6
Klin Wochenschr(1981) 59:669474 Klinische Wochen- schrift © Springer-Verlag 1981 T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen* E. K6ttgen; H.•. Fabricius; R. Stahn und W. Gerok Medizinische Klinik der Universit/it Freiburg i.Br. T-Lymphocyte Activation Studies on the Function of Mediator Proteins Summary. The functions of several mediator proteins involved in the T-cell blastogenesis have been investi- gated 1. Newly described is the Plasmatic Human IL-2 Inducing Protein (PHILIP), a glycoprotein from hu- man serum with a molecular weight of about 85,000 D. Its presence is mandatory for the synthesis and/or secretion of Interleukin-2 (T-celt growth fac- tor). The mediator protein can be distinguished from other known serum glycoproteins (e.g., transferrin and plasminogen) by affinity chromatography. Desia- lylation completely abolishes its biologic activity. 2. PMSF- and DFP-treatment of conditioned cul- ture medium inhibit the blastogenesis in the peripher- al mononuclear blood-cell fraction. However, the growth of a permanent T-cell line in the inhibitor- treated medium is not affected. This indicates the existence of a blastogenic factor with serine-protease activity. Key words: T-lymphoblastogenesis ....... Lymphokines ....... Glycoproteins - Serinprotease Zusammenfassung. Es werden Untersuchungen zur Funktion yon Mediatorproteinen bei der T-Lympho- cyten-Blastogenese beschrieben. 1. Ein Glycoprotein aus Humanserum mit einem Mol.-Gewicht von ca. 85000 D ist als Comitogen fiir die Synthese und/oder Sekretion von Interleukin-2 (T-cell growth factor) erforderlich. Dieses Serumgly- coprotein kann mit Hilfe affinitMschromatogra- phischer Verfahren yon anderen bekannten Serumgly- * Herrn Prof. Dr. P. Sch61merichzum 65. Geburtstag gewidmet Sonderdruclcat~ragen an: Prof. Dr. E. K6ttgen (Adresse s. nach Literatur) coproteinen unterschieden werden. Die Desialylie- rung des Glycoproteins mit trfigergebundener Neura- minidase zerst6rt die biologische Aktivitfit des Glyco- proteins. 2. Am Testsystem menschlicher peripherer Blut- Lymphocyten und menschlicher Lymphoblasten-Zel- linien wird demonstriert, dab ein blastogener Faktor Serinprotease-Aktivit/it besitzt, die durch Phenylme- thylsulfonylfluorid (PMSF) oder Diisopropylfluoro- phosphat (DFP) zu inhibieren ist. SchliisselwiJrter: T-Lymphoblastogenese - Lympho- kine - Glycoproteine Serinprotease Einleitung Die Blastogenese von T-Lymphocyten wird durch Lectine, Antigene oder andere Mitogene fiber ver- schiedene Zell-Typen vermittelt [22]. Die Lectin-indu- zierte Lymphocyten-Aktivierung in vitro erfolgt in einem ersten Schritt durch Anlagerung Kohlenhydrat- spezifischer Rezeptorproteine (Lectine) an definierte Glycoconjugate der Plasmamembran plastikadh/iren- ter Zellen, die im wesentlichen der monocyt/iren Reihe zuzuordnen sind. Hierbei ist bisher nicht endgfiltig geklfirt, warum einige Lectine mitogen wirksam sind, andere zwar auch an Oberflfichenstrukturen binden, aber keine Blastentransformation ausl6sen oder sogar einen inhibierenden Effekt auf diesen Vorgang aus- 16sen [4]. Neben diesem direkten Kontakt zwischen blastogenem Agens und Zelloberfl~iche sind zusfitz- liche Mediatorstoffe erforderlich, die fiber eine noch nicht in allen Einzelheiten gekl/irte Sequenz die Bla- stogenese und Proliferation yon T-Lymphocyten in- duzieren. Als Mediatoren sind neben vielen schlecht definierten Stoffen das Interleukin- 1 (IL- 1) (= Lym- phocyte Activating Factor) und das Interleukin-2 (IL- 2) (=T Cell Growth Factor) beschrieben [8, 24]. In

T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

Klin Wochenschr (1981) 59:669474 Klinische

Wochen- schrift

© Springer-Verlag 1981

T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen*

E. K6ttgen; H.•. Fabricius; R. Stahn und W. Gerok Medizinische Klinik der Universit/it Freiburg i.Br.

T-Lymphocyte Activation Studies on the Function of Mediator Proteins

Summary. The functions of several mediator proteins involved in the T-cell blastogenesis have been investi- gated

1. Newly described is the Plasmatic Human IL-2 Inducing Protein (PHILIP), a glycoprotein from hu- man serum with a molecular weight of about 85,000 D. Its presence is mandatory for the synthesis and/or secretion of Interleukin-2 (T-celt growth fac- tor). The mediator protein can be distinguished from other known serum glycoproteins (e.g., transferrin and plasminogen) by affinity chromatography. Desia- lylation completely abolishes its biologic activity.

