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Schriftenreihe Studien zu Spätantike und Frühmittelalter Herausgegeben von Orsolya Heinrich-Tamaska, Niklot Krohn und Sebastian Ristow Band 3 ISSN 1867-5425 Verlag Dr. Kova

Studien zu Spätantike und Frühmittelalter · 2011. 12. 18. · Von Säumern, Lavezdrehern und Kirchenburgen – Siedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters im Alpenrheintal

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Schriftenreihe

S t u d i e n z u S p ä t a n t i k e

u n d F r ü h m i t t e l a l t e r

Herausgegeben von

Orsolya Heinrich-Tamaska,

Niklot Krohn und

Sebastian Ristow

Band 3

ISSN 1867-5425

Verlag Dr. Kova�

Untergang und Neuanfang

Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter

3. Siedlungsarchäologie

(Mannheim, 13.–14. Mai 2008)

4. Militaria und Verteidigungsanlagen (Detmold, 1. September 2009)

Herausgegeben von

Jörg Drauschke, Roland Prien und Sebastian Ristow

Verlag Dr. Kova�

Hamburg 2011

VERLAG DR. KOVA� e. K. F A C H V E R L A G F Ü R W I S S E N S C H A F T L I C H E L I T E R A T U R

Leverkusenstr. 13 · 22761 Hamburg · Tel. 040 - 39 88 80-0 · Fax 040 - 39 88 80-55 E-Mail [email protected] · Internet www.verlagdrkovac.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN: 1867-5425

ISBN: 978-3-8300-5029-2 © VERLAG DR. KOVA� in Hamburg 2011 Umschlaggestaltung: Verlag Dr. Kova� Umschlagzeichnung: Michael Kinski (nach der Vorlage der Schmuckscheibe von Limons) Redaktion: Hrsg.; Schlussredaktion und Satz: archaeoplanristow (M. Hundt/S. Ristow) Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, fotomechanische Wiedergabe, Aufnahme in Online-Dienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-ROM etc. nur nach schriftlicher Zustimmung des Verlages. Gedruckt auf holz-, chlor- und säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Archivbeständig nach ANSI 3948 und ISO 9706.

InhaltVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .I

Klaus WirthAusgrabungen in Ilvesheim, Mahrgrund II (Rhein-Neckar-Kreis). Funde und Befunde des 4./5. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Uwe GrossNeufunde aus der Wüstung Botzheim bei Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis. Ein Beitrag zur frühmittelalterlichen Siedlungsge-schichte am unteren Neckar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Antje GillichElsass und Breisgau von der Spätantike bis zum Frühmittelalter . . . . . . . 37

Gertrud KuhnleStraßburg in spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit . . . . . . . . . . . . . 51

Petra Mayer-ReppertZur Frage der spätantiken Siedlungskontinuität im unteren Neckarraum – Stand der Forschung und Methodendiskussion . . . . . . . . . 55

Marko KiesselDie Architektur des spätantiken Palastareals nordöstlich und östlich der spätantiken Aula in Trier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Stefan EichertZur frühmittelalterlichen Besiedlung des Ostalpenraums am Beispiel Kärntens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Stefan EismannSiedeln in römischen Ruinen – Formen und Motive im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Marion BrügglerSpätantike Glasherstellung am Niederrhein – Eine Glashütte am Burgus von Goch-Asperden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Sebastian RistowFrühmittelalterliche Nutzung über römischen Resten im west-lichen Suburbium des römischen Köln – Ausgrabungen unter und in der Umgebung der Kirche St. Pantaleon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Antonia Maria Glauben, Martin Grünewald und Lutz GrunwaldMayen zwischen Spätantike und frühem Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Sebastian GairhosVon Säumern, Lavezdrehern und Kirchenburgen – Siedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters im Alpenrheintal . . . . . . . . . 213

Sunhild KleingärtnerSiedlungsarchäologische Untersuchungen zwischen Schwentine und Oder in frühgeschichtlicher Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Markus C. BlaichWerla – Pfalz und königlicher Fronhof des 10.–12. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Georg BreitnerWohnen im spätantiken Trier: Eine Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . 273

Dieter BischopRömische Militaria aus dem Bremer Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Annette Paetz gen. SchieckÜber das Bildnis eines römischen Offiziers aus Ägypten und pfeilförmige Clavi als militärische Rangabzeichen im 3. Jahrhun-dert n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Stefanie HossZwei außergewöhnliche Funde von der Insula Batavorum . . . . . . . . . . . . 335

Steve Bödecker und Sebastian RistowSpätantike Bronzenadeln der Zeit um 400 aus dem Rheinland und Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Alfred SchäferDer Nordwestturm des römischen Kastells Divitia und der preu-ßische ‚Schinkenkessel’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

Georg EggensteinElemente frühmittelalterlicher Schwertbewaffnung aus dem zentralen Ort Balhorn bei Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Annette FreyGlefe oder Baummesser? Überlegungen zu Waffen und Geräten in frühmittelalterlichen Gräbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

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Stefan Eichert

Zur frühmittelalterlichen Besiedlung des Ostalpenraums am Beispiel Kärntens

Schlagwörter: Ostalpenraum, Kontinuität, Siedlungsforschung, Slawen, Baiuwaren, Karolinger

Keywords: Eastern Alpes, continuity, settlement, Slavs, Bavarians, Carolingians

Einleitung

Der Ostalpenraum durchzieht Österreich von Vorarlberg bis ins Burgen-land. Der im Folgenden behandelte Bereich ist unter dem Namen Noricum erstmals ins Licht der Geschichte getreten. Er durchlief eine Entwicklung vom keltischen regnum über die römische Provinz Noricum, das slawische Fürstentum Karantanien und das gleichnamige Herzogtum bis hin zum heutigen österreichischen Bundesland Kärnten. Es ist das südlichste Bun-desland Österreichs und grenzt an Tirol, Salzburg und die Steiermark. Au-ßengrenzen teilt es mit Slowenien und Italien. Das Gebiet ist durch Becken-landschaften und Bergmassive geprägt.Im Folgenden werden die archäologischen Quellen zur frühmittelalterlichen Besiedlung bis in das 10. Jh. betrachtet1.

