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Suerbaum Der Shakespeare-Führer

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SuerbaumDer Shakespeare-Führer

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Ulrich Suerbaum

Der Shakespeare-Führer

Mit 48 Abbildungen

Reclam

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RECLAMS TASCHENBUCH Nr. 20395Alle Rechte vorbehalten

© 2001, 2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart3., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage 2015

Umschlaggestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich ForssmanUmschlagabbildungen: The Cobbe Portrait of William Shakespeare (ca. 1610) |

The Droeshout Portrait of William Shakespeare (1622) |Textseite aus dem First Folio (1623)

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen.Printed in Germany 2015

RECLAM ist eine eingetragene Markeder Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-020395-8

www.reclam.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Kapitel 1

Grundlagen

Shakespearebiographien . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Der wandelbare Unbekannte 13 · Der dokumentarischeShakespeare 14 · Antworten und offene Fragen 18Epochenshakespeares 22 · Shakespearebilder heute 25

Shakespeares Theater. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Globe heute 27 · Theaterwesen und Publikum 29 · Geg-ner 32 · Theater und Gesellschaft: Unterhaltung undmehr 33 · Theater innen: Bühne und Spielbedingungen 36Autor – Publikum – Bühne 40 · Übertragbarkeit 44

Shakespearerezeption: Text und Theater . . . . . . . . 47Text und Theater 47 · Der deutsche Shakespeare 49Die Shakespearerezeption in der Gegenwart 52 · Shake-speare international 53 · Das Shakespearetheater heute 54

Shakespearewissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Der Text und seine Überlieferung 56 · Die Textkri-tik 58 · Der Benutzer und die Textausgaben 60 · Quellen-fragen 62 · Chronologie 64 · Der Shakespearekanon 65Die Shakespeareliteratur: Ansätze und Entwicklungen 65

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6 Inhalt

Kapitel 2

Komödien

Die Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Das Gattungssystem 73 · Die Komödie: Begriff undTradition 74 · Gruppierungen 78 · Liebe als gemeinsa-mes Thema 80

The Comedy of ErrorsDie Komödie der Irrungen . . . . . . . . . . . . . 81

The Taming of the ShrewDer Widerspenstigen Zähmung . . . . . . . . . . . 89

The Two Gentlemen of VeronaDie beiden Veroneser . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Love’s Labour’s LostVerlorene Liebesmüh . . . . . . . . . . . . . . . . 103

A Midsummer Night’s DreamEin Sommernachtstraum. . . . . . . . . . . . . . . 109

The Merchant of VeniceDer Kaufmann von Venedig. . . . . . . . . . . . . 121

The Merry Wives of WindsorDie lustigen Weiber von Windsor . . . . . . . . . 130

Much Ado about NothingViel Lärm um nichts . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

As You Like ItWie es Euch gefällt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Twelfth Night, or What You WillWas Ihr wollt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Troilus and CressidaTroilus und Cressida . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

All’s Well That Ends WellEnde gut, alles gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

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Inhalt 7

Measure for MeasureMaß für Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Pericles, Prince of TyrePerikles, Fürst von Tyrus . . . . . . . . . . . . . . 188

Cymbeline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195The Winter’s Tale

Ein Wintermärchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 202The Tempest

Der Sturm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209The Two Noble Kinsmen

Die beiden edlen Vettern . . . . . . . . . . . . . . 222

Kapitel 3

Historien

Die Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229Begriff und Geschichte 229 · Stoffe und Quellen 230Handlungen und Figurenkonstellationen 230 · Einzel-stücke und Gruppen 233

King Henry VI, Part 1, 2, 3König Heinrich VI.,Erster, Zweiter und Dritter Teil . . . . . . . . . . 234

King Richard IIIKönig Richard III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

King JohnKönig Johann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

King Richard IIKönig Richard II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

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8 Inhalt

King Henry IV, Part 1, 2König Heinrich IV., Erster und Zweiter Teil . . . 271

King Henry VKönig Heinrich V. . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

