Es wird der Ein�uss der Molekularge-wichte der Mischungskomponenten, der Massenanteile an hochmolekularer Komponenteund der Matrixpolydispersität auf die Dehnverfestigung diskutiert.

4.4.1. Uniaxiale Dehnviskositäten

Die zeitabhängigen uniaxialen Dehnviskositäten der Matrix PS-r-95 und der Mischungenmit 1 bzw. 5 Gew.-% an hochmolekularem Anteil PS-a-600 sind in Abb. 4.18 dargestellt.Bei geringen Deformationen fallen alle Dehnviskositäten auf die linear-viskoelastische zeit-abhängige Dehnviskosität �E(t) zusammen. Nach der Theorie der linearen Viskoelastizitätentspricht diese dem dreifachen Wert der linear-viskoelastischen transienten Scherviskosität�(t). Die transienten Scherviskositäten �(t) wurden nach Glg. 3.22 aus den Masterkurvender komplexen Viskosität ermittelt9. Die Viskositäten wurden mit den in Tab.A.2 aufge-führten Werten der WLF-Parameter mittels Glg. 3.44 auf die Messtemperatur von T =169 ÆC verschoben10.

Das Polystyrol PS-r-95 mit einer Polydispersität von Mw/Mn = 1.6 zeigt bei allenuntersuchten Dehnraten nur einen geringen Anstieg der Dehnviskosität über die linear-viskoelastische Anlaufkurve 3�(t). Bei den niedrigsten gemessenen Dehnraten kommt esaufgrund der geringen Dehnverfestigung und der niedrigen Nullviskosität der Schmelze imBereich höherer Dehnungen zu geringfügigen Einschnürungen der Probe, die aber nicht zueinem kohäsiven Versagen derselben führen. Die dann gemessene Kraft wird aufgrund derAnnahme der Volumenkonstanz (Glg. 3.67) während der Deformation auf einen gröÿerenQuerschnitt bezogen, was zu geringeren berechneten Dehnviskositäten im Vergleich zumMaterialverhalten führt. Die in Abb. 4.18 dargestellten Dehnviskositäten können bei hohenDehnungen daher unterhalb von 3�(t) liegen.

9 Die Bezeichnung �(t) folgt neueren Regeln der Nomenklatur viskoelastischer Materialfunktionen [10].10 Die `ungerade' Messtemperatur von T = 169 ÆC ist auf eine nachträgliche Temperaturkalibrierung

zurückzuführen.

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60 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

10-1 100 101 102104

105

106

.

.3η(t)

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t) PS-r-95 / PS-a-600

T = 169 °C

x 3

x 2

95 / 5

99 / 1

100 / 0

w1

/ w2

[Gew.-%]:Dehnrate ε [s-1]:

1.00.60.30.10.06

s

Pas

Zeit t

Abb. 4.18: Zeitabhängige Dehnviskositäten der Matrix PS-r-95 (w2 = 0) und der Mischun-gen mit der hochmolekularen Komponente PS-a-600. Die Scher- und Dehnviskositäten sindum den links angegebenen Faktor vertikal verschoben.

Die Dehnverfestigung von PS-r-95 ändert sich nicht wesentlich, wenn 1 Gew.-% deshochmolekulareren Polystyrols PS-a-600 zugegeben werden, wie anhand der Dehnviskosi-täten der Mischung PS-r-95/PS-a-600 (99/1) zu erkennen ist. Anhand der Molekularmas-senverteilung (Abb. 4.4a) dieser Mischung ist zu erkennen, dass 1 Gew.-% des hochmole-kularen Anteils an PS-a-600 nur zu einem geringen hochmolekularen Ausläufer führt.

Ein E�ekt dieses Ausläufers auf die Dehnverfestigung ist demnach im Rahmen derMessgenauigkeit für die untersuchten Dehngeschwindigkeitsbereiche nicht zu identi�zieren.

Bei der Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5) zeigen alle Dehnviskositäten im Bereich derDehnraten von _" = 1.0 s�1 bis 0.3 s�1 eine etwas höhere Dehnverfestigung im Vergleich zurMatrix PS-r-95 und der Mischung mit nur 1 Gew.% der hochmolekularen Komponente PS-a-600. Der hochmolekulare Anteil PS-a-600 ist bei der Mischung mit 5 Gew.-% PS-a-600in der Molekularmassenverteilung deutlich zu erkennen (s. Abb. 4.4a) und führt demnachzu einer stärkeren Dehnverfestigung.

Abb. 4.19 zeigt die Dehnviskositäten der Mischungen PS-r-95/PS-a-1800. Die hochmo-lekulare Komponente PS-a-1800 weist bei diesen Mischungen gegenüber PS-a-600 einen umFaktor 3.5 höheren Gewichtsmittelwert der Molekularmasse auf (vgl. molekulare Daten inTab. 4.1). Die Zumischung von nur 0.1 Gew.-% dieses hochmolekularen anionischen Poly-styrols zu der Matrix PS-r-95 führt im Rahmen der Messgenauigkeit zu keiner signi�kanten

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4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 61

10-1 100 101 102

105

106

107

.

3η(t)

w1

/ w2:

[Gew.-%]

T = 169 °C

PS-r-95 / PS-a-1800

x 8

x 4

x 2

95 / 5

99 / 1

99.9 / 0.1

100 / 0

Dehnrate ε [s-1]:1.00.30.10.06

s

Pas

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

Abb. 4.19: Zeitabhängige Dehnviskositäten von PS-r-95 und den Mischungen mit hoch-molekularer Komponente PS-a-1800. Die Scher- und Dehnviskositäten sind mit dem linksangegeben Faktor vertikal verschoben.

Erhöhung der Dehnverfestigung. Bei kleinen Dehnraten _" � 0.1 tritt sowohl bei der MatrixPS-r-95 als auch bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) ein geringer Abfall derDehnviskositäten unter die linear-viskoelastische Anlaufkurve bei hohen Gesamtdehnungenauf. Dieser E�ekt ist auf eine inhomogene Probendeformation zurückzuführen.

Bei einem höheren Massenanteil w2 der hochmolekularen Komponente PS-a-1800 von1 Gew.-% ergibt sich bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 eine deutlich höhere Dehnver-festigung im Vergleich zu der Matrix PS-r-95. Die erhöhte Dehnverfestigung ist bei allenuntersuchten Dehnraten festzustellen. Bei kleinen Dehnraten tritt ein Abfallen der Dehn-viskosität unter 3�(t) nicht auf.

Bei einem Anteil von 5 Gew.-% hochmolekularer Komponente PS-a-1800 ergibt sicheine noch stärker ausgeprägte Dehnverfestigung im Vergleich zu den Mischungen mit ge-ringeren Anteilen an PS-a-1800. Mit sinkender Dehnrate _" nimmt die Dehnverfestigunghier nicht so stark ab wie bei den Mischungen mit geringerem Anteil an hochmolekularerKomponente.

Abb. 4.20 zeigt die uniaxialen Dehnviskositäten der anionischen Matrix PS-a-170 sowieder Mischungen mit der hochmolekularen Komponente PS-a-1800. Die Messtemperaturwurde hier um 4.5 ÆC erhöht, um die höhere Molekularmasse von PS-a-170 gegenüber demradikalischen PS-r-95 zu berücksichtigen. Die Nullviskositäten von PS-r-95 und PS-a-170unterscheiden sich bei den entsprechenden Messtemperaturen lediglich um einen Faktor 1.6.

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62 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

10-1 100 101 102

105

106

107

.

.

Pas

3η(t)

w1

/ w2

[Gew.-%]Dehnrate ε [s-1]:

1.00.60.30.10.06

T = 173.5 °C

x 10

x 5

x 2

95 / 5

99.9 / 0.1

99 / 1

100 / 0

PS-a-170 / PS-a-1800

s

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

Abb. 4.20: Zeitabhängige Dehnviskositäten von PS-a-170 und den Mischungen mit hoch-molekularer Komponente PS-a-1800. Die Scher- und Dehnviskositäten sindmit dem links angegeben Faktor vertikal verschoben.

Das anionische Polystyrol PS-a-170 zeigt im untersuchten Dehngeschwindigkeitsbereichkeine Dehnverfestigung. Bei Dehnraten im Bereich von 0.6 bis 0.1 s�1 ist nach Erreichendes Newton'schen Plateaus die Zugspannung � in der Probe nahezu konstant; die Dehn-viskosität entspricht über einen weiten Zeitbereich dem dreifachen Wert der Nullviskosität.Bei der höchsten Dehnrate von _" = 1 s�1 tritt ein Riss im Strang der Probe auf. ÄhnlicheBefunde geben auch Ide und White an, die für PS ein kohäsives Versagen bei hohenDehnraten �nden [40] sowie Münstedt, der für PS III ein Versagen der Probe bei hohenDehnraten angibt [38].

Die Zumischung von 0.1 bzw. 1 Gew.-% an hochmolekularer Komponente PS-a-1800 zuder anionischen Matrix ergibt keine wesentliche Erhöhung der Dehnverfestigung. Auch beiden Mischungen mit 0.1 bzw. 1 Gew.-% an hochmolekularer Komponente tritt ein Versagender Probe bei der höchsten Dehnrate von _" = 1 s�1 auf. Dies ist bei der Mischung mit 5Gew.-% an hochmolekularer Komponente nicht der Fall.

Aus den dynamischen Daten in Abb. 4.12 ist bei PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) ersichtlich,dass im Bereich niedriger Frequenzen eine deutliche Zunahme von G0(!) festzustellen ist. Inuniaxialer Dehnung macht sich hingegen eine Dehnverfestigung im untersuchten Dehnge-schwindigkeitsbereich, bedingt durch diese hochmolekulare Komponente, nicht bemerkbar.

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4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 63

Diskussion

Eine Quanti�zierung der Dehnverfestigung kann über den Bezug der Dehnviskosität �E( _"; t)auf die linear-viskoelastische Anlaufkurve 3�(t) bei der gleichen Zeit t vorgenommen werden(z.B. [42]):

S =�E(t; _")

3�(t)(4.6)

S entspricht einem dimensionslosen Spannungsverhältnis und ist abhängig vom mole-kularen Aufbau der Schmelze sowie eine Funktion der Messtemperatur T, der Deformation" bzw. der Zeit t und der Dehnrate _". Die Dehnverfestigungsfaktoren, bestimmt aus dentransienten Dehnviskositäten (Abb. 4.18, Abb. 4.19 und Abb. 4.20) sind in Abb. 4.21 füreine Dehnung von " = 3 als Funktion der Dehnrate dargestellt.

Ein�uss der Polydispersität bei unimodaler Molekularmassenverteilung

Das anionisch polymerisierte, engverteilte PS-a-170 weist im untersuchten Dehngeschwin-digkeitsbereich keine Dehnverfestigung auf. Auch Ramsey et al. �nden an engverteiltemPolystyrol keine Dehnverfestigung im Vergleich zu 3�(t) [64]. Dies wird vonMünstedt andem engverteilten Polystyrol PS I für die beiden kleinsten Dehnraten ebenfalls gefunden[38]; bei höheren Dehnraten tritt bei PS I ein Plateau in der transienten Dehnviskosität auf(vgl. Abb. 4.2). Eine ausgeprägte Dehnverfestigung wird von Takahashi et al. an einemengverteilten Polystyrol (Mw/Mn = 1.2) ebenfalls nicht gefunden [39]. Die Untersuchungenan PS-a-170 entsprechen damit den genannten Literaturangaben.

Mit höherer Polydispersität, aber vergleichbarem Gewichtsmittelwert Mw zeigt sich ei-ne höhere Dehnverfestigung, wie anhand der Dehnviskositäten von PS-r-95 (s. Abb. 4.19)im Vergleich zu jenen von PS-a-170 (s. Abb. 4.20) zu erkennen ist. Eine Zunahme derDehnverfestigung bei Vorliegen einer breiteren Molekularmassenverteilung wird für Poly-styrol beispielsweise auch von Takahashi et al. [39] und Ide und White [40] angegeben.

Ein�uss des Verhältnisses der Gewichtsmittelwerte von hochmolekularer zuniedermolekularer Komponente

Bei einem höheren Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Gewichtsmittelwerte der Mischungskompo-nenten zeigen die Mischungen mit der Matrix PS-r-95 bei identischen Massenanteilen w2

eine erhöhte Dehnverfestigung, wie anhand der Dehnverfestigungsfaktoren der Mischungenmit PS-r-95/PS-a-1800 im Vergleich zu den Mischungen PS-r-95/PS-a-600 mit 1 bzw. 5Gew.-% an hochmolekularer Komponente (Abb. 4.21a) ersichtlich ist.

Minegishi et al. untersuchten bimodale Mischungen mit einer breitverteilten Matrix(Mw/Mn = 2.36) und anionischen hochmolekularen Komponenten mit einem VerhältnisMw;2/Mw;1 von 7.6 bzw. 36.4 [42]. Bei der Mischung mit dem höheren VerhältnisMw;2/Mw;1

und konstantem Massenanteil w2 ergibt sich ebenfalls eine erhöhte Dehnverfestigung imVergleich zu der Mischung, bei der die Mischungskomponenten näher beieinander liegen.

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64 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

0.1 10.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

PS-r-95 PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) PS-r-95/PS-a-600 (99/1) PS-r-95/PS-a-600 (95/5)

a)

s-1

s-1

Deh

nver

fest

igun

gsfa

ktor

S

Dehnrate ε0.1 1. . Dehnrate ε

b) ε = 3.0 T = 169.0 °C

PS-a-170 PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) PS-a-170/PS-a-1800 (95/5)

ε = 3.0 T = 173.5 °C

Abb. 4.21: Dehnverfestigungsfaktor S als Funktion der Dehnrate _" bei einer Dehnung von" = 3 für (a) die radikalische Matrix PS-r-95 und die zugehörigen Mischungen sowie (b)für die anionische Matrix PS-a-170 und die zugehörigen Mischungen.

Im Vergleich zu der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) zeigt das vonMünstedt un-tersuchte stark dehnverfestigende Polystyrol PS II bei Dehnraten von 0.2 und 0.3 s�1 undeiner Gesamtdehnung von " = 3 einen vergleichbaren Dehnverfestigungsfaktor von etwa2.3. Das Plateau von 3�(t) liegt bei PS II etwa eine Dekade über dem Wert der MischungPS-a-170/PS-a-1800 (95/5). Man be�ndet sich demnach in einem vergleichbaren Zeitfens-ter, wenn bei PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) Dehnraten, die um den Faktor 10 geringer sind(also _" = 0.02 s�1 und _" = 0.03 s�1) verglichen werden.

Bei PS II weist die hochmolekulare Komponente etwa den doppelten Gewichtsmittel-wert im Vergleich zu der Matrix auf, die Mischung ergibt aber eine vergleichbare Dehn-verfestigung wie PS-a-170/PS-a-1800 (95/5), bei dem die Gewichtsmittelwerte der Mi-schungskomponenten wesentlich weiter auseinander liegen (Mw;2/Mw;1 = 9.1). Eine Erklä-rung hierfür ist, dass der Massenanteil der hochmolekularen Komponente bei PS II mitetwa 15 Gew.-% (s. Abschnitt 4.1.3) gegenüber PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) wesentlich hö-her ist. Der Gewichtsanteil der hochmolekularen Komponente beein�usst das Ausmaÿ derDehnverfestigung ebenfalls signi�kant, wie im Folgenden diskutiert wird.

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4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 65

Ein�uss des Massenanteils w2

Der geringe Massenanteil von w2 = 0.1 Gew.-% an PS-a-1800 führt im untersuchtenTemperatur- und Dehngeschwindigkeitsbereich bei keiner der Mischungen zu einer signi�-kanten Zunahme der Dehnverfestigung.

Minegishi et al. �nden bei den Polystyrolmischungen mit einer breitverteilten Ma-trix (Mw/Mn = 2.36) bei Zugabe von w2 = 0.1 Gew.-% an hochmolekularer Komponen-te ebenfalls keine Zunahme der Dehnverfestigung, auch wenn das Gewichtsverhältnis derKomponenten mit Mw;2/Mw;1 = 36.4 sehr hoch ist. Bei bimodalen Mischungen aus Poly-methylmetacrylat (PMMA) (Mw;2/Mw;1 = 10.3) macht sich ein Anteil von 0.1 Gew.-% anhochmolekularer Komponente auf die Dehnverfestigung ebenfalls nicht bemerkbar [65].

Bei den von Minegishi et al. untersuchten bimodalen Polystyrolmischungen zeigt sicherst ab einem bestimmten Gewichtsanteil w2 der hochmolekularen Komponente eine Zunah-me der Dehnverfestigung gegenüber der Matrix [44]. Anhand des experimentellen Befundeseines Übergangs zu einer gegenüber der Matrix erhöhten Dehnverfestigung mit steigendemGewichtsanteil der hochmolekularen Komponente stellen die Autoren die Hypothese auf,dass eine erhöhte Dehnverfestigung mit dem Vorliegen von Verschlaufungen zwischen denlangen Molekülen der hochmolekularen Komponente in Zusammenhang zu bringen ist.Zur Quanti�zierung der Verschlaufungszahl vergleichen die Autoren die hochmolekularenKomponenten der bimodalen Mischungen mit Polymeren in einer verdünnten Lösung. Die-se Betrachtung vernachlässigt aber, dass auch die niedermolekularen Anteile verschlauftsind (für alle von Minegishi et al untersuchten Mischungen gilt Mw;1 > Mc).Die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten bimodalen Mischungen werden, soweit möglich,anhand ihrer Relaxationszeitspektren und ihrer Dämpfungsfunktionen analysiert und derEin�uss der hochmolekularen Komponenten auf diese Gröÿen diskutiert. Ausführungenhierzu �nden sich im nächsten Abschnitt.

Ein�uss der Matrixpolydispersität

Bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) mit der radikalischen Matrix PS-r-95 wirdbereits ein starker Anstieg der Dehnverfestigung gefunden, wohingegen bei der MischungPS-a-170/PS-a-1800 (99/1) nur ein sehr geringer E�ekt von 1 Gew.-% an hochmolekularerKomponente auf die Dehnverfestigung zu identi�zieren ist. Eine breitere Molekularmassen-verteilung der Matrix verstärkt im vorliegenden Fall also den E�ekt einer hochmolekularenKomponente gleichen Gewichtsanteils auf die Dehnverfestigung.

Obwohl die hochmolekularen Komponenten zu einer starken Zunahme der Elastizitätführen, ist dieser E�ekt nicht in allen Fällen mit einer Zunahme der Dehnverfestigunggekoppelt. Das wird aus dem Vergleich zwischen der Dehnverfestigung und den elasti-schen Eigenschaften zweier Mischungen mit unterschiedlicher Matrixpolydispersität deut-lich: Trotz wesentlich höherer Elastizität der Mischung PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) gegen-über der Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5) (s. Abb. 4.13) zeigt erstere nur eine geringeDehnverfestigung im gesamten untersuchten Dehngeschwindigkeitsbereich (s. Abb. 4.20).Die Mischungen PS-r-95/PS-a-600 mit 1 und 5 Gew.-% an hochmolekularem Anteil zeigeneine geringere Elastizität im Vergleich zu PS-a-170/PS-a-1800 (99/1), zeigen aber bei ho-hen Dehnraten eine wesentlich stärkere Dehnverfestigung.

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66 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

Diese Ergebnisse werden durch Literaturangaben unterstützt: Ein direkter Zusammen-hang zwischen der Elastizität und der maximalen stationären Dehnviskosität �E;s;max istbei den von Münstedt untersuchten Polystyrolen PS I und PS IV ebenfalls nicht festzu-stellen [38]. Beide Polystyrole zeigen vergleichbare maximale stationäre Dehnviskositäten,ausgedrückt als Verhältnis �E;s;max=3�0. Das breiter verteilte PS IV zeigt aber eine um etwaFaktor 10 erhöhte Elastizität [38].

4.4.2. Ein�uss der molekularen Struktur auf die Deformations-

und Zeitabhängigkeit

Ergänzend zu den Untersuchungen der Scher-Dämpfungsfunktion h( ) (Abschnitt 4.3.7)wird in diesem Kapitel der Ein�uss der molekularen Struktur auf die Relaxationszeitspek-tren und die Dehnungs-Dämpfungsfunktion hu(") beleuchtet.

Voraussetzung zur Ermittlung der Dehnungs-Dämpfungsfunktion hu(") ist die Annah-me, dass sich die Spannungsbeiträge zur Dehnviskosität nach der separablen Rivlin-Sawyers-Gleichung (Glg. 3.78) in einen zeitabhängigen (linear-viskoelastischen) und einendeformationsabhängigen (nichtlinear-viskoelastischen) Term separieren lassen.

Die Gültigkeit der separablen Rivlin-Sawyers-Gleichung und damit die Möglichkeit,über Glg. 3.79 bzw. 3.80 die Dämpfungsfunktion hu(") berechnen zu können, ist für die uni-axiale Dehnung vonWagner bereits an einer Vielzahl unterschiedlicher Schmelzen linearerund verzweigter Polymerer, wie PS, HDPE und LDPE gezeigt worden (z.B. [29, 66, 67]).

Für planare und äquibiaxiale Dehnungen lässt sich über die separableRivlin-Sawyers-Gleichung ebenfalls die Dämpfungsfunktion für die entsprechenden Dehnmoden berechnen.So bestätigen Wagner und Demarmels sowie Brod die Separierbarkeit von Glg. 3.78für die berechneten Dämpfungsfunktionen aus den experimentell ermittelten Dehnvisko-siäten einfacher, äquibiaxialer und planarer Dehnströmungen von Polyisobutylen [68, 69].

Voraussetzung für die Berechnung der Dehnungs-Dämpfungsfunktion hu(") nach Glg.3.78 ist die Kenntnis des Relaxationszeitspektrums {�i; gi}. Für die in dieser Arbeit un-tersuchten Polystyrole wurden die Relaxationszeitspektren aus den in Abb. 4.10 darge-stellten dynamischen Moduln ermittelt. Die Genauigkeit der Spektrenberechnung wurdeüber eine Rückrechnung der dynamischen Daten überprüft; dieses Verfahren ist zusam-men mit den numerischen Daten der Relaxationszeitspektren im Anhang (Abschnitt A.7)aufgeführt. Die Spektren der Mischungen mit der hochmolekularen Komponente zeigen imBereich langer Relaxationszeiten eine erhöhte Gewichtung (Abb. 4.22). Der Ein�uss derhochmolekularen Komponenten auf das Relaxationszeitspektrum ist damit im durch Zeit-Temperatur-Superposition der dynamischen Moduln zugänglichen Zeitbereich deutlich zuerkennen. Die Gedächtnisfunktionen m(t�t0) der Mischungen mit hochmolekularem Anteilweisen damit im Bereich langer Zeiten t gegenüber der Matrix PS-r-95 einen höheren Wertauf, was nach Glg. 3.78 zu höheren Zugspannungen und damit Dehnviskositäten führt,wenn der deformationsabhängige Term, d.h. die Dämpfungsfunktion gleich bleibt.

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4.4. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 67

10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 10410-2

10-1

100

101

102

103

104

105

Pa

107

PS-r-95

PS-r-95/PS-a-1800 (95/5)

PS-r-95/PS-a-1800 (99/1)

PS-r-95/PS-a-600 (95/5)

s

λmax

T = 169 °C

Rel

axat

ions

stär

keg i

Relaxationszeit λi

Abb. 4.22: Relaxationszeitspektren von PS-r-95, PS-r-95/PS-a-600 (95/5), PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) und PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) bei T = 169.0 ÆC, ermittelt aus den dynami-schen Moduln. �max bezeichnet die anhand der dynamischen Daten zugängliche längsteRelaxationszeit.

Die Dämpfungsfunktionen uniaxialer Dehnung hu(") können mittels Glg. 3.80 aus denuniaxialen Dehnviskositäten und dem Relaxationszeitspektrum ohne adjustierbare Parame-ter bestimmt werden. Sie sind für die Matrix PS-r-95 und die Mischung PS-r-95/PS-a-600(95/5) in Abb. 4.23 dargestellt11.

Dehnviskositäten, die bei hohen Gesamtdehnungen unter die linear-viskoelastische Kur-ve fallen, wurden nicht ausgewertet. Die berechneten Dämpfungsfunktionen kommen ober-halb der von Wagner und Schaeffer [70] durch geschlossene Integration ermitteltenLösung der Dämpfungsfunktion hu;DE nach Doi und Edwards zu liegen.

Die leichte Streuung der berechneten Dämpfungsfunktionen für unterschiedliche Dehn-raten ist bedingt durch geringe Unterschiede zwischen dem linearen Bereich der Dehnvis-kosität und der Scheranlaufkurve; als Ursache kommen Temperaturunterschiede bei derexperimentellen Ermittlung der dynamischen Daten sowie der Dehnviskositäten und diebei hohen Dehnungen auftretenden inhomogenen Deformationen in Frage12.

11 Bei den Berechnungen wurde festgestellt, dass sich die Anteile des Relaxationszeitspektrums, die beilangen Zeiten durch hochmolekulare Komponenten verursacht sind, das Ergebnis der Berechnungenstark beein�ussen. Eine korrekte Berechnung von hu(") für die Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) istnicht möglich, da die dynamischen Daten nicht bis ins Newtonsche Gebiet ermittelt werden konnten.

12 Eine Fehlerabschätzung der Berechnungen �ndet sich im Anhang, Abschnitt A.7.2.

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68 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

0 1 2 3 40.01

0.1

1

.Dehnrate ε [s-1]:1.0 0.6 0.3

PS-r-95PS-r-95 / PS-a-600 (95/5)

hu, DE

Däm

pfun

gsfu

nktio

nh u(ε

)

Deformation ε

Abb. 4.23: Aus den Dehnviskositäten berechnete Dämpfungsfunktionen hu(") für PS-r-95und die Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5). (- - -) Dämpfungsfunktion hu;DEvon Doi und Edwards nach Wagner und Schaeffer [70].

Die Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5) mit gegenüber der Matrix PS-r-95 etwas hö-herer Polydispersität zeigt für die untersuchten Dehnraten keine signi�kant geringere De-formationsabhängigkeit von hu, was aufgrund der geringfügig erhöhten Polydispersität derMischung und der damit verknüpften Erhöhung der Dehnverfestigung gegenüber der Ma-trix PS-r-95 zu erwarten wäre.

Die Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion hu("), berechnet aus uniaxialerDehnströmung, lässt sich nicht mit der aus der Scherströmung ermittelten Dämpfungsfunk-tion h( ) zur Deckung bringen. Bei einer Deformation von beispielsweise " = 3 weist h( )einen Wert von etwa 0.5 auf (s. Abb. 4.17), der Wert von hu(") liegt bei dieser Deformationetwa eine Dekade niedriger.

Nach Wagner und Meissner können Scher- und Dehnungs-Dämpfungsfunktion überden Bezug der Deformation auf die Invariante des Finger-Tensors C�1

tzur Deckung ge-

bracht werden, erfordern aber im Falle der uniaxialen Dehnung einen freien Parameter fürdie Invariante des Finger-Tensors [67]. Ein einfacher Vergleich des Ein�usses molekularerGröÿen von der Dämpfungsfunktion h( ) in Scherung auf die Dämpfungsfunktion hu(") inDehnung ist damit nicht trivial, da sich unterschiedliche molekulare Gröÿen in Scher- undDehnströmung unterschiedlich auswirken können.

Der Vergleich der Relaxationszeitspektren und der Dämpfungsfunktion in Dehnungzeigt, dass die gegenüber dem linearen Polystyrol PS-r-95 erhöhte Dehnverfestigung bei der

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4.5. Zusammenfassung 69

Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5) zusammen hängt mit einer durch die hochmolekulareKomponente veränderten Zeitabhängigkeit der Schmelze. Die Zunahme der Dehnverfest-igung kann bei den linearen Polystyrolmischungen also im Wesentlichen mit den langenRelaxationszeiten in Zusammenhang gebracht werden, welche mittels der langsam relaxie-renden hochmolekularen Anteile eingebracht werden.

Angaben in der Literatur unterstützen diese Überlegungen:Minegishi et al. untersuch-ten bimodale Polystyrolmischungen mit einem hochmolekularen Anteil [44]. Als Matrix kamein breitverteiltes Polystyrol (Mw = 4.23 �105 g/mol) zum Einsatz, für die hochmoleku-lare Komponente wurden zwei anionische Polystyrole (Mw = 3.22 �106 g/mol und Mw =1.54 �106 g/mol. Gewichtsanteile: 0.3 bis 1.5 Gew-%) gewählt. Die Relaxationszeitspektrender Mischungen mit dem hochmolekularen Anteil zeigen gegenüber der Matrix ebenfallseine erhöhte Gewichtung im Bereich langer Relaxationszeiten [44]. Die aus Spannungsrela-xationsversuchen ermittelten Scher-Dämpfungsfunktionen h( ) zeigen keine signi�kantenUnterschiede zwischen der niedermolekularen Matrix und den Mischungen mit den hoch-molekularen Anteilen [44]. Die Autoren schlieÿen daraus, dass die erhöhte Dehnverfestig-ung der Mischungen auf die langen Relaxationszeiten der hochmolekularen Komponentenzurückzuführen ist [44]. Die in diesem Abschnitt aufgeführten Ergebnisse stehen also imEinklang mit Literaturangaben.

4.5. Zusammenfassung

Basierend auf linearen Polystyrolen mit unterschiedlichem Molekulargewicht wurden bi-modale Polystyrolmischungen untersucht, unter Variation der Molekularmassen Mw;2 derhochmolekularen Komponenten, deren Gewichtsanteil w2 sowie der Polydispersität derMatrix. Aus den rheologischen Untersuchungen ergeben sich zusammenfassend folgendeErgebnisse:

Molekulare Charakterisierung

� Die ermittelten Molmassenverteilungen sind sehr gut zu reproduzieren (s. Anhang,Abschnitt A.2.1) und zeigen, dass die Molekularmassenverteilung der Matrix durchdie Mischungsherstellung nicht verändert wird.

� Unterschiede in den Molmassenmittelwerten liegen im Vergleich zweier GPC-Anlagenunter 15 % und zeigen die Zuverlässigkeit der gelpermeationschromatographischenUntersuchungen.

Mechanisch-dynamische Untersuchungen

� Die Zugabe einer hochmolekularen Komponente führt im untersuchten Frequenzbe-reich bei niedrigen Kreisfrequenzen zu einem Anstieg des Speichermoduls und � beihöheren Gewichtsanteilen der hochmolekularen Komponente � auch zu einem An-stieg des Verlustmoduls. Die frequenzabhängigen dynamischen Moduln zeigen einentypischen stufenförmigen Verlauf, der auf die Relaxation der hochmolekularen Kom-ponente im Bereich niedriger Messfrequenzen zurückzuführen ist.

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70 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

� Mit zunehmendem Gewichtsanteil der hochmolekularen Komponente ist ein An-stieg der Speichernachgiebigkeit J 0(!) bei kleinen Kreisfrequenzen und damit eineerhöhte Schmelzeelastizität festzustellen. Sehr geringe Anteile der hochmolekularenKomponente von 0.1 Gew.-% wirken sich nur bei der Mischung PS-a-170/PS-a-1800(99.9/0.1) in einem Anstieg von J 0 gegenüber der Matrix aus.

� Die Molmassenabhängigkeit der Nullviskositäten der linearen Polystyrole unimodalerMolekularmassenverteilung und der bimodalen Mischungen stimmen sehr gut mit Li-teraturwerten überein. Auch die Gleichgewichtsnachgiebigkeit des anionischen Poly-styrols PS-a-170 liegt im Bereich von Literaturwerten. Die Genauigkeit der scherrheo-logischen Untersuchungen und der Molekularmassenbestimmung wird damit bestä-tigt.

� Die Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren der bimodalen Polystyrolmischungen ent-sprechen unabhängig vom Anteil der hochmolekularen Komponente denen der linea-ren, unimodalen Polystyrole und sind mit Literaturangaben konsistent. Der Zusatzhochmolekularer Komponenten beein�usst demnach die Temperaturabhängigkeit derrheologischen Eigenschaften von Polystyrolschmelzen nicht.

� die Mischungen PS-r-95/PS-a-600 (95/5), PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) und PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) zeigen deutlich, dass der Zusatz eines hochmolekularen Anteils gegen-über der reinen Matrix zu einem Relaxationszeitspektrum mit erhöhter Gewichtungbei langen Relaxationszeiten führt.

Spannungsrelaxationsversuche

� Spannungsrelaxationsversuche ergeben für die untersuchten Mischungen Dämpfungs-funktionen, die im untersuchten Messfenster von der Temperatur unabhängig sind.

� Eine signi�kante Abhängigkeit der Dämpfungsfunktion von der Deformation ist inScherung zwischen der Matrix PS-r-95 und der Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5)nicht festzustellen. Allerdings macht sich bei der Mischung PS-r-95/PS-a-600 (95/5)der Zusatz der hochmolekularen Komponente im Relaxationszeitspektrum bemerk-bar.

Uniaxiale Dehnviskosität

� Anhand linearer unimodaler Polystyrole mit unterschiedlicher Polydispersität, abervergleichbarem Molekulargewicht konnte gezeigt werden, dass eine erhöhte Polydis-persität zu einer geringen Zunahme der Dehnverfestigung führt.

� In uniaxialer Dehnströmung ist bei einem Gewichtsanteil der hochmolekularen Kom-ponente von 0.1 Gew.-% bei keiner der untersuchten Mischungen linearer Polystyroleeine Erhöhung der Dehnverfestigung gegenüber der Matrix festzustellen. Bei denMischungen mit höherem Gewichtsanteil (� 1 Gew.-%) an hochmolekularer Kompo-nente nimmt die Dehnverfestigung mit steigendem Gewichtsanteil zu.

� Bei den bimodalen Mischungen führt ein höheres Verhältnis Mw;2/Mw;1 der Moleku-larmassen der Mischungskomponenten bei gleichen Gewichtsanteilen des hochmole-kularen Anteils zu einer höheren Dehnverfestigung.

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4.5. Zusammenfassung 71

� Eine höhere Polydispersität der niedermolekularenMatrix führt auch bei den bimoda-len Mischungen zu einer höheren Dehnverfestigung, wenn das Verhältnis Mw;2/Mw;1

der Mischungskomponenten vergleichbar und die hochmolekulare Komponente iden-tisch ist.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass eine gezielte Erhöhung der Dehnverfestigungmittels der Zugabe einer hochmolekularen Komponente dann zu erzielen ist, wenn derenGewichtsanteil hoch genug und die Molekularmasse im Vergleich zur Matrix ausreichendhoch ist. Im Vergleich zum Stand der Literatur wurden erstmals systematisch auch bimoda-le Mischungen mit anionischer Matrix und de�niertem Gewichtsanteil der Mischungskom-ponenten untersucht. Hier zeigt sich, dass eine erhöhte Polydispersität der Matrix zu einemhöheren Dehnverfestigungsverhalten der bimodalen Mischung führt, wenn der Gewichts-anteil der hochmolekularen Komponente und das Verhältnis Mw;2=Mw;1 konstant gehaltenwerden.

Weiterhin wird deutlich, dass insbesondere dehnrheologische Untersuchungen sehr sen-sitiv auf hochmolekulare Komponenten reagieren. Da die Detektion der hochmolekula-ren Komponenten mittels Gelpermeationschromatographie an ihre Grenzen stöÿt, sind dierheologischen Eigenschaften im Vergleich dazu ein wesentlich emp�ndlicherer Indikator fürhochmolekulare Komponenten.

Die vorliegenden Untersuchungen sollen neben grundlegenden Untersuchungen auchzum Verständnis des Flieÿverhaltens praxisrelevanter Polymerer beitragen. Beispiele hierfürsind lineare oder verzweigte Polymere, bei denen hochmolekulare Schultern bzw. bimodaleMolmassenverteilungen vorliegen. In jüngerer Zeit ermöglichen neue Syntheseverfahren aufder Basis von Metallocen-Katalysatoren auch die groÿtechnische Herstellung beispielsweisevon bimodal verteilten Polyethylenen [71].

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72 4. Rheologische Eigenschaften von Mischungen linearer Polystyrole

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5. Rheologische Eigenschaften von

verzweigten Polystyrolen

In diesem Kapitel werden die Untersuchungen an speziell synthetisierten Pfropfpolystyrolenmit einer de�nierten Verzweigungsstruktur dargestellt. Die Untersuchungen umfassen denEin�uss des molekularen Aufbaus auf rheologische Eigenschaften in verdünnter Lösungund Untersuchungen der Schmelze in Scher� und uniaxialer Dehnströmung.

5.1. Einleitung

Als wirtschaftlich bedeutendes Polymer mit langkettenverzweigter1 Molekültopologie istvor allem statistisch verzweigtes LDPE zu nennen, das bereits intensiv rheologisch cha-rakterisiert wurde (z.B. [23, 73, 74, 75]). Münstedt und Laun untersuchten LDPE-Schmelzen mit unterschiedlichen Langkettenverzweigungsgraden. Das Polyethylen mit demhöheren Verzweigungsgrad weist gegenüber dem mit geringerem Verzweigungsgrad eine hö-here stationäre Dehnviskosität auf [73], hat aber auch eine breitere Molmassenverteilung,so dass der Ein�uss der Verzweigungen auf die Dehnviskosität nicht von dem einer breite-ren Molmassenverteilung entkoppelt werden kann.

Aufgrund der für die Verarbeitung vorteilhaften rheologischen Eigenschaften der ver-zweigten niederdichten Polyethylene (LDPE) wurden in den letzten Jahren teilkristallineund amorphe Thermoplaste entwickelt, welche ebenfalls langkettenverzweigt sind und dieaufgrund ihrer vorteilhaften rheologischen Eigenschaften verbesserte bzw. neue Verarbei-tungsverfahren erschlieÿen. Literaturergebnisse verschiedener Typen dieser neu entwickel-ten langkettenverzweigten Polymeren werden nachfolgend kurz angeführt.

Die Untersuchungen von Kurzbeck et al. an mittels Elektronenstrahlen behandeltemPolypropylen (`high melt strength polypropylene') zeigen eine sehr starke Dehnverfestig-ung, wohingegen ein konventionelles lineares PP keine Dehnverfestigung aufweist [76]. Dieerhöhte Dehnverfestigung wird von den Autoren auf das Vorliegen von Verzweigungen undeiner breiten Molmassenverteilung zurückgeführt. Die von Koyama und Sugimoto sowieGotsis et al. untersuchten peroxidisch behandelten Polypropylene weisen ebenfalls einedeutliche Dehnverfestigung auf, wohingegen für konventionelle lineare Polypropylene keineDehnverfestigung gefunden wird [77, 78].

1 Langkettenverzweigungen liegen dann vor, wenn die Seitenketten ausreichend lang sind, d.h. bei Vor-liegen von Seitenketten, die eine Zahl von Monomereinheiten in der Gröÿenordnung der unverzweigtenKettenstücke des Makromoleküls umfassen [2] oder bei Vorliegen von Seitenketten, die das Verschlau-fungsmolekulargewicht Me (s. Abschnitt 5.2.1) überschreiten [26, 72].

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74 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Die verzweigten Polypropylene zeigen ein verbessertes Verarbeitungsverhalten in durchDehnströmungen dominierten Verarbeitungsprozessen, wie beispielsweise Tiefziehverfahrenoder Schäumen [23, 77, 78].

Ein weiteres Beispiel für die Optimierung teilkristalliner Thermoplaste durch Verzwei-gungen sind Polyamide: Extrudierte Platten aus gewöhnlichem linearen Polyamid 6 sindnicht warmverformbar oder für Tiefziehverfahren geeignet, weil sie beim Erwärmen bis zumSchmelzpunkt steif und formstabil bleiben. Oberhalb des Schmelzpunktes ist ihre Dehn-viskosität für das Thermoformen zu gering; ihnen fehlt die nötige Schmelzefestigkeit [79].Spezielle verzweigte Polyamid-Typen sind dagegen besonders geeignet für das Thermo-formen [79]. Ein weiterer Vorteil der Verarbeitung über Thermoformverfahren sind diegegenüber Spritzgiessverfahren geringeren Werkzeugkosten. Durch Veränderung des mole-kularen Aufbaus der Polymere lassen sich damit neben einer Prozessoptimierung auch dieInvestitionskosten für Verarbeitungsmaschinen reduzieren.

Neben teilkristallinen wurden auch amorphe Thermoplaste, die zur besseren Verarbei-tung Langkettenverzweigungen aufweisen, entwickelt. Ein Beispiel sind die von Ferri undLomellini untersuchten statistisch verzweigten Polystyrole [17]. Die verzweigten Typenweisen gegenüber den linearen Polystyrolen gleicher Molmasse eine erniedrigte Nullviskosi-tät auf. Ein in [17] in Dehnströmung untersuchter, verzweigter Polystyroltyp weist jedochgegenüber dem linearen Polystyrol eine erhöhte Dehnverfestigung auf. Dieses verzweigtePolystyrol zeigt allerdings eine hochmolekulare Schulter in der Molmassenverteilung, sodass der Ein�uss von Verzweigungen nicht von dem der Molmassenverteilung separiertwerden kann.

Bei statistisch verzweigten Polymeren ist im allgemeinen die Länge der einzelnen Ver-zweigungen sowie deren Abfolge entlang der Hauptkette unbekannt. Darüber hinaus könnenVerzweigungen ihrerseits weiter verzweigt sein, so dass eine verästelte, baumartige Struk-tur resultiert. Diese kann in Form eines Caley-Baumes vereinfachend dargestellt werden[80]. Des weiteren liegt bei statistisch verzweigten Polymeren im allgemeinen eine Mischungaus unterschiedlich stark verzweigten Molekülen vor. Ein Beispiel hierfür ist LDPE, des-sen Makromoleküle im Bereich hoher Molekularmassen stark verzweigt sind, während imniedermolekularen Bereich nur wenige Langkettenverzweigungen vorliegen (z.B. [81]).

In den letzten Jahren sind über die Metallocen-Katalyse gering langkettenverzweigtePolyethylene mit unterschiedlichen Verzweigungsgraden zugänglich [72, 82, 83, 84, 85, 86,87], welche eine für Polyethylene relativ geringe Polydispersität aufweisen (z.B. [72, 88, 89])und damit die Untersuchung des Ein�usses der Molekültopologie auf die rheologischen Ei-genschaften erlauben, ohne signi�kante Unterschiede in der Molmassenverteilung berück-sichtigen zu müssen (z.B. [89]). Die mittels Metallocen-Katalyse hergestellten Polyethylenemit einer geringen Zahl an Langkettenverzweigungen kombinieren die vorteilhaften me-chanischen Eigenschaften von Copolymerisaten aus Ethylen und �-Ole�nen (LLDPE) miteiner aufgrund der Langkettenverzweigungen verbesserten Verarbeitbarkeit [72, 88, 89].Bin Wadud und Baird zeigen in einer neueren Arbeit, dass bereits geringe Anteile vonLangkettenverzweigungen bei LLDPE zu einer Zunahme der Dehnverfestigung sowie ei-ner erhöhten Strukturviskosität führen [72]. Der Verzweigungsgrad ist nach Angaben derAutoren mit weniger als einer Langkettenverzweigung pro 10 000 C-Atomen sehr gering.

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5.1. Einleitung 75

Einige Literaturstellen weisen darauf hin, dass bei Metallocen-katalysierten Polymerisa-tionen eine �-Eliminierung am Metallatom des Katalysators auftreten kann; hierdurch ent-stehen in situ funktionalisierte, vinyl-terminierte, oligomere Polyethylen-Makromonomere,welche nachfolgend wieder am Katalysator insertiert werden können [90, 91, 92]. Als Folgedieses Reinsertionsmechanismus' können die Verzweigungsstrukturen bei der Copolymeri-sation von Ethen mit Makromonomeren nach Malmberg et al. kammförmig, dendritisch(baumförmig) oder sternförmig sein [87]. Die Verzweigungslänge, -anzahl und -verteilungist den Autoren zufolge allerdings nicht präzise anzugeben [87].

Auch die analytischen Methoden zur Bestimmung von Langkettenverzweigungen sindnicht ausreichend, um eine genaue Molekültopologie angeben zu können. So lässt sich beiPolyole�nen beispielsweise über Kernspinresonanz (NMR) die Anzahl an Verzweigungenüber eine Analyse der Endgruppen (CH3 und CH2-Gruppen über 1H-NMR) oder tertiärerC-Atome (über 13C-NMR) bestimmen [72, 93], nicht aber deren Länge, da Verzweigungenmit vier oder mehr C-Atomen mittels NMR nicht mehr hinsichtlich ihrer Länge unterschie-den werden können ([94], zitiert nach [72]).

Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen den Strukturparametern verzweigter Poly-merer und rheologischen Eigenschaften der Schmelze lassen sich im Idealfall nur über einegenau de�nierte Konstitution des Moleküls in Verbindung mit einer de�nierten Molmassen-verteilung erreichen. Eine Möglichkeit, den Ein�uss der Molekülstruktur auf rheologischeEigenschaften zu studieren, bieten Modellpolymere mit vereinfachter Molekültopologie.Eine Auswahl der in der Literatur genannten rheologischen Untersuchungen an einfachenModellpolymeren zeigt Tab. 5.1. Neben den seit über zwei Jahrzehnten durchgeführtenUntersuchungen an sternförmigen Polymeren wurden auch kammförmige Molekültopolo-gien mit unterschiedlicher Pfropfastzahl und Pfropfastlänge untersucht. Im Vergleich zuSternpolymeren liegt diese Topologie mit ihrer komplexeren Struktur näher an der vonstatistisch verzweigten Polymeren.

In jüngerer Zeit werden auch H-Polymere untersucht, da anhand der internen Ketten-segmente des H-förmigen Moleküls (`crossbar') der Ein�uss auf rheologische Eigenschaftenvon Molekülsegmenten studiert werden kann, deren beide Enden durch eine Verzweigung�xiert sind. Neben den einfachen Molekültopologien wurden auch kompliziertere Struktu-ren synthetisiert, beispielsweise baumartig verzweigte Polystyrole [95], eine Verknüpfungvon zwei Sternpolymeren über eine Brücke (`pom-pom'-Architektur) [96] oder sternförmigePolymere mit kammartig verzweigten Seitenästen [97].

Auf die rheologischen Eigenschaften der in der Literatur genannten Modellpolymerewird bei der Diskussion der Ergebnisse der in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolystyroleeingegangen.

Eine rheologische Charakterisierung der Modellpolymere erfolgt aufgrund der synthese-bedingt geringen Materialmenge meist in Lösung oder � bei Untersuchung der Schmelze �meist in oszillatorischer Scherströmung (Tab. 5.1). Es gibt nur sehr wenige Untersuchun-gen an Modellpolymeren, welche nichtlinear-viskoelastische Materialfunktionen in Scher�und/oder Dehnströmung umfassen.

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76 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Tab. 5.1: Ausgewählte Literatur zu rheologischen Untersuchungen an Modellpolymeren

Topologie Polymer LVEa NVEb Jahr Autoren

sternförmig Polystyrol (PS) 1,2 � 1979 Graessley, Roovers [51]verzweigt Polystyrol (PS) 3 4 1990 Osaki et al. [98]

Polyisopren (PI) 2, 3 6, 7 1983 Pearson et al. [99]Polyisopren (PI) 2 4 1993 Fetters et al. [59]Polyisopren (PI) 2 � 1996 Bero, Roland [100]Polyisopren (PI) 2 � 1999 Santangelo et al. [101]

Polybutadien (PBD) 2 � 1996 Adams et al. [102]kammförmig Polystyrol (PS) 3 � 1970 Fujimoto [103]verzweigt Polystyrol (PS) 3 � 1972 Fujimoto et al. [104]

Polystyrol (PS) 1, 2 � 1981 Roovers, Graessley [105]Polystyrol (PS) 1, 2 � 1987 Roovers,Toporowski [97]Polystyrol (PS) 2 � 1998 Hempenius et al. [95]

Polyvinylacetat (PVAc) 1, 2 � 1964 Long et al. [106]H-förmig Polystyrol (PS) 1, 2 � 1984 Roovers [105]verzweigt Polyisopren (PI) 2, 3 4, 5, 6 1999 McLeish et al. [62]

Polystyrol (PS) 2, 3 4, 5, 6 2000 Groves et al. [107]

a linear-viskoelastische Materialfunktionen, bestimmt mit folgenden Methoden:1: Lösungsviskosimetrie2: oszillatorische Scherung (kleine Deformationen im linear-viskoelastischen Bereich)3: Spannungsrelaxation (kleine Deformationen im linear-viskoelastischen Bereich)

b nichtlinear-viskoelastische Materialfunktionen, bestimmt mit folgenden Methoden:4: Spannungsrelaxation (groÿe Deformationen im nichtlinear-viskoelastischen Bereich)5: Scheranlauf, konst. Scherrate (hohe Scherraten im nichtlinear-viskoelastischen Bereich)6: uniaxiale Dehnviskosität, konst. Dehnrate (Spannversuch)7: uniaxiale Dehnviskosität, konst. Zugspannung (Kriechversuch)

Ein Verständnis des Zusammenhangs zwischen der molekularen Struktur und viskoelas-tischen Eigenschaften der Schmelze bei groÿen Deformationen im nichtlinear-viskoelasti-schen Bereich ist jedoch deshalb von Interesse, da bei den meisten industriell relevan-ten Prozessen groÿe Deformationen der Schmelze auftreten. Beispiele für durch Dehnströ-mungen dominierte Prozesse mit groÿen Deformationen sind das Blasformen, Schäumen,Thermoformen und Folienblasen. Durch Scherdeformationen dominierte Strömungen mitgroÿen Deformationen treten beispielsweise bei der Verarbeitung von Polymerschmelzen inExtrudern oder bei der Strömung durch Düsen auf. Die Kenntnis der Zusammenhänge zwi-schen dem molekularen Aufbau und rheologischen Eigenschaften erö�net die Möglichkeit,eine gezielte Produktoptimierung durch Änderung des molekularen Aufbaus von Polymerenvorzunehmen.

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5.2. Synthese von Pfropfpolymeren 77

In vorliegender Arbeit werden als Modellpolymere Pfropfpolymere auf der Basis vonPolystyrol gewählt, bei denen über eine gesteuerte Copolymersiation unter Verwendungder Makromonomertechnik verzweigte Pfropfpolymere mit de�nierter Pfropfastlänge undsteuerbarer Anzahl an Pfropfästen pro Molekül zugänglich sind. Für die Synthese vonKammtopologien auf der Basis von Polystyrol stehen mehrere literaturbekannte Metho-den zur Verfügung. Die rheologischen Ergebnisse anhand der Polystyrol-Pfropfpolymeresollten sich phänomenologisch auch auf andere, kommerziell bedeutende verzweigte Poly-mere übertragen lassen. Polystyrol ist darüber hinaus den ebenfalls über Makromonomer/Monomer-Copolymerisation zugänglichen Pfropfpolymeren aus Polybutadien vorzuziehen,da es chemisch wesentlich stabiler ist und keine geometrischen Isomeren aufweist [108].

In Abschnitt 5.2 wird die Synthesetechnik mittels Makromonomeren vorgestellt. InAbschnitt 5.3 wird auf den molekularen Aufbau der Pfropfpolymere eingegangen. Die Un-tersuchungen der rheologischen Eigenschaften in Scherströmung (Abschnitt 5.4) umfassenmechanisch-dynamische Messungen und Spannungsrelaxationsversuche. Der Ein�uss vonVerzweigungen auf die uniaxiale Dehnviskosität wird in Abschnitt 5.5 diskutiert. Die Er-gebnisse der Polystyrolmischungen werden mit denen der verzweigten Polystyrole zusam-mengeführt und in Abschnitt 5.5.3 verglichen. Abschnitt 5.6 fasst die Ergebnisse zusammenund schlieÿt mit einem Ausblick.

5.2. Synthese von Pfropfpolymeren

Die Modellpolymere auf Polystyrolbasis sollten den folgenden Anforderungen genügen, umdie in der Einleitung genannten Untersuchungsziele zu erreichen:

1. Alle Pfropfäste einer Probe sollten eine de�nierte (möglichst enge) Längenverteilunghaben; die mittlere Länge soll frei wählbar, aber durch die Synthese genau einstellbarsein.

