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TEXT DER FESTSCHRIFT MIT ANMERKUNGEN, QUELLEN- UND LITERATURHINWEISEN

T F A LITERATURHINWEISEN - IG Metall Ostoberfrankenigmetall-ostoberfranken.de/igm/uploads/Dokumente/125jahre.pdf · 5 Fricke, S. 656 f., Deppe, S. 54ff. 6 Das „Gesetz gegen die

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TEXT DER FESTSCHRIFT

MIT ANMERKUNGEN, QUELLEN- UND LITERATURHINWEISEN

Jakob Audorf: Zum Kongreß der deutschen Metallarbeiter in Frankfurt a.M.Deutsche Metallarbeiter-Zeitung Nr. 22, 30.Mai 1891

Die Anfänge

Die Vorgeschichte der Gewerkschaftsbewegung führt zur Revolution von 1848, in der sich – auch unter dem Einfluss sozialistischer Ideen aus Frankreich – erstmals Arbeiterorganisationen als eigen-ständige politische Kraft zu Wort meldeten. In der Folgezeit wurden diese zerschlagen (wie die „Arbeiterverbrüderung“) oder lösten sich selbst auf (wie der „Bund der Kommunisten“)1. Was blieb war die Idee einer Organisation der Lohnarbeiter und überzeugte Menschen, die sie weiter propa-gierten und organisierten. Erfolge zeigten sich auch im Wachstum von Hilfs- und Unterstützungs-kassen (deren Wirksamkeit auch davon abhängig war, ob sie über den Ort und die Branche hinaus Solidarität organisieren konnten), in denen sich Arbeiter aus dem Handwerk und der neu entstehen-den und wachsenden Industrie zusammenschlossen.

Bei allen Unterschieden in der politischen Zielsetzung war ein Gedanke gemeinsam: dass die Inter-essen der Lohnarbeiter von diesen selbst formuliert werden müssen und ihre Vertretung nur mit Organisationen gelingen kann, die sie selbst schaffen und kontrollieren. Die sollten möglichst alle Beschäftigten einer Branche organisieren und deren Interessen gegenüber dem „Brotherrn“ vertre-ten. Dies meint der Begriff der „freien“ Gewerkschaften2.

In den Leitsektoren der Industrie, wo in großen Fabriken viele, oft wenig qualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt waren, entstanden bald Industrieverbände, wie der Textilarbeiterverband (übrigens der erste, der auch Frauen organisierte). Anders im Metallbereich, wo Gewerkschaften zunächst berufs- oder branchenbezogen aufgebaut wurden, obwohl bereits 1874 erste Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen Industrieverbands einsetzten3. Gemeinsam wurden allerdings Unterstützungskas-

1 Zur Entstehung der ersten gewerkschaftlichen Organisationen s. Schneider (2000), S. 28ff. Gerade für diese Zeit ist eine Trennung zwischen politischer und gewerkschaftli-cher Arbeiterbewegung nicht möglich, daher finden sich viele Angaben dazu auch in Darstellungen zur Geschichte der Sozialdemokratie; zu den hier genannten organisato-rischen Entwicklungen vgl. Droz, S. 29-37. Im Aufbau der freien Gewerkschaften in Deutschland spiegeln sich die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Richtungen der Sozialdemokratie eine Rolle. Beide unterstützten die Organisation von Gewerkschaf-ten, diese schlossen sich bald zu gemeinsamen Organisationen zusammen (während sich die Parteien erst 1875 zusammenschlossen).

2 Neben den freien Gewerkschaften entstanden die Christlichen Gewerkschaften, die sich an der Katholischen Kirche bzw. politisch an der Zentrumspartei orientierten und die von den Liberalen organisierten Hirsch-Dunkerschen Gewerkvereine. Auf deren Entwicklung wird hier nicht weiter eingegangen (näheres dazu bei Schneider (2000), S. 83 ff.

3 Zur Vorgeschichte der Metallarbeiter vgl. IGM, Zeittafel auf S. 239ff. und Fricke, S. 628-643. Im August 1869 wurde in Nürnberg die „Internationale Gewerksgenossenschaft der

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sen organisiert. Deren Organ, die „Deutsche Metallarbeiter-Zeitung“ (DMZ)4, wurde so auch zum gemeinsamen Presseorgan der Metaller und stand im Zentrum der Bestrebungen für einen Zentral-verband. 1884 erfolgte mit dem Erstarken der Organisationen ein neuer Anlauf dazu, diesmal erfolgreich5. Aber bereits im Jahr darauf erfolgte das Verbot, wie es unter dem „Sozialistengesetz“6 Organisationen der Arbeiter immer drohte. Die DMZ erschien in Nürnberg, es ist daher nicht ver-wunderlich, dass sich auch in Oberfranken schon frühzeitig Metaller organisierten.

Am 15. November 1885 teilte der Schlosser Georg Weiß aus Kemnath dem Stadtmagistrat von Bayreuth mit, dass die „Unterfertigten" am Dienstag, den 17. November abends acht Uhr eine "Versammlung behufs Besprechung zur Gründung eines Fachvereins der Metallarbeiter und verwandter Berufsgenossen" abhalten wollen, „und zwar im 'Deutschen Hause' dahier". Mit einer Anzeige im Bayreuther Tagblatt vom Vorabend sei die Versammlung allgemein bekanntgegeben und nun wolle man dieses „einem wohllöblichen Stadtmagistrath zur gefälligen Kenntnis bringen"7.

Der Magistrat sandte den Polizeioffizianten Krieger zur Beobachtung der Versammlung8. Aus seinem Bericht erfahren wir, dass die Versammlung ruhig verlaufen sei und politische Fragen ausge-schlossen waren. Anhänger der Sozialdemokratie konnte der Berichterstatter nur einen ausmachen. Die 30 bis 35 Anwesenden wählten per Akklamation den Schlosser Georg Weiß zum Vorsitzenden, der in der Schlosserei Hensel in Bayreuth beschäftigt war, in der es in der Folgezeit mehrmals zu Streiks kam. Der Gasarbeiter Georg Georgius wurde Kassier und der Eisendreher Heinrich PreußnerSchriftführer des Fachvereins. Ähnlich können wir uns die Gründung in Hof vorstellen, wo im Spätsommer 1886 im Gasthaus „Lokomotive“ Schmiede und Schlosser einen Fachverein der Metallarbeiter gründeten9. Auch in Pegnitz schlossen sich mit der Ansiedlung der Firma AMAG-Hilpert 1891 die ersten Beschäftigten dem Metallarbeiter-Verband an10 – und die Beschäftigten der

Metallarbeiter“ gegründet. Sie schloss sich bereits im November mit der im September 1868 auf dem (vom Lasalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein organisierten) Arbeiterkongress in Berlin gegründeten „Allgemeinen deutschen vereinigten Metallar-beiterschaft“ zusammen und führte dann den Namen „Internationale Metallarbeiter-schaft“. „International“ bedeutete dabei, dass sich die Organisationen der Arbeiterinter-nationale verbunden fühlten. Auch bei den Holzarbeitern schlossen sich der „Gewerkver-ein deutschen Holzarbeiter“ und die „Internationale Gewerksgenossenschaft der Holzar-beiter 1869 zusammen. Die Textilarbeiter gründeten im Mai 1869 die „Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik und Handarbeiter beiderlei Geschlechts“mit Sitz in Crimmitschau .

4 Die DMZ erschien ab 1883 als Zeitung der Unterstützungsvereine der Metallarbeiter, ab 1885 erschien sie wöchentlich.

5 Fricke, S. 656 f., Deppe, S. 54ff.6 Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ verbot

politische Betätigung im sozialdemokratischen Sinne. Darunter fielen alle eigenständi-gen politischen Organisationen der Arbeiter, also nicht nur ausdrücklich sozialdemokra-tische Organisationen. Örtliche politische Vereine konnten durchaus bestehen und arbeiten, verboten war aber das „In-Verbindung-Treten“ miteinander. Nach dem Sozia-listengesetz wurde 17 gewerkschaftliche Zentralverbände, 63 Lokalvereine sowie 16 Unterstützungsvereine verboten (Fricke, S.653).

7 Stadtarchiv Bayreuth – Akte 15912; Leibinger-Hasibether (1991), S. 2

8 Stadtarchiv Bayreuth – Akte 15912, Nr. 9165; vgl. auch Leibinger-Hasibether (1991), S. 2

9 Leibinger-Hasibether (1991), S. 310 Vgl. Nürnberger Nachrichten (2016)

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heutigen KSB sind seitdem ein Rückhalt der IG Metall in Ostoberfranken11.

Nach dem Fall des Sozialistengesetzes konnte 1891 mit dem Deutschen Metallarbeiter-Verband einezentrale Organisation geschaffen werden – aus der sich die heutige IG Metall entwickelte. Diese Gründung war kein einmaliger Akt, sondern ein längerer Prozess – einige Berufsverbände schlossensich erst später an, aber auch örtlichen Fachvereine bestanden zunächst weiter. So schloss sich die Bayreuther Gruppe erst 1895 dem Verband an12.

Die Gründung erfolgte im Zusammenhang der Neuorganisation der Gewerkschaftsbewegung. Auch aus den Erfahrungen des Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1890 (in dem zwei Gewerkschaften auf-gerieben wurden) wurde die Konsequenz gezogen, dass ein stärkerer Zusammenschluss der gesam-ten Gewerkschaftsbewegung nötig sei. Auf Initiative von Metall-Gewerkschaften trafen sich daher Ende 1890 Delegierte aller Gewerkschaften (es gab damals ca. 60 Verbände mit insgesamt etwa 300000 Mitgliedern, die 286 Filialen der Metallarbeiter hatten etwa 33 000 Mitglieder)13 und beschlos-sen die Einrichtung der „Generalkommission der freien Gewerkschaften“, zur Vorbereitung eines solchen Bundes, der dann 1919 mit dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB)14 entstand.

