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Suhrkamp Verlag Leseprobe Corchia, Luca / Müller-Doohm, Stefan / Outhwaite, William Habermas global Wirkungsgeschichte eines Werks Herausgegeben von Luca Corchia, Stefan Müller-Doohm und William Outhwaite Redaktion: Roman Yos © Suhrkamp Verlag suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2279 978-3-518-29879-4

Suhrkamp Verlag · III.Vereinigte Staaten von Amerika Eduardo Mendieta und Benjamin Randolph ... Filipe Carreira da Silva und Mónica Brito Vieira ... d: Die Moderne – ein unvollendetes

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Suhrkamp VerlagLeseprobe

Corchia, Luca / Müller-Doohm, Stefan / Outhwaite, WilliamHabermas global

Wirkungsgeschichte eines WerksHerausgegeben von Luca Corchia, Stefan Müller-Doohm und William Outhwaite Redaktion:

Roman Yos

© Suhrkamp Verlagsuhrkamp taschenbuch wissenschaft 2279

978-3-518-29879-4

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suhrkamp taschenbuchwissenschaft

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JürgenHabermas’ Schriften haben weltweite Aufmerksamkeit gefunden, und zwarnicht nur innerhalb akademischer Kreise, sondern auch bei einer politisch interes-sierten Leserschaft. Die internationale Wirkungsgeschichte des herausragendenPhilosophen und öffentlichen Intellektuellen wird hier von Autorinnen undAutoren aus mehr als Sprach- und Wissenschaftskulturen beleuchtet. Somit ge-währt dieser Band erstmals einen umfassenden Einblick in den globalenWirkungs-zusammenhang und wirft zudem ein neues Licht auf das mit dem Begriff der kom-munikativen Vernunft verbundene Lebenswerk.

Luca Corchia ist Fellow am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Pisa.

Stefan Müller-Doohm ist emeritierter Professor für Soziologie an der Carl von Os-sietzky Universität Oldenburg. Zuletzt erschienen: Adorno. Eine Biographie ();Jürgen Habermas. Eine Biographie ().

William Outhwaite ist emeritierter Professor für Soziologie an der UniversitätNewcastle.

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Habermas globalWirkungsgeschichte eines WerksHerausgegeben von Luca Corchia,

Stefan Müller-Doohmund William Outhwaite

Suhrkamp

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Redaktion: Roman Yos

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Erste Auflage suhrkamp taschenbuch wissenschaft

© Suhrkamp Verlag Berlin

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag nach Entwürfenvon Willy Fleckhaus und Rolf Staudt

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH,WaldbüttelbrunnDruck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Printed in GermanyISBN ----

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Inhalt

Luca Corchia, Stefan Müller-Doohm und William OuthwaiteVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zitierte Schriften von Jürgen Habermas . . . . . . . . . . . .

I. Einleitung

Stefan Müller-Doohm und Dorothee ZuccaKommunikatives Handeln als gesellschaftliche Einheit:Thesen und Antithesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Deutschland

Roman YosEin beunruhigender Geist: Zur Rezeption früher Schriftenvon Jürgen Habermas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Robin CelikatesErkenntnis und Emanzipation: Habermas’ Wissenschafts-und Erkenntnistheorie in der Diskussion . . . . . . . . . . .

Philip HoghSprache,Wahrheit, Diskurs: Zur Rezeption undöffentlichen Wirksamkeit dreier zentraler Aspekte desHabermas’schen Werks in Deutschland . . . . . . . . . . . .

Smail RapicKritische Gesellschaftstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Regina KreideRechts- und Demokratietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . .

Tim ReißReligion bei Habermas im Spiegel derreligionsphilosophischen und theologischen Rezeption . .

Markus PatbergHabermas und die Europäische Union:Beiträge zu einer Diskurstheorie supranationalerDemokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Hans-Peter KrügerDie Habermas-Rezeptionen in der DDR . . . . . . . . . . .