2. Die Anzahl an Pfropfästen soll durch die Synthese vorgegeben werden und steuerbarsein.

3. Es dürfen keine Folgeverzweigungen auftreten.

4. Sämtliche Pfropfpolymerproben sowie die linearen Referenzproben sollen einen ver-gleichbaren Gewichtsmittelwert der Molekularmasse Mw und eine vergleichbare Mo-lekularmassenverteilung aufweisen. Die Molekularmassenverteilung sollte unimodalsein; insbesondere eine hochmolekulare Schulter muss durch geeignete Synthesebe-dingungen vermieden werden (s. Abschnitt 5.2.2).

5. Die Syntheseroute muss für rheologische Untersuchungen die Herstellung von Poly-meren im multi-10g-Maÿstab ermöglichen.

6. Die Proben müssen für die rheologischen Untersuchungen in der Schmelze ausreichendthermisch stabil sein, d.h. ihre Zusammensetzung darf sich durch Temperaturein�ussnicht signi�kant ändern.

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78 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

+ sec-BuLi

I) Makromonomersynthese (anionisch)

II) Copolymerisation (radikalisch)

n CH2 CHsec-Bu CH2 CH-Li+

n-1

H2C CH2

OCl

O

CH3

(a) (b) (c)

-LiCl

Makromonomer PS-MA-z

CH2 CH CH2CH2OCC CH2

O

CH3

sec-Bu

n

H2C C

CH3

CO

O

CH2

CH2

A' + B'

AIBNCH2 C stat CH2 CH

CH3

CO

O

CH2

CH2

A B

+ (A'-A) H2C C

CH3

CO

O

CH2

CH2

+ (B'-B)

<Toluol>

<Benzol>

Pfropfpolymer PS-x-yG-z Makromonomerrest

Abb. 5.1: Synthese von Pfropfpolymeren mit Hilfe der Makromonomertechnik

7. die Molekulargewichte sollten in einem Bereich liegen, der es ermöglicht, rheologischeMaterialfunktionen bis zum Newton'schen Plateau zu vermessen, ohne dass einesigni�kante thermische Degradation des Polymers eintritt.

Die synthetischen Arbeiten wurden von Dr. Peter Haug am Institut für AngewandteMakromolekulare Chemie der Universität Stuttgart (Prof. Dr. C.D. Eisenbach; früher: In-stitut für Technische Chemie II) durchgeführt.

Die in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere auf Polystyrolbasis sind mit der Ma-kromonomertechnik synthetisiert worden2. Unter einem Makromonomer versteht man einlineares Oligomer oder Polymer mit mindestens einer reaktiven Endgruppe. Die Endgruppeermöglicht die Copolymerisation mit weiteren Monomeren. Das Copolymer bildet nach derSynthese das Rückgrat des Pfropfpolymers, die Makromonomere ergeben die Seitenäste.

Die Synthese des Pfropfpolymers erfolgt mittels zweier Polymerisationsreaktionen: derSynthese des Makromonomers (Abb. 5.1, Reaktionsschema I) und anschlieÿender Copoly-merisation von Makromonomer und Styrol zu dem verzweigten Pfropfpolymer (Abb. 5.1,Reaktionsschema II). Das Makromonomer stellt somit die Verzweigungen im Pfropfpoly-mer dar. Das bei der Copolymerisation eingesetzte Styrol bildet nach der Synthese dasRückgrat des Pfropfpolymers.

2 Die Angaben zur Synthese sind [4] entnommen.

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5.2. Synthese von Pfropfpolymeren 79

Die Synthese des Makromonomers erfolgt durch anionische Polymerisation von Styrol,welches anschlieÿend mit Ethylenoxid in der Nucleophilie verringert wird (`endcapping')(Abb. 5.1 I, Reaktionsschritte (a) und (b)). Durch Umsetzung mit Methacrylsäurechloridwird eine polymerisierbare Endgruppe (Doppelbindung) eingebracht (Abb. 5.1 I, Reakti-onsschritt (c)). Mittels dieser Reaktionsführung sind Makromonomere mit exakt einstellba-rem Polymerisationsgrad Pn und sehr hoher (quantitativer) Endgruppenfunktionalisierungzugänglich.

Die anschlieÿende Copolymerisation der Makromonomere mit niedermolekularem Styrolerfolgt durch radikalische Initiierung (Abb. 5.1, Reaktionsschema II). Durch die Copoly-merisation wird das Rückgrat des Pfropfpolymers gebildet, wobei die Makromonomere dieSeitenäste bilden, welche statistisch entlang des Rückgrats verteilt sind. Das entstehendeMakromolekül besitzt bei Vorhandensein mehrerer Seitenäste eine kammförmige Topolo-gie3.

Der Anspruch der gestellten Aufgabe, verschiedene verzweigte Polystyrole mit genau be-kannter und experimentell variierbarer Länge und Anzahl an Verzweigungen herzustellen,lässt sich mit der Makromonomertechnik erfüllen. Ein wesentlicher Vorteil dieser Metho-de ist die Kontrolle der Pfropfastlänge und deren Längenverteilung über das eingesetzteMakromonomer. Die anionische Polymerisation bei der Synthese des Makromonomers er-möglicht den Zugang zu Makromolekülen mit enger Molekularmassenverteilung sowie überdas Monomer-/Initiatorverhältnis genau einstellbaren Molekularmasse. Somit ist die ers-te an das Modellsystem gestellte Anforderung erfüllt (s. Bedingungen am Anfang diesesAbschnitts). Durch Copolymerisation mit dem Comonomer Styrol wird Makromonomer zuPfropfpolymeren umgesetzt; die Pfropfastdichte sollte dabei über das Einsatzverhältnis derbeiden Comonomeren sowie die Parameter der Reaktionsführung beein�ussbar sein [110].Damit sind Anforderungen 2 und 4 der eingangs erwähnten Anforderungen erfüllt. Folge-verzweigungen können bei Verwendung dieser Synthesetechnik nicht auftreten, so dass auchAnforderung 3 erfüllt ist. Die für die rheologischen Untersuchungen erforderlichen Proben-mengen können im multi-10g-Maÿstab (Anforderung 5) dargestellt werden. Die Interpre-tation der rheologischen Eigenschaften erfolgt anhand der bei der Synthese und anhandder Analytik in Lösung gewonnenen molekularen Kenngröÿen und der hieraus ermitteltenKonstitution der Pfropfpolymere.

5.2.1. Synthese der Makromonomere

Da die Makromonomere nach Copolymerisation mit Styrol die Seitenäste des Pfropfpoly-mers bilden, muss deren Molekulargewicht groÿ genug sein, damit die Seitenäste verschlau-fen können. Als kritische Gröÿe für das Vorliegen von Verschlaufungen wird für linearePolymere das kritische Molekulargewicht Mc angegeben, dass etwa dem zweifachen desVerschlaufungs-Molekulargewichts Me entspricht.

3 Die Bezeichnung 'Pfropfpolymer' ist eher für die weniger verzweigten Moleküle zutre�end, Pannellbezeichnet Pfropfpolymere mit einer Anzahl über 18 Pfropfästen pro Molekül als `Kammpolymer',Pfropfpolymere mit weniger als 9 Pfropfästen als langkettenverzweigt [109]. In der vorliegenden Ar-beit wird der Terminus Pfropfpolymer gewählt, der im Grenzfall von einer Verzweigung pro Molekülein asymmetrisches Sternpolymer, im Grenzfall sehr vieler Verzweigungen ein kammförmiges Polymerumfasst.

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80 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Das Verschlaufungs-Molekulargewichts Me wird üblicherweise aus dem PlateaumodulG0N ermittelt (z.B. [13, 30]):

Me =�RT

G0N

(5.1)

� gibt die Dichte der Schmelze bei der absoluten Temperatur T an, Me das Verschlau-fungsmolekulargewicht und R die allgemeine Gaskonstante.

In der Literatur werden für lineares Polystyrol Verschlaufungs-Molekulargewichte Me

von 13 300 g/mol bis 18 100 g/mol und die kritischen Molekulargewichte Mc mit Wertenvon 31 200 g/mol bis 38 000 g/mol angegeben [30, 111]. Für die Pfropfpolymere wur-den deshalb zunächst Makromonomere eingesetzt, deren Gewichtsmittelwerte Mw deutlichoberhalb des Verschlaufungs-Molekulargewichts Me liegen; dazu gehören die Makromono-mere PS-MA-42 und PS-MA-554 (s. Tab. 5.2). Um den Ein�uss von Verzweigungen bei sehrkleinen Molekulargewichten der Seitenäste zu untersuchen, wurden auch Makromonomeremit einem Gewichtsmittelwert der Molekularmasse synthetisiert, welche für PS-MA-27 undPS-MA-22 zwischen Mc und Me liegen, für PS-MA-13 und PS-MA-6 deutlich unterhalbdes Verschlaufungs-Molekulargewichts Me von Polystyrol (s. Tab. 5.2). Es sei hier ange-merkt, dass der Plateaumodul von verzweigten Kammpolystyrolen nach Roovers undGraessley dem von linearem Polystyrol entspricht [105]; das nach Glg. 5.1 berechneteVerschlaufungsmolekulargewicht ist daher bei verzweigten Molekülen mit dem der linearenPolystyrole vergleichbar.

Bezeichnung Mn;MM [g/mol] Mw;MM [g/mol] Mw;MM/Mn;MM

PS-MA-6 6 200 6 800 1.09PS-MA-13 13 820 14 170 1.03PS-MA-22 21 710 22 710 1.05PS-MA-27 27 700 28 650 1.03PS-MA-42 42 320 45 400 1.07PS-MA-55 55 330 58 300 1.05

Tab. 5.2: GPC-Daten der Polystyrolmakromonomere vor Copolymerisation mit Styrol [4].

Die anionische Polymerisation führt zu sehr engverteilten Makromonomeren. Da dieMakromonomere nach der Copolymerisation mit Styrol die Seitenäste bilden, weisen dieseim Pfropfpolymer ebenfalls eine enge Molekularmassenverteilung auf. Im Folgenden wer-den die Molekulargewichtsmittelwerte der unreagierten Makromonomere mit Mw;MM unddie Zahlenmittelwerte mit Mn;MM bezeichnet; für die eingebauten Makromonomere wirddie Bezeichnung mit Mw;br und Mn;br gewählt, da sie die Seitenäste bilden und ihr Mole-kulargewicht nach Einbau in das Pfropfpolymer unverändert bleibt.

4 Die Bezeichung erfolgt in der Form PS-MA-x, wobei x den Zahlenmittelwert Mn in kg/mol angibt.

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5.2. Synthese von Pfropfpolymeren 81

5.2.2. Synthese der Pfropfpolymere durch Copolymerisation in

Lösung

Um Pfropfpolymere geringeren Molekulargewichts mit kleinerer Polydispersität zu erhal-ten, wurde die radikalischen Copolymerisation (s. Abb. 5.1) in Lösung durchgeführt, d.h.das reagierende Styrol wird sukzessive durch Zugabe von Benzol als Lösungsmittel fürdas Makromonomer und das entstandene Copolymer ersetzt. Ein störender Viskositätsan-stieg wird damit zurückgedrängt und eine breite Molmassenverteilung, welcher aus einemNorrish-Trommsdor�-E�ekt resultieren kann, vermieden.

Über diese Synthesetechnik lassen sich drei Strukturparameter der Pfropfpolymere ein-stellen:

� der Zahlenmittelwert des Pfropfastes Mn;br über das Molekulargewicht des eingesetz-ten Makromonomers.

� die mittlere Anzahl an Pfropfästen pro Makromolekül �p (=Verzweigungsdichte) überdas Verhältnis von Makromonomer zum Comonomer Styrol und über die Einbauratender Comonomeren in das Pfropfpolymer.

� das Zahlenmittel der Molekularmasse des Rückgrats (`backbone') Mn;bb über das ein-gesetzte Comonomer-/Initiatorverhältnis (Styrol/AIBN) bei den vorgegebenen Re-aktionsbedingungen.

Mit der genannten Polymerisationstechnik ist die Konstitution der Modellpfropfpoly-mere regulierbar, mit folgender Molekültopologie:

� die Seitenäste besitzen durch die anionische Synthese der Makromonomere eine engeMolekularmassenverteilung (Mw=Mn < 1:1).

� die Seitenäste sind statistisch über das Rückgrat verteilt; es wird deshalb eine mittlerePfropfastanzahl �p pro Molekül angegeben.

� das Rückgrat des Pfropfpolymers besitzt eine Molekulargewichtsverteilung mit einerPolydispersität Mw/Mn von etwa 1.5 bis 1.8, bedingt durch die radikalische Copoly-merisation. Eine Analyse des Rückgrats nach Pfropfastabspaltung ist in Abschnitt5.3.2 gezeigt.

Eine Veranschaulichung der Molekültopologie der Pfropfpolymere ist in Abb. 5.2 ge-zeigt. Die Molekülkonstitution wird über eine Kurzbezeichnung beschrieben, die die FormPS-x-p G-y hat. Der Parameter x bezeichnet den Zahlenmittelwert des Molekulargewichtsdes Rückgrats (`backbone') Mn;bb in kg/mol und der Parameter �p die mittlere Anzahl anVerzweigungen pro Molekül (dabei steht G für `grafts per macromolecule'). Der Parametery bezeichnet den Zahlenmittelwert des Molekulargewichts der Seitenäste (`branches') Mn;br

in kg/mol; dieser Wert entspricht dem Zahlenmittelwert des entsprechenden Makromono-mers Mn;br aus Tab. 5.2. Die Funktionalität der Verzweigungspunkte beträgt f = 3.

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82 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Um den Ein�uss der Anzahl an Pfropfästen auf rheologische Eigenschaften zu studieren,wurde eine Serie von Pfropfpolymeren mit nahezu identischem ZahlenmittelwertMn;br derSeitenäste, aber unterschiedlicher mittlerer Anzahl �p an Verzweigungen pro Molekül syn-thetisiert. Dazu gehören die Pfropfpolymere PS-80-0.6G-22, PS-90-1.2G-27, PS-55-2.1G-27sowie PS-60-2.1G-27 und PS-70-3.2G-22.

Der Ein�uss der Pfropfast-Molekularmasse

Mn,br

Mn,bbp

Abb. 5.2: Veranschaulichung der Konsti-tution der Modellpolymere

wird anhand von Pfropfpolymeren mit unter-schiedlicher Molekularmasse der Seitenkettenstudiert; hierbei werden Pfropfpolymere mitähnlicher mittlerer Anzahl �p an Pfropfästenpro Molekül verglichen. Zu den Pfropfpolyme-ren mit längeren Pfropfästen gehören PS-60-0.5G-55 und PS-60-1.4G-42. Der Ein�uss vonkurzen Verzweigungen wird anhand von PS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 studiert, derenPfropfäste ein Molekulargewicht nahe oder un-terhalb des Verschlaufungs-Molekulargewichts aufweisen. Die mittlere Verzweigungszahlwurde hier erhöht, um einen möglichen E�ekt von kurzen Verzweigungen auf rheologischeEigenschaften zu detektieren. Die Molekularmassenverteilungen sind nachfolgend in Kap.5.3.1 angeführt, die Ermittlung der Konstitution in Kap. 5.3.2.

5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere

5.3.1. Untersuchungen mittels Gelpermeationschromatographie

Die Charakterisierung der Molekularmassenverteilungen erfolgte mittels GPC (Anlage desLehrstuhls für Polymerwerksto�e; Aufbau und Kalibrierung s. Abschnitt 2.1). Die Mole-kularmassenverteilungen von Pfropfpolymeren mit ähnlichen Molekularmassen der Pfropf-äste, aber unterschiedlicher mittlerer Anzahl �p an Verzweigungen sind in Abb. 5.3 gezeigt;die Bestimmung der Gewichtsmittelwerte erfolgte wie bei den Mischungen mittels linearerKalibrierung. Die Chromatogramme wurden auf die Höhe des Hauptpeaks normiert, umdie einzelnen Molmassenverteilungen besser vergleichen zu können. Die bimodalen Mole-kularmassenverteilungen resultieren aus den Anteilen an unreagierten Makromonomeren,welche in der Probe als niedermolekulare Nebenprodukte zurück bleiben (s. Reaktionsglei-chung 5.1, Reaktionsschema II).

Der niedermolekulare Anteil ist entsprechend der engen Verteilung des Makromonomerseng verteilt. Der Hauptpeak besteht aus dem breiter verteilten Pfropfpolymer (Nachweisehierfür folgen in Abschnitt 5.3.2). Die Polydispersität der Hauptpeaks ist bei sämtlichenverzweigten Pfropfpolymeren vergleichbar. Die Forderung, trotz unterschiedlicher Verzwei-gungsgrade eine ähnlich breite Molmassenverteilung ohne hochmolekulare Schultern zu er-halten, ist damit � abgesehen von dem niedermolekularen Makromonomerrest � erfüllt. Derniedermolekulare Anteil ist synthesebedingt nicht zu vermeiden, kann jedoch durch frak-tionierende Fällung reduziert werden [4]. Sein Ein�uss auf die rheologischen Eigenschaftenwird mittels unterschiedlicher Massenanteile dieses niedermolekularen Restes untersucht.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 83

104 105 1060

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Pfropfpolymere

restlicheMakromonomere

.

g/mol

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

Pfropfpolymer Faktor fw:

PS-80-0.6G-22 1.0PS-90-1.2G-27 1.25PS-60-2.1G-27 0.91PS-70-3.2G-22 1.28

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

f ww

(M)

Molekularmasse M

Abb. 5.3: Molekularmassenverteilung der Pfropfpolymere mit ähnlichen Molekularmas-sen der Verzweigungen, aber unterschiedlicher mittlerer Pfropfastzahl �p proMolekül. Die Massenverteilungsdichte w(M) ist mit dem Faktor fw auf denHauptpeak normiert.

Es ist weiterhin anzunehmen, dass bei der Synthese aufgrund der Statistik der Copoly-merisationsreaktion durch Homopolymerisation von Styrol (also ohne Einbau von Makro-monomeren) auch ein Anteil an linearen Molekülen gebildet wird. Aufgrund der ähnlichenMolekulargewichte im Vergleich zu den Pfropfpolymeren sind die linearen Moleküle aller-dings aus den Chromatogrammen nicht zu erkennen, da sich Pfropfpolymere und lineareMoleküle im Chromatogramm überlagern; eine Quanti�zierung des Anteils linearer Mole-küle ist mittels GPC nicht möglich.

Abb. 5.4 zeigt die Chromatogramme der Pfropfpolymere mit Seitenästen, die ein we-sentlich höheres bzw. niedrigeres Molekulargewicht aufweisen als die Pfropfpolymere inAbb. 5.3. Bei den Pfropfpolymeren PS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 ist das Molekular-gewicht des Makromonomerrestes deutlich niedriger als die Molekulargewichte der Pfropf-polymere und liegt unterhalb der Verschlaufungsmolmasse Me. Bei dem PfropfpolymerPS-60-1.4G-42 überlagern sich aufgrund des höheren Molekulargewichtes des Makromono-mers das Peakmaximum des Makromonomerrestes und die breitere Verteilung des durchCopolymerisation entstandenen Pfropfpolymers (s. Abb. 5.4).

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84 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

104 105 1060

1

2

3

4

5

6Faktor f

w:

.

g/mol

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

PS-r-95 1.0 PS-105-6.7G-6 1.3 PS-55-4.0G-13 0.9 PS-60-1.4G-42 1.1

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

f w w

(M)

Molekularmasse M

Abb. 5.4: Molekularmassenverteilung der Pfropfpolymere mit unterschiedlichen Moleku-largewichten der Pfropfäste sowie das lineare Polystyrol PS-r-95. Die Massen-verteilungsdichte w(M) ist mit dem Faktor fw auf den Hauptpeak normiert.

Bimodale Molmassenverteilungen für Pfropfpolymere sind auch in der Literatur zu �n-den, so z.B. die Pfropfpolymere von Pannell, welche nicht durch fraktionierende Fällunghinsichtlich des Gehalts an linearen Molekülen reduziert wurden [109]. Die Chromatogram-me weisen hier ebenfalls deutliche bimodale Verteilungen oder hochmolekulare Schulternauf, abhängig vom Molekulargewicht der linearen Ausgangskomponenten.

Abb. 5.4 enthält ebenfalls das radikalisch synthetisierte, lineare PS-r-95. Es wurde ana-log der verzweigten Polystyrole in verdünnter Lösung mittels radikalischer Polymerisationvon Styrol hergestellt, besitzt eine ähnlich breite Verteilung wie die verzweigten Pfropfpo-lymere und wird daher zum Vergleich der rheologischen Eigenschaften zwischen linearenund verzweigten Molekülen herangezogen.

Der Makromonomeranteil nach der Synthese hängt von der anfänglichen Zusammen-setzung der Comonomermischung sowie den Reaktionsbedingungen ab. Der Gewichtsanteilan Makromonomeren kann durch fraktionierende Fällung reduziert werden. Näheres zumVerfahren der Reduzierung des Makromonomeranteils �ndet sich in [4].

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 85

Um den Ein�uss des Makromonomeranteils zu studieren, wurden drei Pfropfpolymeremit unterschiedlichem Gewichtsanteil an Makromonomerresten untersucht; die Molmassen-verteilungen der untersuchten Pfropfpolystyrole sind in Abb. 5.5 gezeigt. Die Polymerisatemit höherem Gewichtsanteil an Makromonomerrest sind mit einem Stern gekennzeichnet.

Bei dem Polymerisat PS-55-2.1G-27 wird der Zahlenmittelwert des Rückgrats durch diefraktionierende Fällung leicht erhöht; die Konstitution nach fraktionierender Fällung lässtsich mit PS-60-2.1G-27 angeben [4]. Bei Molekularmassen des Makromonomeren von ca.Mn = 40 000 g/mol und darüber liegen die Peakmaxima von nicht umgesetztem Makro-monomer und des Pfropfpolymers dicht nebeneinander. Der restliche Makromonomeranteilkann daher nicht abgetrennt werden, ohne einen Hauptteil des Pfropfpolymers ebenfalls zuentfernen. Zur Aufklärung des Ein�usses von Restmakromonomer wurde daher bei PS-60-0.5G-55 eine de�nierte Menge an unreagiertem Makromonomer zugemischt.

Der Ein�uss des Makromonomerrestes auf die rheologischen Eigenschaften wird an-hand der drei Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55/PS-60-0.5G-55*, PS-60-2.1G-27/PS-55-2.1G-27 und PS-90-1.2G-27/PS-90-1.2G-27* untersucht und der Ein�uss des Makromonomeran-teils bei der Diskussion des Ein�usses der Molekültopologie mit berücksichtigt.

Die molekularen Daten der Pfropfpolymere (einschlieÿlich Makromonomerrest) sowiedes linearen Polystyrols PS-r-95 sind zusammenfassend in Tabelle 5.3 aufgeführt. Die Ge-wichtsmittelwerte Mw;LS wurden mittels statischer Lichtstreuung am Lehrstuhl für An-gewandte Makromolekulare Chemie der Universität Stuttgart bestimmt [4, 46]. Die Ge-wichtsmittelwerte und Polydispersitäten aus GPC-Messungen (lineare Kalibrierung) sindebenfalls in Tab. 5.3 aufgeführt. Die entsprechenden Molekularmassenverteilungen wurdenin den Abbildungen 5.3 und 5.4 bzw. 5.5 gezeigt. Die Abweichungen der Gewichtsmittel-werte Mw zwischen den beiden GPC-Anlagen betragen maximal 12 % und liegen damit imRahmen der üblichen Messgenauigkeit gelpermeationschromatographischer Bestimmungs-methoden. Auch die Polydispersitäten stimmen im Rahmen der Messgenauigkeit sehr gutüberein.

Der mittels GPC und linearen Kalibrierstandards erhaltene Gewichtsmittelwert der Mo-lekularmasseMw;GPC ist aufgrund der Molekülkontraktion der verzweigten Pfropfpolymerein der verdünnten Lösung des Eluenten THF geringer als der durch statische Lichtstreuungerhaltene �absolute� Gewichtsmittelwert der MolekularmasseMw;LS. Dies hängt zusammenmit den geringeren Trägheitsradien der verzweigten Spezies in der verdünnten Lösung, wiefür die zwei Pfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und ein höher verzweigtes Pfropfpolymer PS-80-3.8G-27 in verdünnter Lösung (THF) mittels gekoppelter GPC-Vielwinkellichtstreuung vonHaug nachgewiesen wurde [4]. Die Quotienten der Gewichtsmittelwerte aus Lichtstreuungund GPC (Tab. 5.3) sind um so gröÿer, je stärker verzweigt das Pfropfpolymer ist: Fürdie schwach verzweigten Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55 und PS-80-0.6G-22 ergeben sichQuotienten von 1.01, die am stärksten verzweigten Proben PS-105-6.7G-6, PS-55-4.0G-13,PS-55-2.1G-27 und PS-70-3.2G-22 ergeben Quotienten zwischen 1.15 und 1.24.

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86 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

104 105 1060

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

g/mol

PS-90-1.2G-27*(f

w= 1.0)

PS-90-1.2G-27(f

w= 0.95)

PS60-0.5G-55*(f

w= 1.0)

PS60-0.5G-55(f

w= 0.9)

+8

+4

Molekularmasse M

.

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

PS-55-2.1G-27(f

w= 1.0)

PS-60-2.1G-27(f

w= 0.91)

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

f ww

(M)

Abb. 5.5: Molekularmassenverteilung dreier Pfropfpolymere mit unterschiedlichem Mas-senanteil wMM an Makromonomerrest (s. Tab. 5.3). Die Massenverteilungsdichten w(M) istmit dem angegebenen Faktor fw auf den Hauptpeak normiert. Die Massenverteilungsdich-ten von PS-90-1.2G-27/PS-90-1.2G-27 und PS-60-0.5G-55PS-60-0.5G-55* sind mit demrechts angegebenen Wert vertikal verschoben.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 87

Tab. 5.3: Molekulare Daten der Pfropfpolymere und des linearen PolystyrolsProbe wMM Mw;LS

a Mw;GPCb Mw= Mw;GPC

c Mw= Mw;LS

Gew.-% [g/mol] [g/mol] Mnb [g/mol] Mn

c Mw;GPCb

PS-60-1.4G-42 0.17 159 600 145 100 1.66 133 200 1.61 1.10PS-60-0.5G-55 0.07 148 400 146 900 1.73 141 500 1.76 1.01PS-60-0.5G-55* 0.23 134 400 133 200 1.71 122 200 1.74 1.01PS-70-3.2G-22 0.24 156 400 126 300 2.35 133 200 2.43 1.24PS-60-2.1G-27 0.01 164 500 146 700 1.42 137 400 1.39 1.12PS-55-2.1G-27 0.12 150 300 126 100 1.94 113 000 1.92 1.19PS-90-1.2G-27 0.05 177 500 161 900 1.83 156 000 1.67 1.10PS-90-1.2G-27* 0.15 150 700 129 100 2.42 138 100 1.99 1.17PS-80-0.6G-22 0.06 131 900 130 600 1.89 122 000 1.76 1.01PS-55-4.0G-13 0.04 155 100 135 200 1.80 120 700 1.76 1.15PS-105-6.7G-6 0.01 236 400 192 400 1.90 183 900 1.64 1.23PS-r-95 � � 157 000 1.65 141 200 1.67 �

a bestimmt durch statische Lichtstreuung am Institut für Angewandte Makromolekulare Chemie,Universität Stuttgart [4]; Probe PS-105-6.7G-6 [46].

b bestimmt mittels GPC am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e, Universität Erlangen-Nürnberg.c bestimmt mittels GPC am Institut für Angewandte Makromolekulare Chemie,Universität Stuttgart [4]; Probe PS-105-6.7G-6 [46].

Bei Vorversuchen wurde ermittelt, welchen Molekulargewichtsbereich die Pfropfpoly-mere aufweisen müssen, damit die Proben einerseits thermisch stabil sind (Bedingung 6der Anforderungen; s. Anfang von Abschnitt 5.2), sich aber noch bis zum Newton'schenPlateau vermessen lassen (Bedingung 7), ohne dass eine signi�kante thermische Degrada-tion des Polymers eintritt. Die Pfropfpolymere wurden deshalb so synthetisiert, dass einGewichtsmittelwert der Molekularmasse von etwa 150 000 g/mol erhalten wird. Die �ab-soluten� Molekularmassen Mw;LS der Pfropfpolymere (einschlieÿlich Makromonomerrest)liegen zwischen etwa 132 und 178 kg/mol. Lediglich PS-105-6.7G-6 weist eine etwas höhereMolekularmasse auf.

Die ähnlichen Molekularmassen der Pfropfpolymere ermöglichen die Ermittlung derrheologischen Eigenschaften in Abhängigkeit von der Verzweigungsstruktur, da durch dieähnlichen Gewichtsmittelwerte die Abhängigkeit rheologischer Gröÿen vom Molekularge-wicht minimiert wird. Die geringen Unterschiede in der Polydispersität, bedingt durchunterschiedliche Makromonomeranteile, werden in der Diskussion der rheologischen Eigen-schaften berücksichtigt.

5.3.2. Bestimmung der mittleren Anzahl an Verzweigungen pro

Molekül

Eine genaue Kenntnis der Molekülkonstitution ist für die Diskussion des Ein�usses mo-lekularer Parameter auf die rheologischen Eigenschaften essentiell. Die Konstitution derPfropfpolymere wurde daher von Haug über zwei unterschiedliche Methoden ermittelt:

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88 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Einerseits anhand der Daten aus der Synthese und der molekularen Charakterisierung,andererseits durch Pfropfastabspaltung und anschlieÿender molekularer Charakterisierungmittels GPC [4].

Bestimmung des Verzweigungsgrades anhand der Synthesedaten,GPC-Analyse und statischer Lichtstreuung (Methode I)

Über den bekannten Massenanteil der Edukte (Styrol und Makromonomer) und den Um-satzgrad der Comonomere Styrol und Makromonomer lässt sich zunächst der Massenanteilan Verzweigungen sowie die Menge an eingebautem Makromonomer im Pfropfpolymer inMol-% berechnen. Details zu dieser Methode �nden sich in [4].

Die ermittelte mittlere Anzahl an Verzweigungen �p pro Molekül ist für die Pfropfpo-lymere zusammenfassend in Tab. 5.4 aufgeführt. Die Ermittlung der mittleren Anzahl anVerzweigungen �p über Synthesedaten (Methode I) setzt voraus, dass das Pfropfpolymernach der Synthese unverändert bleibt. Aufgrund der Makromonomerabtrennung ist eineweitere Konstitutionsanalyse erforderlich (s. nächster Abschnitt).

Konstitutionsanalyse über Pfropfastabspaltung (Methode II)

Die Pfropfpolymere weisen an der Verzweigungsstelle eine Estergruppe auf (vgl. Kap. 5.1),welche durch alkalische Hydrolyse in KOH/Pyridin gespalten werden kann (Esterversei-fung). Die Pfropfäste lassen sich damit vollständig vom Rückgrat trennen [4]. Die GPC-Chromatogramme der Probe PS-55-2.1G-27 vor der Pfropfastabspaltung sind in Abb. 5.6adargestellt, das Pfropfpolymer PS-55-2.1G-27 nach der Pfropfastabspaltung in Abb. 5.6b.

Tab. 5.4: Übersicht der molekularen Daten, ermittelt über Pfropfastabspaltung(Methode II) [4, 46]

Probe Mn;Pfropf GPC-Analyse des Rückgrats Mn;bra �p �p

[g/mol] Mn;bb Mw;bb Mw;bb [g/mol] nach[g/mol] [g/mol] Mn;bb Methode I

PS-60-1.4G-42 113 300 57 100 93 000 1.63 42 320 1.34 1.39PS-60-0.5G-55 89 830 61 500 112 000 1.82 55 330 0.52 0.41PS-70-3.2G-22 141 400 71 300 105 900 1.49 21 710 3.18 3.23PS-60-2.1G-27 118 350 62 900 85 300 1.36 27 700 2.05 �PS-55-2.1G-27 109 150 54 000 80 500 1.49 27 700 2.05 1.97PS-90-1.2G-27 123 600 91 400 136 600 1.49 27 700 1.19 1.11PS-80-0.6G-22 93 750 79 500 122 100 1.54 21 710 0.65 0.58PS-55-4.0G-13 107 100 55 500 82 200 1.48 13 820 3.97 4.68PS-105-6.7G-6 151 500 104 000 158 600 1.52 6 200 6.7 6.06

a Zahlenmittelwert des Makromonomers, Daten aus Tab. 5.2

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 89

46 44 42 40 38 36 34 32 30 28 26

ansteigende Molekularmasse

b)

a) PS-55-2.1G-27Makromonomerrest

ml

PS-55-2.1G-27 nach PfropfastabspaltungRückgratabgespaltene VerzweigungenMakromonomerrest

RI-

Sign

al

Elutionsvolumen Ve

Abb. 5.6: GPC-Elugramm von PS-55-2.1G-27 vor (a) und nach (b) Pfropfastabspaltungsowie anhand des Elugramms nach Pfropfastabspaltung durchgeführte Zerle-gung in Rückgrat und abgespaltene Verzweigungen [4].

Nach der Pfropfastabspaltung hat der niedermolekulare Makromonomerrest deutlichzugenommen: dieser Peak setzt sich aus dem Anteil an unreagiertem Makromonomer so-wie den abgespaltenen Verzweigungen aus dem Pfropfpolymer PS-55-2.1G-27 zusammen.Der Anteil der im Pfropfpolymer enthaltenen Verzweigungen kann aus dem Anstieg desMakromonomerpeaks durch Ermittlung des Massenanteils wMM an Makromonomer ausdem GPC-Elugramm bestimmt werden (näheres zu Methode und Durchführung in [4]).Durch Integration der Fitkurven mit den Kalibrierkonstanten der GPC können Gewichts-und Zahlenmittelwert sowie die Polydispersität des Rückgrats ermittelt werden. Die ausden Elugrammen nach Pfropfastabspaltung ermittelten molekularen Daten der Rückgratesind in Tab. 5.4 aufgeführt. Mit dieser Methode ist auch die mittlere Anzahl an Verzwei-gungen pro Molekül zu ermitteln5.

Für den Rückgrat-Peak von PS-55-2.1G-27 aus Abb. 5.6b ergibt sich fürMw;bb ein Wertvon 80 500 g/mol sowie eine Polydispersität von Mw;bb=Mn;bb = 1.49. Im Vergleich hierzuweist das Pfropfpolymer (ohne Makromonomerrest) ein Gewichtsmittelwert der Molmas-se von Mw;LS = 166 900 g/mol und eine Polydispersität von Mw=Mn = 1.62 (ermitteltüber GPC) auf [4]. Anhand der nur geringfügig geringeren Polydispersität des Rückgrats

5 Ein Wert von �p = 0.5 bedeutet, dass im Durchschnitt nur jedes zweite Molekül einen Pfropfast trägt.

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90 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

ohne Seitenäste gegenüber der des Pfropfpolymers (ohne Makromonomerpeak) wird deut-lich, dass die Polydispersität des Pfropfpolymers im Wesentlichen bedingt ist durch diePolydispersität des Rückgrats � eine Folge der radikalischen Copolymerisation. Die Poly-dispersität der Rückgrate liegt bei sämtlichen Pfropfpolymeren etwa zwischen Mw/Mn =1.4 und 1.8 (siehe Tab. 5.4).

Zur Ermittlung valider molekularer Daten nach Pfropfastabspaltung wurde sicherge-stellt, dass die Stabilität der Polystyrolketten unter den Reaktionsbedingungen der alkali-schen Hydrolyse ausreichend ist [4]. Weiterhin wurde von Haug gezeigt, dass die Grenzvis-kositäten [�] der Polymerproben nach Pfropfastabspaltung der Kuhn-Mark-Houwink-Beziehung (Glg. 5.2) von linearen Polystyrolen folgt [4]. Damit ist gezeigt, das die Pfropfa-stabspaltung vollständig erfolgt.

[�] = Kw �Maw (5.2)

Ein weiterer Nachweis der Vollständigkeit der Pfropfastabspaltung erfolgte durch ge-koppelte Gelpermeationschromatographie mit Viskositäts- und Lichtstreudetektion anhanddes stärker verzweigten Pfropfpolymers PS-70-3.2G-22: nach Abspaltung der Pfropfästedurch Verseifung kommt die Beziehung [�] = f(M) der einzelnen nach den Trennsäulenin der GPC eluierten Fraktionen mit der Beziehung für lineares Polystyrol zur Deckung [4].

Die letzte Spalte von Tab. 5.4 enthält die über den Umsatzgrad ermittelten mittle-ren Verzweigungsanzahlen �p nach Methode I. Die mittels zweier unterschiedlicher Metho-den ermittelte mittlere Anzahl an Verzweigungen pro Molekül stimmen sehr gut überein.Um Pfropfpolymere über eine einheitliche Methode zu charakterisieren, werden die überPfropfastabspaltung sowie GPC-Analyse des Rückgrats gewonnenen Verzweigungszahlen �pverwendet (Methode II). Der deutliche Vorteil dieser Methode gegenüber der Berechnungüber Umsatzdaten (Methode I) ist, daÿ die Konstitution von Pfropfpolymeren auch dannzuverlässig ermittelt werden kann, wenn die durch radikalische Copolymerisation gebildetePolymerzusammensetzung z.B. durch fraktionierende Fällungen abgeändert wurde.

5.3.3. Gekoppelte GPC mit Viskositäts- und Lichtstreudetektion

Eine wichtige Frage für die Diskussion der rheologischen Eigenschaften ist nicht nur diemittlere Anzahl an Verzweigungen �p pro Molekül, sondern auch deren Verteilung bezüglichdes Molekulargewichtes. In diesem Abschnitt werden daher zwei experimentelle Methodenzur Ermittlung molmassenabhängiger Gröÿen, welche vom Verzweigungsgrad abhängen,aufgezeigt und anhand eines Modells die Verzweigungszahlen als Funktion des Molekular-gewichtes ermittelt.

Gekoppelte GPC-Viskositätsdetektion

Ein Maÿ hierfür ist die molmassenabhängige Erniedrigung der intrinsischen Viskosität vonFraktionen unterschiedlichen Molekulargewichtes einer verdünnten Lösung des verzweigtenPolymeren gegenüber der intrinsischen Viskosität linearer Moleküle gleicher Molekularmas-se.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 91

105 106101

102

3x102

Lösungsmittel: THFT = 25 °C

Fitgerade mit:log K = -1.453a = 0.627

PS-r-95PS-90-1.2G-27PS-80-3.8G-27

ml/g

g/mol

Intr

insi

sche

Vis

okos

ität[

η]

Gewichtsmittelwert Mw

der eluierten Fraktionen

Abb. 5.7: Intrinsische Viskosität als Funktion des Gewichtsmittelwertes Mw der eluiertenFraktionen für das lineare PS-r-95 und den zwei verzweigten PfropfpolymerenPS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 [4].

Die Kopplung aus GPC und Viskositätsdetektor mit Lichtstreudetektion erlaubt dieErmittlung der intrinsischen Viskosität [�] der nach den Trennsäulen eluierten Fraktionen6.

Abb. 5.7 zeigt die intrinsischen Viskositäten als Funktion des mittels Lichtstreuung be-stimmten Molekulargewichtes für das lineare PS-r-95, das verzweigte PS-90-1.2G-27 sowieein höher verzweigtes PS-80-3.8G-27. Das stark verzweigte PS-80-3.8G-27 wurde in einemVorversuch synthetisiert und nicht rheologisch untersucht.

Durch die Intensität des Messsignals bedingt, ist eine aussagekräftige Auswertung derMessdaten nur im Molmassenbereich zwischen log Mw = 4.5 (Mw ca. 30 000 g/mol) undlog Mw = 5.8 (Mw ca. 600 000 g/mol) möglich [4].

Die Abhängigkeit der intrinsischen Viskositäten [�] vom Molekulargewicht ist in derdoppeltlogarithmischen Auftragung für das lineare Polystyrol PS-r-95 in Abb. 5.7 annä-hernd linear. Die Abhängigkeit folgt damit der Kuhn-Mark-Houwink-Beziehung (sieheGlg. 5.2), welche die intrinsische Viskosität [�] verdünnter Lösungen linearer Polymererüber ein Potenzgesetz mit der Molekularmasse verknüpft. Aus der angepassten Geradenin Abb. 5.7 ermitteln sich die Kuhn-Mark-Houwink-Parameter für das lineare PS-r-95zu a = 0:627 und K = 35:2 � 10�3 ml/g. Aufgrund der im oberen Molekulargewichtsbe-

6 Die Messungen wurden von Dr. P. Haug an einer Anlage im Arbeitskreis von Prof. A. H. E. Müller(Institut für Physikalische Chemie, Universität Mainz) mit Unterstützung der dortigen Mitarbeiterdurchgeführt [4].

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92 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

reich von der linearen Geraden leicht zu geringeren Werten abweichenden intrinsischenViskositäten ergibt sich ein etwas kleinerer Wert für a und ein etwas gröÿerer Wert für Kals die in der Literatur aufgeführten Werte für das System PS/Toluol bei T = 25 ÆC. In[112] werden beispielsweise a = 0.725 und K = 11.0 �10�3 ml/g oder a = 0.70 und K =14.0�10�3 ml/g angegeben. Allerdings gibt es auch Literaturangaben, die ähnliche Kuhn-Mark-Houwink-Parameter wie die hier ermittelten angeben, wie z.B. die von Bamfordund Dewar verö�entlichten Werte von a = 0:65 und K = 44:0 � 10�3 ml/g [113]. Die Ab-weichung bei höheren Molekulargewichten könnte an einer nicht genügend genauen Bestim-mung des Volumenversatzes zwischen dem Viskositäts- und dem Brechungsindexdetektorliegen [4].

Die Streuung der intrinsischen Viskosität von PS-80-3.8G-27 im niedermolekularen Be-reich ist auf die ungenaue Bestimmung der intrinsischen Viskositäten, bedingt durch dieenge Verteilung der Makromonomere in diesem Molekularmassenbereich zurückzuführen[4]. Oberhalb eines Molekulargewichtes von etwa 7 � 104 g/mol weisen die Fraktionen derPfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 eine geringere intrinsische Viskosität aufals die Fraktionen des linearen PS-r-95. Dieser Befund ist ein Hinweis, dass in diesem Mo-lekulargewichtsbereich verzweigte Pfropfpolymere vorliegen. Das ist auch daran ersichtlich,dass die eluierten Fraktionen des Pfropfpolymers PS-80-3.8G-27 mit einer höheren mittle-ren Anzahl �p an Pfropfästen pro Molekül eine geringere intrinsische Viskosität aufweisenals die von PS-90-1.2G-27 mit einer geringeren Pfropfastanzahl.

Aufgrund der bei verzweigten Molekülen verringerten Gyrationsradien �ndet sich ei-ne geringere intrinsische Viskosität von verzweigten Molekülen im Vergleich zu der linea-ren Spezies für eine Vielzahl anderer Molekültopologien, beispielsweise für sternförmigverzweigtes Polymethylmethacrylat(PMMA)/ Poly-tert-butylacrylat(PtBuA)-Diblock-Co-polymere [114], niederdichtes Polyethylen (LDPE) [81, 114], langkettenverzweigtes Metallocen-katalysiertes LLDPE [87] sowie elektronenstrahlbehandeltes (verzweigtes) Polypropylen[23].

Die Abweichung der intrinsischen Viskosität [�]br der verzweigten Pfropfpolymere imVergleich zu der Kuhn-Mark-Houwink-Beziehung nach Glg. 5.2 kann mit der sog. Mo-lekülkontraktion von verzweigten Makromolekülen in Lösung erklärt werden: im Vergleichmit einem linearen Molekül weist ein langkettenverzweigtes Makromolekül derselben Mole-kularmasse eine kleinere Dimension auf [2, 115]. Die bei verzweigten Molekülen gegenüberder linearen Spezies erniedrigte intrinsische Viskosität kann zur De�nition eines Kontrakti-onsfaktors g0 herangezogen werden [2]. Der Kontraktionsfaktor g0 ist de�niert als Verhältnisder intrinsischen Viskositäten [�]br der verzweigten Moleküle bezogen auf die intrinsischeViskosität [�]lin des linearen Moleküls bei gleicher Molekularmasse:

g0i =[�]br;i[�]lin;i

; Mbr = Mlin (5.3)

Der Index i bezeichnet den Lösungszustand (z.B. i = 0 für den Fall ungestörter Mole-küldimensionen in Theta-Lösung).

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 93

Die intrinsische Viskosität ist mit dem Trägheitsradius und damit mit der Dimensionder Makromoleküle über die Gleichung von Fox und Flory (Glg. 5.4) verbunden.

[�] = 63

2 �

r2g� 3

2

M(5.4)

Dabei bezeichnet � den Durchspülungsfaktor in einem guten Lösungsmittel, der sichaus dem Proportionalitätsfaktor im ungestörten Zustand (�0;1 = 2.86 �1023 mol�1) unddem Expansions- oder Aufweitungsfaktor der hydrodynamischen Radien (��) bzw. jenemder Trägheitsradien (�r) ergibt [2, 115, 116]:

� = �0;1

����r

�3

;�� =r�r�;0

; �r =

r2g�1=2

r2g�1=20

(5.5)

Ein weiterer Kontraktionsfaktor kann aus den mittels Lichtstreuung bestimmten Träg-heitsradien rg ermittelt werden. Dieser Kontraktionsfaktor g ist als das Verhältnis derErwartungswerte der Trägheitsradienquadrate

r2g�der verzweigten bzw. linearen Molekü-

le der gleichen Molekularmasse de�niert (Glg. 5.6). Damit ergibt sich ein Zusammenhangzwischen der Verzweigungsstruktur und den Knäueldimensionen des gelösten Polymeren.

gi =

r2g�br;i

r2g�lin;i

; Mbr = Mlin (5.6)

Der Index i bezeichnet hier wiederum den Lösungszustand. Der Kontraktionsfaktor giweist immer Werte kleiner als eins auf und nimmt mit zunehmender Verzweigungszahl ab[2]. Über die Fox-Flory-Gleichung (5.4) erhält man einen Zusammenhang zwischen denKontraktionsfaktoren g' und g im ungestörten Zustand (Index 0) :

g0

0 =�0;br

r2g�br;0

�0;lin

r2g�lin;0

= g3=20 (5.7)

Dabei wird angenommen, dass die Durchspülungsfaktoren �0;br der verzweigten bzw.�0;lin der linearen Polymere gleich sind und das Verhältnis unabhängig von der Verzwei-gungszahl ist. Mit steigendem Anteil an Verzweigungen nimmt der Durchspülungsfaktor�0;br gröÿere Werte an, da das hydrodynamische Verhalten immer mehr einer undurchspül-ten Kugel ähnelt.

In verdünnter Lösung wird für die Kontraktionsfaktoren g und g0 ein Zusammenhangnach einem Potenzgesetz gefunden (gültig für g0 > 0.2) [2, 117]:

g0i = gbi (5.8)

Der (empirische) Parameter b ist abhängig von der Molekültopologie und dem Lösungs-mittel. Für verschiedene verzweigte Polymere und Lösungsmittel kann b Werte zwischen0.5 und 1.5 annehmen [117].

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94 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

105 1060.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0Lösungsmittel: THFT = 25 °C

g/mol

Kon

trak

tions

fakt

org

PS-90-1.2G-27PS-80-3.8G-27

Molekularmasse Mw

der eluierten Fraktionen

Abb. 5.8: Durch GPC-Vielwinkellichtstreuung bestimmte Kontraktionsfaktoren g derPfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 [4].

Gekoppelte GPC-Lichtstreuung

Zur Bestimmung des Exponenten b aus Glg. 5.8 sind Werte von g0 aus Viskositätsmessun-gen und von g aus Lichtstreumessungen erforderlich. Genaue Ergebnisse für g werden abernur dann erreicht, wenn engverteilte, nahezu monodisperse Fraktionen vorliegen, bei denender Zahlenmittelwert Mz und der Gewichtsmittelwert Mw des Molekulargewichtes densel-ben Wert einnehmen [118]. Diese Bedingungen sind allerdings bei den in dieser Arbeituntersuchten radikalisch copolymerisierten Proben mit einer breiten Molmassenverteilungnicht gegeben. Aus diesem Grunde sind genaue Werte für die Kontraktionsfaktoren g nichtdirekt aus �Einpunktmessungen� der gesamten Probe, sondern lediglich durch gekoppelteGPC-Lichtstreu-Messungen zugänglich.

Daher wurde das lineare PS-r-95 sowie die Pfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 mittels GPC-Vielwinkel-Lichststreuung (GPC-MALLS) untersucht7. Durch Licht-streudetektion im Anschluss an die GPC-Auftrennung der Probe kann für jede nach denTrennsäulen eluierte Fraktion der dazugehörige Trägheitsradius rg des linearen und derverzweigten Polystyrole ermittelt werden. Über Glg. 5.6 lässt sich für die verzweigten Po-lystyrole daraus der Kontraktionsfaktor g als Funktion des Molekulargewichts Mw dereluierten Fraktion bestimmen.

7 Die Messungen wurden von Haug am Institut für Physikalische Chemie der Universität Mainz im Ar-beitskreis von Prof. Schmidt unter Mithilfe der dortigen Mitarbeiter durchgeführt. Details zur Durch-führung und der Apparatur sind [4] zu entnehmen.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 95

Abb. 5.8 enthält die experimentell ermittelten Kontraktionsfaktoren g. Der auswertbareMessbereich ist allerdings durch die Intensität am Vielwinkellichtstreudetektor begrenzt [4]und liegt bei den vermessenen Proben zwischen etwa 105 und 7 �105 g/mol. Die Kontrakti-onsfaktoren von PS-90-1.2G-27 ändern sich im untersuchten Molekulargewichtsbereich imRahmen der Messgenauigkeit nicht; es lässt sich ein etwa konstanter Wert für g von 0.845angeben. Bei der Probe PS-80-3.8G-27 deutet sich eine geringfügige Abnahme in g vonetwa 0.78 auf etwa 0.72 mit steigendem Molekulargewicht an.

Aus einem konstanten Kontraktionsfaktor kann der wichtige qualitative Befund ge-folgert werden, dass Pfropfpolymere mit höherem Molekulargewicht entsprechend mehrPfropfäste aufweisen als Pfropfpolymere mit geringerem Molekulargewicht. Dieser Befundwird unterstützt durch die experimentelle Überprüfung des Makromonomerumsatzes imVergleich zum Styrolumsatz während der Copolymerisation: Da die Umsätze der beidenComonomeren während des Reaktionsverlaufs nahezu konstant bleiben [4], kann daraus einzeitlich gleichmäÿiger Einbau der Verzweigungen über alle im gesamten Reaktionsverlaufgebildeten Makromoleküle gefolgert werden [46]. Pfropfpolymere mit höherem Molekular-gewicht besitzen demnach eine höhere Anzahl an Pfropfästen als solche mit niedrigererMolekularmasse, da anzunehmen ist, dass das Verhältnis aus Monomereinheiten des Rück-grats zu dem der eingebauten Makromonomere etwa gleich bleibt.

Modellbildung zur Ermittlung der molmassenabhängigen Verzweigungszahl

Anhand der vorliegenden experimentellen Daten des Kontraktionsfaktors g wird nun mitHilfe eines Modelles eine Quanti�zierung der Anzahl an Verzweigungen pro Molekül inAbhängigkeit vom Molekulargewicht vorgenommen.

