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Patrick Litz Talentförderung und Schulsport in der DDR und der BRD

Talentförderung und Schulsport in der DDR und der · PDF fileGegebenheiten und Einflüsse in und auf die BRD zu einem föderalistischen System mit der Kultushoheit der Länder

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Patrick Litz

Talentförderung und Schulsport

in der DDR und der BRD

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Gedruckt auf holz- und säurefreiem Papier, 100 % chlorfrei gebleicht. © Weißensee Verlag, Berlin 2004 Kreuzbergstraße 30, 10965 Berlin Tel. 0 30 / 91 20 7-100 www.weissensee-verlag.de e-mail: [email protected] Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Kerstin Hummel ([email protected]) unter Verwendung des Bildes „Sportschau anläßlich des VIII. Turn- und Sportfestes 1987 in Leipzig“ (Quelle: Bild 183-1987/0801/120, Bundesarchiv) Printed in Germany ISBN 3-89998-051-4

5

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ........................................................................................................................ 7

1 Einleitung ............................................................................................................. 9

2 Die Begriffe Talent, Talentsuche und Talentförderung ..................................... 11

3 Das Schulwesen nach Ende des Krieges ............................................................ 13

4 Der Schulsport in der DDR ................................................................................ 15

4.1 Die erste Etappe 1945-1949: Der Lehrplan für

Körpererziehung von 1946......................................................................... 15

4.2 Die zweite Etappe 1949-1952 .................................................................... 17

4.3 Die dritte Etappe 1952-1958 ...................................................................... 21

4.3.1 Der Lehrplan für das Schuljahr 1954 ................................................. 24

4.3.2 Verschärfung des politischen Kurses ................................................. 26

4.3.3 Weitere Erziehungsziele des Turnunterrichts .................................... 28

4.3.4 Der Lehrplan von 1956 und die Praxis............................................... 28

4.3.5 Methoden und erzieherische Mittel.................................................... 31

4.4 Die vierte Etappe 1958-1961...................................................................... 32

4.4.1 Der Beitrag des Turnunterrichts zur polytechnischen Erziehung ...... 32

4.4.2 Der Lehrplan der zehnklassigen allgemeinbildenden

polytechnischen Oberschule 1959/60................................................. 34

4.5 Der Lehrplan von 1989 für die Klassen 1-3............................................... 35

4.6 Koedukation im Sportunterricht................................................................. 39

4.7 Die Entwicklung der Kinder- und Jugendsportschulen

(KJS) von 1952-1991 ................................................................................. 40

4.7.1 Die KJS in der Zeit von 1952-1961 ................................................... 43

4.7.2 Die KJS in der Zeit von 1962-1975 ................................................... 43

4.7.3 Die KJS in der Zeit von 1975-1990 ................................................... 45

4.7.4 Die KJS nach 1990............................................................................. 46

6

5 Der Schulsport in der BRD am Beispiel des Bundeslandes Bayern ................. 47

5.1 Die Abwendung von der nationalsozialistischen Ideologie ....................... 47

5.2 Der zeitliche Umfang der Leibeserziehung................................................ 48

5.3 Die Ausweitung der Inhalte der Leibeserziehung ...................................... 48

5.4 Der Wandel der Bezeichnungen für das Fach............................................ 49

5.5 Der Wandel der Zielsetzungen im Sportunterricht .................................... 49

5.6 Der Curriculare Lehrplan Sport von 1978.................................................. 50

5.7 Der Lehrplan Sport für das bayerische Gymnasium von 1992 .................. 52

6 Talentförderung in der DDR .............................................................................. 56

6.1 Die erste Förderstufe .................................................................................. 56

6.2 Die zweite Förderstufe ............................................................................... 57

6.3 Die „Einheitliche Sichtung und Auswahl für die Trainingszentren des

DTSB“ (ESA)............................................................................................. 58

6.4 Das Trainingssystem .................................................................................. 60

6.5 Die Spartakiadewettkämpfe ....................................................................... 63

7 Talentförderung in der BRD durch den Schulsport ........................................... 65

7.1 Der Schulsportwettbewerb Jugend trainiert für Olympia (JtfO) ................ 65

7.2 Das Tübinger Basketball-Modell (Stand 1997) ......................................... 66

8 Fazit .................................................................................................................... 69

9 Verzeichnisse ..................................................................................................... 71

9.1 Literaturverzeichnis.................................................................................... 71

9.2 Abbildungsverzeichnis ............................................................................... 73

9.3 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. 74

7

Vorwort

Auch 15 Jahre nach dem Fall der Mauer kämpft Deutschland – immer noch – mit seiner Wiedervereinigung. Dies gilt nicht nur hinsichtlich grundsätzlich politischer – ideeller – Fragestellungen oder tagespolitischer Diskussionen – Wirtschaftsfragen, Arbeitslosenquote, rechtsextreme Tendenzen in den östlichen Bundesländern –, dies trifft auch für den Sport in allen seinen Bereichen zu. Zieht man nach den Olympischen Spielen von Athen 2004 Bilanz und nimmt man die letzten Olympischen Spiele stellvertretend für eine Standortbestimmung des deutschen Spitzensports heran, drängen sich viele und grundsätzliche Fragen zum gegenwärtigen Stand und zur zukünftigen Entwicklung des Spitzensports in Deutschland auf. Sicherlich konnte man nicht wirklich von der Erwartung ausgehen, dass das wieder vereinte Deutschland so viele Medaillen erringen würde wie die DDR und die BRD vor 1989 zusammen. Aber dass Deutschland nach 1989 eine „Sportmacht“ sein würde, die v.a. mit den USA, Russland, China auf Augenhöhe und auf Dauer konkurrieren würde, hatten doch viele erwartet. Die Realität sieht indes anders aus: Deutschland belegt mit insgesamt 48 Medaillen „nur“ Rang 6 (Stand: 13.10.2004 – Veränderungen sind wegen der Dopingvorwürfe gegenüber den deutschen Reitern zu erwarten). Nun ist die Aussagekraft des Medaillenspiegels alleine sicherlich kritisch zu sehen; außerdem kann man darauf verweisen, dass andere große europäische (Sport-)Nationen, wie Frankreich, Italien, Großbritannien noch hinter Deutschland liegen. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass sich der deutsche Spitzensport in einer Krise befindet: Ein beträchtlicher Teil der deutschen Medaillen – diese Anmerkung soll die dort erbrachten Leistungen der Athleten keineswegs mindern! –wurde in Sportarten wie Kanu, Reiten etc. errungen. In „Hauptsportarten“ wie Leichtathletik, Schwimmen, den Großen Sportspielen usw. spielten deutsche Sportler kaum eine Rolle, in vielen waren sie gar nicht vertreten/nicht qualifiziert, z.B. Fußball (Männer), Volleyball (Männer), Basketball (Frauen und Männer). Betrachtet man die sportliche Herkunft erfolgreicher Athleten – allen voran Birgit Fischer – genauer, stimmt dies noch nachdenklicher: was wird sein, wenn die Spitzensportler, die noch in der DDR heranwuchsen, nicht mehr an den Start gehen? Eine genaue Analyse für alle Sportarten ist hier nicht möglich; sie muss von den einzelnen Verbänden, die den Einblick in die Biografien ihrer Athleten haben, geleistet werden. Hier bleibt die grundsätzliche Frage: Warum sind deutsche Spitzensportler nicht mehr so erfolgreich? Unter der Vielzahl möglicher Faktoren soll hier ein Aspekt herausgenommen und angedacht werden: Was war im damaligen DDR-Sport anders und könnte auch unter heutigen Bedingungen weitergeführt werden, das die damalige DDR, die ja etwa nur ein Fünftel so groß war wie die Bundesrepublik, sportlich so erfolgreich machte? Das Doping allein, das