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III. Vereinigte Staaten von Amerika

Eduardo Mendieta und Benjamin RandolphVom Eklektizismus zur Rekonstruktion derkommunikativen Vernunft: Habermas in den VereinigtenStaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Michael HofmannTheoretische und praktischeWirkungen des akademischenBestsellers Strukturwandel der Öffentlichkeit in den USA .

Barbara FultnerTheorien der diskursiven Praxis: Der angloamerikanischeDialog mit Habermas’ Sprachpragmatik . . . . . . . . . . .

James Gordon FinlaysonDie politische Theorie von Jürgen Habermas und dieDebatte mit John Rawls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Robert ZwargFragile Ambivalenzen: Jürgen Habermas im Kontext deramerikanischen New Left . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kenneth BaynesEin erneuter Blick auf Habermas’ Der philosophischeDiskurs der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Großbritannien

William OuthwaiteHabermas in Großbritannien und Irland . . . . . . . . . . .

V. Skandinavien/Niederlande

Rauno Huttunen, Arto Laitinen und Thomas WallgrenHabermas in Finnland: Analytische Philosophie,Rechtstheorie und postmarxistische Gesellschaftstheorieim Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mikael Carleheden und Carl-Göran HeidegrenHabermas in Schweden: Eine Rezeption mit Hindernissen

Helge HøibraatenHabermas und Norwegen: Demokratisierung desDeutschen Idealismus und Materialismus? . . . . . . . . . .

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René GabriëlsEine differenzierte Einbettung der kommunikativenMacht: Über die Rezeption von Habermas in denNiederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VI. Frankreich/Belgien

Isabelle AubertZwischen Dornen und Lorbeeren: Diefranzösischsprachige Habermas-Rezeption . . . . . . . . . .

VII. Italien

Marina Calloni und Luca CorchiaZwischen kritischer Theorie und kommunikativerVernunft: Die Habermas-Rezeption in Italien . . . . . . . .

VIII. Spanien/Lateinamerika

Juan Carlos VelascoAuf den Spuren von Habermas in Spanien . . . . . . . . . .

Javier Aguirre und Eduardo MendietaHabermas in Lateinamerika: Umrisse der Rezeptionin Mexiko, Kolumbien, Argentinien und Chile . . . . . . .

IX. Portugal/Brasilien

Filipe Carreira da Silva und Mónica Brito VieiraDie Habermas-Rezeption in Portugal . . . . . . . . . . . . .

Pedro Luiz Lima und Fernando PerlattoVom Süden aus gesehen: Die Habermas-Rezeption inBrasilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X. Asien

Kenichi MishimaIn einem ganz anderen Land mit ähnlichen Problemen derModerne: Die Habermas-Rezeption in Japan . . . . . . . .

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Gloria DaviesHabermas in China: Theorie als Katalysator . . . . . . . . .

Kyung-Man KimHabermas in der Republik Korea: LeidenschaftlicheBegeisterung ohne kritische Auseinandersetzung . . . . . .

Sang-Jin HanHabermas in Ostasien: Rezeption und Resonanz . . . . . .

Gurpreet MahajanEin Marxismus für die heutige Zeit: Habermas in Indien

Auswahlbibliographie

René GörtzenJürgen Habermas: Eine mondiale Auswahlbibliographieder Primärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Hinweise zu den Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . .

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Luca Corchia, Stefan Müller-Doohmund William Outhwaite

