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134 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964 Strukturchemische Systernatik. 1111) Beitrag zur Struktursystematik won Verbindungen des Typs A,BX, Von G. GATTOW Mit 5 Abbildungen Inhaltsubersicht Es werderi Morphotropiebeziehungen und die strukturchemische Volumenregel fur Verbindungen des Typs A,BX, mit X = 0 und z. T. F abgeleitet und die Zusammenhange zwischen Gitterdimensionen und Ionenradien als Funktion des Strukturtyps untersucht. Es ist moglich, mit Hilfe dieser Beziehungen den Strukturtyp noch unbekanntrr A,BX,- Verbindungen vorauszusagen. Summary The morphotropy relations and the ,,strukturchemische Volumenregel" have hcen dedu- ced for A,BX, compounds, with X standing for oxygen and/or fluorine. Lathice dimensions and ionic radii are discussed in relation with the structure types. Tt is thus possible to predict the structure type of unknown A,RX,-compounds. Uber die Verbindungen voni Typ A,BX, ist in Hinblick auf eine Erwei- terung der Kenntnisse iiber binare Systeiiie AX -RX,, A,X,-BX USW. in den letzten Jahren relativ vie1 gearbeitet morden. Auch wurden bei einer Keihc von ihnen die Kristallstrukturen bestimmt. Im Zusamnienhang mit unseren Untersuchungen uber eine strukturchemische nnd thermochemische Syste- matik anorganischer Verbindungen war es dringend angebracht, die Verbin- dungen vom Typ A,BX, einer Struktupystematik zu unterwerfen, zumal bereits gezeigt werden konnte ,), dafi die Morphotropiebeziehungen von GOLDSCHMIDT 3, - wegen des heute zuganglichen grofieren Untersnchungs- materials - als zum Teil uberholt anzusehen sind. 1) 11. Mitteilung: G. GATTOW, Naturwissenschaftcn 50, 1,52 (1963). 2) Vgl.') und G. GATTOW, Angen. Chem. 52, 583 (IWO).

Strukturchemische Systematik. III. Beitrag zur Struktursystematik von Verbindungen des Typs A2BX4

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134 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964

Strukturchemische Systernatik. 1111)

Beitrag zur Struktursystematik won Verbindungen des Typs A,BX,

Von G. GATTOW

Mit 5 Abbildungen

Inhaltsubersicht Es werderi Morphotropiebeziehungen und die strukturchemische Volumenregel fur

Verbindungen des Typs A,BX, mit X = 0 und z. T. F abgeleitet und die Zusammenhange zwischen Gitterdimensionen und Ionenradien als Funktion des Strukturtyps untersucht.

Es ist moglich, mit Hilfe dieser Beziehungen den Strukturtyp noch unbekanntrr A,BX,- Verbindungen vorauszusagen.

Summary The morphotropy relations and the ,,strukturchemische Volumenregel" have hcen dedu-

ced for A,BX, compounds, with X standing for oxygen and/or fluorine. Lathice dimensions and ionic radii are discussed in relation with the structure types.

T t is thus possible to predict the structure type of unknown A,RX,-compounds.

Uber die Verbindungen voni Typ A,BX, ist in Hinblick auf eine Erwei- terung der Kenntnisse iiber binare Systeiiie AX -RX,, A,X,-BX USW. in den letzten Jahren relativ vie1 gearbeitet morden. Auch wurden bei einer Keihc von ihnen die Kristallstrukturen bestimmt. I m Zusamnienhang mit unseren Untersuchungen uber eine strukturchemische nnd thermochemische Syste- matik anorganischer Verbindungen war es dringend angebracht, die Verbin- dungen vom Typ A,BX, einer Struktupystematik zu unterwerfen, zumal bereits gezeigt werden konnte ,), dafi die Morphotropiebeziehungen von GOLDSCHMIDT 3, - wegen des heute zuganglichen grofieren Untersnchungs- materials - als zum Teil uberholt anzusehen sind.