Zur Ermittlung der tatsächlichen Anzahl der Verzweigungen pro Molekül aus dem Kon-traktionsfaktor g wurden verschiedenste Modelle entwickelt. Ein spezielles Modell für idealkammverzweigte Polymere ist von Casassa und Berry in [119] angegeben. Es basiert aufder Annahme eines Kammes mit monodispersem Rückgrat und monodispersen Seitenket-ten, welche statistisch (`random comb') am Rückgrat verteilt sind. Dieser Modell-Kammenthält p Verzweigungen mit einer Funktionalität von f = 3. Der Kontraktionsfaktor diesesModell-Kammes wird wie folgt angegeben [119]:

g = �n;bb +2

p�n;bb (1� �n;bb)

2 +

�3p� 2

p2

�(1� �n;bb)

3 (5.9)

�n;bb bezeichnet den Anteil der Monomereinheiten des Rückgrats im Gesamtmolekülund entspricht dem Verhältnis der Zahlenmittelwerte des Rückgrats Mn;bb zu dem Zahlen-mittelwert Mn des Gesamtmoleküls:

�n;bb =Mn;bb

Mn

(5.10)

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96 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Im Prinzip lässt sich dieses Modell auf eng verteilte Fraktionen der in dieser Arbeituntersuchten Pfropfpolymere anwenden8, da die topologischen Voraussetzungen der syn-thetisierten Pfropfpolymere erfüllt sind: die Seitenäste der Pfropfpolymere sind durch dieanionische Synthese eng verteilt (s. Tab. 5.2) und durch die radikalische Copolymerisationstatistisch entlang des Rückgrats verteilt. Die Funktionalität der Verzweigungen ist f = 3und die eluierten Fraktionen sind nahezu monodispers. Den Anteil der Monomereinheitenim Rückgrat �n;bb erhält man aus:

�n;bb = 1� �n;br = 1��p �Mn;br

Mn

(5.11)

Für Mn;br wird der experimentell ermittelte Zahlenmittelwert des Makromonomers ausTab. 5.2 herangezogen, Mn gibt den Zahlenmittelwert des gesamten Moleküls an. Vonden eluierten Fraktionen ist der Gewichtsmittelwert Mw mittels Lichtstreuung bestimmtworden. Aufgrund der engen Verteilung wird Mw � Mn für die einzelnen Fraktionen ange-nommen und für die Berechnung von Mn der mittels Lichtstreuung bestimmte Gewichts-mittelwert Mw der eluierten Fraktionen herangezogen.

Aus den experimentell ermittelten Kontraktionsfaktoren g (Abb. 5.8) lässt sich nachGlg. 5.9 die Anzahl an Verzweigungen pro Molekül als Funktion der Molekularmasse be-rechnen; sie ist in Abb. 5.9 für die Pfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 alsFunktion des Gewichtsmittelwertes Mw der eluierten Fraktion dargestellt.

Aus den intrinsischen Viskositäten der Abb. 5.7 lässt sich über Glg. 5.3 der Kontrak-tionsfaktor g0 berechnen sowie unter Annahme des Exponenten b der Kontraktionsfaktorg nach Glg. 5.8 bestimmen. Für das Pfropfpolymer PS-80-3.8G-27 ergibt der Exponentb = 1:5 eine im Rahmen der Messgenauigkeit sehr gute Übereinstimmung zwischen denErgebnissen der GPC-MALLS und den Werten von g, die aus den gekoppelten GPC-Viskosimetrie-Daten mittels Glg. 5.8 ermittelt wurden (Abb. 5.9); der Exponent b ist imRahmen der Messgenauigkeit über den gesamten Molekularmassenbereich von g konstantund stimmt mit Literaturangaben für kammförmiges Polystyrol von b = 1.5 überein [121].Die Kontraktionsfaktoren der beiden Pfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-70-3.2G-22wurden aus GPC-Viskosimetriedaten9 bestimmt; hierfür wurde der gleichen Exponent vonb = 1.5 zugrunde gelegt.

Im unteren Molekularmassenbereich von 50 000 g/mol wird aufgrund der vergleich-baren intrinsischen Viskositäten von PS-r-95 und PS-80-3.8G-27 sowie PS-70-3.2G-22 einWert g0 = 1 erreicht, was eine Verzweigungszahl von p = 0 ergibt. Oberhalb des Mole-kulargewichtsbereichs, der mittels GPC-MALLS untersucht wurde, nimmt die berechneteVerzweigungszahl p noch weiter zu und erreicht bei PS-80-3.8G-27 und PS-70-3.2G-22einen maximalen Wert von über 10 Verzweigungen pro Molekül.

8 Die Lösungsbedingungen für die Gültigkeit von Glg. 5.9 sind nicht angegeben [119], allerdings ergibtder theoretischen Wert von g für ein Kammpolymer mit zwei Pfropfästen (H-förmiges Polystyrol) mitg = 0.712 eine sehr gute Übereinstimmung mit dem experimentell ermittelten Wert in � -Lösung vong� = 0.70 [120]. Die Formel ist im vorliegenden Fall (Lösungsmittel: Toluol) nur eine Abschätzung, dakeine �-Bedingungen vorliegen.

9 Daten für PS-70-3.2G-22 von Haug, ermittelt an einer anderen Anlage (Fa. Viscotek) [4].

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 97

02468

1012

g/mol

berechnet aus g = g' (1/1.5)

p

b) PS-80-3.8G-27

berechnet aus g

Anz

ahlV

erzw

eigu

ngen

p

02468

1012

berechnet aus g = g' (1/1.5)berechnet aus g

p

a) PS-90-1.2G-27

104

105

106

02468

10

Molekulargewicht Mw

der eluierten Fraktionen

c) PS-70-3.2G-22

berechnet aus g = g' (1/1.5)

p

Abb. 5.9: Mit Glg. 5.9 berechnete Anzahl an Verzweigungen p für drei Pfropfpolymere aus(a) den GPC-MALLS-Daten (Abb. 5.8) und (b) aus den GPC-Viskosimetrie-Daten (Abb.5.7) sowie (c) aus den GPC-Viskosimetrie-Daten von PS-70-3.2G-22 einer anderen Anlage(Daten aus [4]). Experimentell ermittelte mittlere Verzweigungszahl �p aus Tab. 5.4. Füralle Messungen: Lösungsmittel THF, T = 25 ÆC.

Beim Pfropfpolymer PS-90-1.2G-27 liegen die aus g' berechneten Werte nur geringfü-gig unter den mittels GPC-MALLS ermittelten Verzweigungszahlen p; dies ist damit zuerklären, dass die intrinsischen Viskositäten von PS-r-95 nicht über den gesamten Mole-kulargewichtsbereich einer idealen Kuhn-Mark-Houwink-Beziehung folgen, sondern imhochmolekularen Bereich zu geringeren Werten verschoben sind (s. Abb. 5.7), die zu einemkleineren Kontrationsfaktor und damit einer geringeren berechneten Verzweigungszahl gführen; der ausgewertete Molmassenbereich wurde bei PS-90-1.2G-27 daher auf Werte un-terhalb von 8�105 g/mol beschränkt.

Mit steigender Molekularmasse nimmt die Anzahl an Verzweigungen pro Molekül starkzu und liegt für PS-90-1.2G-27 bei Molekularmassen über 3�105 g/mol deutlich höher alsdie mittlere Verzweigungsanzahl �p, welche mit der in Abschnitt 5.3.2 genannten Methodeermittelt wurde. Für das stärker verzweigte PS-80-3.8G-27 ergeben sich bei dem höchs-ten mittels Lichtstreuung detektieren Gewichtsmittelwert Mw von 7 � 105 g/mol etwa achtVerzweigungen pro Molekül. Ähnliche Werte ergeben sich für das geringer verzweigte PS-70-3.2G-22; der molmassenabhängige Verlauf ist zwischen den beiden Pfropfpolymeren sehrähnlich.

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98 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Aus den Ergebnissen kann geschlossen werden, dass im hochmolekularen Bereich hö-herverzweigte Pfropfpolymere vorliegen können, als durch die mittlere Pfropfastanzahl �pangegeben. Der Befund einer zunehmenden Verzweigungszahl mit dem Molekulargewichtmacht daher eine wichtige Charakteristik der Pfropfpolymere deutlich: die mittlere Ver-zweigungsanzahl �p gibt lediglich einen Mittelwert an. Die tatsächlich vorliegenden Pfropf-polymere besitzen aber ein polydisperses Rückgrat; es kann angenommen werden, dassdemnach eine unterschiedliche Anzahl an Verzweigungen pro Molekül vorliegt, die von derMolekularmasse des Pfropfpolymers abhängt.

So ist aufgrund der Ergebnisse an PS-90-1.2G-27 und PS-80-3.8G-27 für die geringerverzweigten Pfropfpolymere PS-80-0.6G-22 und PS-60-0.5G-55 zu folgern, dass trotz dermittleren Verzweigungszahl �p von 0.6 bzw. 0.5 nicht nur sternförmig verzweigte Moleküle(mit einer Verzweigung pro Molekül) in der Gesamtprobe vorliegen, sondern möglicher-weise auch Moleküle mit zwei oder mehr Verzweigungen. Auf den Zusammenhang diesesBefundes mit den rheologischen Eigenschaften wird am Ende von Abschnitt 5.5.1 bei derDiskussion der dehnrheologischen Eigenschaften der Propfpolymere eingegangen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang die von Gabriel mit Hilfe der Zimm-Stockmayer-Theorie abgeschätzten Verzweigungszahlen von Metallocen-katalysierten Po-lyethylenen. Die molmassenabhängigen Verzweigungszahlen weisen einen vergleichbarenVerlauf wie die hier untersuchten Pfropfpolymere auf [89]. Die maximale Verzweigungszahlwurde für ein langkettenverzweigtes hochdichtes Polyethylen (HDPE) mit etwa sieben Ver-zweigungen pro Molekül bei einer Molekularmasse von 106 g/mol ermittelt; die anderenverzweigten HDPE weisen Verzweigungszahlen von maximal einer bis etwa vier pro Mo-lekül auf. Die Verzweigungszahl der Metallocen-katalysierten Polyethylene liegt damit inder Gröÿenordnung der hier untersuchten Polystyrolpfropfpolymere. Für LDPE ergibt dieAbschätzung demgegenüber wesentlich höhere Verzweigungsgrade in der Gröÿenordnungbis über 80 Verzweigungen pro Molekül [89].

5.3.4. Zusammenfassung der molekularen Parameter

Mit der in Kap. 5.2 gezeigten Polymerisationstechnik und anhand der analytischen Un-tersuchungen in Abschnitt 5.3 lässt sich die charakteristische Molekültopogra�e wie folgtzusammenfassen:

� die Seitenäste besitzen durch die anionische Synthese der Makromonomeren eine engeMolekularmassenverteilung.

� die Seitenäste sind statistisch über das Rückgrat des Pfropfpolymers verteilt.

� das Rückgrat des Pfropfpolymers besitzt eine Polydispersität von etwa Mw/Mn =1.4 bis 1.8, bedingt durch die radikalische Copolymerisation.

� der Pfropfpolymerpeak hat eine Polydispersität von Mw/Mn = 1.4 bis 1.7.

� Für die Anzahl an Verzweigungen kann, bedingt durch die Polydispersität des Rück-grats, nur eine mittlere Pfropfastanzahl �p pro Molekül angegeben werden.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 99

Einen Überblick der synthetisierten Pfropfpolymere, welche rheologisch untersucht wur-den, gibt Abb. 5.10. Die Molekültopologie wird hier durch die Angabe der PfropfastlängeMn;br, der mittleren Anzahl an Pfropfästen pro Makromolekül �p und dem Zahlenmittel derMolekularmasse des Rückgrats Mn;bb veranschaulicht. Tab. 5.3.4 zeigt in einer Übersichtdie wichtigsten molekularen Daten der Pfropfpolymere; die Pfropfpolymere sind aufstei-gend in Gruppen nach der Pfropfastlänge und der mittleren Anzahl an Pfropfästen �p proMolekül geordnet.

In der Spalte der molekularen Daten der Seitenketten ist ein (Zahlen-)Anteil an Pfrop-fästen �n;br angegeben. Er wird de�niert aus dem durchschnittlichen Verhältnis der Zah-lenmittelwerte aller Seitenäste bezogen auf den Zahlenmittelwert des Pfropfpolymers (ohneMakromonomeranteil):

�n;br =�p �Mn;br

Mn;Pfropf(5.12)

Die De�nition eines weiteren Parameters für den Massenanteil an Verzweigungen istbegründet damit, dass durch ein höheres Molekulargewicht des Rückgrats eine geringereVerzweigungsdichte eingestellt werden kann, obwohl die mittlere Anzahl an Verzweigungen�p gleich bleibt. Der Parameter �n;br dient dazu, die unterschiedlichen Molekulargewichteder Rückgrate in der Diskussion des Ein�usses der Molekültopologie auf die rheologischenEigenschaften zu berücksichtigen.

Der Ein�uss der Verzweigungen kann damit im Wesentlichen durch die Molekularmasseder Pfropfäste, die mittlere Anzahl an Verzweigungen pro Molekül und dem Massenanteilan Verzweigungen beschrieben werden. Anhand des Massenanteils an Verzweigungen lassensich drei Gruppen der Pfropfpolymere identi�zieren (siehe Tab. 5.3.4):

� Pfropfpolymere mit einem hohen Anteil an Seitenästen (�n;br = 0.48...0.51):PS-60-1.4G-42, PS-70-3.2G-22, PS-60-2.1G-27, PS-55-2.1G-27 und PS-55-4.0G-13

� Pfropfpolymere mit einem mittleren Anteil an Seitenästen (�n;br = 0.27...0.30):PS-60-0.5G-55, PS-90-1.2G-27 und PS-105-6.7G-6

� Ein Pfropfpolymer mit einem geringen Anteil an Seitenästen (�n;br = 0.14):PS-80-0.6G-22.

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100 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Zah

lenm

ittel

wer

t Mn,

br

der

Seite

nket

ten

PS-5

5-2.

1G-2

7PS

-60-

2.1G

-27

PS-6

0-1.

4G-4

2PS

-60-

0.5G

-55

Φn,

br =

0.3

0

mitt

lere

Anz

ahl p

an

Seite

nket

ten

pro

Mol

ekül

60

9055

/60

7027

2722

1355

PS-8

0-0.

6G-2

2

Φn,

br =

0.1

4

2280

6

105

Φn,

br =

0.4

9

PS-9

0-1.

2G-2

7PS

-70-

3.2G

-22

PS-5

5-4.

0G-1

3

PS-1

05-6

.7G

-6

Φn,

br =

0.2

n,br

= 0

.51

Φn,

br =

0.5

0

Φn,

br =

0.4

8

Φn,

br =

0.2

8

554260

Abb.5.10:ÜbersichtüberdiePfropfpolymeremitunterschiedlicherMolekültopologie.AngabenfürdieZahlenmittelwertevon

RückgratMn;bbundPfropfästenMn;bbinkg/mol.�n;brbezeichnetdenMassenanteilanVerzweigungen(Glg.5.12).

BeiPS-80-0.6G-22,PS-60-0.5G-55undPS-60-1.4G-42deutenzweiMoleküleeinenichtganzzahligePfropfastanzahl

�pan.

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5.3. Molekularer Aufbau der Pfropfpolymere 101

Tab.5.3.4:GesamtübersichtdermolekularenDatenderrheologischuntersuchtenPolystyrole[4,46]

Probe

�pa

wMM

b

Seitenketten

c

Rückgrat

d

VerzweigtesPfropfpolymerPfropfpolymer

ohne

Makro-

monomerrest

e

�n;br

f

Mw;br

[g/mol]

Mw;br/

Mn;br

Mw;bb

[g/mol]

Mw;bb/

Mn;bb

Mw;LS

g

[g/mol]

Mw;GPC

[g/mol]

Mw/

Mn

h

Mw;Pfropf

[g/mol]

PS-60-1.4G-42

1.4

0.17

0.49

45400

1.07

93000

1.63

159600

145100

1.66

183000

PS-60-0.5G-55

0.5

0.07

0.30

58300

1.05

112000

1.82

148400

146900

1.73

155200

PS-60-0.5G-55�

0.5

0.23

0.30

58300

1.05

112000

1.82

134400

133200

1.71

157100

PS-70-3.2G-22

3.2

0.24

0.50

22710

1.05

105900

1.49

156400

126300

2.35

198600

PS-60-2.1G-27

2.1

0.01

0.49

28650

1.03

85300

1.36

164500

146700

1.42

165900

PS-55-2.1G-27

2.1

0.12

0.51

28650

1.03

80500

1.49

150300

126100

1.94

166900

PS-90-1.2G-27

1.2

0.05

0.27

28650

1.03

136600

1.49

177500

161900

1.83

185300

PS-90-1.2G-27�

1.2

0.15

0.27

28650

1.03

136600

1.49

150700

129100

2.42

172200

PS-80-0.6G-22

0.6

0.06

0.14

22710

1.05

122100

1.54

131900

130600

1.89

138900

PS-55-4.0G-13

4.0

0.04

0.48

14170

1.03

82200

1.48

155100

135200

1.80

161000

PS-105-6.7G-6

6.7

0.01

0.28

6800

1.09

158600

1.52

236400

192400

1.90

238700

PS-r-95(linear)

0

157000

1.65

a

durchschnittlicheAnzahlanVerzweigungenproMolekül(nachMethodeII,Abschnitt5.3.2).

b

MassenanteilMakromonomerrest(Tab.5.3).

c

molekulareDatenderMakromonomerevorSynthese(Tab.5.2).

d

molekulareDatenbestimmtauspeak�tting-AnalysederChromatogrammenachPfropfastabspaltung(s.Abschnitt5.3.2).

e

Angabenaus[4]undnach[46].

fMassenanteilderSeitenkettennachGlg.5.12.

g

bestimmtüberstatischeLichtstreuung[4].

h

PolydispersitätMw=Mn

ermitteltmittelsGPC(lineareKalibrierung)(s.Abschnitt5.3.1).

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102 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung

Die rheologischen Eigenschaften in Scherströmung umfassen mechanisch-dynamische Un-tersuchungen zur Ermittlung der dynamischen Moduln sowie die daraus ermittelbare dy-namische Viskosität. Aus den Spannungsrelaxationsversuchen bei groÿen Deformationenlassen sich die Relaxationsmoduln und eine vom Relaxationszeitspektrum unabhängigeGröÿe, die Dämpfungsfunktion h( ), ermitteln.

5.4.1. Probenpräparation

Die Pfropfpolymere wurden bei der Synthese in Toluol gelöst, in einem Gemisch aus Die-thylether/Petrolether ausgefällt und anschlieÿend zur Entfernung von Etherresten gefrier-getrocknet; die rheologisch untersuchten Proben werden danach in Benzol gelöst, mit einemphenolischen Stabilisator versetzt (1000 ppm Irganox 1076, Fa. Ciba-Geigy AG, Basel) undgefriergetrocknet [4]. Die Proben der Polystyrol-Pfropfpolymere liegen nach der Gefrier-trocknung als feinkörniges Pulver vor und werden vor der Probenpräparation mindestens48 h im Vakuumtrockenschrank bei T = 80 ÆC nachgetrocknet. Mittels gelpermeationschro-matographischer Messungen wurde überprüft, dass der Trocknungsprozess nicht zu einemthermisch bedingten Molmassenabbau führt. Dies ist aufgrund der sehr guten thermischenStabilität der Schmelzen (s. Abschnitt 5.4.3) nicht zu erwarten. Die Probenpräparationerfolgte wie bei den Polystyrolmischungen (s. Abschnitt 3.2.3).

Um auch bei den verzweigten Polystyrolen sicherzustellen, dass keine niedermoleku-laren Lösemittel (z.B. aus der Synthese oder der Einbringung des Stabilisators) in derProbe vorhanden waren, wurde an sämtlichen Proben nach der Trocknung ebenfalls eineHeadspace-Analyse durchgeführt. Für sämtliche getrockneten Proben lag der Gehalt an�üchtigen Kohlenwassersto�en (VOC) unterhalb von 35 ppm oder lag unterhalb der Nach-weisgrenze des FID-Detektors am Gaschromatographen. Während der Probenpräparationund während der Durchführung der rheologischen Messungen wurde eine Blasenbildung inden Schmelzen nicht beobachtet. Es ist also davon auszugehen, dass auch bei den Pfropf-polymeren ein die rheologischen Untersuchungen beein�ussender Restlösemittelgehalt aus-geschlossen werden kann.

5.4.2. Thermogravimetrische Untersuchungen

Bei der thermischen Zersetzung von Polymeren kann die Ver�üchtigung von niedermo-lekularen Bestandteilen oder Reaktionsprodukten eine Massenabnahme verursachen. DieThermogravimetrie gestattet die Ermittlung der Masseänderung m(T ) einer Probe wäh-rend eines vorgegebenen Zeit-Temperatur-Programms gegenüber der Ausgangsmasse m0.

Die Untersuchungen wurden an einem TGA 2950 Thermogravimetric Analyzer der Fa.Texas Instruments durchgeführt, der mit einem Probenhalter aus Platin ausgerüstet ist.Als Spülgas dient Sticksto�, also das gleiche Gas, welches auch bei den rheologischen Mes-sungen als Schutzgas Verwendung �ndet. Die Au�ösung der thermogravimetrischen Waagebeträgt 0:1�g mit einer Genauigkeit von � 0.1 %. Von den für die scherrheologischenMessungen präparierten, im Vakuum getrockneten Proben wurden je etwa 10 - 15 mg ein-gewogen und in Sticksto�atmosphäre mit einer Heizrate von � = 10 K/min aufgeheizt.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 103

50 100 150 200 250 300 35096

97

98

99

100

101

-0.1 %

N2-Atmosphäre

Heizrate: β = 10 K/min

°C

%

PS-r-95PS-70-3.2G-22PS-55-4.0G-13PS-90-1.2G-27*PS-55-2.1G-27

Gew

icht

sver

hältn

ism

(T)/

m0

Temperatur T

Abb. 5.11: Thermogravimetrische Untersuchungen (TGA) der höher verzweigten Pfropf-polymere und des linearen Polystyrols PS-r-95. Die gestrichelte Linie bezeich-net die Au�ösungsgrenze von 0.1 %.

Ein deutlicher Massenverlust über 0.1 Gew.-% (dies entspricht nach Herstellerangabender Au�ösungsgrenze der TGA) tritt bei sämtlichen stärker verzweigten Pfropfpolymerensowie bei dem linearen PS-r-95 unterhalb der höchsten Messtemperatur bei den scherrheo-logischen Untersuchungen von T = 220 ÆC nicht auf (s. Abb. 5.11). Es dampfen also keineniedermolekularen Bestandteile der Polymeren ab, was z.B. bei Vorliegen von Oligome-ren oder Restlösemitteln aus der Synthese oder bei Depolymerisation des Polystyrols derFall sein könnte. Auch die Pfropfpolymere mit hohem Verzweigungsanteil (PS-70-3.2G-22und PS-55-4.0G-13 ) sowie einem hohen Massengehalt an Makromonomer (PS-70-3.2G-22mit 24 Gew.-% und PS-90-1.2G-27* mit 15 Gew.-%) zeigen keinen Massenverlust in die-sem Temperaturbereich. Damit ist für die rheologischen Untersuchungen, die im Tempe-raturbereich bis T = 220 ÆC durchgeführt wurden, eine ausreichende thermische Stabilitäthinsichtlich des Massenverlustes zu erwarten. Ein Molmassenabbau ist über thermogravi-metrische Methoden nicht unbedingt zu erkennen, daher wird dieser mittels rheologischenEigenschaften untersucht, wie im folgenden Abschnitt dargestellt.

5.4.3. Untersuchungen zur thermischen Stabilität

Die Stabilität wurde analog wie bei den linearen Polystyrolen (Kap. 4.3.2) bei der höchstenin den dynamisch-mechanischen Untersuchungen angewandten Messtemperatur von 220 ÆCdurchgeführt. Die Messfrequenz beträgt für alle Versuche ! = 0.1 rad/s, die Schubspan-nung wurde entsprechend der Scherviskosität zwischen 1 und 10 Pa so eingestellt, dassDeformationen im linear-viskoelatischen Bereich erreicht werden.

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104 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

102 103 1040.80

0.85

0.90

0.95

1.00

1.05

1.10

-5 %

s

T = 220 °Cω = 0.1 rad/sN

2-Atmosphäre

PS-60-1.4G-42PS-55-2.1G-27*PS-80-0.6G-22PS-55-4.0G-13PS-105-6.7G-6PS-70-3.2G-22be

zoge

neV

isko

sitä

t|η*

|(t)

/|η*

|(t0)

Zeit t

Abb. 5.12: Untersuchung der thermischen Stabilität der Pfropfpolystyrole bei der höchs-ten Messtemperatur von T = 220 ÆC. Der Betrag der komplexen Viskositätj��j ist auf den ersten Messwert bei t = t0 bezogen.

Für sämtliche Messungen mit Ausnahme von PS-105-6.7G-6 lag der Phasenwinkel Æ zuBeginn der Messung über 88Æ; die komplexen Viskositäten liegen demnach nahe oder imNewtonischen Bereich, in welchem die Abhängigkeit der Viskosität vom Gewichtsmittel-wert der Molmasse maximal ist [1].

Abb. 5.12 zeigt die auf den Anfangswert bezogenen zeitabhängigen komplexen Visko-sitäten von fünf Pfropfpolymeren mit unterschiedlicher Pfropfastlänge sowie ein Paar mitvergleichbarer Pfropfastlänge, aber unterschiedlicher Anzahl an Pfropfästen pro Molekül.Die dynamischen Viskositäten von PS-55-4.0G-13 und PS-70-3.2G-22 fallen nach etwa 30Minuten um 5 % ab, die dynamischen Viskositäten der anderen verzweigten Pfropfpolyme-re erst nach einem Zeitraum von über einer Stunde. Die Viskositätsänderung von PS-105-6.7G-6 ist nicht so stark wie bei den anderen untersuchten Pfropfpolymeren. Da aufgrundder höheren Molmasse von PS-105-6.7G-6 das Newton'sche Gebiet nicht erreicht wird,ist die Molekularmassenabhängigkeit der komplexen Viskosität hier geringer.

Zur Überprüfung der rheologischen Stabilitätsmessungen wurden nach den Stabilitäts-untersuchungen sowie nach den in Abschnitt 5.4.4 dargestellten rheologischen Messun-gen die Molekularmassenverteilungen mittels GPC bestimmt. Damit kann einerseits eineeventuelle Molmassenänderung detektiert werden; zum anderen soll untersucht werden, obPfropfäste während der thermischen Belastung abgespalten werden; dies könnte der Fallsein, wenn z.B. die Methacrylatgruppe der eingebauten Makromonomeren (s. Abb. 5.1)nicht ausreichend thermisch stabil ist.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 105

104

105

106

0

1

2

3

4

5

6

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel:THFT = 25 °C

g/mol

PS-55-2.1G-27getrocknetes Pulvernach 2 h bei 140 - 220°Cnach 3h bei 220 °C

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

Molekularmasse M

Abb. 5.13: GPC-Chromatogramme von PS-55-2.1G-27 nach unterschiedlichen thermi-schen Belastungen.

Abb. 5.13 zeigt die GPC-Chromatogramme des Pfropfpolymers PS-55-2.1G-27 sowiedie einer Probe nach Durchführung der rheologischen Messungen zur Bestimmung der dy-namischen Daten (ca. 2h bei 140 bis 220 ÆC) und nach einer Stabilitätsmessung (3h bei220 ÆC). Die molekularen Daten aus den Molmassenverteilungen in Abb. 5.13 sind in Tab.5.5 aufgeführt.

Anhand eines Vergleichs der Molekularmassenverteilung des unaufgeschmolzenen Pul-vers mit dem der thermisch belasteten Proben (Abb. 5.13) ist ersichtlich, dass sich das Mo-lekulargewicht durch die thermische Belastung bei der Probenpräparation und den rheo-logischen Messungen sowie bei der Stabilitätsuntersuchung nicht signi�kant ändert; derGewichtsmittelwert sinkt nur geringfügig (s. Tab. 5.5). Da die Höhe des Makromonomer-Peaks nicht signi�kant zunimmt, kann gefolgert werden, dass die Pfropfäste nicht prä-ferentiell abgespalten werden. Dies wurde auch durch Analyse des Makromonomerpeaksanhand des GPC-Chromatogramms bestätigt: Im Rahmen der Messgenauigkeit ergebensich keine Unterschiede im Gewichtsanteil des Makromonomerpeaks zwischen den unauf-geschmolzenen und den thermisch belasteten Proben [4]. Man kann daraus folgern, dassdie thermisch bedingten Kettenbrüche statistisch und nicht präferentiell an den Verzwei-gungsstellen erfolgen. Darauf weist auch die vergleichbare thermische Stabilität bei unter-schiedlichen Pfropfastlängen und verschiedener Anzahl an Pfropfästen pro Molekül hin, wieanhand der Gewichtsmittelwerte vor und nach thermischer Belastung für unterschiedlichaufgebaute Pfropfpolymere aus Tab. 5.5 ersichtlich ist.

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106 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Tab. 5.5: Ergebnisse der GPC von Pfropfpolymeren im Ausgangszustand (Pulver) undnach rheologischer Untersuchung sowie der Stabilitätsmessung der Schmelze

Probe Zustand Mw Mw=Mn �Mw

[g/mol]

PS-90-1.2G-27 Pulver 161 900 1.83PS-90-1.2G-27 nach rheol. Messunga 153 300 1.75 -5.6 %PS-55-2.1G-27 Pulver 126 100 1.94PS-55-2.1G-27 nach rheol. Messunga 122 200 2.04 -3.4 %PS-55-2.1G-27 nach Stabilitätsmessungb 120 700 1.95 -4.5 %PS-70-3.2G-22 Pulver 126 300 2.35PS-70-3.2G-22 nach rheol. Messunga 126 900 2.67 �PS-60-0.5G-55* Pulver 122 200c 1.74c

PS-60-0.5G-55* nach rheol. Messunga 122 000c 1.79c �PS-105-6.7G-6 Pulver 192 400 1.90PS-105-6.7G-6 nach rheol. Messunga 187 800 2.04 -2.4%

a ca. 2 h im Temperaturbereich T = 140 ÆC bis T = 220 ÆC.b 3 h bei T = 220 ÆC.c GPC-Daten vom LAMC Stuttgart [46].

Die Genauigkeit der Bestimmung von Molekulargewichtsmittelwerten mittels GPC istjedoch aufgrund des Mess� und Auswerteverfahrens gerade bei kleinen Unterschieden inder Molekularmassenverteilung beschränkt. Daher wurden an den in Tab. 5.5 aufgeführtenPfropfpolymerisaten PS-55-2.1G-27 die Molekulargewichtsmittelwerte auch am Institut fürMakromolekulare Chemie der Universität Stuttgart mittels GPC bestimmt. Für das Po-lystyrol PS-55-2.1G-27 konnte ein vergleichbarer Abfall des Gewichtsmittelwertes Mw desPfropfpolymers von 3% nach den rheologischen Messungen bzw. 5 % nach den Stabilitäts-untersuchungen festgestellt werden [4], was sehr gut mit den in Tab. 5.5 genannten Wertenübereinstimmt.

Aus den rheologischen und GPC-Untersuchungen folgernd, ist die thermische Stabili-tät der untersuchten Pfropfpolymere ausreichend, um valide rheologische Daten in einemTemperaturbereich bis T = 220 ÆC ermitteln zu können10.

10 Andere Autoren erwähnen ebenfalls eine ausreichende Thermostabilität der von ihnen untersuchtenverzweigten Modellpolymere aus Polystyrol. So geben beispielsweise Roovers und Graessley an,dass bei ihren sehr hochmolekularen Kammpolymeren mit etwa 30 Verzweigungen pro Molekül undeinem höchsten Molekulargewichtsmittelwert von Mw = 3:6 � 106 g/mol (einem über 20-fachen Mo-lekulargewicht der in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolystyrole) unter Sticksto�atmosphäre eineausreichende thermische Stabilität bis T = 210 ÆC vorliegt, wenn die Messungen innerhalb von zweiStunden vorgenommen werden [105].

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 107

5.4.4. Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln

Die dynamisch-mechanischen Daten wurden bei den Pfropfpolymeren in gleicher Weise wiebei den linearen Polystyrolmischungen ermittelt (s. Kap. 4.3.3).

Werden alle Relaxationsprozesse durch eine Temperaturänderung in gleicher Weise be-ein�usst, so wird das Material als thermorheologisch einfach bezeichnet, andernfalls alsthermorheologisch komplex. Im letztgenannten Fall lassen sich nicht alle Materialfunktio-nen mit dem gleichen Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktor auf eine Masterkurve schieben.Eine Überprüfung der Gültigkeit des Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzips kann überdie Auftragung des Phasenwinkels als Funktion des komplexen Schermoduls jG�j nach vanGurp und Palmen [122] erfolgen.

Abb. 5.14 zeigt anhand des linearen PS-r-95 und exemplarisch für die verzweigtenPolystyrole anhand von PS-55-2.1G-27, dass die Funktionen Æ(jG�j) für unterschiedlicheMesstemperaturen im Rahmen der Messgenauigkeit jeweils zusammenfallen. Eine deut-liche Au�ächerung der Werte von Æ(jG�j), wie sie im Falle von sich thermorheologischkomplex verhaltenden Schmelzen gefunden wird (z.B. [89, 122, 123]), ist demnach bei denhier untersuchten verzweigten Polystyrolen nicht festzustellen. Bei kleinen Kreisfrequenzenwird das Newtonische Gebiet erreicht (Phasenwinkel Æ = 90Æ).

102

103

104

105

106

20

40

60

80

100

δ = 90 °C

PS-r-95

Däm

pfungswinkel δ [°]

Pa

PS-55-2.1G-27

komplexer Modul |G*|

20

40

60

80

100

Däm

pfun

gsw

inke

l δ [

°]

T [°C]: 140 150 160 170 180 190 200 210 220

Abb. 5.14: Auftragung des Dämpfungswinkels als Funktion des komplexen Moduls jG�jvon PS-r-95 und PS-55-2.1G-27.

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108 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 rad/s 10510-2

10-1

100

101

102

103

104

105

106

107

Pa109

a)PS-55-2.1G-27 / PS-60-2.1G-27

x 0.01

G' G''höherer Makromonomeranteilniedrigerer Makromonomeranteil

PS-90-1.2G-27

PS-60-0.5G-55

x 500

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

Kreisfrequenz ω aT

102 103 104 105 106 Pa 108

10-3

10-2

10-1

100

101b) PS-55-2.1G-27

PS-60-2.1G-27

(wMM

= 0.23)(w

MM= 0.07)

(wMM

= 0.12)(w

MM= 0.01)

(wMM

= 0.15)(w

MM= 0.05)

PS-90-1.2G-27

PS-60-0.5G-55

x 0.1

x 10

bezo

gene

kom

plex

eV

isko

sitä

t|η* |/

η 0

bezogene Kreisfrequenz ω η0

Abb. 5.15: (a) Ein�uss des Massenanteils an Makromonomerrest wMM auf die dynami-schen Moduln. Linien geben Pfropfpolymere mit niedrigerem, Symbole Pfropfpolymeremit höherem Makromonomeranteil an. Die Werte von wMM sind der unteren Abbildungzu entnehmen. (b) Ein�uss des Massenanteils an Makromonomerrest auf die reduziertekomplexe Viskosität.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 109

Der Ein�uss des niedermolekularen Makromonomerrestes auf die Frequenzlage der dy-namischen Moduln ist für die drei Pfropfpolymere mit unterschiedlichen Makromonome-ranteilen in Abb. 5.15a gezeigt. Die dazugehörigen Molekularmassenverteilungen sind inAbb. 5.5 (Abschnitt 5.3.1) dargestellt. Bei erhöhtem Gewichtsanteil an Makromonomerrestverschieben sich die dynamischen Moduln vor allem im terminalen Bereich des Flieÿgebie-tes zu höheren Kreisfrequenzen (Abb. 5.15a). Dieser Befund gilt für beide Pfropfpolymeremit unterschiedlichen Gewichtsmittelwerten der Makromonomerreste.

In der temperatur- und molmasseninvarianten Darstellung nach Vinogradov [124] er-geben sich in einem weiten Frequenzbereich für alle drei Pfropfpolymere trotz unterschied-lichen Gewichtsanteils an Makromonomerresten nahezu identische Verläufe der reduziertendynamischen Viskositäten (Abb. 5.15b). Bei hohen Kreisfrequenzen zeigen die Pfropfpo-lymere mit höherem Makoromonomeranteil geringfügig erhöhte dynamische Viskositäten,die allerdings für die nachfolgend erörterten Ein�üsse des Verzweigungsgrades zu vernach-lässigen sind. Auch der höchstmolekulare Makromonomerrest (Mw;MM = 58 300 g/mol,PS-60-0.5G-55) mit einem Gewichtsmittel der Molmasse deutlich über der kritischen Mo-lekularmasse Mc, zeigt bei dem hohen Gewichtsanteil von 23 Gew.-% keinen signi�kantenEin�uss auf die reduzierten dynamischen Viskositäten.

Die Ergebnisse sind so zu interpretieren, dass die Makromonomerreste als niedermoleku-larer Verdünner wirken und lediglich die Nullviskosität der Schmelze zu niedrigeren Wertenverschieben, die Frequenzabhängigkeit der in reduzierter Darstellung aufgetragenen dyna-mischen Viskositäten im untersuchten Zeitfenster aber nicht signi�kant beein�ussen. Fürdie Makromonomerreste mit Gewichtsmittelwerten von 58 300 g/mol und 28 650 g/molwurde dies gezeigt; für die Pfropfpolymere mit Makromonomerresten mit Gewichtsmittel-werten von 6 800 bis 22 710 g/mol wird dies ebenfalls angenommen.

Die Masterkurven der dynamischen Moduln sind für eine Bezugstemperatur von T0 =170 ÆC in Abb. 5.16 dargestellt. Abb. 5.16(a) zeigt die Pfropfpolymere mit vergleichbarerPfropfastlänge, aber unterschiedlicher mittlerer Pfropfastzahl �p pro Molekül, Abb. 5.16(b)die Pfropfpolymere mit unterschiedlicher Pfropfastlänge. Im Bereich kleiner Kreisfrequen-zen wird für alle Pfropfpolymere der terminale Bereich des Flieÿgebietes (G0 / !2; G00 / !)erreicht. Die Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln ist im Vergleich zu dem linea-ren PS-r-95 sowie zwischen den einzelnen verzweigten Pfropfpolymeren sehr ähnlich, wiebeispielsweise anhand des Pfropfpolymers PS-90-1.2G-27 in Abb. 5.16(a) zu erkennen ist.Die dynamischen Moduln von PS-r-95 und PS-90-1.2G-27 überdecken sich im terminalenBereich des Flieÿgebietes, da die Schmelzen vergleichbare Nullviskositäten aufweisen. ImBereich des gummielastischen Plateaus zeigen die dynamischen Moduln unabhängig vomVerzweigungsgrad eine vergleichbare Frequenzabhängigkeit, wie in der Reihe der Pfropfpo-lymere mit zunehmender Verzweigungszahl in Abb. 5.16(a) zu erkennen ist. Die einzelnenModuln unterscheiden sich in ihrer Frequenzlage lediglich in der Breite des Übergangesvom gummielastischen Plateau zum terminalen Bereichs des Flieÿgebietes, der frequenz-abhängige Verlauf ist jedoch ähnlich.

Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei Variation der Pfropfastlänge und unterschiedli-cher Pfropfastanzahl (Abb. 5.16(b)). Auch die dynamischen Moduln der PfropfpolymerePS-60-1.4G-42 und PS-60-0.5G-55 mit längeren Pfropfästen zeigen gegenüber dem linearenPS-r-95 keine groÿen Unterschiede im frequenzabhängigen Verlauf, lediglich eine Verschie-bung des terminalen Bereiches des Flieÿgebietes. Dies ist auch bei den PfropfpolymerenPS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 mit hoher Pfropfastzahl und geringer Pfropfastmolmasseder Fall.

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110 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-3 10-2 10-1 100 101 102 rad/s 104100

101

102

103

104

Pa

106

2

PS-r-95PS-80-0.6G-22PS-90-1.2G-27PS-55-2.1G-27PS-70-3.2G-22

G'(

ωa T

)

ω aT

10-3 10-2 10-1 100 101 102 rad/s 104

101

102

103

104

Pa

106

a) T0

= 170 °C

1 G''(

ωa T

)

ω aT

10-3 10-2 10-1 100 101 102 rad/s 104100

101

102

103

104

Pa

106

2

PS-r-95 PS-105-6.7G-6 PS-55-4.0G-13 PS-60-1.4G-42 PS-60-0.5G-55

G' (

ω a

T)

ω aT

10-3 1 0-2 10-1 100 101 102 rad/s 104

101

102

103

104

Pa

106

b) T0 = 170 °C

1

G'' ( ω

aT )

ω aT

Abb. 5.16: (a) Masterkurven der dynamischen Moduln des linearen Polystyrols PS-r-95 und der Pfropfpolymeren mit unterschiedlicher Pfropfastanzahl und vergleichbarerPfropfastlänge. (b) Masterkurven der Pfropfpolymeren mit unterschiedlicher Pfropfast-länge und mittlerer Pfopfastzahl. Bezugstemperatur ist T0 = 170 ÆC.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 111

Literaturdaten zeigen demgegenüber, dass sich bei vielen engverteilten verzweigtenModellpolymeren ein ausgeprägter Relaxationsübergang zwischen dem terminalen Bereichdes Flieÿgebietes und dem gummielastischen Plateau ergibt. Dieser Relaxationsübergangist dadurch gekennzeichnet, dass der Speichermodul G00 bei Kreisfrequenzen zwischen demSchnittpunkt von Speicher- und Verlustmodul (`cross-over') und dem gummielastischenPlateau wie bei engverteilten, linearen Polymeren nicht absinkt, sondern weiter ansteigt.Bei den von Roovers und Graessley untersuchten Polystyrol-Kammpolymeren führtdieser Relaxationsübergang zu einem parallelen Verlauf von Speicher- und Verlustmodulüber zwei Dekaden, wobei in diesem Frequenzbereich G0 / !1=2 und G00 / !1=2 gilt [105].Den Autoren zufolge ist bei Kammpolymeren die Breite dieses Relaxationsübergangs vonder Seitenastlänge abhängig [105].

Ähnlich interpretieren Fetters et al. die unterschiedlichen dynamischen Moduln vonsternförmig verzweigten Polyisobutylenen mit variierender Seitenastlänge [59]. Ein Rela-xationsübergang zwischen dem terminalen Bereich des Flieÿgebietes und dem gummielas-tischen Plateau �ndet sich auch bei anderen engverteilten Modellpolymeren, beispielsweisebei H-förmigen Polystyrolen [125], H-förmig verzweigten Polyisoprenen [62], baumartig ver-zweigten Polystyrolen [95] und sternförmigen Polybutadienen mit kammartig verzweigtenSeitenästen [97].

Die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere sind nicht so eng verteiltwie die in der Literatur zitierten anionisch polymerisierten Modellpolymere. Der Übergangvom terminalen Bereich des Flieÿgebietes in das gummielastische Plateau ist daher bereitsbei dem linearen Polystyrol PS-r-95 etwas breiter im Vergleich zu anionischem Polystyrol,bedingt durch die höhere Polydispersität.

Dass bei den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymeren ein ausgepräg-ter Relaxationsübergang nicht auftritt, lässt sich geeigneter anhand einer temperatur- undmolmasseninvarianten Darstellung der dynamischen Viskosität erörtern: Abb. 5.17 zeigtzusammenfassend die reduziert dargestellten komplexen Viskositäten der Pfropfpolymeremit unterschiedlicher Pfropfastanzahl (PS-70-3.2G-22, PS-60-2.1G-27, PS-90-1.2G-27, PS-80-0.6G-22) und unterschiedlicher Pfropfastlänge (PS-60-1.4G-42 bzw. PS-60-0.5G-55 undPS-55-4.0G-13 bzw. PS-105-6.7G-6) im Vergleich mit dem linearen PS-r-95 mit ähnlichbreiter Molekularmassenverteilung. Der Ein�uss der Polydispersität auf die Viskositäts-funktion ist vernachlässigbar, da der Wert vonMw/Mn des Hauptpeaks der Pfropfpolymerein einem engen Bereich zwischen 1.93 und 1.73 liegt (s. Tab. 5.3.4). Sämtliche Viskositäts-funktionen erreichen das Newtonsche Plateau. Die unverschobenen Viskositätsfunktionen�nden sich im Anhang (Abb. A.5).

Da in reduzierter Darstellung der Ein�uss des Makromonomeranteils auf die Frequenz-abhängigkeit der dynamischen Viskosität vernachlässigbar ist, kann der Ein�uss der Topo-logie der Pfropfpolymere auf die Frequenzabhängigkeit der komplexen Viskosität studiertwerden. Die Frequenzabhängigkeit der komplexen Viskosität stimmt mit der schergeschwin-digkeitsabhängigen Viskosität überein, wenn die Regel nach Cox und Merz erfüllt ist[126]; sie verknüpft die linear-viskoelastische komplexe dynamische Viskosität mit der beihohen Scherraten nichtlinear-viskoelastischen Scherviskosität, was eine Diskussion des Zu-sammenhangs zwischen dem molekularen Aufbau und der Strukturviskosität der Schmelzeerlaubt.

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112 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

102 103 104 105 106 Pa 108

10-2

10-1

100

PS-60-1.4G-42PS-60-0.5G-55PS-70-3.2G-22PS-60-2.1G-27PS-90-1.2G-27PS-80-0.6G-22PS-55-4.0G-13PS-105-6.7G-6PS-r-95be

zoge

neko

mpl

exe

Vis

kosi

tät|

η*|/

η 0

bezogene Kreisfrequenz ωη0

Abb. 5.17: Temperatur- und molmasseninvariante Darstellung der komplexen Viskositä-ten der verzweigten Pfropfpolymere im Vergleich zu dem linearen PS-r-95 mitvergleichbarer Polydispersität.

Die Kreisfrequenz ! entspricht dann der Schergeschwindigkeit _ . Die Gültigkeit derCox-Merz-Regel wird für Schmelzen von Polystyrolen und von verzweigten Polyethyle-nen im allgemeinen erfüllt [126, 127]. Eine Verletzung der Cox-Merz-Regel bei HDPE imBereich hoher Scherspannungen wird in Zusammenhang mit Wandgleite�ekten gebracht[127]. Für die Diskussion des Zusammenhangs zwischen dem molekularem Aufbau derPfropfpolymere und der komplexen Viskosität wird hier die Gültigkeit der Cox-Merz-Regel für die Pfropfpolymere angenommen, da für eine kapillarrheometrische Ermittlungder schergeschwindigkeitsabhängigen Viskositätsfunktion nicht genügend Probenmaterialzur Verfügung stand und bei Ermittlung der Viskositätsfunktion �( _ ) im Kegel-Platte-Rheometer der Messbereich der Scherraten durch experimentelle Probleme begrenzt ist.

Abb. 5.17 zeigt, dass im Übergangsbereich zwischen dem Newtonschen Plateau unddem Bereich konstanter Steigung der komplexen Viskosität (power law, j��j / !�n) die ver-zweigten Pfropfpolymere eine etwas höhere Strukturviskosität im Vergleich zu dem linearenPolystyrol aufweisen. Bei hohen Frequenzen liegen demgegenüber sämtliche komplexen Vis-kositäten über demWert des unverzweigten Polystyrols, mit Ausnahme von PS-105-6.7G-6.

Die Ursache für den geringen Ein�uss von Verzweigungen auf die Frequenzabhängigkeitder Viskositätsfunktionen wird nachfolgend anhand eines Vergleiches von linearen Polysty-rolen mit unterschiedlicher Polydispersität und mit einer Gegenüberstellung der schwachverzweigten Pfropfpolymeren mit sternförmigen Polystyrolen, welche unterschiedliche Mo-

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 113

103 104 105 Pa 107

10-3

10-2

10-1

100

anionisches Polystyrol C6bb 1

4-Arm PS-Stern S161A (Mw= 351 000 g/mol)1

4-Arm PS-Stern S181A (Mw= 1 027 000 g/mol)1

1[Graessley & Roovers (1979)]

anionische Polystyrole PS-a-170

C6bb1

x 0.1

PS-r-95 PS-80-0.6G-22 PS-90-1.2G-27

bezo

gene

kom

plex

e V

isko

sitä

t |η*

| / η

0

bezogene Kreisfrequenz ω η0

Abb. 5.18: Ein�uss der Polydispersität auf die reduzierten Viskositätsfunktionen (obererTeil): Anionisches Polystyrol PS-a-170 und radikalisches Polystyrol PS-r-95 (diese Arbeit),Literaturdaten [105] des anionischen Polystyrols C6bb und Vergleich mit den Pfropfpoly-meren PS-90-1.2G-27 und PS-80-0.6G-22. Ein�uss der Pfropfastlänge auf die reduziertenViskositätsfunktionen (unterer Teil, mit Faktor 0.1 vertikal verschoben): Vergleich von anio-nischem Polystyrol mit engverteilten 4-Arm Sternpolystyrolen von Roovers undGraess-ley [105].

lekulargewichte der Seitenäste aufweisen, beleuchtet. Im oberen Teil von Abb. 5.18 sind diePfropfpolymere PS-80-0.6G-22 und PS-90-1.2G-27 sowie das lineare PS-r-95 mit ähnlichbreiter Molekularmassenverteilung dargestellt, zusammen mit den Daten für das engverteil-te anionisch polymerisierte PS-a-170 und Literaturdaten von Roovers und Graessleyvon anionischem, engverteiltem Polystyrol C6bb [105]. Im Vergleich zu PS-a-170 zeigt PS-r-95 eine im Übergangsbereich stärker ausgeprägte Strukturviskosität, was auf die breitereMolekularmassenverteilung des radikalisch synthetisierten PS-r-95 gegenüber dem anio-nischen PS-a-170 zurückzuführen ist (Abb. 5.18, oberer Teil). Eine im Übergangsbereichstärker ausgeprägte Strukturviskosität wird für lineare Polystyrole mit höherer Polydisper-sität gegenüber engverteilten Polystyrolen vergleichbarer Nullviskosität beispielsweise auchvon Münstedt und Schuch angegeben [31, 33]. Der Vergleich der Frequenzabhängigkeitder komplexen Viskosität von PS-a-170 mit Literaturdaten eines anionischen PolystyrolsC6bb von Graessley und Roovers [105] zeigt eine sehr gute Übereinstimmung.

Die verzweigten Pfropfpolymere PS-80-0.6G-22 und PS-90-1.2G-27 weisen gegenüberdem linearen PS-r-95 mit ähnlich breiter Molekularmassenverteilung nur eine sehr geringerhöhte Strukturviskosität auf. Die Polydispersität der Molekularmassenverteilung hat beiden dargestellten Pfropfpolymeren demnach einen wesentlich gröÿeren Ein�uss auf die

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114 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Strukturviskosität im Übergang zum power-law -Bereich als das Vorhandensein von Ver-zweigungen. Ein Erklärungsansatz für den geringen Ein�uss von Verzweigungen auf dieStrukturviskosität der hier untersuchten Polystyrol-Pfropfpolymere ist in der geringen An-zahl der Verschlaufungen der Seitenäste bzw. des gesamten Moleküls zu sehen. Dies wirdanhand der komplexen Viskositäten von Sternpolymeren verdeutlicht, die eine ähnlichemittlere Anzahl an Verzweigungen11 aufweisen wie beispielsweise die schwach verzweig-ten Pfropfpolymere PS-80-0.6G-22 und PS-90-1.2G-27, aber wesentlich stärker verschlauftsind. Die Viskositätsfunktionen der engverteilten Polystyrolsterne, welche von Graess-ley und Roovers untersucht wurden, sind im unteren Teil von Abb. 5.18 dargestellt.Der engverteilte 4-armige Stern S161A zeigt gegenüber dem engverteilten anionischen Po-lystyrol eine etwas stärkere Strukturviskosität. Anhand des 4-Arm-Sterns S181A mit einemdreifach höheren Molekulargewicht der Seitenäste gegenüber dem Sternpolymer S161A istzu erkennen, dass die Strukturviskosität mit zunehmender Seitenastlänge bei konstanterVerzweigungszahl weiter zunimmt.