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man dem DDR-Sport so gerne vorwirft, kann es nicht gewesen sein. Zwar wurde es hier staatlich gefördert, systematisiert und flächendeckend betrieben, aber gedopt wurde auch im Westen (vgl. z.B. BERENDONK, 1992, SINGLER/TREUTLEIN, 2000 und 2001) und wird immer noch (Olympische Spiele von Athen). Das alleine kann es also nicht gewesen sein. Was aber kam hinzu? Diese Frage führt zur wesentlichen Frage nach der Struktur des ehemaligen DDR-Sports, dessen Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist. Freilich ist die Forderung der reinen Übernahme der Strukturen des DDR-Sports mehr als naiv – dafür sind die Gesellschaftssysteme zu unterschiedlich und schließlich hat sich auch die Gesellschaft selbst in der Zwischenzeit verändert. Die Übernahme der Idee der KJS in zentralen Stützpunkten durch viele Verbände nach 1989 hat dies klar gezeigt; dennoch bleibt die Frage, ob sich die Verbände etwa in puncto Talentsichtung und Talentförderung – wo und wie finden sie gegenwärtig eigentlich statt? – nicht doch durch die eine oder andere Vorgehensweise der DDR inspirieren lassen könnten. Hierzu stellt die vorliegende Arbeit in ihrer sachlich-neutralen Darstellung eine sehr gute Grundlage dar. Auch die Frage, in wie weit die Arbeit an einzelnen Stützpunkten nach bestimmten Vorgaben und Inhalten koordiniert wird, sei hier aufgeworfen. Jedoch nicht nur hinsichtlich des Spitzensports, sondern auch hinsichtlich des Breitensports gibt es angesichts der heutigen gesellschaftlichen Situation Handlungsbedarf, mehr Menschen zu sportlicher Aktivität zu motivieren, d.h. mehr zu einer „Körperkultur“ beizutragen, die einen angemessenen und sinnvollen Umgang mit Bewegung, Spiel und Sport beinhalten soll. Über die Darstellungen hierzu in der vorliegenden Arbeit hinaus wäre es von großem Interesse, weitere Forschungen zu betreiben – etwa hinsichtlich der Frage, was die Betriebssportgemeinschaften der DDR hierzu beigetragen haben. Ausgangspunkt für die Diskussionen über Spitzen- und Breitensport in der DDR ist für den Verfasser der vorliegenden Arbeit der Schulsport. P. Litz zeichnet dabei den intendierten Beitrag des Schulsports zur Gesamterziehung in der DDR, seine Rolle in der Talentsichtung und –förderung und seine Zielsetzung zur Wehrertüchtigung und Verteidigungsbereitschaft (ab 1952) nach. Mit der Gegenüberstellung der sportpädagogischen Konzeption in der BRD am Beispiel der Sportlehrpläne Bayerns eröffnet der Autor dem Leser die Möglichkeit einer eigenen kritischen Auseinandersetzung und Wertung der Rolle des Schulsports in der DDR. Die vorliegende Arbeit ist auf Grund der sorgfältigen Recherchen und der sachlichen Darstellung sehr begrüßenswert. Sie kommt der aktuellen Forderung nach Aufarbeitung des DDR-Sports gelungen nach und stellt eine sehr gute Grundlage für weiterführende Frage-stellungen und Diskussionen dar.

Schwäbisch Gmünd, 14.10.2004 Axel Horn

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1 Einleitung

Nach rund 45 Jahren endete die Teilung Deutschlands am 3. Oktober 1990. In der Zeit der

getrennten Staaten bzw. Besatzungszonen durchliefen der Sportunterricht und die

Talentförderung in beiden deutschen Staaten unterschiedliche Entwicklungsphasen. Im

Gegensatz zur DDR, die ein totalitärer, zentral gesteuerter Staat war, führten die politischen

Gegebenheiten und Einflüsse in und auf die BRD zu einem föderalistischen System mit der

Kultushoheit der Länder.

In beiden deutschen Staaten und im vereinten Deutschland war bzw. ist die Talentförderung

eng mit der Schule verbunden. Die Talentförderung in der DDR galt als eine der besten der

Welt und führte junge Talente langfristig an sportliche Spitzenleistungen heran. Sportler aus

der DDR errangen bei Olympischen Spielen eine Vielzahl an Medaillen wie die

Medaillenspiegel der Olympischen Spiele von 1968, 1972 und vor allem 1988 zeigten (vgl.

PROSKE, 2001, 646, 647, 649). Doch auch heute noch, 14 Jahre nach der Wende, sind die

Ergebnisse und Erfolge der DDR-Talentförderung bei nationalen und internationalen

Wettkämpfen sichtbar. Bei der Fußballweltmeisterschaft waren Michael Ballack, Bernd

Schneider und Thomas Linke wichtige Spieler für das Team von Rudi Völler. Wie die

Olympischen Spiele 2000 und 2002 bewiesen, vollbringen viele Athleten, die das Talent-

fördersystem der DDR durchlaufen haben, Leistungen auf Weltklasseniveau.

In dieser Arbeit stelle ich der DDR-Talentförderung die schulische Talentförderung der BRD

gegenüber. Schwerpunkt der Arbeit ist die Beschreibung der DDR-Talentförderung. Auf-

grund des Erfolges und der interessanten Komplexität habe ich mich für diese Akzentuierung

entschieden.

Am Anfang dieser Arbeit kläre ich die Begriffe Talent, Talentsuche und Talentförderung und

gehe auf das Schulwesen nach Ende des Krieges ein.

Ich beschreibe den Schulsport, der für die Talentförderung in der DDR als auch in der BRD

von großer Bedeutung war bzw. ist. Ich beschäftige mich dabei unter Berücksichtigung der

Zielsetzungen, der Methoden, der Inhalte und des Beitrags zur Talentförderung mit der

Entwicklung des Schulsports von seinen Anfängen unter alliiertem Einfluss nach Ende des

Krieges bis kurz vor und nach der Wende.

Die Entwicklung des Schulsports in der DDR wird bis zum Jahr 1961 ausführlich

beschrieben. Bis zu dieser Zeit wurden Grundsätze für den Schulsport geschaffen, die in den

10

letzten Lehrplänen der DDR von 1989 noch zu finden waren, weshalb auf eine umfassende

Behandlung der Entwicklung des DDR-Schulsports nach 1961 verzichtet wird.

Ausführlich gehe ich auf die KJS ein, die in der DDR ein wichtiger Bestandteil der

Talentförderung waren und die schulische mit der sportlichen Ausbildung koordinierten.