Zentralverbände sollten nicht nur die Gewerkschaften gegenüber den Unternehmern stärken, sondern auch die Verwaltungsarbeit der wachsenden Gewerkschaften erleichtern. Erschwert wurde dies freilich durch unterschiedliche Regelungen und Leistungen der einzelnen Verbände. Zudem erfolgte die Arbeit fast ausschließlich ehrenamtlich, nur langsam gelang die Einrichtung örtlicher Gewerkschaftsbüros, „Arbeitersekretariate“ genannt15. Ab 1909 waren Arbeitersekretäre auch als Vertreter vor Gericht zugelassen16.

Ein Blick in die DMZ zeigt, was damals Aufgaben der Gewerkschaften waren. Die ab 1883 erschei-nende Zeitung behandelte nicht nur von die Verbandsarbeit und gewerkschaftliche Fragen, er erschienen auch Berichte und Kommentaren zu politischen und wirtschaftlichen Themen und Arti-

11 So wird auch vor dem Metallarbeiterstreik 1954 Pegnitz neben als einer von fünf streik-fähigen Orten in Bayern angeführt (Sitzung des IG Metall-Vorstands mit den Bezirkslei-tern, Kalbitz, S. 559)

12 Leibinger-Hasibether (1990), S.15. Die Bedingungen des Sozialistengesetzes führten dazu, dass eine Reihe von Verbänden – auch die Verbände der Metallarbeiter – nach dem Vertrauensleute-Prinzip organisiert waren. D.h. die Organisation bestand aus örtli-chen Vereinen, die untereinander keine formelle Verbindung hatten (und damit in ihrer politischen Arbeit nicht vom Gesetz betroffen waren), die zentralen Treffen wurden von Vertrauensleuten der örtlichen Gruppen beschickt, beschäftigten sich aber nur mit „berufsfachlichen“ Fragen, klammerten also politische Debatten aus (vgl. Zwing, S. 60f.).

13 Fricke, S. 669; dort findet sich (S. 705) auch eine Auflistung der einzelnen Verbände14 Gewerkschaftskongress 1919 in Nürnberg15 Zwing, S.99. Die hauptamtliche Struktur wurde von den Ortsausschüssen der freien

Gewerkschaften getragen, diese richteten auch die Arbeitersekretariate ein und stellten später die Hauptamtlichen an. Daneben (oder wo dies am Ort möglich war: darin) bestanden die Zahlstellen der Gewerkschaften, zuständig für Beitragskassierung und fürdie Auszahlung von Unterstützungen. Insbesondere für die Auszahlung der Reiseunter-stützung waren dafür Vereinslokale notwendig, mit denen oft auch Vereinbarungen überdie Beherbergung reisender Gewerkschaftsmitglieder bestanden.

16 Die Beratungstätigkeit und der Rechtsschutz standen damals auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung, wie die Statistiken des ADGB ausweisen; vgl. Zwing, S. 102

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kel zu berufsfachlichen Fragen für Metaller, Arbeits- und Unfallschutz sowie zu allgemeinbildendenThemen. Als gewerkschaftliche Aufgabe wurde also auch die berufliche Qualifikation und die Bildung der Arbeiterschaft gesehen.17

Der rasche Mitgliederzuwachs schon vor dem Entstehen zentraler Organisationen ist nicht vorstell-bar als Erfolg allein von Organisationsarbeit, er zeigt vielmehr, dass der Grundgedanke von zuneh-mend vielen Arbeitern verstanden worden war und sie sich organisierten. Dabei konnten sie zurück-greifen auf die vorhandenen Organisationen: Unterstützungskassen, Arbeiterzeitungen, politische Organisationen der Arbeiterbewegung. Hauptamtliche gab es nicht, abgesehen von Redakteuren der Arbeiterzeitungen. Das erste „Arbeitersekretariat“ wurde 1894 vom Ortsausschuss Nürnberg einge-richtet und mit dem Metaller Martin Segitz besetzt, der wiederholt auch in Bayreuth auftrat18.

17 Ob in der gewerkschaftlichen Programmatik die „materiellen“ oder die „ideellen“ Inter-essen der Arbeiter an erster Stelle genannt wurden, war oft von der allgemeinpoliti-schen Situation abhängig. Die Bildungs- und Schulungsarbeit war aber keineswegs nur eine taktische oder ideologische Frage, der schulische Bildungsgrad war nur gering, eineberufliche Ausbildung hatte nur ein Teil der Beschäftigten und berufliche Weiterbildung gab es allenfalls in Ansätzen.

18 Zwing, S. 102; Leibinger-Hasibether (1991), S.7

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Im Kaiserreich

Im Oberfranken lagen die wirtschaftlichen Schwerpunkte außerhalb des Metallbereichs19: Es domi-nierte zumindest im östlichen Teil die Textilindustrie. Auch war die Wirtschaftsstruktur damals mit der heutigen nicht vergleichbar: die Konsumgüterindustrien hatten ein größeres Gewicht, ebenso Bauindustrie und -handwerk. Der Maschinenbau befand sich erst im Entstehen und hatte es in unse-rer Region schwer, denn große Anstöße zur Entwicklung kamen weder aus der Landwirtschaft (die überwiegend kleinbäuerlich und mit geringem Maschineneinsatz betrieben wurde) noch aus der dominierenden Textilbranche (die noch stark auf Hauswebern und Heimarbeiterinnen ruhte). Erst die Einführung der Elektrizität schuf die Voraussetzung für einen breiten industriellen Einsatz von Maschinen20.

Der Schwerpunkt gewerkschaftlicher Organisation lag damit in der Textilindustrie und in den Bau-branchen. Mit der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (entstanden aus der 1891 gegründeten Textilar-beitergewerkschaft, seit 1910: Deutscher Textilarbeiter-Verband)21 und der Gewerkschaft Holz und Kunststoff (entstanden aus dem Holzarbeiter-Verband, zu dem sich 1893 vier Verbände zusam-menschlossen)22 haben sich zwei traditionsreiche Gewerkschaften inzwischen der IG Metall ange-schlossen. Diese drei Gewerkschaften waren auch seit den 1920er Jahren die größten Verbände im ADGB, sie repräsentierten die Beschäftigten der Branchen, die als Gewinner aus dem Industrialisie-rungsprozess hervorgingen.

Seit Mitte der 1880er Jahre – also der Zeit, in der auch in unserer Region Gruppen der Metallarbei-tergewerkschaft entstanden – nahmen die Mitgliederzahl wie auch die Streikaktivitäten zu. Die materiellen Erfolge der Arbeitskämpfe blieben eher bescheiden, zu einem großen Teil handelte es sich um Abwehrstreiks gegen Lohnsenkungen, Arbeitszeitverlängerung oder willkürliche Entlassun-gen.23 Herausragendes Beispiel dafür ist die Auseinandersetzungen im sächsischen Crimmitschau 1903/04, wo die Unternehmer auf einen der Streik der Textilarbeiter mit Aussperrung und Entlas-sungen reagierten, Verhandlungen verweigerten und das Militär zur Hilfe riefen. Dies alles war keine Ausnahme, schließlich bestand kein Streikrecht und auf welcher Seite die Staatsgewalt stand, war keine Frage. Was deutschlandweit Aufsehen erregte, war die Standhaftigkeit der Crimmitschau-er, die eine breite Welle der Solidarität hervorrief.

In Bayreuth sorgt vor allem die Eisengießerei Hensel für negative Schlagzeilen. Allein 1903 kommtes zu zwei Arbeitsniederlegungen, im März, als die Akkordsätze gesenkt wurden, um „konkurrenz-fähig zu bleiben", wie es in der Begründung hieß und im Herbst, als der Metallarbeiter-Verband zum Streik aufruft, nachdem fünf Former entlassen wurden, und die Kollegen dies als Maßregelung

19 Vgl. dazu Trübsbach, S.611 ff. Wie Trübsbach erklärt, ist die Wirtschaftsgeschichte Oberfrankens weitgehend unerforscht, so dass hier nur einige grundlegende Tendenzen angesprochen werden können.

20 Auch wenn die Industrialisierung immer mit der Dampfmaschine verbunden ist, waren deren Anwendungsmöglichkeiten doch beschränkt, da sie erst bei relativ großen Produktionsanlagen rentabel einsetzbar war und auf die Möglichkeit von Kohlezulieferung angewiesen war. Ihre Anwendung in unserer Region war damit abhän-gig von einer Bahnanbindung (über die auch die nötigen Rohstoffmengen z.B. für Spinnereien angeliefert werden konnten).

21 Fricke, S. 707; zur Entwicklung in Ostoberfranken vgl. für Münchberg Wurzbacher, S. 171 ff. und für Hof Macht (I-IV)

22 s. Anm. 223 Zur Streikbewegung in dieser Zeit: Deppe, S.51ff.

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bewerteten. Zugleich erhoben sie die Forderung nach einer Arbeitszeitregelung und nach Anhebung ihrer Akkordsätze. Organisatorische Unterstützung kam aus Nürnberg, so auch beim Streik 1910 füreine 15prozentige Lohnerhöhung.24 Der Lohn wurde übrigens erhöht!