1) 11. Mitteilung: G. GATTOW, Naturwissenschaftcn 50, 1,52 (1963). 2 ) Vgl.') und G. GATTOW, Angen. Chem. 52, 583 (IWO).

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G. GATTOW, Beitrag zur Struktursystematik von Verbindungen des Typs A,BX, 135

Neben den bereits erwlhnten Morphotropiebeziehungen von GOLDSCHMIDT3) wurde lediglich versucht, einige spezielle Strukturtypen von A,BX, zu syetematisieren bzw. zuzu- ordnen4). An Hand von Strukturbetrachtungen konnte fur A,BX,-Verbindungen die strukturchemische Volumenrege12) abgeleitet werden, die sehr wahrscheinlich allgemeine Giiltigkeit besitzt. Bestatigt wurde sie inzwischen von GIULIO~) fur Verbindungen des Typs ABX,.

Es sol1 versucht werden, mit Hilfe der Ionenradien als strukturverant- wortlichem Faktor 6 , eine empirische Struktursystematik aufzubauen und die Zusammenhange zwischen Ionenradien, Koordinationszehlen, Gitter- dimensionen usw. zu erforschen. Hierbei haben wir uns vorerst auf die Ver-

(1+)B(6+)X(2-), A(1+)A'(2+)B(5f)Xk2-)y @+)~(4+)X(2-), A(2+)A1(2+) B(4t)X(2-) A(z+)A1(3+)B(3+)X(z-) A(3+)B(2+)Xf-), A(sf)A1(3+)B(2+)Xf-) ulld bindungen A2 4 4

4 > 4 9 2 - 2 2('-)B(2+)Xi1-) mit X = 0 und z. T. P beschrankt, da uber diese das meiste Untersuchungsmaterial vorliegt.

In dieser Systematik sind keinesfalls alle Verbindungen erfaBt, auch wenn diese struk- turell gesichert sind?). Fallen z. B. in einer isostrukturellen Reihe ein oder mehrere Glieder heraus, dann wurden diese nicht beriicksichtigt (z. B. kristallisiert (NH,),SeO,S) nicht im rhombischen fi-K,SO,-Typ oder im hexagonalen Glaserit-Typ). Ebenfalls werden Struktu- ren, bei denen bis heute nur ein oder sehr wenige Vertreter bekannt sind, oder z. T. auch einzelne Cu-Verbindungen, die hiiufig aus einer strukturchemischen Systematik heraus- falleng), nicht aufgefiihrt. Auch wurde z. B. der Co,OTi,-TyplO) wegen andersartiger Zu- sammensetzung nicht berucksichtigt. Treten Ubergange zwischen verschiedenen Struktur- typen auf, d. h. liegen polymorphe Modifikationen vor, so gelangten nnr die bei Zimmer- tc,mperatur thermodynamisch stabilen Modifikationen zur Auswertung. - Benutzt wurden

3, V. M. GOLDSCHMIDT, Skr. norske Vidensk.-Akad. Oslo K1. 1926, Nr. 2 ; Fortschr. Mineralog., Kristallogr., Petrogr. 1.5, 73 (1931).

4, Vgl. z. B. M. A. BREDIG, J. physic. Chem. 49, 537 (1945); W. WOJCIECHOWYICA, IViadomoBci chem. 10, 649 (1956); R. HOPPE, Z. anorg. allg. Chem. 291, 135 (1958); G.

Acta crystallogr. [Copenhagen] 11, 304 (1958); Z. anorg. alIg. Chem. 303, 103 (1960); H. BINDER, Z. anorg. allg. Chem. 303, 105 (1960); T. HAHN, Silikattechnik 12, 331 (19G1); F. P. GLASSER u. L. S. D. GLASSER, J. Amer. ceram SOC. 46, 377 (1963); F. R. CRUICKSHANK, D. M. TAYLOR u. F. P. GLASSER, J. inorg. nuclear Chem. 26, 937 (1964) usw.