King Henry VIIIKönig Heinrich VIII. . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Kapitel 4

Tragödien

Die Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296Begriff und Tradition 296 · Das Feld der Shakespeare-tragödien 298

Titus Andronicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300Romeo and Juliet

Romeo und Julia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306Julius Caesar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318Hamlet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327Othello. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344King Lear

König Lear . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357Macbeth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372Antony and Cleopatra

Antonius und Kleopatra . . . . . . . . . . . . . . . 385Coriolanus

Coriolan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394Timon of Athens

Timon von Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

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Inhalt 9

Kapitel 5

Gedichte

Poesie und Geltung 409 · Shakespeares epische Gedich-te 410 · Die Sonette 412 · Rezeption 414 · Lyrik imDrama 417

Literaturauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465

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Vorwort

Es ist das Hauptziel dieses Buches, dem Benutzer einenZugang zu jedem der 38 Dramen Shakespeares zu eröff-nen und die Beschaffenheit und Geschichte des Werks inkompakter Form zu umreißen. Der Shakespeare-Führerist zugleich als Nachschlagewerk und als Buch zum Lesengedacht.

Bei jedem Shakespearestück ist die Handlung dieGrundlage der Konstruktion; sie bestimmt nicht nur denszenischen Ablauf, sondern auch die Gestaltung der Cha-raktere und die Ausrichtung der Themen, die zu dramati-scher Erörterung kommen. Ich habe mich bemüht, beider Wiedergabe der Handlung nicht nur die wichtigstenBegebenheiten zu referieren, sondern auch die Rollen undMotivationen der beteiligten Personen zu verdeutlichen.

Was wir über die Entstehungsgeschichte eines Dramaswissen – wann es geschrieben wurde, auf welchen Quellenes fußt und welche Wege und Veränderungsprozesse derText vor den ältesten erhaltenen Drucken durchlief – undwie sicher dieses Wissen ist, das ist von Stück zu Stücksehr unterschiedlich. Die Abschnitte über Entstehung,Quellen und Textüberlieferung erörtern den heutigenStand der Diskussion und vermitteln die Fakten und Mut-maßungen, auf denen der Forschungsstand beruht.

Kein Shakespearedrama ist seiner Bedeutung nach einefixe Größe. Jedes ist heute etwas anderes, als es in seinerUrsprungszeit war, weil jede Epoche anderes in ihm gese-hen und aus ihm gemacht hat. Bei den meisten Dramenhat es überdies zwei getrennte und oft gegenläufige Re-zeptionsstränge gegeben: einen als gespieltes Theaterstückund einen als gelesenen, studierten und interpretiertenText. In diesem Führer liegt der Schwerpunkt nicht aufder Erarbeitung einer bestimmten Interpretation, sei siehistorisch oder modern, sondern auf der Verdeutlichung

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12 Vorwort

des Prozesses, aus dem die Wirkungs- und Deutungsge-schichte des Werks besteht. Bei der Komplexität diesesProzesses muss die Darstellung mit Notwendigkeit selek-tiv verfahren: Es ist meine Auswahl und meine Sichtweise.

Neben dem Text sollen auch die Abbildungen vor Au-gen führen, wie sehr sich die Epochen in ihrer Sicht derDramen und Figuren Shakespeares unterschieden habenund wie vielfältig die von anspruchsvollen bis volkstüm-lichen Rezeptionsformen reichenden Wiedergaben undUmsetzungen der Werke immer gewesen sind.

Die einzelnen Dramen werden im Rahmen der dreiGattungen Komödie, Historie und Tragödie behandelt.Innerhalb der Gattung ist die Reihenfolge chronologisch.Die nicht-dramatischen Werke sind am Schluss eingereiht.

