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TagesSatz 07-14

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TT: Grün statt Stadt

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EDITORIAL

* Der TagesSatz wird von Menschen in sozialen

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* Die Mitarbeit in Redak-tion und Vertrieb des

TagesSatz bietet arbeits- und wohnungslosen Menschen eine Aufgabe und die Mög-lichkeit, neue soziale Kontak-te zu knüpfen und ermöglicht langfristig gesehen den Wie-dereinstieg ins Berufsleben.

* Der TagesSatz finan-ziert sich ausschließlich

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Liebe Leserinnen und Leser, Göttingen und Kassel sind zwar verschieden, haben jedoch mehr Gemeinsamkeiten, als man vielleicht zunächst denkt. Die nieder-sächsische Stadt hatte nach dem 30-jährigen Krieg schwer zu kämp-fen, da der Export von Tuch und Leinwand, der bis dahin für er-kleckliche Einnahmen gesorgt hatte, fast völlig zusammengebro-chen war. Das Kurfürstentum Braunschweig Lüneburg, das sich

damals zu einer territorialen Macht in der Mitte Deutschlands entwickelte, verfügte zu dieser Zeit noch über keine eigene Universität. Daher entschied die kur-hanno-veranische Landesregierung, ab 1734 eine Lehranstalt, die heutige Georg-August-Universität, zu gründen. Für Göttingen als Standort sprach damals, dass es schon ein Gymnasium (Pädagogikum) gab. Dieses sollte als Keimzelle der neu zu grün-denden Universität fungieren.

Mit Göttingen teilt Kassel den Status als Universitätsstadt. Zwar gab es auch in frü-heren Zeiten schon Vorläufer, aber die Uni in Kassel, wie wir sie heute kennen, ist ein Kind der Siebziger. Im Jahre 1971 als Gesamthochschule Kassel (GhK) gegrün-det, verströmte sie über lange Zeit den reform-pädagogischen Geist dieser Zeit. Die Standorte waren über das ganze Stadtgebiet verteilt. So unter anderem in Oberz-wehren (Lehramt und Humanwissenschaften), Wilhelmshöhe (Ingenieurswissen-schaften), der Karlsaue (Kunsthochschule) oder auch in der Stadt Witzenhausen im Landkreis (Ökologische Landwirtschaft). Aktuell findet gerade eine Bündelung von Fakultäten am Holländischen Platz durch Neubauten statt.

Während in Göttingen eher das Beschaulich-Gemütliche überwiegt, man sich dort schnell wohl fühlt, tun sich nicht nur Einheimische, sondern auch Zugezogene in Kassel ungleich schwerer. Da hat einen Grund sicher auch darin, dass es in Kassel, in Folge des Bombardements der Alliierten im zweiten Weltkrieg (Rüstungsproduk-tion) so gut wie keine historische Altstadt mehr gibt. Und die paar heimeligen Fleck-chen dort, die Auge und Herz erfreuen, muss man aufmerksam suchen. Daher wür-de ich in Bezug auf Kassel auch eher von einer „Liebe auf den zweiten Blick“ spre-chen wollen, nämlich dann, wenn man sich an die Ränder der Stadt (Wilhelmshö-he und Fuldaaue) begeben hat.

Nichtsdestotrotz gibt es in beiden Städten eine Menge zu entdecken. Zwar gibt es in Göttingen und in Kassel die unerfreuliche Tendenz, dass guter, aber bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, beson-ders in bestimmten Quartieren, die begehrt sind. Dies zeigen die Beiträge von Gere-on Mewes und Robin Maag (Göttingen) aber auch der Artikel von Julian Pfleging (Kassel). Erfreulicherweise gibt es aber auch gegenläufige Tendenzen, wie der Bei-trag über die „Göttinger 10“, oder die Artikel über das Kasseler Bahnhofs-/Schil-lerviertel, oder auch den Forstfeldgarten im Kasseler Osten aufzeigen.

Eine erhellende Lektüre wünscht

Harald Wörner (Redaktionsleitung Kassel)

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TAGESSATZ INTERNATIONAL

* NICK SCHNEUNEMANN VOR ORT IN MAROKKO

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Kultur und Kommerz

Der Bus holpert über die schma-le Küstenstraße, links von uns bietet sich ein malerischer

Ausblick über den grauen, aufgewühl-ten Atlantik. Die aggressive Geräusch-kulisse der Riesenbaustellen macht die optische Idylle jedoch zunichte.

Thagazout Beach, Marokko, ist ein Ort, der zur Zeit unter Surfern hoch im Kurs steht - mit sichtbaren Fol-gen. Der lang gezogene, breite Strand, der sich südwestlich des kleinen Or-tes auf einigen Kilometern erstreckt, ist Schauplatz des boomenden Tou-rismus des westafrikanischen Staa-tes. Riesige Infotafeln an den Baustel-len zeigen Bilder von malerischen Lu-xushotels mit Parkplätzen, Pools und Palmengärten.

Mit dem landwirtschaftlichen Sek-tor und dem Phosphatabbau stützt Marokko sich auf nur zwei Wirt-schaftszweige. Die unter Armut lei-dende Monarchie wendet sich daher seit Jahren zunehmend dem Touris-mus zu. Immerhin 10 Millionen Tou-risten, vornehmlich Europäer, konnte das Land alleine 2013 anlocken. Die großen Baustellen entlang der Küsten-linie zeugen von hohen Investitionen aus dem Ausland - Hotelketten, Ban-ken, Fastfood-Restaurants öffnen al-lerorts ihre Türen.

In Marokko ist der Tourismus auf dem Vormarsch. Was zunächst als ein Segen für die arme Bevölkerung anmu-tet, könnte sich als ernstzunehmende kulturelle Bedrohung entpuppen.

Auch kleine Orte wie das beschauli-che Thagazout machen einen immen-sen Wandel durch. Das Leben auf der Straße ist auf die Touristen ausgerich-tet. Sieht man europäisch aus, kann man sich ganzer Armeen von Stra-ßenhändlern und Führern, Bettlern und Dealern kaum erwehren. In Tha-gazout kann man in etwa jedem drit-ten Haus Räume mieten. Die schma-len Gassen sind bunter als der Rest des Landes, die Leute offener. Plötz-lich begegnet man Menschen, die flie-ßend englisch sprechen. Man zieht sich westlicher an, es sind erstmals Paare zu sehen, die sich in der Öffent-lichkeit küssen, Marokkaner auf der Straße fluchen gottlos auf englisch.

Backpacking, das alternative Ruck-sack-Reisen in oft ärmeren Ländern, macht hier den Anfang der Touristen-welle. Junge, offene Europäer oder Amerikaner auf der Suche nach etwas anderem abseits der Pauschalurlaube und Luxushotels. Natürlich hat die-ser Trend etwas Gutes. Arme Fischer-dörfer wie Thagazout können sich aus dem Elend befreien, unterschied-lichste Kulturen und Gruppen treffen hier auf engsten Raum aufeinander und treten in regen Kontakt. All das macht Thagazout zu einem angeneh-men, verrückten und aufregenden Rei-seziel. Wären da nicht die Baustellen.

Bei ihrem Anblick beschleichen einen Zweifel an der vorbehaltlosen Förde-rung des Tourismus in Ländern wie Marokko. Die nahe Zukunft scheint in Stein gemeißelt. Mit den Hotels kommen Angestellte und neuer Wohn-raum. Besser bezahlte Jobs und hin-zuziehende Führungskräte lassen Mie-ten und Preise steigen. Die verruch-te Atmosphäre, die zahnlosen rau-chenden Fischer auf der Straße, die verrückten Touristen mit Dreadlocks und Piercings, die Menschengruppen auf der Straße, scheinbar zufällig aus aller Herren Länder zusammengewür-felt, werden vertrieben. So ist es kei-ne 100 Kilometer von hier in Agadir passiert. Pauschalurlauber, Animateu-re in „traditionellen“ Outfits, Luxus-restaurants und Boutiquen vertreiben den regionalen Charakter Agadirs. Was übrig blieb ist eine graue Ein-heitsstadt, eine gepflasterte Strandpro-menade, ein Meer, welches hinter Un-mengen von Hotelriesen verschwin-det und eine Art Tourismus-bedingte Gentrifizierung. Ein Unglück für den interessierten Reisenden und vor al-lem für eine alte, ehrwürdige Kultur, die hier die Wahl hat, zur Belustigung anderer kommerzialisiert und vorge-führt zu werden oder aber gänzlich der kulturellen Invasion des Westens zu erliegen. *

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INHALT

* GRÜN STATT STADT8 Chancen im Bahnhofsquartier und Schillerviertel NORA MEY

10 Gärtnernd die Stadt verwalten HARALD WÖRNER UND CHARLIZE MÄRZ

12 Wie wollen wir wohnen? PAUL HILDEBRANDT

14 Unterm Mietspiegel GEREON MEWES UND ROBIN MAAG

tagesklatsch mit kaffeesatz

6 mit STEFAN MARQUARD UTE KAHLE

GÖTTINGEN18 Ein Garten für uns alle NIKI WILDBERG

19 Im Kreislauf für die Nachhaltigkeit FRANZISKA LUIG

20 Es wird Sommer – ein Kultursommer UTE KAHLE

KASSEL22 Essen aus der Mülltonne CHARLIZE MÄRZ

24 Gentrifizierung und der Vordere Westen JULIAN PFLEGING

25 Gut ist bös‘, und bös‘ ist gut KATHARINA SCHWARZ

RUBRIKEN3 Editorial

4 TagesSatz International

16 Der Stolperstein

17 Paragraphenreiter

21 Der Comic

26 Kultur-Empfehlungen

28 Straßengeflüster

* Gedanken eines

TagesSatz-Verkäufers

29 Die Kochnische

30 Hinter den Kulissen

31 Zwischen den Zeilen

32 Was es sonst noch gibt

33 Der Ticker

Nächstes Mal

Impressum

34 Wohin, wenn

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DAS GESPRÄCH

tagesklatsch mit kaffeesatz

* UTE KAHLE IM GESPRÄCH MIT STEFAN MARQUARD

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Herr Marquard, sie sagen: „Küche rockt“. Welche Phi-losophie steckt dahinter?

Im Leben gibt es einfach verschiede-ne Episoden. Ungefähr in einem Zehn-Jahres-Rhythmus. Da legt man Wer-tigkeit auf Dinge. Für uns Köche war es eine Zeit lang die Italienische Kü-che, dann war das Thema abgehakt und dann war es das Thema Cross-Over. So durchgeknallt, so verrückt, so provokant wie möglich. Und dann das Thema Catering, wie kann ich das Catering zur Perfektion machen.

Hat sich das heute gewandelt in eine gesunde Küche?

Ja, nun haben wir jetzt die Geschich-te „gesund“. Nachhaltig, mit Respekt. Irgendwann wird die Sache ja langwei-lig und du brauchst wieder neue Aufga-ben. Und die gesunde Ernährung, diese

„Sonst fährt die Kiste an die Wand“

Stefan Marquard, der Rock-Chef, war zu Gast in der Lokhalle und sprach zwischen seinen Bühnenauftritten mit dem Tagessatz im Kaffeklatsch über alte und neue Werte, Schulmen-sen, Honigkraut, seine Aufgaben als Familienvater und Koch und über seine Zukunftspläne.

neuen Gerichte, das ist jetzt mein Baby. Wo ich jetzt richtig Lust habe für die nächsten 10 Jahre richtig dran zu arbei-ten. Auch an Schulen zu gehen.

Wie schaffen sie es, eine Aufklärung über gesunde Küche an Schulen zu bringen?

Wir machen jetzt eine Road-Tour durch Bayerns Schulen zu diesem The-ma. Die Schulköche unterstützen im-mer ein Kind dabei, bei der Vor- und Zubereitung und immer im Rhythmus, immer aus jeder Klasse, immer jeweils ein Kind und das Projekt läuft über die gesamte Schulzeit. Der Plan dahinter: Dass wir wieder eine Generation ha-ben, die zu Hause kochen kann. Weil, die brauchen wir dringend. Und na-türlich auch die Kantinenköche, die müssen ja auch mit dem Schulessen Geld verdienen. Daher machen wir auch Aufklärung der Eltern und Dis-

kussionsforen mit den Eltern und dem Elternbeirat, dass man ein paar Tipps zum Schulessen geben kann, und wie es zu Hause umgestaltet wird. Die Hoff-nung stirbt zum Schluss.

Wo sehen sie hierbei die größten Schwierigkeiten?

Es ist wirklich schwierig und da sind auch an erster Stelle die Eltern gefor-dert, die Lehrkräfte, es hilft ja nix wenn ich den Kindern sage: „Ab in die Men-sa!“, und sie essen doch wo anders.

Betrifft das nur die Schule?

Gemeinsam mit den Kindern Essen, in welche Hand muss ich das Besteck nehmen, wie geh ich mit dem Teller um, wie serviere ich, wie bringe ich die Geschmäcker raus. Es sind ganz einfache Dinge, aber das muss wie-der gemacht werden.

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DAS GESPRÄCH

Sind diese Werte altmodisch oder nur in der neuen Lebensplanung oft nicht mehr vorgesehen?

Ich sage einfach, wenn man sich ent-scheidet eine Familie zu haben, dann muss ich mir das einfach mal vorher überlegen. Wie mache ich es? Ist ein Elternteil daheim? Was möchte ich im Leben erreichen? Dieses Leuchtturm-setzen - wo soll meine Lebensreise hin gehen? Was möchte ich erreichen und was muss ich dafür tun? Und wenn ich Familie haben will, dann habe ich die Verantwortung auf mich genommen die Kinder aufzuziehen und dann muss ich sie mit auf die Lebensreise nehmen, dann muss ich sie mit einplanen. Ich kann sie doch nicht links liegen lassen.

Liegt das an allgemeiner Faulheit?

Nein, das ist nur ein Teil davon, da ist auch ganz viel Frust und ganz viel Unwissenheit. Die Generation El-tern, die jetzt dran sind, wissen vieles nicht mehr. Weil sie einfach nur arbei-ten, arbeiten, ar-beiten, arbeiten, arbeiten.

Aber es gibt doch jeden Tag im Fern-sehen Kochsendungen?

Also, ich glaub bald: Je mehr im Fern-sehen gekocht wird desto schlechter wird daheim gekocht.

Gibt es einen Trend zu Convienience für jedermann?

Ja, ich habe Seminare, Shows, Vorträ-ge und Bücher zu gesundem Kochen gemacht. Aber am Ende gehen sie ein-kaufen, da, wo sie es tiefgekühlt kau-fen können und schieben es rein. Es wird den Leuten da draußen auch ver-lockend einfach gemacht. Es gibt viel Mist und aber auch inzwischen ganz tolle Produkte, da muss man die Ba-lance finden.

Was halten sie von der neuen Live-Work-Balance?

Wir nehmen leider immer die Dinge wie sie sind. Wenn die jemand aufdrö-selt, und wir erst mal die wichtigen Sa-

chen machen, dann ist auch Zeit für den Rest. Das Thema Zeitmanage-ment in der Familie ist ein ganz gro-ßer Punkt.

Also ich denke wir werden dahin kommen, das man wirklich die Fami-lie, oder die Kommune oder einfach die Gruppe, in der wir leben, als klei-ne Firma strukturieren muss. Wirklich so führen muss wie die kleine Firma. Sonst fährt die Kiste an die Wand. Es klingt saublöd, aber es ist so. Diese Scheißglobalisierung noch dazu. Wir müssen ja jetzt jeden Tag mindestens zwei Mal warm essen und wir müs-sen jetzt jeden Tag mindestens zwei Mal Fleisch essen. Wenn wir das ma-chen würden wie früher, dann würde die Kohle auch wieder reichen.

Es gibt schöne Suppen, Pellkartoffeln mit Quark - wie geil ist denn das - ein-fach solche Dinge. Wenn man das wie-der leben würde, wie früher. Würden wir uns bewusst und gesund ernäh-ren, könnten wir uns das alles leisten

und könnten die Woche planen. Wo-mit wir wieder beim Thema Zeitma-nagement wären. Und da müssen wir dringend hin, sonst fährt die Kiste an die Wand. Und zwar bald. Weil, die Spätfolgen, was da draußen passiert mit den Kindern, Übergewicht, Alters-Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfälle - und das alles bei Kindern - das kommt nicht von ungefähr.

Kann man beim Kochen Zucker gu-ten Gewissens durch Stevia ersetzen?

Es geht gut mit Stevia statt Zucker. Stevia kommt von den alten Azte-ken, das war eines der heiligen Kräu-ter von denen, das sogenannte Honig-kraut. Und dieses Honigkraut ist heut-zutage als Stevia im Handel erhältlich.

Was wird der neue Trend werden?

Also ich würd sagen, vegetarisch und vegan. Und wenn ich einem Gemüse die gleiche Wertschätzung gebe wie ei-nem Stück Fleisch, dann schmeckt es uns auch genauso gut.

Muss es immer Bio sein?