Vorwort

Jürgen Habermas gilt als Weltautor, der mit seinen in zahlreicheSprachen übersetzten Schriften und seinen tagespolitischen Interven-tionen zumMitinitiator einer grenzüberschreitenden Öffentlichkeitgeworden ist. Sein in über Buchveröffentlichungen umgesetz-ter Anspruch, die Grundlagen für eine kritische Gesellschafts-theorie zu entwickeln, die ihre eigenenMaßstäbe auszuweisen vermag,hat insbesondere im Umfeld der Geistes- und Sozialwissenschaften,aber auch über diese hinaus eine breite Diskussion ausgelöst. Indiesen – oft hoch kontroversen – Debatten innerhalb der scientificcommunity reflektiert sich die Rezeptions- und Wirkungsgeschichteseiner Schriften, die die Idee kommunikativer Vernunft ausbuchsta-bieren. So berufen sich weltweit Philosophen und Theologen, Juris-ten und Politikwissenschaftler, Soziologen und Psychologen sowieeine Vielzahl weiterer Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichs-ter Einzelwissenschaften – oft in kritischer Abgrenzung – auf dieKonzeptualisierung eines nachmetaphysisch begriffenen und im ge-sellschaftlichen Leben verankerten Vernunftbegriffs. Und es ist kei-ne Überraschung, dass Jürgen Habermas zu den in den Geistes-und Sozialwissenschaften am häufigsten zitierten Autoren gehört.Soweit sie sich überhaupt vollständig erfassen lässt, besteht alleindie weltweit erschienene Sekundärliteratur zu seinem Werk aus überTiteln. Die in diesem Band versammelten Beiträge von Au-torinnen und Autoren, die die Rezeptionskontexte aus mehr als Ländern beleuchten, belegen diese eindrucksvolle globale Wir-kungsgeschichte ebenso wie der abgedruckte Auszug aus René Gört-zens mondialer Bibliographie, deren vollständige Fassung mehrerehundert Seiten umfasst.

Habermas’ linksliberale, republikanisch inspirierte politische Phi-losophie, seine Kritik an neoliberalen Tendenzen, seine europakriti-schen Analysen und europapolitischen Vorschläge bis in die jüngsteZeit sind fester Bestandteil der Debatten innerhalb der bundesdeut-schen Medienöffentlichkeit. Nicht zuletzt seine Verteidigung eineröffentlich bekundeten Kultur der Erinnerung an die deutsche Schuld

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war für die moralische Erneuerung und damit für die westdeutscheNachkriegsgeneration im Ganzen mentalitätsprägend und ist es bisheute. Innerhalb des ostdeutschen Rezeptionszusammenhangs wur-de Habermas von offizieller Seite als Reformist denunziert, obgleichsein Ansatz vor allem wegen seiner Kritik am westlichen Spätkapita-lismus auch Gegenstand fachlicher Kontroversen war. Im informel-len Rahmen wurde er nichtsdestotrotz intensiv diskutiert, und zwarschon bevor seine Schriften Ende der er Jahre auch in demokra-tietheoretischer Hinsicht wirkten.

In der angelsächsischenWelt, insbesondere in den USA, hat gera-de die von Thomas McCarthy besorgte englische Übersetzung desHauptwerks Theorie des kommunikativen Handelns [Theory of Com-municative Action] im Jahr eine regelrechte Rezeptionswelleausgelöst, die sich aktuell vor allem auf Habermas’ Demokratie-und Rechtstheorie erstreckt. Die führenden Vertreterinnen und Ver-treter der nordamerikanischen Geistes- und Sozialwissenschaftenwie etwa Charles Taylor, John Rawls, Hilary Putnam, RichardJ. Bernstein, Richard Rorty, Ronald Dworkin,Thomas Nagel, JohnR. Searle, Robert B. Brandom, Charles Larmore, Seyla Benhabib,EduardoMendieta und Amy Allen haben immer wieder den Dialogmit Habermas gesucht.

Habermas’ philosophische und politische Schriften werden inganz Europa an den Universitäten und im zeitpolitischen Diskursrezipiert. Bedeutende Intellektuelle haben sich – zum Teil äußerstkritisch – mit seinem Ansatz auseinandergesetzt, darunter MichelFoucault, Jacques Derrida, Pierre Bourdieu, Umberto Eco, GianniVattimo und Anthony Giddens. Berühmt geworden ist sein Dialogüber Fragen der Religion und des Glaubens mit Kardinal JosephRatzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., und auch somancherPolitiker lässt sich von Habermas’ Vorschlägen öffentlich inspirieren.