2. PMSF- and DFP-treatment of conditioned cul- ture medium inhibit the blastogenesis in the peripher- al mononuclear blood-cell fraction. However, the growth of a permanent T-cell line in the inhibitor- treated medium is not affected. This indicates the existence of a blastogenic factor with serine-protease activity.

Key words: T-lymphoblastogenesis ....... Lymphokines ....... Glycoproteins - Serinprotease

Zusammenfassung. Es werden Untersuchungen zur Funktion yon Mediatorproteinen bei der T-Lympho- cyten-Blastogenese beschrieben.

1. Ein Glycoprotein aus Humanserum mit einem Mol.-Gewicht von ca. 85000 D ist als Comitogen fiir die Synthese und/oder Sekretion von Interleukin-2 (T-cell growth factor) erforderlich. Dieses Serumgly- coprotein kann mit Hilfe affinitMschromatogra- phischer Verfahren yon anderen bekannten Serumgly-

* Herrn Prof. Dr. P. Sch61merich zum 65. Geburtstag gewidmet

Sonderdruclcat~ragen an: Prof. Dr. E. K6ttgen (Adresse s. nach Literatur)

coproteinen unterschieden werden. Die Desialylie- rung des Glycoproteins mit trfigergebundener Neura- minidase zerst6rt die biologische Aktivitfit des Glyco- proteins.

2. Am Testsystem menschlicher peripherer Blut- Lymphocyten und menschlicher Lymphoblasten-Zel- linien wird demonstriert, dab ein blastogener Faktor Serinprotease-Aktivit/it besitzt, die durch Phenylme- thylsulfonylfluorid (PMSF) oder Diisopropylfluoro- phosphat (DFP) zu inhibieren ist.

SchliisselwiJrter: T-Lymphoblastogenese - Lympho- kine - Glycoproteine Serinprotease

Einleitung

Die Blastogenese von T-Lymphocyten wird durch Lectine, Antigene oder andere Mitogene fiber ver- schiedene Zell-Typen vermittelt [22]. Die Lectin-indu- zierte Lymphocyten-Aktivierung in vitro erfolgt in einem ersten Schritt durch Anlagerung Kohlenhydrat- spezifischer Rezeptorproteine (Lectine) an definierte Glycoconjugate der Plasmamembran plastikadh/iren- ter Zellen, die im wesentlichen der monocyt/iren Reihe zuzuordnen sind. Hierbei ist bisher nicht endgfiltig geklfirt, warum einige Lectine mitogen wirksam sind, andere zwar auch an Oberflfichenstrukturen binden, aber keine Blastentransformation ausl6sen oder sogar einen inhibierenden Effekt auf diesen Vorgang aus- 16sen [4]. Neben diesem direkten Kontakt zwischen blastogenem Agens und Zelloberfl~iche sind zusfitz- liche Mediatorstoffe erforderlich, die fiber eine noch nicht in allen Einzelheiten gekl/irte Sequenz die Bla- stogenese und Proliferation yon T-Lymphocyten in- duzieren. Als Mediatoren sind neben vielen schlecht definierten Stoffen das Interleukin- 1 (IL- 1) (= Lym- phocyte Activating Factor) und das Interleukin-2 (IL- 2) ( = T Cell Growth Factor) beschrieben [8, 24]. In

Page 2: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

670 E. K6ttgen et al.: T-Lyrnphocyten-Aktivierung

beiden Ffillen handelt es sich um niedermolekulare Proteine, deren eigentliche Funktionsmechanismen bisher nicht bekannt sind. Ebenso wissen wir bisher wenig fiber die biologische Regulation dieses Media- torsystems.

Die vorliegende Arbeit beschreibt unsere Untersu- chungen aufdiesem Gebiet, die sich unter drei Aspek- ten zusammenfassen lassen:

1. Neben den obengenannten Interleukinen 1 und 2 wird ein Serumprotein beschrieben, das als notwen- diges ,,Co-mitogen" fungiert.