Ich sag jetzt einfach mal, wir dürfen die Discounter auf keinen Fall ver-teufeln. Wir haben sie gerufen und sie sind die Einzigen, die auf den Ruf reagiert haben. Die haben sich unseren Bedürfnissen angepasst. Mittlerweile haben die so einen Umschlag, das sie das frischeste Obst und Gemüse weit und breit haben. Und mittlerweile ha-ben die natürlich auch eine Bioschie-ne mit drin und dann haben sie Eigen-marken, damit kann ich eine schöne Mischung machen. Da stell ich mir aus Gemüse und Eigenmarken was zusam-men und im Premiumbereich kann ich dann Fleisch oder Fisch dazu nehmen und es ist ausgewogen. Ich muss halt einen Plan machen. Wie gestalte ich das und ich muss natürlich einen Fi-nanzplan machen. Wo kann ich Mehr-wert draus ziehen, wie es die Oma frü-her gemacht hat, was kann ich weiter verwenden. Es ist eigentlich ganz ein-fach, nur die Aufklärung fehlt. Es ist halt wichtig. Es sind Lebensmittel, es

gehört zu unserer Kultur dazu zu kochen und es ge-

hört zu unserem Alltag dazu. Das so-ziale Dasein, das Miteinander.

Gesund ernähren, bewusst ernähren, gesund bewegen, bewusst bewegen, Bewegung als Selbstverständlich-keit. Die Ausgewogenheit zwischen den Medien und Bewegung. Das ist die Monsteraufgabe für die nächsten 20 Jahre.

Sie machen ja auch Musik, könnte das ein zweites Standbein werden?

Nein, ich bin vom Professionellen ganz weit weg. Ich spiele Gitarre, Hardcore und Punk, mach auch ab und zu den Gastgitarristen, ich kann keine Noten, aber zu singen versu-che ich auch ab und zu mal. Es hat mit Professionalität null zu tun und mit Können auch Null. Purer Spaß. Was ich aus einer Gitarre herausho-len kann, ist unglaublich.

Danke für das Gespräch. *

„Wie es die Oma früher gemacht hat“

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TITELTHEMA

* NORA MEY

Der Gast ist im Jugendstil-Ho-tel in der Erzbergerstraße in Hauptbahnhofsnähe abge-

stiegen. Während er sich über ein or-namental üppig ausgeschmücktes Fo-yer freuen konnte, hat ihn das Zimmer vermutlich schon enttäuscht: Veralte-tes Mobiliar, nicht gerade stilvoll. Tritt er dann vor die Tür und verirrt sich nach links ins Quartier, so darf man sich nicht wundern, wenn er schnell in den Tenor einstimmt: „Oh je, Kassel! Was für eine hässliche Stadt!“

Bahnhofsviertel gehören eher selten zu den bevorzugten Gegenden. Dieses hier in Kassel – im Krieg heftig bom-benzerstört – erscheint als besonders wenig attraktiv. Geht man zunächst

Chancen im Bahnhofsquartier und SchillerviertelNordöstlich vom alten Haupt-

bahnhof gelegen: Straßen mit einzelnen alten Gebäuden, vielen Häusern von der sehr schlichten Sorte aus den 50er Jahren, noch große Lücken dazwischen mit ebenso großen ungepflegten Hinterhöfen, hauptsächlich als ungeordnete Parkplätze oder mit Kleingewerbe-Bauten aus-gestattet. So der erste Eindruck.

die Werner-Hilpert-Straße hinunter, so stößt man auf Nachtclubs, unattrak-tive Ladenfronten und übersieht fast, dass linkerhand schon Scene-Locati-ons wie die Lolita-Bar, das ARM oder die „Weinkirche“ zu finden sind. Letz-tere ist ein wohl einmaliges unterirdi-sches Lager einer Weinhandlung, das die Form einer Kirche hat. Zur Muse-umsnacht mit 1000 Kerzen beleuchtet, offenbart der Keller sich als ein ziem-lich einmaliger Ort. Für besondere Events, Feiern, Dinner, kann er ange-mietet werden. Die Hinterhöfe hinter den Szene-Lokalen sind begrünt und mit alten und fantasievollen Sitzgele-genheiten ausgestattet.

Von der Werner-Hilpert-Straße biegt man in die besagte Erzbergerstraße. Die 50er-Jahre-Bebauung ist von der einfachsten Sorte, meist ist den Häu-sern nicht einmal ein neuer Anstrich gegönnt.

Der kreuzende Grüne Weg ist breit und trist und öffnet sich nach links zu einer öden Verzweigung – Freiflä-

*

Herausforderung Chasalla Fabrik

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TITELTHEMA

che, die für keine Nutzung außer zum Durchfahren gut ist. In Richtung Lu-therplatz aber übersieht man schon wieder etwas, das als Bereicherung angesehen werden muss: Ein Zentrum für alternativen Tanz hinter einer ge-schlossenen Fassade.

Parallel zur Erzbergerstraße verläuft die Sickingenstraße, ebenfalls keine geschlossene Bebauung, Gewerbebe-triebe, die nur zum Teil aufgeräumt und prosperierend wirken. Dann aber auf der rechten Seite die Chasalla-Fabrik, eine alte Schuhfabrik, ein rich-tig schönes altes Gebäude mit gro-ßen Fenstern, einem Innenhof mit ei-nem netten Cafe und das ganze gro-ße Gebäude mit Räumen der kreati-ven Dienstleistungsbrache angefüllt.

Wir sind dann auch schon in der Schil-lerstraße, die parallel zur Wolfhager Straße verläuft und ab Sickingenstra-ße durch beidseitige Bepflanzungen mit Bäumen einen deutlich freundli-cheren Eindruck macht. Es gibt noch alte Gründerzeit-Ziegelsteinbauten und die 50er-Jahre Bebauung wirkt meistens gepflegter, auch nettere ge-ordnete Hinterhöfe sind durch Tor-Eingänge zugänglich.

In Richtung Untere Königsstraße liegen zwei große Schulen, modernisiert und erweitert, keinesfalls vernachlässigt.

Der Norden des Quartiers ist durch die Wolfhager Straße begrenzt, viel Durchgangsverkehr, auch von sexy Damen frequentiert, andererseits mit Firmengrundstücken ausgestattet, die wenig einsichtig sind, und - so wie Kraus-Maffei-Wegmann - offensicht-lich auch nicht auffällig sein wollen.

Aber auch hier findet man nette Be-sonderheiten wie das Foto-Hotel, das in alten Gebäuden residiert und mit alternativ-künstlerischen Ausstattun-

gen der Zimmer und der Freiflächen Leute anlockt, die es bunt, kreativ, alternativ mögen. Um die Ecke noch einmal zurück in der Erzbergerstraße punkten Unterkünfte wie Das Fenster zum Hof und das propere Gästehaus Schillerquartier. Daneben zurückge-setzt steht die erst in den 80er Jah-ren stillgelegte Textilfabrik E. Brandt. Dieselben Leute, die in diesem Quar-tier schon als Entwickler tätig gewor-den sind, widmen sich auch dieser al-ten Fabrik und setzen sie für unter-schiedliche Nutzungen instand. Ein besonderes Gebäude dort stellt eine alte Lagerhalle mit Hochregalen dar, die bereits auch für einen Skaterclub anvisiert war.

Vergessen werden sollte nicht das sogenannte „Goldene Loch“ direkt

nordöstlich hinter dem Polizeipräsi-dium am Hauptbahnhof. Der Name „Loch“ ist einerseits der bergigen To-pographie zu verdanken, dabei wurde der Hang aber noch weiter abgetragen um die Bahnhofsfläche zu einer gro-ßen Ebene zu machen. Seitwärts geht eine Straße, die man inzwischen Jose-ph-Beuys-Straße genannt hat, hinun-ter und eine schmale Treppe verbindet die große bedeutsame Arbeitsagentur mit dem Hauptbahnhof. Ansonsten gibt es im „Goldenen Loch“ noch die

ziemlich abgehängte Otto-straße mit ein paar armen al-ten und weniger alten Häu-sern und die Gleisanlagen

des „alten“ Straßenbahntunnels un-ter dem Bahnhofsvorplatz.

Bleibt noch zu erwähnen, dass auf dem nördlichen Gelände des alten Hauptbahnhofs jetzt ein Neubau des prestigeträchtigen Fraunhofer-Insti-tuts für Windenergie und Energie-systemtechnik entsteht, was sicher-lich auf das ganze Quartier ausstrah-len wird.

Interessant ist das Quartier allemal, und hat man sich erst einmal von Schönheitsvorstellungen á la alt und schnuckelig oder neu, elegant, proper verabschiedet, so bietet es ein Areal, das zum Erforschen und zu Initiati-ven reizt. *

Alte Fabriken für neue Ideen

Kreatives Hotel Schillerstraße

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TITELTHEMA

Das Projekt „Essbare Stadt“ in Kassel entwickelt eine lebendige und produktive Stadtlandschaft zur Selbstversorgung von Bürgern. Karsten Winnemuth vom gleichnamigen Verein gewährte uns Einblicke.

Gärtnernd die Stadt verwandeln

Der „urbane Gartenbau“ nutzt Brachflächen zum Anbau von Obst und Gemüse. Nachhal-

tigkeit, die Schonung der Umwelt und bewusster Konsum stehen im Vorder-grund. Denn Bevölkerungs-Wachstum und die Reduktion landwirtschaftli-cher Anbauflächen, zudem verstärkt durch den Klimawandel, stellen eine Versorgung der Bürger nicht mehr ohne Weiteres sicher. Städtisches Gärt-nern gewinnt also nicht nur dort, son-dern auch bei der Armutsbekämpfung an Bedeutung.

Die Vorgeschichte der Idee „Essba-re Stadt“ begann bereits 2004. Initia-tor Winnemuth stellte sie im Kontext der Kulturhauptstadt-Bewerbung als „plan t“ (Trafo Lutherplatz) vor: „Die Überlegung ist ja, dass es von allem genug (engl. plenty) für alle gibt. Die deutsche Entsprechung „plan t“ war da schnell gefunden.“

In der Permakultur schaffen die Ak-teure dauerhafte, nachhaltige und na-turnahe Kreisläufe. Wichtig ist, dass die Systeme Stabilität und Regenerati-onsfähigkeit behalten: „Im Forstfeld-Garten gewinnen wir Wasser für die Pflanzen über Regenrinnen und -ton-nen. Auch ein Brunnen und eine Zi-sterne sind in Planung: Einfach, um mehr Möglichkeiten nutzen zu kön-nen. Eine Funktion soll immer von mehreren Elementen aufrechterhal-ten werden.“ Der Verein hat sich auch zum Ziel gesetzt, die Stadt mit Frucht-gehölzen und Nutzbiotopen anzurei-chern: „Uns geht es da vor allem um *

* HARALD WÖRNER UND CHARLIZE MÄRZ

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* MEHR ZUM THEMA:Essbare Stadt e.V. und andereForstfeld-GartenSteinigkstraße 23 (hinter dem Stadtteiltreff)34123 Kasselwww.essbare-stadt.de

TITELTHEMA

Baumspinat. Der ist ursprünglich im heutigen China oder auch in Nepal heimisch. Mittlerweile trifft man ihn auch in unseren gemäßigten Breiten an. Ein weiterer Vertreter ist der Us-bekische Urapfel (Malus Sieversii), der als Urform unseres heutigen Ap-fels gilt. Nicht zu vergessen: die drei-lappige Papau aus Nordamerika, heu-te eher unter dem Namen „Indianer-Banane“ bekannt.

Im Gemeinschaftsgarten Forstfeld herrscht bezüglich der Anpflanzungen eine Dreiteilung vor. Von der Halte-stelle Forstfeldstraße her kommend, trifft der Besucher zuerst auf den Ein-gangsbereich. Hier im Lerngarten ste-hen Hochbeete, die aus alten Müll-tonnenhäuschen gefertigt sind. Ihnen schließen sich im Gemeinschaftsfeld ein Garten-Pavillon mit allerlei Gerät-schaften, sowie mehrere Parzellen an. Jede Nutzergruppe (Pächter) entrich-tet eine Jahresgebühr von 20 Euro und

kann dann nach Herzenslust auf einer Parzelle oder auch im Gemeinschafts-garten werkeln. Im Mittelteil schließt sich eine Wiese an, auf der überwie-gend Apfel- und Kirschbäume stehen. Im hinteren Abschnitt, dem Obst-baum-Forst, der unmittelbar an die Ochshäuser Straße anschließt, findet man abermals Bäume und eine Viel-zahl neugepflanzter Obststräucher, die sich mit Beeten abwechseln, in wel-chen die Betreiber allerlei Salate, Ge-müse und Kräuter anbauen.

Getragen wird der Gemeinschafts-garten im Wesentlichen von vier Trä-gern. Zum einen ist das die GWG (Gemeinnützige Wohnungsbau-Ge-sellschaft) der Stadt Kassel als Eigen-tümer. Mit im Boot sind der Verein „Essbare Stadt“, dem auch Winne-muth angehört, sowie das Projekt piA-no der GWG, das den Nachbarschaft-streff in der Steinigkstraße 23 betreibt. Nicht zu vergessen: die Mach-Was-Stiftung. Sie alle setzen sich mit Wis-sen, aber auch anderen Mitteln dafür ein, dass in verschiedenen Quartieren Kassels eine wohnungsnahe kulturel-

le Beschäftigung für Kinder, Jugend-liche oder Senioren stattfinden kann. Diese Personengruppen verfügen oft nicht über die entsprechenden Flä-chen, Räume oder Ausrüstungen. So-mit können die Akteure einer gewis-sen Passivität und Vereinsamung vor-beugen, möchten die Menschen aus-drücklich dazu ermuntern, Eigenin-itiative zu entwickeln. Denn die Ge-meinschaft dient auch der Stärkung von Toleranz, Integration und der Ein-übung von Zusammenarbeit.

Der Forstfeldgarten wird mittlerwei-le gut angenommen. Die ersten Nut-zer sind schon morgens um 7.00 Uhr da, um ihre Parzelle zu bestellen. Ge-rade unter Migranten ist er ein be-liebter Treffpunkt für einen Tee zwi-schendurch oder auch private Feiern. „Gerade weil sich hier, abseits offizi-eller Abläufe, ein reichhaltiges Leben etabliert, wünschen wir uns, dass die Stadt(-planung) Gemeinschaftsgärten

als neues Element der Stadtgestal-tung akzeptieren kann“, wünscht sich Gärtner Winnemuth.

Da noch eine Parzelle frei ist, wür-de sich der Verein vorzugsweise über Mitstreiter aus dem Kasseler Osten freuen, da jene die Gartenanlage ver-gleichsweise einfach erreichen. Aber auch Menschen aus anderen Stadttei-len sind willkommen. Aktuell könn-te der Verein einen Schreiner ge-brauchen, der beim Fertigstellen des zweiten documenta-Pavillons helfen möchte.

Im Rahmen des Freiwilligen-Tages, der am Samstag, den 05. 07. 2014 stattfindet, können Kasseler Bewoh-ner mithelfen, die Wege, die bisher noch geschottert und verdichtet sind, mit Platten dauerhaft zu befestigen. So wäre es künftig auch Senioren oder Rolli-Fahrern möglich, sich im Ge-meinschafts-Garten mit zu betätigen.

plan t – Genug für alle

Artenvielfalt und Lebendigkeit. Wir sind bemüht, alte Sorten zu erhalten und Wildsorten für die Zukunft zu bewahren.“

Der Aspekt Multifunktionalität ist ebenfalls wichtig: „Im Garten sol-len sich ein hoher ästhetischer Wert und nutzbare Erträge nicht gegensei-tig ausschließen.“ Über alternative Anbaumethoden gewinnen die Ak-teure neue Erkenntnisse, setzen sich damit auch aktiv für Antworten auf den Klimawandel ein. Der Verein for-ciert gerade auch im Forstfeld-Gar-ten eine nachhaltige und produktive Flächennutzung. Gemeinsames Gärt-nern stärkt überdies den Zusammen-halt, trägt zur Bewusstseinsbildung bei, vermittelt Kulturtechniken, wie etwa Pflanzen, Baumpflege oder Ver-edelung. Soziale und ökologische Ver-antwortung bilden sich aus und es er-wächst Gestaltungs-Kompetenz.

Der „Essbare Stadt e. V.“ möch-te noch weitere Flächen für loka-le Nutzpflanzen-Produktion er-schließen. Damit soll auch die kommunale Resilienz (Widerstandsfä-higkeit) gestärkt werden: „Bei schäd-lichen Außenreizen, wie einem Un-wetter, soll das Ökosystem seinen in-ternen Zusammenhalt bewahren und weiter funktionieren können“, so der Gärtner. Schlussendlich leisten alle Mitstreiter, die zusammen den Forst-feld-Garten betreiben, damit auch ei-nen Beitrag zur Relokalisierung der Nahrungsmittelproduktion: „Die Nutzer können einheimische Arten und Sorten verwerten, anstatt Obst und Gemüse kaufen zu müssen, die über den halben Erdball gereist sind.“

„Unser Vorteil ist unsere gute Vernet-zung“, so Winnemuth im Interview. Denn der Verein „Essbare Stadt“ ist auch Teil der Transition-Town-Bewe-gung. Transition Town meint in etwa Stadt im Wandel: „Wir sind nicht nur lokal, sondern auch überregional gut verbunden. So gehen wir zu den jähr-lichen Treffen der Kleingartenverei-ne, um uns mit ihnen auszutauschen.“

Ganz konkret kümmern sich die Men-schen im Forstfeldgarten um den

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* PAUL HILDEBRANDT

Zehn Menschen wohnen zu-sammen in einem Haus, es gibt nur eine große Küche,

gemeinsame Einkäufe, alles ist ir-gendwie basisdemokratisch organi-siert: das klingt erst einmal nach ei-nem Aussteigertraum irgendwo auf dem Land. Tatsächlich aber liegt die-ses Haus mitten in der Göttinger In-nenstadt und die BewohnerInnen sind weit davon entfernt, die Gesellschaft hinter sich zu lassen.