Der Übergang von der römischen Spätantike zum karantanischen Frühmittelalter

Bis weit in das 6. Jh. hinein kann man im Arbeitsgebiet von einem Fortbeste-hen der römischen bzw. romanisch geprägten Verwaltung über Binnenno-ricum ausgehen. Damals bestand eine gut ausgebaute Kirchenstruktur mit

1 Die Forschungen, die zu dieser Publikation geführt haben, wurden durch ein FNr.226-G Forschungsstipendium der Universität Wien und ein Doktorandenstipendium des Gechichtsvereins für Kärnten gefördert.

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zahlreichen frühchristlichen Gotteshäusern2. Gleichermaßen finden sich sehr viele spätantike, meist befestigte Höhensiedlungen3.

In der Spätantike herrschten Ostgoten, Byzantiner aber auch Franken zumindest nominell über die römische Provinz, sodass neben spätantik-romanischen Funden auch ostgotische bzw. völkerwanderungszeitlich-ger-manische Objekte vorliegen4.

Im späten 6. und frühen 7. Jh. endete die römisch geprägte Spätantike in Noricum. Für diese Zeit berichten die Quellen bereits von Slawen und einer slawischen Provinz im Ostalpenraum. Die betreffenden Nennungen ste-hen meist in Zusammenhang mit Kampfhandlungen zwischen Slawen und Bayern5. Bezeichnungen wie sclaborum Provinciam6 oder marca Vinedorum7 zeigen, dass außenstehende Beobachter mit schriftlicher Überlieferung das fragliche Gebiet als slawisches, politisches Gefüge wahrgenommen haben. Aus dem 7. Jh. liegen auch keine Hinweise mehr auf eine römisch geprägte Verwaltung vor.

Das Ende der spätantiken Strukturen bzw. der spätantiken Kirchenanla-gen wurde anfangs durch eine militärische Landnahme der Slawen erklärt, woraufhin ein kompletter Kontinuitätsbruch erfolgt sein soll8.

Demzufolge kamen Slawen im späten 6. Jh. als militärische Eroberer in großer Zahl ins Land und übernahmen als Mehrheit der Bevölkerung die Herrschaft. Römische Organisation und damit verbunden das Christentum verschwanden. Der Untergang der römischen Strukturen wurde also direkt durch die Landnahme der Slawen erklärt.

2 F. Glaser, Frühes Christentum im Alpenraum. Eine archäologische Entdeckungsreise (Graz 1997).

3 F. Glaser, Castra und Höhensiedlungen in Kärnten und Nordtirol. Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter. In: H. Steuer/V. Bierbrauer (Hrsg.), Höhensiedlun-gen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria. RGA Ergbd. 58 (Berlin 2008) 595–642.

4 U. Kersting, Spätantike und Frühmittelalter in Kärnten, unpubl. Phil.-Diss. Univ. Bonn (1993).

5 Zu den schriftlichen Quellen vgl. K. Bertels, Carantania. Beobachtungen zur poli-tisch-geographischen Terminologie und zur Geschichte des Landes und seiner Bevöl-kerung im frühen Mittelalter. Carinthia I 177, 1987, 87–196.

6 Paul. Diac. Hist. Lang. 4,7 (MGH SS rer. Ger. in us. Schol. 48, ed. G. Waitz [Hannover 1878]) 146.

7 Chron. Fred. 157,72 (MGH SRM 2, ed. B. Krusch [Hannover 1888] 1–193).8 R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Noricum. Sonderschr. Österr.

Arch. Inst. 9 (Wien 1916) 10–15.

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Die aktuelle Forschung erwägt hingegen, dass im 6. Jh. die römisch geprägte Organisation mit staatlicher, kirchlicher und wirtschaftlicher Verwaltung ohne slawische Einwirkung ihr Ende fand. So gibt es in den spätantiken Anlagen kaum stichhaltige Hinweise auf eine Zerstörung durch slawische Verbände. Kleinfunde belegen, dass noch bis in das 7. Jh. hinein eine roma-nische Elite, vermutlich in kleiner Zahl, im Land ansässig war9.

Funde, die sich mit slawischen Eroberern des späten 6. und 7. Jhs., welche die romanische Bevölkerung verdrängen und vor allem ersetzen, in Verbin-dung bringen lassen, gibt es praktisch nicht. Demnach sind die Zuwanderer vermutlich keineswegs in so großer Zahl immigriert, dass sie sofort einen Eindruck in der materiellen Kultur hinterlassen haben oder diese dominie-ren bzw. sofort neu definieren konnten.