Stellvertretend für den Schulsport in der BRD gehe ich auf die bayerischen Sportlehrpläne

ein, die die am „weitesten entwickelte Konzeption“ (VORLEUTER, 1998, 214) in der BRD

darstellten. Zwei für die Talentförderung bedeutende Lehrpläne sollen genauer betrachtet

werden. Zum einen der Curriculare Lehrplan Sport von 1978 und zum anderen der Lehrplan

Sport für das bayerische Gymnasium von 1992.

Die Beschreibung des Systems der Talentförderung in der DDR, als Schwerpunkt dieser

Arbeit, umfasst die erste und zweite Förderstufe. Des Weiteren gehe ich auf die ESA, das

Trainingssystem und die Spartakiadewettkämpfe ein.

Für die schulische Talentförderung in der BRD wird auf ein bundesweites sowie auf ein

regionales Konzept eingegangen.

Zum Abschluss werde ich anhand der Gegenüberstellung ein Fazit ziehen.

Um die Authentizität der Veröffentlichungen vor der Rechtschreibreform zu wahren werden

Zitate nicht der neuen Rechtschreibung angepasst. Um das Lesen zu vereinfachen wird auf die

Unterscheidung zwischen weiblicher und männlicher Form im Allgemeinen verzichtet.

11

2 Die Begriffe Talent, Talentsuche und Talentförderung

Der Talentbegriff ist eine weitgefächerte Bezeichnung und keineswegs eine Erfindung des

Sports. So spricht man umgangssprachlich in den verschiedenen Handlungsfeldern zum

Beispiel von einem mathematischen, künstlerischen oder handwerklichen Talent. Damit meint

man Personen mit herausragenden Veranlagungen oder Fähigkeiten, von denen angenommen

wird, dass sie durch eine qualifizierte Förderung in dem entsprechenden Handlungsfeld

überdurchschnittliche und herausragende Leistungen vollbringen können (vgl. CARL, 1988,

11).

Dem entsprechend ist das Talent für den Sport definiert:

„Als sportliches Talent (Sporttalent) wird eine Person bezeichnet, von der man aufgrund

ihres Verhaltens oder aufgrund ererbter oder erworbener Verhaltensbedingungen annimmt,

daß sie für sportliche Leistungen eine besondere Begabung oder Hochbegabung besitzt.“

(CARL, 1988, 11)

Um auf ein Talent aufmerksam zu werden und um es finden zu können, ist die Durchführung

einer Talentsuche notwendig, die wie folgt beschrieben wird:

„Als Talentsuche werden im folgenden alle Maßnahmen bezeichnet, die mit dem Ziel

durchgeführt werden, eine hinreichend große Anzahl von Personen (in der Regel Kinder oder

Jugendliche) zu finden, die zur Aufnahme einer Allgemeinen Grundausbildung oder eines

(sportartspezifischen) Nachwuchstrainings bereit sind.“ (CARL, 1988, 17)

Maßnahmen für die Talentsuche sind:

- Die Sichtung von Schülern mit überdurchschnittlichen Sportnoten

- Die Auswertung von schulischen Wettkämpfen

- Sichtungswettkämpfe in den Vereinen und auf Verbandsebene

- Die Sichtung über standardisierte Tests, die in den Schulen, Vereinen und auf

Verbandsebene durchgeführt werden

- Die subjektive Beobachtung von breitensportlich orientierten Vereinsgruppen,

schulischen Fördergruppen oder Schulklassen durch Trainer, Übungsleiter oder

Lehrer sowie in Kurzlehrgängen der Vereine und Verbände

13

3 Das Schulwesen nach Ende des Krieges

Die Demokratisierung Deutschlands war eines der gemeinsamen Ziele der Alliierten. Für

diesen Vorgang wurde der Begriff „Reeducation“ (Umerziehung) gewählt, welcher bei der

deutschen Bevölkerung nicht sehr beliebt war. Die Schmerzen der Niederlage in moralischer

und militärischer Sicht waren für die Deutschen noch akut, eine Belehrung und Erziehung

wollten sie nicht haben (vgl. BENZ, 1998, 27). Mit der Besetzung Deutschlands wurden auch

alle Schulen geschlossen. Bevor die Schulen wieder geöffnet werden konnten, mussten die

Lehrpläne und Lehrmittel entnazifiziert werden. Es dauerte bis zum Herbst 1945 ehe die

Schulen in allen Zonen öffneten (vgl. BENZ, 1998, 27). Die Zerstörung vieler Schulgebäude

während des Krieges führte dazu, dass es an Klassenzimmern und Arbeitsmaterial fehlte. Ein

anderes Problem war das Fehlen von Lehrkräften, die im Krieg gefallen waren oder im

Rahmen der Entnazifizierung weichen mussten. Dies alles erschwerte die Wiederaufnahme

des Schulbetriebs, zeitweise hatten Klassen eine Größe von 70 Schülern. Es wurde versucht

das Fehlen der Lehrkräfte durch den Einsatz von Studenten, Lehrerpensionären, Schulhelfern

und –praktikanten, Laienlehrkräften, Kindergärtnerinnen, Jugendleiterinnen, verheirateten

Lehrerinnen und Lehrkräften aus geschlossenen Schularten zu kompensieren. Die Änderung

der Lehrpläne sah vor, den Schülern demokratische Ziele und die Achtung der Menschen-

würde zu vermitteln. Verboten waren der Geografie- und Geschichtsunterricht (vgl.

INSTITUT FÜR SCHULGESCHICHTE DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE

WEINGARTEN, 2002, 7-8). Erst im Juni des Jahres 1947 stellte der Alliierte Kontrollrat

Grundsätze für die Demokratisierung des deutschen Erziehungssystems auf. In dieser

Direktive wurde die sechsklassige Grundschule für alle festgesetzt, was jedoch wegen der

andersartigen Auffassungen der verschiedenen Machthaber der Zonen zu unterschiedlichen

Reformen in den vier Zonen führte.

In der sowjetischen Besatzungszone wurde die achtklassige Grundschule mit anschließender

vierstufiger Oberschule oder dreistufiger Berufsschule eingeführt. Besonders sollten die

Kinder von Arbeitern und Bauern gefördert werden.

In der französischen Besatzungszone wurde bis 1949 versucht das französische Schulsystem

zu etablieren. Die ersten drei Klassen des Gymnasiums stellten eine Förderstufe dar. Somit

konnte den Volksschülern der spätere Eintritt ermöglicht werden. Erste Fremdsprache war

Französisch, die spezielle Mädchenbildung wurde abgeschafft.

Die Militärregierungen der britischen und amerikanischen Besatzungszonen überließen die

Durchführung und Entwicklung von Schulreformen den Deutschen selbst. Da sich die

15

4 Der Schulsport in der DDR

Im Mai 1946 wurde das gesamte Erziehungswesen der SBZ durch das „Gesetz zur

Demokratisierung der Schule“ verstaatlicht und die Einheitsschule eingerichtet. Sie umfasste

eine auf dem Kindergarten aufbauende Grundschule von acht Jahren, gefolgt von einer

Oberschule von vier Jahren bzw. drei Jahre Berufsschule. Die Grundschule, deren Besuch

obligatorisch war, wurde in eine Unterstufe (1.-4. Klasse) und in eine Mittelstufe (5.-8.