Die Anerkennung, die Habermas in Japan genießt, hat die Aus-zeichnung mit dem renommierten Kyoto-Preis der Weltöffentlich-keit deutlich vor Augen geführt. In Spanien und Lateinamerika sto-ßen seine Zeitdiagnosen sowie seine theoretischen Deutungen vonRechtsstaat und Demokratie auf große Beachtung. Auch in Südko-rea, in Indien und in China haben seine Öffentlichkeits- und De-mokratietheorie, sein Beharren auf der Nichthintergehbarkeit vonMenschenrechten und seine Thesen zum Völkerrecht Aufsehen er-regt, nicht selten zum Unmut der politischen Eliten.

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Der vorliegende Band stellt zwei Aspekte in den Vordergrund,die in der Masse an biographischen Zugängen, Einführungen undWerkexegesen bislang bestenfalls am Rande Berücksichtigung ge-funden haben. Zum einen beleuchtet er die wechselvollen, mitunterstürmischen Rezeptionsprozesse innerhalb unterschiedlicher Sprach-kulturen, die die Publikationen von Jürgen Habermas dort in ihrerganzen Breite ausgelöst haben. Zum anderen widmet er sich dezi-diert den Kontroversen, den Kritiken und Gegenkritiken, die Ha-bermas’ wissenschaftliche und politische Veröffentlichungen überdie Jahrzehnte ausgelöst haben. In diesem Sinne versteht sich die-ses Buch als ein Beitrag – oder besser: Anstoß – zu einer Rezep-tionsforschung über die Grenzen der Länder und Kontinente hin-weg.

Wir haben uns als Herausgeber dazu entschieden, den Autorin-nen und Autoren mehr oder weniger freie Hand bei der methodi-schen Anlage ihrer Rezeptionsanalyse zu lassen. Dennoch gibt eseine Gemeinsamkeit, die darin besteht, dass der Akzent auf länger-fristigen Rezeptionsprozessen liegt, die sich dialogisch, das heißt alswechselseitige Bezugnahme vollzogen haben. Eine solche Perspektive,die bestimmbare Transformationsprozesse im Akt aktiver seman-tischer Aneignung in den Blick nimmt, hebt sich von den kau-salanalytischenModellen ab, bei denen passive Wirkungs- und Ein-flusseffekte im Vordergrund stehen.

Vor allem aus Platzgründenmusste eine Reihe von Themenunbe-rücksichtigt bleiben und konnte nicht für jedes Land die Rezeptionvon Habermas’ Denkwegen dargestellt werden. Eindeutig im Vor-dergrund steht in den Beiträgen dieses Bandes Habermas’ Haupt-werk Theorie des kommunikativen Handelns, was nicht heißt, dassdie anderen Schwerpunkte seines Denkens – von der Erkenntnis-theorie bis hin zur Diskurstheorie des Rechts – keine Rolle spielen.In geographischer Hinsicht bleibt die Darstellung der Rezeptionvon Habermas’ Sozialtheorie in Osteuropa sowie in den Länderndes Mittleren Ostens ebenso ein Desiderat, wie der afrikanischeKontinent in dieser Hinsicht als terra incognita gelten muss.

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Dank

DerDank der Herausgeber geht zuerst an alle Autorinnenund Auto-ren dieses Bandes, die mit Engagement und Kompetenz zu dessenZustandekommen beigetragen haben.Wir danken auch René Gört-zen, dass er uns seine umfangreiche internationale Bibliographie,die er nach jahrelangen Recherchen zusammengestellt hat, in gene-röser Weise zur Verfügung gestellt und einen Teilabdruck gestattethat. Die Übersetzung von zahlreichen Beiträgen aus dem Engli-schen ins Deutsche lag in den Händen von Daniel Steuer, einemhervorragenden Kenner der Materie. Ein ganz großer Dank gehtan Roman Yos, der den Band redaktionell betreut hat, und dies mitgroßer Sorgfalt und Akribie, sowie an Gesa Steinbrink, die das Ge-samtmanuskript geduldig und kompetent lektoriert hat. Auch beiEva Gilmer, die uns als kompetente Ansprechpartnerin im Verlagmit ihren zielgenauen Hinweisen und Ratschlägen bei der Umset-zung dieses Projekts unterstützt hat, möchten wir uns an dieser Stel-le bedanken. Für ihre Unterstützung beim Kollationieren dankenwir Yentl Henken und Ansgar Baumgart. Ohne die finanzielle För-derung durch das Institut für Philosophie der Carl von OssietzkyUniversität in Oldenburg hätte sich das Projekt nicht realisieren las-sen.