Die Zuwanderer müssen allerdings in gewisser Weise dominant und nach außen hin ethnisch repräsentativ gewirkt haben, da von zeitgenössischen Berichterstattern das fragliche Gebiet und die dortige Bevölkerung als ‚sla-wisch’ bezeichnet werden. Ein plausibles Modell erklärt diesen Umstand dadurch, dass slawische Bevölkerungsteile im späten 6./frühen 7. Jh. als wahrscheinlich militärisch geführte Gruppe ins Land kamen und sich an die Stelle der romanischen Elite setzten und/oder mit dieser verschmolzen. Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die ‚Alteingesessenen’ in sprachlicher und politischer Hinsicht der neuen Elite an, sodass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin ‚slawisch’ wirkte10.

9 Importstücke römischer bzw. mediterraner Provenienz deuten auf weitreichende Handelskontakte einer romanischen Bevölkerung hin, die durchaus noch im späten 6. oder frühen 7. Jh. intakt zu sein schienen: S. Ladstätter, Von Noricum Mediter-raneum zur Provincia Sclaborum. Die Kontinuitätsfrage aus archäologischer Sicht. In: R. Bratož (Hrsg.), Slowenien und die Nachbarländer zwischen Antike und karo-lingischer Epoche. Anfänge der slowenischen Ethnogenese. Situla 39. = Razprave 20 (Ljubljana 2000) 219–240.

10 St. Eichert, Die frühmittelalterlichen Gräberfelder Kärntens. Die materielle Kultur Karantaniens anhand der Grabfunde des 6. bis 11. Jahrhunderts. Unpubl. Diplomar-beit, Univ. Wien (2007) 224 ff.

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Archäologische Indizien für frühe Besiedlung (spätes 6. und frühes 7. Jahrhundert)

Wir wissen aus der historischen Überlieferung, dass sich spätestens im 8. Jh. auf dem Boden der ehemaligen römischen Provinz Noricum Mediterraneum ein eigenständiges slawisches Fürstentum mit dem Namen Karantanien etabliert hatte11. Auch die archäologischen Quellen, in erster Linie Grab-funde, zeigen eine relativ dichte Besiedlung für diese Zeit an12. Eine erste Zuwanderung slawischer Bevölkerungsteile wird, wie bereits erwähnt, für die Jahrzehnte um 600 angenommen. Grab- oder Siedlungsfunde dieser frü-hen Phase fehlen jedoch weitgehend. Im Folgenden wird einer der wenigen frühslawischen Siedlungsbefunde vorgestellt.

Es handelt sich um das frühchristliche Pilgerzentrum auf dem Hemma-berg bei Globasnitz im Unterkärntner Jauntal. Mehrere Kirchenbauten, so-wie profane Gebäude und ausgedehnte Nekropolen machen diese, als Iuenna bekannte Struktur, zu einem der wichtigsten Zentren des spätantiken No-ricum13. Seinen Höhepunkt erlebte das Heiligtum während der Ostgoten-herrschaft im späten 5. und frühen 6. Jh. In der 2. Hälfte des 6. Jhs. kam es zu einem deutlichen Rückgang der wirtschaftlichen Prosperität14. Die Kir-chenbauten waren ab dieser Zeit anscheinend nicht mehr in Benutzung und wurden bereits profan, d. h. zu Wohnzwecken genutzt15. Dies geschah noch vor einer angenommenen slawischen Zuwanderung und kann als Hinweis auf ein Ende der römischen Spätantike ohne slawisches Zutun interpretiert werden. Auf diese erste profane Nachnutzung folgt eine flächige Zerstörung durch Brandeinwirkung. Hier bleibt zu diskutieren, ob dies aus einem Mili-tärschlag slawischer Zuwanderer resultiert oder nicht (Abb. 1).

11 H.-D. Kahl, Der Staat der Karantanen. In: R. Bratož (Hrsg.), Slowenien und die Nach-barländer zwischen Antike und karolingischer Epoche. Anfänge der slowenischen Ethnogenese. Supplementum zu Situla 39 = Razprave 20 (Ljubljana 2002) passim, bes. 137 ff.

12 Eichert 2007 (Anm. 10).13 Glaser 1997 (Anm. 2) 96 ff.14 Ladstätter 2000 (Anm. 9) 236.15 S. Ladstätter, Die materielle Kultur der Spätantike in den Ostalpen. Eine Fallstudie

am Beispiel der westlichen Doppelkirchenanlage auf dem Hemmaberg. Mitt. Prähist. Komm. 35 (Wien 2000) 159; 201 f.

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Unmittelbar nach der Zerstörung kam es erneut zu einer profanen Nach-nutzung der Strukturen. Die Sakristei der vierten Kirche wie auch andere Räume bzw. Bauten wurden für Wohnzwecke adaptiert. Aus diesen Sied-lungsbefunden kann Keramik des ‚Prager Typus’ slawischen Zuwanderern zugeordnet werden. Sie ist vergesellschaftet mit Gefäßen in spätantiker Tra-dition16, was auf ein Neben- und Miteinander von spätantik-romanisch ge-prägter Bevölkerung mit slawischen Zuwanderern hinweist (Abb. 2).

Später kam es zur Vermischung autochthoner Formen mit Verzierungen und unverzierten, importierten Prager Typen zu Keramiktöpfen mit Wellen-

16 Ebd. 201 f.

1 Das Spätantike Pilgerzentrum auf dem Hemmaberg. – Nach Glaser 2008 (Anm. 3) 620.

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banddekor, wie sie im 8. Jh. als Grabbeigabe vorkommen17. Dies spricht sehr deutlich für eine gegenseitige Beeinflussung der kulturell unterschiedlich geprägten Bevölkerungsteile und schließt nahezu aus, dass zugewanderte Slawen die ansässigen ‚Noriker’ ersetzt haben. Wahrscheinlicher ist ein Ver-schmelzungsprozess18.