Klasse) unterteilt (vgl. ENGELHARDT, 1965, 13).

Nach ENGELHARDT lassen sich die Entwicklungen und der Aufbau des Schulsports in

verschiedene Etappen einteilen.

4.1 Die erste Etappe 1945-1949: Der Lehrplan für Körpererziehung von 1946

Die Direktive 23 des Alliierten Kontrollrats beeinflusste den Schulsport. Militärische

Lehrveranstaltungen und Lerninhalte wurden verboten. Sich auf die Direktive 23 berufend,

gestattete die SMAD die Durchführung der körperlichen Erziehung an den Schulen. Schon

von Beginn an war die Körpererziehung in den Neuaufbau der Schule involviert (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 14).

Der erste Lehrplan für die Körpererziehung an den Grund- und Oberschulen der SBZ erschien

am 1. Juli 1946. Dieser Lehrplan war geprägt von den allgemeinen neu auflebenden

Reformbestrebungen, die die Koedukation proklamierten und sich um die Wiederaufnahme

der Arbeitsschule, des Kern- und Kursunterrichts und des Gruppenunterrichts bemühten. Die

Körpererziehung wurde als ein wesentlicher und untrennbarer Teil der Gesamterziehung

gesehen (vgl. ENGELHARDT, 1965, 14-15).

Nach diesem Lehrplan von 1946 lag die Hauptaufgabe der Körpererziehung darin, Kraft,

Geschicklichkeit, Ausdauer und eine ungezwungene Körperhaltung zu erreichen. Durch eine

allseitige Bewegungsschulung und planmäßiger Übung aller Organe sollten diese Ziele

erreicht werden. Der Sinn für eine gesunde, enthaltsame Lebensweise und eine regelmäßige

Körperpflege sollte durch die Leibesübung entwickelt werden, ebenso die schöpferischen

Kräfte durch die Verbindung von Musik und Gesang und rhythmischer Gymnastik.

Gemeinsam mit der geistigseelischen Erziehung sollten die kameradschaftlich, beharrlich und

fröhlich betriebenen Leibesübungen zu einer harmonischen Gesamtentwicklung der jungen

Menschen führen. Demnach war die Körpererziehung theoretisch mit den anderen

Schulfächern gleichgestellt (vgl. LEHRPLÄNE FÜR DIE GRUND- UND OBERSCHULEN

16

IN DER SOWJETISCHEN BESATZUNGSZONE DEUTSCHLANDS – KÖRPERLICHE

ERZIEHUNG – BERLIN/LEIPZIG 1946, 3, IN: ENGELHARDT, 1965, 15).

Im Vordergrund der körperlichen Erziehung in den Nachkriegsjahren standen die Festigung

der Gesundheit und die Ausbildung der Organ- und Muskelkräfte. Die Ablehnung von

Ordnungsübungen wurde damit begründet, dass sie ein Auswuchs des Militarismus seien und

zu künstlichen, unnatürlichen Bewegungen führten und den Ordnungssinn nicht bildeten (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 16).

Die Halle wurde nur genützt, wenn die Witterung oder die Jahreszeit die Durchführung der

Übungen im Freien nicht zuließ. Grundsätzlich wurden die Übungen aber im Freien

durchgeführt. In jeder Klasse wurden bei zwei Wochenstunden insgesamt 80 Stunden

Körpererziehung im Schuljahr erteilt (vgl. ENGELHARDT, 1965, 16 und Abb.1).

Den Hauptinhalt in den Unterrichtsstunden der ersten beiden Klassen bildeten Spiel- und

Hindernisturnen, Nachahmungsübungen und Darstellungsübungen. Auf die Erweckung der

gestaltenden Kräfte der Kinder wurde in den ersten beiden Schuljahren viel Wert gelegt (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 16-17).

In den Klassen 3 bis 5 wurde der Schwerpunkt auf das Spiel und das Spielturnen gelegt. Zur

Anregung des Kreislaufs und zur Kräftigung der Organe boten das Spiel und das Spielturnen

beste Möglichkeiten. Um die Jugendlichen auf leistungssteigernde Übungen vorzubereiten,

gehörten auch Kräftigungs- und Geschmeidigkeitsübungen zu den Lehrinhalten. In den

Klassen 3 bis 5 erfolgte die Einführung in den Ski- und Eislauf und in das Schwimmen (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 17).

Neue Bewegungsarten (hauptsächlich in der Leichtathletik und im Geräteturnen) sollten in

den Klassen 6 bis 8 erlernt werden. Schwerpunkt in diesen Klassen war das

Geschicklichkeits- und Leistungsturnen, u.a sah der Lehrplan für die 8. Klasse Rudern vor

(vgl. ENGELHARDT, 1965, 17).

In den Klassen 9 bis 12 stand die Erhaltung des Erreichten und die Ausprägung der Form im

Vordergrund da, bedingt durch die körperliche Entwicklung in der neunten Klasse eine

Minderung der Leistungsfähigkeit eintrat. Nachdem der Körper sich entwickelt hatte, wurde

die persönliche Höchstleistung der Schüler angestrebt. Durch Wettspiele (Hand-, Faust-,

Korb-, Fuß- und Flugball) sollte die Erziehung zur Gemeinschaftsleistung erreicht werden,

auf die großen Wert gelegt wurde. Auch in den übrigen Disziplinen (Leichtathletik,

Schwimmen, Geräteturnen, Rudern und winterliche Leibesübungen) wurde die Leistungsform

verstärkt gefordert (vgl. ENGELHARDT, 1965, 17).

17

Nur schwer oder nur zum Teil konnten die Lehrplanforderungen und der Unterricht wie eben

geschildert verwirklicht werden. Im Krieg wurden viele Schulen und Turnhallen zerstört. Im

Winter 1946/47 fiel der gesamte Schulbetrieb wegen Kohlemangels aus und im folgenden

Winter fand er nur stark eingeschränkt statt. Obwohl die Körpererziehung in den allgemeinen

Neuaufbau involviert war, mussten diese Stunden für Versäumnisse in anderen Fächern

„geopfert“ werden. In der ersten Etappe konnte die körperliche Erziehung nur in begrenztem

Umfang erteilt werden (vgl. ENGELHARDT, 1965, 17-18).

Abbildung 1: Stundenverteilungsübersicht 1946 (aus: ENGELHARDT, 16)

4.2 Die zweite Etappe 1949-1952

Mit dem „Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der DDR und die Förderung der

Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung“ vom 8. Februar 1950 wurden drei

interdependente Tendenzen geschaffen, welche zum Ausgangspunkt für die weitere Ent-

wicklung der schulischen Körpererziehung wurden. Für die zweite Etappe waren folgende

Tendenzen kennzeichnend :

„1. Mit der Verstaatlichung des Erziehungswesens beginnt dessen massive Politisierung.

2. Der Grundstein für den späteren so entscheidenden Einfluß der außerschulischen Jugend-

und Sportorganisationen auf die Schule wird gelegt.