Die Seitenäste der Pfropfpolymere PS-90-1.2G-27 und PS-80-0.6G-22 weisen durch-schnittlich eine Verschlaufungszahl ne;a = Mw;a=Me der Seitenarme von 1.6 auf; die in Abb.5.18 gezeigten Polystyrolsterne sind stärker verschlauft mit Werten von ne;a, die bei etwa5 und 14 liegen. Der Vergleich zeigt, dass sich bei sternförmigen Molekülen Verzweigungenumso stärker auf die Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion auswirken, je stärkerdie Seitenäste verschlauft sind. Daraus lässt sich folgern, dass bei den Pfropfpolymerendie Seitenäste nicht ausreichend verschlauft sind, um zu einer gegenüber dem linearen PS-r-95 deutlich veränderten Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion zu führen. Hinzukommt, dass die Polydispersität der hier untersuchten Pfropfpolymeren höher ist als beiden Literaturdaten der anionisch polymerisierten sternförmigen Polystyrole. Da sich beilinearen Polystyrolen bereits durch die erhöhte Polydispersität eine erhöhte Strukturvis-kosität ergibt (siehe Abb. 5.18, oberer Teil), ist zu folgern, dass bei den Pfropfpolymerendurch Verzweigungen bedingte Unterschiede der Viskositätsfunktion durch die Polydisper-sität der Pfropfpolymere möglicherweise maskiert werden.

Die Ergebnisse des Ein�usses von Verschlaufungen auf die Auswirkung von Verzwei-gungen werden unterstützt durch Untersuchungen von Gell et al., in denen der Fragenachgegangen wird, wie lang der Seitenast eines asymmetrischen Sternes sein muss, da-mit sich dieser in einer veränderten Frequenzabhängigkeit mechanisch-dynamischer Datenbemerkbar macht [128]. Die Autoren studierten eine Serie engverteilter, asymmetrischer3-Arm Sterne aus Poly(ethylen-alt-polypropylen), kurz PEP. Auch hier wurde das Mole-kulargewicht des Rückgrats der T-förmigen Topologie (d.h. von zwei Pfropfästen) konstantgehalten und das Molekulargewicht des dritten Pfropfastes variiert. Bei einem sehr kur-zen Pfropfast, der ein mittleres Molekulargewicht unterhalb der Verschlaufungsmolmasseaufweist (Mbr � 0:5 �Me), ergibt sich gegenüber dem engverteilten linearen Material einevergleichbare Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln. Seitenäste mit einer mittle-ren Verschlaufungsanzahl ne;a von etwa 2.4 ergeben dagegen bereits eine sehr stark verän-derte Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln, erkennbar an einem gegenüber derlinearen Spezies nach dem Schnittpunkt von G' und G� (`crossover') erhöhten Wert desVerlustmoduls G�.

11 Bei den Sternpolymeren liegt eine Funktionalität von f = 4 vor, bei den Pfropfpolymeren dieser Arbeitist f = 3.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 115

Ein zusätzlicher Relaxationsübergang der dynamischen Moduln macht sich bei diesemuntersuchten System bereits bei sehr geringen Verschlaufungsgraden bemerkbar. Die Auto-ren weisen auch darauf hin, dass bei asymmetrischen Sternen eine veränderte Frequenzab-hängigkeit der dynamischen Moduln bei wesentlich geringeren Verschlaufungsgraden desin der Länge variierten Seitenastes auftritt als bei symmetrischen Sternpolymeren; Ver-zweigungen machen sich also bei kleineren Verschlaufungsgraden der Seitenäste in einerÄnderung der dynamischen Moduln bemerkbar, wenn das Rückgrat wesentlich länger istals die Seitenäste.

Aus den Befunden an den asymmetrischen Sternpolymeren ist zu schlieÿen, dass nichtalleine die Seitenastlänge für eine veränderte Frequenzabhängigkeit der dynamischen Mo-duln als Parameter in Frage kommt, sondern auch das Molekulargewicht des Rückgrats. Sozeigen die Ergebnisse von Roovers und Graessley für ein stark verzweigtes, engverteil-tes Kammpolystyrol mit 31 Pfropfpästen im Vergleich zu linearem engverteiltem Polystyrolsigni�kante Unterschiede in der Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduln, obwohldas Molekulargewicht der Seitenäste mit Mn;br = 6 500 g/mol deutlich unterhalb des kri-tischen Molekulargewichts Mc für die Bildung von Verschlaufungen liegt.

Die mechanisch-dynamischen Untersuchungen können zusammenfassend folgenderma-ÿen interpretiert werden: Aufgrund der geringen Molekulargewichte der Pfropfäste im Ver-gleich zum Verschlaufungsmolekulargewicht Me von PS verbunden mit einer breiteren Mo-lekulargewichtsverteilung (Mw/Mn liegt zwischen etwa 1.4 und 1.8) der Pfropfpolymereim Vergleich zu den anionischen Polystyrolen ist eine deutlich veränderte Frequenzab-hängigkeit der mechanisch-dynamischen Materialfunktionen bei den Pfropfpolymeren imVergleich zu der linearen Spezies nicht zu beobachten.

5.4.5. Nullviskositäten

Die Molekularmassen der Pfropfpolymere wurden bei der Synthese so eingestellt, dassder Newtonische Bereich ohne signi�kanten thermischen Abbau während der Messungerreicht wird. Die Nullviskositäten können daher aus den dynamischen Daten ermitteltwerden (Glg. 3.24).

Molekularmassenabhängigkeit der Nullviskositäten

Die Nullviskositäten sind als Funktion der über Lichtstreuung ermittelten Gewichtsmittel-werte in Abb. 5.19 aufgetragen. Die durchgezogene Linie bezeichnet die Nullviskosität derlinearen Polystyrolmischungen aus Abb. 4.14 mit Werten für Mw aus der GPC.

Die Nullviskositäten der Pfropfpolymeren sind in allen Fällen niedriger als die der li-nearen Polystyrole mit gleichem Molekulargewicht. Ein Maÿ für die Abweichung der Null-viskosität von linearem Polystyrol ist das Verhältnis der Nullviskosität des verzweigtenPolymeren zu der Nullviskosität von linearem Polystyrol mit gleicher Molekularmasse;die Werte für dieses Verhältnis �0;br=�0;lin sind zusammen mit den Angaben für den Ma-kromonomeranteil wMM und den Pfropfastanteil �n;br in Tab. 5.6 zusammengefasst. DasViskositätsverhältnis �0;br=�0;lin unterscheidet sich bei den Pfropfpolymeren PS-55-2.1G-27bzw. PS-60-2.1G-27 und PS-90-1.2G-27 bzw. PS-90-1.2G-27* mit unterschiedlichem Ma-

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116 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

kromonomeranteil jeweils nur geringfügig. Bei PS-60-0.5G-55 und PS-60-0.5G-55* ist dieDi�erenz höher, liegt aber noch im Rahmen der Messgenauigkeit (Fehlerbalken sind inAbb. 5.20 aufgeführt).

Der Ein�uss eines niedermolekularen Restes wurde auch anhand linearer bimodaler Po-lystyrolmischungen mit dem radikalischen Polystyrol PS-r-95 als Matrix und einem anioni-schen, niedermolekularen Polystyrol mit Gewichtsanteilen von 10 und 20 Gew.-% überprüft.Die Molekularmassenverteilungen der bimodalen Mischungen mit niedermolekularem An-teil sind zusammen mit der Auftragung der molmassenabhängigen Nullviskositäten im An-hang (Abschnitt A.4, Abb. A.4) aufgeführt. Das niedermolekulare, engverteilte Polystyrol(PS-a-25, Mw = 26 170 g/mol, Mw/Mn = 1.05) weist ein vergleichbares Molekulargewichtund eine vergleichbare Molekulargewichtsverteilung wie der Makromonomerrest PS-MA-27auf. Die Zugabe des niedermolekularen Anteils führt zu einer Verschiebung der Nullviskosi-tät entlang der Geraden, wie sie für lineare Polystyrole und bimodale Polystyrolmischungengefunden wird, also einer Abhängigkeit der Nullviskosität vom Gewichtsmittelwert gemäÿ�0 = K �M3:4

w . Es kann daher gefolgert werden, dass der niedermolekulare Makromonomer-rest für einen Anteil bis etwa 20 Gew.-% sich bei den Pfropfpolymeren nicht signi�kant aufdas Verhältnis �0;br=�0;lin auswirkt (s. Tab. 5.6). Für die Makromonomerreste mit höherembzw. niedrigerem Molekulargewicht wird dies ebenfalls angenommen.

105 5x105103

104

105

T0 = 170 °C

PS-60-1.4G-42 PS-60-0.5G-55 PS-60-0.5G-55* PS-70-3.2G-22 PS-60-2.1G-27 PS-55-2.1G-27 PS-90-1.2G-27 PS-90-1.2G-27* PS-80-0.6G-22 PS-55-4.0G-13 PS-105-6.7G-6

Pas

g/mol

η0 = K M

w

3.4

Nul

lvis

kosi

tät η

0

Molekularmasse Mw

Abb. 5.19: Nullviskositäten der Pfropfpolystyrole als Funktion der Molekularmasse (Mw

ermittelt über Lichtstreuung). Die durchgezogene Linie entspricht der Mol-massenabhängigkeit der linearen Polystyrole aus Abb. 4.14.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 117

Tab. 5.6: Makromonomeranteil wMM , Pfropfastanteil �n;br sowie Nullviskositäten �0;br derPfropfpolymere und berechnete Nullviskositäten �0;lin von linearem Polystyrol mit gleicherMolmasse wie die Pfropfpolymere (Angaben gerundet). Kontraktionsfaktoren g' aus denintrinsischen Viskositäten in verdünnter Lösung.

Probe wMM �n;br �0;bra �0;lin

b �0;br=�0;lin g'c

[Pas] [Pas]PS-60-1.4G-42 0.17 0.49 11 600 43 100 0.27 0.78PS-60-0.5G-55 0.07 0.30 22 700 33 700 0.67 0.89PS-60-0.5G-55* 0.23 0.30 13 500 24 000 0.56 0.90PS-70-3.2G-22 0.24 0.50 5 650 40 300 0.14 0.70PS-60-2.1G-27 0.01 0.49 7 700 47 800 0.16 0.75PS-55-2.1G-27 0.12 0.51 4 650 35 200 0.13 0.71PS-90-1.2G-27 0.05 0.27 31 700 61 900 0.51 0.89PS-90-1.2G-27* 0.15 0.27 18 900 35 500 0.53 0.88PS-80-0.6G-22 0.06 0.14 16 500 22 600 0.73 0.94PS-55-4.0G-13 0.04 0.48 4 550 39 100 0.12 0.72PS-105-6.7G-6 0.01 0.28 52 200 164 000 0.32 0.78

a Bezugstemperatur: T0 = 170 ÆC.b Nullviskosität eines linearer Polystyrols gleichen Molekulargewichts wie das Pfropf-polymer. Wert berechnet mit Glg. 4.2 (Werte gerundet). Bezugstemperatur: T0 =170 ÆC.

c Verhältnis der intrinsischen Viskositäten nach Glg. 5.3 (Toluol, T = 25 ÆC). Datenvon Haug [4].

Da bei den linearen PS-Mischungen der niedermolekulare Anteil zu keiner Erniedrigungder Nullviskosität im Vergleich zu den linearen Polystyrolen führt und sich unterschiedlicheMakromonomeranteile im untersuchten Konzentrationsbereich nur gering auf die Viskosi-tätsverhältnisse auswirken, sind die Verzweigungen als Ursache für die stark reduzierteNullvikosität der Pfropfpolymere gegenüber den linearen Polystyrolen anzusehen. In Tab.5.6 sind die Kontraktionsfaktoren g', ermittelt aus dem Verhältnis der intrinsischen Vis-kositäten nach Glg. 5.3 angegeben. Ein signi�kanter Ein�uss der Makromonomerreste aufdie Kontraktionsfaktoren ist ebenfalls nicht festzustellen.

Vergleicht man den Ein�uss von Verzweigungen auf die Verringerung der Nullviskositätin der Schmelze mit der Reduktion der intrinsischen Viskositäten, so fällt auf, dass sichdie Verzweigungen bei den Pfropfpolymeren auf die Schmelzeviskositäten wesentlich stärkerauswirken als auf die Verringerung der intrinsischen Viskositäten in verdünnter Lösung. Beiden hochverzweigten Pfropfpolymeren PS-70-3.2G-22, PS-55-2.1G-27 und PS-55-4.0G-13nimmt beispielsweise die Nullviskosität um etwa das Sieben- bis Achtfache ab, die intrinsi-schen Viskositäten nur um etwa 30 %. Die Schmelzeviskosität ist im vorliegenden Fall einwesentlich emp�ndlicherer Indikator für Verzweigungen als die intrinsischen Viskositätenverdünnter Lösungen.

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118 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Auf den Ein�uss der Verzweigungsstruktur auf die Nullviskositätsänderung wird imfolgenden Abschnitt, auf den Zusammenhang zwischen Molekülkontraktion und Nullvisko-sität im darauf folgenden Abschnitt eingegangen.

Zusammenhang zwischen molekularem Aufbau und Viskositätserniedrigung

Ein Zusammenhang des molekularen Aufbaus der Pfropfpolymere mit der gegenüber linea-ren Molekülen gefundenen Viskositätserniedrigung von �0 lässt sich anhand der Viskosi-tätsverhältnisse herstellen, d.h. durch Bezug der Nullviskosität der verzweigten Polystyroleauf die der linearen Polystyrole mit gleichem Molekulargewicht.

In Abb. 5.20 sind die Viskositätsverhältnisse als Funktion des Pfropfastanteils �n;br dar-gestellt12. Der Makromonomerrest wirkt sich nur gering auf die Viskositätserniedrigung aus,wie anhand der Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55 und PS-60-0.5G-55*, PS-60-2.1G-27 undPS-55-2.1G-27 sowie PS-90-1.2G-27 und PS-90-1.2G-27* mit unterschiedlichen Makromo-nomeranteilen zu erkennen ist; die Unterschiede liegen im Rahmen des für die Bestimmungdes Gewichtsmittelwertes Mw angegebenen Vertrauensintervalls von �3%. Die Erniedri-gung der Nullviskosität durch Verzweigungen ist imWesentlichen vom Pfropfastanteil �n;br

abhängig; er ist für die Viskositätsabsenkung bedeutender als die mittlere Anzahl an Pfrop-fästen pro Molekül. Das zeigt ein Vergleich der Viskositätsverhältnisse von PS-55-2.1G-27und PS-70-3.2G-22 sowie PS-55-4.0G-13 mit unterschiedlicher mittlerer Anzahl an Pfrop-fästen pro Molekül, aber einem vergleichbaren Pfropfastanteil �n;br.

Die Viskositätsverhältnisse der Pfropfpolymere mit ähnlichen Seitenastmolekularge-wichten zwischen 2.2 und 2:8 � 104 g/mol sind in Abb. 5.20 durch eine strichlierte Linieverbunden. Die Pfropfpolymere PS-60-1.4G-42 und PS-60-0.5G-55 mit längeren Pfropfäs-ten zeigen demgegenüber eine geringere Viskositätserniedrigung, bei den PfopfpolymerenPS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 mit kürzeren Pfropfästen ist die Viskositätserniedrigungstärker ausgeprägt. Mit abnehmender Pfropfastlänge ist bei gleichem Pfropfastanteil alsodie Viskositätserniedrigung stärker ausgeprägt (s. Pfeile in Abb. 5.20).

Im vorliegenden Fall kann die Viskositätsabsenkung als ein qualitatives Maÿ für dieKnäuelkontraktion interpretiert werden (s. Diskussion im folgenden Abschnitt). Wesent-lich für das Ausmaÿ der Knäuelkontraktion und damit der Nullviskositätserniedrigung istdemzufolge der Anteil an Pfropfästen �n;br, ausgedrückt durch das Verhältnis der Zahlen-mittelwerte aller Pfropfäste zum Gesamtmolekül. Sind die Pfropfäste bei gleichem Pfropfa-stanteil �n;br länger, so ist die Molekülkontraktion und damit die Viskositätsabsenkungetwas schwächer ausgeprägt im Vergleich zu sehr vielen, aber kürzeren Pfropfästen.

Die Ergebnisse an den Pfropfpolymeren werden durch Untersuchungen von Fujimotoet al. an Fraktionen von kammförmig verzweigten Polystyrolen unterstützt: Die Autorengeben an, mit steigender Pfropfastanzahl, d.h. höherem Pfropfastanteil bei unveränderterPfropfastlänge, eine gegenüber den linearen Polystyrolen stärker erniedrigte Nullviskositätzu erhalten [103].

12 Das Viskositätsverhältnis �0;br=�0;lin ist von der Bezugstemperatur unabhängig, wenn die Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren aT nicht vom molekularen Aufbau abhängen; dies ist für die unter-suchten Pfropfpolystyrole der Fall (siehe Abschnitt 5.4.7).

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 119

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6

0.1

1

T

T

Pfeile: abnehmende Pfropfastlänge

Fehlerbalken: Mw (Pfropfpolymer) +/- 3 %

PS-60-1.4G-42 (0.49) PS-60-0.5G-55 (0.30) PS-60-0.5G-55* (0.30) PS-70-3.2G-22 (0.50) PS-60-2.1G-27 (0.49) PS-55-2.1G-27 (0.51) PS-90-1.2G-27 (0.27) PS-90-1.2G-27* (0.27) PS-80-0.6G-22 (0.14) PS-55-4.0G-13 (0.48) PS-105-6.7G-6 (0.28)

Vis

kosi

täts

verh

ältn

is η

0,br/ η

0,lin

Pfropfastanteil Φn,br

Abb. 5.20: Viskositätsverhältnis als Funktion des Pfropfastanteils �n;br (Bezugs-temperatur: T0 = 170 ÆC). Fehlerbalken aus einem Vertrauensintervall der Gewichtsmit-telwerte Mw von � 3 %. Die punktierte Linie verbindet Pfropfpolymere mit ähnlichenPfropfastmolekulargewichten Mw;br zwischen 2.2 und 2.8�104 g/mol. Die Pfeile deutenPfropfpolymere mit vergleichbarem Pfropfastanteil, aber abnehmender Seitenastlänge an.Zahlen in Klammern: Pfropfastanteil �n;br.

Vergleich mit stern- und kammförmigen Polystyrolen

Da die molekulare Struktur der Pfropfpolymere bei geringer mittlerer Pfropfastzahl mitSternpolymeren und bei gröÿerer Pfropfastzahl mit Kammpolymeren zu vergleichen ist,wird nachfolgend eine Gegenüberstellung mit Literaturdaten an stern- und kammförmigenPolystyrolen vorgenommen.

Verschiedene Literaturangaben zeigen, dass die Nullviskosität von sternförmig verzweig-ten Polymeren mit steigendem Molekulargewicht Ma der Seitenäste und damit der Anzahlan Verschlaufungen ne;a = Ma=Me pro Seitenarm exponentiell zunimmt, wenn die Funk-tionalität f des Verzweigungszentrums gleich bleibt. Dies belegen experimentelle Befundean Sternpolymeren unterschiedlicher Funktionalität und Molekularmassen, beispielsweisevon sternförmig verzweigten Polystyrolen [51] und sternförmigen Polyisoprenen [59, 129].

Für die Abhängigkeit der Nullviskosität vom Molekulargewicht wird für sternfömigePolymere ein exponentieller Zusammenhang angegeben [95, 101, 130, 97]:

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120 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

104 105 106 107102

103

104

105

106

107

108

g/mol

1[Graessley & Roovers (1979)]2[Roovers & Graessley (1981)]

PfropfpolystyroleT = 169.5 °C

lineares PS1,2

4-Arm Stern1

6-Arm Stern1

Kamm (p 30)2

3.4

Nul

lvis

kosi

tätη

0

Pas

Molekularmasse Mw

Abb. 5.21: Vergleich der Molmassenabhängigkeit der Nullviskositäten der in dieser Ar-beit untersuchten Pfropfpolymere mit Literaturdaten von sternförmig [51] undkammförmig [105] verzweigten Polystyrolen.

�0 /

�Ma

Me

�b

exp

�� 0Ma

Me

�= nbe;a exp(�

0ne;a) (5.13)

Der Exponent b und der exponentielle Vorfaktor � 0 sind Konstanten, wobei für die Kon-stante b ein Wert zwischen 0.5 und 2 angegeben wird und � 0 bei etwa 0.6 liegt [59, 97, 130].Die entscheidende Gröÿe für die Molmassenabhängigkeit der Nullviskosität von Sternpo-lymeren ist also der Verschlaufungsgrad der Seitenäste, ausgedrückt durch die Verschlau-fungszahl ne;a.

Abb. 5.21 zeigt in einer Gegenüberstellung die Nullviskositäten der in dieser Arbeituntersuchten Pfropfpolymere13 und Literaturdaten an 3- und 4-armigen Polystyrolsternenvon Graessley und Roovers [51] sowie von Kammpolymeren mit etwa 30 Seitenästenpro Molekül von Roovers und Graessley [105]. Bei den Sternpolymeren ist im Bereichniedriger Molekularmassen die Nullviskosität geringer als die der linearen Moleküle; bei hö-heren Molmassen steigt die Nullviskosität aufgrund der exponentiellen Abhängigkeit vomMolekulargewicht (Glg. 5.13) stärker an als für lineare Polystyrole.

13 Die Nullviskositäten wurden mit den in Abschnitt 5.4.7 angegebenen Verschiebungsfaktoren auf T =169.5 ÆC umgerechnet.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 121

Erst bei sehr hohen Molekularmassen, die für das 4-armige sternförmige Polystyrol imBereich von 106 g/mol liegen, wird eine zu linearen Polystyrolen vergleichbare Nullviskosi-tät erreicht.

Für die 4-armigen Polystyrole liegen beim Schnittpunkt zwischen den sternförmigenund linearen Polystyrolen etwa 14 Verschlaufungen pro Seitenast vor. Durch den Ver-gleich zwischen dem 4- und 6-Arm-Polystyrol ist zu erkennen, dass sich bei einer höherenFunktionalität des Sternpolymers die Nullviskositäten bei gleichem Molekulargewicht zugeringeren Werten verschieben. Die Nullviskositäten der von Roovers und Graessleyuntersuchten kammförmig verzweigten Polystyrole sind ebenfalls geringer als die linearerPolystyrole vergleichbarer Molmasse (Abb. 5.21). Die Untersuchungen von Fujimoto et al.an Polystyrolkämmen bestätigen diesen Befund [103]. Auch bei statistisch verzweigten Po-lystyrolen �nden Ferri und Lomellini eine reduzierte Nullviskosität gegenüber linearenPolystyrolen [131]. Überträgt man die Ergebnisse der Molmassenabhängigkeit der Nullvis-kosität von Sternpolymeren auf die Pfropfpolymere, dann lässt sich folgern, dass sowohlder geringe Verschlaufungsgrad der Pfropfpolymere als auch eine erhöhte Pfropfastzahl zueiner verringerten Nullviskosität gegenüber den linearen Polystyrolen beitragen können.Eine weitergehende Diskussion folgt im nächsten Abschnitt.

Viskositätsabsenkung und Knäuelkontraktion

Die bei kleinen Molmassen geringere Nullviskosität wird bei verzweigten Molekülen auf dieMolekülkontraktion - analog wie bei den Eigenschaften in verdünnter Lösung - zurückge-führt (z.B. [9], [105]). Im Gegensatz zu Untersuchungen des Ein�usses von Verzweigungenauf die Molekülkontraktion und den damit verbundenen Eigenschaften verdünnter Lösun-gen existiert für die Viskositäten der Schmelze keine allgemein gültige theoretische Aus-arbeitung, welche die Reduktion der Nullviskosität von verzweigten Molekülen gegenüberlinearen Molekülen mit der Verzweigungsstruktur korreliert.

Eine Möglichkeit, den E�ekt der Molekülkontraktion auf die Nullviskosität zu berück-sichtigen, ist der Bezug der Nullviskositäten auf eine Gröÿe, welche die Knäueldimen-sionen widerspiegelt. Üblicherweise wird hierfür die intrinsische Viskosität unter Theta-Bedingungen herangezogen, da anhand experimenteller Befunde an verschiedenen amor-phen Polymeren gezeigt werden konnte, dass Gestalt und Ausdehnung amorpher Polymererin der Schmelze die gleichen sind wie in Theta-Lösung [1].

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Pfropfpolymere in einem guten Lösungsmittel un-tersucht14. Rochefort et al. berücksichtigen die Knäuelkontraktion von sternförmigemPolybutadien ebenfalls durch Bezug der Nullviskositäten auf die intrinsischen Viskositätenvon PBD in einem guten Lösungsmittel15 [132].

Um den Ein�uss der Molekülkontraktion auf die Nullviskosität zu berücksichtigen, sindin Abb. 5.22 die Nullviskositäten als Funktion der intrinsischen Viskositäten aufgetragen.

14 Der Mark-Houwink-Parameter a für das System Toluol/PS (T = 25 ÆC) wurde von Haug zu 0.7096bestimmt [4].

15 Für den Mark-Houwink-Parameter a des Systems PDBD/THF (T = 25 ÆC) wird von den Autorenein Wert von 0.75 angegeben [132].

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122 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

101 102

104

105

Fehlerbalken: +/- 5 %

Pas

ml/g

η0 = K' [η]

3.4/a

PS-60-1.4G-42 PS-60-0.5G-55 PS-60-0.5G-55* PS-70-3.2G-22 PS-60-2.1G-27 PS-55-2.1G-27 PS-90-1.2G-27 PS-90-1.2G-27* PS-80-0.6G-22 PS-55-4.0G-13 PS-105-6.7G-6 PS-r-95 PS-Mischungen

Nul

lvis

kosi

tät η

0

Intrinsische Viskosität [η]

Abb. 5.22: Berücksichtigung der Molekülkontraktion durch Verzweigungen über den Be-zug der Nullviskositäten (Bezugstemperatur: T0 = 170 ÆC) auf die intrinsischen Viskositä-ten (Lösungsmittel: Toluol, T = 25 ÆC; Daten von Haug [4]). O�ene Kreise (Æ): linearebimodale PS-Mischungen; v.l.n.r.: PS-r-95/PS-a-25 (80/20), PS-r-95/PS-a-25 (90/10), PS-r-95/PS-a-600 (99/1), PS-r-95/PS-a-600 (95/5). Fehlerbalken: �5%. Durchgezogene Linie:Glg. 5.14.

Die durchgezogene Linie bezeichnet die Funktionaliät �0 = f([�]) für lineare Poly-styrole, ermittelt aus der Molmassenabhängigkeit der Nullviskosität (Glg. 4.2) und derMark-Houwink-Beziehung16 (Glg. 5.2):

�0 = K �M3:4w = K

�[�]

Kw

� 3:4

a

= K 0[�]3:4

a (5.14)

Im Rahmen des angegeben Vertrauensbereiches der intrinsischen Viskositäten von� 5 % kommen alle Pfropfpolymere im Bereich der linearen Beziehung für die unverzweig-ten Polystyrole zu liegen. Die niedrigere Nullviskosität der Polystyrole korreliert demnachmit einer Erniedrigung der intrinsischen Viskositäten, welche einer Molekülkontraktion zu-geschrieben wird.

16 Angaben der Mark-Houwink Parameter von Haug: Kw = 12:68 � 10�3 ml/g und a = 0.7096 [4].

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 123

Die hier gefundenen Zusammenhänge werden auch für sternförmige und H-förmige Poly-styrole in der Literatur angegeben. Diese Modellpolymeren zeigen bei niedrigen Molmasseneinen Verlauf, der dem der linearen Spezies entspricht.

Erst bei sehr hohen Molekularmassen über 2 � 105 g/mol ist die Nullviskosität in einerDarstellung gemäÿ Abb. 5.22 gegenüber den linearen Polystyrolen erhöht. Diese sog. Vis-kositätserhöhung (`enhancement') wird mit einer Verhinderung der Relaxation (Reptation)aufgrund des Vorliegens sehr langer Seitenketten in Zusammenhang gebracht [125, 129].

Roovers stellt die experimentellen Ergebnisse der Viskositätserhöhung von stern- undH-förmig verzweigten Modellpolymeren als Funktion der Verschlaufungszahl � ausgedrücktdurch das VerhältnisMbr=Me � in [125] zusammen. Eine Viskositätserhöhung wird erst nachÜberschreiten einer kritischen Anzahl an Verschlaufungen der Seitenäste gefunden; sie liegtfür die H-förmigen Polymere bei zwei Verschlaufungen, für die Sternpolymere bei vier bisfünf Verschlaufungen pro Seitenarm. Der Wert für die kritische Verschlaufungsanzahl ist da-bei für Sternpolymere von der Funktionalität unabhängig [125]. Eine Viskositätserhöhungin einer Darstellung nach Abb. 5.22 wird im Bereich hoher Molekularmassen beispielsweiseauch von Graessley et al. für sternförmig verzweigte Polyisoprene [129] und von Ro-chefort et al. für sternförmige Polybutadiene angegeben [132].

Die in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere sind nicht sehr stark verschlauft. Soweisen die längsten Seitenäste (PS-60-0.5G-55) beispielsweise ein VerhältnisMw;br=Me vonetwa drei auf. Überträgt man die Literaturergebnisse auf die Abhängigkeit �0 = f([�])der in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere, so lässt sich folgern, dass die Seitenästeder Kammpolymere nicht ausreichend verschlauft sind, damit sich in der auf die intrin-sischen Viskosität bezogenen Darstellung die Verzweigungen zu einer gegenüber linearenPolystyrolen erhöhten Nullviskosität bemerkbar machen.

5.4.6. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten

Bei vielen Schmelzen verzweigter Polymere �ndet sich eine erhöhte Elastizität gegenüberder Spezies ohne Langkettenverzweigungen, z.B. bei Polyethylenen [73, 88]. Der Ein�ussdes molekularen Aufbaus auf die elastischen Eigenschaften der Pfropfpolymere wird nach-folgend anhand der Gleichgewichtsnachgiebigkeit J0

e beleuchtet.

Abb. 5.23 zeigt die Masterkurven der Speichernachgiebigkeiten J 0(!aT ), ermittelt ausden dynamischen Daten mittels Glg. 3.23. Da bei den untersuchten Pfropolymeren derNewtonsche Bereich erreicht wird, kann aus dem niederfrequenten Bereich der Speicher-nachgiebigkeit J 0 die Gleichgewichtsnachgiebigkeit J0

e ermittelt werden17. Abb. 5.24 zeigtdie Gleichgewichtsnachgiebigkeiten der Pfropfpolymere als Funktion des Pfropfastanteils�n;br. Um den Ein�uss der Polydispersität auf die elastischen Eigenschaften zu zeigen, sindin Abb. 5.24 auch die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten von anionischen Polystyrolen aufge-tragen.

17 Die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten sind in Tab. A.5 im Anhang zusammengefasst und in Abb. 5.23mit strichlierten Linien angedeutet.

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124 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-3

10-2

10-1

100

101

102

10-6

10-5

10-4

Bereich

von Je

0 für

alle untersuchtenPfropfpolymere

T0 = 170 °CT

0 = 170 °C

PS-r-95 PS-60-0.5G-55 PS-60-1.4G-42

T0 = 170 °C

Spe

iche

rnac

hgie

bigk

eit J

'( ωa T

)

Pa

10-3

10-2

10-1

100

101

102

103rad/s rad/s

PS-70-3.2G-22 PS-90-1.2G-27 PS-80-0.6G-22

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

10-3

10-2

10-1

100

101

102

103

PS-105-6.7G-6 PS-55-4.0G-13

rad/s rad/s

Abb. 5.23: Speichernachgiebigkeiten J 0 (Masterkurven) der Pfropfpolystyrole bei Kreisfre-quenzen ! � 103 rad/s. Auswahl an Pfropfpolymeren mit sinkender Pfropfastlänge (vonlinks nach rechts) und jeweils unterschiedlicher Pfropfastanzahl. Plateauwerte für J 0, dieJ0e entsprechen, sind strichliert angedeutet. In der linken Abbildung ist der Bereich derermittelten Gleichgewichtsnachgiebigkeiten für sämtliche untersuchten Pfropfpolymere an-gegeben.

Bei den untersuchten Pfropfpolymeren PS-60-0.5G-55 bzw. PS-60-0.5G-55*, PS-90-1.2G-27 bzw. PS-90-1.2G-27* und PS-55-2.1G-27 bzw. PS-60-2.1G-27 mit jeweils unter-schiedlichem Anteil an niedermolekularem Makromonomerrest zeigen sich nur geringfügi-ge Unterschiede in der Gleichgewichtsnachgiebigkeit, die im Rahmen der Messgenauigkeitliegen (Abb. 5.24). Der Ein�uss der Makromonomerreste mit Gewichtsmittelwerten von58 300 g/mol und 28 650 g/mol auf die elastischen Eigenschaften der Pfropfpolystyroleist somit gering. Für die Makromonomeranteile mit wesentlich geringerer Molekularmassebei den Pfropfpolymeren PS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 wird angenommen, dass ihrEin�uss auf die Gleichgewichtsnachgiebigkeit ebenfalls zu vernachlässigen ist, da der Ge-wichtsanteil der Makromonomere mit 4 bzw. 1 Gew.-% sehr klein ist.

Der geringe Ein�uss der niedermolekularen Makromonomerreste bei den untersuchtenPfropfpolymeren wird unterstützt durch Literaturangaben von Untersuchungen an bimoda-len Mischungen aus engverteilten linearen Polystyrolen, bei denen sich durch Zugabe einerniedermolekularen Komponente zu einer hochmolekularen Matrix die Gleichgewichtsnach-giebigkeit als Funktion des Massenanteils an niedermolekularer Komponente nur geringfü-gig ändert ([34], [133]).

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 125

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8

10-5

10-4PS-r-95

anionisches PS (Lit.)

anion. PS-a-170

PS-70-3.2G-22 PS-60-1.4G-42 PS-60-2.1G-27 PS-60-0.5G-55 PS-55-2.1G-27 PS-60-0.5G-55* PS-90-1.2G-27 PS-55-4.0G-13 PS-90-1.2G-27* PS-105-6.7G-6 PS-80-0.6G-22

Pa-1

Gle

ichg

ewic

htsn

achg

iebi

gkei

t Je0

Pfropfastanteil Φn,br

Abb. 5.24: Abhängigkeit der Gleichgewichtsnachgiebigkeit vom Pfropfastanteil. Bezugs-temperatur: T0 = 170 ÆC. Angaben für engverteilte, anionische Polystyrole:Literaturdaten (`a) [30, 51] und eigene Messungen an PS-a-170 (�).

Bei den untersuchten Pfropfpolymeren führen Verzweigungen nicht in allen Fällen zueiner Zunahme der Gleichgewichtsnachgiebigkeit, also höheren elastischen Eigenschaften,gegenüber dem linearen PS-r-95 ähnlicher Polydispersität. Die Gleichgewichtsnachgiebig-keiten der Pfropfpolymere PS-60-1.4G-42 und PS-60-2.1G-27 sind mit den Werten deslinearen Polystyrols PS-r-95 vergleichbar. Die höchste Gleichgewichtsnachgiebigkeit desgegenüber den anderen Pfropfpolymeren hochmolekulareren Kammes PS-105-6.7G-6 mitsehr kurzen Verzweigungen ist lediglich um den Faktor 1.8 gegenüber J0

e von PS-r-95 erhöht.

Eine breitere Molmassenverteilung beein�usst die Schmelzeelastizität der Pfropfpoly-meren wesentlich mehr als das Vorhandensein von Verzweigungen; dies wird deutlich imVergleich zwischen der Gleichgewichtsnachgiebigkeit des anionischen, engverteilten Poly-styrols PS-a-170 (J0

e = 1.36�10�5 Pa�1; Polydispersität: Mw/Mn = 1.09) und dem etwavier mal höheren Wert für J0

e des radikalisch synthetisierten, breiter verteilten PS-r-95 (J0e

= 7�10�5 Pa�1; Mw/Mn = 1.7), beide dargestellt in Abb. 5.24.

Die geringen Unterschiede in der Elastizität können wiederum anhand eines Vergleichsmit Polystyrol-Modellpolymeren unterschiedlicher Topologie interpretiert werden. In Abb.5.25 sind neben den in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolystyrolen Literaturwerte derGleichgewichtsnachgiebigkeiten von H-förmigen, sternförmigen sowie kammförmigen Poly-styrolen eingetragen.

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126 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

105 106

10-5

10-4 C

B

A

H-förmiges PS (p = 2)2

1[Graessely & Roovers (1979)]

2[Roovers (1984)]

3[Roovers & Graessley (1981)]

lineares anion. PS1, 3

Pfropfpolystyrole

Kamm-PS (p = 30)3

4-Arm PS-Stern1

PS-r-95

g/mol

Pa-1

Gle

ichg

ewic

htsn

achg

iebi

gkei

t Je0

Molekularmasse Mw

Abb. 5.25: Abhängigkeit der Gleichgewichtsnachgiebigkeit vom Gewichtsmittelwert derMolekularmasse. Literaturdaten engverteilter, anionischer Polystyrole, Sternpolystyrole,Kammpolystyrole und H-Polystyrole [51, 105, 125]. Bezugstemperatur der Literaturdaten:T = 169.5 ÆC. Auf die Punkte A, B und C wird im Text eingegangen.

Die sternförmigen Polystyrole (p=1) bilden ein Modell für die in dieser Arbeit un-tersuchten gering verzweigten Pfropfpolymere, ebenso wie die H-förmigen Polystyrole mitzwei Verzweigungen pro Molekül. Ebenfalls gezeigt sind die Kammpolystyrole von Roo-vers und Graessley mit etwa 30 Pfropfästen pro Molekül.

Die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten der dargestellten linearen, anionischen Polystyrolesind im untersuchten Molmassenbereich oberhalb von 105 g/mol nahezu unabhängig vomMolekulargewicht und zeigen wie das anionische PS-a-170 eine Gleichgewichtsnachgiebig-keit von etwa 1:2 � 10�5 Pa�1 (Abb. 5.25). Die Gleichgewichtsnachgiebigkeit der 4-armigenSternpolymere nimmt in guter Näherung proportional mit der Molekularmasse zu (Abb.5.25). Diese Funktionalität wird � ähnlich wie bei den Nullviskositäten � mit der Anzahlan Verschlaufungen pro Seitenarm ne;a = Ma=Me in Zusammenhang gebracht [130]:

J0e = � 0

Ma

Me

1

G0N

= � 0ne;a1

G0N

(5.15)

Glg. 5.15 wurde von Pearson und Helfand anhand eines Vergleiches experimentel-ler Daten verschiedener Sternpolymerer aus Polybutadien, Polyisopren und Polystyrol mitunterschiedlichen Funktionalitäten validiert; der Vorfaktor � 0 wird mit 0.6 angegeben [130].

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 127

Der Plateaumodul G0N und damit die Verschlaufungsmolmasse Me (Glg. 5.1) ist für

verzweigte Polystyrole mit stern- sowie kammförmiger Topologie vergleichbar mit demWertfür lineare Polystyrole [51, 105]. Die für sternförmige Polymere gültige Glg. 5.15 ergibt einelineare Abhängigkeit der Gleichgewichtsnachgiebigkeit von der Anzahl an Verschlaufungenpro Seitenarm.

Anhand der Gleichgewichtsnachgiebigkeit der Polystyrolsterne ist zu erkennen, dass beiausreichend verschlauften Seitenarmen, die anhand der Ergebnisse von Graessely undRoovers für das 4-armige Sternpolystyrol zu etwa elf Verschlaufungen pro Molekül bzw.drei pro Seitenarm abgeschätzt werden kann [51], eine Zunahme der Elastizität gegenüberlinearem, engverteiltem Polystyrol festzustellen ist (Abb. 5.25).

Ein ähnliches Bild ergeben die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten von H-förmigen Polysty-rolen, die als Spezialfall eines Pfropfpolymers mit zwei Pfropfästen oder � nach Roovers� als Kammpolymer mit gleich langen Pfropfästen angesehen werden können [134] (s. auchAbb. 5.38). Die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten der H-Polystyrole sind als Funktion desMolekulargewichtes in Abb. 5.25 eingetragen. Die H-Polystyrole sind gleichförmig aufge-baut, d.h. die Brücke zwischen den zwei Verzweigungspunkten (p=2) hat dieselbe Moleku-larmasse wie die vier Seitenäste; Seitenäste und Brücke sowie das hieraus aufgebaute H-Polymer sind engverteilt (anionische Polymerisation) [120, 125]. Die Molekulargewichte derSeitenäste (Ma) und der Brücke nehmen bei den in Abb. 5.25 dargestellten H-Polystyrolenvon links nach rechts mit steigender Molekularmasse zu. Bei Punkt A ist das Rückgrat,welches sich aus zwei Seitenästen und der Brücke zwischen den beiden Verzweigungspunk-ten bildet, sehr hochmolekular mit Mn;bb = 3Ma = 309 000 g/mol [120]. Die Seitenästesind mit Ma = 109 000 g/mol wesentlich höhermolekularer als die längsten Seitenäste derin dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere.

Auch Literaturdaten engverteilter, kammförmige Polystyrole mit etwa 30 Seitenästenergeben qualitativ das gleiche Bild: In Abb. 5.25 sind Kammpolystyrole mit konstantemRückgratmolekulargewicht (Mbb = 275 000 g/mol), aber unterschiedlicher Pfropfastlän-ge eingetragen. Die Gleichgewichtsnachgiebigkeit nimmt mit steigendem Molekulargewichtder Seitenäste zu. Selbst engverteilte Kammpolymere mit Seitenästen unterhalb oder nahedes Verschlaufungsmolekulargewichtes zeigen gegenüber linearem engverteiltem Polystyroleine deutlich erhöhte Gleichgewichtsnachgiebigkeit: Das Kammpolymer bei Punkt B hatein Seitenast-Molekulargewicht von lediglichMn;br = 11 700 g/mol, jenes bei Punkt C einesvon Mn;br = 25 700 g/mol [105].

Anhand der Literaturergebnisse an H-förmigen Polystyrolen bleibt festzuhalten, dassbei den dargestellten Beispielen eine gegenüber linearem, engverteiltem Polystyrol redu-zierte Gleichgewichtsnachgiebigkeit, wie sie bei schwach verschlauften sternförmigen Poly-styrolen gefunden wird, nicht auftritt. Weiterhin nimmt sowohl bei H- als auch bei kamm-förmigen Polystyrolen die Elastizität mit der Pfropfastlänge zu.

Bei den in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolystyrolen zeigt sich demgegenüber keinewesentliche Zunahme der Gleichgewichtsnachgiebigkeit mit erhöhtem Pfropfastanteil (Abb.5.24). Anhand des Vergleichs mit den engverteilten Modellpolymeren können dafür vermut-lich zwei Gründe in Frage kommen: Entweder erhöhen die Verzweigungen die Elastizitätnicht mehr signi�kant, da bereits die Polydispersität der Molmassenverteilung zu einer ge-

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128 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

genüber den engverteilten Polystyrolen erhöhten Elastizität führt oder aber die Zahl anVerschlaufungen ist nicht hoch genug, um einen Anstieg der elastischen Eigenschaften überdas Niveau, welches durch die erhöhte Polydispersität verursacht wird, zu erreichen.

Zum anderen sind die Pfropfpolymere aufgrund ihrer gegenüber den anderen dargestell-ten Modellpolymeren geringen Molekularmasse insgesamt nur wenig verschlauft (etwa achtVerschlaufungen pro Molekül18). Die engverteilten Modellpolymere, welche gegenüber demlinearen PS-r-95 eine ähnliche Gleichgewichtsnachgiebigkeit zeigen, besitzen zum einen we-sentlich längere Pfropfäste (H-förmiges PS, Punkt A) oder eine wesentlich höhere Anzahlan Pfropfästen pro Molekül (Kammpolystyrol, Punkt C). Aufgrund ihres höheren Moleku-largewichts weisen diese Polystyrole zudem einen wesentlich höheren Verschlaufungsgradauf, der für das H-Polymer am Punkt A bei rund 20, für das Kammpolymer bei Punkt Bbei rund 50 Verschlaufungen pro Molekül liegt.

Die elastischen Eigenschaften der untersuchten Pfropfpolystyrole werden demnach vorallem durch ihre Polydispersität bestimmt, während die Verzweigungsstruktur keinen si-gni�kanten Ein�uss auf die Gleichgewichtsnachgiebigkeit hat.

5.4.7. Zeit-Temperatur-Verschiebung

Abb. 5.26 zeigt die aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung der dynamischen Moduln erhal-tenen Verschiebungsfaktoren aT (T; T0) als Funktion der Temperaturdi�erenz zur Bezugs-temperatur. Die Temperaturabhängigkeit der Verschiebungsfaktoren kann im untersuchtenTemperaturfenster über eine WLF-Beziehung beschrieben werden.

Bei unterschiedlichem Makromonomergehalt wMM ergeben sich vergleichbare Verschie-bungsfaktoren der Pfropfpolymere (s. Tab. A.3 im Anhang). Die Temperaturabhängigkeitder dynamischen Daten ist im untersuchten Temperaturfenster im Rahmen der Messge-nauigkeit unabhängig von der Pfropfastlänge und der Pfropfastanzahl. Die Mittelwerte derVerschiebungsfaktoren sämtlicher Pfropfpolystyrole ergeben sich zu c1 = 5:47 und c2 = 119K. Diese Werte sind nahezu identisch mit den WLF-Parametern für die linearen Polysty-rolmischungen, die in Abschnitt 4.3.6 mit c1 = 5.41 und c2 = 116.8 K angegeben sind.

Die Temperaturabhängigkeit unterschiedlicher in der Literatur zitierter Modellpolysty-role unterscheidet sich ebenfalls nicht von der linearer Polystyrole: Bei den von Graessleyund Roovers untersuchten sternförmig verzweigten Polystyrolen mit vier und sechs Ar-men wurde keine Abhängigkeit der aus Zeit-Temperatur-Verschiebung im Bereich von T =140 ÆC bis 200 ÆC ermittelten Verschiebungsfaktoren gefunden; die Verschiebungsfaktorensind mit denen von linearen Polystyrolen identisch [51]. Zu denselben Ergebnissen kommendiese Autoren auch bei kammförmig verzweigten Polystyrolen, die im Temperaturbereichvon 140 bis 220 ÆC untersucht wurden [105]. Bei H-Polystyrolen gibt Roovers für den un-tersuchten Temperaturbereich zwischen 140 und 250 ÆC identische Verschiebungsfaktorenim Vergleich zu linearen und sternförmigen Polystyrolen an [125].

Der Ein�uss der Verzweigungen der Pfropfpolystyrole auf die Temperaturabhängigkeitist also mit Literaturangaben anderer verzweigter Modellpolymerer konsistent. Der Ein�uss18 Zugrunde gelegt: Mw = 150 000 g/mol, Me = 18 100 g/mol

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 129

-30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 6010-2

10-1

100

101

102

103

K

WLFc

1= 5.47

c2

= 119 K

T0

= 170 °C PS-60-1.4G-42PS-60-0.5G-55PS-70-3.2G-22PS-60-2.1G-27PS-90-1.2G-27PS-80-0.6G-22PS-55-4.0G-13PS-105-6.7G-6PS-r-95

Ver

schi

ebun

gsfa

ktor

a T(T

,T0)

Temperaturdifferenz T-T0

Abb. 5.26: Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren aT des linearen PS-r-95 (aus Abb.4.15) sowie der Pfropfpolymere bei einer Bezugstemperatur von T0 = 170 ÆC.Die Linie bezeichnet die WLF-Beziehung (Glg. 3.44) mit den angegebenenParametern.

von Verzweigungen bei den im festen Zustand amorphen Polystyrolen unterscheidet sich imVergleich zu dem Ein�uss von Langkettenverzweigungen auf die Temperaturabhängigkeitvon Schmelzen teilkristalliner Thermoplaste. Bei langkettenverzweigten Polyethylenen �n-det sich beispielsweise ein deutlicher Anstieg der Flieÿaktivierungsenergie mit steigendemVerzweigungsgrad (z.B. [88], [127]).

Die Unabhängigkeit der Temperaturabhängigkeit von der Verzweigungsstruktur für Po-lystyrol ist damit zu erklären, dass bei amorphen Thermoplasten nahe dem Glasübergangder Ein�uss des freien Volumens auf die Temperaturabhängigkeit dominiert [30]. Bei we-sentlich höheren Temperaturen als die Glasübergangstemperatur wird die Temperaturab-hängigkeit der Schmelze nicht mehr durch die Verfügbarkeit des freien Volumens domi-niert, und das WLF-Verhalten der Verschiebungsfaktoren von amorphen Thermoplastengeht in ein Arrhenius-Verhalten über [9, 135]. Der Temperaturbereich, bei dem ange-nommen wird, dass der Ein�uss des freien Volumens auf die Temperaturabhängigkeit anBedeutung verliert, liegt demnach über etwa 285 ÆC und damit oberhalb der Grenze derthermischen Stabilität selbst stabilisierter Polystyrole19. Eine Überprüfung des Ein�ussesder Pfropfastdichte auf die �wahren� Aktivierungsenergien, wie es bei teilkristallinen Ther-moplasten aufgrund ihrer niedrigen Glasübergangstemperaturen gelingt, ist damit bei denverzweigten Polystyrolen nicht möglich.

19 Im Rahmen dieser Arbeit wurde die thermische Stabilität von Polystyrolen bis 260 ÆC untersucht; sienimmt mit steigender Temperatur über 220 ÆC drastisch ab.

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130 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

0.1 1 7101

102

103

104

105

G(t,γ)

G(t,γ) / h(γ) x 10

G(t) aus dyn. Daten

Deformation γ (von oben nach unten): 0.1 1.0/1.5/2.0/2.5/3.0/3.5/4.0 4.5

s

Pa PS-90-1.2G-27* T = 180 °C

Rel

axat

ions

mod

ul G

(t, γ

),

bezo

gene

r R

elax

atio

nsm

odul

G(t

, γ)

/ h( γ

)

Zeit t

Abb. 5.27: Relaxationsmoduln G(t; ) von niedrig verzweigtem PS-90-1.2G-27�. Mit Fak-tor 10 vertikal verschoben: Auf den linear-viskoelastischen Modul G(t) bezogene WerteG(t; )=h( ). Vergleich mit G(t), ermittelt anhand der dynamischen Daten aus dem Relax-ationszeitspektrum (Glg. 3.30) bei T = 180 ÆC (��).

Die auf eine Heizrate von � = 0 extrapolierten Glasübergangstemperaturen der ver-zweigten Polystyrole liegen zwischen 96.5 und 100.0 ÆC (s. Anhang, Tab. A.3). Ein erhöh-ter Gewichtsanteil an niedermolekularem Makromonomerrest führt zu einer geringfügigenErniedrigung der Glasübergangstemperaturen, was zurückzuführen ist auf das durch dieEndgruppen der kurzen Polymerketten eingebrachte zusätzliche freie Volumen [30]. Be-rücksichtigt man diesen Ein�uss, und vergleicht die Glastemperaturen der Pfropfpolymeremit geringem Makromonomeranteil, für die Tg zwischen 98 und 100 ÆC liegt, so ergebensich im Rahmen der Messgenauigkeit keine signi�kanten Unterschiede zwischen den Glas-übergangstemperaturen linearer Polystyrole (s. Anhang, Tab. A.3.1) und denen der hieruntersuchten Pfropfpolystyrole. Die durch die Verzweigungen eingebrachten zusätzlichenEndgruppen der Seitenketten wirken sich demnach nicht signi�kant auf eine Erniedrigungder Glastemperaturen aus. Ein Ein�uss der Verzweigungen auf das freie Volumen ist dem-nach nicht festzustellen.

5.4.8. Spannungsrelaxationsversuche

Die Spannungsrelaxationsversuche wurden wie bei den linearen Polystyrolen durchgeführt;die Methodik ist in Abschnitt 3.2.2 aufgeführt. Exemplarisch sind die Spannungsrelaxati-onsmoduln für ein niedrig verzweigtes Pfropfpolymer (PS-90-1.2G-27) in Abb. 5.27 darge-stellt.