Dem mit den Werken befassten Hauptteil geht ein ein-leitendes Kapitel vorauf, in dem es um Shakespeares Bio-graphie, um sein Theater und um den generellen Verlaufder Rezeptions- und Forschungsgeschichte geht. Ich habemich hier auf die Grundzüge beschränkt. Wer an einereingehenderen Erörterung dieser Gebiete interessiert ist,der sei auf mein Buch Shakespeares Dramen verwiesen(UTB 1907, Tübingen: Francke 1996, 2. Aufl. 2001).

In der Bibliographie ist eine Auswahl weiterführenderPublikationen zusammengestellt. Neben Standardwerkenund Handbüchern werden insbesondere kommentierteAusgaben, Sammlungen von Interpretationsbeiträgen undBeispiele für Ansätze und Ergebnisse der jüngeren For-schung und Kritik berücksichtigt.

Mein Dank gilt allen, die mir bei der Entstehung desShakespeare-Führers geholfen haben. Ich danke meinerFrau auch bei diesem Buch sehr herzlich für ihr engagier-tes Mitdenken und für Kritik und Rat.

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KAPITEL 1

Grundlagen

Shakespearebiographien

Der wandelbare Unbekannte. Die Biographie Shake-speares ist nicht nur eine Gruppe historischer Fakten,sondern auch ein zentraler Teil der Rezeptionsgeschichte.Die meisten Epochen haben für die Auseinandersetzungmit dem Werk auch ein Lebensbild des Autors benötigt.Das Bild der Person und ihres Lebens hat dabei extremenWandlungen unterlegen. Jede Epoche hat ihren eigenenShakespeare gehabt. Dabei spielte der jeweils zeitgenössi-sche Bestand an gesicherten Fakten niemals die entschei-dende Rolle. Der Shakespeare eines Zeitalters ist immereine gemachte Größe, die als passende Autorfigur zu ei-ner bestimmten Sichtweise des Werks konstruiert wordenist.

Wandelbarkeit und Gestaltbarkeit des Shakespearebil-des beruhen darauf, dass die verbürgten Teile des Lebens-wegs nach den Maßstäben späterer Epochen zu lücken-haft für eine adäquate Biographie sind. Dieser Eindruckdes Ungenügens hat sich im allgemeinen Bewusstsein sofestgesetzt, dass er zur Grundlage des Shakespearebildesgeworden ist. Mit der Person Shakespeares verbindet sichfür die meisten Menschen untrennbar die Vorstellung,dass über sein Leben nichts oder fast nichts bekanntsei und dass man nicht einmal mit Sicherheit wisse, ober tatsächlich die ihm zugeschriebenen Werke verfassthabe.

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14 Grundlagen

In der historischen Wissenschaft stößt diese populäreAuffassung meist auf Irritation und Widerspruch. Shake-speares Lebenslauf, so wird hier geltend gemacht, ist bes-tens erforscht und durch schriftliche Zeugnisse belegt.Tatsächlich ist Shakespeares Biographie, die sich immer-hin auf einen ganzen Band von Dokumenten und Faktenstützen kann, trotz einiger Lücken die bestdokumentierteBürgerbiographie der englischen Renaissance. Die erhalte-nen Unterlagen geben allerdings die Biographie mit jenenVerkürzungen und Verzeichnungen wieder, die immerdann eintreten, wenn eine Person auf die Anlässe in ihremLeben reduziert wird, bei denen sie aktenkundig wird:Veränderungen des Personenstandes, Eingaben, Bewilli-gungen, Strafbescheide, Rechtsverfahren und notarielleNiederschriften.

Der dokumentarische Shakespeare. Ein Überblick überdie wichtigsten Dokumente und Fakten kann Strukturund Aussagevermögen der gesicherten Evidenz verdeutli-chen.1

Am 26. April 1564 wird »Gulielmus filius JohannesShakespere« laut Eintragung im Kirchenbuch in der Pfarr-kirche zu Stratford, einem Landstädtchen mit etwa 2000Seelen in der Grafschaft Warwickshire, getauft.2

Sein Vater, John Shakespeare, war selbstständigerHandwerker, whyttawer und glover, das heißt Weißger-ber (der feines Leder produzierte) und Handschuhmacheroder Täschner. Er heiratete vorteilhaft, prosperierte, sam-melte Ehrenämter, kaufte Häuser und Grundstücke, dieallerdings zum Teil wieder verkauft werden mussten, alses den Shakespeares vom Ende der siebziger Jahre an nichtmehr so gut ging.

1 Die Dokumente zu Shakespeares Leben werden zitiert nach dem Abdruckbei Karl J. Holzknecht, The Backgrounds of Shakespeare’s Plays (NewYork 1950).

2 Holzknecht, Backgrounds, S. 3.

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Shakespearebiographien 15

Die Stadt Stratford unterhielt eine neue und gute gram-mar school. Dass Shakespeare diese Lateinschule besuchte,ist nicht dokumentiert, wird aber angesichts seines Bil-dungshorizonts und vieler Zitate aus Schulbüchern in sei-nen Dramen allgemein angenommen.

Im November 1582 heiratet »Willm Shagspere« (auf-grund einer Sondergenehmigung nach verkürztem Aufge-bot, damit es schneller geht) die acht Jahre ältere AnneHathaway, Tochter eines großen Bauern aus der Nähevon Stratford. Im Frühjahr des folgenden Jahres wird »Su-sanna, daughter to William Shakespeare« geboren. ZweiJahre später folgen Zwillinge, »Hamnet and Judith, sonand daughter to William Shakespeare«.3

Von 1585 bis 1592 erstreckt sich die berühmte Lücke inShakespeares Biographie, die Anlass zu vielen Ausfüllun-gen durch Spekulation und Erfindung gewesen ist. BeimWiedereintritt in den Gesichtskreis lebt er an einem ande-ren Ort und in anderen Verhältnissen, nämlich in Londonals ein in Fachkreisen schon namhafter Stückeschreiberund Schauspieler. Eine neidische Attacke eines Konkur-renten, des Dramatikers und GelegenheitsschriftstellersRobert Greene, ist das erste Zeugnis aus dieser Phase derKarriere Shakespeares.

Von jetzt an wird die Folge der Dokumente dichter.1593 und 1594 veröffentlicht Shakespeare zwei Kurzepen,Venus and Adonis und The Rape of Lucrece, mit nament-lich unterzeichneter Widmung. Ende 1594 gehört er zuden Mitgliedern der Lord Chamberlain’s Men, einerSchauspieltruppe, die bald zur führenden wird und diedann Jakob I. kurz nach der Thronbesteigung als King’sMen zu seiner eigenen macht.

Shakespeare hat von jetzt an beständig Erfolg. Im Thea-tergeschäft kommt er eine Stufe weiter, als er 1599 eineTeilhaberschaft – ein Zehntel des Unternehmens – des

3 Holzknecht, Backgrounds, S. 6.

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16 Grundlagen

neuerrichteten Globe erwirbt. Als das Konsortium einigeJahre später, 1608, ein zweites Theater, das Blackfriars,pachtet, gehört er wieder zu den sharers, diesmal mit ei-nem Siebtel.

Shakespeares gesellschaft-licher Status wird ent-scheidend verbessert, alsdas Königliche Wappen-amt (College of Arms) imOktober 1596 seinem Va-ter und dessen Kindernund Kindeskindern dasRecht verleiht, ein vomAmt entworfenes Wappenzu führen. Von WilliamShakespeare ist nicht aus-drücklich die Rede, aber esist klar, dass er die Verlei-hung betrieben und wohlauch finanziert hat. Erist es auch, der von derStandeserhöhung am meis-

ten Gebrauch macht und regelmäßig als »William Shake-speare of Stratford upon Avon, in the county of Warwick,gentleman« figuriert.