2. Da die - vorwiegend durch Serinproteasen ver- mittelte - limitierte Proteolyse bei Entztindungsreak- tionen, Immunprozessen und auch bei der Tumorge- nese wachsende Bedeutung erlangt, priiften wir, ob und an welcher Stelle dieses fein regulierbare System auch bei der T-Lymphocyten-Blastogenese vermit- telnd eingreift.

3. Nach verschiedenen Hinweisen wird durch un- terschiedliche Glycosylierung bestimmter Proteine nicht nur deren Immunogenitfit mitbestimmt, sondern auch ihre Ftmktion als Aktivator oder Inhibitor der Immunantwort. Erste hier vorgelegte Untersuchun- gen demonstrieren die Bedeutung der Glycoprotein- Sialylierung ffir den intakten Sequenzablauf der Lec- tin-stimulierten T-Lymphocyten-Blastogenese.

Material und Methoden

Material und Methoden sind hier nur zusamrnenfassend dargestellt. Sie werden an anderer Stelle ausftihrlich wiedergegeben [5, 6, 7].

I. Isolierung und Kultur der Lymphocyten

Die Isolierung peripherer Blutlymphocyten erfolgte nach B6yum [2]. Die isolierten Lymphocyten werden anschlieBend 24h in RPMI 1640 vorinkubiert. Auf diese Weise gelingt es, an die Plasrna- membran adsorbierte Serurnproteine, die potentiell Mediatorfunk- tion besitzen, zu elirninieren [6].

Die Blastogenese wurde durch PHA (4 gg/rnl) induziert und das AusmaB des Zellwachstums durch Z/ihlung der Zellzahl nach 7 Tagen ermittelt.

2, Partielle Charakterisierung eines Sentmproteins miI comitogener Funktion

Wie eingangs beschrieben, ist fiir die PHA-Stimulation von T- Lyrnphocyten ein Serurnprotein erforderlich, dessen biologische Aktivit~it irn obigen Kultursystern getestet werden kann. Die Cha- rakterisierung des Proteins erfolgte durch Chrornatographie an Se- phadex G-200 und G-150, Blue A-Sepharose, Con A-Sepharose, WGA-Sepharose und Lysin-Sepharose.

3. Neuraminidase-Behandlung des Probenmaterials

Urn den Einflul3 endstgndiger N-Acetylneurarnins/iure (NANA) auf die biologische Funktion zu prtffen, wurden das IL-1- und IL-2-haltige Medium, sowie das Serurnprotein mit Neuraminidase desialyliert. Urn das Enzyrn nicht in das biologische System zu fiberffihren, wurde Neuraminidase an BrCN-aktivierte Sepharose 4B kovalent gekoppelt [1]. Nach 6sttindiger Inkubation bei 37 ° C kann der desialylierte, Neuraminidase-freie fJberstand abfiltriert

werden. Der Grad der Desialylierung wird durch Bestirnmung der proteingebundenen NANA fiberprfift.

4. Inhibition der Serin-Protease-Aktivitat

Serinproteasen k6nnen hochspezifisch und seer effektiv durch Phe- nyI-methyl-sulfonyl-fluorid (PMSF) oder Di-isopropyl-fluoro- phosphat (DFP) gehemmt werden. Auf Grund der geringeren Toxi- zitfit wurde hier PMSF verwendet (Endkonzentration im Test 0,01 Mol/1).

5. Immunotogische Quantifizierung yon Plasmaproteinen

Durch radiale Irnmundiffusion bzw. Laser-nephelometrische Mes- sungen wurden folgende Proteine quantifiziert [3, 20] : Haptoglobin, Transferrin, Plasrninogen, Albumin und Fibronectin.

Ergebnisse

1. Chromatographisches Verhalten des comitogenen Serumproteins

Wird Serum an Sephadex G-200 oder G-150 aufge- trennt, finder sich die biologische Aktivit/it des Pro- teins im Molekulargewichts-Bereich von 85000- 90000 D. In diesem Bereich befinden sich auch Hap- toglobin, Plasminogen, Transferrin und Albumin (Abb. 1). Zur Abklfirung der Frage, ob das Mediator- protein mit einem der genannten Proteine identisch ist, wurden affinit/itschromatographische Analysen mit Blue A-Sepharose (spezifische Elution mit 80% )kthylenglycol), Con A-Sepharose (spezifische Elution mit 0,5 M Methyl-c~-D-mannopyranosid, WGA-Se- pharose (spezifische Elution mit 0,5 M N-Acetyl-glu- cosamin) und Lysin-Sepharose (spezifische Elution mit 0,1 M e-Aminocaprons/iure) durchgef/ihrt. Die Ergebnisse in Tabelle 1 zeigen, dab sich alle getesteten Proteine vom gesuchten Mediatorprotein unterschei- den. Gleichzeitig wird durch die Affinitfit des Proteins an tr~igergebundene Lectine der Glycoprotein-Cha- rakter bewiesen. Die sehr starke Affinit/it des Glyco- proteins an WGA-Sepharose geht aus der Tatsache hervor, dab die Wiederfindung der biologischen Akti- vitfit nur bei gleichzeitiger Elution mit dem spezi- fischen Zucker und 40% *thylenglycol m6glich ist.