5, M. GIGLIO, Z. anorg. allg. Chem. 324, 225 (1963); M. GIGLIO u. H. NOVALES, Natur- wissenschaften 51, 56 (1964).

6 , Es tritt die berechtigte Frage auf, inwieweit die Ionenradien bei komplexen Ionen (z. B. BX:-, BX:- usw.) wegen Polarisation und Kontrapolarisation noch Giiltigkeit he- sitzen.

7 ) Schwierigkeiten treten bei der Auswertung von Literaturangaben auf, da von einzel- nen Autoren fur ein und dieselbe Verbindung nicht nur unterschiedliche Gitterdimensionen angegeben, sondern auch teilweise verschiedene Strukturen ermittt-lt wurden.

WAGNER U. H. BINDER, Z. anorg. allg. Chem. 298, 1 2 (1959); A. RABEN-4U u. P. ECKERLIX,

6 ) G. GATTOW, Acta crystallogr. [Copenhagen] 15, 419 (1962). 9 ) J. ZEK~NN, Fortschr. Mineralog. 39, 59 (1961); vgl. auch G. G ~ T T O W u. J. ZEXAX-N,

Acta crystallogr. [Copenhagen] 11, 866 (1958). 10) W. ROSTOKER, J. Metals 4, 209 (1952)).

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136 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 19G4

die lonenradienwerte von AHRENS l1)I2), wobei die Koordinationszahlen unberiicksichtigt blic- ben; eine Mittelwertbildung erfolgte beim Vorliegen von A und A' in einer Verbindung usw. Die Angaben iiber die Gitterdimensionen, Strukturen usw. wurden sowohl modernen struk- turchemischen, mineralogischen und chemischen Nachschlagewerken als auch Original- arbeiten entnornmenlS). Bei alteren Arbeiten mu Dten die Gitterdimensionen von kX- in A-Einhciten umgerechnet werden.

I. Morphotropiebeziehungen Tragt man die einzelnen Verbindungen &BX, ihrer Struktur nach in ein

Radiendiagramm (rA und rB alsKoordinaten) ein, so zeigt sich, daB die auf- tretenden Strukturtypen sowohl von den Radien (IA, rg, rx) der Gitter- bestandteile A, B und X als auch von den Koordinationszahlen von A und B gegenuber X abhangen. Abb. 1 zeigt dieses an Verbindungen desTyps A,BX, mit X = 0.

6 3

Abb. 1. Strukturen von Verbindungen des Typs A2BX4 mit X = 0

Folgende S t r ~ k t u r t y p e n l ~ ) treten auf (X = 0) : 1. Li,SO,-Typ

LArlB[4]X,, monoklin; Z = 4. Nur ein Vertreter (Li2S04) bekannt; rB bis etwa 0,34 A.

11) L. H. AHRENS, Geochim. cosmochim. Bcta [London] 2,156 (1952). 12) Fur F- und 02- wurden folgendc Ionenradien verwendet: rF- = 1,33 A und

13) Wegen der Vielzahl von Literaturstellcn sol1 nach Miiglichkeit auf die Angabe \-on

14) In der strukturchemischen Schreibn-eise von F. MACIIATSCIIKI, Mh. Chem. 77, 333

roz- = 1,40 A,

Einzelzitaten verzichtet werden.

(1!)47).

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( l . GATTOW, Beitrag zur Struktursystrmatik voii Vrrbindungen des Typs &I,BX, 137

2. Xa,SO,-Typ ~ A ~ 1 B [ * J X 4 , rhombisch; Z = 8. rA = etwa 0,90 bis 1,30 A, rB bis etwa 0,11 A.

3. fi-K,SO,-Typ m "A[gllA[8JB[4JX4, rhombisch; Z = 4.

z. 0,97 bis etwa 1,85 A, rB bis 0,60 A .