3. Die planmäßige Sowjetisierung nimmt ihren Anfang.“ (ENGELHARDT, 1965, 19)

Ziele und Inhalte wurden der schulischen Körpererziehung von den Jugendorganisationen und

dem außerschulischem Sport auferlegt. Da es im kommunistischen Sozialismus der DDR

keine eigenständigen Organisationen gab, sondern alle verzahnt waren und ihre Befehle von

der SED erhielten, nahmen mehrere Organisationen und Einrichtungen Einfluss auf die

18

schulische Körpererziehung. Mit der Politisierung des außerschulischen Sports wurde auch

die schulische Körpererziehung politisiert (vgl. ENGELHARDT, 1965, 19).

Im Jahre 1951 legte das ZK der SED „Die Aufgaben auf dem Gebiet der Körperkultur und

des Sports“ fest. Im ersten Punkt wurden auch die Funktionen des 1948 gegründeten

Deutschen Sportausschusses festgelegt, u.a. seine Zuständigkeit für den Hochschul- und

Schulsport :

„ (...) 5. Vom Deutschen Sportausschuß werden angeleitet:

a) die Institute für körperliche Erziehung an den pädagogischen Fakultäten;

b) der gesamte obligatorische Hochschul- und Schulsport; (...)“ (DOKUMENTE ZUR

SPORTGESCHICHTE (AUSZÜGE), IN: THEORIE UND PRAXIS DER

KÖRPERKULTUR 28 (1979), 375. VGL. DIE ERSTVERÖFFENTLICHUNG IN:

THEORIE UND PRAXIS DER KÖRPERKULTUR 1 (1952), 80-89. ZITIERT NACH

BERNETT, 1994, 65)

Die FDJ, die die über 14jährigen erfasste (vgl. ENGELHARDT, 1965, 89) und der FDGB

zeigten sich als Träger des Deutschen Sportausschusses für den Schulsport verantwortlich. In

Anlehnung an den gemeinsamen Arbeitsplan der FDJ und der DVfV vom 1. Juli 1949 wurden

3000 FDJ-Funktionäre, die sich bewährt hatten, als Lehranwärter an die Pädagogischen

Fakultäten oder an Sonderlehrgänge der Länder der SBZ überwiesen. Die Schüler, die an den

von der FDJ an allen Schulen gegründeten „Schulaktivs“ mitwirkten, wurden bevorzugt

behandelt. „Pionierleiter“ der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“, welche die 6- bis

14jährigen erfasste (vgl. ENGELHARDT, 1965, 89), wurden an allen größeren Schulen mit

festem Gehalt angestellt. Sie nahmen an allen Lehrerkonferenzen teil und erhielten im Dienst-

zimmer des Schulleiters einen Platz. Die „Pionierleiter“ waren auf dem 4. Pädagogischen

Kongress 1949 in Leipzig tragende Mitveranstalter (vgl. ENGELHARDT, 1965, 20-21).

Die Sowjetisierung der DDR betraf auch das Schulwesen. Die kurze Phase der bürgerlich-

demokratischen Schulform fand mit dem 4. Pädagogischen Kongress 1949 in Leipzig ein

abruptes Ende. Die deutschen pädagogischen Reformansätze (Gruppenunterricht, usw.)

wurden vom Pädagogischen Kongress als bürgerlich-imperialistische Scheinpädagogik

„entlarvt“ und durch die leitenden Prinzipien der Sowjetpädagogik ersetzt (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 21).

Im Kapitel Sieben des „Gesetzes über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der Deutschen

Demokratischen Republik und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und

Erholung“ von 1950 wurde u.a. die Verbesserung der Schulbildung thematisiert (vgl.

19

KALÄHNKE, K. (RED.): VERZEICHNIS DER WICHTIGSTEN GÜLTIGEN BESTIM-

MUNGEN UND BESCHLÜSSE AUF DEM GEBIETE DER KÖRPERKULTUR UND DES

SPORTES IN DER DDR. IN: THEORIE UND PRAXIS DER KÖRPERKULTUR 8 (1959),

SONDERHEFT, 63-70. VGL. AUCH DEN VOLLSTÄNDIGEN ABDRUCK IN BASKE,

S./ENGELBERT, M. (HRSG.): ZWEI JAHRZEHNTE BILDUNGSPOLITIK IN DER

SOWJETZONE DEUTSCHLANDS. DOKUMENTE. 1. TEIL 1945-1958. BERLIN 1966,

152-158. IN: BERNETT, 1994, 48). In der ersten „Anordnung zur Durchführung des

Gesetzes über die Teilnahme der Jugend beim Aufbau der Deutschen Demokratischen

Republik und die Förderung der Jugend in Schule und Beruf, bei Sport und Erholung“ von

1950 wurde im §40 die Einführung des obligatorischen Sportunterrichts und die

Sportlehrerausbildung festgelegt:

„1. Das Ministerium für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik wird

beauftragt, zunächst 700 Sportlehrer und 100 Schwimmlehrer im Jahre 1950 an den

Instituten der Pädagogischen Fakultäten auszubilden. Die Ausarbeitung der Richtlinien der

Lehrpläne für die Ausbildung der Sportlehrer erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen

Sportausschuß. Die Ministerien für Volksbildung der Länder werden beauftragt, zusätzlich

kurzfristige Lehrgänge zur Ausbildung von Sportlehrern für die Grundschulen

durchzuführen. (...)

3. Auf Grund der Verordnung des Ministeriums für Volksbildung in Verbindung mit dem

Ministerium des Innern und dem Amt für Jugendfragen und Leibesübungen beim

Stellvertreter des Ministerpräsidenten vom 30. März 1950 über die Einführung des

obligatorischen Unterrichts in Körpererziehung ist der Turn- und Sportunterricht ab 10. April

1950 und der Schwimmunterricht ab 15. Mai 1950 vorerst in allen Grundschulen der

Deutschen Demokratischen Republik aufzunehmen. (...)“ (KALÄHNKE, K. (RED.):

VERZEICHNIS (...), A.A.O., 71-80. ZITIERT NACH BERNETT, 1994, 49)

Das Sportleistungsabzeichen der DDR „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“

(„BAV“) war die Grundlage für die „gesamte Tätigkeit auf dem Gebiet der Körperkultur“

(BUNDESMINISTERIUM FÜR GESAMTDEUTSCHE FRAGEN (HRSG.) : SBZ VON

1945-1954, 153. ZITIERT NACH ENGELHARDT, 1965, 23) und somit auch die Grundlage

für den Schulsport (vgl. LEHRPLAN FÜR GRUNDSCHULEN – KÖRPERERZIEHUNG -,

BERLIN 1952, 3. AUFLAGE, 3. IN: ENGELHARDT, 1965, 23). Das „BAV“ war eine

Nachahmung des sowjetischen Wehrabzeichens „GTO“ (vgl. BERNETT, 1994, 71) und

wurde bereits 1950 gegründet. Die Aufgaben des „BAV“ waren deutlich von den

20

Forderungen des Staates bestimmt. Laut der Präambel zum „BAV“ sollte der Erwerb dieses

Sportleistungsabzeichens seinen Beitrag zur Heranbildung der Pioniere zu gesunden,

kräftigen, regierungstreuen, heimatliebenden und patriotischen Kämpfern leisten (vgl. DER

PIONIERLEITER, BERLIN 1951, H. 1, 16-17 IN: ENGELHARDT, 1965, 24).