Im experimentell zugänglichen Zeitbereich lassen sich für beide Pfropfpolymere die de-formationsabhängigen Moduln über den Faktor h( ) zu einer Kurve zusammenschieben.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 131

0 1 2 3 4 50.2

0.5

1 T [°C]:

180 200

PS-90-1.2G-27*

Däm

pfun

gsfu

nktio

n h(

γ)

Deformation γ

0 1 2 3 4 5

T [°C]: 180 190

Deformation γ

0 1 2 3 4 5

PS-105-6.7G-6

T [°C]: 190 200 210

PS-80-0.6G-22

Deformation γ

Abb. 5.28: Ein�uss der Messtemperatur auf die Deformationsabhängigkeit der Scher-Dämpfungsfunktion.

Die verschobenen Relaxationsmoduln G(t, )/h( ) sind in Abb. 5.27 mit dem Faktor 10vertikal verschoben dargestellt. Der aus dem Relaxationszeitspektrum berechnete linear-viskoelastische Relaxationsmodul G(t) stimmt für beide Pfropfpolymere bei Relaxations-zeiten von t > 0.3 s sehr gut mit dem gemessenen Relaxationsmodul bei = 0.1 überein(Abb. 5.27).

Bei allen anderen Pfropfpolymeren ist ebenso eine Verschiebung der deformationsab-hängigen Relaxationsmoduln G(t; ) auf den linear-viskoelastischen Modul G(t) im expe-rimentell zugänglichen Zeitbereich möglich. Die Zeit-Deformations-Separabilität nach Glg.3.36 ist demnach im untersuchten Temperaturfenster für alle Pfropfpolymere erfüllt.

Ein�uss der Messtemperatur

Der Ein�uss der Messtemperatur auf die Dämpfungsfunktionen in Scherung zeigt Abb.5.28 anhand einer Auswahl dreier Pfropfpolymere. Im Rahmen der Messgenauigkeit er-geben sich für die Dämpfungsfunktionen, die aus den Relaxationsmoduln zwischen 180und 210 ÆC ermittelt wurden, nahezu identische Werte. Die Separabilität in einen zeit-und einen deformationsabhängigen Term nach Glg. 3.36 ist damit für die in Abb. 5.28dargestellten Polystyrole in dem entsprechend der Messtemperatur experimentell zugäng-lichen Zeitbereich erfüllt. Generell wird davon ausgegangen, dass bei Vorliegen einer Zeit-Deformations-Separabilität die Dämpfungsfunktion unabhängig von der Messtemperaturist (z.B. [27]).

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132 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

0 1 2 3 4 50.3

1

PS-60-0.5G-55 (w

MM = 0.07, T = 190 °C)

PS-60-0.5G-55* (w

MM = 0.23, T = 180 °C)

Däm

pfun

gsfu

nktio

n h(

γ)

Deformation γ

0 1 2 3 4 5

PS-60-2.1G-27 (w

MM = 0.01, T = 190 °C)

PS-55-2.1G-27 (w

MM = 0.12, T = 180 °C)

Deformation γ

Abb. 5.29: Ein�uss des niedermolekularen Makromonomeranteils wMM auf die Scher-Dämpfungsfunktion für zwei unterschiedliche Molekulargewichte der Makromonomeren:Mw;MM = 58 300 g/mol (PS-60-0.5G-55/PS-60-0.5G-55*) bzw. Mw;MM = 28 650 g/mol(PS-60-2.1G-27/PS-55-2.1G-27).

Ein�uss des Makromonomeranteils

Abb. 5.29 zeigt die Dämpfungsfunktionen der Propfpolymere PS-60-0.5G-55 / PS-60-0.5G-55* und PS-55-2.1G-27 / PS-60-2.1G-27 mit jeweils unterschiedlichem Anteil an Makro-monomeren20. Im Rahmen der Messgenauigkeit ist für die untersuchten Molekulargewichteund Massenanteile kein Ein�uss des Makromonomeranteils auf die Deformationsabhängig-keit der Dämpfungsfunktion festzustellen. Bei den anderen Pfropfpolymeren wird ebenfallsdavon ausgegangen, dass der Makromonomerrest die Deformationsabhängigkeit der Dämp-fungsfunktion nicht signi�kant beein�usst. Unterschiede der Dämpfungsfunktionen lassensich damit zurückführen auf einen unterschiedlichen molekularen Aufbau der Pfropfpoly-mere.

20 Die Dämpfungsfunktion ist unabhängig von der Messtemperatur, wie in Abb. 5.28 gezeigt. Bei denPfropfpolymeren mit höherem Makromonomeranteil wurden niedrigere Messtemperaturen eingestellt,um ähnliche Nullviskositäten zu erhalten (s. Tab. 5.7).

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 133

Ein�uss der Pfropfastlänge- und anzahl

Abb. 5.30 zeigt die Dämpfungsfunktionen, ermittelt aus der Verschiebung der Relaxations-moduln G(t; ) auf den linear-viskoelastischen Modul G(t) für Deformationen zwischen0.01 und 4.5. Zum An�tten der Dämpfungsfunktionen wird eine Funktion von Soskey undWinter herangezogen, die der PSM-Funktion nach Glg. 4.5 entspricht, aber zur besserenAnpassung einen zweiten Parameter b als Exponenten für die Deformation enthält [55]:

h( ) =a

a + b(5.16)

Die experimentell ermittelten Dämpfungsfunktionen lassen sich über den gesamten De-formationsbereich sehr gut mit Glg. 5.16 approximieren. Die Fitparameter sind zusammenmit den Messtemperaturen und Nullviskosiäten in Tab. 5.7 zusammengestellt. AnhandAbb. 5.30 ist zu erkennen, dass die Dämpfungsfunktionen sämtlicher Pfropfpolymerer überder Doi-Edwards-Approximation (DE) liegen.

Mit Vorliegen der Scher-Dämpfungsfunktionen h( ) kann ein Zusammenhang zwischendem molekularen Aufbau und der Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion her-gestellt werden. Anhand der Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion kann beiden untersuchten Pfropfpolymeren eine Einteilung in drei Gruppen vorgenommen werden,geordnet nach dem Pfropfastanteil �n;br (Abb. 5.31). Dabei zeigen die Pfropfpolymeremit einem Pfropfastanteil �n;br von rund 0.5 (PS-55-4.0G-13, PS-55-2.1G27, PS-70-3.2G-22 und PS-60-1.4G-42) eine vergleichbare Deformationsabhängigkeit, unabhängig von dermittleren Anzahl an Verzweigungen pro Molekül oder dem Molekulargewicht der Seitenäs-te. Das Pfropfpolymer PS-60-1.4G-42 mit etwa einer Verzweigung pro Molekül, aber sehrlangen Pfropfästen weist eine vergleichbare Deformationsabhängigkeit auf wie das Pfropf-polymer PS-70-3.2G-22 mit wesentlich kürzeren Pfropfästen, aber durchschnittlich etwadrei Pfropfästen pro Molekül. Bei geringerem Pfropfastanteil zeigen die Pfropfpolymereeine Deformationsabhängigkeit, die näher bei der des linearen Polystyrols liegt. Die Defor-mationsabhängigkeit ist für die beiden Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55 und PS-90-1.2G-27vergleichbar, trotz unterschiedlicher Pfropfastlänge bzw. mittlerer Pfropfastanzahl. Auchhier lässt sich die Deformationsabhängigkeit mit dem Pfropfastanteil �n;br korrelieren.

Das Pfropfpolymer PS-105-6.7G-6 mit den kürzesten Seitenästen, die ein Molekularge-wicht vonMw;br = 6 800 g/mol aufweisen, zeigt eine Deformationsabhängigkeit vergleichbarmit der des unverzweigten PS-r-95. Diese kurzen Seitenäste wirken sich demnach nicht aufeine geringere Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion aus, wie dies im Vergleichzu den anderen Pfropfpolymeren zu erwarten wäre.

Im Gegensatz dazu zeigt die Dämpfungsfunktion des Pfropfpolymers PS-55-4.0G-13 mitPfropfästen etwas höherer Molmasse (Mw;br = 14 170 g/mol) eine deutlich geringere De-formationsabhängigkeit als das lineare PS-r-95 (Abb. 5.30 bzw. Abb. 5.31). Das Pfropfast-molekulargewicht liegt geringfügig unterhalb des Verschlaufungsmolekulargewichtes vonPolystyrol.

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134 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

0 1 2 3 4 50.2

0.5

1

0 1 2 3 4 5

a)

DE

PS-60-1.4G-42PS-60-0.5G-55PS-r-95

Däm

pfun

gsfu

nktio

nh(

γ)

Deformation γ Deformation γ

b)

DEPS-60-2.1G-27PS-80-0.6G-22

0 1 2 3 4 50 1 2 3 4 50.2

0.5

1d)

DEPS-55-4.0G-13PS-105-6.7G-6

Deformation γDeformation γ

PS-70-3.2G-22PS-90-1.2G-27

c)

DE

Däm

pfun

gsfu

nktio

nh(

γ)

Abb. 5.30: Ein�uss der Pfropfastlänge und -anzahl auf die Scher-Dämpfungsfunktionen.(a) Pfropfpolymere mit hoher Pfropfastmolekularmasse. (b)+(c) Pfropfpolymere mit mitt-lerer Pfropfastmolekularmasse (d) Pfropfpolymere mit geringer Pfropfastmolekularmasse.Durchgezogene Linien: Fit der Dämpfungsfunktion nach Soskey undWinter [55]; Para-meter angegeben in Tab. 5.7. Punktierte Linien (DE): Approximation der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion (s. Abschnitt 4.3.7).

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 135

Probe �n;br T �0(T ) Fitparameter[ÆC] [103 Pas] a b

PS-60-1.4G-42 0.49 190 1.94 12.3 1.75PS-60-0.5G-55 0.30 190 3.61 9.9 1.88PS-60-0.5G-55* 0.30 180 5.14 9.1 1.84PS-70-3.2G-22 0.50 180 2.13 10.0 1.55PS-60-2.1G-27 0.49 190 1.33 14.0 1.74PS-55-2.1G-27 0.51 180 1.77 13.9 1.78PS-90-1.2G-27 0.27 220 0.72 6.1 1.63PS-90-1.2G-27* 0.27 200/180 1.47/7.08 5.9 1.51PS-80-0.6G-22 0.14 190/180 2.64/6.15 5.9 1.64PS-55-4.0G-13 0.48 170 4.55 13.5 1.78PS-105-6.7G-6 0.28 210/200/190 2.15/4.08/8.47 5.6 1.73

Tab. 5.7: Experimentelle Parameter bei der Bestimmung der Dämpfungsfunktionen überSpannungsrelaxationsversuche. Fitparameter für die Dämpfungsfunktionen nach Glg. 5.16.Die Nullviskositäten wurden über Glg. 3.43 aus den in Tab. 5.6 aufgeführten Werten er-mittelt.

Aus den Ergebnissen kann zusammenfassend gefolgert werden, dass für die untersuch-ten Pfropfpolymere eine veränderte Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion inScherung gegenüber der des linearen Polystyrols vergleichbarer Polydispersität dann zuerwarten ist, wenn die Pfropfäste ausreichend lang sind. Weiterhin ist die Deformations-abhängigkeit der Dämpfungsfunktion nicht alleine eine Funktion der mittleren Anzahl derPfropfäste, sondern auch von deren Länge abhängig.

Vergleich mit anderen Modellpolymeren und Interpretation der Ergebnisse

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit den Dämpfungsfunktionen ande-rer Modellpolymerer, da die Dämpfungsfunktion unabhängig von der Temperatur gefundenwird und für lineare Polymere keine Funktion der Molekularmasse ist (z.B. [56], siehe auchAbschnitt 4.3.7). Da die Pfropfpolymere vergleichbare Polydispersitäten aufweisen und derMakromonomeranteil die Dämpfungsfunktion nicht verändert, können Unterschiede in derDeformationsabhängigkeit dieser nichtlinear-viskoelastischen Gröÿe dem unterschiedlichenVerzweigungsgrad und der Seitenastlänge der Pfropfpolymere zugeschrieben werden. ImFolgenden wird ein Vergleich mit stern� und H-förmigen Polystyrolen vorgenommen unddie Unterschiede mit in der Literatur zitierten Modellvorstellungen in Zusammenhang ge-bracht.

Die Literaturdaten des linearen, breitverteilten Polystyrols von Soskey und Wintermit Mw/Mn = 2.44 zeigt eine Deformationsabhängigkeit, die über der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion liegt, aber noch im Bereich des für lineare Polymere von Osaki ange-gebenen Bereiches zu liegen kommt (Abb. 5.31). Die geringere Deformationsabhängigkeitim Vergleich zur Doi-Edwards-Funktion ist der erhöhten Polydispersität zuzuschreiben(vgl. Abschnitt 4.3.7).

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136 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

0 1 2 3 4 5 60.1

0.5

1 Pfropfpolymer:Φn,br

:

DE

lineares PS [Soskey und Winter (1984)] 4-Arm Stern (PI) [Fetters et.al. (1993)] 4-Arm Stern (PS), Lsg. [Osaki et al. (1990)] H-förmiges PS [Groves et al. (2000)]

0.48 PS-55-4.0G-130.51 PS-55-2.1G-270.50 PS-70-3.2G-220.49 PS-60-1.4G-42

0.30 PS-60-0.5G-550.27 PS-90-1.2G-270.14 PS-80-0.6G-22

0.28 PS-105-6.7G-60 PS-r-95

Däm

pfun

gsfu

nktio

n h(

γ)

Deformation γ

Abb. 5.31: Einteilung der Dämpfungsfunktionen nach dem molekularen Aufbau der PS-Pfropfpolymere. Literaturdaten linearer, sternförmig und H-förmig verzweigter Polymerevon Soskey und Winter [55], Fetters et al. [59], Osaki et al. [98] und Groves etal. [107]. Approximation der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion (DE). Grau unterlegt:Bereich für lineare Polymere nach Osaki [12] (aus Abb. 4.17).

Abb. 5.31 zeigt neben den Pfropfpolystyrolen auch Literaturangaben der Dämpfungs-funktionen von engverteilten 4-armigen Sternen und engverteiltem H-förmigem Polystyrol.Die Dämpfungsfunktionen dieser beiden engverteilten Modellpolymere weisen eine beson-ders starke bzw. schwache Deformationsabhängigkeit auf:

� Die Schmelze des sternförmigen, engverteilten Polyisoprens (PI) und die Lösung dessternförmigen, engverteilten Polystyrols (PS) zeigen eine Deformationsabhängigkeitvergleichbar mit der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion, also eine sehr starke Ab-hängigkeit der Dämpfungsfunktion von der Deformation. Eine sternförmige Verzwei-gungsstruktur führt in diesen Fällen nicht zu einer erhöhten Dämpfungsfunktion imVergleich zu der Funktion nach Doi und Edwards, solange die Molekularmassen-verteilung engverteilt ist.

� Die Dämpfungsfunktion des engverteilten, H-förmigen Polystyrols ist demgegenüberdeutlich erhöht und zeigt eine Abhängigkeit von der Deformation, die mit jener deram stärksten verzweigten Pfropfpolystyrole vergleichbar ist.

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5.4. Rheologische Eigenschaften in Scherströmung 137

Die untersuchten Pfropfpolymere lassen sich in Abhängigkeit vom Verlauf der Dämp-fungsfunktion in drei Gruppen einteilen:

� Das lineare Polystyrol PS-r-95 und das verzweigte Pfropfpolymer PS-105-6.7G-6 mitsehr kurzen Seitenästen weisen eine starke Abhängigkeit der Dämpfungsfunktion vonder Deformation auf.

� Die Pfropfpolymere PS-55-4.0G-13, PS-55-2.1G-27, PS-70-3.2G-22 und PS-60-1.4G-42 mit einem hohem Pfropfastanteil �n;br von etwa 0.5 weisen eine schwache Defor-mationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion auf.

� Die Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55, PS-90-1.2G-27 und PS-80-0.6G-22 mit einemPfropfastanteil �n;br zwischen 0.14 und 0.30 liegen mit der Deformationsabhängigkeitvon h( ) dazwischen.

Die Deformationsabhängigkeit von h( ) lässt sich für lineare und verzweigte Molekülemit molekularen Vorstellungen über den Spannungsabbau nach Aufbringen einer Deforma-tion in Zusammenhang bringen. Nachfolgend werden diese Vorstellungen anhand einfacherMolekültopogra�en (sternförmig, H-förmig) kurz umrissen und die vorliegenden Ergebnissean den Pfropfpolymeren diskutiert.

Basierend auf dem Röhrenmodell von Doi und Edwards [136] wird die Deformations-abhängigkeit der Dämpfungsfunktion von verschiedenen Autoren folgendermaÿen moleku-lar interpretiert (z.B. [26, 59, 62, 63, 137]):

Nach Deformation der Schmelze wird die Röhre, die aus der Kontur eines Makromo-leküls gebildet wird, nach kleinen Deformationen, d.h. im linear-viskoelastischen Bereichdes Materialverhaltens, anisotrop deformiert und die Spannung wird durch Reptation desMoleküls aus der Röhre abgebaut; in diesem Falle ist h( ) = 1. Bei groÿen Deformationen,d.h. im Bereich nichtlinear-viskoelastischen Materialverhaltens, wird die Röhre zusätzlichnoch gestreckt. Bei wesentlich geringeren Zeiten als der Reptationszeit kann die Kette rück-deformieren und einen Teil der aufgezwungenen Spannung abbauen; dieser Prozess wird alsRetraktion bezeichnet. Die Dämpfungsfunktion wird interpretiert als der Anteil der aufge-brachten Spannung, der durch diese Retraktion abgebaut wird. Es wird angenommen, dassder Prozess der Retraktion bei sehr kurzen Zeiten statt�ndet, welche üblicherweise nichtexperimentell zugänglich sind. Der Spannungsanteil, der nach der Retraktion verbleibt,wird durch Reptation abgebaut und zeigt sich in der Zeitabhängigkeit des Relaxationsmo-duls G(t). Der Relaxationsmodul kann dann in einen zeit- und deformationsabhängigenTerm nach Glg. 3.36 separiert werden.

Eine verminderte Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion bei erhöhter Poly-dispersität wird so interpretiert, dass sich die Retraktionszeiten der langen Moleküle mitden Reptationszeiten der kurzen Moleküle überlagern und eine e�ektive Dämpfungsfunk-tion resultiert, die einem geringer relaxierten Zustand entspricht als eine komplette Re-traktion, wie sie von Doi und Edwards angenommen wird [26, 63, 138]. Die Dämpfungs-funktionen breit verteilter Polymerer liegen dann über der Dämpfungsfunktion nach Doiund Edwards. Anhand Abb. 5.31 ist zu erkennen, dass dies für die Literaturdaten vonSoskey und Winter des breiter verteilten linearen Polystyrols sowie für PS-r-95 der Fallist.

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138 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Für die Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion verzweigter Polymere wer-den oben angeführte Modellvorstellungen ebenfalls angewandt:

Die starke Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion bei sternförmigen Poly-meren wird von Larson und Fetters et al. so interpretiert, dass bei Sternpolymeren dieRetraktion der Seitenarme nicht verhindert wird, da nur ein Ende der Seitenäste durcheine Verzweigung �xiert ist [26, 59]. Diese Seitenäste können durch Retraktion also wielineare Moleküle relaxieren. Die Daten der engverteilten sternförmigen Polymere in Abb.5.31 zeigen deutlich, dass die Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion der vonlinearen Molekülen entspricht. In der Modellvorstellung wird weiterhin angenommen, dassauch bei komplizierteren Verzweigungstopologien für jene Seitenäste, die nur an einem En-de eine Verzweigung tragen, die Retraktion nicht behindert ist.

Eine schwache Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion wird dadurch verur-sacht, dass die Retraktion von Kettensegmenten, die an beiden Enden eine Verzweigungtragen, behindert ist, da nach Bick und McLeish für eine Retraktion dieser internenSegmente andere internen Segmente oder Seitenäste mit bewegt werden müssten [137].Die Spannungsanteile, welche durch die internen Kettensegmente aufgenommen werden,können durch Retraktion nicht wie bei linearen Molekülen abgebaut werden; es resul-tiert eine Dämpfungsfunktion, die schwächer von der Deformation abhängt. Dieser Fall istebenfalls in Abb. 5.31 zu erkennen: Die H-förmigen Polystyrole weisen ein internes Ketten-segment auf und zeigen eine Dämpfungsfunktion, die wesentlich über der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion liegt.

Die unterschiedliche Deformationsabhängigkeit der in dieser Arbeit untersuchten Pfropf-polymere gegenüber den engverteilten Sternpolymeren lässt sich anhand dieser Modellvor-stellungen in Bezug auf ihren molekularen Aufbau deuten:

Die Pfropfpolymere PS-55-4.0G-13, PS-55-2.1G-27, PS-70-3.2G-22 und PS-60-1.4G-42mit einem hohem Pfropfastanteil �n;br von etwa 0.5 weisen eine schwache Deformations-abhängigkeit der Dämpfungsfunktion auf, die der des engverteilten H-förmigen Polystyrolsentspricht. Die Verzweigungen wirken sich hier in einem sehr starken Anstieg von h( )gegenüber der Dämpfungsfunktion der linearen Polystyrole aus. Dies ist mit der hohenAnzahl an Verzweigungen am Rückgrat der Pfropfpolymere zu erklären, welche zu einerhohen Zahl von Molekülsegmenten zwischen zwei Verzweigungen führen.

Das Pfropfpolymer PS-60-0.5G-55 weist eine geringere Deformationsabhängigkeit aufals das lineare PS-r-95, obwohl durchschnittlich nicht jedes Molekül verzweigt ist. Demge-genüber weisen die Literaturdaten der Polystyrolsterne mit einer Verzweigung pro Molekülkeine erhöhte und die H-förmigen Polystyrole eine stark erhöhte Dämpfungsfunktion imVergleich zur Doi-Edwards-Funktion auf. Aus dem Vergleich ist zu folgern, dass dasPfropfpolymer PS-60-0.5G-55 ein Gemisch aus unterschiedlich stark verzweigten Pfropfpo-lymeren darstellt, in dem nicht nur sternförmige Moleküle (d.h. Pfropfpolymere mit einemPfropfast pro Molekül) vorliegen, sondern auch Moleküle mit mehreren Pfropfästen pro Mo-lekül enthalten sein müssen. Die Ergebnisse der gekoppelten GPC-MALLS-Untersuchungen(Abschnitt 5.3.3) deuten auf eine zunehmende Anzahl an Verzweigungen mit steigendemMolekulargewicht hin und unterstützen diese Folgerung.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 139

Das Pfropfpolymer PS-105-6.7G-6 mit den sehr kurzen Seitenästen unterhalb des Ver-schlaufungsmolekulargewichtes Me weist eine Dämpfungsfunktion wie die des unverzweig-ten PS-r-95 auf. Die Deformationsabhängigkeit der Spannungsrelaxation des Pfropfpoly-styrols mit kurzen Seitenästen (Ma � Me) entspricht demnach der von linearem Poly-styrol vergleichbarer Polydispersität. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dassdie Seitenäste aufgrund ihrer geringen Molmasse nicht verschlauft sind und damit zu einerSpannungsübertragung nicht beitragen können.

In der Literatur �nden sich an LDPE-Schmelzen weitere experimentelle Befunde für einegegenüber linearen Molekülen erhöhte Dämpfungsfunktion verzweigter Polymerer: Khanet al. untersuchten die Dämpfungsfunktionen von LDPE-Schmelzen mit PolydispersitätenMw/Mn von 25 bzw. 8. Gegenüber einem breitverteilten HDPE mit Mw/Mn = 13 zeigendiese eine wesentlich schwächere Deformationsabhängigkeit der Scher-Dämpfungsfunktion.Osaki klassi�ziert in einem Übersichtsartikel die Deformationsabhängigkeit von drei ver-schiedenen LDPE-Schmelzen mit Polydispersitäten Mw/Mn zwischen 8 und 28 als Typ B[12]; die Dämpfungsfunktionen dieses Typs liegen über jenen, die mit Typ A (siehe Ab-schnitt 4.3.7) klassi�ziert werden. Die zwei untersuchten breitverteilten HDPE-Schmelzen(Mw/Mn = 15.3 und 5.47) weisen eine Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunkti-on nach Typ A auf. Groves et al. geben für LDPE ebenfalls eine gegenüber der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion deutlich erhöhte Deformationsabängigkeit der Dämpfungs-funktion an [107]. Aufgrund der als stark verästelt anzunehmenden Verzweigungsstruk-tur von LDPE sprechen die experimentellen Ergebnisse an den LDPE-Schmelzen für denEin�uss von internen Molekülsegmenten auf eine erhöhte Dämpfungsfunktion. Die Litera-turdaten unterstützen damit die anhand der Ergebnisse der Pfropfpolymeren entwickelteModellvorstellung.

5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung

Die Untersuchungen in uniaxialer Dehnströmung sind in Abschnitt 5.5.1 aufgeführt. Dabeiwird der Ein�uss des molekularen Aufbaus auf die Dehnverfestigung der Polystyrolschmel-zen diskutiert. In Abschnitt 5.5.2 wird auf den Ein�uss der Verzweigungsstruktur auf dieZeit- und Deformationsabhängigkeit anhand der Relaxationszeitspektren und der mittelseines Integralmodells berechneten Dämpfungsfunktionen eingegangen. Ein Vergleich derDehnviskositäten der Polystyrolmischungen und der Pfropfpolystyrole folgt in Abschnitt5.5.3.

5.5.1. Uniaxiale Dehnviskositäten

Die Probenpräparation sowie die Durchführung der Messungen sind in Abschnitt 3.3.4beschrieben. Die Diskussion des molekularen Aufbaus auf die uniaxialen Dehnviskositätengliedert sich in den Ein�uss des Makromonomeranteils, der mittleren Anzahl �p an Pfropfäs-ten pro Molekül und der Pfropfastlänge auf die Dehnverfestigung der Polystyrolschmelzen.

Ein�uss des Makromonomerrestes

Um Pfropfpolymere mit unterschiedlichem Makromonomeranteil vergleichen zu können,ist eine Analyse des Ein�usses des Anteils an niedermolekularem Makromonomerrest auf

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140 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

die Dehnverfestigung nötig. Der Makromonomerein�uss wurde anhand der Pfropfpolysty-role PS-60-0.5G-55 / PS-60-0.5G-55* sowie PS-55-2.1G-27 / PS-60-2.1G-27 untersucht (s.Abb. 5.32). Da sich aufgrund der unterschiedlichen Makromonomeranteile die Nullviskosi-täten unterscheiden, wird die Messtemperatur so eingestellt, dass sich jeweils vergleichbareNullviskositäten der Pfropfpolymere trotz jeweils unterschiedlichen Makromonomeranteilsergeben.

Die niedermolekularen Makromonomerreste beein�ussen den Grad der Dehnverfestig-ung nicht signi�kant, wie anhand der Pfropfpolymere mit jeweils unterschiedlichem Ge-wichtsanteil wMM an Makromonomerrest und zwei unterschiedlichen Molekulargewichtender Makromonomere (Mw;MM = 58 300 g/mol für PS-60-0.5G-55 sowie PS-60-0.5G-55*und Mw;MM = 28 650 g/mol für PS-60-2.1G-27 sowie PS-55-2.1G-27) gezeigt werden kann.Für die Pfropfpolymere PS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 mit einem geringen Anteil ansehr niedermolekularem Makromonomer (4 bzw. 1 Gew.-%) wird ebenfalls angenommen,dass dessen Ein�uss auf das Ausmaÿ der Dehnverfestigung zu vernachlässigen ist.

10-1 100 101 102104

105

106

x 0.3

3η(t)

3η(t)

.

.

geschlossene Symbole: PS-60-0.5G-55 (wMM

= 0.07)offene Symbole: PS-60-0.5G-55* (w

MM= 0.23)

Dehnrate ε [s-1]:1.00.60.30.1

geschlossene Symbole: PS-60-2.1G-27 (wMM

= 0.01)offene Symbole: PS-55-2.1G-27 (w

MM= 0.12)

Pas

s

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε

,t),

Sche

rvis

kosi

tätη

(t)

Zeit t

Abb. 5.32: Ein�uss des Makromonomeranteils wMM auf die Dehnverfestigung der uniaxia-len Dehnviskositäten �E( _"; t). Die Dehnviskositäten von PS-60-0.5G-55 und PS-60-0.5G-55*sind mit dem Faktor 0.3 skaliert. Messtemperaturen: PS-60-2.1G-27: T = 151.5 ÆC, PS-55-2.1G-27: T = 147.5 ÆC, PS-60-0.5G-55: T = 158.0 ÆC, PS-60-0.5G-55*: T = 154.0 ÆC.Linien bezeichnen 3�(t) aus den dynamischen Daten: (�) Pfropfpolymere mit niedrigeremMakromonomeranteil. (- - - -) Pfropfpolymere mit höherem Makromonomeranteil.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 141

Da die Molmassenverteilungen der Pfropfpolymere � abgesehen vom niedermolekula-ren Makromonomerrest � eine ähnliche Polydispersität aufweisen (vgl. Kap. 5.3) und derniedermolekulare Makromonomerrest keine signi�kante Änderung der Dehnverfestigungbewirkt, lassen sich die Unterschiede zwischen den Pfropfpolymeren anhand der verschie-denen Verzweigungstopologien diskutieren. Das ursprüngliche Untersuchungsziel der Tren-nung des Ein�usses der Molekularmassenverteilung und der Verzweigungsstruktur auf dieDehnverfestigung konnte damit � abgesehen von den niedermolekularen Makromonomer-resten � erreicht werden.

Ein�uss der mittleren Anzahl an Pfropfästen pro Molekül auf dieDehnverfestigung

Abb. 5.33 zeigt einen Vergleich der Dehnverfestigung des unverzweigten Polystyrols PS-r-95und des Pfropfpolymers PS-90-1.2G-27. Aufgrund der vergleichbaren transienten Schervis-kositäten 3�(t) lässt sich das Ausmaÿ der Dehnverfestigung direkt vergleichen. Das ver-zweigte Pfropfpolymer PS-90-1.2G-27 zeigt einen deutlich höheren Dehnviskositätsanstiegbei hohen Deformationen im Vergleich zu dem linearen Polystyrol PS-r-95. Das Vorliegenvon durchschnittlich etwa einem Pfropfast pro Makromolekül führt also zu einer deutlicherhöhten Dehnverfestigung im Vergleich zu dem unverzweigten Polystyrol mit vergleichba-rer Polydispersität.

10-1 100 101 102104

105

.

.

3η(t)

PasDehnrate ε [s-1]:

1.0 0.30.1

geschlossene Symbole: PS-r-95 (T = 169.0 °C)offene Symbole: PS-90-1.2G-27 (T = 168.0 °C)

s

Zeit t

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Abb. 5.33: Vergleich der Dehnverfestigung des unverzweigten PS-r-95 (geschlossene Sym-bole) und des verzweigten Pfropfpolymers PS-90-1.2G-27 (o�ene Symbole). Die Messtem-peraturen wurden so eingestellt, dass vergleichbare Nullviskositäten erreicht werden.

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142 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

105

106

105

106

10-1 100 101 102

105

106

T = 159.0 °C

T = 148.5 °C

T = 151.0 °C

3η(t)

3η(t)

3η(t)

.

.Dehnrate ε [s-1]:

.Dehnrate ε [s-1]:

PS-80-0.6G-22

PS-60-2.1G-27

1.0 0.6 0.30.2 0.1

0.060.03

Pas

Pas

PS-70-3.2G-22Dehnrate ε [s-1]:

1.0 0.6 0.30.1

s

Zeit t

Pas

.

0.10.3 0.22.0 1.0 0.6

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε

,t),

Sche

rvis

kosi

tät3

η(t)

Abb. 5.34: Ein�uss der mittleren Anzahl an Pfropfästen pro Molekül auf die uniaxialenDehnviskositäten �E(t; _"). Die Messtemperaturen wurden so angepasst, dassvergleichbare Nullviskositäten erreicht werden. Linien bezeichnen 3�(t) ausden dynamischen Daten.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 143

10-1 100 101 102

105

106

105

106

.

T = 168.0 °C

T = 160.0 °C

b)

0.11.0 0.3

1.0 0.6 0.3 0.13η(t)

3η(t)

PS-90-1.2G-27

PS-60-1.4G-42

s

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

T = 159.0 °C

T = 158.0 °C

a)

.Dehnrate ε [s-1]:

Pas

.Dehnrate ε [s-1]:

PS-80-0.6G-22

PS-60-0.5G-55

Pas

Abb. 5.35: Ein�uss des Pfropfastmolekulargewichts auf die Dehnviskositäten. (a) Pfropf-polymere, bei denen durchschnittlich etwa jedes zweite Molekül verzweigt ist. (b) Pfropfpo-lymere, bei denen durchschnittlich etwa jedes Molekül verzweigt ist. Die Messtemperaturenwurden so angepasst, dass ähnliche Nullviskositäten erreicht werden.

Abb. 5.34 zeigt den Ein�uss der mittleren Pfropfastanzahl �p bei vergleichbarer Pfropfast-länge auf die transienten uniaxialen Dehnviskositäten. Die mittlere Pfropfastanzahl �p proMolekül nimmt von der unteren zur oberen Abbildung zu. Die Messtemperatur wurde auf-grund der mit zunehmenden Verzweigungsanteil stark erniedrigten Nullviskosität (s. Ab-schnitt 5.4.5) so angepasst, dass die Nullviskositäten in einem vergleichbaren Zeitfensterliegen; die in Abb. 5.34 dargestellten Schmelzen weisen Nullviskositäten zwischen 6:0 � 105

Pas und 9:2 � 105 Pas auf. Damit werden neben der Vergleichbarkeit der Dehnviskositätenin einem ähnlichen Zeitfenster auch Artefakte bei der uniaxialen Dehnung der Schmelzevermieden, welche durch unterschiedliche Viskositätsniveaus zustande kommen könnten.Die Pfropfpolystyrole PS-55-2.1G-27 und PS-70-3.2G-22 mit durchschnittlich etwa zweibzw. drei Verzweigungen pro Molekül zeigen im nichtlinearen Bereich einen noch stärke-ren Anstieg der transienten Dehnviskosität über die linear-viskoelastische Anlaufkurve alsdas geringer verzweigte PS-80-0.6G-22, bei dem durchschnittlich nur jedes zweite Moleküleinen Pfropfast trägt. Auf eine Quanti�zierung der Dehnverfestigung wird am Ende diesesAbschnitts eingegangen.

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144 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-1 100 101 102

105

106

105

106

s

.

0.1

Zeit t

3η(t)

3η(t)

.

.Pas

1.0 0.6 0.3

1.00.3

0.1

Dehnrate ε [s-1]:

Dehnrate ε [s-1]:T = 170.0 °C

T = 150.0 °C

PS-105-6.7G-6

PS-55-4.0G-13Pas

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Abb. 5.36: Uniaxiale Dehnviskositäten der Pfropfpolymere mit sehr kurzen Pfropfästen.Die Messtemperaturen wurden so angepasst, dass gleiche Nullviskositäten er-reicht werden.

Ein�uss der Pfropfastlänge bei vergleichbarer Pfropfastanzahl auf dieDehnverfestigung

Abb. 5.35 zeigt einen Vergleich von Pfropfpolymeren mit vergleichbarer mittlerer Anzahl,aber unterschiedlichem Molekulargewicht der Pfropfäste. Das Molekulargewicht der Pfropf-äste von PS-60-1.4G-42 ist etwa doppelt so hoch wie das der Pfropfäste von PS-90-1.2G-27;beide Pfropfpolymere weisen eine vergleichbare mittlere Anzahl an Pfropfästen pro Mole-kül auf. Die Dehnverfestigung ist zwischen beiden Pfropfpolymeren vergleichbar, obwohlder Pfropfastanteil �n;br von PS-60-1.4G-42 mit 0.49 etwa doppelt so groÿ ist wie dervon PS-90-1.2G-27 mit 0.27. Auch die Pfropfpolymere PS-60-0.5G-55 und PS-80-0.6G-22weisen trotz unterschiedlicher Pfropfastlänge und unterschiedlichem Pfropfastanteil �n;br

(0.30 bzw. 0.14), aber vergleichbarer mittlerer Anzahl �p an Pfropfästen pro Molekül eineähnliche Dehnverfestigung auf.

Ein�uss von kürzeren Pfropfästen auf die Dehnverfestigung

Interessant ist auch die Fragestellung, inwieweit eine kritische Molekularmasse der Sei-tenäste überschritten werden muss, damit sich die Verzweigungen in einer Zunahme derDehnverfestigung bemerkbar machen. Da die Makromonomertechnik die Synthese auchkurzer Seitenäste erlaubt, wurden Pfropfpolymere mit Seitenästen, welche eine Molekular-

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 145

masse nahe oder unterhalb des Verschlaufungs-Molekulargewichtes Me aufweisen, synthe-tisiert und dehnrheologisch untersucht.

Abb. 5.36 zeigt die Pfropfpolymere PS-55-4.0G-13 und PS-105-6.7G-6 im Vergleich.Die Messtemperaturen wurden so angepasst, dass gleiche Nullviskositäten erreicht werden(�0 = 5.2 �104 Pas). Bei PS-55-4.0G-13 liegen die Pfropfast-MolekulargewichteMw;br mit 14170 g/mol geringfügig unterhalb des Bereiches, der für das VerschlaufungsmolekulargewichtMe von PS angegeben wird. Trotz der kurzen Pfropfäste zeigt PS-55-4.0G-13 eine deut-lich stärkere Dehnverfestigung als das unverzweigte PS-r-95 (s. Abb. 5.33). Eine geringeZunahme der Dehnverfestigung gegenüber dem linearen PS-r-95 ist auch bei PS-105-6.7G-6 festzustellen, welches Pfropfäste mit einem Gewichtsmittel der Molmasse deutlich unterdem der Verschlaufungsmolmasse aufweist (Mw;br = 6 800 g/mol). Eine mögliche Erklärungist, dass hier die Pfropfäste zu kurz sind, um noch spannungsübertragende Verschlaufungenbilden zu können.

Vergleich der Dehnverfestigungsfaktoren und Diskussion

Nachfolgend wird eine temperaturinvariante Quanti�zierung des Dehnverfestigungsverhal-tens der untersuchten Schmelzen vorgenommen, um den Ein�uss der molekularen Strukturder Pfropfpolymere auf die Dehnverfestigung diskutieren zu können.

Im nichtlinear-viskoelastischen Bereich lassen sich die bei unterschiedlichen Tempe-raturen gemessenen Dehnviskositäten mit den aus linear-viskoelastischen Experimentenermittelten Verschiebungsfaktoren aT zu einer Masterkurve verschieben. Dies wurde ex-perimentell von Münstedt und Laun an einer LDPE-Schmelze validiert und gilt nachAngaben der Autoren auch für die reversiblen Dehnungen [139]. Damit die Dehnviskositä-ten zu einer Masterkurve bei der Bezugstemperatur T0 und der Dehnrate _"(T ) zu liegenkommen, ist die Temperaturänderung von der Temperatur T auf die Bezugstemperatur T0mit einer auf den Verschiebungsfaktor aT bezogenen Dehnrate gemäÿ Glg. 5.17 zu berück-sichtigen:

_"(T ) =1

aT_"(T0) (5.17)

Um die Dehnverfestigung bei den Pfropfpolymeren zu diskutieren, wird der in Ab-schnitt 4.4 eingeführte Dehnverfestigungsfaktor S herangezogen. Die Dehnverfestigungs-faktoren lassen sich temperaturinvariant über den Bezug auf die Nullviskosität darstellen:Da die transiente Viskosität 3�(t) mit demselben Verschiebungsfaktor von der Temperaturabhängig ist wie der Reziprokwert der Dehnrate, ergibt sich für den bei unterschiedlichenTemperaturen ermittelten Dehnverfestigungsfaktor S (Glg. 4.6) bei gleicher Gesamtdeh-nung derselbe Wert, wenn dieser auf die Gröÿe _" � �0 bezogen wird. _" � �0 entspricht formaleiner Spannung. Voraussetzung ist, dass sich die Dehnviskositäten auch im nichtlinearenDeformationsbereich auf eine Masterkurve schieben lassen, was für verzweigte Polystyrolevon Ferri und Lomellini gezeigt wurde [17]. Abb. 5.37 zeigt die Dehnverfestigungsfak-toren bei einer Hencky-Dehnung von " = 3, als Funktion der bezogenen Dehnrate _" � �0.Diese bezogene Darstellung erlaubt die Diskussion des Dehnverfestigungsverhaltens vonPolymerschmelzen mit unterschiedlichen Nullviskositäten.

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146 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

104 105104 105

1

2

3

4

5

6

7

8

9

104 105

PS-60-0.5G-55 (Φn,br

= 0.30)PS-80-0.6G-22 (Φ

n,br= 0.14)

PS-60-1.4G-42 (Φn,br

= 0.49)PS-90-1.2G-27 (Φ

n,br= 0.27)

.Pa

b)

ε = 3.0ε = 3.0

Pa

a)

PS-70-3.2G-22 (Φn,br

= 0.50)PS-60-2.1G-27 (Φ

n,br= 0.49)

PS-90-1.2G-27 (Φn,br

= 0.27)PS-80-0.6G-22 (Φ

n,br= 0.14)

PS-r-95

ε = 3.0

Deh

nver

fest

igun

gsfa

ktor

S

bezogene Dehnrate ε η0

PS-70-3.2G-22 (Φn,br

= 0.50)PS-55-4.0G-13 (Φ

n,br= 0.48)

PS-105-6.7G-6 (Φn,br

= 0.28)PS-r-95

Pa

c)

Abb. 5.37: Dehnverfestigungsfaktoren S bei einer Dehnung von " = 3 als Funktion der aufdie Nullviskosität bezogenen Dehnrate für die verzweigten Pfropfpolystyrole und das li-neare PS-r-95 mit vergleichbarer Polydispersität (temperaturinvariante Darstellung). �n;br

bezeichnet den Pfropfastanteil nach Glg. 5.12. (a) Pfropfpolystyrole mit unterschiedlichermittlerer Anzahl �p an Pfropfästen pro Molekül. (b) Pfropfpolystyrole mit jeweils unter-schiedlichem Pfropfast-Molekulargewicht, aber vergleichbarer mittlerer Pfropfastastanzahl.(c) Vergleich zu Pfropfpolystyrolen mit kurzen Pfropfästen.

Die Dehnverfestigungsfaktoren sind in guter Näherung linear von der bezogenen Dehn-rate abhängig, nehmen also mit steigender Dehnrate zu. Eine Zunahme der Dehnverfestig-ung mit steigender Dehnrate wird auch bei langkettenverzweigten LDPE-Schmelzen gefun-den [73, 139]. Im Gegensatz zu den bimodalen Polystyrol-Mischungen mit hochmolekularerKomponente ergibt sich eine ausgeprägtere Abhängigkeit des Spannungsanstieges über dielinear-viskoelastische Anlaufkurve von der Dehnrate (vgl. Abb. 4.21 in Abschnitt 4.4.1).

Abb. 5.37a zeigt die zunehmende Dehnverfestigung mit steigender mittlerer Anzahl anPfropfästen �p pro Molekül. Sie nimmt von PS-80-0.6G-22, bei dem durchschnittlich nur je-des zweite Molekül eine Verzweigung trägt, über PS-90-1.2G-27 mit durchschnittlich einerVerzweigung pro Molekül, zu den stärker verzweigten Pfropfpolymeren PS-60-2.1G-27 undPS-70-3.2G-22 hin zu. Die Dehnverfestigung von PS-70-3.2G-22 ist sehr stark ausgeprägtund vermutlich den im hochmolekularen Bereich sehr stark verzweigten Pfropfmolekülen

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 147

zuzuschreiben (s. Abb. 5.9). Die Abhängigkeit des Dehnverfestigungsfaktors S von der be-zogenen Dehnrate nimmt mit steigender mittlerer Pfropfastanzahl ebenfalls zu, erkennbaran der mit höherer Pfropfastzahl gröÿeren Steigung der Geraden in Abb. 5.37a.

Ein Vergleich der Dehnverfestigung der stark verzweigten Pfropfpolymere PS-70-3.2G-22 und PS-60-2.1G-27 zeigt, dass trotz gleichen Pfropfastanteils eine erhöhte Anzahl anPfropfästen zu einer höheren Dehnverfestigung führt. Auch der Vergleich der Pfropfpolyme-re mit unterschiedlicher Pfropfastlänge ergibt vergleichbare Ergebnisse (Abb. 5.37b): DasPfropfpolymer PS-60-1.4G-42 weist trotz doppelt so hohen Pfropfastanteils eine mit PS-90-1.2G-27 vergleichbare Dehnverfestigung auf; ein ähnliches Bild ergibt sich im Vergleich vonPS-60-0.5G-55 und PS-80-0.6G-22. Der Beitrag der Verzweigungen zum Spannungsniveauist hier nicht von der Pfropfastlänge, sondern von der Anzahl an Pfropfästen pro Molekülabhängig.

Abb. 5.37c zeigt den Ein�uss der Pfropfastlänge auf den Dehnverfestigungsfaktor derstark verzweigten Pfropfpolymere mit hoher Pfropfastanzahl und kurzen Pfropfästen. Trotzeiner gegenüber PS-70-3.2G-22 leicht erhöhten Pfropfastanzahl weist PS-55-4.0G-13 einegeringere Dehnverfestigung auf. Die Molekularmassen der Pfropfäste von PS-55-4.0G-13liegen geringfügig unterhalb der Verschlaufungsmolmasse Me von linearem Polystyrol; ver-mutlich wirken diese Seitenäste deshalb nicht so stark auf die Dehnverfestigung wie dieSeitenäste von PS-70-3.2G-22 mit einer Molmasse deutlich über Me. Die Dehnverfestigungvon PS-105-6.7G-6 ist trotz der höchsten Verzweigungsanzahl von etwa sieben Pfropfästenpro Molekül wesentlich geringer als die der Pfropfpolymere PS-70-3.2G-22 und PS-55-4.0G-13. Sie liegt auch nur geringfügig über der des linearen Polystyrols PS-r-95, welches eineetwas kleinere Polydispersität aufweist als PS-105-6.7G-6. Berücksichtigt man die bei PS-105-6.7G-6 geringfügig höhere Polydispersität, dann ist aus den Ergebnissen zu schlieÿen,dass Seitenäste mit einem Molekulargewicht nahe oder unterhalb des Verschlaufungsmole-kulargewichts Me nicht signi�kant zu einer Dehnverfestigung beitragen.

Ein Vergleich der vorliegenden dehnrheologischen Untersuchungen mit jenen von stern-bzw. H-förmigen Modellpolymeren könnte Einblick geben, welche Molekültopgra�en dieUrsache für eine erhöhte Dehnverfestigung der Pfropfpolymere gegenüber dem linearenPolystyrol mit vergleichbarer Polydispersität sein könnten. In der Literatur sind dehnrheo-logische Untersuchungen bislang lediglich für H-förmige sowie sternförmige Polymere zu�nden:

Au-Yeung et al. untersuchten lineare und 4-armige, sternförmige hydrierte Polybuta-diene (PBD); durch die Hydrierung werden die Doppelbindungen von PBD abgesättigt,und es entsteht ein Modellsystem für Polyethylen. Das lineare hydrierte PBD ist eng-verteilt und zeigt keine Dehnverfestigung [140]. Das sternförmige PBD zeigt dagegen inuniaxialer Dehnung im Spann- und Kriechversuch ein Versagen der Probe bereits bei sehrkleinen Deformationen (" < 0:1). Eine Aussage zum Grad der Dehnverfestigung ist damitnicht möglich.

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148 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Die von Pearson et al. untersuchten linearen und sternförmig verzweigten Polyiso-prene (PI) zeigen ebenfalls keine Dehnverfestigung [99]. Allerdings wurden bei höherenDehnraten nur geringe Deformationen im linear-viskoelastischen Bereich (" < 0:8) erreicht;ein Nachweis der Dehnverfestigung ist damit nicht möglich, da Dehnverfestigung bei ho-hen Deformationen im nichtlinearen Bereich (Dehnung " gröÿer als etwa 1) auftritt. Beiniedrigeren Dehnraten (niedrigste Dehnrate: " = 0:002s�1) wurden auch Deformationenim nichtlinear-viskoelastischen Bereich mit einer Hencky-Dehnung von etwa zwei erreicht;eine Dehnverfestigung tritt trotzdem nicht auf.

Die von Schweizer untersuchten sternförmigen 3-armigen Polystyrole zeigen im ge-samten untersuchten Dehngeschwindigkeitsbereich von etwa 0.03 bis 1.0 s�1 keine Dehnver-festigung; die Proben, deren mittlere Molekularmasse zu Mw = 12:9 � 105 g/mol bestimmtwurde, neigen zu einer inhomogenen Deformation bei groÿen Gesamtdehnungen ", die zwi-schen etwa 3 bis 4 liegen [141].

H-förmig verzweigte Polyisoprene und Polystyrole wurden von Groves et al. unter-sucht: Die dehnrheologischen Daten von H-förmigem Polyisopren zeigen eine leichte Dehn-verfestigung [107]. Das in derselben Arbeit angegebene engverteilte H-förmige Polystyrolzeigt eine sehr ausgeprägte Dehnverfestigung für alle untersuchten Dehnraten im Bereichzwischen 0.001 und 0.1 s�1. Ein engverteiltes, lineares PS zeigt für die gleichen Dehnratenhingegen keine Dehnverfestigung [107].

Die Ergebnisse lassen vermuten, dass das bei den H-Polymeren vorhandene interneKettensegment die topologische Ursache für eine Dehnverfestigung ist, da bei den Stern-polymeren eine Dehnverfestigung nicht auftritt. Sternpolymere besitzen zwar einen Ver-zweigungspunkt, aber kein internes Kettensegment: Die Seitenäste laufen im gemeinsamenVerzweigungspunkt zusammen21.

Überträgt man die Literaturdaten H-förmig und sternförmig verzweigter Polymererauf die in dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymere, so lässt sich die mit zunehmenderPfropfastanzahl �p erhöhte Dehnverfestigung auf die erhöhte mittlere Anzahl an internenKettensegmenten der Pfropfpolymere zurückführen. Darauf weisen die in dieser Arbeit er-zielten experimentellen Ergebnisse einer erhöhten Dehnverfestigung mit ansteigender mitt-lerer Pfropfastzahl �p sowie der geringe Ein�uss der Pfropfastlänge auf die Dehnverfestigunghin. Die Anzahl und Länge der internen Kettensegmente ist jedoch aufgrund der synthe-sebedingten statistischen Verteilung der Pfropfäste entlang des Rückgrats als polydispersanzunehmen.

Eine Schmelze reiner Sternpolystyrole führt nach den Untersuchungen von Schweizernicht zu einer signi�kanten Dehnverfestigung [141]. Die gegenüber dem linearen PS-r-95erhöhte Dehnverfestigung bei den gering verzweigten Pfropfpolymeren PS-60-0.5G-55 undPS-80-0.6G-22 (vgl. Abb. 5.37) kann anhand des Vergleichs zwischen H� und sternförmigenModellpolymeren so interpretiert werden, dass in der Mischung aus unterschiedlich starkverzweigten Pfropfpolymeren nicht nur sternförmige Moleküle enthalten sind.21 Nach Molekulartheorien vonMcLeish et al. ist eine Retraktion der Brücke bei H-Polymeren aufgrund

der an beiden Enden �xierten Kette behindert und bildet damit die Ursache für die gegenüber linearenund sternförmigen Molekülen veränderten nichtlinear-viskoelastischen Eigenschaften [62, 137]. Die inden Theorien behandelten molekularen Vorstellungen vom Spannungsaubbau nach Aufbringen einerDeformation postulieren, dass verzweigte Strukturen �von auÿen nach innen� relaxieren. Im Falle H-förmig verzweigter Moleküle relaxieren demnach die Seitenarme wesentlich schneller als die Brücke. Beisternförmigen Polymeren wird die Retraktion nicht wesentlich behindert, da nur ein Kettenende durcheine Verzweigung �xiert ist.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 149

Bei den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Pfropfpolymeren ist anzunehmen, dassdie Verteilung der Pfropfäste entlang des Rückgrats sowie dessen Polydispersität zu einerVerteilung unterschiedlich stark verzweigter Moleküle führt, die vermutlich neben sternför-migen Molekülen auch H-förmig und kammartig verzweigte Moleküle einschlieÿt. Die unter-schiedlichen Molekültopologien sind in Abhängigkeit vom Molekulargewicht des Rückgratsin Abb. 5.38 veranschaulicht. Unterstützt werden diese Überlegungen von den Untersu-chungen mittels gekoppelter GPC-Viskosimetrie und GPC-Vielwinkellichtstreuung, welcheaufzeigen, dass mit zunehmendem Molekulargewicht eine erhöhte Verzweigungsanzahl vor-liegt (s. Abschnitt 5.3.2). Die Molekülformen in der Mitte von Abb. 5.38 zeigen, dass einPfropfpolymer mit zwei Profpfästen einem H-förmigen Molekül entspricht. Zwischen zweiVerzweigungsstellen liegt jeweils ein internes Kettensegment vor.