2. Untersuehungen zur funktionellen Sequenz der Mediatorproteine

Werden Lymphocyten zuerst mit Serum im PHA- freien Medium inkubiert, anschlieBend die Zellen ge- waschen, um erst daraufhin PHA zuzuffihren, so sind nach entsprechender Inkubationszeit nur wenig Lym- phoblasten nachweisbar. Werden dagegen Lymphocy- ten zuerst mit PHA fiber 12-24 h in RPMI inkubiert, im AnschluB die Zellen intensiv gewachsen und erst jetzt Serum (bzw. die angereicherte Serumfraktion) zum Testsystem gegeben, finden wit nach 5-7 Tagen eine intensive Lymphocyten-Proliferation. Der PHA-

Page 3: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

E. K6ttgen et al.: T-Lymphocyten-Aktivierung 671

//i/\\ / ::: l,ool ool

50 75 100 125 150 [roll

Abb. 1. Gelchromatographie yon Serum an Sephadex G-150. Die comitogene Aktivitfit des Serumglycoproteins ist bei Chromatogra- phie an Sephadex G-150 im Molekulargewichts-Bereich von 85000 nachweisbar. Eine sichere Differenzierung des Glycoproteins von Plasminogen, Transferrin und Albumin ist mit dieser Methode nicht m6glich

Tabelle 1. Affinitfitschromatographisches Verhalten yon Serumpro- teinen. Bekannte Serumproteine im Molekulargewichts-Bereich von 75000-90000 unterscheiden sich in ihrem Bindungsverhalten von dem comitogenen Mediatorprotein PHILIP

Con A- WGA- Lysin- Blue A- Sepharose Separose Sepharose Sepharose

PHILIP + + + + - + + Plasminogen + + + + - Transferrin + + + - - Albumin - - - + +

+ + : > 85% des Proteins werden spezifisch gebunden; + : partielle spezische Bindung des Proteins; .--, : keine spezifische Bindung des Proteins

freie Kutturfiberstand ist in der Lage, menschliche Lymphoblasten-Zellinien permanent zur Proliferation anzuregen. Daraus geht hervor, dab das Serumglyco- protein - i n Gegenwart des durch vorangegangene PHA-Stimulation induzierten und sezernierten IL-1 - definierte Zellen zur IL-2-Produktion anregen kann. Wit haben daher ffir dieses Glycoprotein den Namen PHILIP (Plasmatic Human IL-2 Inducing Protein) vorgeschlagen (Abb. 2).

Neben dem ebengenannten Kulturfiberstand, der neben PHILIP sowohl IL-1 als auch IL-2 enth/ilt, ist es m6glich, nut IL-l-haltigen Kulturfiberstand (Serum- und PHA-frei) zu produzieren. Dies ist durch PHA-Stimulation adhfirenter mononuklefirer Zellen in Abwesenheit von Serum oder PHILIP m6glich. Auch hier werden die Zellen nach 12-stfindiger Inku-

PHA

I ! IL-I 3¢.~ PHILIP I

I

' IL-2 . . . . . . . . . .

CTL

I I I Abb. 2. Model1 zum Ablauf der PHA-induzierten T-Lymphoblasto- genese. PHA induziert in Macrophagen die Synthese und Sekretion von Interleukin- 1 (IL- 1). I L- 1 ist (gemeinsam mit dem Glycoprotein PHILIP) in der Lage, in T-Lymphocyten-Helferzellen (HC) die Sekretion von IL-2 zu stimulieren. Gleichzeitig induz[ert PHILIP (in Verbindung mit IL-I ?) in Helferzellen einen blastogenen Fak- tor, der cytotoxische Precursor T-Lymphocyten (P-CTL) aktiviert und hierbei einen Rezeptor ftir IL-2 freilegt. Die Funktion des blastogenen Faktors ist durch PHA zu ersetzen. IL-2 unterhNt die Proliferation cytotoxischer T-Lymphocyten (CTL). 1 Die Desia- lylierung von PHILIP bewirkt dessen Inaktivierung. 2 Serinpro- tease-Inhibitoren zerst6ren die Funktion des blastogenen Faktors