„In diesem Haus zu leben bedeutet vor allem, sich untereinander auszu-tauschen, sich gemeinsam zu organi-sieren“, versucht Kasi das Besondere an ihrer Wohnsituation zu beschrei-ben, „und natürlich auch so weit es geht gesellschaftliche Ideale im Alltag auszuprobieren.“ Sie wohnt seit sie-ben Jahren in der Gotmarstraße 10, oder G10, wie die BewohnerInnen ihr Haus nennen. Es ist idyllisch dort mit der riesigen Wohnküche, dem Trep-penhaus mit den alten Dielen und gro-ßen Fenstern und der selbstgebauten Terrasse, auf der man sich zum Rau-chen und Kaffeetrinken trifft. Wäre das von außen unscheinbare Haus in

Wie wollen wir wohnen?In der Göttinger Innenstadt verwalten BewohnerInnen ihr Haus selbst. Neben der Ver-wirklichung individueller Freiheit kann dieses Modell auch unser Stadtbild verändern.

der Gotmarstraße ein normales Miets-haus, wäre es für die BewohnerInnen vermutlich unbezahlbar. Aber die G10 ist eben kein normales Haus.

Als das Studentenwerk das vom Abriss bedrohte Gebäude in den 70er Jahren von der Sparkasse anmietete, konn-ten die Verantwortlichen nicht ahnen, was später daraus werden würde. Un-ter dem Druck des Wohnungsmangels und der immer populärer werdenden HausbesetzerInnen-Szene sollte das neu geschaffene Wohnheim die Situa-tion etwas entspannen. Wie auch in anderen Häusern der Stadt brachen Studierende jedoch die festen Wohn-strukturen auf und entwickelten ein offenes Wohnprojekt, das mehr und mehr selbst verwaltet wurde. Sie woll-ten nicht, wie vom Studentenwerk vor-gesehen, in einzelnen Zimmern neben-einanderher leben, sondern gemeinsam ihr Zusammenleben gestalten.

2007 entschließen sich die Bewoh-nerInnen dann das Haus zu kaufen. „Ein Haus selbst zu verwalten bedeu-tet Unabhängigkeit: kein Ärger mehr mit Vermietern, keine Angst vor poli-

tischer Umstrukturierung oder unge-zügelten Mietpreissteigerungen“, be-gründet Maja, die bereits seit fünf Jah-ren in der G10 lebt, die Entscheidung. Erst einmal bedeutet es jedoch eine Menge Aufwand. Die BewohnerInnen gründen einen Verein, lesen sich in Fi-nanzierungspläne ein, treffen sich mit Organisationen, die Hauskäufe un-terstützen, werben um Direktkredite. Obwohl sie einen Freundschaftspreis bekommen, geht der Preis des Hau-ses in Innenstadtlage in die Hundert-tausende. 15 Jahre soll es dauern, bis alle Kredite abgezahlt sind.

Doch der Hauskauf ist genau durch-gerechnet. Die Miete der Bewohne-rInnen wird genau so hoch angesetzt, dass die Kredite abgezahlt werden, Geld für die Instandhaltung zur Ver-fügung steht und sogar noch ein klei-ner Überschuss bleibt. Das Besonde-re an diesem Kauf: Das Haus gehört nicht allen KäuferInnen zusammen, sondern wird in eine Struktur über-führt, in der nur die BewohnerInnen das Haus besitzen. Zieht eine Person aus, gibt sie ihr Recht an den oder die neueN MieterIn ab.

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erfahrene HauskäuferInnen, zum an-deren zahlt jedes neue Projekt einen Teil ihrer Miete in das Syndikat ein. Davon werden dann neue Projekte unterstützt: ein Schneeballeffekt also.

Auch die G10 sieht sich als Anlauf-stelle für Interessierte. Sie hatten sich damals bewusst dafür entschieden, den Hauskauf selber durchzuziehen, um komplett unabhängig zu sein. Das Haus in der Gotmarstraße soll näm-lich nicht nur einen Wohnraum dar-stellen, sondern auch einen politisch

aktiven Ort mitten in Göttingen bil-den. „Unser Verein fördert politische Veranstaltungen; mit den eingezahl-ten Überschüssen wollen wir außer-dem andere Projekte fördern, wie zum Beispiel Antirassistische Initiativen hier in der Stadt“, formuliert Kasi die Ziele der Gotmarstraße 10. Auch als Beratungsstelle für andere Hauspro-jekte will sich der Verein zur Verfü-gung stellen.

Potentielle InteressentInnen sind in Göttingen jedenfalls zur Genüge vor-handen. So verwaltet das Studenten-werk zum Beispiel noch immer gro-ße Häuser, wie es die Gotmar frü-her einmal gewesen ist. Aber seit der Geschäftsführer Jörg Magull ange-kündigt hat, alle kleinen Wohnheime

„Selbstverwaltetes Wohnen ist machbar“

Das Prinzip des kollektiven Hauskaufs ist dabei kein Göttinger Einzelfall. In ganz Deutschland schließen sich seit vielen Jahren Menschen zusammen, um mitten in Städten Hausprojek-te zu gründen. Das wohl bekannte-ste Konzept kommt aus Freiburg und nennt sich „Mietshäusersyndikat“. Das Freiburger Projekt wurde 1992 als „Mietshäuser in Selbstorganisa-tion“ von ehemaligen Hausbesetze-rInnen gegründet. Die Idee dahinter: Auch HausbesetzerInnen sind Men-schen. Lockt das große Geld, kön-nen auch idealistische Be-wohnerInnen schwach wer-den – und viel zu schnell werden freie Wohnräume zu teuren, privaten Immobili-en. Um das zu verhindern entwickel-te eine Gruppe junger Freiburger das Konzept eines unabhängigen Vereins, der im Zweifelsfall das letzte Wort in der Entscheidung über die Immobi-lie hat. Es gibt also genau zwei Stim-men, die über die Zukunft des Hau-ses entscheiden: Das „Syndikat“ und die BewohnerInnen.

Nachdem die ersten Häuser in Frei-burg in diese Form der Selbstverwal-tung überführt worden waren, ent-wickelte sich der Verein schnell zum Erfolgsmodell. Mehr als 80 Häuser sind mittlerweile im Mietshäusersyn-dikat organisiert, ständig bekommt der Verein neue Anfragen. Der Vorteil für die beitretenden Häuser liegt da-bei zum einen in der Beratung durch

schließen zu wollen und das selbstver-waltete Leben der Studierenden weiter einschränkt, wächst dort der Unmut.

Dabei könnten Hausprojekte einen wichtigen Beitrag zur Stadtentwick-lung der Studentenstadt beitragen. Schon seit einigen Jahren steigen die Mieten rasant an, Wohnraum wird immer knapper – es findet ein Ver-drängungsprozess statt, den man sonst aus Großstädten wie Berlin und Ham-burg kennt. Die G10 ist für Maja da-her auch eine Reaktion darauf: „Auch

wenn das jetzt ein wenig pa-thetisch klingt: Selbstverwal-tetes Wohnen kann eine Ant-wort auf diese aktuellen Pro-bleme bieten.“

Klar ist jedoch auch, dass so ein Hausprojekt kein Selbstläufer ist. In der G10 bemühen sich die Bewohne-rInnen so viel wie möglich selbst zu machen. Es gibt Arbeitskreise für den Finanzplan, anfallende Tischlerarbei-ten, Verwaltungsaufgaben. Einmal im Monat treffen sich alle BewohnerIn-nen zum Plenum und bemühen sich, bei Entscheidungen einen Konsens zu finden, was bei einer Altersspanne zwi-schen 26 und 40 Jahren nicht immer ganz einfach ist. „Ich kann mir mitt-lerweile aber kein anderes Leben mehr vorstellen“, erklärt Maja, während die letzten Sonnenstrahlen die kleinen Ge-müsepflanzen auf der Terrasse anstrah-len – und auch Kasi betont: „Selbst-verwaltetes Wohnen ist machbar“. *

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TITELTHEMA*

* GEREON MEWES & ROBIN MAAG

Sucht man in Göttingen eine Woh-nung, so muss man schon bald feststellen, dass es nicht billig ist,

sich in dieser schönen Stadt ein nettes kleines Häuschen mit Garten für sei-ne Familie zu kaufen. Schon in Grone muss man dafür gut 200.000 Euro be-zahlen und versucht es man gar in der Innenstadt oder im Ostviertel, so wird man mit einer halben Million schon fast nicht mehr fündig. Doch die we-nigsten „Neugöttinger“ oder Sozial-hilfeempfänger haben sich so viel Geld angespart und suchen deshalb eine Mietwohnung. Hinzu kommt, dass vie-le Sozialhilfeempfänger über der von der Bundeswohngeldtabelle festgesetz-ten Mietkostengrenze liegen oder der Vermieter die Miete diesem Satz immer mehr anpasst. So müssen Sozialhilfe-empfänger nach einer Erhöhung ihrer Miete an anderen Stellen sparen, für eine Familie eine fast unmöglich Auf-gabe. Seit 2013 werden in Göttingen ca. 2000 sogenannte Bedarfsgemein-schaften aus zwei Personen aufgefor-dert, ihre Unterkunftskosten zu senken. 2013 wurde beschlossen, das die Mie-tobergrenze einer Bedarfsgemeinschaft von 435 Euro auf 381 Euro ohne Heiz-kosten gesenkt wird. Oftmals ist der Umzug der einzige Ausweg und die alte Wohnung lässt sich nicht mehr halten. Doch die Möglichkeiten, eine Sozial-wohnung unter dieser Grenze zu fin-den, sind dann gerne Adressen wie die Groner Landstraße 9a oder der Hagen-weg. Die Wohnungs- und dementspre-chend auch die Mietqualität sinkt mit einem solchen Umzug. Die Sozialwoh-nungsknappheit in Göttingen lässt den Sozialhilfeempfängern, die zwangswei-se umziehen müssen, wenig Wahlmög-lichkeiten, eine geeignete Wohnung zu finden. Katharina Simon, Oberbürger-meisterkandidatin in Göttingen fordert deshalb eine Art Bestandsschutz für So-

Wohnen in Göttingen ist teuer. Nicht nur Sozialhilfeempfänger, sondern auch Studenten haben Probleme, eine bezahlbare Woh-nung zu finden. Woher kommen diese Probleme und wie lassen sie sie sich lösen?

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zialhilfeempfänger. Diese würde den Vermietern Grenzen bei der Erhöhung der Miete für die Sozialhilfeempfänger setzen. Sie fordert auch eine bessere de-zentrale, integrative Unterbringung der Sozialhilfeempfänger. Die Stadt Ham-burg geht mit seiner Sozialwohnungs-politik in diese Richtung und so müs-sen Vermieter großer Wohnungskom-plexe eine bestimmte Anzahl von Woh-nungen mietgünstig vermieten. Es ent-stehen weniger „Ballungspunkte“ bei niedrigpreisigen Wohnkomplexen, die wie in Göttingen oft nicht in gutem Zu-stand gehalten werden.

In Göttingen sind die Preise so hoch, wie fast nirgendwo in Deutschland und das, obwohl die Einwohnerzahl nicht steigt und die Stadt ständig grö-ßer wird. Vor allem kleine Wohnun-gen für Einzelpersonen sind im letz-ten Jahr noch einmal teurer gewor-den. Und das ist vor allem ein Pro-blem für Studierende, die nach Göt-tingen kommen, gerade jetzt, wo die Uni ange-kündigt hat, bald noch mehr Studenten auf-nehmen zu wollen. Sollten diese am Ende doch nicht viel von der Studien-gebühren-Streichung haben, weil sie noch mehr für ihre Wohnung bezah-len müssen? Es scheint fast so, denn die vom Studentenwerk Göttingen finan-zierten Projekte müssen seit Neuestem sparen. „Früher haben die Studenten-werke Landes- und Bundesmittel er-halten, die jetzt aber ersatzlos gestri-chen wurden. Damit ist es nicht mehr möglich, Neubauprojekte zu starten“, so Danny Kaiser, der Oberbürgermei-ster des Studentendorfes Göttingen, das zurzeit knapp 500 Studenten be-herbergt und so zu den größten Studen-tenwohnheimen in Göttingen gehört. Neubauprojekte, die vom Studenten-werk gefördert sind, würden günstigen und für Studenten attraktiven Wohn-raum schaffen. Doch die Frage ist, wie-so wir überhaupt neuen Wohnraum brauchen, wo doch immer neue Häu-ser entstehen und auch ehemals un-genutzte Flächen wie das IWF-Gelän-de, um das es lange Diskussionen gab, wohl bald bewohnbar werden. Das Problem liegt darin, dass es durchaus genügend Wohnraum gibt, dieser aber

wegen hochpreisigen Verkäufen zu teu-er ist. Nach einer von der Stadt in Auf-trag gegebenen Studie von 2013 des Wohnforschungsinstituts Gewos liegt das Problem auch darin, dass „nicht alle preisgünstigen Wohnungen auch von einkommensschwachen Haushal-ten bewohnt werden.“ Allgemein gäbe es nicht genügend günstigen Wohn-raum und längst nicht genügend So-zialwohnungen. Auch ein stetiges Er-höhen der Mieten durch die Vermieter senkt die Zahl der mietgünstigen Woh-nungen und vor allem bei einer Wie-dervermietung kann der Mietpreis ei-ner Wohnung schnell in die Höhe stei-gen. Das genau soll die 2015 kommen-de Mietpreisbremse verhindern. Über einen Mietspiegel soll die „ortsübli-che Miete“ für die Wohnung ermittelt werden und der Mietpreis darf zu einer bestimmten Prozentzahl nicht darüber liegen. Zusätzlich darf der Mietpreis ei-ner Wohnung in drei Jahren um nicht mehr als 15 Prozent steigen. Doch wie

Danny Kaiser, der einen guten Einblick in die Wohnungspolitik hat, erklärt, lassen sich viele Schlupflöcher in die-sem Gesetz finden, die die Grenze auf-heben. So lässt sich fragen, ob die Miet-preisbremse letztendlich dem „kleinen Bürger“ zu Gute kommt oder nur ein gehyptes Polit-Thema ist.

Nach Meinung der Kandidatin Katha-rina Simon liegt das daran, dass „in den letzten zwanzig Jahren absolut hoch-preisig gebaut wurde.“ Auch die Stadt soll, ihrer Ansicht nach, ihren Beitrag mit hochpreisigen Verkäufen und der Unterstützung der Wohnungsbauge-nossenschaften dazu geleistet haben, dass es in Göttingen nun zu viel zu teu-ren Wohnraum gibt. Ihre Lösung ist, dass „die Stadt darauf bestehen sollte, dass Investoren 30 Prozent des neu ge-bauten Wohnraumes zu sozialverträgli-chen Preisen vermieten.“ Auch das In-stitut Gewos hat einen ähnlichen Vor-schlag. So sollen Investoren Förderun-gen bekommen, wenn sie bei Neubau-projekten alten, im Bestand vorhande-nen Wohnraum mietpreis- und bele-gungsgebunden vermieten. Das heißt,

dass einkommensschwache Mieter ge-fördert werden und mehr Sicherheit be-kommen. Sehr wichtig sei auch, dass alter, vorhandener Wohnraum nicht nur günstig bleibt, sondern auch en-ergetisch saniert wird, um langfri-stig bewohnbar zu bleiben. Das Stu-dentendorf Göttingen macht deshalb mit den kommenden Sanierungen al-les richtig, obwohl wegen den fehlen-den Fördergeldern die Standards ge-senkt werden müssen. Denn es ist bes-ser, langfristig günstigen Wohnraum zu haben, als Wohnraum, der so endet wie die Geiststraße 10, die vor knapp einem Jahr besetzt wurde. Doch das Problem mit den fehlenden günstigen kleinen Haushalten wird bleiben und sich nach Prognosen sogar noch ver-stärken. Danny Kaiser vom Studenten-werk geht sogar schon so weit, dass er die Lösung für das Wohnungsproblem außerhalb Göttingens sieht. Katharina Simon von den Piraten glaubt diese in der Nutzung des Leerstandes und alter

Industrieflächen. Wenig-stens die Göttinger SPD, Grüne und Linke konn-ten sich für die Oberbür-

germeisterwahl auf eine gerade Li-nie im Bereich Stadtentwicklung ei-nigen. Der Oberbürgermeisterkandi-dat der SPD versprach, kein öffent-liches Eigentum mehr zu privatisie-ren und sieht den sozialen Wohnungs-bau als einer seiner größten Aufgaben. Ob das nur Versprechungen sind, um das linke Spektrum auf sich zu verei-nen oder ob Göttingen in den näch-sten Jahren vornehmend Industrie- und Gewerbeflächen fördert, wird sich zei-gen. Fest steht, dass uns diese Aufga-be in den nächsten Jahren noch viel be-schäftigen wird und auch die Hürden „Flüchtlingsunterkünfte“ und „De-zentrale Unterbringung der Sozialhil-feempfänger“ werden dabei noch eine Rolle spielen. Für die Studenten, Sozi-alhilfeempfänger und Flüchtlinge kann man nur auf eine sozialere Stadtpolitik mit mehr Transparenz und Dialog zwi-schen Stadt, Investoren, Bauunterneh-mern und Vermietern hoffen und viel-leicht darauf, dass die Mietpreisbrem-se der Bundesregierung am Ende doch noch etwas mit sich bringt. *

