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Lothar ist schuld. Vor etwa zwölf Jahren be- richtete Lothar Hohmann seinem Bruder aus Dubai: „Das wächst hier. Schau Dir das doch mal an!“ Der Schwarzwälder Fahrrad- händler Wolfgang Hohmann und seine Frau Gaby kamen tatsächlich. Erst mal nur zu Besuch. Und dann wieder. 2002 schließ- lich eröffneten sie in dem Emirat auf der Arabischen Halbinsel einen Fahrradladen. Dort hat sich Wolfi’s Bike Shop – kurz WBS – seither zu einer Institution entwickelt. „Mashallah“, „oh Gott“, entfährt es un- serem pakistanischen Taxifahrer in Dubai, als wir ihm einen Fahrradladen als Ziel nen- nen. „Bike – you mean Motorbike?“ „No, Bi- cycle.“ „Ah, Motorcycle.“ „No, Motorcycle. Push Bicycle.“ Als wir endlich vor der WBS- Ladentür halten, sagt der Fahrer noch: „Der Harley Davidson Store ist um die Ecke. Kein Problem, Mann, da fahr ich Euch in einer Minute hin!“ Wolfgang Hohmann, den hier alle nur Wolfi nennen, begrüßt uns in seinem La- den auf der berühmten zweimal siebenspu- rigen Sheikh Zayed Road, wo er auch Räder aus deutscher Produktion verkauft. „Hier zählt German-made noch was. Unser Ser- vice, die Beratung und alles, was an techni- schem Know-how dazugehört“, erklärt er. Viel Service kann Hohmann in seinem La- den auch deshalb bieten, weil er viel mehr Personal beschäftigen kann, als das in Deutschland möglich wäre. 15 Philippiner, jeweils zwei Inder, Serben, Tschechen, Süd- afrikaner sowie ein Amerikaner und ein Deutscher arbeiten in Laden und Werk- statt. Kommt ein Kunde mit einem Pro- blem, wird es in aller Regel sofort behoben. Dann wartet der eben in der Sitzecke am Kaffeeautomat, ratscht mit anderen Rad- begeisterten, die mal eben vorbeischauen, oder mit Wolfi selbst. Die meisten Kunden von WBS sind soge- nannte Expats, „zu 80 Prozent sind es Westler, die hierher zum Arbeiten kom- men und wenig Freizeit haben. Nach eini- ger Zeit merken sie, dass sie nicht mehr fit sind und etwas für ihre Gesundheit tun müssen. Dann schauen sie bei uns vorbei. Das basiert auch viel auf Mund-zu-Mund- propaganda“, sagt Hohmann. Immerhin 15 Prozent der WBS-Kund- schaft sind mittlerweile aber Einheimi- sche. Mit Blick auf ihren Anteil von nur 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung und eingedenk der Tatsache, dass das Fahr- rad in der arabischen Welt nicht gerade ein typisches Fortbewegungsmittel ist, ein gu- ter Schnitt. Ein einschneidendes Erlebnis war vor sieben Jahren der Besuch von Scheich Marwan Hasher al Maktoum. Das damals etwa 35-jährige Mitglied der Herrscherfamilie kam rein und hatte sich gleich eine Zeitfahr-Maschine ausgeguckt. „Dem habe ich dann vorsichtig erklärt, dass das für den Anfang vielleicht nicht das Richtige ist. Wir haben was für ihn zu- sammengestellt und gemeinsam getestet. Das Rad hat er dann sofort gekauft“, schmunzelt Radl-Händler Wolfgang. Und Scheich al Maktoum blieb bei dem Hobby. Wenn es denn seine Zeit erlaubt ist er dabei auf Hohmanns wöchentlichen Aus- fahrten. Und hat sich nach einigem Trai- ning schließlich doch seine Zeitfahr-Ma- schine gegönnt. Auch die Expats, die bei WBS einkaufen, müssen nicht unbedingt auf den Dollar schauen – sie verdienen gut und wollen sich mal etwas gönnen. Etwa 2500 bis 3000 Euro legen die Kunden im Durchschnitt an. Zudem kaufen WBS-Kun- den grundsätzlich die Vollausstattung (Helm, Schuhe, Bekleidung). Viele enden auch bei Preisen um die 7000 Euro. Was gut läuft, wird auf den Touren so- fort sichtbar: Edle Karbonrenner. Obwohl WBS auch Mountain- und Trekkingbikes verkauft, sind die Asphaltflitzer laut Gaby Hohmann die beliebtesten Räder. Die Stra- ßen außerhalb der Stadt Dubai, in der 99 Prozent der Einwohner leben, laden mit ihrer guten Asphaltqualität sowie durch- weg bester Abendbeleuchtung auch gera- dezu zum Rennradeln ein. Abends ist es dort dann auch nicht mehr so heiß wie am Tag. Nur den Hochsommer sollte man mei- den. Dann wird es tagsüber bis zu 50 Grad heiß, und auch nachts fällt das Thermome- ter kaum unter 38 Grad. Und Radfahren in Downtown Dubai ist ohnehin ein gefährli- ches Abenteuer. Der mittägliche Kollektiv- stau sogar auf der Sheikh Zayed Road ist da- für nur ein Beispiel. Ein Selbstläufer ist der Radshop in Du- bai dennoch nicht. Wolfgang Hohmann ist sechs Tage die Woche im Laden, und das mindestens zehn Stunden. An seinem ein- zigen freien Tag – der Freitag entspricht in der arabischen Welt dem Sonntag – führt er die Ausflugstouren des Dubai Roadsters Cycling Club. Den hat es schon vor seiner Ankunft gegeben: „Das waren damals fünf bis zehn Leute. Wenn wir heute rausfah- ren, sind wir 120 bis 200.“ Drei Touren wer- den jeweils angeboten: 80, 120 und 140 Ki- lometer. Neben der sportlichen Betätigung betreibt der 41-jährige Radhändler dabei natürlich auch Kundenpflege Treff- punkt für die Touren ist sein Laden. Zweimal die Woche – sonn- und diens- tags – dreht Hohmann nach Feierabend noch auf einem acht Kilometer Rundkurs am Stadtrand nahe der Kamel- und Pferde- Rennbahnen seine Runden. Mittlerweile schließen sich viele WBS-Kunden auch die- ser Trainingsrunde an. Im Schnitt sind es 40 Rennradler, die sich am Abend zum ge- meinsamen „Beineausschütteln“ einfin- den. Frauen sind nur wenige dabei. Nur knapp fünf Prozent seiner Kunden seien Frauen, sagt Hohmann. Und alle Expats. Bereut hat das Fahrrad-Händlerpaar den Schritt nach Dubai noch nie. Ihnen ge- he es in der Wüste „richtig gut“, wie sie sa- gen. So gut, dass sie das lange Zeit parallel betriebene Geschäft im badischen Heiters- heim nun von einem Partner führen las- sen. JO BECKENDORFF Der Radler in der Wüste Wie ein Fahrradhändler aus Deutschland im Emirat Dubai gute Geschäfte macht Heiße Sache: Auf dem Rennrad meidet man in Dubai Tagestemperaturen bis 50 Grad Celsius im Normalfall eher. Und wartet auf den Abend. FOTO: DIETER WERTZ Süddeutsche Zeitung MOBILES LEBEN Montag, 10. Dezember 2012 Bayern, Deutschland, München Seite 33 DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A53551653 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de ahoesl