bation mit PHA intensiv gewaschen. Bei weiterer In- kubation der Zellen in RPMI finden wir im Uber- stand IL-I, das alleine nicht zur Induktion der IL-2- Produktion und damit zur Einteitung von Blastoge- nese und T-Zell-Proliferation bef'ahigt ist. Dieses IL-1- haltige Medium bewirkt bei Zugabe von PHILIP wiederum eine intensive Proliferation cytotoxischer T-Lymphoblasten. Als IL-I produzierende Zellen k6nnen vor allem adhfirente Zellen angesehen werden. IL-2 wird wahrscheinlich von bestimmten T-Helfer- Lymphocyten sezerniert und ist alleine zur Unterhal- tung permanent wachsender cytotoxischer T-Lym- phoblasten-Zellinien beffihigt.

3. Beeinflussung der biologischen Funktion der Media- torproteine

Durch Anwendung der obengenannten Sequenzversu- che kann geprfift werden, ob die Sialylierung eines Glycoproteins dessen Funktion mitbestimmt. Die De- siatylierung yon PHILIP bewirkt eine voIlsdindige Unterdrfickung der cooperativen Wirkung dieses Pro- teins bei der IL-2-Produktion und/oder -Sekretion. Die Desialylierung mit trfigergebundener Neuramini- dase ist sehr effizient. In der desialylierten Protein- fraktion ist weniger als 5% der Ausgangsmenge pro- teingebundener NANA nachweisbar.

Wird dagegen der Kulturfiberstand von PHA-sti- mulierten adhfirenten Zellen mit tfiigergebundener

Page 4: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

672 E. K6ttgen et at. : T-Lymphocyten-Aktivierung

Tabelle2. Einflul3 von Phenyl-methyl-sulfonyl-fluorid (PMSF), Trypsin und Neuraminidase auf die Funktion yon PHILIP, Inter- leukin-l, Interleukin-2 und den blastogenen Faktor

PMSF- Trypsin- Neura- Behand- Behand- minidase- lung l u n g Behandlung

PHILIP - + + Interleukin- 1 - + - Interleukin_2 . - + - Blastogener Faktor b + + -

+ : Starke Hemmung der Funktion - : Keine Hemmung der Funktion

Getestet an Lymphoblasten Zellinien in Gegenwart yon IL-1 und IL-2

b Getestet an vorinkubierten peripheren Blut-Lymphocyten in Ge- genwart yon IL-1 und IL-2

Neuraminidase inkubiert und das Produkt mit nati- vem PHILIP auf die F/ihigkeit zur Induktion der IL-2- Produktion geprtift, finden wir keine Funktionsein- schrfinkung. Daraus kann geschlossen werden, dab IL-1 endst/indige NANA zur Erhaltung der Funktion nicht ben6tigt. Ebenso wird IL-1- und IL-2-haltiges Medium durch Neuraminidase-Behandlung nicht in der F/ihigkeit beeintr/ichtigt, das Wachstum von Lym- phoblasten-Zellinien zu unterhalten. Somit ist auch die Wirkung von IL-2 nicht durch Desialylierung zu beeinflussen.

In ersten Versuchen wurde im weiteren geprfift, ob die genannten Mediatorproteine Protease-Aktivi- t/it aufweisen. Hierbei ist vor allem die Gruppe der Serinproteasen von Interesse. Die biologische Aktivi- t/it yon PHILIP und IL-1 wird durch Inkubation mit dem Serinprotease-Inhibitor PMSF nicht ver/indert. IL-2-haltiges, Serum-freies Medium ist dagegen nach PMSF-Behandlung nicht mehr in der Lage, vorinku- bierte Blutlymphocyten zur Proliferation anzuregen. Diese Aktivit/itshemmung durch PMSF wird jedoch nicht beobachtet, wenn das Medium an Lymphobla- sten-Zellinien getestet wird (Tabelle 2).

4. Untersuchungen an Patienten-Proben

In orientierenden Untersuchungen wurde die comito- gene PHILIP-Aktivit/it in Serumproben von Patien- ten mit akuter Hepatitis ( n= 10) und Lebercirrhose (n=8) gepriift. Bei einer Patientin mit Di George- Syndrom (Defekt der T-Zetlreihe mit Thymus-Apla- sie) priiften wir neben der PHILIP-Aktivit/it des Se- rums die Ffihigkeit ihrer monocyt/iren Zellen zur Syn- these und Sekretion yon IL-1 und IL-2.