Solidarität zeigte sich auch materiell – Sammlungen zur Unterstützung von Streikenden gab es regelmäßig, denn die Streikkassen waren nicht besonders groß und die Unternehmertaktik lief klar darauf hinaus, die Gewerkschaften auszubluten und damit zu zerschlagen, was in einigen Fällen auch gelang. Neben der Unterstützung in Arbeitskämpfen blieben die Unterstützungskassen eine wichtige Aufgabe. Auch wenn sie durch Sozialversicherungen teilweise überflüssig geworden waren (was auch ein Ziel bei deren Einführung war), fehlte weiterhin eine Absicherung bei Arbeits-losigkeit und die Unterstützung in Notlagen blieb für Gewerkschafter und ihre Familien weiter wichtig. Diese erreichte während des 1. Weltkriegs einen Umfang, der den Vorwurf aufkommen ließ, mit Gewerkschaftsgeldern würde die Kriegspolitik des Reiches unterstützt.25

24 Leibinger-Hasibether (1991), S.925 Deppe, S. 102f.

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Weltkrieg

Der Kriegsbeginn war eine Niederlage der Arbeiterbewegung, die bei vielen internationalen Konfe-renzen ihre Gegnerschaft zu imperialistischen Macht- und Eroberungskriegen zum Ausdruck gebracht hatte. Der Wille einen Krieg zu verhindern war freilich in keinem europäischen Land stark genug, sich gegen die Kriegsbegeisterung der herrschenden Kreise und die nationalistisch aufge-heizte öffentliche Meinung durchzusetzen. Im Gegenteil: Die Gewerkschaften akzeptierten die „Burgfriedenspolitik“ der Staatsführung und arbeiteten auch in den Einrichtungen der Kriegswirt-schaft mit. Dabei war ihnen freilich bewusst, dass bei einer Verweigerung und erst recht bei offener Gegnerschaft ein Verbot drohte – die Zeit des Sozialistengesetzes war noch in Erinnerung und die Einstellung der herrschenden Kreise hatte sich seither keineswegs geändert. Auch bestand die Chance, als Interessenvertretung der Arbeiter anerkannt zu werden. Dies schien nach dem Krieg mitder Gründung der „Zentralen Arbeitsgemeinschaft“ (ZAG)26 erreicht, in der zwischen Gewerkschaf-ten und Unternehmerverbänden zentrale Fragen verhandelt werden sollten.

Die allgemeine Kriegsbegeisterung – soweit sie überhaupt bestand – dauerte in der Arbeiterschaft nicht lange an. Die grundsätzliche Gegnerschaft zum Krieg stellte sich wieder ein, denn es wurde bald klar, dass es nicht um Verteidigung ging, sondern um Eroberungen und die Vorherrschaft in Europa. Bereits 1915 fand ein (für Kriegszeiten eigentlich nicht vorgesehener) Metallarbeiter-Gewerkschaftstag statt, ebenso 1917, wo dies zum Ausdruck kam. Eine Alternative zur Politik des „Burgfriedens“ konnten freilich auch die Kritiker nicht formulieren. Klar kritisiert wurde aber, dass die Kriegslasten einseitig von den Beschäftigten und ihren Familien getragen werden mussten.Positiv wirkte sich der Krieg allenfalls auf die Branchen aus, die Rüstungs- und Versorgungsaufträ-ge des Militärs erhielten. Schwerwiegender war der Verlust von Arbeitskräften an die Armee – vieleBetriebe mussten die Produktion einschränken, ein erheblicher Teil der kleineren Betriebe stellte dieArbeit ganz ein. Das betraf in unterschiedlichem Maße alle Branchen, auch Metall und Maschinen-bau.

Für Oberfranken ergab eine Zählung 191727:

tätige Betriebe ruhende BetriebeSteine/Erden 303 103Eisen/Metall 1174 302Maschinen etc. 546 125Spinnstoffindustrie 2197 510Holz- u.Schnitzstoffe 3198 430Bekleidung 3724 621Baugewerbe 1164 488

Durch die zunehmenden staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft wurden die „kriegsnotwendigen“ Branchen weiter bevorzugt, was den vorher bereits ausgeprägten Konzentrationsprozess weiter vorantrieb. Für Oberfranken stellte sich das so dar28:

26 Die ZAG wurde im November 1918 vereinbart (mit den „Stinnes-Legien-Abkommen“ - s. dazu: Klönne, 128 ff.) und schien die Chance zu bieten, mit den Unternehmer-verbänden zu einvernehmlichen Regelungen zu kommen. Mit der Festigung der alten wirtschaftlichen Machtverhältnisse schwand das Interesse der Unternehmer an solchen Regelungen, was schließlich 1924 zum Ende der ZAG führte.

27 Trübsbach, S. 631 28 ebenda

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Großbetriebe (Anzahl/Beschäftigte)

Mittelbetriebe Kleinbetriebe

1907 286 / 46826 1654 / 23733 27996 / 497871917 214 / 34884 953 / 15036 15310 / 24960

Die Verschlechterung der Versorgungslage war Folge dieser Entwicklung und führte zunehmend zu Protesten und auch zu Streiks, die auch mit politischen Forderungen verbunden waren: nach einem Friedensschluss ohne Annektionen und nach Demokratisierung im Deutschen Reich. Mit der Novemberrevolution 1918 wurden diese durchgesetzt, allerdings mit Friedensbedingungen zulasten Deutschlands. Unterschreiben durften den Friedensvertrag (der sich kaum von einem Diktat unter-schied) die Kriegsgegner, die alten Machthaber, die den Krieg bis zur Niederlage weiter getrieben hatten, fühlten sich weiter „unbesiegt“29.

29 Die neue Regierung war daran freilich nicht unschuldig: so begrüßte Reichskanzler Friedrich Ebert die heimkehrenden Truppen mit den Worten „im Felde unbesiegt“, was der von reaktionären Kreisen gepflegten „Dolchstoßlegende“ Auftrieb gab, nach der die „Heimat“ - in diesem Fall die Arbeiterbewegung - der kämpfenden Truppe „in den Rücken gefallen sei“ und den kriegerischen Sieg verhindert habe.

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Revolution und Weimarer Republik

Mit der Novemberrevolution übernahmen - auch in den Städten Oberfrankens – die spontan gebil-deten Arbeiter- und Soldatenräte die politische Gewalt. Die Räte wurden meist, auch in Bayreuth und Hof, in eindrucksvollen Massenversammlungen gewählt, waren aber in der Folgezeit kaum mehr als ein ziemlich machtloses politisches Kontrollorgan für die alten Verwaltungen und Gremien, die ihre Arbeit fortführten.

Bereits 1919 zeigte sich, dass die Räte in ihrer Mehrheit nicht selbst die Rolle der Volksvertretung wahrnehmen wollten, sondern die Schaffung einer parlamentarischen Demokratie anstrebten, aller-dings mit Demokratisierung der Wirtschaft. Darunter verstand man damals die Sozialisierung (insbesondere von Bergbau und Schwerindustrie); entsprechende Beratungen blieben ebenso wie die Tätigkeit der eingesetzten „Sozialisierungskommission“ folgenlos. Ein Schritt zu mehr Demo-kratie erfolgte in einem Bereich, an den vorher niemand dachte: nach ihrer (Selbst-)Entmachtung als politische Gremien blieben die Räte als betriebliche Vertretung erhalten. Das Betriebsrätegesetz von 1920 sprach ihnen aber noch nicht einmal innerbetrieblich ein volles Mitspracherecht zu, da der unzureichende Gesetzentwurf im Parlament noch weiter verwässert wurde. Proteste dagegen (sobei Verabschiedung vor dem Reichstag, mit 70 Toten nach dem Eingreifen der Schutzpolizei) blieben erfolglos. Allerdings war damit ein neues Feld gewerkschaftlicher Aktivitäten eröffnet, das künftig wachsende Bedeutung erhalten sollte.

Doch brachte die Revolution – neben dem Kriegsende – auch tatsächliche Verbesserungen, alte gewerkschaftliche Forderungen wurden Wirklichkeit: das allgemeine und gleiche Wahlrecht (auch für Frauen), die Anerkennung von Gewerkschaften und Tarifverträgen und der 8-Stunden-Tag. Die Gewerkschaften, die durch Einberufungen zum Kriegsdienst einen Einbruch der Mitgliederzahlen hinnehmen mussten (so gab es bei Kriegsende in Bayreuth nur noch 44 Metaller30), verzeichneten einen raschen und starken Mitgliederzuwachs, auch an kleineren Orten schlossen sich die Metallar-beiter zusammen, so gehörten zur Zahlstelle Bayreuth die Verwaltungsstellen Berneck, Gefrees, Marktschorgast und Burgkunstadt, Pegnitz war eine eigene Zahlstelle31. Auch die Arbeitersekreta-riate wurden ausgebaut, mit dem Rechtsschutz wuchsen ihnen neue Aufgaben zu und in Hof und Bayreuth begannen Bestrebungen zur Errichtung von Gewerkschaftshäusern32.

Die Errungenschaften vom November 1918 waren freilich mehr der politischen Schwäche der herr-schenden Klasse geschuldet, als der Einsicht der Unternehmer. Schon bald setzte sich die alte Politik wieder durch: Arbeitszeitverlängerung und Lohnkürzung wurden zum Ziel der Unternehmerverbände. Und auf politischer Ebene wurde die Wiederherstellung der alten Machtver-hältnisse schrittweise umgesetzt – gegen die zerstrittenen Arbeiterparteien33 (deren Zerstrittenheit

30 Leibinger-Hasibether (1991), S. 1031 Leibinger-Hasibether (1990), S. 15; Gespräch mit Georg Sticht.32 Leibinger-Hasibether (1990), S.26-29; zum Bau der Hofer Gewerkschaftshauses s.

Macht III/2, S. 229f.33 Auf die politischen Auseinandersetzungen in den Arbeiterparteien kann und soll in

diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden, auch wenn die Gewerkschaften ins-besondere von den Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunis-ten betroffen waren. Diese spitzten sich zu, als die Kommunisten eigene Strukturen innerhalb der Gewerkschaften schufen, was von Gewerkschaften nicht akzeptiert wurde,so dass die „Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition“ sich schließlich als eigene Ge-werkschaft (RGO) organisierte. Ebenso wie die vorausgegangenen internen Auseinan-dersetzungen führte dies zur Schwächung der Gewerkschaften, die sich auch in der Zu-nahme anderer Gewerkschaften zeigten; so gründete die christliche Textilarbeiterge-

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freilich auch Ergebnis der unklaren Machtverhältnisse war).