Süddeutsche Zeitung 2012-12-10 | Mobiles Leben, Seite 33

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Dubai: Der Fahrradhändler Wolfgang Hohmann

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Page 1: Süddeutsche Zeitung 2012-12-10 | Mobiles Leben, Seite 33

Lothar ist schuld. Vor etwa zwölf Jahren be-richtete Lothar Hohmann seinem Bruderaus Dubai: „Das wächst hier. Schau Dir dasdoch mal an!“ Der Schwarzwälder Fahrrad-händler Wolfgang Hohmann und seineFrau Gaby kamen tatsächlich. Erst mal nurzu Besuch. Und dann wieder. 2002 schließ-lich eröffneten sie in dem Emirat auf derArabischen Halbinsel einen Fahrradladen.Dort hat sich Wolfi’s Bike Shop – kurz WBS– seither zu einer Institution entwickelt.

„Mashallah“, „oh Gott“, entfährt es un-serem pakistanischen Taxifahrer in Dubai,als wir ihm einen Fahrradladen als Ziel nen-nen. „Bike – you mean Motorbike?“ „No, Bi-cycle.“ „Ah, Motorcycle.“ „No, Motorcycle.Push Bicycle.“ Als wir endlich vor der WBS-Ladentür halten, sagt der Fahrer noch:„Der Harley Davidson Store ist um dieEcke. Kein Problem, Mann, da fahr ichEuch in einer Minute hin!“

Wolfgang Hohmann, den hier alle nurWolfi nennen, begrüßt uns in seinem La-den auf der berühmten zweimal siebenspu-rigen Sheikh Zayed Road, wo er auch Räder

aus deutscher Produktion verkauft. „Hierzählt German-made noch was. Unser Ser-vice, die Beratung und alles, was an techni-schem Know-how dazugehört“, erklärt er.Viel Service kann Hohmann in seinem La-den auch deshalb bieten, weil er viel mehrPersonal beschäftigen kann, als das inDeutschland möglich wäre. 15 Philippiner,jeweils zwei Inder, Serben, Tschechen, Süd-afrikaner sowie ein Amerikaner und einDeutscher arbeiten in Laden und Werk-statt. Kommt ein Kunde mit einem Pro-blem, wird es in aller Regel sofort behoben.Dann wartet der eben in der Sitzecke amKaffeeautomat, ratscht mit anderen Rad-begeisterten, die mal eben vorbeischauen,oder mit Wolfi selbst.

Die meisten Kunden von WBS sind soge-nannte Expats, „zu 80 Prozent sind esWestler, die hierher zum Arbeiten kom-men und wenig Freizeit haben. Nach eini-ger Zeit merken sie, dass sie nicht mehr fitsind und etwas für ihre Gesundheit tunmüssen. Dann schauen sie bei uns vorbei.Das basiert auch viel auf Mund-zu-Mund-propaganda“, sagt Hohmann.