Sowohl Serumproben von Patienten mit akuter Hepatitis als auch Lebercirrhose zeigen in den bisheri- gen Analysen keine verminderte PHILIP-Aktivit~it.

Dagegen k6nnen in beiden Kollektiven in unter- schiedlichem AusmaB Inhibitoren der Lectin-abh/in- gigen Mitogenese yon T-Lymphocyten nachgewiesen werden. Bei diesen Serumproben wird im Vergleich zu Kontrollproben die volle Induktion der Blasto- genese erst in h6heren Verdfinnungsstufen der Serum- probe erreicht. Ob hierbei eine Inhibition yon PHILIP, IL-1- oder IL-2-Aktivit/it vorliegt, mtissen weitere Untersuchungen zeigen. Der Grad der Inhibi- tor-Wirkung korreliert nicht mit anderen klinisch- chemischen Parametern der Leberdiagnostik.

Die Patientin mit Di George-Syndrom zeigt eine unver/inderte PHILIP-Aktivit/it im Serum, ebenso ha- ben wir keinen Hinweis auf das Vorliegen yon Inhibi- toren. Die PHA-Stimulation mononukle/irer Zellen dieser Patientin erbringt im Kulturfiberstand normale IL-1- und IL-2-Aktivitfiten. Der Nachweis dieser Me- diatoren 1/iBt sich jedoch nur an ,,Fremdzellen" bele- gen, da im autologen System keine Blastentransfor- mation mSglich ist.

Diskussion

Mediatoren gewinnen auch f f r immunologische Re- gulationsmechanismen eine immer gr613ere Bedeu- tung. Der exakte Wirkungsmechanismus dieser Si- gnalvermittler ist jedoch in den meisten Ffillen noch ungekl~irt [21 ].

Wir untersuchten die T-Zell-abh/ingige Immun- antwort am in-vitro-Modell der PHA-induzierten Bla- stogenese von T-Lymphocyten. Hierbei wird allge- mein angenommen, dab sich mindestens zwei Media- torproteine an der Regulation dieses Stimulationspro- zesses beteiligen, Interleukin-1 und Interleukin-2 [15]. Zus/itzlich ist ein Serumprotein erforderlich, dessen Bedeutung bisher nicht hinreichend beachtet wurde. Dieses Serumprotein wird wahrscheinlich an die Plas- mamembran von Lymphocyten adsorbiert, da es nur durch sehr intensive Waschvorg/inge oder durch eine 24stiindige Inkubation der Zellen in RPMI aus dem Testsystem entfernt werden kann. Nach unseren Untersuchungen handelt es sich hierbei um ein Glyco- protein mit einem Molekulargewicht um 85000 D, das nicht mit anderen bekannten Glycoproteinen des Serums identisch ist. Da dieses Glycoprotein gemein- sam mit dem nach PHA-Stimulation yon adhgtrenten Zellen gebildeten IL-1 lymphocyt/ire Zellen zur IL-2- Produktion und -Sekretion anregt, wurde die Bezeich- nung PHILIP (Plasmatic Human IL-2 Inducing Pro- tein) vorgeschlagen. Wir konnten bisher nicht den eigentlichen Wirkungsmechanismus yon PHILIP auf- kl~iren. Sowohl ffir die Funktion als auch ftir die Re- gulation ist es jedoch m6glicherweise wichtig, dab dieses Comitogen durch Abspaltung der endst~indigen N-Acetylneuramins/iure (NANA) seine biologische

Page 5: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

E. K6ttgen et al.: T-Lymphocyten-Aktivierung 673

Funktion verliert. Als Erkl/irung dieses Funktionsver- lustes bieten sich zwei M6glichkeiten an: a) Die De- sialylierung bewirkt eine Konfbrmations/inderung des Proteins, wie es auch f/ir andere Glycoproteine be- schrieben ist [17]. Hierdurch kann es yon Rezeptoren nicht mehr als Ligand erkannt werden, b) Der Zucker- rest des Glycoproteins ist selbst ffir die spezifische Erkennung mitverantwortlich. In diesem Fall besfil3e das Rezeptorprotein Lectin-analoge, d.h. Kohlenhy- drat-bindende Eigenschaften. Derartige Lectine, die Glycoproteine auf Grund ihrer Kohlenhydratstruktur erkennen und binden, wurden sowohl aus Lymphocy- ten- als aus Macrophagen-Plasmamembranen isoliert [11, 13]. Eine Regulation der comitogenen PHILIP- Aktivit/it ist daher fiber eine ver/inderte Glycosylie- rung des Proteins m6glich, oder durch die Synthese und Sekretion von Inhibitoren, die die Lectin-analo- gen Rezeptorstellen besetzen. Die verfinderte Glyco- sylierung yon Proteinen bei entzfindlichen und mali- gnen Erkrankungen ist vielfach beschrieben [12]. Gly- colipide: insbesondere das NANA-reiche Gangliosid GT-1 k6nnen die Mitogenese yon Thymocyten durch kompetitive Besetzung von Rezeptorstellen inhibie- ren. Gleichzeitig findet man gerade im Serum von Tumorpatienten erh6hte Konzentrationen dieser Ganglioside [18]. Die wesentliche Rolle der Glycosy- lierung wird schlieBlich auch aus Untersuchungen deutlich, nach denen sialyliertes, d.h. NANA-reiches alpha- 1-Fetoprotein zur Induktion von T-Suppressor- Zellen bef'~ihigt ist, und umgekehrt schon das Mono- saccharid Methyl-Mannosid eine selektive Inhibition der Suppressor-Zellfunktion bewirkt [14, 26].