Überteuerte Einzelappartements

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STOLPERSTEIN

* GLOSSE VON KALLE SCHÖNFELD

Provinz Hauptstadt

Berlin ist also nicht mehr arm und sexy, sondern nur noch arm. Ein New Yorker Musikmagazin schreibt einen Verriss über den Tech-no-Club „Berghain“ und schon sind sich die Zeitungen einig: Nach

zehn Jahren Hipster-Hauptstadt ist jetzt Schluss mit dem Hype! Gehen sie in anderen Ländern auch so mit ihrer Hauptstadt um? Man stelle sich mal vor: London oder Paris werden kollektiv zum Schnee von gestern erklärt. Viele Briten und Franzosen würden sich darüber sicher freuen. Hinter der Häme und der Erleichterung, die sich mit dem Berlin-Bashing Luft macht, steckt nämlich eine zutiefst menschliche Empfindung: das schlechte Gewissen des daheim gebliebenen Provinzlers. Und wie man sich hier erst seit einigen Jahren der Frage stellen muss, warum man sel-ber „noch nicht da“ sei, schlägt man sich in Frankreich seit Jahrhunder-ten damit herum. Die Schutzbehauptungen der Landeier waren dort wie hier vielfältig, die Wahrheit lautete aber immer: man hat es halt lieber piefig und gemütlich als aufregend und aufreibend. Anderswo hatte man mehr Zeit, sich solche Geschichtchen zurecht zu legen. In Deutschland ist die Erfahrung, eine Metropole zu haben, dagegen etwas ziemlich Neues. Vor der Wiedervereinigung war das ganze Land Provinz ohne Zentrum und schlechtes Gewissen. Während der Osten ohnehin vom Rest der Welt ausgesperrt war, arrangierte sich der Westen in einem Kleinstadt-Föde-ralismus, wo sich niemand an den Rand gedrängt fühlte. Noch in den letzten schwäbischen Käffern versteckten sich Weltmarktführer für ir-gendwas und die Millionenstädte tarnten sich mit putziger Heimatfolk-lore als große Dörfer. Um so böser das Erwachen, als die neue Haupt-stadt plötzlich zur Weltkulturmetropole mutierte. Das eigene Städtchen, vorher Städtchen unter Städtchen, wurde zur Provinz dadurch, dass es einen Ort gab, wo diese Provinz angeblich nicht war. Dadurch lässt sich die Häme gegen Berlin ein bisschen erklären. Wo kein Franzose hoffen kann, durch abfällige Tiraden gegen Paris weniger abseits zu wohnen, schwingt hier die Hoffnung mit, sich ganz ohne Umzug ein bisschen mehr ins Zentrum zu meckern. Und wirklich ist Berlins Status als Kulturme-tropole ein sehr wackeliger. Er baut hauptsächlich auf den vielen Men-schen, die an den Berliner Nimbus glauben und daran teil haben wol-len. Ob jetzt die zehntausend Was-Mit-Medien-Macher einen bleiben-den Beitrag für die Weltkultur hinterlassen haben, dass muss die Zeit zeigen. Der Mythos, der sie angelockt hat, wurzelt in einer Zeit, in der die Stadt selbst Peripherie, isolierte Mauerstadt war. In den 1970er und 1980er Jahren tummelten sich hier die David Bowies, Iggy Pops, Wim Wenders, die Einstürzenden Neubauten und die vielen Namenlosen, die kaum einer mehr kennt. Autonome, Punks und Künstler besetzten Häu-ser, gründeten Ateliers und Kulturzentren. Diese Pioniere zeigten in der halb zerfallenen Enklave dabei sehr provinzielle Tugenden: Eigenbrötle-rei, Schrulligkeit, Improvisationsfähigkeit, das beharrliche Festhalten an den eigenen Ideen, die Fähigkeit, sich zu vernetzen und mit dem zu ar-beiten, was da ist. Es kann sicher nicht schaden, wenn sich Hauptstäd-ter und Rest-Deutsche sich von den Fähigkeiten der damaligen Provinz-Berliner einige Scheiben abschneiden. Mit ihnen lässt sich nämlich, egal wo man ist, jedes Stück Provinz zu einem kleinen Zentrum machen. *

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IM NAMEN DES VOLKES

* HANS PETER PUNG

Künstlich arm gemacht

Wir blicken zurück: Im Fe-bruar 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht

die damals geltende Berechnungs-grundlage für den Regelsatz als un-zulässig. Daraufhin wurde der Regel-satz neu berechnet. Grundlage hierfür war die EVS (Einkommens- und Ver-braucherstichprobe) 2003. Doch der Gesetzgeber hat dabei geschummelt. Er hat seinen Ermessensspielraum dabei sehr großzügig ausgelegt. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung fin-det dazu deutliche Worte: „Die Höhe eines soziokulturellen Existenzmini-mums ist von gesellschaftlichen Stan-dards abhängig, die mit dem Statistik-modell erfasst werden können. Wird zur Berechnung des Regelsatzes je-doch eine Bezugsgruppe herangezo-gen, die selbst von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgehängt ist, sinkt das Einkommen - relativ ge-sehen - immer weiter.“

Die Studie meint dabei, dass die Refe-renzgruppe, die zur Regelsatzbestim-mung herangezogen wurde, willkür-lich begrenzt worden sei. Die unteren 15 Prozent (statt zuvor 20 Prozent) der nach Einkommen sortierten Al-

leinstehenden (ohne Hartz- IV-Bezie-her) dienen als Grundlage für die Be-rechnung des Regelsatzes. Bei Fami-lien mit Kindern sind es die unteren 20 Prozent. Der Referenzhaushaltstyp „Alleinstehender“ erreicht jedoch nur zu etwa einem Drittel das Durch-schnittseinkommen und erreicht ledig-lich etwa 50 Prozent des durchschnitt-lichen Konsums.

Da aber offensichtlich eine deutliche Steigerung der Hartz-IV-Leistungen drohte, wurden bestimmten Waren-gruppen (Tabak, Alkohol, Schnittblu-men, chemische Reinigung) aus der Berechnung genommen. So konnte die Steigerung des neu berechneten Regel-satzes auf ein Minimum begrenzt wer-den. Beim Blick in die EVS 2003 wird dieser Trick deutlich. Die Studie weist Ausgaben für Nahrung, Getränke und Tabak aus. Demnach gaben Arbeiter 230 Euro, Arbeitslose 186 Euro und Nichterwerbstätige 209 Euro monat-lich dafür aus. Hartz-IV- Bezieher er-hielten 135, 55 Euro monatlich. Will man als Arbeitnehmer Verpflegung als Sachleistung versteuern, schlägt die-ser Posten seit 2007 mit 205, 20 Euro (Vollverpflegung) monatlich zu Buche.

Bezieher von Hartz-IV haben also nicht ganz unrecht, wenn sie meinen, dass sie künstlich arm gemacht wer-den. Der Deutsche Paritätische Wohl-fahrtsverband (DPWV) hat in einer eigenen Berechnung dargelegt, dass der Regelsatz um mindestens 20 Pro-zent zu niedrig ist. Es gibt Experten, die davon ausgehen, dass der Regel-satz eigentlich bei über 600 Euro lie-gen müsste, vorausgesetzt, alle Vorga-ben würden umgesetzt. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die Regierung einem Regelsatz in dieser Höhe zu-stimmen würde.

Stiege der Regelsatz, würde dies auch bedeuten, dass die Löhne steigen müs-sten. Da eine Steigerung der Niedrig-löhne in großem Umfang von der In-dustrie jedoch nicht gewollt ist, wird sich die Politik beugen und Empfän-ger von staatlichen Leistungen wei-terhin künstlich „arm“ rechnen. Ob das Verfassungsgericht diesem Trei-ben Einhalt gebietet, darf bezweifelt werden, denn schließlich wurde dem Gesetzgeber ein gewisser Ermessens-spielraum zugestanden. *

Hartz IV muss weg, eine Forderung, die in den letzten Monaten immer lau-ter wird. Grund hierfür ist die zunehmende Armut bei den Beziehern von staatlichen Leistungen. Hartz IV ist nach dem Empfinden von vielen Hilfe-empfängern staatlich verordnete Armut. Was steckt hinter solchen Aussagen?

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GÖTTINGEN

Es gab einmal eine Zeit, in der nahezu alle Göttinger Bürger ihren eigenen Garten besaßen.

In den meisten Fällen lag er innerhalb der Stadtmauern und diente besonders der Selbstversorgung. Das liegt natür-lich Jahrhunderte zurück, bevor die Universität gegründet wurde.

Heute, wo Genmanipulation und Frei-handelsabkommen die Qualität un-seres Essens in Frage stellen, gewinnt der Gedanke an den Eigenanbau wie-der eine erstaunliche Aktualität. Ge-dankenlos und bequem einkaufen war gestern. Doch das ist nicht der einzi-ge Grund, warum sich mehrere Gar-tenfreunde im Netzwerk „Göttinger Nährboden“ zusammengefunden ha-ben – vielleicht nicht einmal ein ent-scheidender Grund.

„Leute mit eigenem Garten gibt es hier ja schon etliche, die müssen wir gar nicht davon überzeugen. Ein Ziel bestand einfach darin, die verschie-denen Gärtnergruppen zusammenzu-bringen“, erklärt Sonja Tröster vom „Nährboden“. Um was zu erreichen?

„Wir sind kein Verein“, sagt Sonja Tröster, „doch wollen wir allen Inter-essierten die Möglichkeit bieten, ge-meinsam das eigene Lebensumfeld zu gestalten. Das tun andere in ihren Be-reichen schließlich genauso.“

Gemeinsam das Umfeld gestalten. Das lässt sich hören. Doch was es ge-nau bedeutet, können nur diejenigen begreifen, die vor Ort anpacken oder dabei sind. So zum Beispiel bei der of-fiziellen Bepflanzungsaktion, die im

* NIKI WILDBERG

Cheltenhampark stattfand. Den Leu-ten vom Nährboden ist es gelungen, von der Stadt ein kleines Areal gestellt zu bekommen, auf dem nun Teekräu-ter gepflanzt werden können. Zitro-nenmelisse steht hier neben Muska-teller und Indianernessel, eine bun-te Vielfalt. Fast genauso bunt übri-gens die Zusammensetzung des Pu-blikums, das sich unter dem eher dü-steren Himmel zusammenfindet: Stu-denten greifen ebenso zur Schaufel wie Hausfrauen und Berufstätige. Der Ge-meinschaftsgedanke scheint aufzuge-hen. Jeder darf mitmachen.

Natürlich ist es nur ein kleines Beet mit ein paar geradezu winzig anmu-tenden Teepflanzen. Doch aller An-fang ist schwer. Das kann auch Sonja Tröster bestätigen: „Es war ein dunk-les, schlammiges Eck, was uns die Stadt zur Verfügung stellte, und si-cher hätten wir uns was Größeres ge-wünscht – aber es ist für jeden gut er-reichbar und leicht zu sehen.“

Das könnte allerdings auch die anlok-ken, die gerne randalieren, mag sich mancher denken. Doch scheint die-se Sorge unbegründet. „Bisher gab es kaum Vandalismus“, winkt einer der Mitgestalter ab.

Wachstum in Sicht? Und wie sieht die Zukunft aus? Wird die Stadt bald noch mehr Flächen freigeben, weil sie für die Grünpflege einfach kein Geld mehr hat?

„Eine langfristige Übergabe von wei-teren Beeten an die Bürger sehe ich nicht kommen“, sagt Sonja Tröster dazu. Aber dies wollen die Leute vom „Nährboden“ wohl auch gar nicht er-reichen. Jedenfalls vorerst nicht. Viel wichtiger ist der Gemeinschaftsgedan-ke, der hier bereits seine Blüten treibt: Neben einem Beet stehen zwei Frauen und unterhalten sich angeregt über die Züchtung von Kartoffeln in der „Ver-tikalen“. Eine ist Hausfrau, die ande-re arbeitet beim „Regionalen Umwelt-bildungszentrum“ in Reinhausen...

* MEHR ZUM THEMA:Kontakt: [email protected]

Themen wie Verbraucherschutz oder gesunde Ernährung erfreuen sich zur Zeit in der Öffentlichkeit einer großen Beliebtheit. Doch wird nicht mehr geredet als gehandelt? Überlassen wir das Meiste wieder dem Staat? Wo können wir uns selber einbringen? Diesen Fragen geht auch der „Göttin-ger Nährboden“ nach, ein Netzwerk von Gartenfreunden.

Ein Garten für uns alle

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GÖTTINGEN

Die Vorstellung eines sich selbst erhaltenden Lebensraumes, in der Menschen verantwor-

tungsvoll zukünftigen Generationen gegenüber und in Rücksichtnahme mit der Natur leben, klingt nicht nur paradiesisch, sondern wird in dieser Form in einem experimentellen Ge-meinschaftsprojekt praktisch gelebt.

Die Idee des Projekts „PermaKultur-Raum“ fand mit der Bereitstellung der Nutzfläche durch die Fakultät für Geowissenschaften und Geographie Anfang 2011 ihre Verwirklichung.

Drei Jahre später ist die positive Reso-nanz für das Konzept nicht verblasst. Mittels 18.000 Euro Fördergelder von der Universität konnte eine Solaranla-ge finanziert werden über dessen Nut-zung sich die BewohnerInnen des al-ten Pflanzgartens seit März erfreuen. Seitdem verfügt das Gelände erstma-lig über einen Stromanschluss, der das Aufladen von elektronischen Ge-räten und die Aufbereitung von hei-ßem Duschwasser mit Hilfe eines So-larkollektors ermöglicht.

Aktuell leben acht Studierende in Bau-wagen auf der Grünfläche. Unter ih-nen ist Till Tönjes. Wie viele Bewoh-nerInnen des Gartens studiert er Öko-systemmanagement, einen interdiszi-plinären Bachelorstudiengang, der das Modul „Permakultur“ über zwei Se-mester anbietet.

Das nachhaltige Projekt trägt Früchte. „Im letzten Jahr waren die Erträge von Obst und Gemüse so ergiebig, dass wir

uns weitestgehend autark verpflegen konnten“, erklärt Till. Überschüssi-ges Obst wird im 4 bis 8 Grad kalten Erdkeller als Kompott frisch gehalten, neben „containerten“ Lebensmitteln.

Dabei steht der Nahrungsgewinn in der alternativen Lebensform keines-wegs allein im Vordergrund. „Perma-kultur ist nicht nur auf Gärtnern be-schränkt“, erläutert Till, dessen Zu-hause seit Juni letzten Jahres der Per-maKulturRaum ist.

Das Konzept der Permakultur ist in den 1970er Jahren in Australien als Gegenkonzept zur konventionellen Landwirtschaft entwickelt worden.

Im alten Pflanzgarten sind vom Hü-gelbeet über eine Kräuterspirale bis hin zur Sonnenfalle bereits verschie-dene permakulturelle Anbaumetho-den entwickelt worden.

Der Mensch macht sich natürliche Kreisläufe zu Nutze. Beispielsweise fließt in der Grauwasseranlage ver-unreinigtes Wasser in ein Kiesbett und wird durch Filterung wieder nutzbar gemacht. Die Idee der Permakultur wird so in das alltägliche Leben der BewohnerInnen eingegliedert, auch in Gestalt der Komposttoilette.

Innerhalb des ganzheitlichen Ansat-zes ist neben der ökologischen Nach-haltigkeit auch die soziale Nachhal-tigkeit bedeutsam. In Kooperation mit dem bereits bestehenden Projekt soll auf einer weiteren Nutzfläche beson-ders der soziale Aspekt in einer mul-

tiethnischen, status- und generations-übergreifenden Begegnung stärker ge-fördert werden. Neues Potential bie-tet hierbei sowohl die städtische An-siedlung der Fläche zwischen Wald-weg und Humboldtallee als auch der Einfluss Studierender unterschiedli-cher Fachrichtungen auf das Projekt, für dessen Realisierung sich Gabriel von Gräfe einsetzt.

Es besteht die Idee, ein angrenzendes Kinderheim und SeniorInnenwohn-heim in die Arbeit zu integrieren. Der Lernaspekt steht im Vordergrund. „Durch Beobachtung und Erfahrung kann ein Lernprozess in Gang gesetzt werden, in dem Fehler machen erlaubt ist“, führt Gabriel seine Vorstellung vom Grundsatz der Permakultur aus. Unterstützung ist bereits auf Seiten der Sozialwissenschaftlichen Fakultät an-geklungen. Das Institut für Ethnolo-gie kann sich vorstellen, ein Seminar anzubieten sowie Bachelor- und Ma-sterarbeiten zu betreuen.

Diese nachhaltige, ressourcenscho-nende und sich im Kreis schließen-de Lebensform möge für unsere Ge-neration utopisch sein, doch für die Bewohner*innen des „PermaKultur-Raumes“ wird sie zur Realität.

Personen, die Interesse am basisde-mokratischen Zusammenleben haben, sind jeden Freitag herzlich zum Früh-stück und zur anschließenden Mitar-beit im alten Pflanzgarten eingeladen.