Shakespeare legt sein Geld vorwiegend in Immobilienin Stratford an. Zuerst kauft er seinen Herrensitz, NewPlace, eines der größten Anwesen in der Stadt, dann er-wirbt er Ackerland, Wald, Nutzungsrechte für Gemeinde-land, ein weiteres Haus und Teile der Zehnteinkünfte vonmehreren Bauerschaften hinzu. Er erwirbt nicht nur, son-dern verwaltet die Erwerbungen und macht mit ihnen Ge-schäfte; er pachtet und verpachtet, verkauft der Gemeindeseinen Bauschutt und treibt Außenstände durch Prozesseein, spekuliert ein wenig mit dem Horten von Getreideund beteiligt sich an Aktivitäten der Grundbesitzerschaft.

Das Wappen für »Shakespeare thePlayer«: Goldener Speer mit Sil-berspitze. Entwurfzeichnung aus

dem Wappenamt

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Shakespearebiographien 17

Mit dem geschäftlichen und gesellschaftlichen Aufstieggeht ein Anwachsen seiner Prominenz als Theatermannund Autor einher. Das aufschlussreichste Zeugnis stammtvon einem Kenner und Liebhaber der Poesie namensFrancis Meres, der in einem 1598 erschienenen Buch, Pal-ladis Tamia, im Rahmen einer Gegenüberstellung derklassischen und modernen Literatur Shakespeare, dessenbis dahin geschriebene Werke er alle kennt und aufzählt,als den führenden Dramatiker lobt. Wie Plautus und Sene-ca auf den Gebieten der antiken Komödie und Tragödiehervorragten, so sei Shakespeare in England »the most ex-cellent in both kinds for the stage«.4

Am 25. März 1616 regelt Shakespeare seine Hinterlas-senschaft in einem notariellen Testament, dem umfang-reichsten persönlichen Zeugnis. Er stirbt am 23. April1616. Die Stratforder geben ihm eine der sonst nur altenAdelsfamilien vorbehaltenen Grabstätten im Chorraumder Kirche. Schon wenige Jahre nach dem Tode errichtensie über dem Grab ein aufwändiges Monument.

In London geben zwei der im Testament mit Erinne-rungsgaben bedachten Freunde und Kollegen von denKing’s Men sieben Jahre nach dem Tode Shakespeares alsTotenmonument und Akt des Gedenkens (»An office tothe dead … to keep the memory of so worthy a friend and

4 Zit. nach: The Riverside Shakespeare, Second Edition, ed. G. BlakemoreEvans (Boston 1997), S. 1970. – Alle Shakespeare-Zitate des Buches nachdieser Ausgabe.

Testamentsunterschrift: »By me, William Shakespeare«

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18 Grundlagen

fellow alive«5) seine gesammelten Werke in einem groß-formatigen Band heraus.

Im Zusammenhang mit diesen beiden Gedenkaktionenentstehen auch die beiden einzigen Shakespeareporträts,die heute als mit Sicherheit authentisch gelten, die Büste inder Stratforder Kirche, die von dem holländischen Bild-hauer Gheerart Janssen stammt, und das von MartinDroeshout, einem jungen Künstler flämischer Abstam-mung, geschaffene Kupferstichporträt in der Folioausgabe– das Shakespearebild schlechthin. Die Bilder sind nichtnach dem Leben entworfen; mit ziemlicher Sicherheit hatkeiner der Künstler Shakespeare je gesehen. Sie sind au-thentisch nur insofern, als sie tatsächlich Shakespeare mei-nen und möglicherweise auf mündliche Instruktionen vonAuftraggebern zurückgehen, die ihn kannten.