Akut wurde dies mit dem Kapp-Putsch 1920, der durch einen Generalstreik niedergeschlagen wurde– allerdings in manchen Regionen auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte mit den Putschisten oder mit Reichswehr-Truppen, die sich zwar geweigert hatten, gegen die putschenden Freikorps-Truppen vorzugehen, aber gegen deren Gegner jetzt die „Ruhe und Ordnung“ wieder her-stellen sollten. Dabei geriet auch die Hofer Region, als die Hochburg der USPD34 in Bayern, ins Visier der „Ordnungskräfte“. Die Arbeiterschaft hier war wie in allen größeren Orten dem Aufruf der Gewerkschaften zum Generalstreik gefolgt, zeigte sich aber entschlossen, diesen Streik fortzu-setzen bis die Ziele, die auch ein Vorgehen gegen die republikfeindlichen Kräfte verlangten, erreichtwaren.35 Mit der Verlegung von Reichswehrtruppen machte die Staatsgewalt klar, dass es ihr vor allem um die Niederschlagung der „Linken“ ging.

Dies wiederholte sich 1923 nach dem gescheiterten Hitler-Putsch. Wenige Tage nach dem Verbot der Nazi-Partei und der übrigen beteiligten „vaterländischen“ Verbände konnten diese ungestört in Hof aufmarschieren und Kundgebungen abhalten – ohne dass die Polizei einschritt. Diese ging allerdings gegen protestierende Arbeiter vor.36 Das zeigte, wie die Stimmung im bürgerlichen Lager in der Region deutlich nach rechts gekippt war. Die alten Liberalen und Konservativen konnten sichgegen die „völkischen“ Richtungen – mit ihrem neuen Star Adolf Hitler – nicht behaupten.

Hier ist ein Wort zum Verständnis der politischen Verhältnisse angebracht: Der Aufschwung der Gewerkschaften seit den 1890er Jahren bedeutete auch ein klare Ausrichtung auf die freien Gewerk-schaften, demgegenüber wurden die christlichen und liberalen Gewerkschaften – obwohl auch sie Mitgliederzuwächse verzeichneten – an den Rand gedrängt. Allerdings gab es eine Vielzahl von Arbeitnehmerorganisationen, auch rechts-nationalistisch ausgerichtete, die in den 20er Jahren auch in Hof Fuß fassten.37 Diese zeigen das Bemühen, Arbeitnehmer von den Gewerkschaften „abzuwer-ben“. Das war mehr als eine parteipolitische Auseinandersetzung (wie etwa bei der Gründung des Christlichen Gewerkschaftsbundes in den 50er Jahren nach Streit um die Politik der Bundesregie-rung). Die deutschnationalen und konservativen Kräfte waren durchaus noch in einer ständischen (monarchistischen) Vorstellungswelt – und ihre Gegnerschaft zur Arbeiterbewegung war nicht parteipolitisch motiviert, sie empfanden schon die Tatsache eigenständiger Arbeiterorganisationen und deren Forderung nach politischer Mitsprache als Zumutung, wenn nicht als Bedrohung der Gesellschaft. Im Lied der Brigade Ehrhardt (eines der Putschisten-Freikorps) wurde der Gegner klarbenannt: das „Arbeiterschwein“. Trotzdem oder gerade deswegen konnten die rechten Putschisten

werkschaft ein Büro in Hof (Macht, III/2, S. 224). 34 Der wachsende Widerstand in der SPD-Reichstagsfraktion gegen die Bewilligung der

Kredite zur Kriegsführung (und damit die Unterstützung der Kriegspolitik des Reiches) führte dazu, dass die oppositionellen Abgeordneten (die sich nach dem Ausschluss auf der Reichstagsfraktion in der „Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft organisiert hatten) und Parteigliederungen zunehmend aus den Entscheidungsprozessen der Partei- und Fraktionsführung ausgeschlossen wurden. Anfang 1917 konstituierten sich diese als eigene Partei. Die „Unabhängige SPD“ entstand damit – außerhalb der Großstädte – vorwiegend als Organisation der betreffenden regionalen Parteigliederungen nicht durchAus- und Übertritte einzelner Mitglieder (s. Kachel). So erklärte die SPD im Wahlkreis Hof im Herbst 1917 geschlossen ihren Übertritt zu den „Unabhängigen“, was auch von den örtlichen Parteigliederungen nachvollzogen wurde (Rabenstein, S. 26).

35 Macht, III/1, S. 156 f.; zu den Hofer Aktionen gegen den Kapp-Putsch s. ebenda, S. 146 ff.

36 Ebenda, III/1, S. 30837 Ebenda, III/2, S. 62 ff.

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wie auch die bald entstehende Nazi-Partei auf Wohlwollen aus diesen Kreisen hoffen.

Die Gewerkschaften blieben zwar stark, konnten auch politische Erfolge wie die Schaffung der Arbeitslosenversicherung (1927) verzeichnen, gerieten aber zunehmend in die Defensive. Die wirt-schaftliche Lage in der Weimarer Republik war nämlich – anders als die Rede von den „Goldenen 20er Jahren“ vermuten lässt – keineswegs eine Erfolgsgeschichte. Nach der Zeit der Hyperinflation trat zwar ein Aufschwung ein, der aber mit der Krise 1930/31 in eine Depressionsphase mündete, gekennzeichnet von Stagnation und Deflation. Die in der Region dominierende Verbrauchsgüterin-dustrie, die sich wirtschaftspolitisch meist nur schwer gegen die Interessen der traditionell bestim-menden Schwerindustrie durchsetzen konnte, musste mit deutlichen Umsatzrückgängen kämpfen.

Die Lage spitze sich zu, als die Politik auf einen Sparkurs einschwenkte, der die wirtschaftliche Entwicklung anhaltend verschlechterte. Wachsende Arbeitslosigkeit, verschärft durch soziale Not-lagen aufgrund sinkender Sozialleistungen und Kürzungen bei den Staatsausgaben sowie Stagnationin der Produktion durch anhaltende Deflation sorgten dafür, dass Alltagsprobleme kaum noch zu bewältigen waren und Perspektiven nicht mehr zu erkennen waren. In Hof waren über 40 Prozent der Bevölkerung Unterstützungsempfänger – und Löhne wie Unterstützung reichten kaum zum Lebensnotwendigen38.

38 Die Zeit der Stagnation und Deflation ab 1930 brachte neben steigender Arbeitslosig-keit auch ständige Versuche der Arbeitgeber zur Kürzung der Löhne, die in Tarifausein-andersetzungen zwar oft begrenzt, aber nicht verhindert werden konnten. Zugleich wurden gewerkschaftliche Forderungen nach Begrenzung der wachsenden Zahl der Überstunden und nach Arbeitszeitverkürzung von den Arbeitgebern wie von politischer Seite zurückgewiesen.

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Zur Lebenslage der Arbeiter

Die schlechte Lage der Arbeiter im Industrialisierungsprozess ist sprichwörtlich, schon der Begriff ist assoziiert mit Elend und Ausbeutung. In Oberfranken, wo sich Berufe wie Weber, Korbmacher und Heimarbeiterinnen konzentrierten, war die Lage nochmals verschärft und gegenüber dem vorin-dustriellen Stand deutlich verschlechtert (ein Bayreuther Taglöhner konnte sich im 15. Jahrhundert „9 Pfund Rindfleisch, jetzt (1887) etwas über 2 Pfund von seinem Tagelohn kaufen“)39. Ein Bericht des bayerischen Fabrikinspektors schildert1881 die Lage so: „Eine Speisekarte aus dem Frankenwalde bietet Morgens Cichorienbrühe und Kartoffel, Mittags Kartoffelklöße mit saurerBrühe aus Mehl, Essig und Wasser oder mit Sauerkraut. Abends Cichorienbrühe (häufig ohne Milch) und Kartoffel. Der Kartoffelkonsum des Tages kommt bis auf 1500 Gramm. Dazu wird viel Schnaps getrunken.“40 Freilich gab es im Laufe der Industrialisierung deutliche Verbesserungen – und die Fabrikarbeiter hatten ein besseres Einkommen als Heimarbeiter oder Hausweber. Allerdingsstiegen der Reallöhne langsam, konnten auch mit Streiks nicht immer gesichert werden und waren vor allem von der Preisentwicklung für Lebensmittel abhängig (und damit von Einflüssen durch die Schutzzollpolitik des Deutschen Reiches). Zunehmend wurden auch steigende Mieten v.a. in den Städten ein Problem. Zahlte man in Hof 1884 für ein Zimmer etwa 48 Mark im Jahr, kostete dies 1913 bereits 85 Mark. Die Preise für eine Wohnung (2 Zi.,Kü.) stiegen im gleichen Zeitraum von 108 auf ca. 260 Mark.41

1913 lag der Jahresverdienst eines Spinners in Hof bei ca. 770 Mark, wovon etwa 250 Mark für Miete gebraucht wurden (2 Zi.,Kü.). Für Hauptnahrungsmittel einer 6-köpfigen Familie: wöchent-lich 2 Pfd. Fleisch macht jährlich ca. 150-160 Mark, täglich 4 Pfd. Brot macht jährlich ca. 250 Mark. Damit wäre das Jahreseinkommen fast aufgebraucht. Wie dies real aussah, berichtet der „Vorwärts“ 1911: „Morgens gibt es Kaffe(-Brühe) mit trockenem Brot. Mittags gibt es … 4-5 mal in der Woche bayerische Knödel. Dazu gibt es mindestens 3x in der Woche Fleisch… weil sich die Mahlzeit am billigsten herstellen läßt. Das Fleischquantum, ... ¼ Pfund, … wird in einer langen Brühe gekocht und muß für die ganze Familie reichen.“42 Nun sollte man nicht denken, in Hof wäre es besonders schlecht gewesen. 1907 beschwerten sich die Bayreuther Textilarbeiter, dass ihre Löhne „sogar noch im Vergleich zu Hof“ zurücklägen.43

39 Schoenlank, S. 40. Zitiert wird hier nach der 1883 erschienenen deutschen Geschichte von J. Janssen. Die Beschäftigung mit der Entwicklung der Lebens- und Einkommensbe-dingungen war zur damaligen Zeit kaum ein Gegenstand der Geschichtsschreibung. Mittlerweile zeigen Vergleichsdaten, dass sich Ernährungsbedingungen über Jahrhun-derte natürlich stark verändern, so ist insbesondere der Vergleich des Fleischverbrauchsproblematisch, erreichte dieser doch im Spätmittelalter in Europa ein ungewöhnlich hohes Niveau (näher dazu bei Montanari, S. 91f.). Das Zitat zeigt jedoch, dass die zeit-genössische Vorstellung von einer langfristigen Verschlechterung der Lebenslage der arbeitenden Bevölkerung ausging. Dies was sicher auch Ergebnis des Umstands war, dass die Reallöhne fast über das ganze 19. Jahrhundert stagnierten – auf einem Niveau,das nicht existenzsichernd war. Die Lebens- und Konsumbedingungen Ende des 19. undAnfang des 20. Jahrhunderts betrachtet Fielhauer (in: Ruppert), der auch auf die Rolle der Selbstversorgung in ländlichen Gebieten eingeht.