* MEHR ZUM THEMA:www.permakulturraum.de

Im Kreislauf für die Nachhaltigkeit

* FRANZISKA LUIG

Mit Taschenlampe in den Kühlschrank? Toilette ohne Wasserspü-lung? Strom aus Solarzellen? Eine alternative Lebensform wird seit mehr als drei Jahren am Rande des Göttinger Nordens erprobt.

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GÖTTINGEN

* UTE KAHLE

Sechs großartige Programme mit Kabarett und Musik bieten in den Sommermonaten Juli und

August wieder gute und niveauvolle Unterhaltung.

Bereits am 31.07. eröffnet Djan-go Asül die Veranstaltungsreihe des Kultursommers im Deutschen Thea-ter und am 9.8. lässt uns Anka Zink im Alten Rathaus mit ihrem Solopro-gramm „Leben in vollen Zügen!“ voll-ends in die Thematik des Urlaubes ein-steigen: „Der moderne Mensch, von Fernweh geplagt, holt den Rollkoffer vom Schrank oder schnürt den Funk-tionsrucksack - und zieht los, auf der Suche nach dem Glück. Dann steht er als Letzter am Gepäckband in An-talya, und die Suche nach dem Glück wird zur Suche nach dem Koffer. Im Lost & Found-Büro versteht die pol-nische Praktikantin das extra ange-lernte VHS-Türkisch nicht. Babylon today oder „lost in translation“. Pro-bleme des Reisens sind so alt wie die Menschheit: Schon bei Maria und Jo-sef waren die Herbergen überbucht; ein singendes Sirenen-Grüppchen ver-suchte mit allen Mitteln, Odysseus von seinem All-Inclusive-Roundtrip abzubringen und bereits auf der Ar-che Noah musste man sich mit vielen kleinen bissigen Tieren arrangieren.“

Es wird Sommer – ein KultursommerAlles neu oder alles anders? Dies könnte das Motto für die Kulturbegeisterten Göttinger zur Sommerzeit sein. Warten doch nicht nur laue Sommerabende auf das geneigte Publikum, sondern auch Unterhaltung und Festivals.

Derartig ferngebildet wird sich ein mancher überlegen ob er sich nicht eine Heimreise zum Open-Air-Viewing (früher auch einfach Kino im Freibad genannt) im Parkfreibad Brauweg ge-nehmigt und dort nicht nur schwimmt, sondern auch ganz traditionell mit Picknickkorb und –decke den Sommer genießt und ausklingen lässt.

Das 25. Open Air Festival im Kai-ser-Wilhelm-Park (KWP) wird sicher das lokale Highlight für alle musik-begeisterten Göttinger. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums gibt es in diesem Jahr am 25. Und 26. Juli ein „Best of“ - Programm mit Highlights wie JJ Liefers & Oblivion, Die Hap-py, Manfred Mann’s Earthband, Mark Gillespie, Göttinger Jubiläumspro-jekt, Flooot und vielen anderen. In gu-ter Tradition ist das Festival im Wald nicht nur für die prominenten Bands, sondern vor Allem auch für Göttin-gens Musikerinnen und Musiker in je-dem Jahr eine besondere Kulisse mit einzigartiger Atmosphäre und ein be-gehrter Auftrittsort. In 25 Jahren ha-ben rund 160 lokale Bands die gro-ße Bühne neben der kleinen Konzert-muschel erobert. Darunter waren vie-le „local heroes“ und unverzichtbare Urgesteine der Göttinger Musikszene, aber auch immer wieder neue, junge

und aufstrebende Talente. Ohne sie wäre ein so vielfältiges, anspruchsvol-les Programm nicht denkbar. Durch das Festival-Programm im Kaiser-Wil-helm-Park führt auch in diesem Jahr wieder Moderator Wilhelm Kaiser. Dank der Unterstützung der Göttin-ger Verkehrsbetriebe GmbH gibt es an beiden Tagen wieder einen kostenlo-sen Busshuttle. Die Zufahrt zum KWP wird an beiden Tagen für Kraftfahr-zeuge aller Art gesperrt.

Wer es ein wenig ländlicher und auch lauter mag, kommt auf dem 30. Open Flair in Eschwege vom 06.-10. Au-gust 2014 sicher auf seine Kosten. Das Open Flair ist ein Musikfestival, das noch ein Rahmenprogramm aus Kleinkunst, Kinderprogramm, Per-formances und anderen Programm-punkten bietet. Das Festival findet seit 1985 in Eschwege statt und hat eine Kapazität von rund 20.000 Be-suchern pro Tag. Comedy, Walking-Acts, Bands und einem Kulturzelt ma-chen die Stadt zu einen Ziel für Fans und solche die es noch werden.

Und am Ende des Sommers werden die neuen Theaterpläne mit Spannung studiert… was werden sie uns mitbrin-gen die neuen Intendanten des Deut-schen und des Jungen Theaters? *

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DER COMIC

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TagesSatz * 07/1422

KASSEL

Es ist nicht ganz ungefährlich, sich aus der Mülltonne zu ernähren. Doch nicht etwa, weil die Lebens-

mittel allesamt schlecht sind. Es ist mehr die Angst vor einer möglichen Strafverfol-gung, denn Containern ist, rechtlich gese-hen, Diebstahl. Diebstahl von Müll, wohl-gemerkt. So wurden im vergangenen Jahr drei StudentInnen aus Nordhessen ange-klagt, sich aus Mülltonnen eines Lebens-mittelmarktes bedient zu haben. Wir spra-chen mit zwei von ihnen über Container-essen, Lebensmittelüberfluss und darüber, wie es ist, sich plötzlich auf der Anklage-bank wieder zu finden.

Ihnen wurde vorgeworfen, Essen aus der Mülltonne eines Lebensmittel-Marktes gestohlen zu haben. Wie kam es dazu?

Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrs-kontrolle entdeckten Polizeibeamte im Juni 2013 in unserem Wagen mehrere Bro-te und einige andere Lebensmittel. Dar-aus schlussfolgerten sie sofort, dass es sich hierbei nur um Diebesgut handeln könn-te. (Die Wagenpapiere waren übrigens in Ordnung.) Es wurden also allein auf die-sen Verdacht hin Ermittlungen durch die Polizei aufgenommen. Schließlich glaub-

* CHARLIZE MÄRZ IM GESPRÄCHMIT ZWEI „MÜLLTAUCHERN“

Containern oder auch Mülltauchen, wie es manchmal genannt wird, geschieht oftmals aus fi-nanzieller Not heraus aber auch, um ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung zu setzen.

Essen aus der Mülltonne

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TagesSatz * 07/14 23

KASSEL

te ein Lebensmittelmarkt in unserer Stadt, die Mülltonnen-Ware wieder-erkannt zu haben und so nahm das Verfahren dann seinen Lauf.

Prinzipiell werden die meisten Con-tainerverfahren wegen Geringfügig-keit eingestellt. Warum erging in Ih-rem Fall ein Strafbefehl mit einer recht hohen Geldstrafe (oder ersatz-weise Gefängnis)?

Jeder von uns sollte 4500 Euro zah-len oder ersatzweise drei Monate ins Gefängnis. In unserem Fall wurde uns ganz konkret „Einbruchsdiebstahl“ vorgeworfen. Da der Markt, den wir beklaut haben sollten, seine Tonnen mit einem drei Meter hohen Zaun si-chert, nahm man an, dass wir diesen überklettert haben könnten.

Das heißt, der Strafbefehl erging aufgrund des Verdachtes, ihre Bro-te auf dem Rücksitz des Kleinwa-gens könnten geklaut worden sein?

Ja, genau. Die Brote waren nicht etikettiert, das kam den Beamten äu-ßerst verdächtig vor. Dazu kam dann noch die Aussage des betreffenden Marktes, dass ein Müllcontainer leer gewesen sei und es bestand ja noch die Aussage, die Brote als die fehlen-den aus der Tonne wiedererkannt zu haben.

Wie ging es weiter?

Nachdem wir Widerspruch eingelegt hatten, kam es zu einer Anklage. Selt-samerweise hatte die Marktkette aber die Anzeige vor Beginn des Verfah-rens zurückgezogen. Eine Rücknah-me des „Geschädigten“ bedeutet aber nicht automatisch, dass ein Gerichts-verfahren daraufhin gestoppt wer-den kann, da von Amts wegen ermit-telt werden muss, ob Einbruchsdieb-stahl vorgelegen hat oder nicht (öf-fentliches Interesse).

Und wie endete das Gerichtsverfahren?

Mit einem Freispruch. Letztendlich hatte sich während der Verhandlung dann doch herausgestellt, dass die bei uns gefundenen Lebensmittel nicht

eindeutig dem besagten Lebensmit-telmarkt zugeordnet werden konnten.

Hatten Sie den Eindruck, in eine „kriminelle“ Ecke gedrängt zu wer-den? Zumal der Einkaufsmarkt zu-nächst behauptete, sie hätten Essen gestohlen, das für die örtliche Tafel bestimmt war?

Es war schon sehr unangenehm, we-gen ein paar Broten auf der Rückbank eines Wagens vor Gericht zu stehen. Aber noch unangenehmer war die Be-hauptung, wir hätten Tafel-Essen ge-klaut. Das Verfahren lief über mehre-re Monate, es war sehr anstrengend und nervig, das alles durchzustehen. Im Übrigen wurde dann auch die Aus-sage, dass es sich um Tafel-Essen ge-handelt haben sollte, schnell wieder zurückgezogen.

Sollte Containern künftig straffrei bleiben?

Ja, auf jeden Fall.

Warum?

Die Produktion von Lebensmitteln orientiert sich unserer Auffassung nach nicht an den realen Bedürfnissen der Menschen, sondern in erster Linie am Profit. Ohne Rücksicht auf Ver-luste (Umwelt-/Arbeits-/Tierschutz) werden Lebensmittel überproduziert. Die Produktion wird an der Gesamt-Kaufkraft gemessen, nicht am tatsäch-lichen Bedarf. Das hat fatale Folgen: Menschen mit geringem Einkommen können sich viele Lebensmittel über-haupt nicht mehr leisten und außer-halb der Industrieländer verhungern noch mehr Menschen als bei uns. Aber auch hier leben viele am Existenzmini-mum und nicht wenige sind auf Con-tainern angewiesen. Das käme ja ei-ner Doppelbestrafung gleich, sie auch noch vor Gericht zu stellen.

Aber mindestens genauso viele Men-schen containern ja aus Überzeu-

gung, um ein Zeichen gegen die im-mense Lebensmittelverschwendung zu setzen. Es heißt, fünfzig Prozent der weltweit produzierten Lebens-mittel landen im Müll.

Völlig richtig. Aber die Frage ist doch: Wie verwerflich schätzt eine Gesell-schaft es ein, Lebensmittel zu essen, die sowieso keiner mehr will, die nicht produziert wurden, um die Versor-gungslage der Menschen sicherzustel-len, sondern ausschließlich dem Profit, dem Wirtschaftssystem dienlich sind? Warum Menschen dafür bestrafen, die sich von „Müll“ ernähren? Aus wel-chen Gründen auch immer…

Containern wird zunehmend schwie-riger. Viele Lebensmittelmärkte si-chern inzwischen ihre Lebensmittel-Mülltonnen, bauen Zäune und Git-

ter, obwohl die Lebensmittel für den Einzelhandel überhaupt kei-nen Wert mehr darstellen und in der Müllverwertung oder gar -ver-brennung enden. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Wir vermuten, dass die Kunden nicht sehen oder miterleben sollen, wie halt-bare und gute Lebensmittel in die Ton-ne wandern, nur weil zum Beispiel die neue Ware bereits angeliefert wurde und für die noch nicht verkaufte Ware kein Platz mehr da ist. Besonders unan-genehm könnte dies ja dann für Märkte sein, die prinzipiell für Nachhaltigkeit und fair gehandelte Produkte werben.

Welche Lösungsansätze könnte es ge-ben, um die Verschwendung einer-seits und den Hunger andererseits zu verringern? Sind die Tafeln denn ein Lösungsansatz?

Das ist eine schwierige Frage. Es könn-te sich etwas ändern, wenn sich, wie bereits gesagt, die Lebensmittelpro-duktion mehr am Bedarf der Men-schen orientieren würde. Das ist aber ein globales Problem und wird kaum durchzusetzen sein. Die Tafeln emp-finden wir nur als Symptom-Bekämp-fung. Sie sind dauerhaft nicht die Lö-sung für Armut und Verschwendung.

Vielen Dank für das Gespräch. *

Produktion misst sich nicht am Bedarf

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TagesSatz * 07/1424

KASSEL

* JULIAN PFLEGING

Es ist ein Wort, das – zumindest in meinem Kopf – untrennbar mit Städten wie Berlin, Leip-

zig und internationalen Großstädten verbunden ist. Doch auch hier, im be-schaulichen Kassel, gibt es Gentrifizie-rungstendenzen, die wahrgenommen werden sollten.

Als Mieter im Vorderen Westen erle-be ich Gentrifizierung häufig, welche fast immer nach dem gleichen Mu-ster abläuft: Mieter ziehen aus (häu-fig, weil sie sich die beständig steigen-den Mieten nicht mehr leisten kön-nen), die Wohnungen werden kom-plett saniert, luxuriös ausgestattet und die Miete steigt eklatant.

Die steigenden Mietpreise, aber auch die Neubauten um die Samuel-Bek-kett-Anlage nahe der Friedenskirche, die Entmietungen in der Lasalle-Stra-ße oder die Sanierung der Goethestra-ße zeigen, in welche Richtung sich die-ser Stadtteil verändert – und bewusst von der Stadt gelenkt wird.

Dass diese Gentrifizierungs-Prozesse zu sozialer Spaltung, welche im Ex-trem Ausmaße annehmen kann wie die Installation von Metallstacheln auf dem Boden zur Vertreibung von Ob-dachlosen kürzlich in London, über-rascht also nicht, sondern ist eher eine

Gentrifizierung ist ein neues Wort für einen al-ten Prozess. Es bezeich-net den Strukturwandel innerhalb einer urba-nen Umgebung hin zur Aufwertung und damit einhergehend den Zu-zug von Wohlhabenden und die Verdrängung von Geringverdienern.

Gentrifi-zierung und der Vordere Westen

logische Folge. Denn soziales Elend vor der Haustür bedeutet für viele eine Abwertung des eigenen Quartiers und damit geringere Möglichkeiten, die Mieten hochzutreiben.

Es wäre allerdings auch falsch, Maß-nahmen zur Aufwertung eines Vier-tels oder schlichte Sanierungsmaßnah-men generell zu kritisieren; denn nie-mand möchte in einer verwahrlosen-den Stadt leben.

Was allerdings zu kritisieren ist, ist der absolute Wille zur Profitmaximierung auch auf Kosten sozial Schwächerer, welcher häufig der Motor der Gentri-fizierung ist. Die Veränderung inner-halb von Städten ist natürlich und im gewissen Rahmen auch wünschens-wert; sie gab es immer schon und wird es auch immer geben. Die Geschwin-digkeit, mit der sich diese Veränderun-gen vollziehen, ist allerdings ein mo-dernes Phänomen und in ihr liegt die Problematik.

Urbaner Strukturwandel darf also nicht allgemein verteufelt werden, er muss allerdings in kontrollierter Art und Weise ablaufen; eine effektive gesetzliche Mietpreisbremse wäre ein erster sinnvoller Schritt in die richti-ge Richtung.

* MEHR ZUM THEMA:Zur weiteren Beschäftigung: Stadtteilkonferenz zum Thema Gentrifizierung, 20. September 2014, 14 Uhr, Stadtteilzentrum Vorderer Westen, Veranstalter: Kassel-West e.V

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KASSEL

* KATHARINA SCHWARZ

Die Eindringlinge sind vertrie-ben und Schottland kann ei-nem neuen Frieden entgegen-

sehen. Auf dem Weg vom Schlacht-feld begegnen der Feldherr Macbeth und sein Freund Banquo drei Hexen. Ihre Prophezeiung bestimmt fortan die Geschichte, denn sie sagen vor-aus, dass Macbeth der zukünftige Kö-nig von Schottland wird. Während Macbeth selbst noch zögert, hat sei-ne Frau bereits beschlossen, den der-zeitigen König zu ermorden. Doch das Töten endet hier noch nicht. Die zwei-te Prophezeiung der Hexen besagt, dass Banquos Sohn König wird. Für die Macht schreckt Macbeth schließ-lich auch nicht davor zurück, seinen Freund zu ermorden. Machtgier, Ver-zweiflung und immer wieder die He-xen treiben das Stück letztendlich zu einem blutigen Höhepunkt.

In dieser wohl brutalsten seiner Tra-gödien stellt Shakespeare eindring-lich dar, wie Macbeth (Bernd Höl-scher) und seine ehrgeizige Ehefrau (Anke Stedingk) der Machtgier ver-fallen. Der daraus entstehende Stru-del an Emotionen bestimmt die In-szenierung in Kassel. Fassbar wühlen sich die Schauspieler immer weiter in

Gut ist bös’, und bös’ ist gut

Gewalt, Blut, Macht, Ver-zweiflung, Sex, Verrat. Mac-beth, eine von Shakespeares schwärzesten Tragödien, wird derzeit im Kasseler Staats-theater aufgeführt. Die Insze-nierung von Markus Dietz ist vor allem eines: intensiv.

die Abgründe der Figuren und voll-führen dabei nicht nur einen Seelen-strip. Die Schauspieler, zunächst un-auffällig mit weißen Hemden, werden immer nackter und vor allem immer blutverschmierter.