4. Phenakit-Typ LAPlB['IX,, hexagonal; Z = 18. rA bis etwa 0,77 A, rB = 0,41 bis O,(i3 8.

5. Olivin-Typ ~ A ~ l B [ 4 1 X , , rhombisch; Z = 1. rA = 0,48 bis 0,98 d, rB = 0,33 bis 0,53 d. Ausnahmen: LiMgVO, mit rB = 0,59 8; Sr,GeO,, Ba,GeO, uncl KBaPO, mit rA = 1.12, 1,34 und 1,34 8.

6. Spinell-Typ ~ ,A~lB[41X, , A (A, B)L6lA['lX,, A (A2, B)[4,61X,15), kubisch; Z = 8. rA = 0,48 bis 0,97 8, rB = 0,53 bis 0,98 A.

7. Hausmannit-Typ Tetragonal verzerrter 8pinelli6). Grenzen wie beim Spinell, dazu rA = 0,81 d und rB = 0,98 bis 1,50 8 (bei den Indaten).

5. Sb,ZnO,-Typ d, AFlB['jlX,, tetragonal; Z = 1. rA = 0,55 bis 0,77 A, rs = 0,63 bis 0,82 A, Ausnahmen: Pb,SnO, und Pb,O, mit rA = 1,20 d. Dieser Typ ist vermutlich nur auf die typischen Ionen besehrankt, die gegeiiiiber Sauerstoff die Koordinationszahl 3 besitzen (z. B. As3+, Sb3+).

9. K2MgF4-Typ 1') A~lB[61X,, tetragonal; Z = 2.

rA = 0,98 bis etwa 1,85 A, rB = 0,59 bis etwa 0,90 8. Ausnahme: SrLaAlO, mit rB = 0,51 A.

l5) Es handelt sich hierbei um normale, inverse und statistisehe Spinelle. l a ) Die Deformation ist durch den JAHN-TELLER-Effekt bedingt; vgl. J. D. DUNITZ

u. L. E. OROEL, J. Physics Chem. Solids 3, 20 (1957); F. BERTAUT, F. FORRAT u. J. DULAC, C. R. hebd. Seances Acad. Sci. 2449, 726 (1959).

17) Obgleich u. W. K,MgF, die erste strukturell aufgeklarte Verbindung dieses Typs war18), wird dieser auch haufig als K,NiF,-Typ bezeichnetlo).

'8) H. REMY, Angew. Chem. 61, 327 (1949); H. REMY u. F. HANSEN, 2. anorg. ailg. Chem. 283, 277 (1956); B. BREHLER u. H. G. F. WINKLER, Heidelb. Beitr. Mineralog. Petrogr. 4, 6 (1954).

1 9 ) D. BALZ, Naturwissenschaften 40, 241 (1953); D. BALZ u. K. PLIETH, Z. Elektro- chcm., Ber. Bunsenges. physik. Chem. 59, 545 (1955).

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138 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964

10. Ti,CaO,-Typ 2 A[ilB[9lX,, rhombisch; Z = 4. r, = 0,60 bis 0,78 A, rB = 0,98 bis etwa 1,60 A, Falls Eu,SrO, und Eu,O,20) ebenfalls in diesem Typ kristallisieren, dann ist rA bis auf etwa 1,t3 A zu erweitern.

Aus dem Zusammenhang zwischen Kristallstruktur und Ionenradien kann folgende Systematik aufgestellt werden :

1. Mit groI3er werdendem r, und rg nehinen die Koordinationszahlen von A und B zu.

2. Isolierte Koordinationspolyeder treten bei kleinem rA und groljeni rg und z. T. auch umgekehrt auf.

3. Bei Verbindungen mit groljein rA und/oder groIjem r, konnen 2- oder 2-Verknupfungen der Koordinationspolyeder bevorzugt sein.

4. Kristallisieren die Verbindungen in mehreren, von der Temperatur abhiingigen Modifikationen, dann ist zumindest beim Vorliegen von iso- lierten Koordiiiationspolyedern die Regel von BRANDENBERGER erfullt 21).

11. Strukturchemische Volumenregel An Hand von Kristallstrukturen der Verbindungen des Typs A,BX,

koniiten wir friiher die strukturchemische Volumenregel ableiten2)24). Diese Regel besagt, da13 bei isostrukturellen Verbindungen zum Teil lineare Zu- sammenhange zwischen den Suinmen der Ionenradien aller oder eines Teils der an der Verbindung beteiligten Atome und den Volumina der Elementar- zellen bestehen, wobei das SteigungsmaI3 Auskunft iiber die Packungsdichte iiiid Verknupfung der Koordinationspolyeder geben kann.

An zwei ausgewahlten Beispielen, die in Abb. 2 und 3 im einzelnen fur X = 0 und F wiedergegeben sind, sol1 das Vorliegen von linearen Zusam- menhiingen zwischen den Suininen der Ionenradien (L'r = rA + r, + rx) und den Volumina der Elementarzellen V fur 4 Formeleinheiten in der Ele- nientarzelle als Punktion des Strukturtyps aufgezeigt werden. Analog dazu

, O ) H. BARNIGHAUSEN u. G. BRAUER, Acta crystallogr. [Copenhagen] 1.5, to59 (t9W). zl) Zum Beispielubergang P-K,SO, + a-K,SO, (Glaserit-Typ) und a-Li,SO, +@-Li,SO,.

I n der Hochtcmperaturmodifikation besitzt A eine gr6Rere Koordinationszahl als in der Ticf- temperaturform : K[g]K[S]S[410, + KpolS[41 0, und Lip]S[4]04 + Li[21J"jS[410,2z). uber die Umw andlungen im K,SO,-Typ vgl. z. B. 2s).

?,) T. FORLAND u. J. KROGH-MOE, Acta chem. scand. 11, 565 (1957); C. W. F. T. I'ISTORIUS, Z. physik. Chem. [Frankfurt/M.] 28, 262 (1961).

23) H. F. FISCHMEISTER, Mh. Chem. 93, 420 (1962); C. W. F. T. PISTORIUS, Z. pliysik. t'liem. [Frankfurt/M.] 36, 109 (1962) ; G. GATTOW, Naturwissenschaften 4i , 442 (1960); Acta crystallogr. [Copenhagen] 15, 419 (t962).

24) Inzwischen konnte die Gdltigkeit der strukturchemischen Volumenregel aurh fiir Verbindungen des Typs ABX, bestatigt werden ; siehe5).

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G. GATTOW, Beitrag zur Struktursystematik von Verbindungen des Typs A,BX, 139

zeigt die Abb. 4 die graphische Wiedergabe der strukturchemischen Volu- menregel fur Verbindungen des Typs A,BX, in ihrer Gesamtheit. Die Zu- sammenhknge zwischen Zr, V und dem Strukturtyplassen sich in 1. Niiherung durch lineare Gleichungen der Art .Zr = a . V + b beschreiben; die Kon- stanten a undeb sind der Tab. 1 fur Z = 4 zu entnehmen.

Tabelle 1 Z u s a m m e n h a n g zwischen S u m m e d e r I o n e n r a d i e n u n d Volumen d e r E l e - m e n t a r z e l l e b e i V e r b i n d u n g e n d e s

T y p s A,BX, (fur Z = 4)

Strukturtyp

Na,SO,

Phenakit Olivin Spine1Iz6) Hausmannit Sb,ZnOl

Ti,CaO,*7)

~ - K 2 S 0 4 2 ~ )

K,MgF,

Z r = a . a

0,59 0,32 0,39 0,37 0,45 0,62 0,64 0,37 0,31

s”’