Zum Schluss möchten wir Jürgen Habermas danken – für dievon ihm stimulierten Lernprozesse.

Pisa/Oldenburg/Oxford im Frühjahr

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Zitierte Schriften von Jürgen Habermas1

: Das Absolute und die Geschichte. Von der Zwiespältigkeit inSchellings Denken, Inauguraldissertation, unveröffentlicht,Bonn.

: Student und Politik. Eine soziologische Untersuchung zum po-litischen Bewußtsein Frankfurter Studenten (zusammen mitLudwig von Friedeburg, Christoph Oehler, FriedrichWeltz), Neuwied, Berlin.

: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einerKategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied, Berlin.

: Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien, Neuwied,Berlin.

a: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt/M.b: Technik und Wissenschaft als ›Ideologie‹, Frankfurt/M.c: (Hg.), Antworten auf Herbert Marcuse, Frankfurt/M.: Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt/M.a: Zur Logik der Sozialwissenschaften. Materialien, Frank-

furt/M.b: Arbeit, Erkenntnis, Fortschritt. Aufsätze -, Amster-

dam.a: Philosophisch-politische Profile, Frankfurt/M.b: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet

die Systemforschung? (zusammen mit Niklas Luhmann),Frankfurt/M.

c: Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien (Neuaus-gabe), Frankfurt/M.

a: Kultur und Kritik.Verstreute Aufsätze, Frankfurt/M.b: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/M.: Zwei Reden (zusammenmit Dieter Henrich), Frankfurt/M.: Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frank-

furt/M.: (Hg.), Entwicklung des Ichs (zusammen mit Rainer Döbert,

Gertrud Nunner-Winkler), Köln.a: Politik, Kunst, Religion. Essays über zeitgenössische Philoso-

phen, Stuttgart.b: (Hg.),Gespräche mit Herbert Marcuse, Frankfurt/M.a: Das Erbe Hegels. Zwei Reden aus Anlaß der Verleihung des

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Hegel-Preises der Stadt Stuttgart an Hans-Georg Gada-mer, Frankfurt/M.

b: (Hg.), Stichworte zur ›Geistigen Situation der Zeit‹, Bde.,Frankfurt/M.

a: Theorie des kommunikativen Handelns, Bde., Frankfurt/M.b: Kleine Politische Schriften I-IV, Frankfurt/M.c: Philosophisch-politische Profile. Erweiterte Ausgabe, Frank-

furt/M.: Zur Logik der Sozialwissenschaften, ., erweiterte Auflage,

Frankfurt/M.a: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frank-

furt/M.b: (Hg.), Adorno-Konferenz (zusammen mit Ludwig von

Friedeburg), Frankfurt/M.a: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikati-

ven Handelns, Frankfurt/M.b: (Hg.), Soziale Interaktion und soziales Verstehen. Beiträge

zur Entwicklung der Interaktionskompetenz (zusammenmit Wolfgang Edelstein), Frankfurt/M.

a: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen,Frankfurt/M.

b: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine Politische Schriften V,Frankfurt/M.

: Eine Art Schadensabwicklung. Kleine Politische Schriften VI,Frankfurt/M.

: Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frank-furt/M.

a: Die nachholende Revolution. Kleine Politische Schriften VII,Frankfurt/M.

b: Vergangenheit als Zukunft. Hg. von Michael Haller, Zürich.c: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer

Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Mit einem Vorwortzur Neuauflage, Frankfurt/M.

d: Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-poli-tische Aufsätze -, Leipzig.

a: Erläuterungen zur Diskursethik, Frankfurt/M.b: Texte und Kontexte, Frankfurt/M.: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des

Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt/M.