Die Optik der Inszenierung an sich ist sehr reduziert, denn auf der schwar-zen Bühne steht nur ein neonbeleuchte-ter Kasten, der sich im Laufe des Stük-kes mal näher, mal entfernter vom Zu-schauer befindet. Er dient als Schau-platz der einzelnen Szenen. Was prä-sent ist, ist die Gewalt und schließlich auch der nackte Körper. All das wird für manchen Zuschauer womöglich auch zu viel sein und von der Geschich-te und ihren Charakteren ablenken. Auch das Blut, das reichlich über die Bühne fließt, dürfte einige abschrecken.

Wer es schafft, durch den Sex und das Blut zu blicken, erkennt jedoch vor Al-lem eines – starke Figuren und Schau-spieler. Nicht nur Macbeth und sei-ne Frau versinken in dem Strudel der Emotionen, sondern auch die Hexen (Alina Rank, Eva Maria Sommers-berg und Christoph Förster) sowie Banquo (Thomas Meczele) sind in dem Stück sehr präsent. Vor allem die

Hexen stehen im Fokus, denn sie sind es, die Macbeth treiben. Während sie in dem eigentlichen Stück nur in ein-zelnen Akten auftauchen, sind sie auf der Kasseler Bühne permanent anwe-send. Sie sind Hexen, Dämonen und vor allem Sinnbilder der Machtgier und Mordlust. Sie umschlingen Mac-beth immer weiter, bis sie ihn schließ-lich vollständig überwältigen.

Auch Banquo wirkt in dem Treiben mit. Obwohl bereits ermordet, schrei-tet er auf der Bühne immer noch mit dem Gürtel, mit dem ihn Macbeth stranguliert hat, um den Hals umher. Schließlich bemächtigt auch er sich Macbeths beim königlichen Bankett und flößt seinem Mörder Wein ein, bis die Bühne ein einziges Blutbad ist.

Auch wenn oder gerade weil die In-szenierung so brutal ist, schaffen es die Künstler, sich über Shakespeares klassische Erzählung zu erheben. Die Emotionen erzählen, getragen von den Figuren die Geschichte, von Gier, Schuld und Verzweiflung. Die Hand-lung als solche tritt zurück und der Zuschauer hat die Möglichkeit, sich auf den Strudel der Gefühle einzu-lassen. *

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KULTURTIPPS

Die Empfehlung GÖTTINGEN * UTE KAHLE

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Picknick in der Stadt4. Göttinger Bürgerfrühstückauf dem Wochenmarktplatz

Das schon traditionelle große Früh-stücksevent fällt mitten in die Fuß-ball-WM und erlaubt ein Auf-atmen im Sommermärchen. Auf dem Wochenmarktplatz kommen mehr als eintausend Bürgerinnen und Bürger zusammen, um ge-meinsam zu frühstücken. Auf sie warten anregende Gespräche und ein kurzweiliges Kulturprogramm.Die Bürgerstiftung Göttingen stellt

ihren Gästen die Tische und Bän-ke zur Verfügung. Von Kaffee und Brötchen bis zu Mett und Marme-lade bringen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer alles mit, was zu einem herzhaften Picknick mitten in der Stadt Göttingen gehört. Der Erlös kommt Projekten der Bürger-stiftung Göttingen zugute, durch die Kindern und Jugendliche durch regelmäßige Zuwendung emotio-nal gestärkt und sprachlich geför-dert werden.

* MEHR ZUR EMPFEHLUNG:4. Göttinger BürgerfrühstückSo 06.07. 11.00 Uhr bis 14.00 UhrWochenmarktplatz, Gö4. Göttinger BürgerfrühstückPlatzkarte für 6,25 Euro, Tischkarte für 8 Pers. 50 Eurowww.buergerstiftung-goettingen.de

jeweils Do, Fr, Sa bis Sa 30.08. Freibad Brauweg, Gö

Open Air KinoFilmhits, Klassiker und Kultfilme ver-sprechen einen unterhaltsamen Kino-sommer unterm Sternenhimmel.Eintritt 7 / erm. 6 Euro

bis Do 09.11.Caricatura (Kuba); Ks

Auch das noch - Komische Kunst von Gerhard Glück, Di-Fr 14.00-20.00 Uhr, Sa, So und Feiertag 12.00-20.00 Uhr, Eintritt 4 Euro / erm. 3 Euro

Di 01.07. / 19.00 UhrLiterarisches Zentrum, Gö

Nora Gomringer, Monster PoemsVon den Horrorfilmen der Fünfziger bis in den eigenen Keller.Eintritt VVK 5 / 9 AK 6 / 10 Euro

Di 01.07. / 19.00 UhrEvangelisches Forum (Lutherplatz), Ks

Vortrag von Jana Reichenbach-Behnisch: Niedrigschwellige Sanie-rung von Industriebauten für die Kreativwirtschaft.

Di 01.07. / 20.15 UhrTheater im OP, Gö

Rhetorik SlamEintritt 9 Euro / erm. 6 Euro

Fr 04.07. / 16.00 UhrInnenstadt, Gö

Göttinger Nacht der KulturEintritt frei

Sa 05.07. / 19.00 UhrCafé Buchoase, Ks

Playback Theater eigenART spielt auf Publikumszuruf Geschichten; Eintritt 8 Euro / erm. 6 Euro

Sa 05.07. / 20.00 UhrCheltenhamhaus, Gö

Nach dem FrühlingFluchtpunkt GöttingenDas Boat People Projekt zeigt fünf unterschiedliche, theatrale, filmische, musikalische, politische und poeti-sche Splitter, die sich zu einem Thea-terereignis mit Festival-Charakter zusammenfügen.UraufführungEintritt 8 / 15 Euro

So 06.07. / 15.00-17.00 UhrRiverside, Ks

Jazz am Auedamm: New Orleans Syncopatators, Eintritt frei

Di 08.07. / 11.00-12.30 UhrStaatstheater (TIF), Ks

Anne Frank: Anne Franks Tagebuch in einer Bühnenfassung von Dieter Klin-ge, empfohlen ab 13 Jahren; Vorstel-lung mit Simultanübersetzung für Ge-hörlose; Karten 11 Euro

Mi 09.07. / 19.00 UhrSommer im Park, Vellmar

Musikverein Vellmar: das Blasorche-ster des MVV Vellmar präsentiert be-liebte Filmmelodien, Karten inklusive Kombiticket Kassel 15-18 Euro / erm. 12-15 Euro

Fr 11.07. / 18.00 UhrJunges Theater, Gö

Sommerfest zum SpielzeitendeEintritt frei

Sa 12.07. / 16.00 UhrDeutsches Theater, Studio, Gö

Achtung! Das Programm ist geändert.Spielclub „Junge Wilde“ PremiereFaul. Süchtig. Ungebildet. Unordent-lich. Weich. Cool. Dumm. Oberfläch-lich. Individualitätslos. Meinungslos. Unkommunikativ. Ohne Werte. Die Jugend von heute…

Sa 12.07. / 19.00 UhrUnterführung am Hopla, Ks

Raum für urbane Experimente: Soli-daritätskonzert für die Kulturfabrik Salzmann: u.a. mit Veronika Blum, Steffen Modrow, Strom und anderen, Eintritt frei, Spenden erwünscht

So 13.07. /15.00 & 18. 00 UhrSommer im Park, Vellmar

Zirkus Rambazotti: Rambazotti fei-ert das 25-Jährige, Karten inklusive Kombiticket Kassel Plus 12-15 Euro

Di 15.07. / 20.30 UhrKulturzentrum Dock 4, Ks

Klang und Groove: Robert Dick und Ursel SchlichtEintritt 12 Euro / erm. 8 Euro

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TagesSatz * 07/14 27

KULTURTIPPS

Die Empfehlung KASSEL * HARALD WÖRNER

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„Es ist ein gutes Problem, wenn sich plötzlich Radio- und Fernseh-sender um einen reißen und man laufend Konzerte geben muss“, so Keb´Mo´, der eigentlich Kevin Moore heißt. Seit über zwanzig Jahren spielt er den Soundtrack zur chronischen Depression und rackert sich für ihn ab. Er spielt überall, wo er eine Einladung be-

kommt. 1952 in Los Angeles gebo-ren, wächst er mit der Musik der el-terlichen Baptistenkirche und dem Rhythm & Blues der 60er auf. Er sammelt zunächst erste Erfahrun-gen, bevor ihn John Creach (ex Jef-ferson Starship) Anfang der Achtzi-ger für seine Band engagiert. Über sein dreijähriges Gastspiel bei ihm schafft er dann den Einstieg in die südkalifornische Blues-Szene

Mi 16.07. / 19.00 UhrSalzmann im Panoptikum (Leipziger Straße 407), Ks

3. Salzmann-Forum: Das Salzmann-Forum lädt Kasseler Bürger, Kultur-schaffende und Vertreter aus Wirt-schaft und Politik ein

Mi 16.07. / 20.15 UhrTheater im OP, Gö

Gespenster von Henrik IbsenPremiereEintritt 9 Euro / erm. 6 Euro

Fr 18.07. / 19.30 UhrCaricatura (Kuba), Ks

Ausstellungseröffnung: Auch das noch! Komische Kunst von Gerhard Glück; Eintritt 4 Euro / erm. 3 Euro

Sa 19.07. / 12.00-17.00 UhrBetriebsgelände der Stadtreiniger (Lossewerk), Ks

Ferienbündnis Bettenhausen und Forstfeld: Eröffnung der Ferienspie-le mit Tanz, Folklore, Herrn Müller und seiner Gitarre uvm.

Sa 19.07. / 20.00 UhrLiterarisches Zentrum, Gö

Sasa Stanisic, Kleines SommerfestDie Klimaanlage tropft, die Holzbal-ken ächzen und knarzen unter der Hit-ze. Höchste Zeit also für das Saison-finale! LesungEintritt VVK 7 / 9 AK 8 / 10 Euro

Sa 19.07. / 20.30 UhrApex, Gö

Gunter Hampel und Danilo Cardo-so: Music and Dance ImprovisationsEintritt ab 14,30 Euro

So 20.07./ 15.00-17.00 UhrEppo, Ks

Jazz am Auedamm: New Orleans Copycats

So 20.07. / 20.15 UhrTheater im OP, Gö

Gastspiel: StarkstromEine seichte Göttinger Komödie von Simon WeißEintritt 9 Euro / erm. 6 Euro

Mo 21.07. / 20.00 UhrSommer im Park, Vellmar

Anna Depenbusch: Solotour 2014, Karten 22-25 Euro / erm. 19-22 Euro

Mi 23.07. 20.00 UhrSommer im Park, Vellmar

Django Asül: Paradigma, Karten 22-25 Euro / erm. 19-22 Euro

Fr 25. und Sa 26. 07. / 19.30 UhrKaiser-Wilhelm-Park (KWP), Gö

25. Open Air FestivalJJ Liefers & Oblivion, Die Happy, Manfred Mann’s Earthband uva.Eintritt: VVK 20 Euro, kostenloser Buspendeldienst aus der Stadt

Do 31.07. / 20.00 UhrDeutsches Theater, Gö

Django Asül, Paradigma

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TagesSatz * 07/1428

AM STADTRAND

Straßengeflüster * MATHIS RICHTMANN

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Gedanken eines TagesSatz-Verkäufers

* JÖRG „YOGI“ MÜLLER

Als Reaktion auf die Krise in der Ukraine planen Journalisten in Kiew und St. Petersburg gemeinsam eine Ausgabe eines Straßenmagazins zu veröffentli-chen, das Brücken zwischen den gesellschaftlichen Gruppen schlagen soll. So arbeiten zwei Journali-sten der ukrainischen „Narodna Dopompha“ mit zwei Kollegen der russischen „Put Domoi“ zusam-men. Die Zeitung „Narodna Dopompha“ publi-zierte in den letzten zwei Jahren nicht selbststän-dig, aber Ludmila Aliyeva von der Zeitung und gleichnamigen Hilfsorganisation sieht den Anlass als wichtig genug, die Arbeit zu reaktivieren. Über-setzt bedeutet der Name des Magazins „Hilfe für Menschen“. In Abstimmung mit Arkady Tyurin der russischen „Put Domoi“ (übersetzt „Heim-weg“) legten die Journalisten um Aliyeva als The-ma der gemeinsamen Ausgabe „Geschichten von Straßenmagazinen rund um die Welt“ fest. Mo-mentan wird noch daran gearbeitet Materialien,

Inhalte und das Design zu sammeln und festzule-gen, doch schon im Juni soll die Ausgabe fertig sein.

Schätzungen zufolge leben in der Ukraine bei insge-samt 45 Millionen Einwohnern bis zu einer Milli-on obdachlose Menschen, die insbesondere in den Wintermonaten der starken Kälte (bis zu minus 35 Grad) ausgesetzt sind. Schätzungen zufolge ist bis zu ein Viertel der Bevölkerung von Armut betroffen, wobei insbesondere Altersarmut ein großes Problem darstellt. Wer keine Kinder hat, die finanziell helfen könnten, kann die Mindestrente von gerade mal 81 Euro beziehen. Das machten 2012 etwa 80 Prozent der Rentner im Land.

Die gemeinsame, russisch-ukrainische Straßenma-gazinausgabe soll mit einem Selbsthilfe-Modell zu-mindest auf den Straßen Kiews, aber auch in ande-ren Städten verkauft werden. *

Was machen wir Menschen eigentlich mit all den Ereignissen, die uns im Laufe unseres Le-bens begegnen? Wie gehen wir damit um, kön-nen wir daraus lernen oder nehmen wir blei-benden Schaden an unglücklichen, tragischen und belastenden Lebensereignissen?

Von Natur aus stehen uns Menschen unter-schiedliche Lebensweisen offen: So besteht die Möglichkeit Unangenehmes zu verdrän-gen, körperliche und psychische Symptome zu entwickeln, zu trinken, Drogen zu neh-men, Extremerfahrungen zu suchen und alles zu übertreiben oder sich einfach aus der Rea-lität und von unseren Mitmenschen zurück-ziehen. Aber es kann auch ganz anders gehen.

Geprägt von einer langen Zeit auf Reisen und in Indien, dem schwierigen Ankommen in die-ser deutschen Hochleistungsgesellschaft, ge-lingt es mir nach vielen Jahren, ein inneres Gleichgewicht zu finden und in meinen Alltag zu integrieren. Dieses Gleichgewicht entwik-kelt sich als Folge harter Arbeit an mir selbst

und wird vermittelt durch eine uralte Technik der Selbstbeobachtung. Die-se führt mich dahin, mich mit den ei-genen Schatten der Vergangenheit und denen der Gegenwart auseinan-derzusetzen. So mache ich die Erfah-rung, das so Gelernte im tagtäglichen Leben anzuwenden und mich schritt-weise einer glücklicheren Existenz zu-zuwenden. Meine langjährigen Weg-begleiter, die Schatten, lösen sich da-bei immer mehr auf. Ich kann jetzt den Mut entwickeln, mich mit mei-nen Schreckgespenstern in meinem eigenen Inneren auseinanderzusetzen. Wenn ich dies tue, verlieren alte Ge-fühle der Ohnmacht und die diffusen Ängste kontrolliert oder manipuliert zu werden, ihren Nährboden. Indem ich jetzt Ja zu mir sage und auch Ja zu den schmerzhaften Anteilen mei-ner Vergangenheit, stelle ich die Wei-chen für ein Leben voller Zuversicht und Gelassenheit. *

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TagesSatz * 07/14 29

DIE KOCHNISCHE

Kochen mit dem TagesSatzLECKERE GERICHTE FÜR SIE ENTDECKT

Derzeit hat die Natur unseren Tisch reichlich gedeckt. Bei sommerlichen Temperatu-

ren sehnen wir uns nach einer leich-ten frischen Kost. Wer jedoch von Sa-lat und Co. genug hat, kann es mal mit unseren heutigen Rezeptvorschlä-gen probieren, die auch bei höheren Temperaturen noch Genuss verspre-chen. Wir wünschen viel Spaß beim Nachkochen.

Sommerpasta (4 Portionen, ca. 1,50 Euro pro Portion)500g Spaghetti, 150g Rucola, 250g Cherrytomaten, 1-2 EL Ajvar, Salz, Pfeffer, Chiliflocken, 1 Knoblauchze-he, Zucker, Parmesan, Öl, ca. 10 EL Nudelwasser

Nudeln nach Vorschrift garen, abgie-ßen, warm stellen. Rucola waschen, trocknen, putzen, in mundgerechte Stücke zupfen. Cherrytomaten wa-schen, halbieren. Knoblauch schä-len, fein würfeln. Öl in einer Pfanne erhitzen, Tomaten, Knoblauch und eine Prise Zucker zugeben und glasig anschwitzen. Ajvar und Nudelwasser unterrühren. Mit den Gewürzen ab-schmecken. Nudeln unterheben, erhit-zen. Rucola zugeben, gut vermischen. Auf 4 Teller verteilen, Parmesan dar-über hobeln und servieren.

Tipp: Ajvar ist eine Gewürzpaste aus dem osteuropäischen Raum. Sie wird aus Paprika gewonnen. Wer es ger-ne milder mag kann Ajvar weglassen.