17 Eichert 2007 (Anm. 10) 194 ff.18 E. Szameit, Zum archäologischen Bild der frühen Slawen in Österreich. Mit Fragen

zur ethnischen Bestimmung karolingerzeitlicher Gräberfelder im Ostalpenraum. In: Bratož 2000 (Anm. 9) 507–548 bes. 534.

2 Frühmittelalterliche Keramik vom Hemmaberg. Oben: Keramik des Prager Ty-pus; Unten: Keramik in spätantiker Tradition. – Nach Ladstätter 2000 (Anm. 9), Abb. 5–6.

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Entsprechende Keramik des 7. Jhs. kennt man außerdem aus anderen Sied-lungszusammenhängen, allerdings ohne Befundzusammenhang, etwa vom Duel, vom Ulrichsberg und aus Grafenstein19.Aus Kärnten gibt es bisher keine archäologisch erforschten, eigenständigen Siedlungsbefunde, wie Grubenhäuser oder Pfostenbauten, die sich mit einer slawischen Zuwanderung in Verbindung bringen lassen. Dieser Umstand ist jedoch mit Sicherheit auf die Quellenlage zurückzuführen. Eine Nach-nutzung der vorhandenen spätantiken, römisch errichteten Anlagen durch die Bevölkerung des 7. Jhs., zugewandert wie auch autochthon, ist jedoch in einem Fall konkret nachgewiesen und in weiteren Fällen mit hoher Wahr-scheinlichkeit anzunehmen.

Frühmittelalterliche Höhensiedlungen und Wehranlagen des 8. und 9. Jahrhunderts

Aus Kärnten sind zahlreiche befestigte Höhensiedlungen bekannt (Abb.3). Schon im 19. Jh. sind diese Wallanlagen und ‚Burgen’ – insgesamt über 200 – in den Fokus der Landesforschung gerückt. Die Interpretationen könnten unterschiedlicher nicht sein und reichen von steinzeitlichen Burgen über spätantike und langobardische Kastelle bis hin zu neuzeitlichen Schanzen gegen die Türkeneinfälle20. Eine große Anzahl der Anlagen ist als eisenzeit-lich anzusprechen und viele sind in der Spätantike als Höhensiedlungen angelegt worden21. Auch ist die Anzahl der Anlagen, die eine Besiedlung in mehr als einer Epoche aufweisen, sehr groß. In einigen Fällen sind auch frühmittelalterliche Nutzungsphasen nachgewiesen.

19 Ladstätter 2000 (Anm. 9) Abb. 8; H. Rodriguez, Die Zeit vor und nach der Schlacht am Fluvius Frigidus (394 n. Chr.) im Spiegel der Gebrauchskeramik. Arh. Vest. 48, 1997, 153–177.

20 Eine Aufnahme und Zusammenfassung der meisten Anlagen bei: F. X. Kohla, Kärnt-ner Burgenkunde. Forsch. u. Kunst 17 (Klagenfurt 1973).

21 Für die eisenzeitliche, vornehmlich hallstattzeitliche Datierung seien hier z. B. die Gracarca oder der Krahberg bei Feldkirchen angeführt: Ebd. 81–82, 162–164. Zu den spätantiken Anlagen: S. Ciglenečki, Höhenbefestigungen aus der Zeit vom 3. bis 6. Jahrhundert im Ostalpenraum. Dela 15 (Ljubljana 1987).

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Frühmittelalterliche Militaria und bauliche Modifikationen in spät antiken Höhensiedlungen

Wie am Beispiel des Hemmabergs gezeigt werden konnte, bediente sich die frühmittelalterliche Bevölkerung des 7. Jhs. der spätantiken Strukturen und nutzte diese beispielsweise zu Wohnzwecken. Auch im 8. und frühen 9. Jh. scheint dies noch der Fall gewesen zu sein. Es gibt eine Reihe von Anlagen, die in der Spätantike errichtet oder bewohnt waren, von denen Funde des 8. und 9. Jhs. vorliegen.

Auch hier ist der Hemmaberg als Beispiel anzuführen. Aus dem Bereich der spätantiken Höhensiedlung kennt man zwei Reitersporen, die als nicht stratifizierte Streufunde entdeckt worden waren. Als Datierungsrahmen hat man die 2. Hälfte des 8. und das 1. Drittel des 9. Jhs. anzunehmen22. Ferner befindet sich um die Anlage ein Wall, der in seiner Konstruktion

22 E. Szameit, Zu Funden des 8. Jahrhunderts aus Kärnten. Acta Histriae 2, 1994, 89–92, Taf. 4,3–4.

3 Höhensiedlungen und Wallanlagen in Kärnten. Schwarze Kreise: über Funde oder naturwissenschaftliche Datierung nachgewiesene frühmittelalterliche Nut-zung. – Grafik: Verf., Höhenmodell: NASA Srtm.

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nicht dem spätantiken Muster entspricht. Er wurde mit Abbruchmaterial der römischen Steinbauten errichtet und steht auf Siedlungsschichten des 6. Jhs. Somit kann er frühestens im ausgehenden 6. Jh., nach dem Ende der Kirchenanlage, errichtet worden sein. Das Fundmaterial befindet sich noch in Bearbeitung, eine frühmittelalterliche Errichtung erscheint jedoch mög-lich23. Mit dem Wall erhält die Höhensiedlung einen wehrhaften und somit auch militärischen Charakter. Dazu passen auch die genannten Reiterspo-ren.