Im Lehrplan für das Schuljahr 1951/52 wurden die Ziele der schulischen Körpererziehung wie

folgt festgelegt:

„Im Kampf um die Einheit Deutschlands und die Erhaltung des Weltfriedens kommt der

Körpererziehung im Rahmen der gesamten Erziehung der jungen Generation zu

friedliebenden, demokratischen und patriotischen Menschen eine große Bedeutung zu. Die

besondere Aufgabe der Körpererziehung besteht darin, unsere Kinder bereit zu machen zur

Arbeit und zur Verteidigung des Friedens. Die Körpererziehung ist neben der intellektuellen,

sittlichen, ästhetischen und polytechnischen Erziehung ein Grundbestandteil der

Gesamterziehung.“ (LEHRPLAN FÜR GRUNDSCHULEN – KÖRPERERZIEHUNG - ,

BERLIN 1952, 3. AUFLAGE, 3. ZITIERT NACH ENGELHARDT, 1965, 27)

Ausführlich wurden auch das Wesen und der Inhalt der Körpererziehung definiert:

„Körpererziehung ist die planmäßige Anleitung zur Ausbildung aller körperlichen

Fähigkeiten; ist zugleich ein Mittel zur besonderen Entfaltung der geistigen Arbeit, zur

Bildung des Charakters; entwickelt das Verantwortungsbewußtsein, die kämpferische

Entschlossenheit, bewußte Disziplin, Leistungsfähigkeit, Beharrlichkeit, Gewandtheit,

Lebensfreude, die Achtung des Menschen, Solidarität; führt zu regelmäßiger Körperpflege

und gesunder Lebensweise bei Arbeit und Erholung; entfaltet und gestaltet schöpferische

Kräfte und die Schönheit der Bewegung.“ (LEHRPLAN FÜR GRUNDSCHULEN –

KÖRPERERZIEHUNG - , BERLIN 1952, 3. AUFLAGE, 3. ZITIERT NACH

ENGELHARDT, 1965, 27-28)

Durch die Verschiebung der Erziehungsziele und -inhalte hin zum Patriotismus änderte sich

auch die Praxis des Sportunterrichts. Die Unterrichtsstunden wurden in drei Teile gegliedert.

Die Einleitung bestand aus aufwärmenden Übungen, der Hauptteil aus körperformenden, die

Bewegung schulenden und gestalteten Körperübungen, die nach den Zielen des Volkstanzes

und der Leistungssteigerung aufgestellt waren. Für den Ausklang wurden beruhigende und

entspannende Übungen vorgesehen. Auch die Ordnungsformen tauchten wieder auf (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 28).

21

Abbildung 2: Stundenverteilungsübersicht 1951/52 (aus: ENGELHARDT, 29)

Ab der 5. Klasse war ein Fachlehrer für die Körpererziehung zuständig, so dass alle

Jugendlichen ab dem 10. Lebensjahr eine planmäßige und systematische Körpererziehung

erhielten. Die verhältnismäßig hohe Anzahl an Leichtathletikstunden diente hauptsächlich der

Leistungssteigerung. Im Leichtathletikunterricht lag der Schwerpunkt auf denen, für das

Leistungsabzeichen erforderlichen Disziplinen. Bis zum 11. Lebensjahr sollte jeder Schüler

das Schwimmen erlernt haben, um in der 6. und den folgenden Klassen den hohen

Anforderungen gerecht werden zu können. Doch schon ab der 5. Klasse setzte das

Leistungsstreben ein, welches den Sportunterunterricht für die Schüler zur Arbeit werden ließ.

Für die Oberstufe (9.-12. Schuljahr) stellte der Lehrplan folgende Grundsätze auf: die

individuelle Leistung im Rahmen des Kollektivs sollte gesteigert werden und das

Leistungsabzeichen der Stufe 1 (für das 11. und 12. Schuljahr) erworben werden. Ab Klasse 9

wurden die „Kampfsportarten“ Boxen, Ringen und Judo eingeführt, da diese Übungen die

besonderen körperlichen und erzieherischen Werte in die Gesamterziehung miteinbezogen

(vgl. ENGELHARDT, 1965, 29-32).

4.3 Die dritte Etappe 1952-1958

In dieser Etappe übernahm das neu gegründete „Staatliche Komitee für Körperkultur und

Sport“ (vgl. KORTENBERG, W.: DER SPORT IN DER SOWJETISCHEN

BESATZUNGSZONE. BONN 1954, 33f. VGL. GESETZBLATT DER DDR 1952, NR. 104

VOM 2. AUGUST. IN: BERNETT, 1994, 80-81) die Aufgaben für den Schulsport. Es gab

Richtlinien für die Gestaltung der schulischen Körpererziehung heraus und kontrollierte

dessen Durchführung.

Die außen- und innenpolitischen Umstände und Strömungen veranlassten die Erweiterung des

Sportleistungsabzeichens zu einem Wehrabzeichen (vgl. ENGELHARDT, 1965, 33-34, 35).

22

So heißt es in der Anweisung Nr. 4 des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport von

1952 :

„Zur Sicherung des demokratischen Fortschritts und des sozialistischen Aufbaus in der

Deutschen Demokratischen Republik gegen die aggressiven Pläne der amerikanischen

Imperialisten und ihrer westdeutschen Hauptverbündeten ist es notwendig, Maßnahmen zur

Stärkung unserer Republik und zur Festigung ihrer demokratischen Ordnung zu ergreifen.

Das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport hat in seinem Aktionsprogramm für das

Jahr 1952 (Anordnung Nr.2) beschlossen, den Komplex des Sportleistungsabzeichens „Bereit

zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“ durch die Aufnahme von Übungen zu

erweitern, die die erhöhte Kampfbereitschaft aller Bürger der Deutschen Demokratischen

Republik zur Verteidigung ihrer Errungenschaften und zur Schaffung eines einheitlichen

demokratischen Deutschlands zum Ausdruck bringen.

Dieser Beschluß hat die begeisterte Zustimmung der großen Mehrheit der werktätigen

Sportler, insbesondere der Jugendlichen, gefunden. Auf Grund der dem Staatlichen Komitee

unterbreiteten Vorschläge und Forderungen der Betriebssportgemeinschaften, Sportver-

einigungen, Sportschulen und anderer Organisationen sowie einzelner Sportler und Mann-

schaften, beschließt das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport den Komplex des

Sportleistungsabzeichens „Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung des Friedens“ wie folgt zu

erweitern: (...)“ (KORTENBERG, W.: DER SPORT IN DER SOWJETISCHEN

BESATZUNGSZONE. BONN 1954, 42ff. ZITIERT NACH BERNETT, 1994, 73)

Zu den neu eingeführten Übungen gehörten der Orientierungsgepäckmarsch, der

Hindernislauf, der Motor- und Pferdesport und der Keulenweit- und Keulenzielwurf. (vgl.

ENGELHARDT, 1965, 35).