Hähnchen sommerlich (4 Portionen, ca. 1,80 pro Portion)4 Hähnchenbrustfilets, 2 Zwiebeln, 1 Knoblauchzehe, 150ml Gemüsebrü-he, 1 El Currypulver, 2 EL Senf (Di-jonsenf), 3- 4 EL Aprikosenkonfitü-re, 150ml Schmand, Salz, Pfeffer, Öl

Zwiebel schälen, würfeln. Knoblauch-zehe schälen, fein würfeln. Fleisch wa-schen, trocknen, in Streifen schneiden. Öl in einer Pfanne erhitzen, Fleisch darin von allen Seiten knusprig an-braten. Mit Salz und Pfeffer würzen, aus der Pfanne nehmen, warm stellen. Zwiebeln und Knoblauch in die Pfan-ne geben, glasig andünsten. Curry zu-geben, anschwitzen. Brühe angießen. Aprikosenkonfitüre unterrühren und auflösen. Senf unterrühren. Tempe-ratur reduzieren, es darf nicht mehr kochen. Schmand unterheben. Das Fleisch wieder zugeben und warm zie-hen lassen. Vor dem Servieren mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Tipp: Dazu passt Reis oder Nudeln und ein frischer Salat.

Gemüse-Hack-Pfanne (4 Portionen, ca. 2,00 Euro pro Portion)500g Hackfleisch gemischt, 2 Zucchi-ni, 2 Möhren, 250g Champignons, 3 Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen, 2 EL italienische Kräuter (TK), Chilipulver, Paprikapulver, Salz, Pfeffer, 250ml Gemüsebrühe, Öl

Zucchini waschen, trocknen, würfeln. Möhren schälen, waschen, in Schei-ben schneiden. Champignons put-zen, in Scheiben schneiden. Zwiebeln schälen, würfeln. Knoblauch schä-len, fein würfeln. Öl in einer Pfan-ne erhitzen, Hackfleisch darin kräftig anbraten. Mit den Gewürzen schon einmal würzen. Zwiebeln und Knob-lauch zufügen, glasig dünsten. Möh-ren zugeben, farbig anbraten. Cham-pignons zufügen, glasig dünsten. Zuc-chini zugeben, Farbe nehmen lassen. Brühe angießen, auf die Hälfte redu-zieren. Mit Salz, Pfeffer und Chili ab-schmecken. Kräuter unterrühren und servieren.

Tipp: Dazu passen Salzkartoffeln, Kartoffelpüree oder einfach nur Fla-denbrot. *

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* HANS PETER PUNG & TEAM

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HINTER DEN KULISSEN

* REZENSION VON UTE KAHLE UND CHRISTINE SCHUENCKE

„Faramondo“(Händel-Festspiele) im Deutschen Theater

Faramondo, König der Fran-ken, und sein ehemaliger Ver-bündeter Gernando, König der

Schwaben, lieben dieselbe Frau: Ro-simonda, die Tochter des verfeindeten kimbrischen Königs Gustavo. Ihr Bru-der Adolfo liebt Faramondos Schwe-ster Clotilde und stellt sich gegen sei-nen Vater, der ihn dafür zum Tode ver-urteilt. Eine Geschichte um Rache, In-trigen, Liebe und Eifersucht nimmt ih-ren verhängnisvollen Lauf. Erst, als Faramondo aus Liebe zu Rosimonda in Verkleidung an der Seite ihres Va-ters gegen die Verräter kämpft, siegt und sich schließlich als Opfer anbie-tet, können Versöhnung und Frieden Einzug halten.

Das Festspielorchester Göttingen un-ter der Leitung von Laurence Cum-mings brachte die Festspieloper Fa-ramondo als szenische Aufführung in italienischer Sprache in 3 Akten auf die Bühne des Deutschen Theaters. Der Regisseur Paul Curran, Absolvent des National Institute of Dramatic Art in Sydney, schaffte ein szenisches Gan-zes. Mit dem Bühnenbild und den be-wusst spartanisch gehaltenen Kostü-me von Gary McCann, sowie dem Lichtkonzept von Kevin Treacy, eine sehr gelungene Umsetzung der Oper, in der alle Mitwirkenden ganze Ar-

beit leisteten und das Premierenpu-blikum nicht mehr aufhören woll-te zu applaudieren. Es war so gefan-gen, das es mit Zwischenapplaus be-reits in Faramondos Arie „Voglio che sia l’indegno“ seine Anerkennung zum Ausdruck brachte.

Als Faramondo überzeugte Emily Fons. Der traurige Held und versuchte Märtyrer, überzeugend auch im Brük-kenschlag von Moderne zur Gegen-wartszeit Händels. Dieser Brücken-schlag verlangt einiges von den Soli-sten und auch dem Publikum ab. Es wurden Pizzakartons geöffnet, die Kippe feierte ein Comeback auf der Bühne und der Bruch zwischen der Musik Händels und der Inszenierung zeugten von großem Humor und der Beschränkung aufs Wesentliche, der Musik und ihrem Genuss.

Die gesangliche Leistung von Emi-ly Fons als Faramondo, Anna Devin als Clotilde, Njål Sparbo als Gustavo, Maarten Engeltjes als Adolfo, Chri-stopher Lowrey als Gernando, Ed-ward Grint als Teobaldo und Iryna Dziashko als Childerico war so beein-druckend, das sich das Publikum im-mer wieder zu Zwischenapplaus hin-reißen ließ. Ergänzt um Chor, Fest-spielorchester und Statisten, ergab

sich so ein sehr stimmiges Bild der doch schwierigen, komplexen Parti-tur und ein vollendeter Operngenuss.

Die Übertragung in die Lokhalle, Fa-ramondo für alle, begeisterte über 900 Opernfans und die anwesenden Ak-teure. Doch so hold das Glück dem Premierenpublikum war, so unbil-lig zeigte sich das Wetter am Tag der Derniere. Maarten Engeltjes sang ge-nau in dem Moment, in dem ein Un-wetter zu Wassereinbrüchen in den Seitenflügel des Deutschen Theaters zum Abbruch der Aufführung führte, in italienischer Sprache seine Arie des dritten Aktes: „Erhebt sich ein böser Sturm über den Wellen, lässt sich der mutige Steuermann nicht beirren, son-dern hofft weise auf die Hilfe der Göt-ter.“ Paul Cummings blieb jedoch kei-ne Wahl und so musste er die Dernie-re der Oper vorzeitig mit dem Schlus-schor beenden und den Besuchern ei-nen sicheren Heimweg und besseres Wetter für die Händelfestspiele 2015 wünschen.

NDR Kultur übertrug nicht nur die Premiere der Oper live im Hörfunk, sondern hat auch viele Konzerte mit-geschnitten und wird sie in der näch-sten Zeit in unterschiedlichen Forma-ten ausstrahlen. *

„Der König ist tot. Es lebe der König.“

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ZWISCHEN DEN ZEILEN

* DANIELE PALU

Urbanes Leben

Die Welt der StädteOb Shanghai oder Lima, San Francis-co oder Bombay, die Menschen zieht es in die Städte – und lässt diese mit-unter zu wahren Megacitys mutie-ren. So leben im Großraum Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, 15 Millionen Menschen. Keine Megaci-ty wächst derzeit schneller. Mitten im Zentrum, in unmittelbarer Nachbar-schaft zu den klimatisierten Türmen des Wohn- und Businessviertels Guls-han, liegt die informelle Armensied-lung Karail Basti, in der sich die Be-wohner ohne kommunale Unterstüt-zung mit Wasser und Strom selbst ver-sorgen müssen. Und dennoch behaup-tet Autorin Elisa Bertuzzo nach vier Jahren Feldforschung: „Diese Sied-lung ist kein Slum.“ Es sind Artikel wie dieser, die die Sonderstellung der monatlich erscheinenden Zeitschrift „Le monde diplomatique“ begrün-den: ausführliche Analysen zur in-ternationalen Politik, kritische Kom-mentare zu Globalisierung und Wirt-schaftsliberalismus. Es versteht sich von selbst, dass dieser „Reiseführer in die Welt der Städte“ kein gewöhn-licher Reiseführer ist. Es geht nicht nur um Opernarien in der Pariser Me-tro, Zelten in Ulan-Bator und Tanzen in Bamako, sondern auch um Urban Gardening oder Akkustikdesigner, die neue Geräusche für den öffentlichen Raum erfinden. So unterschiedlich die Themen, dennoch gibt es ein verbin-dendes Moment, das für die Städte weltweit an Bedeutung gewinnt: Der Traum vom Recht auf Stadt.

Laut UN-Prognosen werden im Jahr 2050 drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten wohnen. Diese Entwicklung, aber auch die rasante Modernisie-rung, Globalisierung und Digitalisierung der Welt, bietet ungewöhnliche, zuweilen aufregende Sichtweise auf die Städte der Gegenwart und Zukunft.

Le monde diplomatique: Moloch, Kiez & Boulevard. TAZ-Verlag, 8,50 Euro. Broschiert, 112 Seiten

Urbanes Leben in der DigitalmoderneDas digitale Zeitalter krempelt das Leben in den Städten um. Denn, so Hanno Rauterberg, Feuilleton-Redak-teur der Wochenzeitung „Die Zeit“, je mehr Virtualität unser Leben bestim-me, desto mehr wachse das Bedürfnis nach realen Räumen. Trotz der düste-ren Prognosen der letzten Jahre, wur-den vielerorts die Innenstädte wieder-belebt, der öffentliche Raum zurück-gewonnen: Menschen begrünen ge-meinsam städtische Grünflächen. Jog-ger, Beachvolleyballer, Rollerblader bevölkern zunehmend die Städte, um sich in Parks, auf Plätzen und Straßen körperlich zu spüren. Denn die Men-schen, so eine weitere These, wollen die Stadt nicht nur bewohnen, son-dern auch nachhaltig prägen und set-zen Gemeinschaft und Mitmach-Kul-tur gegen Hyper-Individualismus und Anonymität. Er sieht all dies als An-zeichen für einen „urbanen Neuan-fang“ – die gemeinschaftliche Aneig-nung des öffentlichen Raums in der Stadt. Manches gerät in Rauterbergs Analyse arg romantisiert und zuwei-len verliert er ökonomische Dynami-ken einer Stadt aus dem Blick. Doch auch wenn er das eine oder Mal tiefere Analysen vermissen lässt - sein feuil-

letonistischer Blick auf die Stadt ist durchaus inspirierend und gibt zahl-reiche Anregungen zum Nachdenken. Insgesamt ein gelungenes Essay.

Hanno Rauterberg: Wir sind die Stadt! Edition Suhrkamp, 12 Euro. Broschiert, 157 Seiten

Kollektiver IdentitätsverlustAls „Nicht-Orte“ bezeichnet der fran-zösische Antropologe Marc Augé „sinnentleerte, transitorische Funkti-onsorte“ wie Flughäfen, Supermärk-te, Flüchtlingslager oder U-Bahnen. Augé zufolge nehmen solche „Orte des Ortlosen“ im Zuge der Moder-nisierung und Globalisierung rasend zu, was er als Anzeichen eines kollek-tiven Identitätsverlustes wertet: „Der Raum der Nicht-Orte schafft Einsam-keit und Gleichförmigkeit.“ Zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung wurde das in den Kulturwissenschaf-ten stark rezipierte Buch jetzt mit ei-nem neuen Nachwort des Verfassers wieder aufgelegt.

Marc Augé: Nicht-Orte. C.H. Beck, 12,95 Euro. Broschiert, 137 Seiten

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TagesSatz * 07/1432

WAS ES SONST NOCH GIBT

Er liebt es, weil es für ihn Leich-tigkeit symbolisiert. „Auf dem Rad erfahre ich das Glück, in-

dem ich lerne, dass ich fast nichts brauche, um glücklich zu sein. Was-ser, Brot und frei wachsende Früchte reichen aus, um über den Sommer zu kommen.“ Eine neue Erfahrung tut sich für ihn auf: Man ist interessant, weil man etwas tut, was zwar fast je-der könnte, aber kaum einer macht.

Radfahren kann auch lehren, dass es nichts Schöneres gibt, als etwas um seiner selbst willen zu tun. Kinder ver-mögen es noch, völlig sinnfrei (?), ihre Umwelt zu erkunden und darin voller Hingabe aufzugehen. Wir haben das in den meisten Fällen verlernt. Wenn wir es aber schaffen, uns in diesen Zu-stand zurückfallen zu lassen, erleben wir eventuell etwas, das der Psychologe Mihály Csikszentmihály „Flow“ nennt.

Er spricht in dem Zusammenhang von der „intrinsischen“ Motivation: meint, der Betroffene übt eine Tätig-keit nicht um eines Außenreizes wil-len, also in Form von Anerkennung oder Zuwendung aus, sondern er be-zieht den Anreiz, sich mit etwas zu be-schäftigen, lediglich aus der Beschäf-tigung an sich. Das Glücksgefühl des „Flow“ ist mithin auch keine erlern-bare Technik, sondern beschreibt ei-nen Zustand, der sich unwillkürlich und ohne eigenes Zutun einstellt.

Bei einer Radtour, egal, ob eine kür-zere oder auch längere Strecke vom Enthusiasten zurückgelegt wird, ist wichtig, einen Notfallpack mit Pfla-stern und Wundbinden und mitzu-führen, um sich im Bedarfsfall schnell selbst verarzten zu können. Auch die Mitnahme eines Antibiotikums emp-fiehlt sich, falls eventuell keine Apo-theke vor Ort sein sollte.

Die Mitnahme eines Handys kann man sich jedoch getrost ersparen, auf eine gepolsterte Hose, nebst wasser-abweisender Goretex-Jacke und gu-ten Handschuhen sollte man aber lie-ber nicht verzichten. Ebenso kann es von Vorteil sein, die wichtigsten Rei-sepapiere sicherheitshalber in Kopie mit sich zu führen.

Im Vorwort zu seinem Pamphlet „111 Gründe, das Radfahren zu lieben“ schreibt Christoph Brumm: „Für mich als Autor war es eine interessante Aufgabe, meine Liebe zum Radfahren zu begründen.“

Nicht Krieger, sondern Kämpfer

* HARALD WÖRNER

Philosophisch wird Brumm gar, wenn er uns den Unterschied zwi-schen dem Krieger und dem Kämpfer erklärt:„Der Krieger will morden und über andere siegen, er will Ruhm und Eitelkeit, ob für sich oder einen Herr-scher oder eine „heroische“ Idee. Der Kämpfer jedoch findet in sich selbst den Maßstab, er ist ein Erfinder sei-ner selbst. Er liebt das Wachsen, nicht die Zerstörung.“

Geht es bei uns in Deutschland um die Arbeitsplatzsicherung, wird von Verfechtern gern die „Schlüssel-Indu-strie“ Auto-Fertigung angeführt. Un-terschlagen wird, dass der damit ver-bundene Verkehr auch Kosten verur-sacht: es geht um Bereitstellung und Instandhaltung von Straßen, Brük-ken und so weiter. Nicht eingerechnet wird auch die Belastung für die Gesell-schaft, die aus den Behandlungskosten von Unfall-Opfern erwächst.

Der Rote Faden in Brum-mes Buch ist, dass es kei-nen solchen gibt. Speziell die Schilderung seiner Ra-del-Abenteuer in der Ukrai-ne ist nicht nur spannend und unterhaltsam, in man-chen Fällen, wie dem der „liebesbedürftigen“ Dame gar belustigend. Das Buch lebt von seiner Mischung aus persönlichen Erinne-rungen und Erfahrungs-Berichten, deren lebendige Schilderung den Leser an-zustecken vermag. Dabei kommen aber die gesund-heitlichen, gesellschaftli-chen oder politischen Fak-ten auch nicht zu kurz.

* MEHR ZUM THEMA:Christoph Brumme: 111 Gründe, das Rad-fahren zu liebenSchwarzkopf & Schwarzkopf9,95 Euro

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TagesSatz * 07/14 33

DAS LETZTE

Impressum *DER TiCKER NACHRICHTEN AUF DEN LETZTEN DRÜCKER

TagesSatz, das StraßenmagazinHerausgeber: TagesSatz e.V.1. Vorsitzender: Hans Peter PungAdresse der Redaktion Kassel:Westring 69, 34127 KasselTelefon: 0561 / 861 58 43Fax: 0561 / 861 58 61E-Mail: [email protected] & Di: 12-14 Uhr, Do: 14-16 UhrMi & Fr: geschlossenAdresse der Redaktion Göttingen:Obere Karspüle 18, 37073 GöttingenTelefon: 0551 / 531 14 62E-Mail: [email protected], Di, Do: 9-11 Uhr / Do: 16-18 UhrMi & Fr geschlossenHomepage: www.tagessatz.deBankverbindung:Kasseler SparkasseKto.: 11 833 79Blz.: 520 503 53Sparkasse GöttingenKto.: 505 815 11Blz.: 260 500 01Redaktionsleitung:Zoé Dubois (zd), Antonia Stoll (as) (GÖ), Harald Wörner (hw) (KS)Pressearbeit: Carolin SchäufeleVertriebsleitung:Kassel: Christian Piontek, Udo DrescherTel.: 0561 / 861 58 18Göttingen: Ute Kahle, Andreas PramannTel./Fax: 0551 / 531 14 62Anzeigenleitung:Tel./Fax: 0551 / 531 14 62E-Mail: [email protected] Kassel: Charlize März, Nora Mey, Julian Pfleging, Hans Peter Pung, Katharina Schwarz, Harald WörnerRedaktion Göttingen: Paul Hilde-brandt, Ute Kahle, Franziska Luig, Daniele Palu, Robin Maag, Gereon Mewes, Mathis Richtmann, Nick Scheunemann, Kalle Schönfeld, Chri-stine Schuencke, Niki WildbergNews GÖ: Niki Wildberg (nw)Illustration: Pilar GarciaFotografie: Detlef „Rocky“ Bernhard, Zoé Dubois, Paul Hildebrandt, Joshua Kahle, Ute Kahle, N. Klinger, Franziska Luig, Nora Mey, Jörg „Yogi“ Müller, Julian Pfleging, Holger Teichmann, Karsten Winnemuth, Bürgerfrühstück, www.welovefood-derfilm.deUmschlag: Zoé DuboisLayout: Dirk MedererDruck: COLOR-Druck GmbHViSdP: Harald Wörner

Der TagesSatz erscheint zwölfmal im Jahr im Straßenverkauf in Kassel und Göttingen.