Der nördlich von Klagenfurt gelegene Ulrichsberg, auf dem sich neben urgeschichtlichen Funden auch eine spätantike Kirchenanlage befunden hat24, präsentiert sich in ähnlicher Weise (Abb. 4). Schon sein lateinischer Name mons Carantanus deutet eine Verbindung zum frühmittelalterlichen Karantanien an. Bei Grabungen in den spätantiken Strukturen kamen zu-dem ein eiserner Reitersporn der 2. Hälfte des 8. bzw. des 1. Drittels des

23 Ladstätter 2000 (Anm. 9) 235.24 Glaser 1997 (Anm. 2) 122 f.; Glaser 2008 (Anm. 3) 630.

4 Die spätantike Höhensiedlung auf dem Ulrichsberg mit einem Wall, ungeklärter Zeitstellung. – Nach Glaser 2008 (Anm. 3) 630.

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9. Jhs. und frühmittelalterliche Keramik zutage25. Um die Kuppe, auf der sich die Bauten befinden, lassen sich die Reste einer Befestigung bzw. eines Walls erkennen26, dessen zeitliche Stellung allerdings nicht geklärt ist. Auch hier ist von einer Nachnutzung bzw. Adaption der vorhandenen Bauten im 7. und 8. Jh. auszugehen. Der Sporn als Reitzubehör spricht für einen militärischen Hintergrund und eventuell ist auch der Wall in diesem Zusammenhang zu sehen.

Vom Kanzianiberg bei Finkenstein, südlich von Villach, stammt neben ur-geschichtlichen Funden und einem marmornen Reliquienschrein mit einem Reliquienkästchen aus Elfenbein des 5. oder 6. Jhs. auch ein vergoldeter Be-schlag vom Pferdezaumzeug in spätawarischer Tradition27. Um eine heute auf dem Gipfel befindliche Kirche werden Reste einer Befestigung vermu-tet28. Oberflächig lässt sich jedoch kein eindeutiger Befund erkennen. Auch hier besaß ein seit der Urgeschichte besiedelter Platz in der Spätantike große Bedeutung und wurde noch im frühen Mittelalter, vornehmlich in der zwei-ten Hälfte des 8. Jahrhunderts genutzt.

Vom Lamprechtskogel, nordwestlich von Völkermarkt, stammen ein ähn-lich zu datierendes Steigbügelfragment29 und eine arabische Münze30. Im di-rekten Umfeld liegt ebenfalls eine Besiedlung urgeschichtlicher bis spätan-tiker Zeit31.Eine ähnliche Situation findet sich auf dem Kappele ob Jadersdorf, im Gitschtal, nördlich von Hermagor, einer Höhensiedlung, deren zahlreiche Funde einen spätantiken/völkerwanderungszeitlichen Höhepunkt mit früh-mittelalterlicher Adaption im 8. Jh. anzeigen. Auch hier sind unter den Ob-jekten mehrere Sporen anzutreffen32.

25 A. Neumann, Keramik und andere Kleinfunde vom Ulrichsberg. Carinthia I 145, 1955, 143–182 hier 173.

26 Kohla 1973 (Anm. 20) 338; Glaser 2008 (Anm. 3) 630.27 Szameit 1994 (Anm. 22) Taf. 3,1.28 Kohla 1973 (Anm. 20) 142 (St. Kanzian).29 Szameit 1994 (Anm. 22) Taf. 4,2. 30 P. Gleirscher, Karantanien. Das slawische Kärnten (Klagenfurt 2000) 75.31 Kersting 1993 (Anm. 4), 124 (Lamprechtskogel).32 S. Felgenhauer-Schmiedt, Das Kappele (‚die Kapile’) ob Jadersdorf. Eine spätantik-

frühmittelalterliche Höhensiedlung in Oberkärnten. Forsch. u. Kunst 27 (Klagenfurt 1993) Taf. 44,1–6.

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Diese bisher angeführten Fundorte weisen allesamt beachtenswerte spätan-tike, römische Strukturen auf (Abb. 5). Sie wurden, wie die Kleinfunde zei-gen, im Frühmittelalter adaptiert und nachgenutzt, wobei, wie am Hemma-berg vermutet werden darf, eine zusätzliche Befestigung mit einem Wall erfolgt. Dies verleiht ihnen einen militärischen Charakter, der durch Funde von Reitzubehör noch unterstützt wird.

5 Eine Auswahl der Militaria aus den beschriebenen Anlagen M. 1:2. – 1: Kappele ob Jadersdorf, nach Felgenhauer-Schmied 1993 (Anm. 32) Taf. 44; 2: Hemmaberg; 3: Lamprechtskogel; 4: Kanzianiberg, alle nach Szameit 1994 (Anm. 22) Taf. 3–4.

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Weitere frühmittelalterliche Höhensiedlungen

Abgesehen von den bisher angeführten Anlagen gibt es eine Reihe weiterer frühmittelalterlicher Höhensiedlungen:St. Helena bei Dellach im Gailtal ist eine vierfache Wallanlage auf einem Hü-gel, dessen Gipfel heute von einer Kirche eingenommen wird. Die Datierung der einzelnen Phasen reicht von der Spätlatènezeit bis ins beginnende Hoch-mittelalter, wobei die mittlere Phase des Walls aufgrund einer 14C-Analyse in die Zeit zwischen 680 und 900 datiert werden kann33. Gefunden wurden in erster Linie frühmittelalterliche Keramikfragmente.