Nach Untersuchungen anderer Autoren ist IL-2 ausschlieBtich zur Aufrechterhattung der Proliferation von Lymphoblasten bef'5.higt, nicht jedoch zur Induk- tion der zuvor erforderlichen Blastogenese [23]. Zu tetzterem ist m6glicherweise ein blastogener Faktor erforderlich, dessen Anwesenheit wir auch in unserem System vermuten k6nnen. Die hier beschriebene Hemmung der Serinprotease-Aktivit/it durch PMSF und die daraus resultierende Hemmung der Lympho- blasten-Induktion und -Proliferation kann daher so- wohl dutch Hemmung des blastogenen Faktors als auch des IL-2 verursacht sein. Da der Aktivitgtsver- lust des konditionierten Mediums nach PMSF-Be- handlung nur im Testsystem mit peripheren Blutlym- phocyten, nicht dagegen mit Lymphoblasten-Zellinien zu beobachten ist, handelt es sich wahrscheinlich um eine Inhibition der Blastogenese und nicht der Zell- proliferation.

Der Nachweis einer Serinprotease-Aktivit~t in die- sem System ist neu und er6ffnet neue Aspekte ffir das Verstfindnis der biologischen Regulation. Die li- mitierte Proteolyse nimmt eine zentrale Rolle bei der Gerinnung, der Komplement-Aktivierung, der Ent-

zfindungsreaktion, der Induktion und Steuerung des Zellwachstums und damit auch bei der Tumorgenese ein (Ubersicht bei [t0]).

Es ist gesichert, dab bestimmte Serinproteasen mitogen wirksam sind, wie zum Beispiel Thrombin. Hierbei binden und spalten die Proteasen sehr spezi- fisch definierte Rezeptorstellen der Plasmamembran, wodurch wiederum intrazellulfire Signale zur Mitoge- nese ausgel6st werden [9]. Als ein derartiges Rezeptor- protein fungiert unter Umstfinden auch Fibronectin, das typisch auf Zellen w/ihrend der Mitose-Phase und ebenso auf transformierten Zellen fehlt [25]. Durch limitierte Proteolyse wird es in unterschiedlich biolo- gisch aktive Peptide gespalten, die weitere Mediator- Funktion tibernehmen k6nnen [19]. Auch die von uns nachgewiesene Serinprotease k6nnte Rezeptorpro- teine spalten und damit unter anderem Mediatorpro- teine freisetzen oder Rezeptoren der Plasmamembran f/.ir andere Mediatoren (z.B. IL-2) freilegen.

F/Jr die Regulation ist im weiteren wichtig, dab der Organismus eine Vielzahl yon Protease-Inhibito- ren produziert, die teilweise parallel auch immunsup- pressiv wirksam sind [16]. Wir prfifen augenblicklich, ob die teilweise von uns beobachtete Inhibition der T-Zell-abhfingigen Immunantwort bei akuter Hepati- tis und Lebercirrhose durch gesteigerte Synthese der- artiger Serinprotease-Inhibitoren mitverursacht ist.