40 Zitiert bei Schoenlank, S. 40; Zichorie: eigentlich Gewürz für Kaffee bzw. Kaffee-Ersatz, steht aber auch für Malzkaffee.

41 Trübsbach, S. 62742 Trübsbach zitiert hier (a.a.O.) aus einem „Vorwärts“-Artikel aus dem Jahr 1911.43 Leibinger-Hasibether (1990), S. 17

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Dass es im Krieg zu weiteren Verschlechterungen der Versorgung kam, wurde schon erwähnt. Der mühsam wieder erreichte Vorkriegsstand wurde aber Anfang der 20er Jahre von der Inflation gefährdet, in der manche Firmen dazu übergangen, „günstige“ Lebensmittel für ihre Beschäftigten in eigenen Verkaufsstellen abzugeben44 (in Erinnerung an das alte „Trucksystem“ aus der Frühin-dustrialisierung, als die Löhne mit Gutscheinen für die Firmenläden beglichen wurden). Danach tratzwar eine Verbesserung ein, die wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Zeit verhinderten aber eine dauerhafte Verbesserung der materiellen Lage. Eine gewisse Erleichterung brachte das Genossenschaftswesen. Konsum- und Baugenossenschaften entstanden in vielen Städten, nicht zuletzt auf Initiative der Gewerkschaften. Klar ist allerdings, dass Arbeiter unter diesen Bedingun-gen keinerlei Rücklagen aufbauen konnten und die soziale Absicherung bescheiden und bei Arbeits-losigkeit zeitlich befristet war – und danach in die gemeindliche Armenfürsorge führte. Die war aber von Städten und Gemeinden aufzubringen, deren finanzielle Lage nicht besonders gut war und die zudem meist von bürgerlichen Kräften regiert wurden, die für die Anliegen der Arbeiter wenig (und für Forderungen keinerlei) Verständnis hatten. Diese Haltung verdeutlicht vielleicht ein Lohn-zettel, auf dem Ende 1923 für 30 Arbeitsstunden ein Lohn von 4,81 Mark aufgeführt war, verbun-den mit dem Appell „Arbeiter, denkt an Euer Vaterland!“45

Auch wenn die Arbeitslosigkeit nach 1933 sank (nicht zuletzt aufgrund politisch forcierter Entlas-sungen – verheirate Frauen, Juden – oder Verschwindenlassen von „arbeitsscheuen“ Langzeitar-beitslosen in Konzentrationslagern sowie Verpflichtungen zu Arbeits- und Wehrdienst) kam es unterdem neuen Regime zu keiner Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter (zumal die Versor-gung dem Ziel der Importvermeidung untergeordnet war, ab 1937 auch mit Bezugs-, d.h. Rationie-rungssystem).46 Der „Sozialstaat“ der Nazis funktionierte eher mit Versprechungen oder Parolen (“Trockenbrot macht Wangen rot“) und der Beschwörung der scheinbar wiedergewonnenen natio-nalen Größe der „Volksgemeinschaft“ (oder wie Brecht die „Volksgenossen“ beschrieb: „Sie heben die Hände hoch/Sie zeigen sie her./Sie sind schon blutgefleckt/und sind noch leer.“47)

44 Macht, III/2, S: 20f. berichtet über Zweifel daran, ob die Fabrikläden tatsächlich güns-tiger verkauften. Dort finden sich auch weitere Angaben über Konsumgüterpreise und die Verbrauchsmengen von Arbeiterhaushalten.

45 Ebenda, S. 21; Macht zitiert hier Max Blumtritt aus einer Sitzung des Hofer Stadtrates. 46 Schneider (1999), S. 594-599.47 Bertolt Brecht, „Kälbermarsch“ aus: Schwejk im Zweiten Weltkrieg.

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Faschismus und Weltkrieg

Die gewerkschaftliche Kampfkraft musste in einer solchen Situation schwinden – die Zahl der Beschäftigten und der Organisierten ging zurück. War es zunächst noch möglich, mit Arbeitskämp-fen den Abbau von Löhnen und Angriffe auf den 8-Stunden-Tag abzuwehren, wurde dies mit wachsender Arbeitslosigkeit immer schwieriger. Forderungen der Gewerkschaften nach Beschäfti-gungsprogrammen und staatlichen Investitionsprogrammen zum Abbau der Arbeitslosigkeit wurdennur zögerlich propagiert und verhallten ungehört – und waren nicht mehr durchsetzbar gegenüber einer Regierung, die keine parlamentarischen Mehrheiten mehr brauchte, sondern mit Notverord-nungen ihre Politik umsetzte.

Der Aufstieg der Nazi-Partei fällt in diese Phase: sie konnte zum einen passende Sündenböcke anbieten, um die (von der deutschen Politik verursachten) Probleme zu „erklären“ (die Siegermäch-te, die Juden und die Arbeiterparteien) und warb mit scheinbaren Hilfsangeboten (Eintopfessen, Uniform für SA-Mitglieder). Dennoch führte nicht die Propaganda zum Erfolg, sondern die Inter-vention aus Kreisen der Wirtschaft, die schließlich den Reichspräsidenten drängten, die Nazis mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Mit der Machtübergabe an die Nazis änderte sich noch nicht alles. Viele meinten, es würde nur eine der vielen Versuche zur Regierungsbildung sein, die bald scheitern werde. Die Terrormaßnahmen nach dem Reichstagsbrand und verschärft nach dem Wahlsieg im März 1933 (die KPD war bei der Wahl bereits verboten und freie Betätigung für oppositionelle Parteien kaum mehr möglich), wur-den zunächst noch mit einer Schein-Legalität bemäntelt.

Der Schlag kam nach dem 1. Mai 1933, der noch zum „Tag der nationalen Arbeit“ erklärt und unter Beteiligung der Gewerkschaften begangen wurde. Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften aufge-löst, die Büros gestürmt und verwüstet, Hauptamtliche und Funktionäre in „Schutzhaft“ genommen und das Gewerkschaftsvermögen (soweit nicht von Nazi-Funktionären unterschlagen) für die „Deutsche Arbeitsfront“ vereinnahmt. Die Unternehmer mussten sich weniger umstellen: eine der ersten Maßnahmen war ein Lohnstopp, an die Stelle der Interessenvertretung der Arbeitnehmer trat die „Deutsche Arbeitsfront“ und die Organe der Wirtschaft spürten den Bruch kaum. So berichtet das oberfränkische Handwerk 1936: „ In vielen Fällen war ein Wechsel in der Führung der hand-werklichen Organisationen erfreulicherweise gar nicht erforderlich, da ein erheblicher Teil der Obermeister und Gewerbevereinsführer schon vor der Machtübernahme in den Reihen der NSDAP stand.“48

48 Zitiert bei Trübsbach, S. 633

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Widerstand

Dass die Belegschaften dies nicht einfach hinnahmen, zeigte sich bei den Betriebsratswahlen 1933, die abgebrochen wurden, als sich für die Listen der Nazis eine desaströse Niederlage abzeichnete, weniger als ein Achtel der Wahlberechtigten stimmten für die neuen Machthaber49. Bei den „Vertrauensrätewahlen“ im folgenden Jahr, als freie Listen gar nicht mehr kandidieren konnten, setzte sich dies fort: die Arbeiter reagierten mit Stimmenthaltung, ungültigen Wahlzetteln oder Nein-Stimmen auf die Abschaffung ihrer Vertreter, die Ergebnisse wurden nie vollständig veröffent-licht.50

Ohne Organisation war aktiver Widerstand kaum möglich, so bestand das Ziel zuerst im Erhalt der Verbindungen, dem Sammeln und Weitergeben von Informationen und nicht zuletzt der Informationim Ausland über die Vorgänge im „Dritten Reich“. Viele der 1933 Verhafteten waren dabei weiter aktiv.

Dass ein Sturz der Nazi-Herrschaft möglich wäre, stellte sich bald als Illusion heraus, so richtete sich die Hoffnung auf ein Eingreifen des Militärs (und später auf eine Niederlage im Krieg) und die Anstrengungen darauf, Kontakte aufrechtzuerhalten bzw. zu schaffen, um nach einem Ende der NS-Herrschaft wieder eine starke Organisation zu schaffen51. Eine zentrale Rolle auf gewerkschaftlicherSeite spielte dabei der aus Bayreuth (und gewerkschaftlich aus dem Holzarbeiter-Verband) stam-mende (und diese Stadt auch regelmäßig besuchende) Wilhelm Leuschner, der die Kontakte zum Widerstandskreis des 20. Juli hielt.52 In dieser Debatte stellte sich das Ziel einer einheitlichen Gewerkschaft als Konsens heraus.