Auf dem Förker Laas Riegel oberhalb von Nötsch im Gailtal, unterhalb des Dobratsch befindet sich eine weitere befestigte Höhensiedlung. Aufmerk-samkeit erregte der Fundort, als Sondengänger einen sensationellen Fund von über einem Dutzend keltischer Helme, Schwerter und anderem Waf-fenzubehör direkt neben der Wallanlage bekannt machten. Nachgrabungen ergaben allerdings keinen latènezeitlichen Ansatz für die befestigte Sied-lung. Der Schwerpunkt des Fundspektrums liegt in der Hallstattzeit, in der die Anlage wohl auch ausgebaut worden war34. Um ein leicht nach Süden abfallendes Plateau, dass nach drei Seiten hin durch äußerst steile Hän-ge geschützt ist, zieht sich im Westen, Norden und Osten ein heute noch deutlich erkennbarer Wall. Nach Süden begrenzt ein Erdwall mit Graben die Anlage. Innerhalb der Befestigung kamen mehrere Siedlungsbefunde zum Vorschein, deren Datierung am ehesten hallstattzeitlich anzusetzen ist. Eine Bearbeitung der hauptsächlich keramischen Funde steht noch aus. Der Wall im Westen, Norden und Osten ist mehrphasig und besteht aus Stein und anstehender lehmiger Erde, wobei auch Mörtelreste beobachtet wur-den. Eine hölzerne Palisade ist ebenfalls denkbar. Der Wallschnitt erbrachte kaum aussagekräftige Funde, weshalb eine Datierung der letzten Phase schwer zu definieren ist. Der im Süden befindliche Wall mit Graben an der Innenseite schneidet urgeschichtliche Siedlungsobjekte und erbrachte als jüngste Funde einen frühmittelalterlichen Fingerring, Messerklingen und einen Scheidenbeschlag sowie Pfeilspitzen. Für den Wall im Süden liegt also

33 R. Jernej, Die Wallanlage St. Helena bei Dellach im Gailtal, Kärnten. Arh. Vest. 55, 2004, 481–508. – Das 14C-Datum ist noch unpubliziert.

34 P. Gleirscher, Archäologische Untersuchungen am Förker Laas-Riegel. Rudolfinum. Jahrb. Landesmus. Kärnten 2005 (2007) 39–43.

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durch den Fingerring ein terminus post quem im späten 8. bis frühen 9. Jh. vor. Paul Gleischer führt auch die Möglichkeit an, dass die Anlage im Zuge der Türkeneinfälle um 1500 noch einmal befestigt worden sei. Jedenfalls zeigen die Kleinfunde eine frühmittelalterliche Nutzung der Anlage an35.

Der Hochgosch, eine befestigte Kuppe auf einem Bergrücken oberhalb des Millstätter Sees ist ebenfalls frühmittelalterlich. Es handelt sich um ein Are-al von 20 000 m2, das durch einen Wall geschützt ist. Dieser ist nach Osten hin in einem Abschnitt doppelt geführt und weist im Westen ein Zangentor auf. Er wurde 1987 an drei Stellen untersucht und erwies sich als Holz-Er-de-Konstruktion mit vorgeblendeter Trockenmauer. Die sehr unebene und teilweise stark mit Felsen durchsetzte Innenfläche wurde nicht untersucht. Aufgrund des unregelmäßigen Geländes sind keine sichtbaren Bebauungs-spuren erkennbar. Funde fehlen. Die Balken der Wallkonstruktion wurden jedoch 14C-datiert. Der Datierungsrahmen reicht bei einer Probe von 750–950 n. Chr., bei der anderen von 810–885 n. Chr36.

Interpretation der vorhandenen Strukturen

Mit Sicherheit muss eine große Zahl unbefestigter, offener Siedlungen in den Tallandschaften des Untersuchungsgebiets angenommen werden. Das legen schon die sehr dicht verteilten frühmittelalterlichen Gräberfelder nahe. Ana-log zu Strukturen, wie man sie etwa aus Niederösterreich kennt37, sind hier Grubenhäuser und Pfostenbauten zu erwarten, die aufgrund der vorwie-gend organischen Baumaterialien nicht lange erhalten bleiben und im Boden schwer erkennbar sein können. Auch Faktoren wie landwirtschaftliche Nut-zung oder Bodenerosion können dazu beigetragen haben, dass viele früh-mittelalterliche Befunde bereits zerstört sind.

35 St. Eichert, Förk im frühen Mittelalter. Studien zu den frühmittelalterlichen Sied-lungsstrukturen des Gailtals. Rudolfinum. Jahrb. Landesmus. Kärnten 2005 (2007) 45–61.

36 K. Gostenčnik, Die frühmittelalterliche Befestigungsanlage auf dem Hochgosch bei Molzbichl, Kärnten. Die Grabung 1987. Arch. Austriaca 81, 1997, 255–271.

37 C. Wawruschka, Frühmittelalterliche Siedlungsstrukturen in Niederösterreich. Mitt. Prähist. Komm. 68 (Wien 2009).

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Vielfach dürften frühmittelalterliche Siedlungen auch modern überbaut worden sein38.

Zusätzlich zu den angeführten Varianten bleibt auch zu diskutieren, in-wieweit gemauerte, römerzeitliche Bauten in Tallage nicht auch nachgenutzt wurden.

Alles in allem ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis die Quellenla-ge vergrößert wird und der Forschung eine ausreichende Materialbasis für weiterführende Aussagen zur Frage nach den offenen Siedlungen in Tallage zur Verfügung steht.

Was die Höhensiedlungen anbelangt, so zeigen die archäologischen Funde und Befunde schon ein deutlicheres Bild. Mit großer Sicherheit kann angenommen werden, dass die romanisch geprägte, autochthone Bevölke-rung im 7. Jh. nach dem Niedergang der römisch-christlichen Verwaltung nach wie vor die bestehenden Höhensiedlungen weiter benutzt. Sogar sa-krale Bauten wurden nach dem Weggang der Kurie profan zweckentfrem-det. Auch slawische Zuwanderer adaptierten vorhandene Steingebäude für ihre Zwecke. Aus der Vergesellschaftung autochthoner Keramikformen mit Keramik des Prager Typus kann auf ein gewisses Neben- und Miteinander beider Bevölkerungsteile geschlossen werden. Vermutlich entstand in einem Verschmelzungsprozess jene Bevölkerung, die im 8. Jh. als slawischspra-chige Karantanen wahrgenommen wird.

Im 8. und frühen 9. Jh. wurden spätantike Höhensiedlungen ebenfalls noch von der karantanischen Bevölkerung benutzt. Zahlreiche Fundorte weisen als Streufunde Militaria wie Sporen, Steigbügel oder Zaumzeugbe-standteile, aber auch Waffen, wie etwa Äxte dieser Zeitstellung auf.

Grabfunde haben gezeigt, dass die in Karantanien gängige Rüstung und Bewaffnung im 8. Jh. westliche Elemente wie fränkische Sporen, Steigbü-gel, Saxe, Spathen, Äxte oder Flügellanzen enthält. Gleichzeitig entstam-men aus dem reiternomadischen, awarischen bzw. mediterranen Milieu Trachtelemente und mehrteilige Gürtelgarnituren39. Beide Einflüsse, west-lich wie östlich finden sich auch als Streufunde in den angeführten Hö-hensiedlungen. Man wird die angetroffenen Militaria deshalb durchaus als

38 Vgl. zur Problematik von Kontinuität und Diskontinuität: M. Lehner, Binnennoricum − Karantanien. Ein Beitrag zur Frage von Ortskontinuität und Ortsdiskontinuität aus archäologischer Sicht. Unpubl. Habilitationsschr. Univ. Graz (2009) bes. 199 ff.

39 Eichert 2007 (Anm. 10) 167–172; 178–194.

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Rüstungsbestandteile der karantanischen Bevölkerung ansprechen können. Dass es sich bei ihnen um Verluststücke baiuwarischer oder karolingischer Truppen handelt, erscheint dagegen eher unwahrscheinlich.

Anscheinend wurden einige bestehende Anlagen auch mit neuen Wall-konstruktionen versehen und somit zusätzlich befestigt oder ganz neue Befestigungen errichtet. Wenn datierende Funde bzw. naturwissenschaft-liche Datierungen vorliegen, deuten diese oft in das 8. und 9. Jh., mit einem Schwerpunkt in den Jahrzehnten um 800.

Was die Bedeutung der Anlagen anbelangt, so können hier nur theore-tische Überlegungen angestellt werden. Insgesamt erscheint es aber, gerade angesichts der zahlreichen Militaria, durchaus wahrscheinlich, dass sie Teil einer militärisch-herrschaftlichen Struktur waren. Vielleicht kann man in ihnen sogar Herrschaftsmittelpunkte des slawischen Fürstentums Karan-tanien sehen.

Aus dem fortgeschrittenen 9. und dem 10. Jh. liegen bisher kaum datieren-de Funde von Höhensiedlungen vor. Ob dies mit einem Ende derartiger An-lagen gleichzusetzen ist, sei vorerst dahingestellt. Es wäre jedoch denkbar, dass nach der Eingliederung Karantaniens ins Karolingerreich und der Ent-machtung der lokalen Eliten, die durch fränkische Grafen ersetzt werden, auch ihre ‚Burgen’ an Bedeutung verlieren und die neuen Machthaber ihre Verwaltungsmittelpunkte ins Tal verlegen. So sind aus dem 9. und 10. Jh. zahlreiche herrschaftliche bzw. sogar königliche curtes überliefert, die oft die Keimzelle heutiger Ortschaften darstellen40.

Historische Überlegungen zu den frühmittelalterlichen Befestigungen

Alles in allem hat es also den Anschein, als ob die Bevölkerung im 7., 8. und 9. Jh. bestehende Anlagen adaptierte und weiterhin benutzte, auch wenn nur geringe Spuren bekannt sind. Auffallend ist ein Schwerpunkt um 800,

40 So z. B. in einer Schenkung König Ludwigs des Deutschen an das Bistum Salzburg aus dem Jahr 860: A. v. Jaksch (Hrsg.), Monumenta Historica Ducatus Carinthiae. Ge-schichtliche Denkmäler des Herzogtumes Kärnten 3. Die Kärntner Geschichtsquellen 811–1202 (Klagenfurt 1904) Nr. 27.

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der aufgrund der Funde aus dem Milieu berittener Krieger stark in eine militärisch-herrschaftliche Richtung deutet.