Antworten und offene Fragen. Die Person, die in denDokumenten zutage tritt, ist ein typischer Vertreter einerfür die Epoche (und für den Aufstieg der middle classes inder Folgezeit) entscheidenden Gruppe: der Bürger, diesich verbessern wollen und das Ziel des Aufstiegs beharr-lich verfolgen.6

Es ist nicht das Lebensbild eines Dichters von Welt-rang, und es ist von vornherein abzusehen, dass die Nach-welt mit dem dokumentarischen Shakespearebild ihreSchwierigkeiten haben wird. Manchen Leuten wird dasnicht passen, was die Dokumente zeigen, und sie werdenden Aufsteiger, Geschäftemacher und Besitzbürger Shake-speare nicht akzeptieren wollen. Andere werden sich nichtmit einer Biographie abfinden, die nur den äußeren Le-bensweg erfasst und so gut wie gar nicht über Persönli-

5 Vorwort »To the great Variety of Readers«, Riverside Shakespeare, ed.Evans, S. 95.

6 Zum sozialgeschichtlichen Aspekt von Shakespeares Biographie s. Verf.,»Ein Bürgerleben: William Shakespeare«, Das elisabethanische Zeitalter(Stuttgart 1989), S. 345–376.

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Grabbüste Shakespeares von Gheerart Janssen im Chor der Kirchezu Stratford

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20 Grundlagen

ches und Privates informiert und fast nichts über die Ar-beit des Schauspielers und Autors sowie über die Geneseder einzelnen Werke zu berichten weiß.

Eine der Fragen, die im Zusammenhang mit Shake-speares Leben immer wieder gestellt werden, lässt sich mitEntschiedenheit beantworten: Es ist ausgeschlossen, dassnicht Shakespeare, sondern jemand anders das Dramen-korpus verfasst hat. Es gibt Dutzende von Zeugnissen, dieShakespeare als Verfasser der Dramen nennen. Diese Do-kumente stammen nicht nur von Leuten, die sich denkba-rerweise täuschen könnten, sondern auch von Insidern desTheaterwesens und des Literaturbetriebs und von Perso-nen, die dauernd mit ihm zusammenarbeiteten. Man kannüber die Zuordnung einzelner Dramen streiten, aber dieHypothese, das Gesamtwerk habe jemand anderen zumAutor, bedeutet die Annahme, ein ganzes Zeitalter habesich zu einem Komplott zusammengetan, um die Nach-welt zu täuschen.

Eine andere Frage ist es, ob die Armut an Dokumentenüber die Entstehung des Werks und über Hintergrundund Umstände der Tätigkeit als Dramatiker, insbesonderedas völlige Fehlen von Selbstzeugnissen, so normal undrätselfrei ist, wie es manchmal dargestellt wird.

Es ist schwer zu erklären, warum wir über seine Aktivi-täten als Stückeschreiber, immerhin eine Form der Schrift-lichkeit, so wenig erfahren, wenn wir über seine wirt-schaftlichen Transaktionen so viel wissen. Es ist merk-würdig, dass der gleiche Shakespeare, der so rührig undkarrierebewusst seinen bürgerlichen Aufstieg verfolgt,keinen Finger rührt, um seine literarische Prominenz zufördern und offenbar das Konzept einer literarischen Kar-riere nicht kennt, dass er seine Dramen weder einzelnnoch gesammelt in den Druck gibt, nicht in Vorwortenund Einleitungen mit Stellungnahmen in Erscheinung tritt(wie Jonson und andere), sich nie selbst als Urheber nam-haft macht und dass in seinem Testament, das die Weiter-

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Das Shakespearebild schlechthin: Martin Droeshouts Porträtauf dem Titelblatt der Folioausgabe von 1623

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22 Grundlagen

gabe der Habe so sorgfältig regelt, Bücher und Manu-skripte als Erbe nicht vorkommen. Die Dramen sind ein-fach da – als seine Dramen, aber ohne eine dokumentierteVerbindung zwischen ihnen und ihrem Autor.

Epochenshakespeares.7 Das erste Jahrhundert nachShakespeares Tod ist die Ära der Anekdoten, wie sie beider Tradierung des Bildes historischer Persönlichkeitenfast immer eine grundlegende Rolle spielen. Anekdotencharakterisieren geistige Fähigkeiten und soziales Verhal-ten; sie füllen Lücken der Biographie.