49 Schneider (1999), S. 74f.50 Schneider (1999), S. 7451 Mit der Konsolidierung der NS-Herrschaft stellte sich heraus, dass die Aufrechterhal-

tung einer illegalen Gewerkschaftsorganisation nicht realistisch war und zu hohe Opfer gefordert hätte. Die Anstrengungen richteten sich so auf die Schaffung eines Netzwerkszuverlässiger Personen. Damit hatte die (illegale) Reichsleitung der freien Gewerkschaf-ten zwar keinen Unterbau von konspirativen Gruppen, sie beschränkte sich aber keines-wegs (wie oft angenommen wurde) auf Abwarten, sondern suchte Kontakte zwischen den unterschiedlichen Gewerkschaftsrichtungen wie die Verständigung mit bürgerlichen Kreisen über gesellschaftspolitische Ziele für die Zeit nach dem Ende der NS-Zeit (vgl. Ulrich, S. 51 f.).

52 Leuschner gehörte am Ende der Weimarer Republik zur Führungsspitze des ADGB, er vertrat nach der Zerschlagung der Gewerkschaften zunächst die entlassenen Beschäf-tigten der christlichen Gewerkschaften, später konnte er diese Rolle auch für entlasseneADGB-Sekretäre übernehmen. Daraus ergaben sich deutschlandweite Kontakte zu Gewerkschafter, die er zudem auch beruflich pflegen konnte, nachdem er eine kleine Firma übernommen hatte, die auch Gastronomiebedarf produzierte – er verfügte also über Kontakte und war mobil (Ulrich, S. 41 f.).

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Befreiung und Wiederaufbau

Die Niederlage der Diktatur sollte in den Neuaufbau einer gerechteren Gesellschaft münden, in der die Ursachen des Aufstiegs der Faschisten beseitigt sein sollten. Als solche wurde insbesondere die nicht legitimierte Machtposition der großen Konzerne und Wirtschaftsverbände gesehen, deren Mit-schuld an der Nazi-Diktatur außer Frage stand. Allerdings war dies mit dem Weg in die deutsche Teilung rasch vergessen, bald stand Aufbau westdeutscher Staatsorgane (und der alten wirtschaftli-chen Machtverhältnisse) im Vordergrund, die Entnazifizierung endete relativ rasch und ergebnislos.

Wie der Aufbau der neuen politischen und Verwaltungsstrukturen erfolgte auch die Neugründung der Gewerkschaften zunächst von unten. Auf örtlicher oder betrieblicher Ebene bildeten sich neue Gewerkschaften, die ihre Zulassung bei der jeweiligen Militärverwaltung oder den Arbeitsämtern beantragen mussten.53 Dabei gab es Wiedergründungen von Gruppen der alten Verbände, betriebli-che Gewerkschaften oder neue Organisationsformen. Gemeinsam war ihr Bestreben, die alten Spaltungen zu überwinden und eine Einheitsgewerkschaft zu schaffen – eine Gewerkschaft für alle Arbeitnehmer, unabhängig von politischen Richtungen, Branchen und beruflichem Status.

Gegen dieses Ziel bestanden bei den Besatzungsmächten Vorbehalte54, so dass ein Zusammenschluss zunächst nur auf örtlicher und später auf Landesebene erfolgen konnte. In Bayern entstand so 1947 der Bayerische Gewerkschaftsbund als einheitliche, regional gegliederte Gewerkschaft mit Fachverbänden für die einzelnen Branchen. Die Abgrenzung der Fachverbände wurde dabei zwischen den Ländern der westlichen Besatzungszonen abgestimmt, um später eine gemeinsame deutsche Organisation zu schaffen.55 So konstituierte sich der Metaller-Fachverband parallel zum BGB-Gewerkschaftstag als Landesverband der IG Metall.56 Grundlage der Organisati-on bliebt aber die Ortsgruppe, auf denen Kreis- und Bezirksverbände aufbauten.57 Mit der Auflö-sung des BGB auf dem Gewerkschaftstag 1949 wurden die Fachverbände zu Landesbezirken der jeweiligen DGB-Gewerkschaften, die Ortsgruppen wurde zu den örtlichen Zusammenschlüssen der Ortskartelle, die die örtliche Arbeit koordinierten und als Sprecher der Gewerkschaft auftraten.

Arbeit gab es für sie in dieser Zeit mehr als genug: die Versorgungslage war schlecht, was bedeute-te, dass von vornherein nicht nur die Auseinandersetzung mit den Unternehmern, sondern auch mit den politischen Gremien geführt werden musste. Stellungnahmen der Gewerkschaften richten sich gegen die zu geringen Zuteilungen an Lebensmitteln und protestieren gegen ausbleibende Lieferun-gen sogar dieser unzureichenden Mengen. Versorgungsprobleme betrafen aber nicht nur die

53 Vgl. Lanig-Heese, S. 61 f.; zur Festlegung der Regelungen für den Aufbau von Gewerk-schaften und die widerstreitenden Ansätze dazu s. ebenda S. 78 ff.

54 Vgl. ebenda, S. 103ff.; die Versuche auf den Gewerkschaftsaufbau Einfluß zu nehmen verdanken sich unterschiedlichen Gewerkschaften in den jeweiligen Ländern (so waren die britischen Gewerkschaften traditionell branchenbezogen), aber auch der Furcht vor einem zu großen Einfluss der Gewerkschaften und in ihnen der Kommunisten (die nach den ersten Betriebsratswahlen einen relativ großen Anteil an den Gewählten ausmach-ten).

55 In der sowjetischen Besatzungszone kam es relativ schnell zum Aufbau eines Zentral-verbandes mit der Gründung des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes“ (FDGB). Kontakte zur Schaffung eines gesamtdeutschen Gewerkschaftsbundes bestanden bis zur Gründung der Bundesrepublik weiter.

56 IGM (1986), S. 51ff.57 Dabei wurde das Prinzip der Einheitsgewerkschaft nur unvollständig realisiert: Mitglie-

der im DGB wurden die Gewerkschaften und Industriegewerkschaften, die gemeinsa-men – vom DGB zu tragenden – Aufgaben waren begrenzt.

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Konsumgüter, sie brachten auch regelmäßig die Produktion zum Erliegen58, zumal für das östliche Oberfranken die alten Lieferbeziehungen nach Osten abgeschnitten waren, was insbesondere die Energieversorgung in Schwierigkeiten brachte. Die Proteste gegen Versorgungsprobleme gipfelten in einem eintägigen Generalstreik des BGB, der auch in Oberfranken mit einer Reihe von Protest-veranstaltungen durchgeführt wurde. In Hof, wo offenbar die Versorgung besonders schlecht war, wurde zunächst sogar eine Weiterführung des Streiks beschlossen.59

Der Aufbau der Gewerkschaften ging relativ rasch von statten (so gab es Bayreuth 1946 schon wieder 286 Metaller60), ebenso der Wiederaufbau der Betriebsräte. Bereits 1945 gab es wieder Betriebsratswahlen und von ihnen wurde die Lösung vieler Probleme erwartet. Die Produktion konnte nur langsam wieder aufgenommen werden, wenigsten die notdürftige Versorgung der Beschäftigten musste gesichert werden (meist mit Kompensationsgeschäften). Dabei standen oft nicht die (später gefeierten) Wirtschaftswunder-Unternehmer im Vordergrund, sondern die Belegschaften, die Arbeitsprozesse wieder zu organisieren versuchten.61 So berichtet Max Angerer (der spätere erste Bevollmächtigte der IGM), als er 1945 seine Lehre bei AMAG-Hilpert begann, seier vom Betriebsrat eingestellt worden, denn „die alten Meister, die sich gegenüber Zwangsarbeitern schlecht verhalten hatten, haben sich aus Angst vor Bestrafung in der Wäldern versteckt und sind erst aus den Löchern gekommen, als die letzten Zwangsarbeiter weg waren.“62 Keine Ausnahme, denn viele die alten „Wirtschaftsführer“ waren Teil der NS-Herrschaft gewesen und damit, wenn sienicht ohnehin abgetaucht oder festgesetzt waren, erst einmal politisch ausgeschaltet.

58 Entgegen dem Eindruck, den die Bilder der Kriegszerstörungen erwecken, waren die Kriegsfolgen für die deutsche Industrie relativ klein. Die Alliierten mussten nach Kriegs-ende feststellen, dass die Luftangriffe zur Zerstörung von Industrieanlagen ein Fehl-schlag gewesen waren. Im Vergleich zum Vorkriegsstand waren die Produktionskapazi-täten sogar eher gewachsen. Die erwerbsfähige Bevölkerung war durch Flüchtlinge und Vertriebe deutlich gewachsen. Zerstört waren allerdings Bahnanlagen und Züge und damit der zentrale Bereich des Verkehrssystems (vgl. Abelshauser, S. 67 ff.).

59 Dem Aufruf zu einem eintägige Generalstreik folgten am 23.1.1949 etwa 1,3 Millionen Arbeitnehmer in Bayern. Er war Höhepunkt einer Streik- und Protestbewegung, die während des ganzen Jahres 1947 immer wieder zu Streiks und Protesten in vielen bayersichen Städten führte („mit uns zieht..“, S. 103 ff., Eiber, S. 51 f.).

60 Leibinger-Hasibether (1991), S. 1261 Ob diese betriebliche Machtstellung die Grundlage für eine andere gesellschaftspoliti-

sche Entwicklung hätte sein können, war später Gegenstand heftiger Auseinanderset-zungen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Eine Art Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation und der realen Möglichkeiten versuchen Detje u.a.

62 Gespräch mit Max Angerer, 2015

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Neubeginn oder Restauration

Die Wiederherstellung der alten Verhältnisse zeigte sich mit den ersten Schritten zur Gründung der Bundesrepublik. Bereits in der Währungsreform wurden die Sparguthaben abgewertet und die Vermögenswerte (insbesondere das Produktivvermögen) blieben ihren Eigentümern erhalten. Die Gewerkschaften protestierten, auch nachdem die Einführung der DM sich nicht nur in gewachse-nem Güterangebot, sondern auch in steigenden Preisen niederschlug. Der Kampf gegen Reallohn-verluste in Folge steigender Preise blieb dann auch ein Dauerthema für die Tarifpolitik. Die Reallöhne lagen unter dem Vorkriegsniveau, die Arbeitslosigkeit blieb bis Anfang der 50er Jahre hoch und so gab es nach der Währungsreform zwar alles zu kaufen, die Kaufkraft der Löhne blieb aber bescheiden.