Wenn man die historische Situation dieser Zeit betrachtet, wird ein er-höhter Bedarf nach militärischem Rückhalt deutlich. In den 740er Jahren sind Kampfhandlungen in Karantanien mit Awaren überliefert. Der Ka-rantanenfürst Boruth wandte sich deshalb an den Bayernherzog Odilo um Hilfe. Dieser intervenierte erfolgreich militärisch und band die Karantanen in einer gewissen Abhängigkeit an Bayern. Daraufhin begann die von Salz-burg bzw. vermutlich auch von Freising und Aquileia ausgehende Missi-onierung. Anscheinend regte sich massiver Widerstand und mehrere Jah-re lang scheinen Aufstände an der Tagesordnung gewesen zu sein. In den 770er Jahren wurden die aufsässigen Karantanen von Herzog Tassilo III. be-siegt und unter seine Oberhoheit gezwungen41. Dieses Ereignis brachte ein-schneidende Veränderungen mit sich. Die heidnische, antibayerische bzw. proawarische Bevölkerung und ihre Anführer wurden entmachtet. In der Folgezeit waren zwar noch eigenständige slawische Fürsten an der Macht, diese waren jedoch gezwungenermaßen Christen geworden und standen unter westlichem Einfluss42.

Für die Zeit von etwa 740–772 sind historisch sehr unruhige Zeiten überlie-fert, in denen sich zahlreiche Kampfhandlungen im Land zugetragen haben.

Die Absetzung Tassilos III. durch Karl den Großen in den 780er Jahren hat sich mit Sicherheit auch auf Karantanien ausgewirkt. Hier sind zwar keine direkten Kampfhandlungen überliefert, es bleibt jedoch anzunehmen, dass der Wechsel der Oberhoheit auch innerhalb des Landes eine angespannte Situation bedingt hat, die vielleicht wieder zu einer Abwendung vom west-lichen Einfluss geführt hat.

So zeigte sich bereits um 819 erneut, dass Karantanien längst nicht befrie-det war. Zu dieser Zeit rebellierte der in Sisca (Kroatien) ansässige, slawische Fürst Liutewit gegen die karolingische Oberhoheit. An diesem Aufstand beteiligten sich auch karantanische Verbände und es kam in Karantanien zu Kampfhandlungen zwischen Markgraf Balderich von Friaul und den Truppen Liutewits. Ein Teil der Karantanen unterwarf sich daraufhin der

41 H. Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Ös-terreichische Geschichte 378–907 (Wien 1995) 303.

42 K. Karpf, Frühmittelalterliche Flechtwerksteine in Karantanien. Monogr. Frühgesch. u. Mittelalterarch. 8 (Innsbruck 2001) 57–67.

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Krone. Ein Jahr später rückten karolingische Truppen durch Karantanien gegen Liutewit vor. Die Karantanen leisteten bei dieser Gelegenheit erneut Widerstand43.

Spätestens 828, vielleicht auch schon kurz nach der Niederschlagung der Aufstände Liutewits, wurde Karantanien in eine karolingische Grafschaft umgewandelt und die gentilen, slawischen Fürsten durch fränkische Grafen ersetzt. Dies stellt gleichzeitig auch das Ende des slawischen Fürstentums Karantanien dar44.

Kampfhandlungen gegen diese Eingliederung sind zwar nicht überliefert, es bleibt jedoch zu vermuten, dass sich auch hier an manchen Stellen Wider-stand geregt hat.

Ab der 2. Hälfte des 8. Jhs. bis in die 830er Jahre sind also zahlreiche militärische Auseinandersetzungen in Karantanien historisch überliefert. Dieser Zeitraum deckt sich sehr genau mit dem Datierungsrahmen der in den befestigten Höhensiedlungen gefundenen Militaria. An dieser Stelle soll nun zur Diskussion gestellt werden, ob die beschriebenen archäologischen Hinterlassenschaften nicht der materielle Niederschlag eben jener militä-risch unruhigen Zeiten sein können.

Zusammenfassung

In Kärnten bestand nach dem Ende der römischen Spätantike bis ins 9. Jh. das slawische Fürstentum Karantanien, fassbar durch historische Quellen und Grabfunde. Siedlungsarchäologische Befunde des 7.–9. Jhs. in Tallage fehlen. Funde aus spätantiken, teilweise befestigten Höhensiedlungen zeigen, dass sie im 7.–9. Jh. genutzt, wohl teils auch neu errichtet wurden und in herrschaftliche Strukturen eingebunden waren. Mit der Umwandlung Karantaniens in eine karolingische Grafschaft wurden lokale Machthaber durch fränkische Grafen ersetzt. Damit verloren vielleicht auch die ‚karantanischen’ Befestigungen an Bedeutung. Die neuen Machthaber legten die Verwaltungsmittelpunkte in Tal-lage an.

43 A. Einh., A. 819–A. 820. Nach: F. Kurze, Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, MGH SS rer. Germ. in us. Schol. (6) 1878 (Hannover 1895).

44 C. Fräss-Ehrfeld, Geschichte Kärntens. Das Mittelalter (Klagenfurt 1984) 71–74.

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Summary

The Early Mediaeval settlement of the eastern Alpine region – the example of CarinthiaAfter the Late Roman period up to the 9th century there existed in Carinthia the Slavic Duchy of Carantania, which is tangible through historical sources and grave-finds. Settlement features of the 7th to 9th century are lacking in the valleys. Finds from Late Antique partly fortified hill-settlements show that they were used in the 7th to 9th century, even in part also built anew and integrated into territorial structures. With the transition of Carantania into a Carolingian county local rulers were replaced by Frankish counts. Thus, the ‘Carantanian’ fortifications perhaps also lost their importance. The new rulers sited the admi-nistrative centres in the valleys.

Mag. Stefan EichertMichelbeuerngasse 4/6

A-1090 [email protected]

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