- 2 V + b b

0,73 1,68 1,23 1,42 1,46 0,93 0,15 1,78 2,18

* X = O 30, L 3 a o ~ 1 ky ~ A X = F - - ~ ~

400 500 600

-1bb. 3. Verbindungen vom K,MgF,-Typ (fur Z = 4)

--- vr63

x=o A X=f

Abb. 2. Verbindungen vom Olivin-Typ (fur z = 4)

t -K,SO,

100 200 300 400 500 600 ,,700 -- VrA I Abb. 4. Strukturchemische Volumen- regel fur Verbindungen des Typs A,BX,

mit X = 0 und F (fur Z = 4)

2s) Bei Beriicksichtigung aller Verbindungen vom P-K,SO,-Typ (mit X = 0, S, F, C1,

26) Werden alle Verbindungen vom Spinell-Typ berucksichtigt (mit X = 0, S, Se, Te,

27) Die Bexiehung gilt unter der Voraussetzung, daB auch Eu,SrO, und EU,O,~O) im

Br) folgt Z r = 0,21.

F, CI), dann gilt in 1. Naherung die Beziehung ,Z r = 0,20. 10V V + 2,20 (fur Z = 4).

Ti,CaO,-Typ kristallisieren.

V 4- 2,18.

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140 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964

Die Abweichungen der Einzelwerte von den allgemeinen Gleichungen liegen durehschnitt- lich in der Grohenordnung, wie sie aus den Abb. 2 und 3 zu ersehen ist. Lediglich beim P-K2,3,-Typ und ganz besonders bei den Spinellen treten groBere Schwankungen auf, die nicht nur durch die Ungenauigkeiten der von verschiedenen Autoren mit mehr oder minder groBcr Sicherheit bestimmten Gitterdimensionen bedingt silld, sondern auch von der ,.Er- mittlung" der Ionenradien herriihren konnen. So sind z. B. unsere Kenntnisse uber die Art des Spinells (normal, invers oder statistisch) und der damit verbundenen ,,Wertigkeits- verteilung" heute noch vielfach beschrankt28).

Die auf Grund von Literaturangaben benutzten Gitterdimensionen, die nicht der Volumenregel zu gehorchen scheinen, deuten auf fehlerhafte Bestim- mung der strukturellen Daten hin, wie bereits fur einigeFalle gezeigt werden konnte29).

111. Zusammenhiinge zwischeri Gitterdimensionen und Ionenradien

140 ~ 1Q 0

I?,G-S,O

il

Abb. 5. Zusammenhang zwischen Citterdimensionen und Summe der lonenradien bei Verbindungen des Phenakit-Typs mit X = 0 und F

Um Zusammenhgnge zwischen Gitter- dimensionen und Ionenradien auffinden zu konnen, wurden die Gitterkonstanten der einzelnen Verbindungen als Funktion der Radiensummen graphisch aufgetragen. Es zeigt sich, daB auch hier wieder eine z. T. strukturbedingte Abhangigkeit besteht (z. B. im SteigungsmaB als Funktion des struktu- rellen Aufbaus), die sich in grober Nahe- rung durch lineare Gleichungen mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 5 1 yo beschreiben 11Bt. In der Abb. 5 ist dieses an einem ausgewiihlten Beispiel (Phenakit- Typ) graphisch wiedergegeben ; die Bezic- hungen sind, soweit iiberhaupt Zusammen- hange existieren, der Tab. 2 zu entnehnien.