Was sich schon mit Gründung der Bundesrepublik abzeichnete, wurde durch die Politik des neuen Staates bestätigt: weder eine echte Ausweitung der Arbeitnehmerrechte noch der Übergang zu einer friedlichen und sozialen Politik stand auf dem Programm. Die Verteidigung der Mitbestimmung im Montanbereich, das Betriebsverfassungsgesetz63, aber auch die Wiederbewaffung und die geplante atomare Aufrüstung waren die Themen der Gewerkschaftskundgebungen und -konferenzen der 50erJahre.64 Vor allem aber zeigte sich eine neue Stärke des Unternehmertums, die sich in besonderer Unnachgiebigkeit gegenüber gewerkschaftlichen Forderungen niederschlug. Bereits bei den ersten Arbeitskämpfen um Lohnerhöhungen, wie 1949 in der bayerischen und 1951 in der hessischen Metallindustrie gab es keinerlei Entgegenkommen65, die Arbeitgeber machten (wenn überhaupt) indiskutable Angebote oder forderten eine „Lohnpause“. Nach der Einleitung von Arbeitskampf-maßnahmen spielten sie die Empörten, betonten ihre Verhandlungsbereitschaft und beschworen die katastrophalen Folgen von Streiks, die auch gerne als Ergebnis kommunistischer Unterwanderung der Gewerkschaften hingestellt wurden.66

Dieses Verhalten führte auch zum bayerischen Metallerstreik 1954, „ein leuchtender Meteor am finsteren Himmel sozialpolitischer Auseinandersetzung“, wie Willi Bleicher diesen Streik charakte-risierte. Die Arbeitgeber machten kein Angebot, bestritten die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen obwohl in Bayern die niedrigsten Effektivlöhne gezahlt wurden. Als auch nach Vermittlungsbemü-hungen des Arbeitsministers kein Angebot erfolgte, begann ein Streik, der sich mit bis zu 120 000 Beteiligten über den ganzen August hinzog. Das besondere am Streik war die hohe Zustimmung unter den Beschäftigten (in der Urabstimmung über 90%) und die Härte der Auseinandersetzung. Die Berechtigung der Forderung zeigte sich auch darin, dass eine Reihe von Unternehmen relativ rasch darauf eingingen und Haustarife abschlossen, andere Unternehmer gingen gegen Streikposten vor und versuchten Streikende zu kriminalisieren.67 So setzte sich der Arbeitskampf im vielen Fällen vor Gericht fort, weil nach dessen Ende viele aktive Gewerkschafter die Kündigung erhielten. Auch oberfränkische Firmen wie die Fa. Goller in Schwarzenbach/Saale68 taten sich hier

63 Das vom Bundestag beschlossene Betriebsverfassungsgesetz blieb hinter den Forde-rungen der Gewerkschaften zurück und bedeutete teilweise einen Rückschritt hinter die Regelungen aus der Zeit der Militärverwaltung (so fiel das Recht der Betriebsräte weg, ihren Tätigkeitsbereich mit einer Betriebsvereinbarung selbst festzulegen).

64 Vgl. Themen der Mai-Veranstaltungen, für Hof: Macht, IV, S. 344 ff. 65 IGM (1986), S. 91f.66 So berichtet auch Max Angerer, dass sich bei einem Warnstreik Verfassungsschutzleute

(bewaffnet!) unter die protestierenden Kollegen mischten, allerdings keine kommunisti-sche Unterwanderung feststellen konnten.

67 Zum Bayernstreik: IGM (1986), S. 92ff.; Kalbitz; kritisch auf organisatorische Schwä-chen und das unzureichende Maßregelungsverbot eingehend: Bergmann, S.269ff.

68 Macht, IV; auch bei der Firma Hensel in Bayreuth wurde einem Betriebsratsmiglied

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hervor.

Aber es ging nicht allein um Lohnsteigerungen: 1956 begann in der Metallindustrie Schleswig-Holstein der längste Streik in der Geschichte der Bundesrepublik. Es ging um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, im Kern um die Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten. Erst in der 4. Urabstimmung wurde das Verhandlungsergebnis (mit knapp 40%) angenommen.69 Der entschlosse-ne Kampf für die Lohnfortzahlung hat wohl dazu beigetragen, dass der Bundestag bald danach eine gesetzliche Regelung beschloss. Für die IG Metall hatte der Streik Schadensersatzforderungen der Unternehmen zur Folge – ein Rechtsstreit, der mit der Einigung auf ein Schlichtungsverfahren in künftigen Tarifauseinandersetzungen beigelegt wurde.

Die Tarifabschlüsse konnten ab Ende der 50er Jahre eine Steigerung der Reallöhne erreichen, weni-ger Bewegung gab es bei der Verkürzung der Arbeitszeit. Die starre Haltung der Unternehmer zeigte sich 1963 in Baden-Württemberg, als die IG Metall einen Stufenplan zur Einführung der 40-Stunden-Woche erreichen wollte. Die Arbeitgeber reagierten mit einer Totalaussperrung, 350 000 Metaller waren im Arbeitskampf. Und nach Verhandlungsende und Aufhebung der Aussperrung kehrten die Ausgesperrten nicht an den Arbeitsplatz zurück, sondern warteten das Ergebnis der Ur-abstimmung ab.70

gekündigt (Leibinger-Hasibether (1991), S. 14.69 IGM (1984), S.9670 IGM (1984), S.96

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Reformen und Krisen

Eine neue Form der sozialen Auseinandersetzungen kam mit den Septemberstreiks 1969: aufgrund der steigenden Inflation kam es vermehrt zu spontanen Arbeitsniederlegungen für Teuerungszu-schläge zu den vereinbarten Tariflöhnen. Die „wilden Streiks“71 (wie sie bald genannt wurden, da sie spontan und ohne Urabstimmungen durchgeführt wurden), zeigten gewachsenes Selbstbewusst-sein der Arbeitnehmer, sie signalisierten aber auch das Ende der Nachkriegskonjunktur, als bei hohen Wachstumsraten die Verteilungsspielräume groß waren. Dies brachte auch die Wiederkehr von Krisen, erstmals gab es 1966/67 kein Wachstum mehr. Der Rückgang um 0,1% war weniger einwirtschaftliches Problem als ein Zeichen, dass die Entwicklung der Bundesrepublik im alten Stil an ihre Grenzen gekommen war.

Modernisierungsbedarf zeigte sich nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern in allen gesellschaftlichenBereichen. Als erstes brach dies im Bildungsbereich auf – mit der „Studentenbewegung“.

Nicht so spektakulär war die Lehrlingsbewegung. Nicht nur die akademische Ausbildung lag im Argen, auch die Berufsausbildung war reformbedürftig. Die gewachsenen Anforderungen an eine gute Berufsausbildung waren mit „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ nicht mehr vereinbar und demSelbstverständnis der Jugendlichen entsprach auch nicht mehr die kritiklose Unterordnung unter alle Ansinnen des „Lehrherrn“.

Die 1969 gewählte neue Regierung, in der erstmals auch wieder profilierte Gewerkschafter vertre-ten waren, reagierte. Die Reformpolitik brachte eine Reihe von Veränderungen gerade in der Arbeitswelt:

• das Berufsbildungsgesetz machte das duale System wieder zukunftsfähig • die Mitbestimmung im Betrieb und auf Unternehmensebene wurde ausgebaut (Betriebsver-

fassungsgesetz und Jugendvertretung)• Strategien zur Humanisierung der Arbeit wurden entwickelt, unter Einbeziehung der

Belegschaften umgesetzt und fanden ihren Niederschlag in Gesetzen wie der Arbeitsstätten-verordnung

• die Arbeitslosenversicherung wurde zu einer Arbeitsförderung aufgebaut.

Für die Gewerkschaften entstanden damit neue Aufgaben und Möglichkeiten. Die Betriebsräte hatten bessere Bedingungen zur Interessenvertretung der Belegschaften, die Vertrauensleutearbeit wurde ausgebaut, es erschienen wieder Betriebszeitungen. Auch die IG Metall war Teil des Reform-prozesses, sie trieb die gesellschaftspolitische Debatte mit voran (bis hin zum stahlpolitischen Programm und zu Konzepten der Rüstungskonversion, die freilich mit dem Ende der Friedensbewe-gung auch aus der politischen Diskussion verschwanden).

Die Sicherung der Reallöhne und die Verbesserung der Lebenslage der Arbeitnehmer wurde freilichschwieriger. Gestiegene Inflationsraten fraßen die Lohnerhöhungen auf und Strukturkrisen in einer

71Die erste spontane Arbeitsniederlegung gab es am 2. September 1969 bei der Hoesch-AG, wo im Zuge einer Umorganisation des Konzerns neue Entgeltstrukturen festgelegt werden mussten. Nachdem dieser Streik erfolgreich war, legten in den folgenden beidenWochen in vielen Bereichen die Belegschaften die Arbeit nieder und forderten Lohnzu-schläge. Insgesamt waren – trotz heftiger öffentlicher Kritik – wenigstens 140 000 Arbeiter und Angestellte an den Streiks beteiligt. Da die Gewerkschaften diese Streiks nicht organisiert hatten (und nur stillschweigend billigen konnten, waren sie doch nach herrschendemRecht illegal), gibt es keine genauen Zahlen, da nicht alle Streiks erfasst wurden. Ausführlich dargestellt sind die „Septemberstreiks“ bei Schmidt, S. 81 ff.

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Reihe wichtiger alter Industrien führten zu Arbeitsplatzverlusten, die zugleich Kernbereiche der gewerkschaftlichen Organisation betrafen. Der Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen trat in den Vordergrund, ging aber trotz unvermeidlicher Zugeständnisse über einen reinen Abwehrkampf hinaus. Er wurde verbunden mit strukturpolitischen Forderungen auf der politischen Ebene, mit wirtschaftspolitischen Konzepten und mit tarifpolitischen Vorstößen zur weiteren Verkürzung der Arbeitszeit. Obwohl die 35-Stunden-Woche nur teilweise durchgesetzt wurde, trug sie in den Folge-jahren zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei.