In Stratford erzählte man sich Geschichten über sei-ne Jugendstreiche und über seine witzigen Sprüche, überseine poetischen Deklamationen im Schlachterladen desVaters, über seinen Auszug aus der Heimat als jungerMann und über seine riesigen Einnahmen als Stücke-schreiber.

Die erste Biographie erschien erst zu Anfang des 18.Jahrhunderts, als der Dichter bereits zu einer zentralenGestalt der nationalen Kultur geworden war. NicholasRowe, Jurist und Dramatiker, gibt seiner 1709 erscheinen-den Shakespeareausgabe, der ersten nach den vier Editio-nen der Folio, eine Abhandlung bei, zu der unter anderemdie erste zusammenhängende Biographie Shakespeares ge-hört. Rowe sammelte alles erhältliche Material, ließ inStratford Kirchenbücher und Akten einsehen und stellteaus Fakten und Anekdoten den Lebenslauf des Dichterszusammen.

Rowes Biographie reichte fast dem gesamten 18. Jahr-hundert als Information über Shakespeare aus, und zwareinmal, weil alle Herausgeber der Epoche Autorenbiogra-phien nicht für wirklich wichtig, sondern nur für eineSache von begrenzter Nützlichkeit hielten, und zum an-

7 Ausführlicher zur Entwicklung der Shakespearebilder: Verf., ShakespearesDramen (Tübingen 22001), S. 239–278.

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Shakespearebiographien 23

dern, weil die Entwicklung des Shakespearebildes einenanderen Weg nahm als den der zunehmenden Vertrautheitmit seinem Leben und seiner Epoche. Das 18. Jahrhundertist das Zeitalter der Idolisierung Shakespeares. Er galtnicht als ein Dichter aus einer bestimmten Epoche, son-dern als Shakespeare der Einzige, eine keiner Epoche an-gehörende, mit niemand vergleichbare Gestalt, the Bard,der Dichter schlechthin.

Für die Romantiker, denen Dichtung immer als Aus-fluss einer individuellen Persönlichkeit galt, erhielt dieKenntnis der Dichterperson und des Dichterlebens einezentrale Bedeutung als Zugang zum Werk. Was sie such-ten, waren aber nicht die äußeren Fakten und jene Infor-mationen, welche die Shakespearedokumente lieferten,sondern die erlebende, fühlende, imaginierende Persön-lichkeit hinter dem Werk und die Geschichte eines inne-ren Lebensweges.

Man suchte, da der Dramatiker im Dialog ja nie in eige-ner Person redet, nach Ebenbildern und StellvertreternShakespeares unter den Figuren und man wandte das Inte-resse verstärkt dem einzigen Werk Shakespeares zu, indem ein Autor-Ich zum Leser spricht, den Sonetten. DieSonette wurden, wie es bei Gedichten allgemein üblichwar, als Bruchstücke einer persönlichen Konfession aufge-fasst und das literarische Ich mit dem realen WilliamShakespeare identifiziert.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs der Wider-stand gegen das Bild des Grundstücke sammelnden undgeldgierigen Provinzlers, das die Dokumente zu präsentie-ren schienen. Gesucht wurde ein besserer Shakespeare,entweder ein Mensch von edlerer Geburt, oder doch min-destens eine Persönlichkeit, die mit den Besten ihrer Zeitvertraut umging.

Auf das Verlangen nach einem anderen Shakespearegingen letztlich die großen Forschungsskandale zurück, inderen Verlauf gefälschte Dokumente wie ein persönlicher

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24 Grundlagen

Brief der Königin Elisabeth an ihren Lieblingsdichter zu-nächst bereitwillig als echt akzeptiert wurden, ehe derSchwindel schließlich aufflog.

Von der Veredelung des Mannes aus Stratford ist es nurein kleiner logischer Schritt bis zu seiner Abwahl als Au-tor und zu seiner Ersetzung durch Zeitgenossen, die denErwartungen an das Bild des Dramenschöpfers eher ent-sprechen.