Literatur

1. Ax6n R, Porath J, Ernback S (1967) Chemical coupling of peptides and proteins to polysaccharides by means of cyanogen halides. Nature 214:1302-1304

2. B6yum A (1968) Separation of leukocytes from blood and bone marrow. Scand J Clin Lab Invest 21 : [Suppl 97] 1--109

3. Clausen J (1969) Immunochemical techniques for the identifica- tion and estimation of macromolecules. North Holland Publ Comp, Amsterdam

4. Dillner ML, Axelsson B, Hammarstr6m S, Hellstr6m U, Perl- mann P (1980) Interaction of lectins with human T-lymphocy- tes. Mitogenic properties, inhibitory effects, binding to the cell membrane and to isolated surface glycopeptides. Eur J Immu- nol 10:434-442

5. Fabricius HA, Stahn R (1979) Human primary T-cell lines in lectin-free media. Immunobiot 156: 364371

6. Fabricius HA, K6ttgen E, Stahn R, Mficke S, Osswald B (1980) The role of serum proteins in PHA-induced production of inter- leukin 2 by human peripheral blood lymphocytes. Behring Inst Mitt 67 : 249-251

7. Fabricius HA, K6ttgen E, Stahn R, L6hr GW (1981) An essen- tial serum glycoprotein for T-lymphocyte blast formation. (Zur Ver6ffentlichung eingereicht)

8. Farrar WL, Mizel SB, Farrar JJ (1980) Participation of lympho- cyte activating factor (IL-1) in the induction of cytotoxic T-cell responses. J Immunol I24:1371-1377

9. Glenn KC, Cunningham DD (1979) Thrombin-stimulated cell division involves proteolysis of its cell surface receptor. Nature 278 : 711-7t4 Holzer H, Heinrich PC (1980) Control of proteolysis. Ann Rev Biochem 49:63---91

10.

Page 6: T-Lymphocyten-Aktivierung Untersuchungen zur Funktion von Mediatorproteinen

674 E. K6ttgen et al, : T-Lymphocyten-Aktivierung

11. Kieda CMT, Bowles DJ, Ravid A, Sharon N (1978) Lectins in lymphocyte membranes. FEBS Lett 94:391-396

12, KSttgen E, Bauer C, Reutter W, Gerok W (1979) Neue Ergeb- nisse zur biologischen und medizinischen Bedeutung von Glyco- proteinen. Klin Wochenschr 57: 1511-159, 199214

13. Kolb H, Kolb-Bachofen V (1978) A lectin-tike receptor on mammalian macrophages. Biochem Biophys Res Comm 85:678-683

14. Koszinowski UH, Kramer M (1981) Selective inhibition of T suppressor-cell function by a monosaccharide. Nature 289:18 t 184

15. Larsson EL, Iscove NN, Coutinho A (1980) Two distinct fac- tors are required for induction of T-cell growth. Nature 283:664.666

16. Laskowski M, Kato I (1980) Protein inhibitors of proteinases. Ann Rev Biochem 49:593-626

17. Lennarz WJ (1980) The biochemistry of glycoproteins and pro- teogtycans. Plenum Press, New York

I8. Lengle EE, Krishnaraj, Kemp RG (1979) Inhibition of the lectin-induced mitogenic response of thymocytes by glycolipids. Cancer Res 39: 817-822

19. McDonald JA, Kelley DG (1980) Degradation of fibronectin by human leukocyte elastase. J Biol Chem 255:8848 8858

20. Pott G, Meyering M, Voss B, Karges HE, Sieber A (1980) Rapid determination of fibronectin by laser nephelometry. J Clin Chem Clin Biochem 18: 893-896

21. Rocklin RE, Bendtzen K, Greineder D (1980) Mediators of immunity : lymphokines and monokines. Adv Immunol 29 : 55- 136

22. Schmidtke JR, Hatfield S (1976) Activation of purified human thymus-derived (T) ceils by mitogens. J Immunol 116:35%362

23. Smith KA, Gilbride K J, Favata MF (1980) Lymphocyte activ- ating factor promotes T-ceil growth factor production by cloned murine lymphoma cells. Nature 287:853-855

24. Wagner H, Hardt C, Heeg K, Pfizenmaier K, Solbach W, Bartlett R, Stockinger H, R611inghoff M (1980) T-T-ceil interac- tions during cytotoxic T-lymphocyte response: T-cell derived helper factor (IL-2) as a probe to analyze CTL responsiveness and thymic maturation of CTL progenitors. Immunol Rev 51:215-256

25. Yamada KM, Olden K (1978) Fibronectins - adhesive glyco- proteins of cell surface and blood. Nature 275:179-183

26. Zimmermann EF, Voorting-Hawking M, Michael JG (1977) Immunosuppression of sialylated alpha-fetoprotein. Nature 265 : 354~356

Eingegangen am 16. Februar 1981 Angenommen am 20. Februar I981

ProL Dr. E. K6ttgen Med. Klinik der Universit/it Hugstetter Str. 55 D-7800 Freiburg i.Br. Bundesrepublik Deutschland