Wie aus der Tab. 2 zu ersehcn ist, lassen sich beim K,MgF,-Typ die c-Konstanten und beiin Ti,CaO,-Typ die a- und b-Kon-

28) Uber die Kationenverteilung in Spinellphasen vgl. z. B. \Y. BARTH u. E. POSNJAK, Z . Kristallogr., Mineralog. Petrogr. 83, 325 (1932); W. VERWEY u. L. HEILMANN, J. chem. Physics 15, 174 (1947); F. C. ROMEIJN, Philips Res. Rep. 8, 304, 321 (1953); W. RUDORFF u. B. REUTER, Z. anorg. Chem. 953,194 (1947); D. K. MCCLURE, Physics Chem. Solids 3, 311 (1957); C. DELORME, Bull. SOC. franp. MinCralog. Cristallogr. 81, 19, 79 (1958); 0. SCHMITZ- DUMONT, H. BROKOPF u. K. BURKHARDT, Z. anorg. allg. Chem. 295, 7 (1958); L. V. Azb- ROFF, Z. Kristallogr. 112, 33 (1959); P. H. 8. VERMAAS u. E. R. SCHMIDT, Heidelb. Britr. Mineralog. Petrogr. 6, 219 (1959); A. MILLER, J. appl. Physics, Suppl. 30, 24 6 (195!J); H. QCHMALZRIED, Z. physik. Chem. [Frankfurt/M.] 38, 203 (1961).

29) G. GATTOW, Naturwissenschaften 4i, 44" (1960).

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G . GATTOW. Beitrag zur Struktursystematik von Verbindungen des Typs S,BX, 141

Tabelle 2 Z u s a m m e n h a n g zw-ischen G i t t e r d i m e n s i o n e n u n d S u m m e d e r I o n e n r a d i e n

be i V e r b i n d u n g e n d e s Typs A,BX, m i t X = 0 u n d F

Strukturtyp

Na,SO,

P-K,SO,

Phenakit

Olivin

Spinel130)

Hausmannit

Sb,ZnO,

K,MgF,

Ti,CaO,

Symmetrie

rhombisch

rhombisch

hexagonal

rhombisch

kubisch

tetragonal

t.etragona1

tetragonal

rhombisch

Z

8

4

18

4

8

S

4

2

4

:itterkonstante

1

b C

a b C

a C

a. b C

a

a C

a C

a C

'x b C

Gitterkonstante =

s Z r + y

l , l ( i 1,23 0,40

1,95 2,24 1,53

3,C;O 2,C;C;

2,12 3,52 1,23

1,94

1,62 3,39

0,67 1,21

0,90 keine Abhangigkeit

keine Abhangigkeit keine Abhangigkeit

1,OG I -0,24

stanten nicht durch allgemeine Gleichungen einfacher Art beschreiben. Der tetragonale Ii,MgF,-Typ zeigt z. B. eine starke Abhangigkeit von der GroBe des Radius A : Dieser Typ baut ein 2-dimensionales Gitter auf, in dem die untereinander verknupften BX,-Oktaeder in Ebenen senkrecht zur c-Achse angeordnet sind. Wird das A-Ion durch ein groBeres Ion ersetzt, so tr i t t eine sprunghafte Aufweitung des Gitters in Richtung der c-Achse ein, wahrend sich die GroBe der a-Achse nur geringfugig verandert .

Mit Hilfe der Morphotropiebeziehungen und der strukturchemischen Volumenregel ist es moglich, den Strukturtyp noch unbeliannter A,BX,- Verbindungen vorauszusagens) ; dieses gilt besonders bei grogem r, und/oder groWem rg.

3 0 ) Bessere Zusammenhange zwischen Ionenradien und Gitterdimensionen aiehe z. T. bei 28) und z. B. bei V. I. MIKIIEEV, H3BeCTHfl AitaAeMm Hayrf CCCP [Nadir. Akad. Wiss. UdSSR] 101, 343 (1955).

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142 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 333. 1964

Die Untersuchungen iiber eine strukturchemische Systeinatik anorgani- scher Verbindungen werden fortgesetzt.

Fur die Bereitstellung von lnstitutsmitteln danke ich sehr Herrn Professor Dr. 0. GLEBI- SER. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie sei genz besonders fur die groBziigige Unterstutzung der Arbeit gedankt.

Got t ingen , Anorganisch-chemisches Institut der Universitiit.

Bei der Redaktion cingegangcn am 3. Marz 1964.