Versuche in dieser Richtung gab es schon im 18. Jahr-hundert, aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts entwickelte sich neben der Orthodoxie der Shake-speareforschung und Shakespearepflege eine Front vonLeugnern der Autorschaft. Aus dem Potpourri der Perso-nalvorschläge gelangten zwei auf das Forum einer lange an-haltenden Diskussion, beides Persönlichkeiten aus hohemAdel, prominent in ihrer Zeit und auch für die Nachweltnoch ein Begriff, Figuren, die jenem Ideal entsprachen, demman sich schon bei der Entwicklung des Shakespearebildesanzunähern versuchte.

Der eine war Francis Bacon, Baron of Verulam and Vis-count of St. Albans (1561–1626), Philosoph, ehrgeizigerPolitiker und vielseitiger Autor von Werken mehrererGattungen, die teils auf Englisch, teils auf Latein geschrie-ben sind.

Der andere Shakespeare claimant ist Edward de Vere,Earl of Oxford (1550–1620), ein gebildeter Aristokrat,Autor einiger der schönsten elisabethanischen Gedichte.

Die Debatten der Baconianer und Oxfordianer gipfel-ten in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und setzensich bis heute fort, obwohl die Vertreter der literaturwis-senschaftlichen Orthodoxie sie für blanken Unsinn er-klären.

Während die biographischen Dissidenten weiterhin ih-rer Wege gingen, machte die große Mehrheit der anShakespeare Interessierten gegen Ende des 19. Jahrhun-derts ihren Frieden mit den überlieferten Fakten und

Page 25: Suerbaum Der Shakespeare-Führer€¦ · Umschlagabbildungen: The Cobbe Portrait of William Shakespeare (ca. 1610)| The Droeshout Portrait of William Shakespeare (1622)| Textseite

Shakespearebiographien 25

formte aus ihnen ein Shakespearebild, das den Idealeneiner Zeit entsprach, die sich zum Bürgertum und zubürgerlichen Tugenden bekannte. Der Shakespeare derDarstellungen dieser Zeit verkörpert den Typus des bür-gerlichen Genies; er ist ein Mensch von außerordentli-cher Begabung, dessen Talent sich dank der Förderungdurch Hof und Aristokratie zum Wohl des Gemeinwe-sens entfalten kann und der trotz der Erhöhung seinemStande verbunden bleibt, strebsam, erwerbstüchtig, treu-sorgend.

Shakespearebilder heute. Zu Anfang des 20. Jahrhun-derts war man sich noch einig in der Überzeugung, dassdie überlieferten Zeugnisse es erlauben, Shakespeares Le-ben als eine zusammenhängende, wenn auch nicht lücken-lose Geschichte zu erzählen, und dass diese Lebens-geschichte einen Zugang zum Verständnis des Werks er-öffnen kann. Inzwischen ist das alles nicht mehr so. Einenarrative Biographie gibt es nur noch auf der simplen Ebe-ne der populären oder einführenden Literatur. Wissen-schaftliche Ausgaben der Dramen gehen nicht auf Shake-speares Leben ein, weder generell noch im speziellenZusammenhang mit der Zeit und den Umständen der Ent-stehung des betreffenden Stücks. Der bevorzugte Modusder Darstellung ist nicht-narrativ; man möchte das Lebennicht mehr als Geschichte erzählen. Typische Formen sindder tabellarische Lebenslauf oder die dokumentarische,nur auf die Wiedergabe und Erläuterung von Zeugnissenreduzierte Biographie; die Lücken zwischen den gesicher-ten Fakten bleiben frei und werden eher betont als ka-schiert. Werk und Leben werden im Falle Shakespeares soreinlich getrennt, wie es sonst in der Literaturwissenschaftkaum vorkommt. Die extreme Askese, der sich die moder-ne Shakespearebiographie verschrieben hat, ist zum Teildurch eine forschungsgeschichtliche Situation bedingt, inder man sich vor dem Rückfall in Idolatrie und Mythi-