Die Vermutung eines Zusammenhangs

�������������������

���������

��� �������������

��������

������ �������

Abb. 5.38: Verzweigungstopologien bei zuneh-mender Molekularmasse des Rückgrats.

zwischen dem Anteil interner Kettenseg-mente und dem Ausmaÿ der Dehnverfest-igung müsste aber durch gezielte Unter-suchungen an einfacher verzweigten Po-lymeren (z.B. engverteilten H-Polymerenmit unterschiedlichen Molekulargewichtendes Brückensegmentes und der Seitenäs-te) noch weiter untersucht und veri�ziertwerden. Hierfür sind spezielle anionischePolymerisationen nötig, um engverteiltePolymere mit de�nierter Molekültopolo-gie zu erhalten.

Literaturdaten von verzweigten Polyole�nen zeigen, dass trotz geringer Verzweigungs-grade eine Dehnverfestigung auftreten kann:

Hingmann und Marczinke untersuchten Polypropylene, bei denen durch einen Ver-zweiger auf chemischem Wege statistische Langkettenverzweigungen erzeugt wurden [142].Die Polypropylene mit etwa 1.5 bzw. 3 Verzweigungen pro Molekül zeigen eine deutlicheDehnverfestigung. Das von den Autoren untersuchte lineare Polypropylen mit höherer Poly-dispersität und einer höheren Nullviskosität weisen demgegenüber keine Dehnverfestigungauf. Das von Gabriel untersuchte langkettenverzweigte Metallocen-Polyethylen (LCB-mLLDPE 1) zeigt eine geringe Dehnverfestigung, obwohl der Langkettenverzweigungsgradmit durchschnittlich etwa einer Verzweigung pro Molekül niedrig ist [89].

Geht man davon aus, dass wegen des geringen Verzweigungsgrades lediglich sternförmi-ge Moleküle vorliegen, dann stehen die oben genannten Literaturdaten der als statistischverzweigt anzunehmenden Polyole�ne im Widerspruch zu den Literaturangaben sternför-mig verzweigter Modellpolymere, welche keine Dehnverfestigung aufweisen. Gabriel gibtfür das mittels Metallocen katalysierte langkettenverzweigte Polyethylen einen mit zu-nehmender Molmasse abnehmenden Kontraktionsfaktor an, was darauf hinweist, dass imBereich hoher Molmassen auch stärker verzweigte Moleküle vorliegen [89].

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150 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Nimmt man an, dass bei den statistisch verzweigten Polyole�nen und bei den Pfropfpo-lystyrolen eine Mischung unterschiedlich stark verzweigter Moleküle vorliegt, welche stern-förmige und stärker verzweigte Moleküle umfasst, dann stehen die Literaturergebnisse einerfehlenden Dehnverfestigung von Sternpolymeren den oben genannten Befunden nicht ent-gegen. Die Annahme, dass bei sternförmigen Polymeren generell eine Dehnverfestigungnicht auftritt, müsste aber durch weitere gezielte Untersuchungen, beispielsweise an hy-drierten Polybutadiensternen, veri�ziert werden, um eindeutig zu zeigen, dass auch stern-förmig verzweigte Polyethylene keine Dehnverfestigung aufweisen. Daneben können andereFaktoren, wie beispielsweise das Molekulargewicht oder Verschlaufungsdichten (d.h. dasVerhältnis aus Molekularmasse zu Verschlaufungsmolmasse Me) eine Rolle beim Ein�ussvon Verzweigungen auf das Ausmaÿ der Dehnverfestgung spielen.

5.5.2. Vergleich der Deformations- und Zeitabhängigkeit durch

Anwendung eines Integralmodells

Um die Dämpfungsfunktionen der Scherströmung, ermittelt über Spannungsrelaxations-versuche, mit jenen der uniaxialen Dehnung vergleichen zu können, werden wie in Ab-schnitt 3.4 beschrieben, die Dämpfungsfunktionen der uniaxialen Dehnströmung mittelsder aus den dynamisch-mechanischen Daten ermittelten Relaxationszeitspektren und deruniaxialen Dehnviskositäten ermittelt. Die Relaxationszeitspektren �nden sich im Anhang(Abschnitt A.7.1).

Bei der Berechnung der Dämpfungsfunktion aus Dehnviskositätsdaten müssen experi-mentelle Fehler und Berechnungsfehler berücksichtigt werden. Bei kleinen Dehnraten kön-nen sich geringe Temperaturunterschiede zwischen der Scherviskositätsfunktion und denDehnviskositäten in einer starken Abweichung der berechneten Dämpfungsfunktionen vondenen bei höheren Dehnraten bemerkbar machen. Durch geringe Temperaturschwankungenund eine begrenzte Kraftau�ösung der Kraftmessfeder kann es bei kleinen Dehnraten zu-dem zu einer geringen Schwankung der Dehnviskositäten kommen, die sich bei der Berech-nung der Dämpfungsfunktionen aber in einem gröÿeren Fehler auswirkt. Die Ermittlung derDämpfungsfunktionen wurde daher auf Dehnraten von _" > 0:1 s�1 beschränkt; eine Fehler-analyse ist im Anhang (Abschnitt A.7.2) aufgeführt. Die Zeit-Deformations-Separabilitätmit einer Separation in einen zeitabhängigen und einen deformationsabhängigen Term, d.h.die Gültigkeit von Glg. 3.78, ist dann erfüllt, wenn für verschiedene Dehnraten die Dämp-fungsfunktionen im untersuchten Messfenster jeweils auf einer Kurve zu liegen kommen(z.B. [29]).

Die berechneten Dämpfungsfunktionen hu(") sind für das lineare PS-r-95 und die Pfropf-polymere mit einem Pfropfastanteil �n;br von etwa 0.5, also PS-55-4.0G-13, PS-55-2.1G-27, PS-70-3.2G-22 und PS-60-1.4G-42 in Abb. 5.39 dargestellt. Im Rahmen der Bestim-mungsgenauigkeit kommen für verschiedene Dehnraten die Dämpfungsfunktionen im un-tersuchten Messfenster jeweils auf eine Kurve zu liegen. Die Dämpfungsfunktionen hu(")der verzweigten Pfropfpolymere zeigen eine geringere Deformationsabhängigkeit als die deslinearen Polystyrols PS-r-95. Die Deformationsabhängigkeit zwischen den Pfropfpolyme-ren unterscheidet sich deutlich, entsprechend ihrem Dehnverfestigungsverhalten (vgl. Abb.5.37): Sie nimmt von dem am geringsten dehnverfestigenden Pfropfpolymer PS-60-1.4G-42zu dem am meisten dehnverfestigenden Material PS-70-3.2G-22 ab.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 151

0 1 2 3 4

0.1

1

.

PS-r-95

PS-60-1.4G-42

PS-55-2.1G-27

PS-55-4.0G-13

PS-70-3.2G-22

Dehnrate ε [s-1]:

1.00.60.30.2

DE

D

ämpf

ungs

funk

tion

h u(ε)

Deformation ε

Abb. 5.39: Aus den uniaxialen Dehnviskositäten (Abbn. 5.34, 5.35 und 5.36) berechneteDämpfungsfunktionen hu(") von Pfropfpolymeren mit einem Pfropfastanteilzwischen 0.48 und 0.5 und des linearen Polystyrols PS-r-95 (s. Abb. 4.17). DE:Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion.

Sämtliche berechneten Dämpfungsfunktionen hu(") liegen über der Doi-Edwards-Dämpfungsfunktion (strichlierte Linie in Abb. 5.39). Damit unterscheiden sich die Dämp-fungsfunktionen, ermittelt aus Spannungsrelaxationsversuchen in einer Scherströmung vonjenen, die aus Dehnviskositätsdaten ermittelt wurden hinsichtlich ihrer Abhängigkeit vommolekularen Aufbau: Die Scher-Dämpfungsfunktionen h( ) unterscheiden sich für die Pfropf-polymere PS-55-4.0G-13, PS-55-2.1G-27, PS-70-3.2G-22 und PS-60-1.4G-42 mit einemPfropfastanteil von etwa 0.5 kaum (s. Abb. 5.31), in uniaxialer Dehnströmung ergebensich allerdings, abhängig von der Anzahl an Pfropfästen, deutliche Unterschiede in derDämpfungsfunktion hu(") (s. Abb. 5.39).

Wagner et al. bestätigen Unterschiede in den Dämpfungsfunktionen bei Vorliegen un-terschiedlicher Deformationen. So wurden die Dehnviskositätsdaten einer HDPE-Schmelzein uniaxialer, equibiaxialer und planarer Dehnung sowie in Scherung anhand einer rheologi-schen Zustandsgleichung in Integralform nach Glg. 3.74, allerdings mit einem modi�ziertenAnsatz für den deformationsabhängigen Tensor S

t(t0), analysiert [143]. Durch Anpassen

des Deformationstensors St(t0) an die experimentellen Daten identi�zieren die Autoren

signi�kante Unterschiede des deformationsabhängigen Terms zwischen Scher- und Dehn-strömungen: in der Scherströmung verhält sich die Schmelze wie ein Doi-Edwards-Fluid,d.h. mit einer maximalen Deformationsabhängigkeit des Tensors für die Deformation.

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152 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-9 10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 Pa-1 10010-5

10-4

10-3

10-2

10-1

100

101

102

103

104

105

Pa107

T0

= 170 °C

PS-55-2.1G-27PS-55-4.0G-13PS-60-1.4G-42PS-70-3.2G-22PS-r-95

Rel

axat

ions

stär

keg i

bezogene Relaxationszeit λi/ η

0

Abb. 5.40: Relaxationszeitspektren der Polystyrole aus Abb. 5.39.Bezugstemperatur: T0 = 170 ÆC.

Im Gegensatz dazu ist bei Dehnströmungen der Deformationstensor St(t0) in allen Fäl-

len wesentlich geringer von der Deformation abhängig.Wagner et al. interpretieren dieseErgebnisse so, dass Moleküle in Scherströmung � also in einem rotationsbehafteten Strö-mungsfeld � nur orientiert, nicht aber gestreckt werden, während in einer rotationsfreienDehnströmung die Moleküle sowohl orientiert als auch gestreckt werden. Eine Übertrag-barkeit der Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion von einer Scher� auf eineDehnströmung ist daher nicht möglich.

In Abb. 5.40 sind die Relaxationszeitspektren der in Abb. 5.39 gezeigten Pfropfpoly-meren dargestellt; die Relaxationszeiten sind auf die Nullviskosität bezogen. Signi�kanteUnterschiede in den Relaxationszeitspektren sind zwischen den einzelnen Pfropfpolymerennicht festzustellen. Dies entspricht dem experimentellen Befund, dass die Verzweigungenin einer temperatur- und molmasseninvarianten Darstellung nicht zu einer signi�kant un-terschiedlichen Frequenzabhängigkeit der komplexen Viskosität führen (s. Abb. 5.17).

Die Relaxationszeitspektren weisen im Gegensatz zu den bimodalen Polystyrolmischun-gen (Abschnitt 4.4.2) keine erhöhten Relaxationsstärken gi im Bereich langer Zeiten auf,wenn die Relaxationszeiten auf die entsprechenden Nullviskosiäten der Schmelze bezogenwerden. Der Ein�uss der Verzweigungen auf die Dehnverfestigung ist damit im Wesentli-chen auf eine erhöhte Deformationsabhängigkeit des deformationsabhängigen Terms nachGlg. 3.78 zurückzuführen.

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5.5. Rheologische Eigenschaften in Dehnströmung 153

Das Ausmaÿ der Dehnverfestigung ist bei den untersuchten Pfropfpolymeren nicht ein-deutig mit einer linear-viskoelastischen Gröÿe zu korrelieren: Die Erniedrigung der Null-viskosität ist beispielsweise bei den Pfropfpolymeren PS-70-3.2G-22, PS-55-4.0G-13 undPS-55-2.1G-27 bzw. PS-60-2.1G-27 im Rahmen der Messgenauigkeit identisch (vgl. Abb.5.20), die Dehnverfestigung nimmt aber in einer auf das gleiche Zeitfenster bezogenen Dar-stellung in der Reihe von PS-70-3.2G-22 über PS-55-4.0G-13 und PS-55-2.1G-27 deutlichab (siehe Abb. 5.37). Unterschiede in der Frequenzabhängigkeit der dynamischen Modulnsind in einer temperatur- und molmasseninvarianten Darstellung ebenfalls sehr gering aus-geprägt (s. Abb. 5.17) und erlauben keine Korrelation zum Ausmaÿ der Dehnverfestigung.

Die Ergebnisse der dehnrheologischen Messungen zeigen, dass die uniaxiale Dehnungeine geeignete Strömungsform ist, um Unterschiede im molekularen Aufbau sehr sensitivdetektieren zu können. Bemerkenswert ist, dass sich trotz des geringen Verschlaufungsgra-des der Seitenäste die Verzweigungen in einem deutlichen Unterschied der Dehnverfest-igung bemerkbar machen, obwohl die bezogenen Viskositätsfunktionen nur gering durchVerzweigungen beein�usst werden.

5.5.3. Vergleich des Dehnverfestigungsverhaltens linearer und

verzweigter Polystyrole

Das Pfropfpolymer mit der gröÿten Dehnverfestigung (PS-70-3.2G-22) ist der Mischungmit der höchsten Dehnverfestigung (PS-r-95/PS-a-1800 (95/5)) gegenübergestellt (Abb.5.41). Im Bereich hoher Dehngeschwindigkeiten zeigt das verzweigte Pfropfpolymer einehöhere Dehnverfestigung als die Mischung, im Bereich kleiner Dehngeschwindigkeiten weistdie Mischung eine höhere Dehnverfestigung auf als das Pfropfpolymer. Die lineare, bimo-dale Mischung weist eine geringere Abhängigkeit des Dehnverfestigungsfaktors S( _") vonder Dehnrate (bei gleicher Dehnung ") auf, als dies für das Pfropfpolymer PS-70-3.2G-22gefunden wird.

Eine Ursache für die Zunahme der Dehnverfestigung liegt bei den linearen Polystyrol-mischungen in den langen Relaxationszeiten, welche über die langsam relaxierenden hoch-molekularen Anteile eingebracht werden. Dies ist anhand der Relaxationszeitspektren derMischungen mit hochmolekularem Anteil ersichtlich (Abb. 4.22, Abschnitt 4.4.2): Im Be-reich langer Relaxationszeiten ist bei der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) die Relaxati-onsstärke gi in einem Zeitbereich zwischen etwa 10 und 300 s gegenüber dem Spektrum deslinearen PS-r-95 erhöht. Gleiches gilt � wenn auch geringer ausgeprägt � für die MischungenPS-r-95/PS-a-600 (95/5) und PS-r-95/PS-a-1800 (95/1). Die Dämpfungsfunktionen hu(")zwischen PS-r-95 und PS-r-95/PS-a-600 (95/5) unterscheiden sich nicht signi�kant, wasauf die Relevanz des Relaxationszeitspektrums, also der linear-viskoelastischen Gröÿe, fürdas Ausmaÿ der Dehnverfestigung bei Mischungen linearer Moleküle hinweist.

Im Gegensatz zu einer Zugabe von hochmolekularen Komponenten weisen die Schmel-zen der verzweigten Pfropfpolystyrole bei gleicher Bezugstemperatur gegenüber linearemPolystyrol gleicher Molekularmasse kürzere Relaxationszeiten auf. Die Berücksichtigungder Nullviskositätserniedrigung durch den Bezug der diskreten Relaxationszeiten �i aufdie Nullviskosität (Abb. 5.40) ergibt zwischen dem linearen PS-r-95 und den in Abb. 5.40dargestellten verzweigten Pfropfpolymeren keine signi�kanten Unterschiede in den Relaxa-

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154 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

10-1 100 101 102104

105

106

.

Dehnrate ε [s-1]: 1.0 0.3

0.1 0.06

.

PS-r-95 / PS-a-1800 (95/5)

PS-70-3.2G-22

s

Pas

Deh

nvis

kosi

tät η

E( ε

, t)

Zeit t

Abb. 5.41: Vergleich der Dehnverfestigung eines hoch verzweigten Propfpolymers PS-70-3.2G-22 (geschlossene Symbole) und der Mischung PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) (o�ene Sym-bole). Messtemperaturen: PS-r-95/PS-a-1300 (95/5): T = 169.0 ÆC, PS-70-3.2G-22: T =148.5 ÆC. Linien bezeichnen 3�(t) aus den dynamischen Daten.

tionszeitspektren. Die erhöhte Dehnverfestigung der Pfropfpolymere in einer Darstellung,welche die verringerte Nullviskosität der Pfropfpolymere berücksichtigt (z.B. nach einerMethode wie in Abb. 5.37, Abschnitt 5.5.1), ist aufgrund der vergleichbaren Relaxations-zeitspektren (Abb. 5.40) auf eine unterschiedliche Deformationsabhängigkeit der Dämp-fungsfunktion (Abb. 5.39) für die untersuchten Schmelzen zurückzuführen.

Der Ein�uss der Zeit- und Deformationsabhängigkeit auf die Dehnverfestigung wird inder Literatur beispielsweise von Kasehagen et al. diskutiert: Die Autoren untersuchtenlineare und verzweigte Polybutadien-Schmelzen und analysierten die Zeit- und Deforma-tionsabhängigkeit anhand einer K-BKZ-Gleichung in der Form nach Glg. 3.78 [63]. DieGenerierung eines Modellspektrums durch Einführung einer zusätzlichen langen diskre-ten Relaxationszeit �i zum experimentell ermittelten Relaxationszeitspektrum des linea-ren Polybutadiens zeigt, dass der zusätzliche Anteil der langen Relaxationszeit zu einemsehr starken Anstieg der berechneten Dehnviskositäten führt. Demgegenüber ändert sichdie berechnete Dehnviskosität durch Variation der Dämpfungsfunktion nur geringfügig.Die Autoren schlieÿen daraus, dass auch bei linearen Polymeren eine signi�kante Dehnver-festigung durch Einbringen von Molekülen mit langer Relaxationszeit erzielt werden kann[63]. In vorliegender Arbeit wurde die Dämpfungsfunktion indirekt durch die Anwendungeines Integralmodelles ermittelt. Eine experimentelle Methode zur direkten Ermittlung derDämpfungsfunktionen hu(") aus uniaxialer Dehnung ist noch nicht allgemein verfügbar,lieÿe sich aber anhand von Spannungsrelaxationsversuchen durch Aufgabe eines Deforma-tionssprunges in uniaxialer Dehnung realisieren.

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5.6. Zusammenfassung und Ausblick 155

5.6. Zusammenfassung und Ausblick

Die scher- und dehnrheologischen Untersuchungen der verzweigten Pfropfpolystyrole erlau-ben über die Kenntnis ihres molekularen Aufbaus, der aus der Synthese und der molekula-ren Charakterisierung ermittelt wurde, einen Einblick in die Wirkung von Verzweigungenauf viskoelastische Eigenschaften der Schmelze.

Molekulare Charakterisierung

� Der molekulare Aufbau der Pfropfpolymere wurde anhand der Synthesedaten, mitGPC-Analyse und statischer Lichtstreuung sowie durch chemische Abspaltung derPfropfäste und ihrer Analyse ermittelt (Details werden von Haug angegeben [4]).

� Die Kopplung von Gelpermeationschromatographiemit Viskositätsmessung bzw. Viel-winkellichtstreuung (Daten von Haug [4]) erlaubt die Ermittlung der Kontraktions-faktoren, über welche die molmassenabhängige Verzweigungszahl abgeschätzt werdenkann. Die Anzahl an Verzweigungen pro Molekül nimmt mit dem Molekulargewichtstark zu.

Mechanisch-dynamische Untersuchungen

� Sämtliche untersuchten Pfropfpolymere weisen eine ausreichende thermische Stabi-lität für die rheologischen Untersuchungen auf. Eine Abspaltung der Pfropfäste beithermischer Belastung ist nicht festzustellen.

� Die Untersuchungen der Schmelzen der verzweigten Pfropfpolymeren zeigen, dass dieFrequenzabhängigkeiten der dynamischen Viskositäten sich in einer von der Moleku-larmasse und der Temperatur invarianten Darstellung nur geringfügig unterscheiden.Anhand eines Vergleiches mit Sternpolystyrolen wird der geringe Ein�uss der Ver-zweigungen auf die Viskositätsfunktionen mit der geringen Anzahl an Verschlaufun-gen der Seitenäste bzw. des Rückgrats in Zusammenhang gebracht.

� Sämtliche Pfropfpolystyrole weisen gegenüber den linearen Polystyrolen mit ver-gleichbarem Molekulargewicht eine niedrigere Nullviskosität auf. Die niedrigere Null-viskosität steht qualitativ in Zusammenhang mit der Verringerung der intrinsischenViskosität einer verdünnten Lösung der Pfropfpolymere im Vergleich zu den linearenPolystyrolen; sie wird der Molekülkontraktion, also einer Verringerung der Moleküldi-mensionen durch Verzweigungen, zugeschrieben. Das Ausmaÿ der Nullviskositätser-niedrigung wird sowohl vom Anteil �n;br der Seitenketten als auch von deren mittlererAnzahl �p pro Molekül beein�usst.

� Der Ein�uss von Verzweigungen auf die Gleichgewichtsnachgiebigkeit ist wesentlichgeringer als der Ein�uss der Polydispersität der Molmassenverteilung: Dies zeigt sichan der starken Zunahme der Gleichgewichtsnachgiebigkeit von radikalisch synthe-tisiertem Polystyrol gegenüber anionischem, engverteiltem Polystyrol. Der geringeEin�uss von Verzweigungen auf die elastischen Eigenschaften wird mit dem geringenMolekulargewicht der Pfropfpolymere und der damit verbundenen geringen Anzahlan Verschlaufungen der Seitenäste bzw. des Moleküls in Zusammenhang gebracht.

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156 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

� Die Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren der Pfropfpolymere unterscheiden sichnicht von denen linearer Polystyrole. Dies ist mit dem bei amorphen Thermoplas-ten nahe dem Glasübergang dominierenden Ein�uss des freien Volumens auf dieTemperaturabhängigkeit zu erklären.

Spannungsrelaxationsversuche

� Aus den Spannungsrelaxationsmoduln als Funktion der Zeit, ermittelt bei groÿenDeformationen, lassen sich im untersuchten Zeitbereich Masterkurven konstruieren.

� Die Deformationsabhängigkeit der Scher-Dämpfungsfunktionen unterscheidet sichzwischen den einzelnen Pfropfpolymeren signi�kant; als entscheidender molekularerParameter für die Deformationsabhängigkeit der Scher-Dämpfungsfunktion wird derAnteil �n;br an Pfropfästen identi�ziert, falls die Pfropfastlänge nicht deutlich unter-halb des kritischen Wertes für Verschlaufungen liegt.

� Sehr kurze Pfropfäste deutlich unterhalb des Verschlaufungsmolekulargewichtes Me

verändern die Deformationsabhängigkeit der Dämpfungsfunktion in Scherung im Ver-gleich zum linearen Polystyrol nicht signi�kant.

Uniaxiale Dehnviskositäten

� Der niedermolekulare Makromonomerrest wirkt sich bei den untersuchten Pfropfpo-lymeren nicht signi�kant auf das Ausmaÿ der Dehnverfestigung aus, wenn über einegeeignete Wahl der Messtemperaturen die Nullviskositäten angepasst werden.

� Die Verzweigungen der Pfropfpolymere führen zu einem Anstieg der Dehnverfest-igung gegenüber linearen, unverzweigten Polystyrolen mit vergleichbarer Molekular-massenverteilung. Eine erhöhte mittlere Pfropfastanzahl �p pro Molekül führt zu einemAnstieg der Dehnverfestigung, wenn vergleichbare Zeitfenster betrachtet werden. DasPfropfastmolekulargewichtMw;br ist im Rahmen der untersuchten Topologien gegen-über der mittleren Anzahl �p der Pfropfäste für das Ausmaÿ der Dehnverfestigungunbedeutend.

� Auch Pfropfäste mit einem Molekulargewicht in der Nähe des Verschlaufungsmole-kulargewichtes Me tragen zu einer gegenüber linearen Polymeren mit vergleichbarerPolydispersität deutlich erhöhten Dehnverfestigung bei. Sehr kurze Pfropfäste mit ei-nem Molekulargewicht deutlich unterhalb der Verschlaufungsmolmasse zeigen keinesigni�kante Zunahme der Dehnverfestigung.

� Der Ein�uss der Molekültopologie auf das Ausmaÿ der Dehnverfestigung lässt sichnicht eindeutig mit Materialfunktionen (beispielsweise der Nullviskosität), wie siein einer Scherströmung ermittelt wurden, korrelieren. So ist für eine Erniedrigungder intrinsischen Viskosität bzw. der Nullviskosität vor allem der Pfropfastanteil ent-scheidend. Das Molekulargewicht der Pfropfäste geht in diese Gröÿen mit ein, spieltaber für das Ausmaÿ der Dehnverfestigung keine Rolle.

� Mittels hochmolekularer Komponenten ist bei linearem Polystyrol durch eine geeig-nete Molmassenverteilung in einem vergleichbaren Zeitfenster eine ähnliche Dehnver-festigung zu erzielen wie über Verzweigungen.

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5.6. Zusammenfassung und Ausblick 157

Bedeutung für die Praxis und Ausblick

Die vorliegenden Untersuchungen machen deutlich, dass für die Wirkung von Verzweigun-gen auf rheologische Eigenschaften von Polymerschmelzen nicht nur die Molekülkonsti-tution eine Rolle spielt, sondern auch der Verschlaufungsgrad des Moleküls, ausgedrücktbeispielsweise durch das Verhältnis vom Gewichtsmittelwert zum Verschlaufungsmoleku-largewicht. Dies zeigt sich beispielsweise an dem geringen Ein�uss der Verzweigungen aufdie Frequenzabhängigkeit der komplexen Viskosität.

Da sich die mittlere Molekularmasse des Gesamtmoleküls und der Verzweigungen so-wie das Verschlaufungsmolekulargewicht Me und damit der Verschlaufungsgrad von einemPolymertyp zum anderen deutlich unterscheiden können, lässt sich der Ein�uss von Ver-zweigungen auf rheologische Eigenschaften ohne Berücksichtigung dieser Ein�ussfaktorennicht ohne weiteres von einem Polymertyp auf einen anderen übertragen.

Wenn auch die scherrheologischen Untersuchungen und die Temperaturabhängigkeit derViskosität der Polystyrolschmelzen keine uneingeschränkte Analogie zu den für die Zielset-zung der Untersuchungen wichtigen Polyethylenschmelzen ergeben haben, so erlauben diedehnrheologischen Untersuchungen doch einen Einblick in die Wirkung von Länge und An-zahl der untersuchten Langkettenverzweigungen auf dehnrheologische Eigenschaften. DieUntersuchungen an den Pfropfpolystyrolen legen nahe, für eine erhöhte Dehnverfestigungdie mittlere Pfropfastzahl pro Molekül zu erhöhen.

Die Umsetzung dieser Erkenntnisse in eine weitere Optimierung von Polymerwerksto�enin Bezug auf ihr Flieÿverhalten bei der Verarbeitung hängt vor allem davon ab, inwieweitgewünschte Polymertopologien mit dem entsprechenden Polymerisationsprozess oder durchein geeignetes Nachbearbeitungsverfahren (z.B. einer peroxidischen Behandlung) realisiertwerden können. Bei mittels Metallocen-Katalysatoren polymerisierten Polyethylenen kannüber die Reaktionsbedingungen die Pfropfastdichte in gewissen Grenzen variiert werden(beispielsweise über die Partialdrücke von Ethan und Wassersto� [85, 87]). Die Länge derPfropfäste lässt sich jedoch als Folge des Polymerisationsmechanismus (einer statistischerfolgenden �-Eliminierung mit anschlieÿender Reinsertion des gebildeten oligomeren Ma-kromonomers [90, 91, 92]) nicht ohne weiteres regulieren [144]. Für eine Erhöhung derPfropfastanzahl bietet sich bei Metallocen-katalysierten Polyethylenen an, über eine Ma-kromonomertechnik während der Synthese bereits polymerisierte Polyethylene mit end-ständiger Doppelbindung zuzugeben, um einen erhöhten Verzweigungsgrad zu erreichen[144]. Aufgrund der Ergebnisse an den Pfropfpolymeren ist zu erwarten, dass bereits eingeringes Molekulargewicht der Seitenäste in der Nähe der Verschlaufungsmolmasse aus-reicht, damit die Seitenäste zu einer erhöhten Dehnverfestigung beitragen.

Des weiteren lassen sich durch geeignete Polymerisationsverfahren auch hochmoleku-lare Anteile erzeugen, welche ebenfalls eine erhöhte Dehnverfestigung bewirken können.Die hochmolekularen Anteile müssen jedoch ein ausreichende Molekularmasse aufweisen,damit sie zu einer erhöhten Dehnverfestigung führen. Eine bimodale Molmassenverteilunglieÿe sich auch durch Zugabe von höhermolekularen Komponenten noch im Polymerisati-onsreaktor oder aber in einem nachfolgenden Compoundierschritt erzielen.

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158 5. Rheologische Eigenschaften von verzweigten Polystyrolen

Ein wesentliches Charakteristikum von Polystyrol ist sein hohes Verschlaufungsmole-kulargewichtMe. Ein wesentlich höheres Molekulargewicht der Seitenäste als etwa Mw;br =60 000 g/mol und damit ein höherer Verschlaufungsgrad konnten nicht realisiert werden,da mit steigendem Molekulargewicht des Makromonomers die Einbauraten in das Pfropf-polymer sinken. Weiterhin haben Vorversuche ergeben, dass hochmolekularere und damitstärker verschlaufte Pfropfpolystyrole (z.B. ein in Substanz polymerisiertes Pfropfpolymermit Mw = 560 000 g/mol) für die rheologischen Untersuchungen nicht ausreichend ther-misch stabil sind.

Grundlegende Folgeuntersuchungen könnten demnach an engverteilten, stärker ver-schlauften Molekülen mit einfacher Topologie (z.B. H-Polymere oder Sterne) erfolgen, daein hoher Verschlaufungsgrad den kommerziell bedeutenden Polyethylenen und Polypropy-lenen näher kommt als die sehr wenig verschlauften Polystyrole. Für einen höheren Ver-schlaufungsgrad können hierbei Polymere mit geringerem Verschlaufungs-MolekulargewichtMe zum Einsatz kommen, beispielsweise Polyisobutylen oder Polybutadien. Die Untersu-chung an sehr einfachen verzweigten Polymertopologien hätte den Vorteil, eine enge Ver-knüpfung der rheologischen Eigenschaften mit molekulardynamischen Modellen herstellenzu können.

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6. Rheologische Eigenschaften von

linearen und verzweigten

Polycarbonaten

In diesem Kapitel werden rheologische Eigenschaften von linearen und verzweigten Polycar-bonaten vorgestellt. In Abschnitt 6.2 wird auf den molekularen Aufbau der Polycarbonateeingegangen, in Abschnitt 6.3 auf die scherrheologischen Eigenschaften und in Abschnitt6.4 auf die dehnrheologischen Eigenschaften.

Die Untersuchungen rheologischer Eigenschaften von linearen und verzweigten Polycar-bonaten wird den rheologischen Eigenschaften der Pfropfpolystyrole und von verzweigtenPolyethylenschmelzen gegenüber gestellt, um eine erste Aussage zu den Auswirkungen vonVerzweigungen auf rheologische Eigenschaften in Abhängigkeit vom Verschlaufungsgradund damit vom Typ des Polymers machen zu können.

6.1. Einleitung

Polycarbonat auf der Basis von 2.2-Bis(4-hydroxyphenyl)propan (Bisphenol A, abgekürztBPA) ist einer der wichtigsten technischen Thermoplaste. Er zeichnet sich durch einegegenüber anderen technischen Thermoplasten vorteilhafte Eigenschaftskombination aus:Transparenz, Wärmeformbeständigkeit, Zähigkeit, Stei�gkeit, thermische Stabilität, guteelektrische Eigenschaften, Maÿstabilität, und Legierfähigkeit mit anderen Thermoplasten[145, 146, 147]. Die Synthese von BPA-Polycarbonat erfolgt nahezu ausschlieÿlich über einPhasengrenz�ächen-Polykondensationsverfahren, bei dem Phosgen mit Bisphenol A umge-setzt wird [145, 146, 147].

Aufgrund der gegenüber anderen Thermoplasten hohen Schmelzeviskosität von Poly-carbonat lässt sich dieses nur bis zu gewissen Molekularmassen thermoplastisch verarbei-ten [145]. Typische Gewichtsmittelwerte Mw praxisrelevanter linearer BPA-Polycarbonateliegen daher zwischen 22.000 und 35.000 g/mol [146]. Das Molekulargewicht wird durchZugabe monofunktionaler Endgruppen limitiert; hierfür kommen Phenol oder PTBP (p-tert-Butylphenol) mit Anteilen von 3 bis 5 mol-% zum Einsatz [146, 147]. Durch den Ein-bau kleiner Mengen tri- oder tetrafunktioneller Monomerer (�Verzweiger�) sind verzweigteBPA-Polycarbonate zugänglich. Als Verzweigermonomere kommen beispielsweise mehr-funktionelle Phenole, wie THPE (1,1,1-tris-p-hydroxyphenylethan) [148, 149, 150] oderBPX (2,4-bis(p-hydroxycumyl)phenol) [151, 152] zum Einsatz.

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160 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

Von Jordan und Richards sowie Kim et al. werden die molaren Anteile trifunktio-neller Monomerer mit einem Bereich von 0.3 bis 0.7 mol-% bzgl. BPA angegeben [148, 149,153]. Ein gegenüber diesem Konzentrationsbereich deutlich erhöhter Anteil an mehrfunk-tionellen Monomeren führt zu einer Vernetzung [145, 154, 155].

Für die Kunststo�verarbeitung sind verzweigte Polycarbonate von groÿer Bedeutung,da sie aufgrund ihrer rheologischen Eigenschaften für bestimmte Herstellungsprozesse be-sonders geeignet sind. Sie werden vor allem bei der Extrusion von Massiv- und Hohl-kammerplatten (z.B. Doppelstegplatten für die Verglasung von Gewächshäusern) und imExtrusionsblasformverfahren für die Herstellung groÿvolumiger Hohlkörper (z.B. Wasser-behälter) eingesetzt [145, 148, 149].

Die wenigen in der Literatur zitierten rheologischen Eigenschaften linearer (z.B. [156,157]) und verzweigter (z.B. [145, 152, 153, 155, 158]) BPA-Polycarbonate umfassen lediglichAngaben zur Synthese sowie scherrheologische Untersuchungen, nicht aber dehnrheologi-sche Kenngröÿen, die vor allem für jene Verarbeitungsverfahren interessant sind, in denenDehndeformationen eine dominierende Rolle spielen.

Die scherrheologischen Untersuchungen von Jordan und Richards [153], Grigo etal. [145], Freitag et al. [146] und Dobkowski [152] zeigen bei verzweigten Polycarbo-naten eine gegenüber den linearen Typen deutlich stärker ausgeprägte Strukturviskosität.Durch Variation des Verzweigeranteils erhalten Jordan und Richards Polycarbonatemit unterschiedlichem Verzweigungsgrad; die Scherviskositätsfunktion zeigt eine Zunahmeder Strukturviskosität mit erhöhtem Verzweigeranteil [153]. Da bei keiner Arbeit eine Mol-massenverteilung für die verzweigten Polycarbonate angegeben ist, kann der Ein�uss derPolydispersität auf rheologische Eigenschaften nicht diskutiert werden.

Die hier vorgestellten Untersuchungen erlauben einen Einblick in den Zusammenhangzwischen dem molekularen Aufbau und rheologischen Eigenschaften verschiedener ver-zweigter Polycarbonate.

6.2. Molekulare Charakterisierung

6.2.1. Molekularmassenverteilungen

Die rheologischen Untersuchungen erfolgten an zwei linearen und drei verzweigten Poly-carbonaten. Dabei handelt es sich um BPA-Polycarbonate, welche von der Fa. Bayer AGsynthetisiert wurden. Die verzweigten Typen weisen nach Herstellerangaben trifunktionelleVerzweigungen auf. Bei den gering verzweigten Polycarbonaten PC-b-1 und PC-b-2 wurdeweniger trifunktioneller Verzweiger zugesetzt als bei dem hochverzweigten Typ PC-b-3. DieVerzweigerkonzentrationen liegen zwischen 0.3 und 0.6 mol-% Verzweiger bzgl. des molarenAnteils an BPA. Die in dieser Arbeit untersuchten Typen enthalten, auÿer PC-b-2, das imppm-Bereich mit Blaufarbsto�en eingefärbt ist, keine Additiva.

Abb. 6.1 zeigt die mittels Gelpermeationschromatographie am Lehrstuhl für Polymer-werksto�e (LSP) bestimmten Molekularmassenverteilungen; die Ermittlung der Massen-verteilungsdichte erfolgte über eine lineare Kalibrierung, wie in Abschnitt 2.1 beschrieben.

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6.2. Molekulare Charakterisierung 161

103 104 105 1060.0

2.5

5.0

7.5

10.0

12.5

15.0

17.5

g/mol

10-6

mol/g

GPC ErlangenLösungsmittel: THFT = 25 °C

PC-l-1PC-l-2PC-b-1PC-b-2PC-b-3

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

w(M

)

Molekularmasse M

Abb. 6.1: Molekularmassenverteilung der linearen und verzweigten Polycarbonate (linea-re Kalibrierung).

Die Molekularmassenmittelwerte sind zusammen mit Herstellerangaben in Tab. 6.1 auf-geführt. Die am LSP bestimmten Molekularmassenmittelwerte liegen systematisch etwashöher als die Herstellerangaben.

Für die Darstellung der molmassenabhängigen rheologischen Gröÿen der Polycarbona-te werden die mittels GPC-Streulicht-Kopplung ermittelten Werte herangezogen, die der�wahren� Molekularmasse entsprechen, und für das lineare PC-l-2 der in Tab. 6.1 aufge-führte Wert vom Hersteller, da hier keine Messungen mittels GPC-Streulicht-Kopplungdurchgeführt wurden. Die vom Hersteller angegebenen, mittels Lichtstreuung detektiertenGewichtsmittelwerte der verzweigten Polycarbonate liegen etwa 5% über den mittels linea-rer Kalibrierung berechneten Werten.

Die linearen Polycarbonate weisen eine für Polykondensate typische Schulz-Flory-Verteilung mit einer Polydispersität von etwa zwei auf. Demgegenüber ist bei den verzweig-ten Polycarbonaten die Polydispersität erhöht. Das stark verzweigte PC-b-3 ist breiter ver-teilt als PC-b-1 und PC-b-2 (Tab. 6.1).

Aus dem Zahlenmittelwert Mn ergibt sich unter Vernachlässigung der Endgruppen einPolymerisationsgrad1 von etwa 50. Unter der Annahme, dass jedes trifunktionelle Verzwei-germonomer zu einer Langkettenverzweigung führt2, lässt sich der Verzweigungsgrad grobabschätzen.

1 Zugrunde gelegt: Mn = 15 000 g/mol, Molmasse der Grundeinheit von BPA-PC: Mg = 254.3 g/mol.2 Voraussetzung hierfür ist, dass sich dort, wo ein Verzweigermonomer eingebaut wird, ausreichend langeSeitenketten bilden.

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162 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

Tab. 6.1: Molekulare Daten der linearen und verzweigten PolycarbonateProbe Topologie GPC 1a GPC 2b GPC-LSc

Mw Mn Mw= Mw Mn Mw= Mw

[g/mol] [g/mol] Mn [g/mol] [g/mol] Mn [g/mol]PC-l-1 linear 33 550 17 530 1.91 30 540 15 190 2.01 30 100PC-l-2 linear 35 480 18 420 1.93 31 980 13 620 2.35 k.A.PC-b-1 verzweigt 32 970 14 670 2.25 k.A. k.A. k.A. 30 200PC-b-2 verzweigtd 36 000 15 690 2.30 32 160 13 460 2.39 34 070PC-b-3 verzweigte 44 320 16 410 2.70 35 450 13 090 2.71 37 480

a Anlage am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e (LSP). Lineare Kalibrierung (s. Abschnitt 2.1).b GPC mit linearer Kalibrierung. Angaben von Dr. Schultz, Bayer AG.c Ermittelt über GPC mit Streulicht- und Brechungsindex-Detektion.Angaben von Dr. Schultz, Bayer AG.

d Vergleichbare Verzweigerkonzentration wie bei PC-b-1.e Höherer Verzweigeranteil als bei PC-b-1 und PC-b-2.

Im Mittel weist durchschnittlich nur etwa jedes dritte bis siebte Makromolekül eine Ver-zweigung auf, je nach Verzweigerkonzentration. Die durchschnittliche Verzweigungsanzahlder Polycarbonate ist demnach gering, verglichen mit der mittleren Anzahl an Verzwei-gungen bei den PS-Pfropfpolymeren, die im Mittel zwischen 0.5 und 3.2 Pfropfäste proMolekül aufweisen.

6.2.2. Lösungsviskosimetrie

Die Viskositätsbestimmung der Polycarbonatlösungen wurden am Lehrstuhl für Polymer-werksto�e durchgeführt; die Durchführung ist in Abschnitt 3.1 beschrieben. Abb. 6.2a zeigtim oberen Teil die Bestimmung der intrinsischen Viskositäten durch Extrapolation derGröÿen �spez=c und 1=c � ln �rel auf eine Lösungskonzentration von Null. Die so bestimmtenintrinsischen Viskositäten sind als Funktion des Gewichtsmittelwertes in Abb. 6.2b darge-stellt. Aus der Fitgeraden ermitteln sich die Mark-Houwink-Koe�zienten (Glg. 5.2) zuKw = 27:8 � 10�3 cm3/g und a = 0.74. Sie stimmen sehr gut mit Literaturangaben für dasSystem BPA-Polycarbonat/Dichlormethan (Kw = 29.9 �10�3 cm3/g und a = 0.74 [112])überein.

Wie bei den verzweigten Polystyrolen liegen die intrinsischen Viskositäten der verzweig-ten Polycarbonate niedriger als die der linearen Polycarbonate mit identischer Molekular-masse. Die beiden gleich stark verzweigten Polycarbonate PC-b-1 und PC-b-2 zeigen einenvergleichbaren Kontraktionsfaktor g' (Glg. 5.3), das stärker verzweigte PC-b-3 zeigt einengeringeren. Dies liegt an der erhöhten Molekülkontraktion mit zunehmendem Anteil anVerzweigungen (vgl. Abschnitt 5.3.3). Die erniedrigte Lösungsviskosität kann demnach alsNachweis für das Vorhandensein von Verzweigungen angesehen werden.

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6.2. Molekulare Charakterisierung 163

0 1 2 3 4 545

50

55

60

65

70

.

.

ml/g

Konzentration cg/l

ηspez/c 1/c ln ηrel

PC-l-1PC-l-2ml/g

g/l

Lösungsmittel: DichlormethanT = 25 °C

η spez/c

1/c

lnη re

l

Konzentration c

.

0 1 2 3 4 545

50

55

60

65

70a)

ηspez/c 1/c ln ηrel

PC-b-1PC-b-2PC-b-3

2x104 6x10430

100b)

g':0.930.900.82 .

PC-l-1PC-l-2PC-b-1PC-b-2PC-b-3 [η] = K

wM

w

a

g/mol

Lösungsmittel: DichlormethanT = 25 °C

ml/g

Intr

insi

sche

Vis

kosi

tät[

η]

Molekularmasse Mw

Abb. 6.2: (a) Spezi�sche und relative Viskosität als Funktion der Lösungskonzentrationzur Ermittlung der intrinsischen Viskositäten. (b) Intrinsische Viskosität als Funktion derMolekularmasse.Mark-Houwink-Konstanten aus der Fitgerade: Kw = 27:8 � 10�3 cm3/gund a = 0.74.

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164 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

6.3. Scherrheologische Eigenschaften

6.3.1. Stabilitätsuntersuchungen

Die Stabilität wurde am deformationsgesteuerten Scherrheometer bei der höchsten in dendynamisch-mechanischen Untersuchungen angewandten Messtemperatur von T = 290 ÆCunter Sticksto�atmosphäre durchgeführt. Die Messungen erfolgten bei Kreisfrequenzen imoder nahe dem Newtonischen Bereich der komplexen Viskosität sowie bei Deformations-amplituden von 0 � 0:05 [20]. In Vorversuchen wurde gezeigt, dass bei Deformationsam-plituden bis 0 = 0:3 der Speichermodul G' nicht von der Deformation abhängt und dieMessungen daher im linear-viskoelastischen Deformationsbereich erfolgen [20].

Abb. 6.3 zeigt die zeitabhängigen komplexen Viskositäten der linearen und verzweigtenPolycarbonate, bezogen auf den ersten Messwert. Die linearen Polycarbonate sind sehr sta-bil und weisen selbst nach einer Stunde thermischer Belastung keine Viskositätsänderungauf, die 5% überschreitet. Bei den verzweigten Typen nimmt die komplexe Viskosität beilängerer thermischer Belastung zu. Dies ist besonders ausgeprägt bei dem niedrigviskosenPC-b-1, bei dem nach etwa 30 Minuten die Viskosität um mehr als 5 % ansteigt. Diethermische Stabilität aller Polycarbonate bei der höchsten Messtemperatur ist aber für dierheologischen Untersuchen ausreichend, da die Beladungs- und Messzeit unterhalb von 20Minuten liegt.

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 45000.8

0.9

1.0

1.1

1.20.8

0.9

1.0

1.1

1.2

s

Zeit t

PC-b-1 (ω = 0.5 rad/s)PC-b-2 (ω = 0.5 rad/s)PC-b-3 (ω = 0.1 rad/s)

+5 %

- 5 %

- 5 %

+5 %

PC-l-1 (ω = 1.0 rad/s)PC-l-2 (ω = 0.5 rad/s)

T = 290 °CAtmosphäre: N

2

rela

tive

kom

plex

eV

isko

sitä

t|η*

|(t)/

|η*|

(t0)

Abb. 6.3: Auf den ersten Messwert (bei t = t0) bezogene komplexe Scherviskosität alsFunktion der Messzeit für die linearen und verzweigten Polycarbonate.

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 165

In der Studienarbeit vonMaier konnte anhand von Vorversuchen gezeigt werden, dassdie Polycarbonate unterhalb von 290 ÆC thermisch wesentlich stabiler sind: Bei 270 ÆC än-dert sich die komplexe Viskosität der Typen PC-l-1, PC-b-2 und PC-b-3 selbst nach einerStunde weniger als 2 % [20]. Die thermische Stabilität der untersuchten Polycarbonate istdemnach völlig ausreichend für die rheologischen Untersuchungen in einem Temperatur-fenster bis 290 ÆC.

6.3.2. Mechanisch-dynamische Untersuchungen

Die Auftragung nach van Gurp und Palmen [122] in Abb. 6.4 zeigt exemplarisch an-hand des linearen PC-l-1 und des verzweigten PC-b-1, dass die Funktionen Æ(log jG�j) fürunterschiedliche Messtemperaturen im Rahmen der Messgenauigkeit zusammenfallen. Beikleinen Kreisfrequenzen wird bei PC-l-1 das Newtonsche Gebiet erreicht (PhasenwinkelÆ = 90Æ). Eine deutliche Au�ächerung der Werte von Æ(log jG�j), wie sie im Falle von sichthermorheologisch komplex verhaltenden Schmelzen gefunden wird (z.B. [122]), ist bei denhier untersuchten verzweigten Polycarbonaten nicht festzustellen. Die verzweigten Poly-carbonate verhalten sich thermorheologisch einfach.

20

30

40

50

60

70

80

90

komplexer Modul |G*|

PC-l-1

PC-b-2180 °C 240 °C190 °C 250 °C200 °C 260 °C210 °C 270 °C220 °C 280 °C230 °C 290 °C

Phas

enw

inke

102 103 104 105 106 107

°

Pa

Abb. 6.4: Auftragung des Dämpfungswinkels Æ als Funktion des komplexen Moduls jG�jdes linearen PC-l-1 und des höher verzweigten PC-b-3 nach van Gurp undPalmen [122].

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166 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103

104

105

106

PC-l-1 PC-l-2 PC-b-1 PC-b-2 PC-b-3

a)T

0 = 200 °C

η0

Pas

rad/s

Kom

plex

e V

isko

sitä

t | η

*(ω

)| / a

T

Kreisfrequenz ω aT

.

103 104 105 106 107 108

10-2

10-1

100

linear

b)

stärker verzweigt

normal verzweigt

PC-l-1 PC-l-2

PC-b-1 PC-b-2

PC-b-3

Pa

Red

uzie

rte

kom

plex

e V

isko

sitä

t | η

*|/ η

0

reduzierte Kreisfrequenz ω η0.

Abb. 6.5: (a) Masterkurven der dynamischen Viskosität als Funktion der Kreisfrequenzfür die linearen und verzweigten Polycarbonate.(b) Temperatur- und molmasseninvariante Darstellung der dynamischen Vis-kosität (PC-b-3: Bezug auf den Maximalwert von j��j).

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 167

Die komplexen Viskositäten als Funktion der Kreisfrequenz zeigt Abb. 6.5a sowie inreduzierter Form nach Vinogradov Abb. 6.5b. Bei linearem Polycarbonat ist die Regelvon Cox undMerz erfüllt [153]. Zur Diskussion eines Ein�usses des molekularen Aufbausauf die Strukturviskosität der Schmelze bei den verzweigten Typen wird dies ebenfalls an-genommen. Mit Ausnahme von PC-b-3 wird bei allen Typen das Newtonsche Plateauerreicht (Abb. 6.5a). In der temperatur- und molmasseninvarianten Darstellung nach Vi-nogradov [124] kommen die linearen Polycarbonate im Rahmen der Messgenauigkeitübereinander zu liegen, was aufgrund der vergleichbaren Polydispersität von PC-l-1 undPC-l-2 zu erwarten ist (Abb. 6.5b).

Demgegenüber weisen die verzweigten Polycarbonate eine ausgeprägtere Strukturvis-kosität gegenüber den linearen Typen auf. Bei den normal verzweigten Typen PC-b-1und PC-b-2 mit vergleichbarer Polydispersität und gleichem Verzweigeranteil ist die Aus-prägung der Strukturviskosität ähnlich. Das stark verzweigte PC-b-3 mit einer breiterenMolekularmassenverteilung zeigt eine ausgeprägtere Strukturviskosität im Vergleich zu dennormal verzweigten Typen PC-b-1 und PC-b-2.

Die stärkere Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion der verzweigten Polycarbo-nate besitzt folgende anwendungstechnische Relevanz [145, 153]: Durch die bei den ver-zweigten Typen bei hohen Scherraten geringere Viskosität als bei den linearen Polycarbo-naten wird der Förder- und Homogenisierprozess im Extruder verbessert und die Extrusi-onsdrücke werden reduziert. Nach Verlassen der pro�lgebenden Düse steigt die Viskositätstärker an und erlaubt dadurch aufgrund der besseren Schmelzestandfestigkeit die formsta-bile Extrusion auch dünnwandiger Pro�le (z.B. Doppelkammerstegplatten). Im Falle einerCoextrusion lässt sich die Schmelzeviskosität der verzweigten Typen über die Scherrateaufgrund der erhöhten Strukturviskosität besser an die Viskosität des anderen Polymersanpassen, als dies mit linearen Polycarbonaten möglich ist.