Transnationale Konzerne, Verlagerung von Arbeitsplätzen und grenzüberschreitende Produktions-prozesse stellten Betriebsräte und Gewerkschaften vor neue Herausforderungen. Die internationalenund europäischen Gewerkschaftsorganisationen wurden wichtiger – um Einfluss zu nehmen in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, die nicht mehr auf nationaler Ebene entschieden werden, und um die Gewerkschaften in den Ländern zu unterstützen, in denen oft noch „frühkapitalistische“ Arbeits- und Lebensbedingungen existieren.

Nicht nur strukturelle und konjunkturelle Krisen machten Interessenvertretung schwierig, mit dem schrittweisen Abbau von Sozialleistungen erfolgten neue Angriffe auf die Realeinkommen und auf die soziale Absicherung der Arbeitnehmer. Zunehmend waren nicht mehr notwendige Sparmaßnah-men im Staatshaushalt die Begründung dafür. Der zunehmend neoliberal orientierten Wirtschafts-politik war der Staat an sich (und erst recht der Sozialstaat) ein Dorn im Auge. So erfolgte zugleich ein ideologischer Angriff auf den „Gewerkschaftsstaat“, erleichtert wurde dies durch Probleme und Skandale bei gemeinnützigen Unternehmen (erinnert sei nur an die „Neue Heimat“), die freilich gerade darin ihre Ursache hatten, dass sich diese nicht gemeinwirtschaftlich betätigten, sondern wie „richtige“ Wirtschaftsunternehmen arbeiten wollten.

Darum ging es aber nicht: Sozialleistungen, Arbeitnehmerrechte und Sozialpartnerschaft wurden gleichermaßen als „nicht mehr zeitgemäß“ hingestellt. Folgerichtig kam es zu neuen Auseinander-setzungen um die Mitbestimmung in Unternehmen und schließlich auch zu Versuchen, das Streik-recht über gesetzliche Neuregelungen beim Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auszuhöhlen. Gerade die unerwartet starken Proteste in dieser Frage zeigten, dass ein großer Teil der Arbeitnehmer diese politische Stoßrichtung verstanden hatten.

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Zeiten des Wandels

Mit der deutschen Einheit änderte sich vieles. Die Grenzlage unserer Region fiel weg, freilich führtedies zu keiner nachhaltigen Verbesserung, war doch ihre Bedeutung bereits gesunken und die indus-triellen Strukturprobleme hielten an. Auf der anderen Seite fielen eine Reihe von Fördermöglichkei-ten weg und manchmal entstand eine neue Konkurrenzsituation zu den neuen Bundesländern.

Diese wurden zu einem neoliberalen Experimentierfeld. Mit massenhaftem Verbrauch öffentlicher Gelder und ebenso massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen wurden alte Industrien abgebaut und dieZukunftsfähigkeit der überlebenden und neu entstandenen in einer Welt ohne Betriebsräte, Tarifver-träge gesucht – was zudem als (zumindest heimliches) Werbeargument für die Wirtschaftsstandorte genutzt wurde.

Die Einheit brachte auch die Einheit der Gewerkschaften. Die IGM organisierte auch Industrie-beschäftigte in den neuen Ländern und half – auch personell – beim Aufbau von Organisationss-trukturen dort. Zusammenwachsen gab es auch bei den gemeinsamen Kämpfen. Die Liberalisierungging weiter, auch auf dem Arbeitsmarkt. Leiharbeit und Werkverträge sowie ein rasch wachsender Niedriglohnsektor schienen die Entwicklung in alten wie neuen Ländern zu bestimmen.

Erfolgreiche Regelungen zeigten sich auch in der Finanzkrise, als Entlassungen in großem Umfang vermieden werden konnten durch den Abbau von Arbeitszeitkonten, was einen raschen Aufschwungnach der Krise für die Betriebe erleichterte. Davon ist freilich nicht die Rede, wenn mehr Flexibili-tät gefordert wird. Vielmehr kommen dann die alten Angriffe, auf den 8-Stunden-Tag, auf Tariflöh-ne, auf Mitbestimmungsrechte. Damit wird die nächste Runde der Auseinandersetzung eingeleitet, in der manche offenbar die vollständige Unterwerfung der Arbeitskraft unter die „betrieblichen Anforderungen“ erreichen wollen, bei der alle Schranken zum Schutz der Arbeitskraft niedergeris-sen werden.

Auch die Gewerkschaften organisierten sich in dieser Zeit neu. Die IGM-Verwaltungsstellen Hof und Bayreuth schlossen sich 1975 zusammen, bei der Gewerkschaft Textil-Bekleidung entstand 1996 aus den alten Verwaltungsstellen Hof, Bayreuth und Kulmbach die neue Verwaltungsstelle Münchberg. Zum 1.4.1998 schloss sich die GTB der IG Metall an, im Jahre 2000 folgte die Gewerkschaft Holz und Kunststoff.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen:

Stadtarchiv BayreuthArchiv Max Angerer, BayreuthAufzeichnungen Georg Sticht, EmtmannsbergGeschäftsberichte der IG Metall OstoberfrankenArchiv der IG Metall Ostoberfranken

Deutsche Metallarbeiter-Zeitung (1883-1933), online auf: Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, Link: http://library.fes.de/gewerkschaftszeitschrift/

zur Geschichte der IG Metall:

IG Metall, Vorstand (Hrsg.): Kampf um soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Demokratie und Frieden. Die Geschichte der Industriegewerkschaft Metall seit 1945, Köln 1986

Kalbitz, Rainer: Der Metallarbeiterstreik in Bayern 1954, Gewerkschaftliche Monatshefte, 55. Jhrg.(2004), 9, S. 559-569

Leibinger-Hasibether, Ursula (1991): "Dem Leben Zeit und Zukunft geben". 100 Jahre IG Metall Bayreuth, Hrsg. IG Metall Verwaltungsstelle Bayreuth, 1991

Nürnberger Nachrichten (2016): "Pegnitz: Amag-Arbeiter kämpfen 1891 um Rechte" 18.03.2016

zur Geschichte der Gewerkschaften:

Bergmann, Joachim/ Otto Jacobi/Walther Müller-Jentsch: Gewerkschaften in der Bundes-republik. Band 1: Gewerkschaftliche Lohnpolitik zwischen Mitgliederinteressen und ökono-mischen Sachzwängen, Studienreihe des IfS, Frankfurt/Main 1976

Deppe, Frank/Fülberth, G/Harrer, H.-J. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Gewerkschafts-bewegung, Köln 1977

Detje, Rikchard u.a.: Von der Westzone zum Kalten Krieg. Restauration und Gewerk-schaftspolitik im Nachkriegsdeutschland, Hamburg 1982

Eiber, Ludwig/Riepertinger, Rainhard/Brockhoff, Evamaria: 8 Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern, Haus der bayerischen Geschichte (Katalog zurWanderausstellung 1997/98 in Zusammenarbeit mit dem DGB Landesbezirk Bayern, Ver-öffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 34/97, München 1997

Fricke, Dieter: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869 bis 1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf, Berlin 1976

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Klönne, Arno/Reese, Hartmut: Kurze Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Frankfurt a. Main/Olten/Wien 1986

Lanig-Heese, Claudia: Gewerkschaften in Bayern 1945 bis 1949, Marburg 1991

Leibinger-Hasibether, Ursula (1990): Trotz alledem… Streifzüge durch 100 Jahre Gewerk-schaftsgeschichte in Bayreuth, Hrsg.: DGB-Bildungswerk Kreis Bayreuth, 1990

Macht, Rudolf : Geschichte der Hofer Arbeiterbewegung, 4 Bände, Hof 1996

„Mit uns zieht die neue Zeit“. Kleine Geschichte der bayerischen Gewerkschaften, Marburg1990

Schmidt, Eberhard: Ordnungsfaktor oder Gegenmacht. Die politische Rolle der Gewerk-schaften, Frankfurt/Main 1971

Schneider, Michael (1999): Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999

Schneider, Michael (2000): Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 2000

Ulrich, Axel: Wilhelm Leuschner. Ein deutscher Widerstandskämpfer, Wiesbaden 2012

Wurzbacher, Martina: Münchberg - Stadt der Textilindustrie, Arbeitskreis Stadtgeschichte Münchberg Band 7, Münchberg 2002

Zwing, Karl: Geschichte der deutschen freien Gewerkschaften (1848-1928), 1928, (Nach-druck Olching 1982)

Im Internet betreibt die Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit dem Archiv der sozialen Demokratie der FES ein Portal zur Gewerkschaftsgeschichte: http://www.gewerkschaftsgeschichte.de/index.html

weitere zitierte Literatur:

Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, München 2004

Droz, Jacques: Geschichte des Sozialismus, Band III: Von den Anfängen bis 1875, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1975

Kachel, Steffen: Die USPD – Versuch eines dritten Weges? In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 2007/III, S. 26-32.

Montanari, Massimo: Der Hunger und der Überfluß. Kulturgeschichte der Ernährung in Europa, München 1993

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Rabenstein, Christoph: Die Hofer Sozialdemokraten von ihren Anfängen bis zum Ende desErsten Weltkrieges, in: SPD-Kreisverband Hof (Hrsg.): Ein Jahrhundert Hofer SPD, Hof 1986

Ruppert, Wolfgang (1986): Die Arbeiter. Lebensformen, Alltag und Kultur, München

Schoenlank, Bruno: Zur Lage der arbeitenden Klassen in Bayern. Eine volkswirtschaftlicheSkizze, Nürnberg 1887 (Nachdruck Olching 1979)

Trübsbach, Rainer: Wirtschafts- und Sozialgeschichte, in: Elisabeth Roth, Oberfranken im 19. und 20. Jahrhundert, Bayreuth 1990

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