Auflage dieser Ausgabe: 4.750

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Version zu veröffentlichen. Nachdruck, auch aus-zugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verkaufspreis: 2,00 EUR, davon geht 1,00 EUR direkt an den Verkäufer.

Nächstes Mal AUGUST-AUSGABE 2014

Unsere Verkäufer stellen sich vor und gestalten die Ausgabe mit ihren eigenen Artikeln. *

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„Problemhaus“ macht weiter SchlagzeilenGÖTTINGEN – Zwei Feuerwehr-einsätze im Wohnkomplex Groner Landstraße 9 a-c haben Anfang Juni dafür gesorgt, dass dieses und andere „Problemhäuser“ in der Stadt wei-terhin stark in der Diskussion ste-hen. Sowohl im sechsten als auch später im elften Stock des Wohn-komplexes gerieten zwei Apparte-ments in Brand, wodurch vier Be-wohner Rauchgasvergiftungen erlit-ten. Alle mussten ins Krankenhaus geliefert werden. Im elften Stock war die Rauchentwicklung so stark, dass etwa 100 Bewohner zeitweise eva-kuiert wurden. Die Brandursache ist noch unklar. Pro Jahr sind etwa 100 Feuerwehreinsätze in der Gro-ner landstraße 9 a-c notwendig. Die Stadt Göttingen überlegt, die Häu-ser aufzukaufen, um sie anschließend abzureißen oder wenigstens zu sa-nieren. Die Frage, was in der Zwi-schenzeit mit den Bewohnern gesche-hen soll, ist dabei bislang allerdings noch ungeklärt. (nw)

Länder uneinig über TrinkverbotKASSEL/GÖTTINGEN – Mit Be-ginn des Sommers feiern Menschen wieder vermehrt im Freien. Zum Be-ginn der Fußball-Weltmeisterschaft dürften sich dann noch mehr Feiern-de im Freien tummeln, um sich TV-Übertragungen anzusehen, oder um sich für private Fußball-Feste im Gar-

ten zu treffen. Dabei steigt dann nicht nur die Stimmung, sondern meist auch der Al-koholkonsum. Für viele Menschen ist dies aber kein Sommermärchen, sondern einfach nur störend. Die Bundesregierung hat daher Lärmschutzverordnung für den öffentlichen Raum gelockert, so dass Übertragungen auf Außenleinwänden nach 22 Uhr und in Aus-nahmefällen sogar bis nach Mitternacht er-laubt sind. Private Feiern sind allerdings da-von ausgenommen, hier gilt nach wie vor die gesetzliche Nachtruhe, die von 22.00 bis 6.00 Uhr andauert. Allerdings sind überhöh-ter Alkoholkonsum und damit einhergehen-der Lärm keineswegs WM-Phänomen, vie-le Kommunen haben hiermit, beispielsweise bei Großveranstaltungen, auch so ihre Pro-bleme. Allerdings stellt Trinken in der Öffent-lichkeit keinen Straftatbestand dar. In Hessen plädierte der Städte- und Gemeindebund be-reits 2010 für ein allgemeines Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Allerdings müsste hier-zu erst das Hessische Sicherheits- und Ord-nungsgesetz neu verfasst werden. Denn in die-sem ist die sogenannte Gefahrenabwehrver-ordnung geregelt. Der Vorschlag wurde da-mals von der CDU/FDP-geführten Landes-regierung abgelehnt. Auch der Kommuna-le Spitzenverband Niedersachsen hat hierfür Verständnis. Dort hatte man sich ebenfalls ge-gen eine solche Einschränkung der Freiheits-rechte ausgesprochen. Hierzu Thorsten Bul-lerdiek: „Für ein Alkoholverbot muss eine konkrete Gefahr bestehen.“ Erst wenn durch erhöhten Konsum die eigene oder die öffentli-che Sicherheit gefährdet seien, gebe es Hand-lungsmöglichkeiten. Denn das Verbot träfe ja auch Gastromnomen und diejenigen, die ihr Feierabendbier gern draußen trinken. (hw) *

* MEHR ZUM THEMA:Christoph Brumme: 111 Gründe, das Rad-fahren zu liebenSchwarzkopf & Schwarzkopf9,95 Euro

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TagesSatz * 07/1434

ALLGEMEINE HILFEN

Göttingen

Caritasverband GöttingenAllgemeine Lebens- undSozialberatungsstelleGodehardstr. 18, 37081 Göttingen0551/999590

Opferhilfebüro GöttingenMaschmühlenweg 11(Landger.)37073 Göttingen0551/5213883

Weißer Ring e.V.Hilfen für Opfer von Straftaten0551/6338876

Sozialdienst für Migranten, RABaZ-Beratungs- & Vermittlungs-stelle für ausländische JugendlicheKarspüle 16 , 37073 Göttingen0551/57739

BONUS FreiwilligenzentrumGodehardstr. 18, 37081 Göttingen0551/9995917

Neue Arbeit – BrockensammlungLevinstr.1, 37079 Göttingen0551/5067320

Pro FamiliaRote Str.19, 37073 Göttingen0551/58627

Selbsthilfe KörperbehinderteNeustadt 7, 37073 Göttingen0551/54733-0

Selbsthilfegruppe für Mobbing-geschädigte – Rainer Beutler05602/1860

BürgerInnenberatung Stadt GöttingenHiroshimaplatz 2, 37083 Göttingen

Zukunfts-WerkstattHilfe für Migranten & JedermannHaus der Kulturen – Hagenweg 2e37081 Göttingen

BahnhofsmissionBahnhof, Gleis 4-5, 37073 Göttingen0551/56190

Diakonieverband GöttingenAllgemeine Lebens- und SozialberatungsstelleSchillerstraße 2137083 Göttingen0551/517810

Kassel

Kasseler HilfeOpfer- und Zeugenhilfe e.V.Wilhelmshöher Allee 10134121 Kassel0561/282070

Weißer Ring e.V.Hilfen für Opfer von Straftaten0561/6029458

Pro Familia KasselFrankfurter Straße 133 a34121 Kassel0561/27413Außenstelle WitzenhausenAm Mart 1/ Witzenhausen

Zentrum für Sucht- & SozialtherapieDiakonisches Werk KasselFrankfurter Str. 78a, 34121 Kassel0561/93895-0

ARBEITSLOSENHILFE

Göttingen

ArbeiterwohlfahrtHospitalstr. 10, 37073 Göttingen0551/50091-0

Mensch & Arbeit - Beratungsstelle für Arbeitnehmer und ArbeitsloseKurze Str. 13a, 37073 Göttingen0551/43373

Arbeit und Leben (A&L) Lange Geismarstr. 72-73 37073 Göttingen 0551/495070 oder 4950741Di und Do von 9.30-13.30 Uhr

LEBLändliche ErwachsenbildungGroner Landstr. 27 37081 Göttingen 0551/8207917Mo, Di und Fr 14.30-18 Uhr

BBA e.V. TU WAS Geismarlandstr. 6, 37083 Göttingen 0551/485200Di, Do 10-12 & 14-16 Uhr

Kassel

Beratungsstelle für Arbeitslose des DGB Kreis KasselSpohrstraße 6-8, 34117 Kassel0561/7209536

ESSENSAUSGABEN

Göttingen

Die Göttinger TafelJakobikirchhof 1 , 37073 GöttingenTel. 0551–51030

Mittagstisch St. MichaelTurmstr. 5, 37073 Göttingen0551/5479540

StraßensozialarbeitRosdorfer Weg 17, 37073 Göttingen0551/517980

Kassel

Kasseler TafelHolländische Straße 14134127 Kassel0561/23003

Suppentopf der Heilsarmeejeden Donnerstag von 14-15 UhrMartinsplatz

Gesegnete MahlzeitDiakonisches Werk KasselHermannstraße 6, 34117 Kasselweitere Stellen: Neue Brüderkirche, Johanneskirche, Auferstehungskirche

FRAUEN IN NOT

Göttingen

KORE e.V. (Beratung für Frauen)Berliner Str. 1, 37073 Göttingen0551/57453Mo 14-18 Uhr, Do 8.30-12.30 Uhr

Frauen-Notruf e.V.Postfach 18 25, 37008 Göttingen0551/44684

Frauenhaus e.V. GöttingenPostfach 1911, 37009 Göttingen0551/5211800

Therapeutische Frauenberatung e.V. Groner Straße 32/3337073 Göttingen 0551/45615

Kassel

Übergangseinrichtung für wohnungslose FrauenAm Donarbrunnen 3234132 Kassel0561/43113

FRANKA e.V.Verein zum Schutz von Frauen, die Op-fer von Menschenhandel geworden sindFrankfurter Straße 78a34121 Kassel0561/70165824

Autonomes Frauenhaus0561/898889

Frauen in Not0561/9892929

Notruf für vergewaltigte FrauenFrauen gegen Vergewaltigung e.V.0561/772244

Frauen informieren Frauen e.V.Beratung bei häuslicher GewaltWestring 67, 34127 Kassel0561/ 89 31 36

GESUNDHEIT

Göttingen

GesundheitsamtSozialpsychiatrischer Dienst Am Reinsgraben 1, 37085 Göttingen0551/4004862

Frauengesundheitszentrum Göttingen e.V.Groner Straße 32/3337073 Göttingen0551/484530

GesundheitszentrumAlbanikirchhof 4-537073 Göttingen0551/486766

Kassel

Fahrende ÄrzteDr. Giesler/Dr. MoogMo 14-15.30 Uhr auf dem MartinsplatzDo 20-24 Uhr in der Gießbergstraße

Kabera e.V.Beratung bei EssstörungenKurt - Schumacher Straße 234117 Kassel0561/780505

Gesundheitsamt Region KasselWilhelmshöher Allee 19-2134117 Kassel0561/10031920

HAFTENTLASSENE

Göttingen

Anlaufstelle – Kontakt in Krisen e.V.Rosmarinweg 24, 37081 Göttingen0551/632977

Kassel

Beratungsstelle für HaftentlasseneKölnische Straße 35, 34117 Kassel0561/787-5061 oder0561/70738-00

HILFE & SELBSTHILFE BEI AIDS

Göttingen

Göttinger AIDS-HilfeObere Karspüle 14, 37073 Göttingen0551/43735 werktags: 10-13 UhrBeratung: 0551/19411

AIDS-Beratungsstelle Theaterplatz 4, 37073 Göttingen0551/4004831

Kassel

Aids-Hilfe KasselMotzstraße 1, 34117 Kassel0561/97975910

Stadt Kassel – GesundheitsamtAIDS-BeratungsstelleObere Königsstraße 334117 Kassel0561/787–5380

KINDER & JUGENDLICHE IN NOT

Göttingen

Deutscher KinderschutzbundNikolaistraße 11, 37073 Göttingen0551/7709844

Omnibus - Beratungsstelle für Jugendliche & junge ErwachseneGoßlarstr. 23, 37073 Göttingen0551/392690

Kassel

Deutscher KinderschutzbundSiemensstraße 1, 34127 Kassel0561/899852

Verein zur Förderung der Erziehungshilfen in Nordhessen e.V.Wilhelmshöher Allee 32a0561/78449-0

Stadt KasselSozialer Dienst des JugendamtesFriedrich-Ebert-Straße 134117 Kassel0561/787–5301

KLEIDERKAMMERN

Göttingen

Ev.-ref. Gemeinde – KleiderkammerUntere Karspüle 11, 37073 GöttingenKleiderladen 0551/5473717Ausgabe: Do 9-12 Uhr

Deutsches Rotes KreuzZollstock 17, 37081 Göttingen0551/5096322Ausgabe: Mo & Do 8.30-11 Uhrjeden 3. Mi im Monat 16-18 Uhr

Kassel

Diakonisches Werk KasselSprungbrett & Sprungbrett spezialSteinweg 5, 34117 Kassel0561/572090

Deutsches Rotes KreuzKönigstor 24, 34117 Kassel0561/7290441

LEBENSKRISEN

Telefonseelsorge für Jugendliche0800/1110333

Göttingen

Telefonseelsorge0800/1110111 & 0800/1110222

Kassel

Telefonseelsorge 0800/1110111

PSKB Stadt & Landkreis Kassel0561/1003-0 & 0561/787-5361

NOTSCHLAFSTELLEN

Göttingen

HeilsarmeeUntere Maschstr. 13b37073 Göttingen0551/42484

Kassel

Soziale Hilfe e.V. / Panama(für alleinstehende Wohnungslose)Kölnische Straße 35, 34117 Kassel0561/70738-00

Café Nautilus (für Drogenabhängige)Erzberger Straße 45, 34117 Kassel0561/12115

RECHTSBERATUNG & HILFE

Kassel

Schuldnerberatung Gottschalkstraße 51, 34127 Kassel0561/893099

Verbraucherzentrale Hessen e.V.Bahnhofsplatz 1, 34117 Kassel0561/772934

Göttingen

AWO Schulden- & Insolvenzbera-tung, Kreisverband Göttingen e.V.Hospitalstraße 10, 37073 Göttingen0551/50091-0

Kostenlose RechtsberatungGöttinger Tafel e.V.Jacobikirchhof 1, 37073 Göttingen0551 – 5 10 30

Unabhängige Patientenberatung GöttingenAlbanikirchhof 4-5, 37073 Göttingen 0551/488778-0

Verbraucherzentrale NiedersachenPapendiek 24, 37073 Göttingen0551/57094

SUCHTBERATUNG: ALKOHOL

Kassel

Anonyme Alkoholiker0561/5108806

Blaues Kreuz KasselLandgraf-Karl-Straße 2234131 Kassel0561/93545-0

WOHIN, WENN

Wenn Ihre Einrichtung hier nicht enthalten, oder wir eine Korrektur durchführen sollen, schicken Sie bitte eine E-Mail mit den Daten an goettingen@ tagessatz.de!

Suchtberatung Diakonisches Werk KasselSucht- und Sozialtherapeut. ZentrumFrankfurter Str. 78A, 34121 Kassel0561/93895-0

SUCHTBERATUNG: DROGEN

Göttingen

DROBZ (Drogenberatungszentrum)Mauerstr.2, 37073 Göttingen 0551/45033

Beratungsstelle für Suchtkranke – DiakonieverbandSchillerstr 21, 37083 Göttingen 0551/72051

Kassel

Drogenhilfe Nordhessen e.V.Schillerstraße 2, 34117 Kassel0561/103641

Kontaktladen „Nautilus“Erzberger Straße 45, 34117 Kassel0561/12115

SAM – SubstitutionsfachambulanzWilhelmshöher Allee 12434119 Kassel0561/711813Schillerstraße 2, 34117 Kassel0561/103878

WOHNUNGSLOSENHILFE

Göttingen

Ambulante Hilfe für alleinstehende WohnungsloseWiesenstr. 7, 37073 Göttingen0551/42300

Diakonische Heime in Kästorf e.V. – Außenstelle GöttingenWienstraße 4f, 37079 Göttingen0551/5053302

Straßensozialarbeit (Kleiderkammer) Rosdorfer Weg 17, 37073 Göttingen0551/517980

Wohn-/Übernachtungsheim für Frauen und MännerUntere Maschstr. 13b37073 Göttingen0551/42484

Kassel

Die Heilsarmee / Sozial Center KsEisenacher Straße 18, 34123 Kassel0561/570359-0

Beratungsstelle für NichtsesshafteSozialamt der Stadt KasselKölnische Straße 35, 34117 Kassel0561/787-5061

Beratungsstelle für alleinstehende Wohnungslose – Soziale Hilfe e.V.Kölnische Straße 35, 34117 Kassel0561/70738–00

Betreutes WohnenDiakonisches Werk KasselFrankfurter Str. 78a, 34121 Kassel0561/93895-10

WOHNUNGSPROBLEME

Kassel

Zentrale Fachstelle WohnenWohnungsamt (Rathaus)Obere Königsstraße 8 34112 Kassel0561/787-6252 oder -6255

Deutscher MieterbundMieterverein Kassel u. U. e.V.Königsplatz 59, 34117 Kassel0561/103861

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»Mein Flaschenpfand gibt Menschen Würde.«

Mit dem Einwurf Ihres Pfandbelegs in den BonBons-Behälter unterstützen Sie direkt bedürfti-ge Menschen in Ihrer Region. Ihre Spende kommt zu gleichen Anteilen dem Straßenmagazin TagesSatz, sowie in Göttingen der Göttinger Tafel, in Kassel der »Gesegneten Mahlzeit« und dem »Suppentopf« zu Gute. Informationen zum Projekt und zu den Supermärkten mit Bon-Bons-Boxen erhalten Sie auf unserer Webseite: www.pfandbonbons.de

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