Eine ausgeprägtere Strukturviskosität gegenüber den linearen Typen wird für verschie-den stark verzweigte BPA-Polycarbonate auch von Grigo et al. [145], Dobkowski [152]sowie Jordan und Richards [153] gefunden. Molekularmassenverteilungen werden vonden Autoren allerdings keine genannt, daher können die Auswirkungen einer mit zunehmen-dem Verzweigeranteil erhöhten Polydispersität auf die rheologischen Eigenschaften nichtvon denen der Verzweigungen separiert werden. Jordan und Richards �nden auch beibreiter verteiltem, linearem BPA-Polycarbonat mit einer Polydispersität Mw/Mn von 3.0eine erhöhte Strukturviskosität gegenüber dem linearen, enger verteilten Polycarbonat mitMw/Mn = 2.6 [153]. Eine mit Zunahme der Polydispersität erhöhte Strukturviskosität imÜbergangsbereich wird auch bei Polystyrolen festgestellt [31, 33].

Der Vergleich zwischen PC-l-2 und PC-b-2, die beide nach Herstellerangaben eine ähn-liche Polydispersität aufweisen, zeigt, dass die erhöhte Strukturviskosität der verzweigtenPolycarbonate im Wesentlichen auf das Vorliegen von Verzweigungen zurückzuführen ist.

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168 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

10-2 10-1 100 101 102

langkettenverzweigt:PS-90-1.2G-27PC-b-2mLLDPE 3

nicht langkettenverzweigt:PS-r-95PC-l-1mLLDPE 4

norm

iert

eM

asse

nver

teilu

ngsd

icht

ew

(M)/

w(M

p)

bezogene Molekularmasse M/Mw

0.0

0.5

1.0

Abb. 6.6: Molmassenverteilungen von linearem und verzweigtem Polystyrol, Polycarbonatund Polyethylen. Die Molmassenverteilungen sind auf der Abszisse mit dem Gewichtsmit-telwert skaliert (Mw erhalten durch Integration der GPC-Kurve) und auf der Ordinate aufdas Peakmaximum normiert. Daten für die Polyethylene mLLDPE 3 und mLLDPE 4 vonGabriel und Münstedt [88].

Vergleich des Ein�usses von Verzweigungen auf die Viskositätsfunktion beiverschiedenen Polymeren

Verzweigungen können sich, je nach chemischem Aufbau des Polymers, unterschiedlich aufdie rheologischen Eigenschaften auswirken. In diesem Abschnitt werden daher die Ergeb-nisse eines Pfropfpolystyrols mit denen eines verzweigten Polycarbonats und mit Literatur-daten eines verzweigten Polyethylens mit vergleichbarer Polydispersität zusammengeführtund mit den entsprechenden linearen Spezies verglichen. Dabei wird auf Faktoren ein-gegangen, welche für die Wirkung von Verzweigungen auf die Frequenzabhängigkeit derkomplexen Viskosität in Abhängigkeit vom untersuchten Polymersystem von Bedeutungsind.

Abb. 6.6 zeigt die Molmassenverteilungen von linearem und verzweigtem Polystyrol,Polycarbonat und Polyethylen. Die Molmassenverteilungen sind auf der Abszisse mit demGewichtsmittelwert und auf der Ordinate auf den Maximalwert der Massenverteilungs-dichte w(Mp) normiert. Sämtliche Polymerisate haben eine vergleichbare Polydispersitätzwischen 1.7 und 2.3.

Der Verzweigungsgrad von PS-90-12.G-27 liegt durchschnittlich bei einer Verzweigungpro Molekül (s. Abschnitt 5.3.2). Bei dem verzweigten Polyethylen mLLDPE 3 ist nachGabriel ebenfalls von etwa einer Verzweigung pro Molekül auszugehen ([89], dort be-

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 169

102 103 104 105 106 107 108

10-2

10-1

100

Pa

redu

zier

teko

mpl

exe

Vis

kosi

tät|

η*|/η

0

bezogene Kreisfrequenz ωη0

nicht langkettenverzweigt: langkettenverzweigt:PS-r-95 PS-90-1.2G-27PC-l-1 PC-b-2mLLDPE 4 mLLDPE 3

Abb. 6.7: Temperatur- und molmasseninvariante Darstellung der komplexen Viskositätenvon linearem und langkettenverzweigtem Polystyrol, Polycarbonat und Polyethylen mitvergleichbarer Polydispersität. Daten für die Polyethylene mLLDPE3 und mLLDPE4 vonGabriel und Münstedt [88]. O�ene Symbole: Typen ohne Langkettenverzweigungen;geschlossene Symbole: Langkettenverzweigte Typen. Pfeile: Ein�uss von Verzweigungenauf die Viskositätsfunktion.

zeichnet mit LCB-mLLDPE 1). Das verzweigte Polycarbonat PC-b-2 weist demgegenüberanhand der Abschätzung in Abschnitt 6.2.1 wesentlich weniger als eine Verzweigung proMolekül auf. mLLDPE 4 ist ein Copolymerisat aus Ethen und 1-Buten und enthält Kurz-kettenverzweigungen, aber keine Langkettenverzweigungen [88]. Nach den Ergebnissen vonHeino et al. sowie Wood-Adams et al. führen Kurzkettenverzweigungen nicht zu einersigni�kant erhöhten Strukturviskosität [159, 160] � das kurzkettenverzweigte mLLDPE 4wird daher bei den nicht langkettenverzweigten Typen aufgeführt.

Die komplexen Viskositäten sind in temperatur- und molmasseninvarianter Darstellungin Abb. 6.7 gezeigt. Am stärksten ausgeprägt ist die Änderung der Viskositätsfunktion beiPolyethylen: Im Vergleich zu dem nicht langkettenverzweigten mLLDPE 4 weist das lang-kettenverzweigte mLLDPE 3 eine wesentlich stärkere Strukturviskosität auf.

Für Polyethylen sind in der Literatur vergleichbare Ergebnisse genannt:Wood-Adamset al. �nden bei gering langkettenverzweigten Metallocen-Polyethylenen gegenüber linearenbzw. kurzkettenverzweigten Polyethylenen einen deutlichen Ein�uss der Verzweigungen aufdie dynamischen Moduln und auf die Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion [160].

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170 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

Tab. 6.2: Zusammenstellung der Verschlaufungsparameter für PS, PC und PE.

Material Verschlaufungsmolmasse VerschlaufungszahlMe

a [g/mol] ne = Mw=Meb

Polystyrol 18 100 8Polycarbonat 1 780 20Polyethylen 1 250 80

a Angaben nach Wu [161] und Ferry [30].b Abschätzung mit den typischen Gewichtsmittelwerten der in dieser Arbeit aufgeführtenPolymere: PS (Mw = 150 kg/mol), PC (Mw = 35 kg/mol), PE (Mw = 100 kg/mol)

Mit zunehmendem Langkettenverzweigungsgrad nimmt das Ausmaÿ der Strukturvis-kosität von Metallocen-katalysierten Polyethylenen gegenüber linearen bzw. kurzketten-verzweigten Polyethylenen deutlich zu. Die Polydispersität der von Wood-Adams et al.untersuchten Metallocen-Polyethylene unterscheidet sich trotz unterschiedlicher Verzwei-gungsgrade nicht [160].

Auch bei Polycarbonat ändert sich die Strukturviskosität durch Verzweigungen signi-�kant. Bei Polystyrol zeigt bereits der lineare Typ im Vergleich zu Polyethylen und Poly-carbonat eine stärker ausgeprägte Strukturviskosität. Hier führen die Pfropfäste nicht zueiner wesentlichen Änderung der invariant dargestellten Viskositätsfunktion.

Eine mögliche Interpretation der Unterschiede in der Wirkung von Verzweigungen aufdie Viskositätsfunktion kann anhand der Verschlaufungsdichte erfolgen; ein erster Vergleichwurde bereits anhand von sternförmigen Molekülen in Abschnitt 5.4.4 durchgeführt. DieVerschlaufungsmolmasse unterscheidet sich zwischen PS, PC und PE signi�kant (Tab. 6.2).Wu wies anhand von 44 Polymeren einen Zusammenhang zwischen der Kuhn'schen Kon-stanten C1 und der Anzahl an drehbaren Bindungen zwischen zwei Verschlaufungspunktennach3 [161]. Die gegenüber anderen Polymeren hohe Verschlaufungsmolekularmasse von Po-lystyrol ist auf die hohe Kettenstei�gkeit dieses Polymeren zurückzuführen, die ihre Ursachein der sterischen Behinderung der Molekülbeweglichkeit durch die Phenylringe der Kettehaben. Polystyrol mit einer steifen Polymerkette liegt mit einem Wert der Kuhn'schenKonstante von 10.2 wesentlich höher als das �exiblere Polyethylen mit einem Wert von 6.7[162].

Aufgrund unterschiedlicher Molekulargewichtsmittelwerte und Werte für das Verschlau-fungsmolekulargewicht Me der in dieser Arbeit aufgeführten Polystyrole, Polycarbonateund Polyethylene ergeben sich verschiedene Verschlaufungszahlen ne, ausgedrückt durchdas Verhältnis Mw=Me (Tab. 6.2). Die in Abschnitt 5.4.4 getro�enen Überlegungen einesZusammenhangs zwischen der Frequenzabhängigkeit der komplexen Viskosität und demVerschlaufungsgrad bei sternförmigen Polystyrolen können vermutlich auch auf die in die-

3 Die Kuhn'sche Konstante C1 kann als ein Maÿ für die Kettenstei�gkeit betrachtet werden und liegtfür verschiedene Polymere in einem Bereich zwischen 5 und 11 [1].

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 171

ser Arbeit untersuchten gering verzweigten Polycarbonate und Polyethylene übertragenwerden: Das verzweigte Polystyrol PS-90-1.2G-27 und das langkettenverzweigte Polyethy-len (mLLDPE 3) weisen im Durchschnitt etwa eine Verzweigung pro Molekül auf. Trotzdemist die Frequenzabhängigkeit bei dem untersuchten Polyethylen durch die Verzweigungenstark erhöht. Bei Polystyrol, bei dem das lineare PS-r-95 bereits eine starke Frequenzab-hängigkeit aufweist, führen die Verzweigungen jedoch kaum zu einer erhöhten Frequenz-abhängigkeit der Viskositätsfunktion (Abb. 6.7). Die verzweigten Polycarbonate sind nochwesentlich geringer verzweigt (< 0.3 Verzweigungen/Molekül) als die Polystyrole. Trotzdemist hier ein deutlicher Ein�uss der Verzweigungen auf die Viskositätsfunktion festzustellen.Die Änderung der Viskositätsfunktion durch einen geringen Verzweigungsanteil hängt alsowahrscheinlich davon ab, wie stark verschlauft die Moleküle sind.

Die Länge der Verzweigungen sind bei PC und PE nicht bekannt. Zumindest beiMetallocen-katalysierten Polyethylenen kann man aufgrund des statistischen Reaktionsme-chanismus jedoch davon ausgehen, dass die Länge der Verzweigungen mit der Molekular-masse des gesamten Moleküls korreliert, also mit steigendem Molekulargewicht zunimmt[144, 163]. Der Ein�uss des Seitenarm-Molekulargewichts auf die reduzierte Viskositäts-funktion wurde für sternförmige Polystyrole anhand der Daten von Graessley bereits disku-tiert (Abb. 5.18 in Abschnitt 5.4.4): Eine erhöhte Seitenastmolekularmasse und damit eineerhöhte Verschlaufungszahl der Seitenäste führt bei sternförmigen Polystyrolen zu einererhöhten Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion. Dieser Befund kann nach vorlie-genden Ergebnissen qualitativ auf den Vergleich von Polymeren mit unterschiedlichem che-mischen Aufbau übertragen werden. Ein erhöhter Verschlaufungsgrad der Moleküle führtzu einer stärkeren Frequenzabhängigkeit der Viskositätsfunktion, wenn vergleichbare Ver-zweigungszahlen vorliegen.

6.3.3. Nullviskositäten

Die Nullviskositäten als Funktion des Gewichtsmittelwertes sind für die Polycarbonatein Abb. 6.8 aufgetragen4. Die linearen Typen kommen im Rahmen des Vertrauensberei-ches der Messgenauigkeit für die gelpermeationschromatographischen Bestimmung des Ge-wichtsmittelwertes von � 5 % gut auf einer Gerade mit der Steigung 3.4 zu liegen. EineAbhängigkeit der Nullviskosität vom Molekulargewicht mit 3.4er Potenz wird für linearesPolycarbonat auch von Jordan und Richards angegeben [153].

Die Nullviskositäten der beiden verzweigten Typen PC-b-2 und PC-b-3 liegen deutlichoberhalb der Geraden für die linearen Polycarbonate, der Typ PC-b-1 liegt etwas darun-ter. Da die verzweigten Polycarbonate nach der in Abschnitt 6.2.1 getro�enen Abschätzungeinen sehr geringen Verzweigungsgehalt aufweisen, erscheint ein Vergleich mit sternförmi-gen Molekülen gerechtfertigt.

4 Die Angaben der Nullviskositäten der linearen Polycarbonate (bezeichnet mit PC linear) wurden dan-kenswerterweise von Dr. D.-J. Dijkstra (Bayer AG) zur Verfügung gestellt; die bei einer Messtemperaturvon T = 260 ÆC ermittelten Werte wurden mit dem Verschiebungsfaktor von PC-l-1 auf T = 200 ÆCumgerechnet (Glg. 3.43).

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172 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

104 105

105

106

T0 = 200 °C

-+Fehlerbalken Mw : 5 %

3.4

g/mol

Pas

PC-l-1 PC-l-2 PC-b-1 PC-b-2 PC-b-3

PC linear

Nul

lvik

ositä

t η 0

Molekularmasse M w

Abb. 6.8: Nullviskositäten als Funktion der Molekularmasse der verzweigten und linearenPolycarbonate. Die lineare Gerade mit der Steigung 3.4 ergibt einen Vorfaktor nach Glg.4.2 von K = 11:5 �10�11 Pas � (g/mol)�3:4. Der Pfeil über PC-b-3 deutet an, dass die wahreNullviskosität höher als der angegebene Wert ist.

Abb. 6.9 zeigt Literaturangaben der Nullviskositäten als Funktion der Molekularmas-se für sternförmig verzweigte Polystyrole und Polyisoprene. Die Gewichtsmittelwerte sinddurch Bezug auf das Verschlaufungsmolekulargewicht Me normiert dargestellt5. Wie be-reits in Abschnitt 5.4.5 erwähnt, liegen die Nullviskositäten der Sternpolymere bei kleinemMolekulargewicht bzw. wenigen Verschlaufungen unter der Beziehung für die linearen Mo-leküle, bei höherem Molekulargewicht liegen sie darüber. Der Schnittpunkt zwischen demNullviskositätsverlauf für die Sternpolymere und der Beziehung für die linearen Polymereverschiebt sich bei höherer Funktionalität f der Sternpolymere zu einem höheren Wert desMolekulargewichts bzw. der Verschlaufungszahl ne (Abb. 6.9). Der Schnittpunkt liegt beiVerschlaufungszahlen von etwa 30 bis 60, je nach Funktionalität des Sternmoleküls.

Der Übergang von einer gegenüber den linearen Polycarbonaten geringeren Nullvikosi-tät zu einer höheren Nullviskosität bei gleichem Molekulargewicht erfolgt bei den verzweig-ten Polycarbonaten in einem vergleichbaren Bereich der Verschlaufungszahlen wie bei den3-armigen Sternen mit nur einer Verzweigung pro Molekül (Abb. 6.8): Die Verschlaufungs-zahlen liegen für PC-b-1 bei etwa 17, für PC-b-2 bei etwa 19. Die geringere Nullviskositätvon PC-b-1 gegenüber den linearen Polycarbonaten gleicher Molekularmasse lässt sich da-her vermutlich ebenso auf den geringen Verschlaufungsgrad dieses Typs zurückführen.

5 Polystyrol: Me = 18 100 g/mol [30], Polyisopren: Me = 5 000 g/mol [59]

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 173

1 10 10010-2

10-1

100

101

102

103

104

105

106

Pas

108

TT

3.4

3.4

lineares PI 3-arm Stern-PI 4-arm Stern-PI

[Fetters et al. (1993)]

lineares PS 4-arm Stern-PS 6-arm Stern-PS

[Graessley & Roovers (1979)]

Nul

lvis

kosi

tät η

0

Verschlaufungszahl ne = M

w/M

e

f = 3 f = 4

Abb. 6.9: Nullviskositäten von sternförmigen und linearen Molekülen als Funktion derauf die Verschlaufungsmolmasse bezogenen Gewichtsmittelwerte. Daten der Polystyrol-Sterne von Graessley und Roovers [51], Bezugstemperatur: T = 169.5 ÆC. Angabenfür sternförmige Polyisoprene von Fetters et al. [59], Bezugstemperatur: T = 60 ÆC. fbezeichnet die Funktionalität der Sternpolymere.

6.3.4. Gleichgewichtsnachgiebigkeiten

Die Masterkurven der Speichernachgiebigkeiten J 0 sind zur Abschätzung der Schmelze-elastizität in Abb. 6.10 dargestellt. Plateauwerte für J 0, die J0

e entsprechen, sind strichliertangedeutet. Die Gleichgewichtsnachgiebigkeit ist bei dem normal verzweigten Typ PC-b-1trotz der nur gering erhöhten Polydispersität der Molmassenverteilung etwa um den Fak-tor fünf höher als bei den linearen Polycarbonaten. Die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten vonPC-b-2 und PC-b-3 liegen noch höher, lassen sich aber wegen des begrenzten Frequenzbe-reichs von J 0 anhand vorliegender Daten nicht bestimmen.

Hier wird ein Unterschied zu den verzweigten Polystyrolen deutlich: Obwohl die Ab-schätzung der Verzweigungsanzahl anhand des Anteils mehrfunktioneller Monomerer beiden Polycarbonaten wesentlich weniger Verzweigungen pro Molekül ergibt als bei den ver-zweigten Polystyrolen, nimmt die Elastizität bei Polycarbonat wesentlich deutlicher durchVerzweigungen zu als dies bei den verzweigten Polystyrol-Pfropfpolymeren gefunden wird.Auch wenn die Molekularmasse der Polycarbonate gegenüber den Polystyrolen wesentlichgeringer ist, so sind die Moleküle von Polycarbonat aufgrund ihres geringeren Verschlau-fungsmolekulargewichtes Me im Vergleich zu PS stärker verschlauft (siehe Abschätzung inTab. 6.2).

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174 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

10-3 10-2 10-1 100 101 102

10-6

10-5

10-4 T0

= 200 °C

rad/s

Pa-1

PC-b-1PC-b-2PC-b-3

PC-l-1PC-l-2

Spei

cher

nach

gieb

igke

itJ'(

a Tω

)

Kreisfrequenz aTω

Abb. 6.10: Masterkurven der Speichernachgiebigkeiten der linearen und verzweigten Po-lycarbonate. Bezugstemperatur: T = 200 ÆC.

Bei sternförmigen Polymeren wird ein linearer Zusammenhang zwischen der Verschlau-fungszahl der Seitenarme und der Gleichgewichtsnachgiebigkeit angegeben (siehe Glg. 5.15in Abschnitt 5.4.6). Auch bei Kammpolymeren nimmtmit zunehmendemMolekulargewichtder Seitenäste bei konstanter Pfropfastanzahl und konstantem Rückgratmolekulargewichtdie Gleichgewichtsnachgiebigkeit zu.

Betrachtet man die verzweigten Polycarbonate aufgrund der geringen Verzweigungsge-halte angenähert als sternförmige Moleküle, so lässt sich die Gleichgewichtsnachgiebigkeitder verzweigten Polycarbonate gegenüber den linearen Polycarbonaten mit der Anzahl anVerschlaufungen pro Molekül in Zusammenhang bringen und mit sternförmigen Modell-polymeren vergleichen.

In Abb. 6.11 sind die Gleichgewichtsnachgiebigkeiten der in Abb. 6.6 aufgeführten linea-ren und verzweigten Typen von Polystyrol, Polycarbonat und Polyethylen mit vergleich-barer Polydispersität als Funktion des auf die Verschlaufungsmolmasse Me bezogenen Ge-wichtsmittelwertes Mw dargestellt.

Zum Vergleich enthält Abb. 6.11 auch Literaturdaten von engverteilten linearen undsternförmigen Polystyrolen. Die Normierung auf die Verschlaufungszahl ne zeigt, dass erstab etwa zehn Verschlaufungen pro Molekül die Gleichgewichtsnachgiebigkeit der engverteil-ten Sternpolymere gegenüber der von engverteilten, linearen Polystyrolen erhöht ist (FallA). Bei den in dieser Arbeit untersuchten Polystyrolen führt die höhere Polydispersitätzu einer gegenüber den anionischen Polystyrolen erhöhten Gleichgewichtsnachgiebigkeit;

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6.3. Scherrheologische Eigenschaften 175

1 10 100 1000

10-5

10-4

10-3

S

S

SS

S

S

(D)

(C)(B)

(A)

verzweigte Polycarbonate

mLLDPE 3 2

mLLDPE 4 2

lineares Polycarbonat PC-l-1

1[Graessely & Roovers (1979)]

2[Gabriel & Münstedt (1999)]

lineares anion. PS1

4-Arm PS-Stern1

Pfropfpolystyrole PS-r-95

Pa-1

Gle

ichg

ewic

htsn

achg

iebi

gkei

t Je0

Verschlaufungszahl ne = M

w/M

e

Abb. 6.11: Gleichgewichtsnachgiebigkeiten als Funktion des auf das Verschlaufungsmole-kulargewicht nach Wu [161] bezogenen Gewichtsmittelwertes für PS, PC und PE:(A) Engverteilte lineare und sternförmige 4-Arm Polystyrole. Daten von Graessley undRoovers [51]. (B) Lineares Polystyrol PS-r-95 und Pfropfpolystyrole. (C) Metallocen-katalysierte LLDPE; Daten von Gabriel undMünstedt [88]. (D) Lineare und verzweig-te Polycarbonate. Die kleinen Pfeile über den Symbolen der verzweigten Polycarbonatedeuten an, dass die Werte von J0

e höher sind als angegeben. Die getrichelten Pfeile zei-gen den Anstieg der Gleichgewichtsnachgiebigkeit durch Verzweigungen bei vergleichbarerPolydispersität der Molmassenverteilung.

diese erhöht sich bei den Pfropfpolymeren durch Verzweigungen nicht mehr sehr stark(Fall B, vgl. Diskussion in Abschnitt 5.4.6). Bei den Polyethylenen mit einer gegenüber PSund PC um ein Vielfaches höheren Verschlaufungszahl führen bereits geringe Langketten-verzweigungsanteile zu einer Erhöhung der Gleichgewichtsnachgiebigkeit um nahezu eineDekade (Fall C). Die Gleichgewichtsnachgiebigkeit des linearen Polycarbonates PC-l-1 liegtunterhalb des Wertes der engverteilten, anionischen Polystyrole, obwohl die Polydispersi-tät der linearen Polycarbonate wesentlich höher ist als die der engverteilten Polystyrole.Bei Polycarbonat führen die Verzweigungen ebenfalls zu einem sehr starken Anstieg derGleichgewichtsnachgiebigkeit (Fall D).

Der Ein�uss des Molekulargewichtes und damit der Verschlaufungszahl bei engver-teilten sternförmigen Polymeren zeigt, dass die Gleichgewichtsnachgiebigkeit bei gleichbleibender Topologie mit steigender Verschlaufungszahl zunimmt; dies gilt auch für Lite-raturdaten H-förmiger und hochmolekularer, engverteilter Kammpolyere [105, 125]. Nebender Anzahl an Verschlaufungen pro Molekül spielt die Seitenastlänge bzw. bei unbekann-ter Seitenastlänge der Verschlaufungsgrad ne des Gesamtmoleküls eine entscheidende Rolle.

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176 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

Probe Gleichgewichtsnachgiebigkeit J0e Nullviskosität �0

[10�6 Pa�1] [105 Pas]

PC-l-1 6.67 � 0.36 2.03 � 0.03PC-l-2 5.78 � 0.28 2.80 � 0.03PC-b-1 29.0 � 0.21 1.64 � 0.02PC-b-2 > 50 5.6 � 0.07PC-b-3 > 70 > 20.3

Tab. 6.3: Gleichgewichtsnachgiebigkeiten (ermittelt aus den Speichernachgiebigkeiten) so-wie Nullviskositäten der Polycarbonate. Bezugstemperatur: T0 = 200 ÆC.

Man erkennt den Ein�uss deutlich bei PE und PC � hier weisen die verzweigten Typeneine deutlich höhere Gleichgewichtsnachgiebigkeit J0

e auf als die linearen Typen mit ver-gleichbarer Polydispersität. Bei den untersuchten PS-Pfropfpolymeren ist dem gegenüberkein signi�kanter Unterschied festzustellen, da zum einen die gegenüber den anionischenPolystyrolen erhöhte Polydispersität des linearen PS-r-95 bereits zu einer Erhöhung vonJ0e führt und zum anderen die Seitenäste nicht stark verschlauft sind.

Zeit-Temperatur-Verschiebung

Die aus den Verschiebungsfaktoren nach Glg. 3.47 ermittelten WLF-Parameter sind inTabelle 6.4 zusammengefasst. Die Verschiebungsfaktoren unterscheiden sich zwischen denlinearen und den verzweigten Typen nicht signi�kant [20]. Jordan und Richards gebenebenfalls an, bei verzweigten BPA-Polycarbonaten keinen Ein�uss des Verzweigeranteilsauf die WLF-Parameter der untersuchten Schmelzen zu �nden [153].

Die WLF-Invarianten c1 � c2 und T1 liegen in einem Bereich, wie sie für lineare BPA-Polycarbonate auch von anderen Autoren angegeben werden: Von Lomellini wird fürlineares BPA-Polycarbonat die Invariante c1 � c2 mit 469.9 K und T1 mit 102.7 ÆC an-gegeben [135]. Bei den Untersuchungen von Fuchs an vier verschiedenen linearen BPA-Polycarbonaten liegen die Invarianten c1 � c2 zwischen 344.0 und 410.6 K, die Werte für T1liegen zwischen 109.6 und 112.4 ÆC [164].

Die Unabhängigkeit der Zeit-Temperaturverschiebungsfaktoren sowie der hieraus ermit-teltenWLF-Parameter vommolekularen Aufbau kann wie bei den verzweigten Polystyrolenmit dem nahe des Glasübergangs dominierenden Ein�uss des freien Volumens auf die Tem-peraturabhängigkeit interpretiert werden. Ein WLF-Verhalten wird nach Lomellini fürPolycarbonat in einem Temperaturbereich bis Tg + 185 K gefunden [135]. Das Tempera-turfenster der in dieser Arbeit untersuchten Polycarbonatschmelzen erstreckt sich bis etwaTg + 145 K und liegt damit deutlich in dem Temperaturbereich, für den Lomellini einWLF-Verhalten angibt. In diesem Temperaturbereich ist ein Ein�uss des freien Volumensauf die Temperaturabhängigkeit mechanisch-dynamischer Daten vorhanden.

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6.4. Dehnrheologische Eigenschaften 177

Tab. 6.4: Übersicht der aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung ermittelten WLF-Parameter der linearen und verzweigten Polycarbonate.

WLF-ParameterProbe Tg

a c1b c2

b c1 � c2 T1 c1;gc c2;g

c

[ÆC] [K] [K] [ÆC] [K]

PC-l-1 144.7 4.4 88.0 383.1 112.0 32.7 11.7PC-l-2 146.9 4.6 93.3 429.3 106.7 40.2 10.7PC-b-1 141.8 4.6 104.4 480.2 95.6 46.2 10.4PC-b-2 144.8 4.5 90.3 410.2 109.7 35.1 11.7PC-b-3 144.3 4.4 88.0 383.1 112.0 32.3 11.9

a aus DSC-Messungen; Werte von Tmg für Heizrate � ! 0b T0 = 200 ÆCc T0 = Tg

6.4. Dehnrheologische Eigenschaften

Abb. 6.12a zeigt die transienten Dehnviskositäten der linearen Polycarbonate PC-l-1 undPC-l-2, Abb. 6.12b die der verzweigten Typen PC-b-2 und PC-b-3. Die Dehnviskositätensind sehr gut reproduzierbar; Reproduzierbarkeitsmessungen �nden sich in der Diplom-arbeit von Wörle [22]. Im Bereich kleiner Deformationen (" < 1) liegen die uniaxialenDehnviskositäten auf der zeitabhängigen Viskositätsfunktion 3�(t), die aus den dynami-schen Viskositäten ermittelt wurde. Die untersuchten linearen Typen PC-l-1 und PC-l-2zeigen keine oder nur sehr geringe Anzeichen einer Dehnverfestigung (Abb. 6.12a). Die ver-zweigten Typen PC-b-2 und PC-b-3 weisen einen deutlichen Anstieg der Dehnviskositätüber die linear-viskoelastische Anlaufkurve auf (Abb. 6.12b).

Bei hohen Dehnraten kommt es bei dem hochviskosen Typ PC-b-3 zu einem Versagender Probe6 bei Hencky-Dehnungen zwischen etwa 2 und 2.5, was einer Verstreckung � vonetwa zehn entspricht. Die Spannungen, bei denen eine Einschnürung beginnt, die mit einemAbriss endet, liegen zwischen etwa 1 �105 Pas und 3 �105 Pa. Das mittelviskose PS-b-2 lässtsich bis zur maximal möglichen Hencky-Dehnung von etwa " = 3:0 uniaxial deformieren.

Für die in Abb. 6.12 gezeigten linearen und verzweigten Polycarbonate sind die Dehn-verfestigungsfaktoren S bei einer Dehnung von " = 2 als Funktion der Dehnrate in Abb.6.13 gezeigt. Wegen inhomogener Deformation der Schmelzefäden bei den linearen Polycar-bonaten wurden hier die Dehnverfestigungsfaktoren S bei geringerer Dehnung ausgewertetals bei den Polystyrolen. Die linearen Polycarbonate weisen keine signi�kante Dehnver-festigung auf; ihre Dehnverfestigungsfaktoren S liegen nahe eins. Die Dehnviskositäten derverzweigten Typen liegen deutlich über der linear-viskoelastischen Anlaufkurve, was sichin einem Dehnverfestigungsfaktor S > 1 zeigt. Die Werte von S des stärker verzweigtenPC-b-3 liegen höher als die des normal verzweigten PC-b-2 (Abb. 6.13).

6 Das Versagen der Probe ist auf eine inhomogene Deformation des Schmelzefadens zurückzuführen.

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178 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

100 101 102 103105

106

.Dehnrate ε [s-1]:

0.1 0.03 0.01

.Dehnrate ε [s-1]:

0.1 0.05 0.01

PC-l-1

PC-l-2 3η(t)

a)

.

Pas

s

T = 200 °C

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

100 101 102 103104

105

106

107

b)Pas

PC-b-2

PC-b-3

.

Pas

s

T = 200 °C

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

105

106

107

108

.Dehnrate ε [s-1]: 0.1 0.03 0.01

.Dehnrate ε [s-1]: 0.1 0.05 0.03 0.01

3 η(t)

3 η(t)

Abb. 6.12: (a) Dehnviskositäten der linearen Polycarbonate. (b) Dehnviskositäten derverzweigten Polycarbonate. Messtemperatur: T = 200 ÆC. Linien bezeichnen3 �(t) aus den dynamischen Daten (Abb. 6.5).

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6.4. Dehnrheologische Eigenschaften 179

0.01 0.1 10.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

s-1

.

T = 200 °Cε = 2.0

PC-l-1 PC-l-2 PC-b-2 PC-b-3

Deh

nver

fest

igun

gsfa

ktor

S

Dehnrate ε

Abb. 6.13: Dehnverfestigungsfaktoren S bei einer Dehnung von " = 2 als Funktion derDehnrate für die linearen und verzweigten Polycarbonate.

Die Ursache der Dehnverfestigung der verzweigten Polycarbonate ist im Wesentlichenauf das Vorliegen von Verzweigungen zurückzuführen, da die Polydispersitäten von PC-b-2 und PC-l-2 nach Herstellerangaben vergleichbar sind (vgl. Tab. 6.1). Das verzweigtePolycarbonat PC-b-3, welches gegenüber PC-b-2 einen höheren Verzweigeranteil und einegeringfügig höhere Polydispersität aufweist, zeigt eine deutlich höhere Dehnverfestigungals PC-b-2. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit dem Ein�uss der mittleren Anzahlan Verzweigungen bei Pfropfpolystyrolen auf das Ausmaÿ der Dehnverfestigung.

So wurde in Abschnitt 5.5.1 gezeigt, dass die Dehnverfestigung mit steigendem mitt-lerem Pfropfastanteil (beispielsweise in der Reihe PS-80-0.6G-22, PS-90-1.2G-27, PS-55-2.1G-27 und PS-70-3.2G-22 ) signi�kant zunimmt (vgl. Abb. 5.37).

Der geringe Verzweigeranteil unterhalb von 1 mol-% führt also bei den beiden unter-suchten verzweigten Polycarbonatschmelzen bereits zu einer deutlichen Dehnverfestigung,obwohl nach der Abschätzung in Abschnitt 6.2.1 die verzweigten Polycarbonate durch-schnittlich weniger als eine Verzweigung pro Molekül aufweisen. Auch bei den schwachverzweigten Pfropfpolymeren PS-80-0.6G-22 und PS-60-0.5G-55, die durchschnittlich eben-falls weniger als eine Verzweigung pro Molekül aufweisen, konnte gezeigt werden, dass einmittlerer Verzweigungsgrad unter einer Verzweigung pro Molekül bereits zu einer Dehn-verfestigung führen kann (s. Abschnitt 5.5.1).

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180 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

Die von Bin Wadud und Baird untersuchten schwach langkettenverzweigten Metallo-cen-katalysierten Polyethylene (LLDPE) zeigen ebenfalls eine gering ausgeprägte Dehnver-festigung [72]. Die Autoren ermittelten anhand von gekoppelten GPC-MALLS-Messungenüber eine Theorie nach Zimm und Stockmayer einen Langkettenverzweigungsgrad, der mitetwa 0.6 bzw. 0.2 Langkettenverzweigungen pro 10 000 C-Atomen angegeben wird.

Das von Gabriel untersuchte schwach langkettenverzweigte Metallocen-katalysierteLLDPE, dessen Verzweigungsgrad vom Autor anhand der Ergebnisse gekoppelter GPC-Lichtstreuuntersuchungen mit etwa einem Pfropfast pro Molekül abgeschätzt wird, weistebenfalls eine schwache Dehnverfestigung auf [89]. Gabriel weist aber darauf hin, dassdie hochmolekularen Anteile dieses Polyethylens stärker verzweigt sind, so dass im Bereichhoher Molekularmassen von kammförmigen oder statistisch verzweigten Strukturen auszu-gehen ist [89].

Aufgrund des statistischen Einbaus der Verzweigermonomeren ist bei den Polycarbona-ten ebenso von einer Mischung unterschiedlich stark verzweigter Moleküle auszugehen, wo-bei zu vermuten ist, dass bei statistisch verzweigten Polycarbonaten der Verzweigungsgradmit dem Molekulargewicht zunimmt [154]. Insofern stellen die Untersuchungen keinen Wi-derspruch zu den Literaturergebnissen engverteilter, sternförmiger Polymerer dar, welchekeine Dehnverfestigung aufweisen (vgl. Diskussion in Abschnitt 5.5.1). Klarheit darüber,ob sternförmige Verzweigungen zu einer Dehnverfestigung führen, kann aber nur über einegezielte Untersuchung an sternförmigen Modellpolymeren erzielt werden.

Anwendungstechnische Relevanz besitzen die dehnrheologischen Eigenschaften der ver-zweigten Polycarbonate für Verarbeitungsverfahren, bei denen Dehndeformationen auf-treten, beispielsweise beim Extrusionsblasformen. Der starke Anstieg der Dehnviskositätmit der Deformation führt bei der Extrusion zu einer verbesserten Schmelzestandfestig-keit des extrudierten Schlauches und bei der nachfolgenden Deformation durch Aufblasendes Schlauches zu Extrusionsblasteilen mit besseren Wanddickenverteilungen, als dies beider Anwendung unverzweigter Polycarbonate gefunden wird. Die verbesserte Homogeni-tät der Wanddickenverteilung wiederum führt zu besseren mechanischen Eigenschaften imGebrauch des Fertigteiles. So werden aus den verzweigten Polycarbonaten beispielsweisegroÿvolumige Wasser�aschen hergestellt, die aufgrund der homogenen Wanddickenvertei-lung resistenter sind gegen mechanische Schäden, die auftreten können, wenn der gefüllteBehälter zu Boden fällt.

6.4.1. Zusammenfassung

Die Untersuchung linearer und statistisch langkettenverzweigter Polycarbonate ergänzt dieStudien an den Pfropfpolystyrolen und erö�net im Vergleich mit Polyethylen einen Einblickin die Wirkungsweise von Verzweigungen bei unterschiedlichen Polymeren.

Molekulare und lösungsviskosimetrische Charakterisierung

� Die Polydispersität der Molmassenverteilung nimmt mit dem Anteil an Verzweiger-monomer geringfügig zu.

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6.4. Dehnrheologische Eigenschaften 181

� Die bei den verzweigten Polycarbonaten festgestellte verringerte intrinsische Visko-sität im Vergleich zu den linearen Typen weist auf eine Verringerung der Knäueldi-mensionen und damit auf das Vorliegen von Verzweigungen hin.

Mechanisch-dynamische Untersuchungen

� Die Frequenzabhängigkeit der mechanisch-dynamischen Moduln wird signi�kant durchVerzweigungen beein�usst. Verzweigungen führen gegenüber linearem Polycarbonatzu einer ausgeprägten Strukturviskosität. Dieser E�ekt wird mit zunehmendem Ver-zweigungsgrad verstärkt.

� Die Schmelzen der linearen und verzweigten Polycarbonate verhalten sich thermorheo-logisch einfach. Die Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren der Schmelzen verzweig-ter Polycarbonate entsprechen denen der linearen Polycarbonate.

� Ein Vergleich der komplexen Viskositätsfunktionen von linearen und verzweigten Ty-pen von PS, PC und PE macht deutlich, dass die Wirkung von Verzweigungen aufdie Frequenzabhängigkeit der Scherviskosität auch vom Verschlaufungsgrad abhängt.

� Die gegenüber linearen Polycarbonaten je nach Molekulargewicht erniedrigte bzw.erhöhte Nullviskosität der verzweigten Polycarbonate passen für die untersuchtenTypen qualitativ in das Bild, wie es für sternförmige Polymere gefunden wird. Jenach Molekulargewicht und damit Verschlaufungsgrad der Moleküle kommt die Null-viskosität verzweigter Polymerer unterhalb oder oberhalb der Nullvikositäten derlinearen Spezies zu liegen.

� Die Gleichgewichtsnachgiebigkeit der verzweigten Polycarbonate ist wesentlich höherals die der linearen Typen. Die erhöhten elastischen Eigenschaften der verzweigtenPolycarbonate passen ebenfalls qualitativ zum Ein�uss vom Verschlaufungsgrad aufdie Gleichgewichtsnachgiebigkeiten von sternförmigen Polystyrolen.

Uniaxiale Dehnviskositäten

� Die linearen Polycarbonate zeigen keine Dehnverfestigung, während die verzweigtenTypen trotz eines sehr geringen Verzweigungsgrades (< 0.3 Verzweigungen pro Mo-lekül) eine deutlich ausgeprägte Dehnverfestigung aufweisen.

� Der stärker verzweigte Typ PC-b-3 zeigt im Vergleich zu dem geringer verzweigtenTyp PC-b-2 eine ausgeprägtere Dehnverfestigung.

� Bei den linearen, nicht dehnverfestigenden Polycarbonaten treten bei der Deforma-tion der Schmelzefäden inhomogene Deformationen auf, die zu einem Versagen derProbe führen und die maximale Schmelzedeformation im Rheometer limitieren.

� Die verzweigten Polycarbonate PC-b-2 und PC-b-3 lassen sich gegenüber den linearenTypen PC-l-1 und PC-l-2 sehr homogen deformieren. Die homogene Deformation derverzweigten Polycarbonate hat anwendungstechnische Relevanz bei Verarbeitungs-verfahren, die durch Dehnströmungen dominiert werden, wie beispielsweise dem Ex-trusionsblasformen.

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182 6. Rheologische Eigenschaften von Polycarbonaten

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7. Zusammenfassung und Ausblick

7.1. Zusammenfassung

In vorliegender Arbeit wurde der Ein�uss der molekularen Struktur auf viskoelastischeEigenschaften linearer und verzweigter Polystyrol� und Polycarbonatschmelzen in Scher�und uniaxialer Dehnströmung untersucht.

Dafür wurden Pfropfpolymere auf der Basis von Polystyrol als Modellsystem für lang-kettenverzweigte Polymere sowie bimodale lineare Polystyrolmischungen als Modellsystemfür das Vorliegen hochmolekularer Anteile in der Molmassenverteilung herangezogen. Diesynthetischen Arbeiten sowie die Ermittlung der Molekülkonstitution erfolgten im Rahmeneines interdisziplinären Forschungsprojektes am Lehrstuhl für Angewandte Makromoleku-lare Chemie der Universität Stuttgart (Prof. Dr. C.D. Eisenbach) und wurden von Dr.Peter Haug durchgeführt.

Bei den bimodalen linearen Polystyrolen wurde die Molmassenverteilung durch Mi-schung zweier linearer Polystyrole variiert: Einer niedermolekularen Matrix und einer hö-hermolekularen Komponente mit einem Gewichtsanteil von 0.1 bis 5 Gew.-%. Die Ge-wichtsmittelwerte der Molmassen des hochmolekularen Anteils liegen um ein Vielfachesüber jenen der niedermolekularen Matrix. Die Variation der Matrixpolydispersität erlaubtdie Untersuchung des Ein�usses der Molmassenverteilung der niedermolekularen Kompo-nente auf das Dehnverfestigungsverhalten der bimodalen Mischungen.

Eine geeignete zweistu�ge Syntheseroute erlaubt mittels der Makromonomertechnik diePolymerisation relativ engverteilter Polystyrol-Pfropfpolymerer, bei denen sich die mittlerePfropfastanzahl �p, die Pfropfastlänge sowie das Molekulargewicht des Pfropfpolymers ge-zielt einstellen lassen. Das Pfropfastmolekulargewicht wurde in einem Bereich zwischen 6.8und 58.3 kg/mol variiert. Es liegt damit unter� bzw. oberhalb der VerschlaufungsmolmasseMe bzw. der kritischen Molmasse Mc von Polystyrol. Die mittlere Pfropfastanzahl �p wurdein einem Bereich zwischen 0.5 und 4 Pfropfästen pro Molekül variiert.

In einer Serie von Pfropfpolymeren wurde die Pfropfastlänge unter Variation der Pfropfa-stanzahl �p konstant gehalten, während in einer anderen Serie der Ein�uss der Pfropfastlänge(unter Variation des Pfropfastmolekulargewichts) bei vergleichbarer Pfropfastanzahl �p stu-diert wurde. Die Pfropfpolymere weisen eine Polydispersität Mw/Mn zwischen 1.5 und 2.4sowie Gewichtsmittelwerte zwischen 1.4�105 und 2.4�105 g/mol auf. Ein nach der Syntheseverbleibender Anteil an unreagiertem Makromonomer konnte durch fraktionierende Fäl-lung reduziert und somit im Vergleich der Ein�uss unterschiedlicher Makromonomeranteileauf rheologische Eigenschaften studiert werden.

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184 7. Zusammenfassung und Ausblick

Die Syntheserouten erlauben die Bereitstellung einer ausreichenden Menge an Polyme-risaten für die rheologischen Messungen; letztere umfassen mechanisch-dynamische Mes-sungen im linear-viskoelastischen Bereich zur Ermittlung der dynamischen Moduln, derkomplexen Viskosität sowie der Nullviskositäten und der Gleichgewichtsnachgiebigkeiten.Spannungsrelaxationsversuche im linear� und nichtlinear-viskoelastischen Bereich erlau-ben die Bestimmung der Dämpfungsfunktion. Über die uniaxialen Dehnviskositäten ist einVergleich des Verfestigungsverhaltens der untersuchten Schmelzen in einer Dehnströmungmöglich.

Weiterhin wurden lineare und langkettenverzweigte Polycarbonate untersucht, die auf-grund der Synthese eine statistisch verzweigte Struktur aufweisen. Der Verzweigungsgehaltist mit durchschnittlich etwa 0.3 bis 0.1 Verzweigungen pro Molekül sehr gering. Die Unter-suchungen an den verzweigten Polycarbonaten ergänzen einerseits die Untersuchungen anden Polystyrolen anhand technologisch bedeutsamer amorpher Thermoplaste und erlaubenandererseits anhand eines Vergleichs der scherrheologischen Eigenschaften mit Polystyrolund Polyethylen einen Einblick in die Wirkungsweise von Verzweigungen zwischen unter-schiedlichen Polymertypen.

Molekulare Charakterisierung

Die Konstitution der Pfropfpolymere wurde durch sich ergänzende Analysenmethoden ander Universität Stuttgart ermittelt, einerseits über die Analyse der experimentellen Grö-ÿen bei der Synthese, andererseits durch GPC-Analyse des Pfropfpolymers vor und nachPfropfastabspaltung durch gezielte Verseifung der Pfropfäste. Beide Methoden liefern insich schlüssige Ergebnisse hinsichtlich des Verzweigungsgrades der Pfropfpolymere [4]. Diemolekulare Charakterisierung mittels Gelpermeationschromatographie erlaubt die Bestim-mung der Molmassenverteilungen sowie der Gewichts� und Zahlenmittelwerte.

Eine Kopplung aus Gelpermeationschromatographie und Viskosimetrie bzw. Lichtstreu-ung ermöglicht in der Verknüpfung der Kontraktionsfaktoren für die intrinsischen Visko-sitäten bzw. für die Trägheitsradien mit einem Modell nach Casassa und Berry denNachweis einer starken Zunahme des Verzweigungsgrades mit der Molekularmasse. Imhochmolekularen Bereich weisen die Pfropfpolymere einen Verzweigungsgrad auf, der weitüber der aus der Synthese und durch Pfropfastabspaltung ermittelten mittleren Anzahl anVerzweigungen pro Molekül liegt.

Die Molmassenverteilungen der verzweigten Polycarbonate zeigen eine Zunahme derPolydispersität mit erhöhtem Verzweigeranteil. Für die verzweigten Typen wird gegenüberden linearen Typen eine reduzierte intrinsische Viskosität gefunden, was auf die durchVerzweigungen bedingte Molekülkontraktion zurückgeführt werden kann.

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7.1. Zusammenfassung 185

Scherrheologische Eigenschaften

Die für die rheologischen Untersuchungen ausreichende thermische Stabilität aller unter-suchten Polymere konnte durch rheologische Messungen und bei den Polystyrolen auchdurch Molmassenbestimmungen veri�ziert werden.

Die Temperaturabhängigkeit der Verschiebungsfaktoren wird bei den Polystyrol- undPolycarbonatschmelzen durch Verzweigungen nicht beein�usst; das gleiche gilt für diebimodalen Polystyrolmischungen. Sämtliche untersuchten Schmelzen verhalten sich ther-morheologisch einfach.

Verzweigungen führen bei den untersuchten Polystyrolschmelzen nur zu einer geringenÄnderung der auf die Nullviskositäten bezogenen Viskositätsfunktionen. Bei den Polycar-bonatschmelzen ist demgegenüber ein starker Ein�uss der Verzweigungen auf die Frequenz-abhängigkeit der dynamischen Viskosität festzustellen, was mit deren höherem Verschlau-fungsgrad in Zusammenhang gebracht wird.

Anhand eines Vergleiches mit Literaturdaten sternförmiger Polymerer zeigt sich derEin�uss des Molekulargewichtes des Gesamtmoleküls bzw. der Seitenäste auf die Lageder Nullviskositäten gegenüber den von linearen Polymeren gleicher Molekularmasse: Beiden Polystyrolen führt die hohe Verschlaufungsmolmasse Me zu einem geringen Verschlau-fungsgrad der Seitenäste und damit zu einer Absenkung der Nullviskosität gegenüber linea-ren Polystyrolen gleicher Molekularmasse. Die Polycarbonate weisen demgegenüber höhereVerschlaufungsgrade auf; die Nullviskositäten liegen hier, abhängig vom Molekulargewicht,entweder unter� oder oberhalb der Beziehung für die linearen Polycarbonate.

Bei den Pfropfpolystyrolen ist die Absenkung der Nullviskosität nicht nur von der An-zahl an Pfropfästen abhängig, sondern im Wesentlichen vom Pfropfastanteil, d.h. sowohlvon der Pfropfastlänge als auch deren Anzahl. Die Viskositätsabsenkung der Schmelze kannin Zusammenhang gebracht werden mit einer durch die Verzweigungen verursachten Ver-ringerung der Moleküldimensionen.

Die elastischen Eigenschaften der Polystyrolschmelzen werden durch Verzweigungen nurgering beein�usst. Dies ist in Zusammenhang zu bringen mit der kurzen Pfropfastlänge unddem insgesamt geringen Molekulargewicht sowie einer durch die Polydispersität bedingtenerhöhten Elastizität. Demgegenüber zeigt sich bei den bimodalen linearen Polystyrolmi-schungen durch Zugabe einer hochmolekularen Komponente ein sehr starker Anstieg derSchmelzeelastizität, im Einklang mit Literaturergebnissen.

Spannungsrelaxationsversuche zeigen die Abhängigkeit der Deformationsabhängigkeitder Dämpfungsfunktion vom molekularen Aufbau der Pfropfpolymere: Die verzweigtenPolystyrole weisen eine erhöhte Dämpfungsfunktion gegenüber dem linearen Polystyrolvergleichbarer Polydispersität auf. Die erhöhte Deformationsabhängigkeit der Dämpfungs-funktion ist im Wesentlichen vom Pfropfastanteil abhängig.

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186 7. Zusammenfassung und Ausblick

Dehnrheologische Eigenschaften

Die Mischungen bimodal verteilter Polystyrole zeigen eine starke Zunahme der Dehnver-festigung, wenn die hochmolekulare Komponente in ausreichender Konzentration vorliegtund einen Gewichtsmittelwert aufweist, der wesentlich höher ist als jener der Matrix.

Bei den verzweigten Pfropfpolymeren zeigen die uniaxialen Dehnviskositäten einen star-ken Ein�uss der Pfropfastanzahl auf die Dehnverfestigung der Polystyrolschmelzen. DiePfropfastlänge beein�usst das Ausmaÿ der Dehnverfestigung demgegenüber nicht wesent-lich. Selbst kurze Pfropfäste können zu einer erhöhten Dehnverfestigung beitragen, auchwenn deren Länge im Bereich des Verschlaufungsmolekulargewichts liegt. Die Untersu-chungen zeigen die starke Sensitivität der uniaxialen Dehnströmung für Unterschiede immolekularen Aufbau. Der Vergleich mit den Nullviskositäten und den Dämpfungsfunk-tionen zeigt, dass sich keine aus der Scherströmung ermittelte Materialfunktion mit demAusmaÿ der Dehnverfestigung korrelieren lässt.