Die Erweiterung des „BAV“, das die Grundlage für die Körpererziehung bildete, hatte auch

Auswirkungen auf den Lehrplan. Am 15. Dezember 1952 erließ das MfV eine „Amtliche

Rundverfügung über die Erweiterung des Lehrplans im Fach Körpererziehung“. Der Lehrplan

für die Oberschule wurde durch den Orientierungsgepäcklauf, den Hindernislauf und

Keulenweit- und Keulenzielwurf (500g) ergänzt. Der Lehrplan für die Klassen 5-8 wurde

durch die Aufnahme des Hindernislaufes, des Keulenweit- und Keulenzielwerfens (500g) und

des Orientierungsmarsches erweitert. (vgl. VERFÜGUNGEN UND MITTEILUNGEN DES

MINISTERIUMS FÜR VOLKSBILDUNG, NR. 46/52 VOM 15. DEZEMBER 1952. IN:

ENGELHARDT, 1965, 36-37).

23

Um willensstarke, zielbewusste und geschulte Menschen, die fähig sind ihre Heimat zu

verteidigen, zu erziehen, wurden die hohen Anforderungen in den Lehrplänen beibehalten.

Dass die Vernetzung von politischer und sportlicher Erziehung in der DDR nicht zu trennen

war, unterstreicht Walter Ulbricht in seiner Rede vor Studenten der DHfK am 15. April 1953:

„Wer die sportliche Entwicklung eines jungen Menschen von seiner politischen Erziehung

trennen will, vertritt eine rückständige Auffassung, die wir nicht billigen können. Die

Körpererziehung ist ein organischer Teil der sozialistischen Gesamterziehung des Menschen.“

(ZITIERT NACH ENGELHARDT, 1965, 39)

Rund zwei Wochen nach dieser Aussage unterstrich die „Verordnung über die körperliche

Erziehung der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen“ vom 30. April 1953 die

Bedeutung der Körpererziehung und die hohe Leistungszielsetzung des Schulsports :

„Die Körpererziehung, als untrennbarer Teil der sozialistischen Erziehung, ist eine wichtige

Voraussetzung, um die Jugend gesund zu erhalten, sie für den Beruf und die Verteidigung

der Heimat vorzubereiten. Durch systematische Förderung der körperlichen Erziehung wird

die Voraussetzung für eine stetige Leistungssteigerung der Schüler und damit die Grundlage

für die Erringung gesamtdeutscher Jugendrekorde geschaffen.

Bisher wurde diesen Fragen zu wenig Bedeutung beigemessen. Es mangelte vor allem an

einer exakten und einheitlichen Aufgabenstellung. Jetzt gilt es, an allen Schulen unter

Einbeziehung aller Schüler die gesamte körperliche Erziehung zu verbessern und auf breiter

Grundlage zu entwickeln.

Vor den staatlichen Organen, besonders dem Ministerium für Volksbildung, steht die

Aufgabe, die Initiative zu ergreifen und die Entwicklung der Körpererziehung der Schüler

noch mehr als bisher zu fördern. Es wird daher folgendes verordnet: (...)“ (GESETZBLATT

DER DDR 1953, TEIL 1, NR.60 VOM 7. MAI. ZITIERT NACH BERNETT, 1994, 206)

Die Verantwortung für die Organisation der schulischen Körpererziehung lag danach beim

MfV. Auf der Grundlage der entsprechenden Prinzipien des Staatlichen Komitees für Körper-

kultur und Sport wurden die Organe der Volksbildung in den Bezirken und Kreisen in den,

die Körpererziehung betreffenden Fragen vom MfV angeleitet. Um diese Anleitung an den

Schulen zu verbessern wurde ein Fachberater aus den Reihen der Fachlehrer berufen. Das

MfV wurde zur Lehrplanentwicklung und zur stetigen Lehrplanverbesserung angehalten. Die

Körpererziehung wurde nicht mehr als Nebenfach, sondern als Hauptfach bei der Versetzung

bewertet (vgl. BERNETT, 1994, 206 und ENGELHARDT, 1965, 40).

24

4.3.1 Der Lehrplan für das Schuljahr 1954

Nach der „Verordnung über die körperliche Erziehung der Schüler an den allgemeinbildenden

Schulen“ wurden die Lehrpläne für Körpererziehung genauer beschrieben. Für jede Disziplin

wurde der Stoff und die dafür aufzuwendende Unterrichtszeit vorgeschrieben. Neu waren

auch methodische Hinweise für die Erlernung der geforderten Übungen. Von nun an waren

die Lehrpläne, die als „Soll“ vorgeschriebene Norm, deren Verwirklichung und Umsetzung

täglich angemahnt und Schritt für Schritt überwacht wurde. Die Pflicht des Lehrers sich

schriftlich auf den Unterricht vorzubereiten und die exakte zeitliche Ausarbeitung sorgten

dafür, dass die Marschroute des Staates befolgt wurde (vgl. ENGELHARDT, 1965, 44-45).

Ab jetzt wurden für das Schuljahr nicht mehr 40 Wochen wie 1951/52 gerechnet, sondern nur

noch 30 Wochen. Dies führte dazu, dass es im Vergleich zum Schuljahr 1951/52 eine

geringere Anzahl an Sportstunden gab. In den Klassen 1 und 2 wurde weiterhin nur eine

Sportstunde pro Woche erteilt. Ab der 3. Klasse wurden dann wieder zwei Sportstunden pro

Woche obligatorisch.

Schwerpunkt in den ersten beiden Klassen waren die Gymnastik und Spiele. Da der Lehrer in

den ersten beiden Klassen kein Fachlehrer war, bedurfte es ihm einer besonderen Anleitung.

Demnach erhielt der Lehrer genau Vorschriften, die ihn dazu zwangen bestimmte

Unterrichtsziele in einem Zeitraum von jeweils vier Wochen zu erreichen. Die letzten sechs

Wochen des Schuljahres waren für Schwimmen und Wintersport bestimmt. Im

Schwimmunterricht wurden die Ziele der Wassergewöhnung und der Steigerung der

Bewegungsfreude und –fähigkeit im Wasser verfolgt. In den Wintersportstunden wurden

Zielwürfe, Rodeln, Schnee- und Eisspiele ohne Geräte durchgeführt.

Die Einteilung des Schuljahres in Vier-Wochen-Abschnitte fiel in der 3. Klasse weg. Die

Stundenverteilungsübersicht berücksichtigte aber den allgemeinen Aufbau der Unterrichts-

stunde. Dies bedeutete eine Teilung des Unterrichts in einen einleitenden Teil (E), der 10

Minuten umfasste, in einen Haupt- oder Kernteil (K) von 25 Minuten und in einen

Abschlussteil (A) von 10 Minuten. Gemeinsam ergaben E+K+A eine volle Unterrichtsstunde

von 45 Minuten. Von nun an wurde die Gymnastik in „körperformende“ und „bewegungs-

schulende“ Übungen aufgeteilt. Zu den körperformenden Übungen gehörten Dehnungs-

übungen, Kräftigungs- und Schnellkraftübungen. Die bewegungsschulenden Übungen setzten

sich aus Gleichgewichtsübungen und Übungen zu den Grundformen der Bewegung

zusammen (vgl. LEHRPLAN FÜR DIE UNTERSTUFE; KÖRPERERZIEHUNG; BERLIN,

1954, 99-140 IN: ENGELHARDT, 1965, 45-47).