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: Vergangenheit als Zukunft. Das alte Deutschland im neuenEuropa? Hg. von Michael Haller, München.

: Die Normalität einer Berliner Republik. Kleine PolitischeSchriften VIII, Frankfurt/M.

: Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theo-rie, Frankfurt/M.

: Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Philo-sophische Essays, Frankfurt/M.

: Die postnationale Konstellation. Politische Essays, Frank-furt/M.

: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze, Frank-furt/M.

a: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einerliberalen Eugenik?, Frankfurt/M.

b: Zeit der Übergänge. Kleine Politische Schriften IX, Frank-furt/M.

c: Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buchhan-dels . Sonderdruck, Frankfurt/M.

: Zeitdiagnosen. Zwölf Essays, Frankfurt/M.a: Der gespaltene Westen. Kleine Politische Schriften X, Frank-

furt/M.b: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze. Erwei-

terte Ausgabe, Frankfurt/M.c: Philosophie in Zeiten des Terrors (zusammen mit Jacques

Derrida). Zwei Gespräche, geführt, eingeleitet und kom-mentiert von Giovanna Borradori, Berlin.

a: Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze,Frankfurt/M.

b: Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion(zusammen mit Joseph Ratzinger), Freiburg u.a.

c: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einerliberalen Eugenik? Erweiterte Ausgabe, Frankfurt/M.

a: Ach, Europa. Kleine Politische Schriften XI, Frankfurt/M.b: Erkenntnis und Interesse. Neuausgabe. Mit einem Nach-

wort von Anke Thyen, Hamburg.c: Protestbewegung und Hochschulreform. Mit einer Nachbe-

merkung von Alexander Kluge und einer DVD des Doku-mentarfilms Ruhestörung, Frankfurt/M.

: Philosophische Texte, Frankfurt/M.

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– Bd. , Sprachtheoretische Grundlegung der Soziologie;– Bd. , Rationalitäts- und Sprachtheorie;– Bd. , Diskursethik;– Bd. , Politische Theorie;– Bd. , Kritik der Vernunft.

: Zur Verfassung Europas. Ein Essay, Berlin.: Nachmetaphysisches Denken II. Aufsätze und Repliken, Ber-

lin.: Im Sog der Technokratie. Kleine Politische Schriften XII, Ber-

lin.

Anmerkung

Die Hinweise auf Schriften von JürgenHabermas in den Anmerkun-gen des vorliegenden Bandes beziehen sich, wenn nicht anders angegeben,auf diese Übersicht. Sie weicht aus pragmatischen Gründen in einigen we-nigen minimalen Details, die sachlich nicht ins Gewicht fallen, von derGörtzen-Bibliographie ab.

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I.Einleitung

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Stefan Müller-Doohm und Dorothee Zucca

Kommunikatives Handeln als gesellschaftlicheEinheit: Thesen und Antithesen

. Originalton und Echo: Ein Problemaufriss

Jürgen Habermas hat sich seit / einem disziplinenübergreifen-den Wissenschaftsdiskurs überantwortet und als öffentlicher Intel-lektueller am gesellschaftlichen Geschehen teilgenommen. Er kanndabei über sechzig Bücher verzeichnen, die in über vierzig Sprachenübersetzt wurden.1 So konnten der Autor und seine Kritiker zuneh-mend in der Öffentlichkeit moderner Weltgesellschaft zu Begegnun-gen und einem mannigfachen Austausch finden.2 Die gesellschafts-theoretische Perspektive, die in der Theorie des kommunikativenHandelns ihren Kulminationspunkt findet, stößt durch ihre rascheVerbreitung auf die Pluralität von nationaler, internationaler, sichglobal vernetzender unterschiedlichster Perspektivität.3 Wie kannman Originalton,Widerhall und anhaltendes Echo aufnehmen? Manmüsste das Gesamtwerk des Protagonisten und seine Kontexte auf-arbeiten, also etwa siebzig Jahre Forschungsarbeit in Deutschland,das Denken der Kritiker und all ihre Einwände durchschauen, dieje ausgelösten Debatten aufspüren, den zahlreichen Repliken desAutors nachgehen – dies und vieles mehr verortet im jeweiligen his-torischen Kontext. Wie kann man sich zu diesen überwältigendenhermeneutischen Zusammenhängen begründet verhalten? Ange-sichts der zahlreichen Originalbeiträge, noch zahlreicheren Reso-nanzen und wiederum stets neu gegebener Antworten kann dies nurdurch einen systematischen Zugriff gelingen. Hierbei richtet sichnun die Aufmerksamkeit nicht auf das Schaffen des Protagonisten,wenngleich diese Kenntnis vorausgesetzt wird, sondern auf den lautgewordenen Widerhall, auf die kritischen Einwände, die vorge-bracht wurden, in denen sich also Eindrücke, Reaktionen wie auchintensive Auseinandersetzungen als Momente einer Rezeptions- undWirkungsgeschichte spiegeln – einer Geschichte jedoch, die erst nochgeschrieben werdenmuss.4 Hier soll das Spektrum des Sammelns er-weitert und zugleich der Blick für auffällige Bündelungen von Pro-blemlagen anhand der unterschiedlichen Beiträge geschärft werden –

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etwa die seinerzeit brennende Frage nach dem Subjekt der Geschich-te, dem in transzendentalen Erkenntnistheorien je neu formuliertenSubjekt/Objekt-Verhältnis, der triadisch angelegten Überwindungdieser Dualismen, später dann die Frage nach der Evolution sprach-licher Kompetenzen, dem Wahrheitsbegriff, den normativen Grund-lagen gesellschaftlichen Handelns, dem System/Lebenswelt-Verhält-nis, der Kolonialisierungsthese, dem Demokratiebegriff etc. Auf demWeg zu einer systematisch durchdrungenen Kritikgeschichte erweistsich also bereits die Bestandsaufnahme der Auseinandersetzungenals schwierig.

Eine notgedrungen selektive Betrachtung braucht Kriterien be-ziehungsweise Leitfäden für ihre Auswahl. Von besonderer Bedeu-tung ist hierbei der abduktiv zu gewinnende Ausgangspunkt für diehermeneutische Aneignung, will man sich nicht vorschnell einemSammelsurium verschiedener Phasen- oder Periodenkonzepte einermutmaßlichen Werkgenese ausliefern.

Das Problem der Auswahl stellt sich für die in zehn Kapiteln zu-sammengefassten Beiträge in diesem Band auf jeweils eigene Weise,sei es aufgrund der Einschränkung auf einen besonderen Zeitraum,ein bestimmtes nationales Diskussionsforum, eine ausgewählte Pro-blematik etc. Für das einleitende Kapitel aber stellt sich die Frage inbesonderer Weise. Einerseits ist es unerlässlich, die chronologischeEntwicklung derWerkgeschichte in Erinnerung zu rufen, denn gera-de deren Hintergrund gibt den Bezugspunkt für die jeweiligen Kri-tiken ab, und damit finden diese ihren genauen Ort im Tableau desDenkens von Habermas. Andererseits verdient die hier entwickelteChronologie alsChronologie kaum ihrenNamen, denn sie kann beidiesem umfangreichenWerk gerade nicht durchgängig in ihrer Voll-ständigkeit ausgeführt werden. Eine Auswahl schafft Lücken; diesewerden hier hinsichtlich ihres Problemhorizonts angedeutet odergrob umrissen oder zumindest insoweit ausgeleuchtet, als es nichtan Hinweisen darauf fehlt, wo bereits weiterführendes, detaillierterausgearbeitetes Wissen beziehungsweise weitere ergänzende Beiträ-ge zu finden sind. Das heißt, dass anhand eines kursorischen, aufproblemorientierte Schübe sich konzentrierenden Rückblicks ein in-haltlich-systematischer Bogen gespannt werden soll, um das Werkhinreichend erfassen zu können.

Das Grundanliegen des Autors ist die Suche nach einem Begriff ge-sellschaftlicher Einheit – eine Suche, deren entscheidendes Ergebnis