Über die Zugabe einer hochmolekularen Komponente zu einer niedermolekularen Ma-trix lässt sich eine ähnliche Dehnverfestigung erreichen wie über Verzweigungen. Der Ver-gleich der Zeit- und Deformationsabhängigkeit der Schmelzen zeigt zwischen den Pfropfpo-lymeren und den linearen Mischungen unterschiedliche Mechanismen für eine Erhöhung derDehnverfestigung: Bei den bimodalen Mischungen linearer Polystyrole führen die hochmo-lekularen Komponenten aufgrund ihrer langen Relaxationszeiten zu einer veränderten Zeit-abhängigkeit, die sich in einer gegenüber der reinen Matrix erhöhten Gewichtung der langenRelaxationszeiten zeigt. Demgegenüber weisen die Schmelzen der verzweigten Pfropfpoly-styrole eine veränderte Deformationsabhängigkeit auf, die sich in einer erhöhten Dämp-fungsfunktion der Pfropfpolymere gegenüber dem linearen Polystyrol vergleichbarer Poly-dispersität manifestiert.

Die verzweigten Polycarbonatschmelzen zeigen eine starke Dehnverfestigung, wohin-gegen bei den linearen Polycarbonaten kein ausgeprägter Dehnviskositätsanstieg gefundenwird. Die verzweigten Polycarbonate lassen sich zu höheren Gesamtdehnungen deformierenals dies bei den linearen Typen gelingt.

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7.2. Ausblick 187

7.2. Ausblick

Neben dem molekularen Aufbau, d.h. der Polymertopologie, ist im Rahmen dieser Arbeitauch die Wichtigkeit der Verschlaufungszahl für die rheologischen Eigenschaften deutlichgeworden. Dies konnte durch eine Gegenüberstellung der Viskositätsfunktionen, der Null-viskositäten und der elastischen Eigenschaften von Polystyrol, Polycarbonat und Polyethy-len gezeigt werden. Damit erklärt sich die eingeschränkte Übertragbarkeit beispielsweiseder Viskositätsfunktionen von den untersuchten Pfropfpolymeren auf andere industriellbedeutsame verzweigte Thermoplaste, wie beispielsweise Polyethylenschmelzen. Die dehn-rheologischen Eigenschaften ergaben neue Erkenntnisse zum Ein�uss der mittleren Pfropfa-stanzahl sowie deren Länge auf die Dehnverfestigung.

Da gezeigt werden konnte, dass in Abhängigkeit von der Molekularmasse eine Mischungunterschiedlich stark verzweigter Moleküle in der Schmelze vorliegt, ergeben sich für dieZukunft noch einige o�ene Fragen, die hier kurz angerissen werden:

� Mittels Modellpolymeren sollte überprüft werden, ob eine Dehnverfestigung auch mitsternförmigen Topologien erzielt werden kann. Diese Untersuchungen sind gekoppeltmit der Frage, ob bei Molekülen, die nur einen Pfropfast tragen, eine Dehnverfestig-ung auftritt oder nicht.

� Möglicherweise könnte sich auch bei sternförmigen Modellpolymeren in Abhängigkeitvon der Anzahl an Verschlaufungen pro Seitenarm die Verzweigungen in einer unter-schiedlichen Dehnverfestigung bemerkbar machen. Dieser Frage kann mit sternförmi-gen Modellpolymeren unterschiedlicher Verschlaufungsmolekularmasse nachgegangenwerden (beispielsweise Polystyrol und hydriertem Polybutadien).

� H-förmige Polymere erlauben eine Überprüfung, ob Kettensegmente, die an beidenEnden eine Verzweigung aufweisen, ursächlich für eine Dehnverfestigung in Fragekommen. Interessant ist dabei auch der Ein�uss der Kettenlänge des internen Ketten-segmentes, da im Rahmen der untersuchten Pfropfpolymere gezeigt werden konnte,dass die Seitenastlänge keinen signi�kanten Ein�uss auf die Dehnverfestigung nimmt.

� Anhand der Ergebnisse vorliegender Arbeit ist für die Synthese kommerziell bedeut-samer Polymere zu folgern, das für eine Erhöhung der Dehnverfestigung die mittlereAnzahl an Verzweigungen pro Molekül erhöht werden sollte. So könnten beispiels-weise bei der Synthese Metallocen-katalysierter Polyethylene durch die Zugabe vonMakromonomeren höher verzweigte Typen erhalten werden [144].

� Ein groÿtechnisch umsetzbares Metallocen-katalysiertes Polymerisationsverfahren bie-tet den Vorteil, dass sich durch eine Synthese im Technikumsmaÿstab ausreichendeMengen an Polymerisat für Untersuchungen des Verarbeitungsverhaltens bereitstel-len lassen, was mit einer Synthese von Modellpolymeren nicht ohne weiteres möglichist. Damit ist eine Studie zum Ein�uss der Verzweigungsdichte auf das Verarbeitungs-verhalten kommerziell bedeutender Polyethylene möglich.

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188 7. Zusammenfassung und Ausblick

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A. Anhang

A.1. Probenbezeichnungen

Die Polystyrolpolymerisate wurden an der Universität Stuttgart (Lehrstuhl für Angewand-te Makromolekulare Chemie, Prof Dr. C.D. Eisenbach) von Dr. P. Haug synthetisiert. DieSynthesebedingungen �nden sich in [4]. Die Polycarbonate wurden von der Fa. Bayer AG,Leverkusen, synthetisiert und zur Verfügung gestellt.

Probe Typ BezeichnungPS-r-95 radikalisches PS PSr3PS-r-95/PS-a-600 (99/1) PS-Mischung PSm4PS-r-95/PS-a-600 (95/5) PS-Mischung PSm5PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-Mischung PSm10PS-r-95/PS-a-1800 (99/1) PS-Mischung PSm9PS-r-95/PS-a-1800 (95/5) PS-Mischung PSm6PS-a-170 anionisches PS PSa4PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-Mischung PSm7PS-a-170/PS-a-1800 (99/1) PS-Mischung PSm8PS-a-170/PS-a-1800 (95/5) PS-Mischung PSm11PS-60-1.4G-42 verzweigtes PS PSc9PS-60-0.5G-55 verzweigtes PS PSc6PS-60-0.5G-55* verzweigtes PS PSc6bPS-70-3.2G-22 verzweigtes PS PSc8PS-60-2.1G-27 verzweigtes PS PSc71PS-55-2.1G-27 verzweigtes PS PSc7PS-90-1.2G-27 verzweigtes PS PSc5PS-90-1.2G-27* verzweigtes PS PSc4PS-80-0.6G-22 verzweigtes PS PSc11PS-55-4.0G-13 verzweigtes PS PSc10PS-105-6.7G-6 verzweigtes PS PSc12PC-l-1 lineares PC PC 4PC-l-2 lineares PC PC 6PC-b-1 verzweigtes PC PC 5PC-b-2 verzweigtes PC PC 3PC-b-3 verzweigtes PC PC 1

Tab. A.1: Übersicht der untersuchten Polymere

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190 A. Anhang

A.2. Angaben zur Reproduzierbarkeit

A.2.1. Reproduzierbarkeit der GPC-Messungen

Zur Überprüfung, ob sich nach der Mischungsherstellung die Hauptkomponente veränderthat, sind in Abb. A.1 die Molekularmassenverteilungen der Mischungen mit der radika-lischen Matrix PS-r-95 (linker Teil) und der anionischen Matrix PS-a-170 (rechter Teil)dargestellt. Die Massenverteilungsdichten w(M) sind mit dem Normierungsfaktor f so ska-liert, dass die Hauptpeaks aufeinander zu liegen kommen.

Im Rahmen der Messgenauigkeit überlagern sich die Peaks der Matrixkomponentensehr gut und ergeben identische Molmassenverteilungen. Eine Veränderung der Molekular-massenverteilung durch die Mischungsherstellung kann demnach ausgeschlossen werden.

103 104 105 106 1070

1

2

3

4

6

104 105 106 1070

2

4

6

8

10

12

14

16

.

10-6

mol/g.

fw:

1.000 PS-r-951.032 PS-r-95/PS-a-1800 (99.9/0.1)1.065 PS-r-95/PS-a-1800 (99/1)1.800 PS-r-95/PS-a-1800 (95/5)1.102 PS-r-95/PS-a-600 (99/1)1.260 PS-r-95/PS-a-600 (95/5)

Nor

mie

rte

Mas

senv

erte

ilung

sdic

hte

f ww

(M)

Molekularmasse M

10-6

mol/g

g/molg/mol

fw:

1.000 PS-a-1701.076 PS-a-170/PS-a-1800 (99.9/0.1)1.150 PS-a-170/PS-a-1800 (99/1)1.500 PS-a-170/PS-a-1800 (95/5)

Molekularmasse M

Abb. A.1: Überlagerung der Hauptpeaks (skaliert mit dem Faktor f) bei den Polystyrol-mischungen zur Überprüfung der Molmassenverteilungen nach Mischungsher-stellung sowie zur Darstellung der Reproduzierbarkeit. Linker Teil: radikalischeMatrix PS-r-95, rechter Teil: anionische Matrix PS-a-170.

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A.2. Angaben zur Reproduzierbarkeit 191

A.2.2. Reproduzierbarkeit der mechanisch-dynamischen

Messungen

Die Reproduzierbarkeit der mechanisch-dynamischen Untersuchungen ist anhand von dreiMessungen an einem radikalischen Polystyrol PS 158 K (Mw = 284.4 kg/mol, Mw=Mn =2:01) in Abb. A.2 gezeigt. Die Messungen wurden an dem deformationsgesteuerten Scherrheo-meter (ARES) mit einer Kegel-Platte-Geometrie durchgeführt. Die Durchführung der Mes-sungen erfolgte wie bei den bimodalen Polystyrolen und ist in Abschnitt 4.3.3 beschrieben.

Der relative maximale Fehler, ermittelt aus dem Quotienten der Standardabweichung�G0 bzw. �G00 und dem Mittelwert, ist im gesamten untersuchten Messbereich geringerals 4 % (Abb. A.2, oberer Teil). Die Genauigkeit der Messaufnehmer und der Tempera-tursteuerung des Scherrheometers wurde durch regelmäÿige Kontrollmessungen mittels PS158 K überprüft.

10-1 100 101 102

104

105

%

Pa

rad/s

PS 158 KT = 170 °C

G' G''1. Messung2. Messung3. Messung

Spei

cher

mod

ulG

'(ω)

Ver

lust

mod

ulG

''(ω

)

Kreisfrequenz ω

0

1

2

3

4

rela

tiver

Fehl

er∆G

'/G',

∆G''/

G'' ∆G'/G'

∆G''/G''

Abb. A.2: Reproduzierbarkeit der mechanisch-dynamischen Untersuchungen.

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192 A. Anhang

A.2.3. Reproduzierbarkeit der Dehnviskositäten

Die Reproduzierbarkeit der Dehnviskositäten wurde wie bei den scherrheologischen Unter-suchungen anhand von Wiederholungsmessungen an dem radikalischen Polystyrol PS 158K durchgeführt (Abb. A.3). Die Nullviskosität von PS 158 K liegt bei T = 179 ÆC mit etwa1.1 �105 Pas in einem vergleichbaren Bereich wie die der untersuchten Modellpolystyroleund Polystyrolmischungen. Bei der hohen Dehnrate von 1.0 s�1 ergibt sich eine sehr guteReproduzierbarkeit der einzelnen Messungen; die Standardabweichung von drei Messungenliegt unterhalb von 3 % des Mittelwertes. Die Reproduzierbarkeit ist auch bei den gerin-geren Dehnraten mit 0.1 und 0.03 s�1 sehr gut.

Die Proben von PS 158 K deformieren sehr homogen und eine merkliche Einschnürungtritt nicht auf. Dies lässt sich neben einer visuellen Überprüfung auch daran erkennen,dass bei hohen Dehnungen ein Absinken der Dehnviskositäten ab einer kritischen Dehnungnicht statt�ndet. Bei der geringen Dehnrate von 0.03 s�1 führt die begrenzte Au�ösungder Kraftmesseinrichtung zu einem verrauschten Messsignal; die minimale Dehnrate wurdedaher bei den dehnrheologischen Untersuchungen auf _" = 0.06 s�1 beschränkt.

0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.00

50

100

150

200

250

300

350

400

450T = 179.0 °C

ε [s-1]0.03

0.1

1.0

x 1.5

kPas

Deh

nvis

kosi

tät

η E(ε

,t)

Hencky-Dehnung ε

Abb. A.3: Reproduzierbarkeit der Messungen der Dehnviskosität von PS 158 K für dreiunterschiedliche Dehnraten _".

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A.3. Parameter aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung 193

A.3. Parameter aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung

A.3.1. WLF-Parameter der linearen Polystyrole

Tab. A.2: Übersicht der aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung ermittelten WLF-Parameter der linearen Matrix-Polystyrole und der PS-Mischungen.

WLF-ParameterProbe Tg

a c1 c2 c1 � c2 T1 cg1b cg2

b

[ÆC] [K] [K] [ÆC] [K](T0 = 170 ÆC) (T0 = 170 ÆC)

PS-r-95 /PS-a-600100/0 101.1 5.30 113.4 600.7 56.6 13.5 44.599/1 99.5 5.63 122.0 686.8 48.0 13.3 51.595/5 100.7 5.62 118.3 664.8 51.7 13.6 49.0PS-r-95 /PS-1300100/0 101.1 5.30 113.4 600.7 56.6 13.5 44.599.9/0.1 100.0 5.52 116.9 645.1 53.1 13.8 46.999/1 99.3 5.40 116.2 627.6 53.8 13.8 45.695/5 99.4 5.47 118.3 647.8 51.7 13.6 47.7PS-a-170/PS-a-1800100/0 99.7 5.32 115.0 611.5 55.0 13.7 44.799.9/0.1 97.7 5.47 118.6 648.7 51.4 14.0 46.399/1 97.8 5.31 118.3 628.2 51.7 13.6 46.195/5 96.6 5.21 114.0 593.8 56.0 14.6 40.6

a aus DSC-Messungen; Werte von Tmg für Heizrate � ! 0b bezogen auf die Glasübergangstemperatur Tg.

Tab. A.2 zeigt die WLF-Parameter, welche aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung derdynamischen Daten im Temperaturbereich von T = 140 bis 220Æ C mit Hilfe der WLF-Beziehung nach Glg. 3.44 für jede Mischung ermittelt wurden.

Die Invarianten c1 � c2 unterscheiden sich um maximal 16 %; die höchste Di�erenz inT1 zwischen den einzelnen Polystyrolen beträgt 18 %. Diese Abweichung entspricht derGenauigkeit der Ermittlung der Invarianten der WLF-Gleichung über eine linearisierteForm nach Glg. 3.47. Die Streuung ist damit zu erklären, dass bei unterschiedlichen Be-zugstemperaturen T0 ein anderer fehlerbehafteter Verschiebungsfaktor nicht in die lineareRegression einbezogen wird: der zur Bezugstemperatur T0 gehörende VerschiebungsfaktoraT (T0) = 1.

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194 A. Anhang

Dies wird deutlich, wenn die Invarianten aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung fürunterschiedliche Bezugstemperaturen T0 ermittelt werden: Für PS-a-170 wurden für dieBezugstemperaturen von T0 = 140 ÆC bis T0 = 220 ÆC die Invarianten c1 � c2 und T1 er-mittelt; höchster und niedrigster Wert unterscheiden sich bei c1 � c2 um 12 %, bei T1 um20 %.

Eine Streuung der Invarianten c1 � c2 mit der Bezugstemperatur T0 wird auch von ver-schiedenen Autoren angegeben: Majeste et al. geben für ein Polystyrol mit einer Moleku-larmasse von Mw = 1:02 � 105 g/mol, dessen Invarianten c1 � c2 für unterschiedliche Bezug-stemperaturen im Bereich T = 110 ÆC bis T = 170 ÆC ermittelt wurden, eine Streuung von15 % an [165]. Ferri und Lomellini ermittelten an einem Polystyrol (Mw = 1:85 � 105

g/mol) für die Invarianten c1 � c2 eine Streuung von etwa 5 % bei Bezugstemperaturenzwischen T0 = 160 ÆC und T0 = 260 ÆC [17].

A.3.2. WLF-Parameter der Pfropfpolystyrole

Tab. A.3 zeigt WLF-Parameter, welche aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung der dynami-schen Daten im Temperaturbereich von T = 140 bis 220Æ C mit Hilfe der WLF-Beziehungnach Glg. 3.44 ermittelt wurden. Eine Diskussion des Ein�usses von molekularen Para-metern auf die Temperaurabhängigkeit der Schmelzen von Pfropfpolystyrolen wird in Ab-schnitt 5.4.7 durchgeführt.

Tab. A.3: Übersicht der aus der Zeit-Temperatur-Verschiebung ermittelten WLF-Parameter der Pfropfpolystyrole.

WLF-ParameterProbe wMM Tg

a c1b c2

b c1 � c2 T1 c1;gc c2;g

c

[ÆC] [K] [K] [ÆC] [K]

PS-60-1.4G-42 0.17 96.5 5.40 119.1 643.1 50.9 14.1 45.6PS-60-0.5G-55 0.07 99.5 5.57 119.5 665.6 50.5 13.6 49.0PS-60-0.5G-55* 0.23 98.4 5.27 115.7 609.7 54.3 13.8 44.1PS-70-3.2G-22 0.24 98.3 5.40 117.5 634.3 52.5 13.8 45.8PS-60-2.1G-27 0.01 98.6 5.26 118.0 620.7 52.0 13.3 46.6PS-55-2.1G-27 0.12 96.8 5.29 116.4 615.8 53.6 14.3 43.2PS-90-1.2G-27 0.05 100.0 5.58 119.8 668.5 50.2 13.8 48.4PS-90-1.2G-27* 0.15 99.0 5.56 120.4 669.4 49.6 13.3 50.4PS-80-0.6G-22 0.06 99.1 5.45 117.1 638.2 52.9 13.8 46.2PS-55-4.0G-13 0.04 98.0 5.50 123.4 678.7 46.6 13.2 51.4PS-105-6.7G-6 0.01 97.5 5.60 121.8 685.7 48.2 13.9 49.3

a aus DSC-Messungen; Werte von Tmg für Heizrate � ! 0b T0 = 170 ÆCc T0 = Tg

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A.4. Bimodale Mischungen mit niedermolekularem Anteil 195

A.4. Bimodale Mischungen mit niedermolekularem

Anteil

Zur Überprüfung des Ein�usses der niedermolekularen Makromonomerreste wurden auslinearen Polystyrolen bimodale Mischungen hergestellt. Hauptkomponente ist das radika-lisch synthetisierte PS-r-95, niedermolekularer Zusatz ein anionisch synthetisiertes PS-a-25(Mw = 26 170 g/mol, Mw/Mn = 1.05) mit vergleichbarem Molekulargewicht wie das Ma-kromonomer PS-MA-27; die Molmassenverteilungen sind in Abb. A.4a, die dazugehörigenNullviskositäten in Abb. A.4b. dargestellt. Abb. A.4b enthält auch die Nullviskositätenvon Polystyrolen mit unterschiedlicher Molekularmassenverteilung aus Abb. 4.14. Die mo-lekularen Daten und Nullviskositäten sind in Tab. A.4 zusammengefasst.

Die Nullviskositäten der bimodalen, linearen Polystyrolmischungen mit niedermoleku-larem Anteil kommen im Rahmen des für die Molmassenmittelwerte angegebenen Vertrau-ensintervalls von � 5 % auf der Gerade für die linearen Polystyrole zu liegen.

105

3x105

104

105

106

107

g/mol

T0 = 170 °C

3.4

PS-r-95 PS-r-95 / PS-a-1800 (99.9/0.1) PS-r-95 / PS-a-600 (99/1) PS-r-95 / PS-a-600 (95/5) PS-r-95 / PS-a-25 (90/10) PS-r-95 / PS-a-25 (80/20) PS-a-170 PS-a-170 / PS-a-1800 (99.9/0.1)

Fehlerbalken GPC: +/- 5 %

g/mol

Pas

Molekularmasse Mw

Nul

lvis

kosi

tät η

0

104

105

106

0

1

2

3

4

5

6b)a) 10

-6

mol/g

PS-r-95 / PS-a-25 (90/10) PS-r-95 / PS-a-25 (80/20)

Ma

sse

nve

rte

ilun

gsd

ich

te w

(M)

Molekularmasse M

Abb. A.4: (a) Molmassenverteilungen der linearen bimodalen PS-Mischungen mit nieder-molekularem Anteil PS-a-25. (b) Nullviskositäten der bimodalen Mischungenmit niedermolekularem Anteil (Pfeile) und Nullviskositäten von Polystyrolenunterschiedlicher Molmassenverteilung aus Abb. 4.14.

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196 A. Anhang

Mischung Mw Mw=Mn �0[g/mol] [Pas]

PS-r-95/PS-a-25 (90/10) 138 900 1.98 25 300PS-r-95/Ps-a-25 (80/20) 128 300 2.35 18 000

Tab. A.4: Molekularmassenmittelwerte der bimodalen Mischungen mit niedermolekularerKomponente und Angaben für die Nullviskositäten (Bezugstemperatur: T0 =170 ÆC).

Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass der niedermolekulare Makromono-merrest auch bei den verzweigten Pfropfpolymeren für die untersuchten Gewichtsanteilebis 20 Gew.-% und Gewichtsmittelwerten oberhalb von 26 000 g/mol nicht zu einer Abwei-chung der Molmassenabhängigkeit der Nullviskosität von der Beziehung für die linearenPolystyrole führt.

A.5. Komplexe Viskositäten der Pfropfpolystyrole

Abb. A.5 zeigt die komplexen Viskositäten der verzweigten Pfropfpolymere und des linea-ren Polystyrols PS-r-95 bei einer Bezugstemperatur von T0 = 170 ÆC. Bei allen untersuchtenPolystyrolschmelzen wird das Plateau der Newtonischen Viskosität erreicht. Die Viskosi-tätsfunktionen laufen bei hohen Kreisfrequenzen im untersuchten Frequenzbereich zu einergemeinsamen Kurve zusammen.

10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 rad/s 104

102

103

104

105

T0

= 170 °C

Pas PS-105-6.7G-7PS-r-95PS-90-1.2G-27PS-60-0.5G-55PS-80-0.6G-22PS-60-1.4G-42PS-60-2.1G-27PS-70-3.2G-22PS-55-4.0G-13

kom

plex

eV

isko

sitä

t|η*

(ω)|

Kreisfrequenz ω

Abb. A.5: Masterkurven der komplexen Viskositätsfunktion j��j der untersuchten Poly-styrole. Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC.

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A.6. Elastische Eigenschaften der Pfropfpolystyrole 197

A.6. Elastische Eigenschaften der Pfropfpolystyrole

Die Speichernachgiebigkeiten J0e lassen sich aus den dynamischen Daten im terminalen

Bereich des Flieÿgebietes ermitteln (Glg. 3.25). Da - bedingt durch die begrenzte Win-kelau�ösung des Scherrheometers bei Dämpfungswinkeln nahe 90Æ - die Messwerte einegewisse Streuung aufweisen, werden in Tab. A.5 Mittelwerte aus mindestens 3 Werten vonJ' mit der Standardabweichung angegeben. Eine Diskussion der elastischen Eigenschaftenerfolgt in Abschnitt 5.4.6.

Tab. A.5: Aus den Speichernachgiebigkeiten ermittelte Gleichgewichtsnach-giebigkeit der Pfropfpolystyrole.

Probe Makromonomeranteil Gleichgewichtsnachgiebigkeita

wMM J0e [10�5Pa�1]

PS-60-1.4G-42 0.17 7.09 � 0.12PS-60-0.5G-55 0.07 9.57 � 0.34PS-60-0.5G-55* 0.23 9.71 � 0.63PS-70-3.2G-22 0.24 10.6 � 0.20PS-60-2.1G-27 0.01 6.53 � 0.17PS-55-2.1G-27 0.12 6.52 � 0.49PS-90-1.2G-27 0.05 10.0 � 0.30PS-90-1.2G-27* 0.15 11.2 � 0.70PS-80-0.6G-22 0.06 8.05 � 0.22PS-55-4.0G-13 0.04 7.1 � 0.30PS-105-6.7G-6 0.01 11.2 � 0.07PS-r-95 � 7.01 � 0.24

a Mittelwert aus mindestens 3 Werten von J' bei Dämpfungswinkeln Æ > 88:5Æ.

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198 A. Anhang

A.7. Anwendung einer rheologischen

Zustandsgleichung

Die Grundlagen zur Anwendung eines Integralmodelles als rheologische Zustandsgleichungwerden in Abschnitt 3.4 beschrieben. Zur Berechnung der Dämpfungsfunktion hu(") ausuniaxialen Dehnviskositäten nach Glg. 3.78 werden die Relaxationszeitspektren benötigt,welche aus den dynamischen Daten ermittelt werden können. In Abschnitt A.7.1 sind dieRelaxationszeitspektren aufgeführt, in Abschnitt A.7.2 wird auf die Genauigkeit der Be-rechnung der Dämpfungsfunktionen eingegangen.

A.7.1. Relaxationszeitspektren

Die diskreten Relaxationszeitspektren fgi; �ig werden aus den Masterkurven der dynami-schen Moduln bei der Bezugstemperatur T0 = 170 ÆC berechnet. Die Berechnung erfolgt miteinem kommerziellen Softwareprogramm (Orchestrator c , Fa. Rheometric Scienti�c Inc.).

Während der Berechnung wurden die Stützstellen �i angepasst (Option `Adjust timesduring �t'). Die Anzahl der Stützstellen ist einheitlich N = 8. Die Anpassung der Relaxati-onsstärken gi erfolgt mittels eines Nichtlinearen Regressionsverfahrens (Option `NonlinearSpectrum Method'). Zur besseren Regression wurden die niederfrequenten Anteile der dy-namischen Moduln im Newtonischen Bereich so reduziert, dass trotzdem der Bereich zumÜbergang in den terminalen Bereich (G0 / !2; G00 / !) noch erreicht wird. Im hochfrequen-ten Bereich wurden zur Vermeidung von Iterationsproblemen bei der Spektrengenerierungdie dynamischen Daten teilweise ebenfalls reduziert.

Die aus dem Relaxationszeitspektrum mit Glg. 3.32 ermittelten Nullviskositäten wei-chen weniger als 4 % von den aus dem Newtonischen Bereich ermittelten Werten ab;diese Abweichung liegt im Bereich der Messgenauigkeit (s. Abb. A.2).

Die dynamischen Moduln lassen sich aus den diskreten Relaxationszeitspektren gemäÿGlgn. 3.28 und 3.29 berechnen; sie sind in Abb. A.6 bis Abb. A.8 mit den experimentellermittelten Werten verglichen. Die Abweichung zwischen den berechneten und gemessenenWerten der dynamischen Moduln liegen unter 5 %. Zur Berechnung der Dämpfungsfunk-tionen nach Glg. 3.79 wurden die Relaxationszeiten mit den in Tab. A.2 aufgeführtenZeit-Temperatur-Verschiebungsfaktoren auf die Messtemperatur der Dehnviskositäten be-zogen.

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A.7. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung 199

10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 rad/s 105100

101

102

103

104

105

106

107

η0

= 36 000 Pasη

0,calc= 35 700 Pas

a)

.

.

.

.

.

.

.

.....

.

.

.

.1

2

λi[s] g

i[Pa]

1.333 10-4 6.139 105

9.608 10-4 9.451 104

6.920 10-3

8.156 104

4.990 10-2 6.875 104

3.596 10-1 3.809 104

2.592 100 5.972 103

1.868 101

1.249 102

1.346 102 2.128 101

T0

= 170 °CPa PS-r-95

G' G''gemessenberechnet

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 rad/s 105100

101

102

103

104

105

106

107

η0

= 61 500 Pasη

0,calc= 60 490 Pas

1

2

b)

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

λi[s] g

i[Pa]

2.39 10-4 4.21 105

1.86 10-3 1.00 105

1.57 10-2

7.73 104

1.22 10-1 5.81 104

8.47 10-1 2.37 104

5.86 100 4.40 103

4.27 101

1.42 102

3.32 102 5.78 10-2

T0

= 170 °CPa PS-r-95/PS-a-600 (95/5)

G' G''gemessenberechnet

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. A.6: Vergleich der berechneten dynamischen Moduln mit den experimentell ermit-telten Werten von (a) PS-r-95 und (b) PS-r-95/PS-a-600 (95/5) sowie zuge-hörige diskrete Relaxationszeitspektren fgi; �ig mit N = 8 Stützstellen.�0;calcbezeichnet die aus dem Spektrum berechnete Nullviskosität nach Glg. 3.32.

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200 A. Anhang

10-1 100 101 102 103101

102

103

104

105

.

.

.

.

.

.

.

.....

a)

.

.

.

.

λi[s] g

i[Pa]

2.23 10-3 4.82 105

1.23 10-3 1.38 105

6.81 10-2 8.38 104

3.77 10-1 3.26 104

2.08 100 1.18 104

1.15 101 2.62 103

6.35 101 9.72 101

3.51 102 3.31 10-3

η0

= 5 650 Pasη

0,calc= 5 445 Pas

PS-70-3.2G-22

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

2

1

T0

= 170 °C

rad/s

Pa

G' G''gemessenberechnet

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 10510-1

100

101

102

103

104

105

106

107

b)

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

λi[s] g

i[Pa]

1.64 10-4 4.20 105

9.17 10-4 1.33 105

5.48 10-3 7.90 104

2.74 10-2 3.85 104

1.44 10-1 1.15 104

7.18 10-1 1.46 103

3.53 100 3.93 101

1.89 101 3.02 10-3

η0

= 7 700 Pasη

0,calc= 7 595 Pas

PS-55-2.1G-27

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

2

1

T0

= 170 °C

rad/s

Pa

G' G''gemessenberechnet

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. A.7: Vergleich der berechneten dynamischen Moduln mit den experimentell ermit-telten Werten von (a) PS-70-3.2G-22 und (b) PS-55-2.1G-27 sowie zugehörigediskrete Relaxationszeitspektren fgi; �ig mit N = 8 Stützstellen.

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A.7. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung 201

10-2 10-1 100 101 102 103

101

102

103

104

105

106

.

.

.

.....

a)

.

.

.

.....

λi[s] g

i[Pa]

1.59 10-4 4.87 105

8.94 10-4

9.02 104

5.09 10-3 8.09 104

2.80 10-2 6.28 104

1.55 10-1 2.52 104

8.59 10-1 4.72 103

4.72 100 2.60 102

2.63 101

7.37 10-1

η0

= 11 600 Pasη

0,calc= 11 520 Pas

PS-60-1.4G-42

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

2

1

T0

= 170 °C

rad/s

Pa

G' G''gemessenberechnet

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

10-2 10-1 100 101 102 103 10410-1

100

101

102

103

104

105

106

.

.

.

.

.

.

.

.....

b)

.

.

.

.

λi[s] g

i[Pa]

5.01 10-4

7.49 104

1.10 10-3 2.15 105

6.72 10-3 6.59 104

3.97 10-2 2.58 104

2.19 10-1

8.42 103

1.09 100 6.83 102

5.75 100 1.08 101

3.23 101 1.70 10-4

η0

= 4 550 Pasη

0,calc= 4 400 Pas

PS-55-4.0G-13

Spei

cher

mod

ulG

'(ωa T

),V

erlu

stm

odul

G''(

ωa T

)

2

1

T0

= 170 °C

rad/s

Pa

G' G''gemessenberechnet

reduzierte Kreisfrequenz ω aT

Abb. A.8: Vergleich der berechneten dynamischen Moduln mit den experimentell ermit-telten Werten von (a) PS-60-1.4G-42 und (b) PS-55-4.0G-13 sowie zugehörigediskrete Relaxationszeitspektren fgi; �ig mit N = 8 Stützstellen.

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202 A. Anhang

A.7.2. Zur Berechnung der Dämpfungsfunktion

Die Berechnung der Dämpfungsfunktionen hu(") aus den uniaxialen Dehnviskositäten sowiedem Relaxationszeitspektrum nach einer Integralgleichung gemäÿ Glg. 3.78 erfordert so-wohl das diskrete Relaxationszeitspektrum fgi; �ig als auch die transiente uniaxiale Dehn-viskosität �E( _"; t) bzw. transiente Zugspannung �( _"; t) bei einer konstanten Dehnrate _".Beide Gröÿen können fehlerbehaftet sein, einerseits durch die experimentelle Genauigkeitder Ermittlung der entsprechenden rheologischen Materialfunktion, andererseits durch dieBerechnung des diskreten Relaxationszeitspektrums durch eine endliche Anzahl an Stütz-stellen oder durch Ungenauigkeiten der Integrationsroutine bei Anwendung von Glg. 3.78.

Die Berechnung der Relaxationszeitspektren ist sehr genau, wie die Rückrechnung derdynamischen Moduln G0 und G00 und der Vergleich mit den experimentellen Daten zeigt(Abschnitt A.7.1). Die Ungenauigkeiten der Integrationsroutine bei Anwendung von Glg.3.78 sind als klein anzusehen, da bei unterschiedlichen Dehnraten mit guter Genauigkeitdieselben Dämpfungsfunktionen ermittelt werden (siehe Abb. 5.39 in Abschnitt 5.5.2). Beikleinen Dehnraten wirken sich sehr geringe Schwankungen in der Dehnviskosität sowiegeringe Temperaturdi�erenzen in einer gröÿeren Schwankung der berechneten Dämpfungs-funktion aus.

10-1 100 101 102104

105

106

Pas

T = 159.5 °CT = 160.0 °CT = 160.5 °C

.

T = 160.0 °C

0.1

1.0 0.60.3

3η(t)

PS-60-1.4G-42

s

Deh

nvis

kosi

tätη

E(ε,t

),Sc

herv

isko

sitä

t3η(

t)

Zeit t

Abb. A.9: Uniaxiale Dehnviskositäten von PS-60-1.4G-42 für Dehnraten _" zwischen 1.0und 0.1 s�1. Viskositätsfunktion 3�(t) verschoben auf eine Bezugstemperatur von T =159.5 ÆC bzw. 160.5 ÆC.

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A.7. Anwendung einer rheologischen Zustandsgleichung 203

Abb. A.10 zeigt anhand der Berechnung der Dämpfungsfunktionen aus den Dehnvis-kositäten (dargestellt in Abb. A.9) bei einer hohen und einer um Faktor zehn niedrigerenDehnrate, dass bei kleinen Dehnraten sich Messungenauigkeiten durch die begrenzte Auf-lösung des Kraftaufnehmers in einem gröÿeren Fehler der berechneten Dämpfungsfunktionbemerkbar machen.

Der Ein�uss von Temperaturschwankungen auf die berechnete Dämpfungsfunktion istanhand der Verschiebung des diskreten Relaxationszeitspektrums auf eine Temperatur von0.5 ÆC ober- bzw. unterhalb der Messtemperatur ebenfalls in Abb. A.10 gezeigt. Die Sym-bole geben dabei die berechnete Dämpfungsfunktion mit dem Relaxationszeitspektrumfgi; �ig bei der Referenztemperatur von T = 160 ÆC an, die Linien darüber und darunterwurden ermittelt, indem das Relaxationszeitspektrum auf eine Temperatur von T = 159.5ÆC bzw. T = 160.5 ÆC verschoben wurde.

Bei der kleineren Dehnrate wirken sich geringe Temperaturdi�erenzen stärker auf dieberechnete Dämpfungsfunktion aus. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Streuung der be-rechneten Dämpfungsfunktion hu(") bei der kleinen Dehnrate stärker ausgeprägt ist. Diesliegt an dem mit sinkender Dehnrate steigenden relativen experimentellen Fehler, bedingtdurch die geringen Zugspannungen im Schmelzestrang.

0 1 2 3 4

0.1

1

T = 160 °CPS-60-1.4G-42

.

x 2

Spektrum verschoben auf:T = 160.5 °CT = 159.5 °C

Dehnrate ε [s-1]:

1.0

0.1

Däm

pfun

gsfu

nktio

nh u(ε

)

Deformation ε

Abb. A.10: Berechnete Dämpfungsfunktionen von PS-60-1.4G-42 für Dehnraten von 1.0und 0.1 s�1 für die Messtemperatur T = 160 ÆC (Symbole) sowie berech-net mit dem auf eine Bezugstemperatur von T = 159.5 ÆC bzw. 160.5 ÆCverschobenen Relaxationszeitspektrum (Linien). Die Dämpfungsfunktion füreine Dehnrate von _" = 1.0 ist um den Faktor 2 vertikal verschoben.

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204 A. Anhang

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B. Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

B.1. Symbole

Symbol Bezeichnung Einheit

aT (T; T0) Zeit-Temperatur-Verschiebungsfaktor [ � ]a Mark-Houwink-Koe�zient [ � ]A0 Probenquerschnitts�äche vor Messbeginn [ m2 ]A Apparatekonstante [ K/W ]b Exponent [ � ]bi Klassenbreite der Molekulargewichtsskala [ g/mol ]B

t(t; t0) Finger'scher Deformationstensor [ � ]

Ct(t; t0) Cauchy'scher Deformationstensor [ � ]

c, ci Probenkonzentration, Konzentration der i-ten Fraktion [ g/mol ]cp isobare spezi�sche Wärmekapazität [ J/(kg K) ]c1; c2 WLF-Parameter [ � ], [ K ]c1; c2; Mittelwerte der WLF-Parameter [ � ], [ K ]cg1; c

g2 Auf die Glasübergangstemperatur bezogene WLF-Parameter [ � ], [ K ]

C1 Kuhn'sche Konstante [ � ]D Durchmesser [ m ]D0

e Dehnnachgiebigkeit [ Pa�1 ]d, d0 Probendurchmesser bzw. Ausgangsprobendurchmesser [ m ]ds Solldurchmesser [ m ]De Deborah-Zahl [ � ]D Deformationsgeschwindigkeitstensor [ � ]f Funktionalität des Verzweigungszentrums [ � ]fw Skalierungsfaktor für die Molmassenverteilungsdichte [ � ]F Zugkraft [ N ]g; g0 Kontraktionsfaktoren [ � ]gi Relaxationsstärke [ Pa ]G(t) Relaxationsmodul [ Pa ]G�, |G�| komplexer dynamischer Schubmodul [ Pa ]G0, G00 Speicher� bzw. Verlustmodul [ Pa ]G0N Plateaumodul [ Pa ]

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206 B. Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

h(Mi) Massenverteilungsfunktion der Molekularmasse [ � ]h( ) Dämpfungsfunktion (Scherung) [ � ]hu(�) Dämpfungsfunktion (Dehnung) [ � ]H Plattenabstand [ m ]IB; IIB; IIIB Invarianten des Finger'schen Deformationstensors [ � ]J 0; J 00 Speicher� und Verlustnachgiebigkeit [ Pa�1 ]J0e Gleichgewichtsnachgiebigkeit [ Pa�1 ]Kw, Kv Mark-Houwink-Koe�zienten [ l/g ]K� Proportionalitätskonstante zwischen Nullviskosität [ Pas/(g/mol) ]

und Gewichtsmittelwert der MolmasseK Proportionalitätskonstante zwischen Nullviskosität [ Pas/(g/mol)3:4 ]

und Gewichtsmittelwert der MolmasseK 0 Quotient aus K=Kw [ Pas � mol3:4=(g2:4� l) ]l; l0 Probenlänge, Probenausgangslänge [ m ]�m Kraftau�ösung [ kg ]m(t� t0) Gedächtnisfunktion [ Pa/s ]mi, mges Masse der Komponente i, Gesamtmasse [ kg ]M Molmasse [ g/mol ]Ma Molmasse eines Seitenarmes [ g/mol ]Mc Kritische Molmasse [ g/mol ]Me Verschlaufungsmolmasse [ g/mol ]Mn Zahlenmittelwert der Molmassenverteilung [ g/mol ]Mp Molekularmasse am Peakmaximum [g/mol ]

der MolmassenverteilungMw Gewichtsmittelwert der Molmassenverteilung [ g/mol ]Mv Viskositätsmittelwert der Molmassenverteilung [ g/mol ]N Anzahl der Stützstellen des Relaxationszeitspektrums [ � ]ne mittlere Anzahl an Verschlaufungen pro Molekül [ � ]ne;a mittlere Anzahl an Verschlaufungen pro Seitenast [ � ]p Anzahl an Verzweigungen pro Molekül [ � ]�p durchschnittliche Anzahl an Verzweigungen pro Molekül [ � ]Pn Polymerisationsgrad [ � ]_Q Wärmestrom [ J/s ]R Allgemeine Gaskonstante [ J/(mol K) ]r2g�

Erwartungswert des Quadrats des Endpunktabstandes [ m2 ]S Dehnverfestigungsfaktor [ � ]St(t0) Deformationstensor [ � ]

hs2i Erwartungswert des Quadrats des Trägheitsradius [ m2 ]

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B.1. Symbole 207

t Zeit [ s ]�tG thermische Ausgleichszeit [ s ]�tM Messzeit [ s ]�tR Rührzeit [ s ]T Temperatur [ ÆC ] oder [ K ]T0 Bezugstemperatur [ ÆC ]TR Raumtemperatur [ ÆC ]Tg Glasübergangstemperatur [ ÆC ]Teig onset-Temperatur [ ÆC ]Tmg Mittenpunktstemperatur [ ÆC ]T1 Vogel-Temperatur (Invariante der WLF-Gleichung) [ ÆC ]u Geschwindigkeit [ m/s ]V Volumen [ ml ]Ve Elutionsvolumen [ ml ]Vh hydrodynamisch wirksames Volumen [ cm3 ]�Vi Di�erenz der Elutionsvolumina der i-ten Fraktion [ cm3 ]_V Volumenstrom [ ml/min ]wi Massenanteil der Komponente i [ � ]w(Mi) Massenverteilungsdichte der Molekularmasse [ mol/g ]wMM Massenanteil an Makromonomer [ � ]Wi Massenanteil des Polymeren in der i-ten Fraktion [ � ]x1; x2; x3 Koordinaten eines kartesischen Koordinatensystems [ m ]x Verschiebung [ m ]

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208 B. Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

�K Kegelwinkel [ Æ ]�s Scherwinkel [ Æ ]� Fitparameter der PSM-Funktion [ � ]�� Aufweitungsfaktor des hydrodynamischen Radius [ � ]�r Aufweitungsfaktor des Trägheitsradius [ � ]� Heiz- bzw. Kühlrate [ K/min ]Æ Phasenwinkel [ Æ ]�spez Spezi�sche Viskosität [ � ]�rel Relative Viskosität [ � ][�] Intrinsische Viskosität [ cm3/g ][�]� Intrinsische Viskosität in �-Lösung [ cm3/g ]��, |��| Komplexe Viskosität; Betrag [ Pas ]�E Dehnviskosität [ Pas ]_� Hencky-Dehnrate [ s�1 ]� Hencky-Dehnung [ � ] , 0 Scherung, Scheramplitude [ � ]_ Schergeschwindigkeit [ s�1 ]�0 Viskosität [ Pas ]�0 Nullviskosität [ Pas ]�0; �00 Speicher- bzw. Verlustkomponente der Viskosität [ Pas ]� Verstreckung [ � ]�c charakteristische Relaxationszeit [ � ]�i diskrete Relaxationszeit [ s ]� 0 Vorfaktor für das Verschlaufungsverhältnis Ma=Me [ � ]�, �0;1 Proportionalitätskonstanten der Fox-Flory-Gleichung [ s ]�n;bb Anteil der Monomereinheiten des Rückgrates [ � ]�n;br Anteil der Monomereinheiten der Seitenäste [ � ]� Dichte [ g/cm3 ]�0 Dichte des Lösungsmittels [ g/cm3 ]� Schubspannung [ Pa ]� Schubspannungstensor [ Pa ]� , �0 Schubspannung, Schubspannungsamplitude [ Pa ]�k charakteristische Zeit [ s ]! Kreisfrequenz [ rad/s ]� Frequenz [ s�1 ]

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B.2. Abkürzungen 209

B.2. Abkürzungen

br Verzweigung (branch)bb Rückgrat (backbone)DE Doi, EdwardsDSC Di�erentielle Thermoanalyse (di�erential scanning calorimetry)GPC GelpermeationschromatographieHDPE Hochdichtes Polyethylen (high-density polyethylene)LAMC Lehrstuhl für Angewandte Makromolekulare Chemie (Universität Stuttgart)LDPE Niederdichtes Polyethylen (low-density polyethylene)lin linear (nicht langkettenverzweigt)LLDPE Lineares, niederdichtes Polyethylen (linear low-density polyethylene)LSP Lehrstuhl für Polymerwerksto�e (Universität Erlangen-Nürnberg)LVE Linear-viskoelastischmax maximalMALDI Matrixunterstützte Laserdesorption (matrix assisted laser desorption)mLLDPE Metallocen-katalysiertes PolyethylenMM MakromonomerNVE Nichtlinear-viskoelastischPBD PolybutadienPC PolycarbonatPE PolyethylenPEP Poly(ethylen-alt-polypropylen)PI PolyisoprenPIB PolyisobutylenPP PolypropylenPS PolystyrolPSM Papanastasiou, Scriven, Macoskorel relativspez spezi�schTGA Thermogravimetrische AnalyseTHF TetrahydrofuranVOC �üchtige Kohlenwassersto�e (volatile organic compounds)WLF Williams, Landel, Ferry

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mit-arbeiter am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Zeitraum von Februar 1997 bis Juni 2002.

� Meinem Betreuer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. rer. nat. Helmut Münstedt, möch-te ich für die Möglichkeit der Bearbeitung des interessanten Themas und für dieBetreuung der Arbeit sehr herzlich danken. Sein Interesse und seine Diskussionsbe-reitschaft sowie die mir gewährten Freiheiten trugen wesentlich zum Gelingen derArbeit bei.

� Die synthetischen Arbeiten wurden im Rahmen eines gemeinsamen DFG-Projektes(DFG Ei 147/15-1 und Mü 1336/2-1) am Lehrstuhl für Angewandte MakromolekulareChemie der Universität Stuttgart durchgeführt. Herrn Prof. Dr. rer. nat. habil. ClausD. Eisenbach gebührt Dank für die wissenschaftliche Betreuung und die Anregungenim Laufe des Projektes. Ohne das experimentelle Geschick von Dr. Peter Haug undseine zügige Umsetzung unserer Wünsche wäre diese Arbeit erst gar nicht möglichgeworden. Ihm danke ich sehr herzlich für die stetige und ungebrochene Diskussions-und Hilfsbereitschaft während der gesamten Zusammenarbeit. Herrn Dr. Dirnbergerdanke ich für die Hilfe bei der Durchführung der Headspace-Analysen.

� Herrn Prof. Dr.-Ing. Manfred H. Wagner (TU Berlin) danke ich für die freundlicheÜbernahme des Mitberichts dieser Arbeit.

� Meinen ganz besonderen Dank möchte ich meinen Eltern für ihre unentwegte Hil-fe und Unterstützung während des Studiums und der Promotionszeit aussprechen.Meiner Freundin Sonja Fischer danke ich sehr herzlich für ihr Verständnis, ihre Un-terstützung und Geduld, vor allem in der Endphase der Arbeit.

� Herrn Dr.-Ing. Joachim Kaschta und Herrn Dr. Tatsuhiro Takahashi danke ich fürviele Anregungen und Hilfen bei experimentellen Problemen.

� Mein Dank gilt auch Herrn Dipl.-Ing. Jürgen Meier und Frau Dipl.-Ing. (FH) Jas-min Wörle, die in Form von Studien� und Diplomarbeit zum Gelingen dieser Arbeitbeitrugen.

� Herr Alfred Frey kam stets zu Hilfe bei allen anfallenden elektronischen Schwierig-keiten, Herr Harald Rost stellte die kontinuierliche Versorgung mit Flüssigsticksto�und die Unterstützung bei apparativen Problemen sicher. Frau Dipl.-Ing. Michlerund Frau Dipl.-Ing. Magdalena Papp halfen bei den Industrieaufträgen mit. FrauInge Herzer führte unzählige GPC-Messungen durch und Frau Marika Sturm arbei-tete sorgfältig an den lösungsviskosimetrischen Untersuchungen. Ihnen allen gilt meinganz herzlicher Dank.

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� Für die angenehme Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rheologie möchte ich HerrnDr. D.-J. Dijkstra von der Fa. Bayer AG danken. Seinen Kollegen, Herrn Dr. K.Horn sowie Herrn Dipl.-Ing. R. Hufen und Herrn Dr. C. Schultz, gilt Dank für dieBereitstellung der Polycarbonatproben und deren molekulare Daten.

� Weiterhin gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Christopher W. Macosko des Instituteof Chemical Engineering and Materials Science der University of Minnesota für diesehr freundliche Aufnahme in seinem Labor und einige Anregungen sowie seinenMitarbeitern, Herrn Dr. Leo J. Kasehagen, Herrn Dr. Takushi Saito und Herrn Dr.Jonathan S. Schulze, für die Unterstützung.

� Herrn Prof. Dr. Tom C.B. McLeish vom IRC of Polymer Science der University ofLeeds danke ich für die Einladung zu einem Aufenthalt in seiner Arbeitsgruppe sowiedie interessanten Diskussionen während meiner Zeit in Leeds.

� Herrn Dr. Fleissner der Fa. Hoechst AG danke ich für die Überlassung des Dehn-rheometers. Den Firmen Bayer AG, BASF AG, Ciba-Geigy AG, DuPont, H.B. Fullerund Wacker Chemie danke ich für die kostenlose und groÿzügige Bereitstellung vonProben� und Versuchsmaterialien.

� Meinen Arbeitskollegen am Lehrstuhl für Polymerwerksto�e danke ich für die kolle-giale Atmosphäre und die vielen informativen und interessanten Gespräche. Beson-ders herzlich danke ich meinen Zimmerkollegen, Herrn Dr.-Ing. Thomas Hentschel, fürseine humorvolle, allumfassende Sicht der Dinge des alltäglichen Lebens und HerrnDr.-Ing. Martin Schwetz für seine Nachhilfe in der wienerischen Sprachkultur so-wie das gemeinsame Musizieren. Herrn Dr.-Ing. Claus Gabriel danke ich für vieleDiskussionen auf unserem Fachgebiet und die kooperative Zusammenarbeit bei denTagungsbeiträgen.

� �Erst kommt das Fressen, dann die Moral� (B. Brecht):Für die �nanzielle Unterstützung während der Promotion danke ich der DeutschenForschungsgemeinschaft (DFG), für ein Auslandsstipendium dem Deutschen Akade-mischen Austauschdienst (DAAD) und für die vorangegangene Studienförderung derStudienstiftung des deutschen Volkes.

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Lebenslauf

Persönliche Daten

23.12.1970 geboren in Mödling/Wien als Kind der EheleuteSiegfried Hepperle und Frau Carolina Hepperle, geb. van der Loo

Schulbildung

Aug. 1977 - Juli 1979 Grundschule Mühlhausen / PforzheimAug. 1979 - Juli 1981 Grundschule Osterfeld, PforzheimAug. 1981 - Mai 1990 Kepler-Gymnasium, PforzheimMai 1990 Abschluss: Allgemeine Hochschulreife

Studium

Oktober 1990 Beginn des Studiums Chemieingenieurwesen/Verfahrenstechnikan der Universität Erlangen-Nürnberg

Oktober 1992 VordiplomSept. 1993 - Nov. 1993 Studienarbeit an der Ecole Centrale, Paris (F)Dez. 1995 - Juni 1996 Diplomarbeit am Lehrstuhl für Technische Chemie I

mit dem Thema: �Kinetische Untersuchungen zur Totaloxidationvon �üchtigen Kohlenwassersto�gemischen an katalytischbeschichteten Mikrofasergestricken�

Juni 1996 Abschluss des Studiums als Diplom-Ingenieur

Beru�iche Laufbahn

Juni 1996 - Aug. 1996 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhlfür Technische Chemie I (Reaktionstechnik), Institut fürChemieingenieurwesen, Universität Erlangen-Nürnberg

Feb. 1997 - März 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fürPolymerwerksto�e, Institut für Werksto�wissenschaften,Universität Erlangen-Nürnberg

Mai 1997 - Juli 1997 Forschungsaufenthalt am Department of Chemical Engineeringand Materials Science der University of Minnesota (USA)

Juli 2001 - Okt. 2001 Forschungsaufenthalt am IRC (InterdisciplinaryResearch Centre in Polymer Science and Technology)der University of Leeds (GB)

seit Dez. 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bayer AG, Leverkusen(Technische Entwicklung, Hochviskos- und Polymerverfahrenstechnik)

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