Immerhin 15 Prozent der WBS-Kund-schaft sind mittlerweile aber Einheimi-sche. Mit Blick auf ihren Anteil von nur20 Prozent an der Gesamtbevölkerungund eingedenk der Tatsache, dass das Fahr-rad in der arabischen Welt nicht gerade eintypisches Fortbewegungsmittel ist, ein gu-

ter Schnitt. Ein einschneidendes Erlebniswar vor sieben Jahren der Besuch vonScheich Marwan Hasher al Maktoum. Dasdamals etwa 35-jährige Mitglied derHerrscherfamilie kam rein und hatte sichgleich eine Zeitfahr-Maschine ausgeguckt.„Dem habe ich dann vorsichtig erklärt,

dass das für den Anfang vielleicht nichtdas Richtige ist. Wir haben was für ihn zu-sammengestellt und gemeinsam getestet.Das Rad hat er dann sofort gekauft“,schmunzelt Radl-Händler Wolfgang.

Und Scheich al Maktoum blieb bei demHobby. Wenn es denn seine Zeit erlaubt ist

er dabei auf Hohmanns wöchentlichen Aus-fahrten. Und hat sich nach einigem Trai-ning schließlich doch seine Zeitfahr-Ma-schine gegönnt. Auch die Expats, die beiWBS einkaufen, müssen nicht unbedingtauf den Dollar schauen – sie verdienen gutund wollen sich mal etwas gönnen. Etwa2500 bis 3000 Euro legen die Kunden imDurchschnitt an. Zudem kaufen WBS-Kun-den grundsätzlich die Vollausstattung(Helm, Schuhe, Bekleidung). Viele endenauch bei Preisen um die 7000 Euro.

Was gut läuft, wird auf den Touren so-fort sichtbar: Edle Karbonrenner. ObwohlWBS auch Mountain- und Trekkingbikesverkauft, sind die Asphaltflitzer laut GabyHohmann die beliebtesten Räder. Die Stra-ßen außerhalb der Stadt Dubai, in der99 Prozent der Einwohner leben, laden mitihrer guten Asphaltqualität sowie durch-weg bester Abendbeleuchtung auch gera-dezu zum Rennradeln ein. Abends ist esdort dann auch nicht mehr so heiß wie amTag. Nur den Hochsommer sollte man mei-den. Dann wird es tagsüber bis zu 50 Gradheiß, und auch nachts fällt das Thermome-ter kaum unter 38 Grad. Und Radfahren inDowntown Dubai ist ohnehin ein gefährli-ches Abenteuer. Der mittägliche Kollektiv-stau sogar auf der Sheikh Zayed Road ist da-für nur ein Beispiel.

Ein Selbstläufer ist der Radshop in Du-bai dennoch nicht. Wolfgang Hohmann ist

sechs Tage die Woche im Laden, und dasmindestens zehn Stunden. An seinem ein-zigen freien Tag – der Freitag entspricht inder arabischen Welt dem Sonntag – führter die Ausflugstouren des Dubai RoadstersCycling Club. Den hat es schon vor seinerAnkunft gegeben: „Das waren damals fünfbis zehn Leute. Wenn wir heute rausfah-ren, sind wir 120 bis 200.“ Drei Touren wer-den jeweils angeboten: 80, 120 und 140 Ki-lometer. Neben der sportlichen Betätigungbetreibt der 41-jährige Radhändler dabeinatürlich auch Kundenpflege – Treff-punkt für die Touren ist sein Laden.

Zweimal die Woche – sonn- und diens-tags – dreht Hohmann nach Feierabendnoch auf einem acht Kilometer Rundkursam Stadtrand nahe der Kamel- und Pferde-Rennbahnen seine Runden. Mittlerweileschließen sich viele WBS-Kunden auch die-ser Trainingsrunde an. Im Schnitt sind es40 Rennradler, die sich am Abend zum ge-meinsamen „Beineausschütteln“ einfin-den. Frauen sind nur wenige dabei. Nurknapp fünf Prozent seiner Kunden seienFrauen, sagt Hohmann. Und alle Expats.

Bereut hat das Fahrrad-Händlerpaarden Schritt nach Dubai noch nie. Ihnen ge-he es in der Wüste „richtig gut“, wie sie sa-gen. So gut, dass sie das lange Zeit parallelbetriebene Geschäft im badischen Heiters-heim nun von einem Partner führen las-sen. JO BECKENDORFF

Der Radler in der WüsteWie ein Fahrradhändleraus Deutschlandim Emirat Dubai guteGeschäfte macht

Heiße Sache: Auf dem Rennrad meidet man in Dubai Tagestemperaturen bis 50 GradCelsius im Normalfall eher. Und wartet auf den Abend. FOTO: DIETER WERTZ

Süddeutsche Zeitung MOBILES LEBEN Montag, 10. Dezember 2012Bayern, Deutschland, München Seite 33

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A53551653Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de ahoesl