25

Durch die Kürzung der Leichtathletikstunden fiel in der Mittelstufe die starke Betonung der

Leistungssteigerung weg.

Abbildung 3: Stundenverteilungsübersicht 1954 Mittelstufe (aus: ENGELHARDT, 48)

Gleichzeitig wurde dadurch und durch den Wegfall der vormilitärischen Übungen die

Bedeutung des Sportleistungsabzeichens für die schulische Körpererziehung abgeschwächt.

Bis zur 8. Klasse bestand das Ziel in der Heranführung an die Techniken der einzelnen

Disziplinen.

Das Geräteturnen wurde weder zeitlich noch inhaltlich kaum verändert. Auch hier fehlte das

überbetonte Leistungsstreben.

Im Vergleich zu 1951/52 wurde die Anzahl der Schwimmstunden stark vermindert, da die

Zielsetzung des Schwimmunterrichts auf die Steigerung der Ausdauer angelegt war.

Außerdem wurde erst in der 5. Klasse mit dem Schwimmunterricht begonnen. Inhaltliche

Veränderungen gab es in den Klassen 7 und 8. Für die Klasse 7 fielen die schwierigen

Wassersprünge weg und in Klasse 8 wurde das Rettungsschwimmen auf „Vorübungen zum

Rettungsschwimmen“ reduziert.

Zu einer Verschiebung des Schwergewichtes vom Wettkampf zu einer gründlichen taktischen

und technischen Schulung kam es auf dem Übungsgebiet Spiele.

Im Schuljahr 1951/52 wurden für die Gymnastik nur noch die wenigsten Stunden vorgesehen.

Im Lehrplan von 1954 kam der Gymnastik eine tragende Rolle zu und es wurde etwa genau

so viel Zeit dafür, wie für die Leichtathletik und das Geräteturnen aufgewendet. Die

Gymnastik sollte durch maximale Beanspruchung jedes einzelnen Körperteils hauptsächlich

der Kräftigung, Festigung und Stählung des jugendlichen Körpers dienen (vgl. LEHRPLAN

FÜR GRUNDSCHULEN – 5. BIS 8. KLASSE, KÖRPERERZIEHUNG, BERLIN, 1954. IN:

ENGELHARDT, 1965, 47-49).

26

Auch in der Oberstufe nahm die Gymnastik eine vorherrschende Stellung ein, wie die

Stundenverteilungsübersicht für die Klassen 9 bis 12 verdeutlicht:

Abbildung 4: Stundenverteilungsübersicht Oberstufe 1954 (aus: ENGELHARDT, 49)

Wie in der Mittelstufe verlagerte sich auch in der Oberstufe die Zielsetzung vom überbetonten

Leistungsstreben hin zu einer umfassenden Formung des jugendlichen Körpers. Im Rahmen

der jährlichen Abschlussprüfungen fanden nun in den Klassen 7 bis 12 auch theoretische

Prüfungen statt, die nach Belieben des Lehrers mündlich oder schriftlich abgenommen

wurden.

Folgende Themen wurden theoretisch geprüft:

„1. Sporthygiene, 2. Erste Hilfe, 3. Sportleistungsabzeichen, 4. Wettkampfbestimmungen in

Leichtathletik, 5. Aktuelles Wissen über sportliche Höchstleistungen (Rekorde) und

bedeutende Sportler (z.B. Zatopek, Kuz, Schur, und andere).“ (ENGELHARDT, 1965, 50)

Für alle Schüler der 5. bis 12. Klassen mussten die Lehrer eine „Leistungskarte“ führen, in die

sie alle Leistungen und das Verhalten der Schüler während des Schuljahres einzutragen

hatten. Da es an Sportstätten und Fachlehrern mangelte, konnte die Körpererziehung nicht in

dem Umfang, wie in den Lehrplänen beschrieben, verwirklicht werden (vgl. ENGELHARDT,

1965, 49-50).

4.3.2 Verschärfung des politischen Kurses

Ab 1955 wurden den Kriterien der Erziehung zum „demokratischen Patriotismus“, zu denen

bisher die Erziehung zur Völkerfreundschaft (mit kommunistischen Ländern), die Erziehung

zum Hass gegenüber Andersdenkenden und die aktive Teilnahme am Aufbau und der

Verteidigung der Errungenschaften gehörten, eine stabilere Grundlage gegeben. Aus

„innerster Überzeugung“ sollten die Feinde des Volkes gehasst und die Sowjetunion samt

27

ihren Satellitenstaaten geliebt werden (vgl. VORMILITÄRISCHE ERZIEHUNG IM

TURNUNTERRICHT, IN: BULLETIN DES PRESSE- UND INFORMATIONSDIENSTES

DER BUNDESREGIERUNG, BONN 1956, NR. 22, 181. IN: ENGELHARDT, 1965, 51-52).

Welche Bedeutung die Erziehung zum Patriotismus in der schulischen Körpererziehung hatte,

verdeutlichte Volksbildungsminister Fritz Lange in seiner Rede an der Humboldt-Universität

Berlin am 29. November 1955 :

„(...) Unser Turnunterricht muß wieder einen politisch-pädagogischen, einen patriotischen

Inhalt erhalten, wenn er seine großen Aufgaben erfüllen soll. ... Wir haben bisher die

Bedeutung der vormilitärischen Erziehung der Jugend durch den Turnunterricht unterschätzt.

Es gilt jetzt, uns auf die Grundforderungen des Schulsports wieder zu besinnen, wie sie

Friedrich Ludwig Jahn, Guts Muths und Friedrich Engels erhoben haben. Deshalb lautet die

Aufgabe: Überwinden wir den pädagogischen Pazifismus im Turnunterricht! Machen wir

den Turnunterricht auch für die vormilitärische Ausbildung unser Jugend nutzbar!“

(KÖRPERERZIEHUNG, BERLIN 1956, H.1, 2. ZITIERT NACH ENGELHARDT, 1965,

53)

Die SED bediente sich der Gedanken und Ideen Jahns. Turnen war für Jahn eine patriotische

Aufgabe in einer Zeit, die nach Ansicht der SED mit der aktuellen Zeit zu vergleichen war.

Deshalb wurde auch im Oktober 1955 der Ausdruck „Körpererziehung“ durch „Turnen“

ersetzt. Darüber hinaus orientierte sich die SED an den „Erfolgen“ Jahns, die in der DDR

auch verwirklicht werden sollten (vgl. ENGELHARDT, 1965, 53).

Für die SED beruhten die Erziehungserfolge Jahns auf der Verbindung des Politischen mit

dem Turnen: „(...) Jahns Erziehungserfolge beruhen darauf ..., daß er seine Arbeit ... in enger

Verbindung mit dem politischen Geschehen seiner Zeit leitete.“ (SCHNELLER, W.: ZUR

UMBENNUNG UNSERES FACHES , IN: KÖRPERERZIEHUNG, BERLIN 1955, H.10,

473. ZITIERT NACH ENGELHARDT, 1965, 54)

Um die vormilitärischen Erziehung und Ausbildung zu rechtfertigen wurde eine Kriegs-

psychose erzeugt, die aus folgenden Argumenten agitatorisch-propagandistisch erörtert

wurde: