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DEUTSCHES ÜBERSEE-INSTITUT Forschungsgruppe: „Parteien im Spannungsfeld formaler und informeller Politik“ Arbeitspapier Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika Gero Erdmann Juli 2002

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DEUTSCHES ÜBERSEE-INSTITUT

Forschungsgruppe: „Parteien im Spannungsfeld formaler und informeller Politik“

Arbeitspapier

Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung

politischer Parteien in Afrika

Gero Erdmann

Juli 2002

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1 Einleitung ...................................................................................................................... 1 2 Geschichte des Parteiensystems .................................................................................... 3

2.1 Einheit von Bewegung und Partei ......................................................................... 4 2.2 Sozialistisches Einparteisystem............................................................................. 6 2.3 Erosion und Legitimation der Einheitspartei......................................................... 8

3 Gesellschaftliche Verankerung im Mehrparteiensystem............................................. 13 3.1 Demokratisierung von oben und Mehrparteienskepsis ....................................... 13 3.2 Wählerresonanz der Parteien............................................................................... 15 3.3 Mitgliedschaft...................................................................................................... 19

4 Form der gesellschaftlichen Verankerung................................................................... 22 4.1 Programmatisch-ideologische Schwächen .......................................................... 22 4.2 Personalismus ...................................................................................................... 25 4.3 Zivilgesellschaftliche und kollateralorganisatorische Schwächen ...................... 27 4.4 Ethnizität und Regionalismus.............................................................................. 28 4.5 Patronage und Klientelismus............................................................................... 31

5 Informelle und formelle Verankerung......................................................................... 32 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 37

1 Einleitung

In der politikwissenschaftlichen Afrikanistik ist die Analyse von formaler Politik und ihrer

Institutionen oft als wenig fruchtbar angesehen worden. Bei näherer Beschäftigung hat sie

sich als wenig greifbar oder kaum als relevant erwiesen. Jene Analysen, die sich mit den

formalen Institutionen und ihren Defekten auseinandersetzen, erfuhren den Vorwurf eines

„westlichen“ oder modernisierungstheoretischen (seltener, obgleich ebenso angemessen:

neo-marxistischen oder dependenztheoretischen bzw. ökonomistischen) Bias, der ein hin-

reichendes Verständnis der afrikanischen Politik kaum möglich mache. Ähnliches gilt je-

doch auch für die Statist School, die den Staat und seinen personalisierten Machtmiss-

brauch seiner formalen Strukturen ins Zentrum stellte.1 Dabei wurde in aller Regel auf die

systematische Unterscheidung zwischen formaler und informeller Politik und entsprechen-

der Institutionen verzichtet. Als Institutionen wurden zumeist nur die formalen begriffen,

die mit den modernen staatlichen Organisationen im Zusammenhang stehen.2 Die Beschäf-

tigung mit informeller Politik und mit informellen Institutionen – ohne dass diese so ge-

1 Siehe hierzu knapp Chazan, Mortimer, Ravenhill und Rothchild (1992: 14-22). 2 Institutionen werden hier als allgemeine gesellschaftliche Regeln begriffen, die formaler wie informeller

Natur sein können, vgl. North 1992.

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 1

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nannt wurden –, hat also eine gewisse Tradition in der politikwissenschaftlichen Afrikanis-

tik. Sie erschöpfte sich aber zumeist in dichten Beschreibungen, ohne systematisch eigene

Konzepte zu entwickeln.3 So hat unter anderem die Anlehnung an die westeuropäische Par-

teienforschung mit ihrer Konzentration auf formale Institutionen zum Versiegen der Par-

teienforschung in Afrika und ihrer nur sehr langsamen Wiederbelebung beigetragen; ein

anderer Grund lag sicherlich auch in der Monotonie der Einheitsparteien.4

Die Unterscheidung zwischen formaler und informeller Politik in Parteien ist hier zugrun-

de gelegt.5 Schon ein erster allgemeiner Überblick macht deutlich, dass in afrikanischen

Parteien die informellen politischen Elemente die formalen nicht nur ergänzen oder kom-

plementieren, um ihre Funktionsfähigkeit zu erleichtern, sondern dass diese in vielerlei

Hinsicht geradezu charakteristisch für diese Parteien sind (Erdmann 1999).

Von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Parteien ist ihre gesellschaftliche

Verankerung. Sie ermöglicht es ihnen überhaupt erst, ihrer Aufgabe als Transmissionsrie-

men zwischen Staat und Gesellschaft nachzukommen. Anders gesagt, nur wenn sie über

eine gesellschaftliche Verankerung verfügen, die es ihnen erlaubt, möglichst viele Stim-

men bei den Wahlen zu mobilisieren, dann erst eröffnet sich ihnen die Chance, selbst oder

in einer Koalition mit anderen Parteien politische Macht ausüben zu können. Ohne irgend

eine Form der gesellschaftlichen Verankerung – sei es eine breitere und direkte in der Be-

völkerung oder bei gesellschaftlich und politisch relevanten Gruppen – bleiben Parteien

bedeutungslos. Da die Wählermobilisierung und die Beteiligung an der politischen Gestal-

tungsmacht eine Kernaufgabe oder das Grundinteresse einer Partei ist, steht die Frage nach

der Art und Weise der gesellschaftlichen Verankerung der Parteien im Mittelpunkt dieser

Studie.

Das Beispiel Tansania verspricht insofern besonders ertragreich zu sein, als die gesell-

schaftliche Verankerung dort sehr heterogen ist. So gibt es ein breites Spektrum unter-

schiedlicher Beziehungen zwischen Partei und Gesellschaft, wie dies in anderen Parteisys-

3 Siehe hierzu beispielhaft Bayart (1993); die Informalität des Staates und seiner Politik in Afrika betonen

Chabal und Daloz (1999); die Institutionalisierung der Informalität ist für sie jedoch kein Thema. Chabal (1998: 302) geht sogar soweit, dass er eine Beschäftigung mit formalen Institutionen im Kontext der De-mokratisierung für irrelevant erklärt, womit er jedoch das Spannungsverhältnis zwischen formaler und in-formeller Politik und ihrer Institutionen übergeht und damit auch übersieht, wie die Akteure in Afrika sich in strategischem Kalkül beider Sphären bedienen.

4 Zu den Problemen der Parteienforschung in Afrika vgl. Erdmann (1999). 5 Vgl. hierzu allgemeiner: Betz, Köllner und Mattes (1999); Betz und Köllner (2000); Nolte (2000).

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

temen Afrikas nur selten vorzufinden ist. Die Besonderheit Tansanias besteht darin, dass

nicht nur die für Afrika typischen Neopatrimonialparteien (Erdmann 1999: 386-387), son-

dern mit der ehemaligen Staatspartei auch eine Partei untersucht werden kann, die nach ge-

läufigen Vorstellungen dem Typus der (europäischen) Massenpartei am nächsten kommt.

Ferner liegt zu tansanischen Wahlen und Parteien eine vergleichsweise reichhaltige Litera-

tur vor, die die Analyse erleichtert. Dies gilt in ähnlicher Weise für die Zeit der Unabhän-

gigkeit und des Einparteisystems, wie auch für das jüngere prädominante Mehrparteiensys-

tem seit Anfang der 90er Jahre.

Um die seit der Unabhängigkeitsbewegung bis heute im Mehrparteiensystem ungebroche-

ne politische Vorherrschaft der alten Staatspartei in Tansania verständlich zu machen, ist

ein historischer Exkurs notwendig. Vor dem Hintergrund der Parteigeschichte wird

zugleich die Schwäche der anderen tansanischen Parteien deutlich und erklärbar. Im Fol-

genden wird zunächst die historische Entwicklung der gesellschaftlichen Verankerung der

ehemaligen Staatspartei skizziert, um anschließend die teils unterschiedlichen, teils ähnli-

chen Beziehungsvarianten zwischen Parteien und Gesellschaft eingehender untersuchen

und schließlich im Hinblick auf ihre Funktionalität für das politische Regime beurteilen zu

können.

2 Geschichte des Parteiensystems

Für die politische Entwicklung Tansanias (bzw. Tanganyikas)6 ist seit der ausgehenden

Kolonialzeit eine politische Partei von zentraler Bedeutung: die Tanganyika African Nati-

onal Party (TANU) und ihre Nachfolgepartei Chama Cha Mapunduzi (CCM, Partei der

Revolution), wie sie seit dem Zusammenschluss 1977 mit der zanzibarischen Afro-Shirazi

Party (ASP) bis heute heißt. Sie prägte die politischen und wirtschaftlichen Geschicke des

Landes über ihren verstorbenen charismatischen Führer Julius K. Nyerere hinaus. Die in-

stitutionelle Stärke der Partei wird in drei Punkten deutlich, dass sie nämlich ihren charis-

6 Hier wird nur die TANU und CCM-Festland behandelt; das Parteiensystem Zanzibars bleibt unberück-

sichtigt. Zur Bedeutung des semi-autonomen Zanzibars: die rund 900.000 Einwohner entsprechen weniger als 3% der Gesamtbevölkerung, doch haben die Inseln durch die Union von Tanganyika und Zanzibar ei-ne politisch völlig überdimensionierte Bedeutung, indem sie mit 21,5% der gewählten Abgeordneten (50

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 3

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matischen Führer überlebt hat, der ihr mehr als 36 Jahre als Parteichef (1954-1990) vor-

stand, dass sie ferner das Einparteisystem überdauert hat und schließlich die dominante po-

litische Kraft auch im demokratisierten Mehrparteiensystem (1992-2001) geblieben ist.

Trotz ihrer charismatischen Führung war sie immer auch Massenpartei mit einem halb-

wegs funktionierenden Parteiapparat. Inzwischen verfügt sie formell über eine fast

50jährige Historie mit einer über 70jährigen Organisationstradition.

2.1 Einheit von Bewegung und Partei

Die 1954 aus der Tanganyika African Association (TAA, 1929 gegr.) hervorgegangene

TANU repräsentierte die Unabhängigkeitsbewegung Tanganyikas ohne Konkurrenz durch

eine nennenswerte andere Strömung zu erfahren. Sie hatte einen sozial umfassenden, hete-

rogenen Charakter. Sie wurde mit keiner Ethnie oder ethnischen Gruppe identifiziert, son-

dern war multiethnisch, das heißt, sie beruhte auf einer breit angelegten ethnischen Koali-

tion, bildete ein großes Amalgam verschiedener Tribal Unions, das nahezu alle ethnischen

Gruppen des Landes repräsentierte. Das Gleiche gilt auch für sozioökonomische Interes-

sen. Die Gewerkschafts- (Tanganyika Federation of Labour, TFL) wie auch die breite

landwirtschaftliche Genossenschaftsbewegung waren eng mit der TANU verbunden, ohne

(aus politisch taktischen Gründen) formell mit ihr assoziiert zu sein (Erdmann 1996: 114-

122). Es gab keine nennenswerte Gruppe – abgesehen von eingewanderten europäischen

und asiatischen Minoritäten –, die neben der TANU eigene politische Interessen erfolg-

reich artikulierte. Dies äußerte sich darin, dass die TANU die beiden letzten kolonialen

Parlamentswahlen bei teils eingeschränktem Wahlrecht 1958/59 und 1960 mit überwälti-

gender Mehrheit gegen zwei beziehungsweise eine konkurrierende Parteien gewann und

zusammen mit den von ihr unterstützten unabhängigen Kandidaten alle Parlamentssitze

besetzen konnte.7

von 232) im Unionsparlament vertreten sind.

7 Bei den Wahlen 1958/59 zur Legislative Council mit eingeschränktem Wahlrecht (40.457 Wähler) ge-wann die TANU gegen die von der Kolonialregierung unterstützte United Tanganyika Party (UTP), die vornehmlich von Europäern getragen war. Die URP erhielt knapp 11% der Stimmen, und die einzige afri-kanische Konkurrenz der TANU, der African National Congress (ANC), eine Absplitterung der TANU, blieb bei 0,0% (53 Stimmen). Bei den Wahlen 1960 mit einem erweiterten Wählerkreis (885.000 regist-rierte Wahlberechtigte von ca. 10 Mio. Einwohnern) war die UTP erst gar nicht mehr angetreten und der ANC gewann nur 0,3% der abgegebenen Stimmen. Der Rest ging an die TANU und an von ihr unterstütz-

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Bei den Präsidentschaftswahlen (1962) gewann Nyerere (TANU) schließlich mit 99,2%

gegen Zuberi Mtemvu vom African National Congress (ANC) mit 0,8%. Zur Unabhängig-

keit 1962 war das formelle Mehrparteiensystem de facto ein Einparteisystem. Eine Reihe

von neuen Parteigründungen im gleichen Jahr blieb völlig einflusslos.8 So konnte das De-

facto-Einparteisystem 1965 nach langen Debatten und Kommissionsberichten durch

Mehrheitsbeschluss des demokratisch gewählten Parlamentes in ein De-jure-

Einparteisystem verwandelt und im gleichen Jahr die ersten Wahlen abgehalten werden,

die auch international als Erfolg für das Modell der sogenannten „Einparteidemokratie“

angesehen wurden. Diese wurde lange Zeit zu einem vorbildhaften System für Afrika mys-

tifiziert.

Bis Mitte der 60er Jahre hatte TANU als Unabhängigkeitsbewegung keine effektive büro-

kratische Organisation, die das Zentrum der Partei in Dar es Salaam mit der ländlichen Pe-

ripherie verbunden hat. Die Partei beanspruchte, 1,5 bis zwei Millionen Mitglieder (1960)

zu haben, was rund zehn bis 15% der Bevölkerung entsprach; 1962 wurden zumindest

450.000 Beitragszahler gezählt. Angesichts von knapp 1,13 Millionen Wählerstimmen bei

der Präsidentschaftswahl für Nyerere (TANU) war die Partei demnach nicht in der Lage

gewesen, ihre gesamte Mitgliedschaft zu mobilisieren. Vermutlich wurden als Mitglieder

alle gezählt, an die jemals Mitgliedskarten verkauft worden waren. In der Zeit des Unab-

hängigkeitskampfes waren diese teilweise großzügig verteilt, „wie Lose verkauft“ (Nu-

scheler und Ziemer 1980), bisweilen den Leuten auf dem Lande auch „aufgedrängt“ wor-

den, welche die Partei dann als „autoritär“ erlebten, als „lion from whose power one can-

not escape“ (Iliffe 1979: 571).9 Die Wahlbeteiligung von insgesamt 1,15 Millionen Wäh-

lern repräsentierte ohnehin weniger als ein Fünftel der potentiell Wahlberechtigten und

entsprach etwa 64% der registrierten Wähler. Offensichtlich vermochte TANU damals we-

der die eigene Mitgliedschaft vollständig, noch größere Teile der Wahlberechtigten zu mo-

bilisieren (Bienen 1967: 50-71; Fengler 1999).

te unabhängige Kandidaten (Bienen 1967: 50-60; Fengler 1999).

8 Neben den beiden genannten Parteien traten noch kurzzeitig die People's Democratic Party (PDP), Peo-ple's Convention Party (PCP), Nationalist Enterprise Party (NEP) und die African Independence Party (AIP) in Erscheinung (Bienen 1967: 58-59).

9 Teilweise wurde die damals lukrative Mitgliedschaft in Genossenschaften von Vorstandsmitgliedern, die in der TANU waren, von einer TANU-Mitgliedschaft abhängig gemacht (Iliffe 1979: 524).

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2.2 Sozialistisches Einparteisystem

In der zweiten Hälfte der 60er und in den 70er Jahren baute die TANU ihre Organisation

aus und entwickelte sich zu einer sozialistisch orientierten Massenpartei mit einer eigen-

ständigen bürokratischen Struktur, sozialistisch-utopischen, später mit einer stärker mar-

xistisch-leninistischen Programmatik und klaren ideologischen Richtlinien für die Partei-

funktionäre, die von 1974/75 an auch für ihre Mitglieder galten (Arusha Deklaration 1967;

TANU und CCM Guidelines von 1971 und 1981 sowie CCM Parteiprogramm 1987).10

Zentral gesteuert war sie in allen Regionen, Distrikten, Subdivisions und schließlich auch

in (nahezu) allen Dörfern personell und organisatorisch präsent (in den 70er Jahren muss-

ten alle Dorfvorsteher Parteimitglied sein).

Tatsächlich war die Partei auch in der Lage, die Bevölkerung verstärkt zur politischen Be-

teiligung in der Partei und an den Wahlen zu mobilisieren. Die Mitgliedschaft in der Partei

soll nach offiziellen Angaben auf 2,5 bis drei Millionen in den 70er Jahren gewachsen

sein. Zugleich hatte, bis einschließlich der Parlamentswahlen 1980, auch die Wahlbeteili-

gung stetig zugenommen, obgleich die Wähler nur die Wahl zwischen zwei von der Ein-

heitspartei nominierten Kandidaten hatten. Bemerkenswert dabei ist, dass die Wahlbeteili-

gung absolut wie auch unter den Wahlberechtigten zugenommen hat und spätestens 1975

auf über die Hälfte der Wahlberechtigten gestiegen war. Damit war ein Partizipationsni-

veau bei Wahlen erreicht, dass zwar noch deutlich unter dem von westeuropäischen De-

mokratien lag, aber doch auch deutlich über dem der Vereinigten Staaten von Amerika bis

1989.11

Trotz erheblich eingeschränkter Freiheitsrechte und einer wirtschaftlich und sozial wenig

erfolgreichen Politik (Ujamaa-Politik, Zwangsumsiedlungen) hatte das Einparteiregime der

TANU/CCM offenbar eine relativ breite Zustimmung in der Bevölkerung finden können.

Dies sollte sich erst langsam in den 80er Jahren ändern.12 Während der sich verschärfenden

10 Für die Parteifunktionäre gab es seit Mitte der 60er Jahre die Parteihochschule in Dar es Salaam, Kivuko-

ni College, sowie in den 70er und 80er Jahren insgesamt 8 zonal colleges über das Land verteilt. Für die Parteimitgliedschaft galt von 1975 an eine dreimonatige ideologische Schulung und die 6 Prinzipien des Leadership Code der Arusha Deklaration von 1967.

11 In den USA gab es 1945-89 durchschnittlich 46%, in Westeuropa mit Ausnahme der Schweiz (60%) 73-90% (Beyme 2000: 54).

12 Dabei sollten die politischen Spielräume der Wähler nicht mit denen in Osteuropa gleichgesetzt werden. Die tansanischen Wähler nutzten ihre Möglichkeiten, mit „Nein“ gegen den Präsidenten zu stimmen. Bei den Präsidentschaftswahlen erreichten die Nein-Stimmen landesweit eine Quote von nahezu 7% (6,7%), wobei in mehreren Regionen im Nordwesten und Westen Quoten von 13,9 bis 18,8% Nein-Stimmen er-

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Wirtschaftskrise und weitgehender politischer Revisionen,13 war in den 80er Jahren ein

Verfallsprozess bei der Partei und bei der politischen Beteiligung der Bevölkerung zu beo-

bachten. Die Wahlbeteiligung ging absolut und relativ zurück, fiel gar deutlich unter eine

Quote von 50% der Wahlberechtigten. Die Partei hatte deutlich an Mobilisierungskraft

verloren und sollte erst wieder bei den ersten Mehrparteienwahlen zunehmen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Beteiligung an Parlamentswahlen in Tansania, 1965-2000

1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000

Regist. Wähler, Mio. 3,18 4,86 5,57 6,60 6,73 7,29 8,85 10,08 Wähler, Mio. 2,28 3,36 4,57 5,59 4,98 5,42 6,83 7,34¹ In % der Regist. 76,1 69,2 81,7 84,7 74,9 74,4 76,5 86,3¹ In % Wahlberechtigten² 46,5

(49,0) 51,1

(53,0)³ 59,7 60,4 45,8 42,3 44,9 45,7

In % der Bevölkerung 19,6 25,3 29,8 30,2 22,9 21,2 22,5 26,3 Bevölkerung, Mio. 11,67 13,27 15,31 18,50 27,73 25,63 30,37 32,1 ¹ Verschobene Wahlen (in 4 Wahlkreisen) und 25 Wahlkreise mit nur einem (CCM) Kandidaten,

die ohne Wahl automatisch ins Parlament einzogen, wurden nicht berücksichtigt. ² Zu den Wahlberechtigten liegen keine absolute Zahlen vor; sie müssen immer wieder geschätzt

werden. Für die Schätzung 1975-2000 bin ich davon ausgegangen, dass rund die Hälfte der Be-völkerung wahlberechtigt ist. Dem liegt zugrunde, dass die Volkszählungen 1967/1978/1988 die Altersgruppe 15-64 mit ca. 50% angeben (50,5/49,9/49,9); die Erhebung 1996 gibt für die gleiche Gruppe 48,3% und für die Altersgruppe 65+ 4,2% sowie für die 15-19 Gruppe 9,6% an, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die beiden Gruppen 65+ und 18-19 etwa gleich groß sein dürften, bzw. die letztere kleiner als die Gruppe 15-17 ist.

³ In () Kjekshus 1974: 372; sonst Nuscheler 1978: 2150. Quelle: Bureau of Statistics 1996: 9, 10; National Electoral Commission 1997; 2000c; Fengler

1999; Hofmeier 2001; eigene Berechnung.

reicht wurden (Martin 1978: 112).

13 Bereits 1980 war eine Revision maßgeblicher politischer Entscheidungen der 70er Jahre revidiert worden: die Wiedereinführung der landwirtschaftlichen Genossenschaften und der kommunalen Selbstverwaltung. Dies beinhaltete den Beginn des informellen Abschieds von der Ujamaa-Politik. Dieser Abschied wurde nach dem Scheitern der eigenen Strukturanpassungspolitik, die nach der Ablehnung des IWF-Programms zur Krisenbewältigung in der 1. Hälfte der 80er Jahre versucht wurde, und mit der Zustimmung zur IWF-Strukturanpassung 1986 vollzogen, auch wenn er nicht öffentlich erklärt wurde. Das Wahlmanifest der CCM von 1990 lässt dies auch rhetorisch deutlich werden (Mukandala 1994: 58-63).

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 7

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2.3 Erosion und Legitimation der Einheitspartei

Parallel dazu wurden für die Parteiorganisation auf mehreren Ebenen deutliche Erosions-

prozesse vermerkt: „Party membership fell, meetings were not held, funding could not be

obtained from members, and members increasingly seemed confused about the meaning of

ujamaa. Furthermore, the party could not control the government“ (McHenry 1994: 50).

Die organisatorischen Probleme betrafen vor allem die untere Ebene der Ortsvereine

(branches) unterhalb der Distriktebene. Die politischen und ideologischen Probleme, damit

die sozialistische Moral, betrafen indessen auch große Teile der Parteiführung und viele

Funktionäre: Korruption und private Bereicherung breiteten sich in der Krise zunehmend

aus. Die Partei war an der Basis inaktiv, sie war „eingeschlafen“ (Nyerere). Nyereres Wie-

derbelebungsversuch nach seinem Rücktritt als Staatspräsident, aber weiterhin als Partei-

chef, zwischen 1996 und 1990 blieb weitgehend erfolglos. Eine seiner Schlussfolgerungen

aus der bürokratisch verkrusteten, ideologisch teils desillusionierten und politisch orientie-

rungslosen Partei,14 die die Beziehung zur Bevölkerung teilweise verloren hatte, war die

Forderung nach einer Konkurrenz von außen, kurz: ein (zunächst sozialistisches) Mehrpar-

teiensystem.

Allerdings war es auch zuvor mit der ideologischen und politischen Moral innerhalb der

Parteiorganisation keineswegs zum Besten bestellt. So waren es selten nur ideologische

Gründe – das unzureichende sozialistische Bekenntnis –, die zur Ablehnung von nominier-

ten Kandidaten für die Parlamentswahlen durch die übergeordneten Prüfungsgremien der

Partei führten. Sehr viel maßgeblicher für die Entscheidungen der Ablehnung oder Zu-

stimmung scheint politischer Klientelismus vor allem auf der lokalen Ebene gewesen zu

sein (Kjekshus 1974: 373-374; Nuscheler 1978: 2147; McHenry 1994: 32-43).15 Tatsäch-

lich gab es seit jeher neben dem offiziellen, durch Parteivorschriften und die Parteiplatt-

form regulierten Wahlkampf immer auch einen inoffiziellen, in dem alle möglichen Mittel

der Wählerbeeinflussung (Bierparties, diffamierende Gerüchte, Spenden etc.) eingesetzt

14 So auch Horace Kolimba, ehemaliger CCM-Generalsekretär 1990-94; Africa Confidential, 11.4.1997, 38,

8. 15 Die landesweite Basisorganisation der Partei, die Ten House Cell Leaders, war weder in der Frühzeit ein

wirkungsvolles politisch-ideologisches Instrument der Partei, noch ist anzunehmen, dass sie zwischenzeit-lich dazu entwickelt wurde. Studien der 60er Jahre offenbaren „unideologische“ traditionelle Führerstruk-turen aus der Kolonialzeit (Kjekshus 1974: 372-373); für spätere Jahre fehlen vergleichbare Studien. Mit-te der 80er Jahre waren die Zellenführer jedenfalls kaum noch existent oder wirksam. Nach der Demokra-tisierung, so legt Max Mmuya (1998: 42-49) nahe, scheinen solche Basisstrukturen in einigen Regionen

8 DÜI - Arbeitspapiere 7/2002

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

wurden. Die Beschränkung der Wahlkampfthemen auf die Parteiplattform, ohne dass diese

in Frage gestellt werden durfte und ohne dass diese aktuelle politische Probleme themati-

sierte, führte zu einer inhaltlichen Entpolitisierung der Wahlen und verstärkte zugleich den

Trend zu einer Personalisierung des Wahlwettbewerbes und der Politik.16 Dieser inoffiziel-

le, damit informelle Wahlkampf musste sich auf klientele Netze stützen, die in die Partei-

bürokratie hineinreichten und die die formalisierten Prozesse zum Teil zu steuern ver-

mochten.

Wie andere Unabhängigkeitsbewegungen auch unterhielt die TANU engste Beziehungen

und personelle Verflechtungen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie den

Gewerkschaften und der Genossenschaftsbewegung, die im ländlichen Tanganyika beson-

ders erfolgreich war. Diese enge Beziehung wurde nach der Unabhängigkeit weiter ver-

tieft, indem diese Organisationen in einem korporatistischen Arrangement als Massenor-

ganisationen der Einheitspartei unterworfen wurden.17 Sie wurden zu Instrumenten der

Parteipolitik.

Die Besonderheit der TANU/CCM wird auch aus der Beziehung zwischen Partei-

Regierung offenkundig. Die meisten Beobachter sind sich einig, dass anders als in den

meisten anderen afrikanischen Staaten nach der Unabhängigkeit kein Niedergang der Par-

tei im Verhältnis zur Regierung zu verzeichnen war (Wallerstein 1966; Bienen 1967;

McHenry 1994; Cranenbourg 1990). Eher traf das Gegenteil zu: die TANU/CCM versuch-

te konsequent, die Hoheit über die Regierung zu gewinnen. Unabhängig davon, ob dies tat-

sächlich auch gelang, blieb jedenfalls der Einfluss der Partei auf die Regierung weit größer

als in den meisten anderen Staaten Afrikas. Die Vorherrschaft der Partei über alle anderen

Staatsorgane (Parlament und Regierung) war 1975 verfassungsrechtlich sichergestellt wor-

den. Die Dominanz der Partei über das Parlament war de facto bereits 1968 durchgesetzt

oder in einzelnen städtischen Gebieten wieder mobilisiert worden zu sein.

16 Vgl. hierzu Martin (1978: 123-127) zu den eigentlich brisanten Wahlen 1975. Kjekshus (1974: 371) machte einen, allerdings nur beschränkt relevanten Unterschied zwischen Präsidentschafts- und Parla-mentswahlen aus: „In the former case, a serious effort to educate people to the nation's concerns seems do have been made. In the latter, civic training objectives are drowned in local gossip and tales of little re-deeming political value“. Zum inoffiziellen, in seiner Bedeutung damals unterschätzten bzw. herunter ge-spielten Wahlkampf vgl. Cliffe 1967: 244-252; Mushi 1974: 118-121. Die inoffiziellen Wahlkämpfe, in denen Gerüchten zufolge auch beträchtliche Geldsummen im Spiel war, konnte der Autor 1985 am Kili-manjaro beobachten.

17 Die TANU/CCM hatte fünf Massenorganisationen: Union of Tanzania Workers (JUWATA), Co-operative Union of Tanzania (CUT), Tanzania Youth Organisation (VIJANA), Tanzania Parents Associa-tion (TAPA, WAZAZA) und United of Tanzanian Women (Umoja wa Wanawake wa Tanzania, UWT).

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 9

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G e r o E r d m a n n

und öffentlich demonstriert worden. Alle grundlegenden politischen Entscheidungen wur-

den zunächst im National Executive Committee (NEC) der Partei diskutiert und entschie-

den, bevor sie auch in der Regierung formell beschlossen wurden. Allerdings hatte die Re-

gierung mit ihren weit überlegenen Ressourcen (Information, Finanzen, Apparat) immer

die Möglichkeit, die Umsetzung der Parteipolitik zu steuern, beziehungsweise zu sabotie-

ren“ und/oder aufgrund neu geschaffener Fakten eine neue Beschlusslage herbeizuführen.

Diese Überlegenheit der Regierung suchte die Partei dadurch auszugleichen, dass sie 1982

eigene Sekretariate mit mehreren Fachabteilungen auf verschiedenen Parteiebenen einrich-

tete.

Das tatsächliche Machtverhältnis zwischen Regierung und Partei zu beurteilen, wird durch

die Verquickung von Regierung-, Staats- und Parteiämtern erschwert. Zahlreiche Minister

saßen in ihrer Doppelfunktion in der Regierung und im NEC und gehörten dem inneren

Zirkel von Nyerere an. So neigen einige Autoren (Cranenbourg 1990: 199-208; McHenry

1994: 55-60) dazu, den entscheidenden politischen Einfluss den Parteimitgliedern in der

Regierung zuzuschreiben, die zugleich auch im NEC vertreten waren. Dabei handelte es

sich in der Regel um (sozialistische) Pragmatiker, die in der Regierung den Ton angaben,

während die Ideologen eher innerhalb der Parteigremien von Bedeutung waren. Zweifellos

haben letztere vor allem in den 80er Jahren Einfluss auf die Politik verloren, während die

Pragmatiker der Partei in den Regierungsämtern eine moderate Öffnungspolitik durchset-

zen konnten und sich dabei noch weiter von der alten Parteiideologie und -programmatik

entfernten.

Insofern kann das Machtverhältnis zwischen Partei und Regierung auch als eine Auseinan-

dersetzung zwischen zwei Flügeln innerhalb der Partei interpretiert werden, wobei offen-

bar zahlreiche Parteiführer häufiger die Lager wechselten, so dass nur jeweils eine kleine

Gruppe eindeutig einem Lager zuzuordnen war. Wahrscheinlich verdankt das NEC und

damit die Partei überhaupt ihre einflussreiche Rolle Nyerere, weil dieser als Partei- und

Staatspräsident die formellen Institutionen nicht überging oder überspielte, sondern die

Partei und darin das NEC als sein Forum für die Vorbereitung politischer Entscheidungen

benutzte, wobei darin eben auch Regierungsmitglieder und vom Präsidenten ernannte Ver-

waltungsbeamte (alle 20 Regional Commissioners) vertreten waren. Die Bürokratie wurde

hier nicht vom Charisma zurückgedrängt, sondern verdankt ihren Einfluss erst demselben,

wobei sie allerdings auch nicht völlig unbeschädigt blieb.

10 DÜI - Arbeitspapiere 7/2002

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Welches Ansehen die TANU/CCM genoss und wie (einmalig im Vergleich zu anderen af-

rikanischen Regimen) institutionalisiert das Einparteiregime trotz aller wirtschaftlichen

und politischen Krisen war, wurde im Zuge der Demokratisierung Anfang der 90er Jahre

deutlich. Die demokratische Transition wurde in nahezu klassischer Weise durch eine

Kontroverse in der Parteielite eingeleitet – durch Nyerere selbst, der sich für ein Mehrpar-

teiensystem zur Rettung der politischen Vorherrschaft der CCM aussprach. Keine Opposi-

tionsbewegung, wie anderswo in Afrika, hat die eine Öffnung des Regimes provoziert oder

erzwungen. Die Opposition formierte sich erst langsam und zaghaft, nachdem die Staats-

partei eine breite gesellschaftliche Debatte um die Demokratisierung eröffnet hatte. Und

der Prozess wurde hinfort von der CCM weiter gesteuert und kontrolliert. In diesem Pro-

zess sprachen sich zunächst 80% von über 36.000 Tansaniern und Tansanierinnen auf Be-

fragen der präsidentiellen Nyalali-Kommission für die Beibehaltung des Einparteisystems

aus. Allerdings formulierte mehr als die Hälfte der Befragten den Wunsch nach einer re-

formierten, demokratischen Einheitspartei, so dass sich insgesamt eine Mehrheit für demo-

kratisch-partizipative Reformen aussprach, dem die Partei und Regierung durch die Ein-

führung des Mehrparteiensystems entsprach. Eine knapp zwei Jahre nach der Zulassung

neuer Parteien Anfang 1994 durchgeführte Umfrage bestätigte grob die Ergebnisse der

Nyalali Commission und die anhaltende Zustimmung zur Staatspartei: Von den 1.017 Be-

fragten in fünf Festlandsregionen (einschl. Dar es Salaam) hätten über 80% die alte Staats-

partei gewählt, und die Mehrzahl der verbliebenen 20% war noch unentschieden, welche

Partei sie wählen würde. Zugleich beurteilten noch 43% der Befragten, die Entscheidung

der Regierung, das Mehrparteiensystem einzuführen, als „nicht gut“; nur 48% befanden sie

als „gut“ (Erdmann 1995: 10). Regionale Auffälligkeiten im Sinne einer mehr oder weni-

ger deutlich hohen Zustimmung nach Regionen waren nicht feststellbar.

Zusammenfassend kann die Staatspartei als institutionalisiert mit einer breiten und ausdif-

ferenzierten Verankerung in Staat (Bürokratie) und Gesellschaft angesehen werden und

zwar sowohl über formale, das heißt hier bürokratische wie auch über informelle, klientele

Beziehungen. Sie war zweifellos von einem charismatischen Führer dominiert, der aber

selbst an (formalen) bürokratischen Strukturen und jenseits der eigenen Person an ideolo-

gischen Werten orientiert war. Der anfängliche ethnische und politische Faktionalismus

verlor nach und nach seine Relevanz; vor allem gewann der ethnische Faktionalismus kei-

ne eigenmächtige Bedeutung. Nur auf der ideologisch-politischen Seite gab es zwei Flügel

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 11

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innerhalb der Partei, Pragmatiker und Ideologen, die jedoch keine fest gefügten, unver-

söhnlichen ideologischen Blöcke bildeten.

Hinsichtlich formaler gesellschaftlicher Anschlüsse ist hier festzuhalten, dass sich die Par-

tei alle wesentlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen – Gewerkschaften, Genossen-

schaften, Frauen-, Jugend- und Elternverband als Massenorganisation unterworfen hatte.

Alle diese Organisationen unterstanden den Direktiven der Partei. Schwieriger ist hingegen

das Verhältnis von Partei und Militär zu beurteilen, da sie politisch eng miteinander ver-

woben waren. Nach der gescheiterten Truppenmeuterei 1964 waren die aus der Kolonial-

zeit übernommenen Truppen demobilisiert und die Armee unter der ideologischen und po-

litischer Kontrolle der Partei völlig neu aufgebaut worden. Verschiedene Putschversuche

in den 80er Jahren (von denen die wenigsten bekannt wurden) scheiterten an der Parteiloy-

alität der Armeeführung und weiter Teile des Militärs.

Tatsächlich ist das Militär nicht nur politisch, sondern auch materiell bevorzugt behandelt

worden. Die ihm von der Staats- und Parteiführung eingeräumte privilegierte, dabei offen-

bar aber auch gefürchtete Stellung, wurde darin deutlich, dass Nyerere 1985 mehrfach be-

tonte, dass die Nachfolgefrage von der Partei zu regeln und das Militär die Entscheidung

zu akzeptieren habe. Schließlich gab es bei den ersten Mehrparteienwahlen 1995 unter den

letzten drei Bewerbern für den CCM-Präsidentschaftskandidaten auch einen Vertreter des

Militärs, Leutnant Colonel Jakaya Kikwete, der allerdings gegen Nyereres Favoriten, Ben-

jamin Mkapa, im zweiten Wahlgang unterlag. Offensichtlich hat das Militär die von der

Parteiführung eingeleitete Wendung zum Mehrparteiensystem mitgetragen, das heißt, es

hat das Primat der Politik unter der Führung der Partei akzeptiert.

12 DÜI - Arbeitspapiere 7/2002

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

3 Gesellschaftliche Verankerung im Mehrparteiensystem

Die gesellschaftliche Verankerung einer Partei zu bestimmen, ist prinzipiell nicht einfach

und erscheint unter überwiegend agrargesellschaftlichen Verhältnissen, die weitgehend

von informellen Beziehungen gekennzeichnet sind, besonders schwierig. Allein quantitativ

ist dies kaum zu leisten, auch wenn es eine Reihe verfügbarer Indikatoren gibt. Die vor-

handenen quantitativen Angaben müssen durch eine qualitative Beschreibung ergänzt wer-

den. Über die Bedeutung des so gewonnenen Bildes kann letztlich nur ein Vergleich mit

anderen Ländern Aufschluss geben, der hier nicht geleistet werden kann, der aber im Hin-

tergrund der Analyse steht. Hilfreich ist im Falle Tansanias jedoch, dass die Parteien ganz

unterschiedlich in der Gesellschaft verankert sind, was sich auch quantitativ beschreiben

lässt. Im Kern werden dazu folgende Indikatoren benutzt: Umfrageergebnisse, Wahlbetei-

ligung, Wählerfluktuation, Parteimitgliedschaften und Beziehungen zu anderen zivilgesell-

schaftlichen Organisationen.18

3.1 Demokratisierung von oben und Mehrparteienskepsis

Wie oben festgestellt, initiierte und kontrollierte die alte Staatspartei CCM den Demokrati-

sierungsprozess. Anders als in anderen afrikanischen Staaten formierte sich die Opposition

erst im Zuge der von der Staatspartei eingeleiteten Debatte über das Mehrparteiensystem

und der damit verknüpften Liberalisierung. Die CCM hatte damit einen grundlegenden

Vorteil gegenüber den neu gegründeten Parteien des Mehrparteiensystems, das im Juli

1992 eingeführt wurde. Die Unterscheidung zwischen der alten Staatspartei und den neuen

Parteien wird daher für die weitere Analyse von grundlegender Bedeutung sein.

Erste allgemeine demokratische Wahlen, die Gründungswahlen für das Mehrparteiensys-

tem, sollten gemäß dem Turnus des Einparteisystems erst 1995 wieder stattfinden. Bei den

Nachwahlen, die zwischenzeitlich notwendig wurden, konnten die neuen Parteien mit ei-

genen Kandidaten bereits antreten.

Wie anderswo auch wurde mit der gewährten Organisationsfreiheit eine Vielzahl von Par-

teien gegründet, von denen die Mehrzahl jedoch ohne Bedeutung blieb. Von den über 50

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gegründeten politischen Parteien gelang nur 13 die offizielle Registrierung bis zu den

Wahlen 1995. Um eine ethnisch-regionale Zersplitterung der Parteienlandschaft zu verhin-

dern, bestimmte das neue Parteiengesetz, das ethnische, rassische, religiöse oder tribale In-

teressenparteien ausdrücklich verbietet, dass jede Partei nach einer halbjährigen vorläufi-

gen Registrierung in mindestens acht der 20 Festlandsregionen und auf den beiden Haupt-

inseln Zanzibars, Pemba und Unguja, über mindestens jeweils 200 eingeschriebene Mit-

glieder verfügen musste. Erst dann erhielt eine Partei die volle und dauerhafte Eintragung

im Parteienregister, die sie zur Teilnahme an Wahlen berechtigt.19 Zwar wurde dieser Pas-

sus von Oppositionspolitikern als Erschwernis für die Zulassung von Parteien angepran-

gert, doch dürfte es für eine Partei, die gesellschaftliche Interessen vertreten will, kaum ein

ernsthaftes Problem sein, diese Anforderungen zu erfüllen.

Zur subjektiven Identifikation der Bevölkerung mit den Parteien liegen keine entsprechen-

den Umfragen vor. Das von der Nyalali-Kommission 1991 festgestellte hohe Maß an Zu-

stimmung zum Einparteisystem kann indessen im Sinne subjektiver Identifikation mit der

alten Staatspartei CCM gedeutet werden. Der Zustimmung zur und Identifikation mit der

CCM liegt zum einen deren Leistung im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit zugrunde

wie auch die relative ethnische Konfliktfreiheit Tansanias, die Nyerere aber auch der CCM

zugeschrieben wird. Allgemein ist festzuhalten, dass zumindest eine Partei als legitimes

Instrument der Politik beim Großteil der Bevölkerung anerkannt ist.

Aus Umfrageergebnissen ist zu schließen, dass die Identifikation der Bevölkerung mit den

neuen Parteien grundsätzlich sehr viel schwächer sein muss, als mit der alten Staatspartei.

So konnten Ende 1994/Anfang 1995 – knapp zwei Jahre nach der Zulassung neuer Partei-

en – von über 1.000 Befragten in fünf Regionen 21% noch nicht einmal eine einzige dieser

Parteien beim Namen nennen; 69% war zumindest Chama cha Democrasia na Maendeleo

(Chadema, Partei der Demokratie und Entwicklung) bekannt, und nur noch einem Drittel

war die National Convention for Construction and Reform-Mageuzi (NCCR)20 namentlich

vertraut. Weniger als 30% der Befragten kannten eine der übrigen Parteien. Sehr viel

schlechter noch sah es mit der Bekanntheit der politischen Führer der neuen Parteien aus

18 Vgl. hierzu Betz, Erdmann und Köllner (2001). 19 Political Parties Act 1992, 9 (2), 10 (1) (b). 20 Ich benutze hier entgegen der sonst üblichen Abkürzung NCCR-M oder NCCR-Mageuzi nur die einfache-

re Abkürzung für die Partei, die ursprünglich aus dem die Demokratiebewegung koordinierenden Organ – National Committee for Constitutional Reform (NCCR) – hervorgegangen ist und deshalb als Partei den

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

(Erdmann 1995: 26). Ein knappes dreiviertel Jahr vor den ersten Mehrparteienwahlen

musste dies auch Auswirkungen auf die Wahlchancen der neuen Oppositionsparteien ha-

ben, zumal 60% der Befragten zu dieser Zeit noch nichts von lokalen Aktivitäten der neu-

en Parteien wussten. Zudem betrachtete ein beträchtlicher Teil der Befragten die neuen

Parteien mit großer Skepsis: über 60% der Befragten erwarteten von dem Systemwechsel

zum Mehrparteiensystem eine Bedrohung der nationalen Einheit (ebd.: 28; 20) – kurz: die

neuen Parteien wurden zumindest skeptisch begutachtet.

3.2 Wählerresonanz der Parteien

Tatsächlich ließen die ersten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen rasch erkennen, dass

neben der CCM von den 12 neuen Parteien nur 4 überhaupt eine Chance hatten ins Parla-

ment zu gelangen: NCCR, Chadema, Civic United Front (CUF) und United Democratic

Party (UDP); nur drei davon traten auch mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten an.

Keine der neuen Parteien konnte wie die CCM in allen 232 Wahlkreisen (einschl. Zanzi-

bar) mit eigenen Kandidaten antreten; sieben vermochten nicht einmal in der Hälfte der

Wahlkreise einen Kandidaten aufzustellen. All jenen, die in mehr als der Hälfte der Wahl-

kreise angetreten waren, gelang – von einer Ausnahme abgesehen: der Tanzania Democ-

ratic Alliance Party (TADEA) mit 144 Kandidaten – schließlich auch der Sprung ins Par-

lament. Eine andere Ausnahme bildete die UDP, die nur in 119 Wahlkreisen angetreten

war, aber dennoch mit drei Abgeordneten ins Parlament gewählt wurde (Tabelle 2).

Tabelle 2: Nominierung von Wahlkreiskandidaten, Parlamentswahlen 1995 und 2000 CCM CUF NCCR Chadema UDP TLP TADEA

1995 232 171 191 153 119 55 144 2000 231 127 55 49 47 130 13

Quelle: Mmuya 1996: 26; FES 2001: 107.

Während die Parteien 1995 noch eine Grundfinanzierung (Parteienfinanzierung monat-

lich!) für den Wahlkampf erhalten hatten – eine (unzureichende) Wahlkampfkostenerstat-

tung von einer Million Shs. (ca. US$ 1.820) pro Parlamentskandidat, fünf Millionen Shs.

Zusatz Mageuzi annahm, um das Erbe dieser Bewegung beanspruchen zu können.

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 15

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(ca. US$ 9.000) pro Präsidentschaftskandidat –, hat es diese für die Wahlen 2000 nicht

mehr gegeben. Dies dürfte eine der Ursachen (zu weiteren s. u.) dafür gewesen sein, dass

es den neu gegründeten Oppositionsparteien bei den zweiten Wahlen 2000 nicht gelang,

eine höhere Zahl von Kandidaten zu nominieren – im Gegenteil. Von einer Ausnahme ab-

gesehen – der Tanzania Labour Party (TLP) – ging die Zahl der Konkurrenzkandidaten zur

CCM sehr deutlich zurück (Tabelle 2).21 In 25 Wahlkreisen konnten die Oppositionspartei-

en nicht einmal einen Kandidaten aufstellen, so dass diese Mandate ohne Wahl der CCM

zufielen (National Electoral Commission 2000b) (in vier Wahlkreisen musste die Wahl

kurzfristig wegen des Todes jeweils eines Kandidaten verschoben werden).

Die Demokratisierung und die neuen Parteien bewirkten zunächst keine neue Wählermobi-

lisierung. Allerdings war eine leicht höhere Wahlbeteiligung im Vergleich zu den beiden

vorausgegangenen Wahlen zu verzeichnen (Tabelle 1). Vermutlich hatte die Demokratisie-

rung eine Reihe von unzufriedenen, ehemaligen Nichtwählern zur Wahl motivieren kön-

nen. Überraschenderweise setzte sich dieser Trend bei den zweiten demokratischen Wah-

len 2000 fort: die Wahlbeteiligung stieg deutlich an (Tabelle 1). Offenkundig erhielt das

neue Parteiensystem einen wachsenden Zuspruch.

Tabelle 3: Parlamentswahlen 1995 und 2000, Sitzverteilung* CCM CUF NCCR Chadema UDP TLP

Stimmen 3.814.125 323.432 1.406.343 396.825 213.481 27.963 % 59,2 5,0 21,8 6,2 3,3 0,43

Sitzverteilung im Parlament 1995, ge-

samt 186 24 16 3 3 0

Festland 160 0 16 3 3 0 2000, ge-

samt 197 15 1 4 3 4

Festland 167 2 1 4 3 4 * einschließlich der im Jan. 2001 nachgeholten Wahlen. Quelle: National Electoral Commission 1997; Hofmeier 2001.

21 Der umgekehrte Trend bei der TLP ist darauf zurückzuführen, dass der ehemalige Vorsitzende und Präsi-

dentschaftskandidat der NCCR, Augustine L. Mrema, nach langen innerparteilichen Konflikten die Partei verließ und sich mit einer Reihe seiner Anhänger der TLP anschloss.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Die beiden Wahlergebnisse von 1995 und von 2000 lassen zwei Dinge deutlich werden.

Zum einen, dass die alte Staatspartei weiterhin klar die Unterstützung der absoluten Mehr-

heit der Wähler auf ihrer Seite hat. Damit ist auch die These von der breiten gesellschaftli-

chen Verankerung der alten Staatspartei bestätigt. Zum anderen wurde deutlich, dass die

jungen oppositionellen Parteien nicht in der Lage waren, die Dominanz der CCM zu bre-

chen, sondern dass sie nach den ersten Wahlerfolgen von 1995 bei den zweiten Wahlen

wieder verloren und noch weniger Parlamentssitze gewinnen konnten. Dies galt vor allem

für die sogenannten Festlandsparteien (NCCR, Chadema, UDP, TLP), die in Zanzibar kei-

nen einzigen Sitz erringen konnten (Tabelle 3).

Tabelle 4: Präsidentschaftswahlen 1995 und 2000, Stimmen und % CCM

Mkapa CUF

Lipumba NCCR / TLP

Mrema* UDP

Cheyo

1995, Stimmen 4.026.422 418.973 1.808.616 258.734 1995, % 61,8 6,4 27,8 (NCCR) 4,0 2000, Stimmen 5.863.201 1.329.077 637.115 342.891 2000, % 71,7 16,3 7,8 (TLP) 4,2 * Augustine L. Mrema kandidierte 1995 für NCCR und 2000 für TLP. Quelle: National Electoral Commission 1997; 2000a.

Die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahlen verdeutlichen die prozentuale Verschie-

bung der Wählergunst jenseits der Verzerrungen durch das einfache Mehrheitswahlsystem

(Tabelle 4). Wie weitreichend die Vormacht der CCM war, wird anhand einer detaillierte-

ren Analyse des Wahlergebnisses von 1995 deutlich. Abgesehen davon, dass die CCM

nicht nur die einzige Partei war, die in allen Wahlkreisen eigene Kandidaten nominieren

konnte, sie erlangte auch in 18 der 20 Regionen über 50% der Wählerstimmen und in 19

Regionen immerhin die einfache Mehrheit gegenüber einer zersplitterten Opposition.

Allein in der Kilimanjaro Region konnte die Opposition die absolute Mehrheit der Wähler-

stimmen für sich gewinnen, während die CCM auf nur wenig über 20% kam. Dabei kon-

zentrierten sich die Oppositionsstimmen größtenteils auf die sechs Wahlkreise der Chag-

gas, aus deren Reihen der Präsidentschaftskandidat der stärksten Oppositionspartei NCCR

kam, der bis März 1995 ein populärer Innen- und Arbeitsminister war und der zeitweilig

als potentieller Präsidentschaftskandidat der CCM gehandelt wurde, dann aber wegen sei-

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ner „Degradierung“ ins Arbeitsministerium zur Opposition wechselte. Kurz, die Oppositi-

on am Kilimanjaro gewann (temporär) eine ethnische Basis.22 Ohne dass die detaillierten

Wahlergebnisse von 2000 vorliegen, lässt sich aufgrund der Kandidatennominierung und

des Stimmenzuwachses der CCM festhalten, dass sie ihre landesweite und überethnische

Position gegenüber der Opposition weiter ausbauen konnte.

Die Wählerfluktuation blieb für ein noch kaum institutionalisiertes Parteiensystem mit

rund 10% relativ gering. Allerdings bezieht sich diese Feststellung nur auf die Fluktuation

zwischen Oppositions- und Regierungslager. Innerhalb des Oppositionslagers gab es in-

dessen beträchtliche Wählerwanderungen, die auf eine sehr viel geringere Institutionalisie-

rung der neuen Parteien verweisen. Besonders dramatisch waren die Verluste der NCCR,

die einst die stärkste Festlandspartei mit über einem Fünftel der Wählerstimmen gewesen

war. Statt 16 gewann sie nur noch einen Parlamentssitz. Ebenso ging der Stimmenanteil ih-

res Präsidentschaftskandidaten von 1995, der 2000 mit einer anderen Partei und unterstützt

von einer Reihe marginaler, nicht im Parlament vertretener Parteien angetreten war, von

27,8 auf 7,8% zurück.23 Ein Teil der ehemaligen NCCR-Wähler ist offensichtlich zu ande-

ren Oppositionsparteien, hauptsächlich zur CUF, ein kleinerer Teil zu Chadema und mit

Mrema zur TLP gewandert, und ein Teil hat möglicherweise gar nicht mehr gewählt. Da

eine Reihe von prominenten Führern der NCCR wieder zur CCM zurück gewechselt war,

dürfte auch diese von der Wählerwanderung weg von der NCCR profitiert haben. Relativ

konstant blieb allein die Wählerschaft der UDP mit ihrer ethnisch-regionalen Basis unter

den Sukuma in Shinyanga, der Heimatregion und -distrikt ihres Parteichefs. Diese insge-

samt für ein junges Mehrparteiensystem geringe Wählerbewegung kann hier teilweise mit

der ausgeprägten Institutionalisierung der alten Staatspartei erklärt werden.

All dies zusammen macht deutlich, dass ganz im Gegensatz zur CCM die neuen Parteien

nur eine unzulängliche gesellschaftliche Verankerung haben und dass sie auch 8 Jahre

22 Weder aus den Befragungsergebnissen der Nyalali-Kommission 1991, noch aus späteren Befragungen

1993 und 1994 ließ sich eine besondere Präferenz für ein Mehrparteiensystem oder eine Ablehnung der CCM unter den Chaggas erkennen. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 1975 mit ihren „berüchtigten“ nahezu 7% Nein-Stimmen war die Kilimanjaro-Region nicht auffällig geworden, sondern mit 2,6% deut-lich unter dem Durchschnitt gelegen. Der Umschwung zur Opposition kann hier eindeutig dem Wechsel von Augustine L. Mrema von der CCM zur NCCR zugeordnet werden; bei den Wahlen 2000 fielen wie-der 2 Wahlkreise an die CCM zurück, so dass „Chaggaland“ schließlich von drei Parteien, CCM, Chade-ma und TLP, im Parlament vertreten war.

23 Der Präsidentschaftskandidat der NCCR, Mrema, war auch 1995 von einer breiten Allianz der Opposition gestützt worden und hatte vor allem Stimmen aus den Reihen der Chadema-Wähler bekommen (vgl. Ta-bellen 3 u. 4).

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

nach ihrer Gründung noch gravierende organisatorische Schwächen aufweisen. Die nahezu

halbierte Anzahl nominierter Kandidaten der relevanten Oppositionsparteien für die Par-

lamentswahlen 2000 ist ein überaus deutlicher Hinweis (Tabelle 2). Keine der neuen Par-

teien kann auch nur ansatzweise eine landesweite Präsenz beanspruchen. Selbst auf regio-

naler Ebene, wo es schien, dass einzelne Oppositionsparteien über eine relativ breite, mög-

licherweise ethnisch fundierte Basis verfügen könnte, haben sie nicht überall eine stabile

Gefolgschaft erreicht.24

3.3 Mitgliedschaft

Zur Mitgliedschaft der Parteien, die weiteren Aufschluss über die Partizipation in densel-

ben wie auch Hinweise zur Verankerung geben könnte, gibt es keine umfassenden Daten.

Dabei gibt es auch hier wieder deutliche Unterschiede zwischen CCM und den neuen Par-

teien zu verzeichnen. Die CCM gibt seit den 80er Jahren eine Mitgliederzahl von drei Mil-

lionen an. Dies würde einem Bevölkerungsanteil von etwa zehn Prozent entsprechen und

wäre damit im internationalen Vergleich sehr hoch. Im Rahmen des Systemwechsels hat

die Partei mit Sicherheit eine ganze Reihe von Mitgliedern verloren, auch wenn vermutlich

nicht wenige ihre CCM-Mitgliedskarte behalten haben. Realistischere Schätzungen gehen

inzwischen von rund 1,5 bis zwei Millionen Parteimitgliedern der CCM aus.25 So lag in

den 90er Jahren auch einzig von der CCM eine nachvollziehbare Dokumentation auch auf

Distriktebene über die Anzahl ihrer Mitglieder vor (Mmuya 1998: 182-184), auch wenn

die Listen vermutlich zahlreiche „Karteileichen“ enthielten. Zur Mitgliedschaft der neuen

Parteien gab es keinerlei auch nur ansatzweise zuverlässige Daten. Regionale Parteiführer

machten in Interviews 1994 bereits völlig unrealistische Angaben zu den Mitgliederzahlen

24 Dies wurde v.a. in der Kilimanjaro Region deutlich, wo die NCCR-Wähler 2000 nicht nur die TLP, die

durch den Wechsel Mremas personell als Nachfolgepartei der NCCR in der Region angesehen werden kann, sondern genauso Chadema und auch wieder CCM wählten; zusammen verlor die Opposition in der Region zwei ihrer ehemals 6 Parlamentssitze an die CCM. Die UDP konnte ihre Position in drei Wahl-kreisen Shinyanga in beiden Wahlen behaupten konnte, allerdings 2000 jeweils mit 14% Vorsprung vor der CCM. Festzuhalten ist auch hier, dass die Sukuma diesen Wahlkreisen nicht geschlossen UDP wähl-ten und dass die meisten anderen „Sukama-Wahlkreise“ von der CCM teilweise ohne Gegenkandidaten gewonnen wurden.

25 An einem CCM-internen Referendum, das über das Regierungsarrangement der Union zwischen Zanzibar und Festland entscheiden sollte, haben sich 1994, 1,35 Mio. Parteimitglieder beteiligt (Hofmeier 1995: 306); sollte diese Ziffer nicht völlig aus der Luft gegriffen sein, wofür es keine Anhaltspunkte gibt, so er-scheint die genannte Schätzung realistisch und zwar eher die zwei als die 1,5 Mio. Parteimitglieder.

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(angeblich 200.000 für Chadema in der Kilimanjaro Region, während die Partei 1995 auf

72.000 Wählerstimmen von insgesamt 402.000 in der Region kam).26 Die Angaben mehre-

rer Parteien zur Mitgliedschaft auf Distriktebene waren selbst bei relativ „gut organisier-

ten“ Parteien nicht zu überprüfen (ebd.). Unabhängig von der unklaren Datenlage ist davon

auszugehen, dass die Mitgliederzahlen der Oppositionsparteien seit Mitte der 90er Jahre

zurückgegangen sein dürften. Dies betrifft zumindest die einst stärkste und vergleichswei-

se am besten organisierte, aber inzwischen zerfallene NCCR, von der viele Mitglieder

nicht nur zu anderen Oppositionsparteien, sondern einige auch zurück zur CCM gewech-

selt sind, beziehungsweise ihre alte CCM-Mitgliedschaft wieder aktivierten. Die Mit-

gliedsbeiträge geben keinen Aufschluss über die Mitgliederzahlen, da sie offenkundig nur

unregelmäßig bezahlt (oder eingetrieben) werden.27

Im Hinblick auf die Aktivitäten der Mitglieder gibt es keine einschlägigen Untersuchun-

gen. Beobachter attestieren der CCM, dass sie in den 90er Jahren „regelmäßig“ und auf al-

len Ebenen konstitutionell vorgeschriebene Wahlen zu den Parteiorganen abgehalten hat.

Die Implikation ist, dass zumindest ein Teil der Mitglieder regelmäßig am Parteileben teil-

nimmt und Personalentscheidungen herbeigeführt werden können (Mmuya 1998: 46). In-

wieweit dies für die Partei auch unterhalb der Distriktorganisation tatsächlich zutrifft, be-

darf noch eingehender Untersuchungen. Zumindest vor den beiden Wahlen wird es auf

Wahlkreisebene zur Kandidatennominierung in der CCM entsprechende Mitgliederent-

scheidungen gegeben haben, wobei es in den meisten Fällen wohl eine Konkurrenz um die

Nominierung gegeben hat. Doch liegt hierbei zweifellos ein deutlicher Unterschied zu den

neuen Parteien vor, selbst zu jenen größeren wie NCCR, Chadema, CUF, UDP und TLP,

die wenigstens ein paar Kandidaten ins Parlament brachten. Wie oben festgestellt, waren

diese nicht nur nicht in der Lage, in allen Wahlkreisen Kandidaten aufzustellen, sondern

oft ernannten sich, mangels lokaler Mitglieder, einzelne Mitglieder selbst zu Kandidaten,

oder sie wurden als lokale Finanziers der Parteiorganisation konkurrenzlos ernannt, oder

die regionale oder nationale Parteiorganisation nominierte, bisweilen auch gegen eindeutig

26 Eigene Interviews 1994; Mitglieder nach Angaben der Parteien (1995-97), zu denen teilweise auch völlig

andere Ziffern genannt werden, in () Wählerstimmen bei den Wahlen 1995: NCCR: 400.000 beitragszah-lend (1,4 Mio.); UDF: k. A. (215.000); Chadema: 200.000 (400.000) CUF: 450.000 (320.000); Henning 1998: 64-70.

27 Die Mitgliedsbeiträge sind im Allgemeinen bescheiden. Bei der NCCR betrug er (1994/1997) 60 TSh. (0,15 DM), bei der CCM 120 TSh. pro Jahr.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

andere lokale Wahlentscheidungen aus strategischem Kalkül die Kandidaten (Mushi 1997:

14-15).

So erfolgte in der CCM die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten 1995 durch einen

demokratischen, halbwegs transparenten Konkurrenzkampf von anfangs 16 Politikern, der

schließlich auf einer Sonderkonferenz der Partei zwischen drei Kandidaten in zwei Wahl-

gängen entschieden wurde. Auch wenn Nyerere als nunmehr „einfaches Mitglied“ ent-

scheidenden Einfluss auf die Nominierung seines Favoriten genommen hat, der Baba wa

Taifa (Vater der Nation) musste persönlich umfangreiche Lobbyarbeit leisten, um ver-

schiedene Gruppen innerhalb der Partei von „seinem“ Kandidaten zu überzeugen; die Ent-

scheidung war offen, keinesfalls akklamativ (Mushi 1997: 12-13).28 Keine der

Oppositionsparteien konnte auf einen vergleichbar offenen Prozess verweisen. Zumeist

wurden die Parteigründer, die bisweilen auch die maßgeblichen Finanziers waren, per

Akklamation (selbst) ernannt (Cheyo, UDP; bei NCCR konkurrenzlose Nominierung Mre-

mas). Allgemein kann von der Passivität der Mitglieder ausgegangen werden, die in der Top-

down-Organisation der TANU/CCM aus der Gründerzeit und der Zeit des Einparteisys-

tems herrührt. An dieser Tradition einer „Untertanenkultur“ (Hyden 1969; Mushi 1974:

119), die für die politische Kultur der 60er festgehalten wurde, dürfte sich während des

Einparteisystems zumindest für die Mehrzahl der Mitglieder auf dem Lande nur wenig ge-

ändert haben; nur im städtischen Milieu ist hier ein anderes politisches Verhalten zu erwar-

ten. Untersuchungen und entsprechende Angaben zum Anteil der aktiven Mitglieder liegen

nicht vor. Das gleiche gilt vermutlich auch für einen Großteil der Oppositionsparteien. Al-

lein für die NCCR, die von Intellektuellen, Bürgerrechtlern und Städtern geprägt war, gab

es Hinweise, dass größere Mitgliedergruppen eine aktive Rolle in der Partei spielten.

Allen vorliegenden Informationen zufolge sind die formalen und inhaltlichen Anforderun-

gen der Parteien an eine Mitgliedschaft sehr gering. Die CCM, die einst den Leadership

Code auf ihre Mitglieder ausgedehnt hat – ohne dass dieser auch bei den Führern jenseits

nomineller Bekenntnisse streng beachtet wurde –, und deren Parteiprogramm sich immer

noch zu Ujamaa bekennt, hat diese Anforderung 1991 auch formal fallengelassen. Tatsäch-

lich spielt ein politisches Bekenntnis zum sozialistischen Programm der Partei für die Mit-

28 Wie weit das Charisma von Nyerere reichte, wird darin deutlich, dass auch der stärkste Oppositionskandi-

dat für die Präsidentschaft, A.L. Mrema, sich den „Segen“ des Mwalimu holen wollte (Mushi 1997: 12-13).

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gliedschaft heute keine Rolle mehr. Von den jüngeren Parteien, die aus der Demokratisie-

rung hervorgegangen sind und die nicht einmal alle über ein Parteiprogramm verfügen,

sind keine besonderen ideologischen Anforderungen an die Mitgliedschaft bekannt.

4 Form der gesellschaftlichen Verankerung

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten, in welcher Weise Wähler an die Parteien

gebunden werden: durch Ideologie und Programm, über eine bürokratische Organisation,

durch Personen, Charisma und Klientelismus sowie durch direkte und indirekte Beziehun-

gen zu anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Diese Wähler-Partei-Verbindungen

werden im Folgenden untersucht werden. Dabei wird wiederum zwischen der alten Staats-

partei und den neuen Oppositionsparteien unterschieden, für die unterschiedliche Verbin-

dungsmuster kennzeichnend sein.

4.1 Programmatisch-ideologische Schwächen

Parteiideologie und -programmatik sind für die Wählerbindung kaum von Bedeutung. Dies

gilt sowohl für die Regierungs- wie für die Oppositionsparteien. Zwar verfügt die CCM

noch über ein sozialistisches Parteiprogramm, das Ujamaa zum Ziel setzt und in den Wahl-

manifesten weiterhin genannt wird, doch hat sich die Mehrzahl der Parteimitglieder längst

davon verabschiedet. Innerhalb der Partei haben sich in den 90er Jahren die Pragmatiker

endgültig gegen die Ideologen durchgesetzt, und nur eine kleine Gruppe von Ideologen

kann noch als „sozialistisch“ angesehen werden. Auf den Abschied vom Leadership Code

ist bereits hingewiesen worden. Am Treffendsten lässt sich die ideologisch-politische

Orientierung der Partei mit „sozialdemokratisch“ etikettieren (Mmuya 1998: 15-20), und

das in allen weit gefächerten Varianten. Tatsächlich hat sich die CCM den lange verfehm-

ten Privatunternehmern geöffnet, die mit ihren Repräsentanten auch in Ministerämtern ver-

treten sind. So versuchte die Partei, alle gesellschaftlichen Gruppen, Schichten und Klas-

sen anzusprechen – ganz im Sinne einer modernen Catch-all- oder Volkspartei.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Von den Oppositionsparteien hatten zumindest NCCR, TLP und Chadema ein Parteipro-

gramm, während CUF und UDF ohne Parteiprogramm operierten. Aus den Programmen

und Wahlmanifesten erschließt sich ein ideologisch wenig konturiertes und kaum polari-

siertes Bild, das Max Mmuya (1998: 27) als „Mutationen von Sozialdemokratie und Libe-

ralismus“ charakterisierte. Während bei Chadema und UDF eher der Wirtschaftsliberalis-

mus im Vordergrund stand, entsprechend der Unternehmer an der Spitze der Parteien, wa-

ren für NCCR und TLP eher sozialdemokratische, bei der NCCR darüber hinaus auch bür-

gerrechtliche Elemente bestimmend. Insgesamt war die ideologische Polarisierung der Par-

teien kaum nennenswert. Vermutlich war sie innerhalb der CCM, zwischen ihren verschie-

denen Flügeln, noch am größten. Die Parteien repräsentierten damit keine Interessen spezi-

fischer gesellschaftlicher Gruppen entlang soziökonomischer Konfliktlinien der tansani-

schen Gesellschaft, auch wenn auf der einen Seite etwa die Tanzania Labour Party dies

namentlich nahe legte, der die beiden wirtschaftsliberalen, unternehmerfreundlichen Par-

teien (scheinbar) gegenüberstanden.

Entsprechend spielten Parteiprogramme und Wahlmanifeste in den Wahlkämpfen und für

die Mehrzahl der Wähler nur eine (bestenfalls, wenn überhaupt) untergeordnete Rolle. Die

Kandidaten hatten dabei oft ihre eigenen Wahlmanifeste, die nur teilweise etwas mit dem

ihrer Partei zu tun hatten. Dies ermöglichte auch kurzfristige Parteiwechsel ohne ideologi-

sche und politische Skrupel. Die Auseinandersetzungen im Wahlkampf waren vor allem

von persönlichen Angriffen und Schmutzkampagnen gegen die Kandidaten der jeweils an-

deren Parteien und der Glorifizierung der eigenen Person bestimmt (Mushi 1997: 19-20).

Wenngleich Ideologie und Programm auch bei der CCM kaum von Bedeutung waren, so

verfügte diese doch aufgrund ihrer Institutionalisierung über einen unvergleichlichen Vor-

teil gegenüber den neuen Parteien: die Wähler vertrauten ihr eher. Negativ formuliert: Sie

wählten das kleinere, das vertraute Übel – „the devil we know“. Die neuen Parteien waren

nicht nur zunächst unbekannt, sie waren auch mit teilweise haltlosen (wirtschaftlichen und

sozialen) Versprechungen in Erscheinung getreten, und zudem war ihr Auftreten von

Furcht vor gewaltsamen Konflikten begleitet (Erdmann 1995: 10). Die CCM dagegen rep-

räsentierte die erfolgreiche Unabhängigkeitsbewegung und die anhaltend friedliche staatli-

che Einheit, die angesichts der Entwicklungen in den Nachbarländern und der Faktions-

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und Flügelkämpfe der Oppositionsparteien noch deutlicher wurde. Diese Leistung und

Tradition der CCM spielte in der Perzeption der Wähler sicher eine wichtige Rolle.29

Während die ideologisch-programmatischen Angebote der Parteien die Wähler kaum er-

reichten, kam der CCM zweifellos ihr Organisationsvorteil gegenüber den neuen Parteien

zu Gute. Dass die CCM mit der Einführung des Mehrparteiensystems 1992 ihre Organisa-

tion finanziell vom Staat lösen und dabei Personal entlassen und Organisationsstrukturen

abbauen musste, bedeutete zweifellos eine Schwächung der Partei, doch beschnitt dies

nicht ihre Grundüberlegenheit gegenüber den anderen Parteien (bezahlte Funktionäre wur-

den teilweise zu ehrenamtlichen; bestimmte Parteifunktionen wurden „privat“ von Abge-

ordneten finanziert etc.).

Wie oben festgehalten, verfügte keine der neuen Parteien über eine landesweite Präsenz;

nur die CCM konnte bei beiden Mehrparteienwahlen in allen Wahlkreisen mit eigenen

Kandidaten antreten. Selbst dort, wo eine Oppositionspartei augenfällig mit einer gehissten

Parteiflagge präsent war, existierte sie oftmals nur in einer Person, der eine etablierte Or-

ganisation lokaler CCM-Politiker in Staat und Gesellschaft gegenüber standen. Während

die NCCR bis zu den Wahlen 1995 die vermutlich noch effektivste Organisation aufbauen

konnte, auch wenn diese vor allem auf die städtischen Zentren beschränkt blieb, so war sie

nach den anhaltenden Flügelkämpfen und der informellen Spaltung (1995-99, Mrema vs.

Marando-Gruppe, s.u.) in zwei Gruppierungen und schließlich durch den Parteiwechsel

Mremas zur TLP entscheidend geschwächt.

Einen weiteren Hinweis auf die organisatorische Schwäche der neuen Parteien insgesamt

gibt die gegenüber 1995 nahezu halbierte Anzahl von Parlamentskandidaten bei den Wah-

len 2000 (Tabelle 2). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Parteien auch oft dort, wo sie

Kandidaten nominieren konnten, kaum über eine funktionsfähige Organisation, sondern

häufig nur über einzelne Aktivisten oder kleine Honoratiorengruppen verfügten. Das sehr

unterschiedliche Organisationsniveau offenbarte sich auch in den Wahlkämpfen. Während

sich die Oppositionsparteien zumeist auf wenige punktuelle Großveranstaltungen mit teils

hohe Teilnehmerzahlen konzentrierten, konnte die CCM über ihre Organisationsbreite und

29 Unserer Befragung 1994 zufolge sahen knapp 62% der Befragten im Mehrparteiensystem eine Gefahr für

die Nationale Einheit und 60% fürchteten einen verstärkten „Tribalismus und Faktionalismus“ (Erdmann 1995: 10); außerdem hat die CCM im Wahlkampf 1995 das Katastrophenimage von Somalia, Liberia, Bu-rundi und Ruanda bewusst als Mahnung und für die Betonung eigener Verdienste eingesetzt (Gaserasi 1997: 246; TEMCO 1997: 105).

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

-tiefe zudem eine Vielzahl eher kleinerer Veranstaltungen inszenieren, aber auch durch ih-

re zahlreichen Parteimitglieder einen „kleinen“, informellen Wahlkampf in der Nachbar-

schaft und an Arbeitsplätzen führen und dadurch einen vergleichsweise dauerhaften Ein-

fluss geltend machen, nicht zuletzt auch durch ihre lokalen Aktivisten, die Wakereketwa

beziehungsweise Maskani in Zanzibar.

4.2 Personalismus

Damit ist ein zweites wesentliches Moment für das Verhältnis zwischen Partei und Wäh-

lern benannt: der Personalismus. Vor allem für die neuen Parteien ist dieser von Bedeu-

tung, spielt aber auch für die CCM – neben der Bürokratie – eine zentrale Rolle. Bei den

neuen Parteien wurde vielfach der Parteigründer auch der Parteiführer, teils weil sie schon

prominente Politiker waren, aber auch weil sie als Führer einzelner Faktionen, die sich aus

anderen Parteien lösten, auch als Finanziers in Erscheinung traten. Exemplarisch für letzte-

res steht John Cheyo von der UDF, der sich von der UMD löste, die UDF gründete und zu-

sammen mit einigen anderen Unternehmern als der entscheidende Sponsor seiner Partei

gilt.

Auf andere Weise repräsentieren die Parteiwechsel von Augustine L. Mrema den Persona-

lismus in der Parteienpolitik. Mit seinem ersten Parteiwechsel von der CCM zur NCCR

verhalf er letzterer zum entscheidenden Durchbruch und schließlich zur klar stimmen-

stärksten Oppositionspartei; bis dahin war Chadema als aussichtsreichste Oppositionspartei

angesehen worden.30 Die bis dahin in der NCCR den Ton angebenden Bürgerrechtler und

Akademiker, voran der Parteichef Mabere Marando, machten ohne Widerstand Platz für

den ehemals populären CCM-Innenminister und Law-and-Order-Populisten. Mehr perso-

nelle und politisch-taktische Dispute als grundsätzlich politische Differenzen waren

schließlich für die zermürbenden Faktionskämpfe innerhalb der NCCR verantwortlich.

Diese über Jahre anhaltenden Auseinandersetzungen und der abschließende Wechsel Mre-

mas zur TLP hatten schließlich den dramatischen Niedergang der NCCR zur Folge:

30 Unsere Befragung hatte 1994 für Chadema noch einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad (Partei, Partei-

chef und lokale Parteiaktivitäten) offengelegt; außerdem wären unter den Oppositionsparteien die meisten Stimmen auf Chadema entfallen (Erdmann 1995: 11, 17, 19). In Chadema waren zudem zahlreiche relativ prominente Ex-CCM-Politiker, u.a. auch Ex-Minister aktiv, wie sie die NCCR zunächst nicht aufzuweisen hatte.

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anstelle von 15 (1995; = 21,5% Stimmenanteil) gewann sie nur noch ein Parlamentsman-

dat.31 Dafür kam die TLP, die 1995 mit einem Stimmenanteil von 0,4% keinen einzigen

Sitz gewinnen konnte, auf vier Mandate, zwei Kilimanjaro, je einen in Mara und Kagera).

Dies war eindeutig dem Wechsel von Mrema zuzuschreiben. Allerdings macht das Präsi-

dentschaftswahlergebnis auch deutlich, dass – zumindest für einen Großteil der oft städti-

schen NCCR-Wähler – nicht allein die Person (ganz unabhängig von ihrem Verhalten) im

Vordergrund stand. Mrema konnte als Präsidentschaftskandidat der TLP im Jahr 2000 nur

ein Drittel jener Stimmen mitnehmen, die er fünf Jahre zuvor als Kandidat der NCCR auf

sich ziehen konnte (unterstellt, dass er größtenteils die gleichen Wähler mobilisieren konn-

te wie 1995, wofür u.a. die regionalspezifischen Erfolge der TLP sprechen). Die übrigen

ehemaligen NCCR-Wähler dürften den CUF-Kandidaten (vom Festland), den der CCM

oder gar nicht mehr gewählt haben. Darüber hinaus lassen Berichte von den Wahlkämpfen

deutlich werden, dass darin kaum über politische Inhalte gestritten wurde, sondern haupt-

sächlich die persönlichen und öffentlichen Qualitäten der Kandidaten in diffamierender

oder glorifizierender Weise thematisiert wurden (z.B. Mushi 1997: 19-21; TEMCO 1997:

99-112, 125; Hofmeier 2001: 316).

Bei dieser Personalisierung der Politik hatte natürlich wieder die CCM einen entscheiden-

den Vorteil gegenüber den anderen Parteien, sowohl im nationalen wie im lokalen Kon-

text: Sie verfügte über die bekannteren Politiker und über die entscheidenden lokalen

Netzwerke beziehungsweise sie konnte über ihren lokalen Parteiapparat mit all seiner Er-

fahrung auch Erstkandidaten derartige Vorteile für die Wählermobilisierung zur Verfügung

stellen, wie dies keiner anderen Partei – abgesehen von ganz wenigen lokalen Ausnah-

men – möglich war. Dieser Personalismus in der Beziehung zwischen Wählern und Partei-

en stand ganz in der Tradition des Einparteiregimes und seiner Wahlkultur, ist dabei aber

auch symptomatisch für ein gesellschaftliches und politisches System, das noch wenig von

gesellschaftlichen Konfliktlinien strukturiert wird.

31 Der prozentuale Rückgang der Wählerstimmen kann hier nicht beziffert werden, da entsprechende Daten

der Wahlkommission bisher nicht veröffentlicht wurden.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

4.3 Zivilgesellschaftliche und kollateralorganisatorische Schwächen

Soweit die Beziehung der Parteien zu anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in

den Blick genommen wird, ist zunächst festzuhalten, dass Tansania – auch nur verglichen

mit anderen afrikanischen Gesellschaften – über eine schwache Zivilgesellschaft verfügt.

Der breit verankerten Staatspartei war es gelungen, die Artikulation autonomer zivilgesell-

schaftlicher Kräfte weitgehend zu verhindern. Deutlicher Ausdruck davon war die Form

der Demokratisierung, die nicht durch eine Oppositionsbewegung erzwungen wurde, son-

dern von oben gesteuert und kontrolliert werden konnte. Die Demokratiebewegung war

schließlich erst das Resultat der verordneten Liberalisierung.32 Daraus folgt, dass es für die

politischen Parteien nur wenige tragfähige und selbst hinreichend verankerte zivilgesell-

schaftliche Organisationen als mögliche Verbindungsglieder in die Gesellschaft hinein und

zur Mobilisierung von Anhängern und Wählern gab. Keine Partei ist formal mit einer der

ansonsten unabhängigen gesellschaftlichen Organisationen, etwa den Gewerkschaften oder

der Frauenvereinigung verbunden.

Daneben bestehen aber verschiedene informelle Beziehungen zu einer Reihe von zivilge-

sellschaftlichen Organisationen, wobei die CCM wiederum einen gravierenden Vorteil ge-

genüber den neuen Parteien hatte. Zwar waren die Gewerkschaften nominell mit der De-

mokratisierung aus dem Status der parteieigenen Massenorganisation (JUWATA) in die

formelle Autonomie entlassen worden, doch waren in den Führungsgremien und unter den

immerhin ca. 400.000 Mitgliedern der Gewerkschaften zahlreiche CCM-Funktionäre, so

dass auch die „neuen“ Gewerkschaften als CCM-nahe angesehen wurden.33 Die Partei

selbst unterhielt in Fortführung der alten Massenorganisationen eigene Unterorganisatio-

nen für Gewerkschaftsmitglieder, Frauen und Eltern, die die alten Namen der Massenorga-

nisation mit dem CCM-Anhängsel fortführten (z.B. Frauen: Umoja wa Wanawake wa

CCM, Jugend: Umoja wa Vijana wa CCM).

In ähnlicher Weise hatten sich NCCR und CUF bemüht, über die gleichen parteieigene

Unterorganisationen Anschluss an die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen zu fin-

32 Zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen und ihren Problemen siehe Tripp (2000). 33 Als Massenorganisation war JUWATA 1991 in die Organisation of Tanzania Trade Unions (OTTU) um-

gewandelt worden, der verschiedene Sektionsgewerkschaften (affiliates) angehörten, die wiederum 1995 in die Tanzania Federation of Trade Unions (TFTU) mit Einzelgewerkschaften reorganisiert wurde. Letz-tere wurde 2000 (Gesetz von 1998) in 12 unabhängige und freie Einzelgewerkschaften mit ca. 400.000 Mitgliedern aufgelöst (FES 2001: 113-115).

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 27

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den. Durch ihre Herkunft aus der Oppositionsbewegung unterhielt die NCCR darüber hin-

aus noch Beziehungen – unter den Oppositionsparteien vermutlich die besten – zu ver-

schiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die im Demokratisierungsprozess poli-

tisch in Erscheinung getreten waren, wie etwa die Tanzania Law Society, oder aus ihr her-

vorgegangen sind, wie der unabhängige Frauenrat Baraza wa Wanawake wa Tanzania

(BAWATA). Allerdings bestanden zwischen NCCR und den zivilgesellschaftlichen Orga-

nisationen nur lockere personelle Verbindungen; zudem hatten die meisten dieser Organi-

sationen (etwa Studenten) keine breite, gesellschaftspolitisch relevante Mitgliedschaft. Ei-

ne Ausnahme davon bildete BAWATA als Dachorganisation zahlreicher Frauengruppen

mit (angeblich) über einer Million Mitgliedern. BAWATA wurde von der Regierung als

soweit oppositionell und parteilich (NCCR) gefürchtet, dass sie das Netzwerk 1997 durch

ein Verbot auszuschalten versuchte, das aber gerichtlich 1998 wieder aufgehoben wurde.

4.4 Ethnizität und Regionalismus

Ethnische Parteien werden für Afrika oft als charakteristisch und eine entsprechende Par-

teipolitik als symptomatisch angesehen. Entgegen diesem Klischeebild ist darauf hinzu-

weisen, dass ethnische Parteien in Afrika die Ausnahme sind, dass die Mehrzahl der Par-

teien sich vielmehr auf ethnische Allianzen stützt. Es sind zumeist multiethnische Parteien,

deren Politikmöglichkeiten von denen ethnischer Parteien zunächst zu unterscheiden sind

(Erdmann und Weiland 2001: 258). Obgleich es auch in Tansania in der parteipolitischen

Auseinandersetzung immer wieder Vorwürfe gegenüber den Oppositionsparteien gab, sie

seien „ethnische“ Parteien, sind diese kaum haltbar. Die oppositionelle Demokratiebewe-

gung 1991-92 hatte keine regionale oder ethnische Basis; ihre überwiegend städtischen

Anhänger kamen aus nahezu allen Regionen des Landes (Mmuya und Chaligha 1994: 58).

Zwar spielte in den Wahlkämpfen Ethnizität – hier im Sinne von ethnischer Identität, die

nicht mit ethnischer Mobilisierung gleich zu setzen ist – teilweise eine Rolle, doch ist dies

vom ethnischen Charakter einer Partei zu unterscheiden. Keine Partei hatte, auch nicht im-

plizit (da ein solches formell verboten war), ein ethnisches Programm oder verfolgte eine

ethnische Politik.

28 DÜI - Arbeitspapiere 7/2002

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Die NCCR hatte vor dem Übertritt Mremas einen überethnischen Charakter, zumal auch

sie hauptsächlich im städtischen Milieu ihre Anhänger hatte. Erst mit dem Beitritt Mremas

und seines triumphalen Empfangs am Kilimanjaro (von vermutlich übertriebenen 100.000

Chaggas wurde berichtet) wurde die Partei als „Chagga-Partei“ öffentlich identifiziert (und

stigmatisiert). Indessen zeigten zunächst die Wahlen 1995, dass die Partei eine viel breitere

Basis jenseits des Chaggalandes hatte, wo die NCCR fünf der sechs Sitze, davon vier mit

absoluter Mehrheit (Mmuya 1996) gewonnen hatte. Die Wahlen 2000 machten jedoch

rasch deutlich, dass weder die NCCR noch Mrema's neue Partei über eine Mehrheit in der

Region verfügte: Die Chaggas wählten Repräsentanten dreier verschiedener Parteien ins

Parlament: Chadema, TLP und CCM. Zweifellos hatten die Oppositionsparteien – vor al-

lem auch CUF (siehe hierzu unten) – regionale oder ethnische Schwerpunkte. Doch macht

dies sie noch nicht gleich zu einer ethnischen Partei, gleichwohl eine entsprechende weite-

re Entwicklung dann nahe liegt. Eher noch für die UDF als für die NCCR wäre die Charak-

terisierung als ethnisch zutreffend, denn sie konnte in beiden Wahlen nur in zwei Wahl-

kreisen eines Distriktes der Sukuma Stimmenmehrheiten und damit Parlamentssitze ge-

winnen. Indessen ist auch hier deutlich, dass die Partei zwar eine ethnische Basis hat, aber

insofern keine ethnische Partei war, als die Mehrheit der Sukuma in anderen Sukuma-

Distrikten für CCM-Kandidaten der CCM votierten. Für die NCCR in Chaggaland und für

die UDF in Sukumaland trifft etwas anderes zu: „In both cases, we think parochialism, the

homeboy mentality and perhaps diverse socio-economic factors determined the political

alignments of the electorate, rather than ethnicity“ (Gasarasi 1997: 266).

All dies meint selbstverständlich nicht, dass Ethnizität keine Rolle spielte. Tatsächlich

wurde seit jeher in einzelnen Wahlkreisen, vor allem in ethnisch gemischten, auch an eth-

nische Identitäten appelliert – allerdings weniger offen und zumindest indirekt, indem dar-

auf hingewiesen wurde, dass ein Kandidat im Wahlkreis „geboren“, ein „local“ war, der

andere hingegen hier nicht geboren, ein „Fremder“ sei (Cliffe 1967: 306-320; Bavu 1990).

Die mehr oder minder offenen Versuche, die ethnische Identität zur Mobilisierung der

Wähler zu benutzen, hat sehr wahrscheinlich seit der Demokratisierung zugenommen,

doch ist sie bisher weder zum dominanten Politikmuster, noch zum Formationsgrund von

Parteien geworden, wie dies etwa in Kenia oder in anderen Ländern der Fall ist. Dies gilt

zumindest für das Festland, während Zanzibar, das Unionsproblem und die CUF davon

ausgenommen sind, beziehungsweise einen Sonderfall bilden.

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 29

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G e r o E r d m a n n

Die CUF hat sich, trotz ihrer Wurzeln auf dem Festland, als zanzibarische Regionalpartei

etabliert. Ihren besonderen Rückhalt hat sie dabei innerhalb Zanzibars auf der Insel Pemba,

während sie auf Unguja, der Hauptinsel mit der Stadt Zanzibar, nur die zweitstärkste Partei

hinter der CCM ist. Bei den Wahlen 1995 konnte sie auf Pemba alle 21 Mandate gewin-

nen, und das mit absoluten Mehrheiten von nirgendwo weniger als 60%, in Pemba Nord

zumeist mit über 80% und nirgendwo mit weniger als 77%; auf Unguja gewann sie im-

merhin noch drei von 29 Mandaten, wobei ihr Stimmenanteil insgesamt zumeist deutlich

höher lag als der der CCM auf Pemba. Beim organisatorischen Debakel der 2000er Wah-

len hat die CUF Einbußen hinnehmen müssen – auf Unguja gewann sie kein Mandat, auf

Pemba verlor sie sechs Wahlkreise an die CCM –, doch bestätigte sie ihren regionalen

Charakter. Ihre beiden Mandatsgewinne 2000 auf dem Festland können hier vernachlässigt

werden.34 Der Regionalismus der CUF beruht auf ethnisch-sozialen Konfliktlinien.35 Die

CUF repräsentiert eine arabisch-shirazische Identität auf Zanzibar, die eine stärkere Unab-

hängigkeit vom Festland befürwortet, gegenüber einer afrikanisch-shirazischen auf Ungu-

ja, die sich stärker mit der tansanischen Union identifiziert. So steht die CUF in der Tradi-

tion der früheren Zanzibar Nationalist Party (ZNP) und der Zanzibar und Pemba Peoples

Party (ZPPP), die sozial die alte zanzibarisch-arabische Oberschicht (Großgrundbesitzer,

Verwaltung) wie auch die shirazischen Klein- und Mittelbauern auf Pemba repräsentierten,

während die CCM in der Tradition der revolutionären Afro-Shirazi-Partei (ASP) steht, die

die vom Festland stammenden afrikanischen und die (ehemals bäuerlichen) shirazischen

Plantagenarbeiter auf Unguja repräsentierten.

Die CUF kann dabei auch als Anti-Systempartei begriffen werden, da sie das gegenwärtige

Unionsarrangement in Frage stellt und für eine größere Autonomie, politisch und

wirtschaftlich angelehnt an die Golfstaaten, eintritt. Vermutet wird, dass die CUF jedoch

34 Der Sieg in Bukoba Mjini (urban), Kagera, ist als lokale Besonderheit zu begreifen; in Bukoba war die

CUF als einzige Oppositionspartei angetreten. In Kigamboni, Dar es Salaam hingegen, dürfte die Religi-on, der Islam, eine Rolle gespielt haben, wobei zu berücksichtigen ist, dass die CUF insgesamt in Dar es Salaam mit deutlichem Abstand zu den anderen Oppositionsparteien zur zweitstärksten Kraft geworden ist, während sie dort 1995 nur in einem Wahlkreis auf über 5% gekommen war, das heißt, sie hat die Mehrzahl der Oppositionswähler gewinnen können.

35 Es erscheint hier wenig sinnvoll für die CUF eine rassische Konfliktlinie (afrikanisch-arabisch) zugrunde zu legen (Mmuya 1998: 172) (auch wenn solche Identitäten auf Zanzibar eine Rolle spielen), da die Shi-razi in beiden Lagern jeweils mit regionalen Untergruppen zu finden sind (Nuscheler 1978: 2140-2141): die Hadimu tendierten zu ASP, später CCM, die Tumbatu zur ZNP und Pemba zur ZPPP; beide neigten später der CUF zu.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

noch weit mehr will, nämlich die Loslösung von Tanganyika, dies aber aufgrund des Par-

teiengesetzes bei Verbotsgefahr weder programmatisch noch propagandistisch offen for-

mulieren kann. Sie stützt sich in Zanzibar auf zahlreiche religiöse muslimische Organisati-

onen, wie die CCM auch.

4.5 Patronage und Klientelismus

Eng verknüpft mit den personalisierten Wähler-Parteibeziehungen sind die klientelen

Strukturen in und um die Parteien. Dies gilt für die CCM wie für die neuen Parteien. Al-

lerdings hat auch hier die CCM wieder einen enormen Vorteil gegenüber den neuen Par-

teien, weil sie als regierende Partei über den Staatsapparat und die Verteilung seiner Res-

sourcen verfügen konnte. Bereits während des Einparteisystems waren innerhalb der Partei

klientele Beziehungen lebendig. Mit der Wirtschaftskrise in den 80er Jahren und der ideo-

logischen Öffnung der Partei waren auch die offiziellen Schranken persönlichen wirt-

schaftlichen Erfolges gefallen, war zunächst die Parallelwirtschaft unter Beteiligung von

Parteifunktionären gewachsen, wie auch die Korruption deutlich zugenommen hat.36 Zwei-

fellos nutzten zahlreiche CCM-Funktionäre und Abgeordnete in Regierung und Verwal-

tung ihre Position zur persönlichen Bereicherung, die sie zugleich durch eine parallele Pat-

ronagepolitik sichern mussten. Die partielle Privatisierung und Liberalisierung der Wirt-

schaft, die aber längst nicht dereguliert war, gab ihnen entsprechende Gelegenheiten, ihre

Position zu nutzen, etwa auch gegenüber bestechungsbereiten Unternehmern in einer kaum

regelhaft funktionierenden Bürokratie. Unter den CCM-Kandidaten waren zahlreiche Un-

ternehmer, die ihre Wahlkämpfe 1995 aus eigenen Ressourcen privat finanzierten, wobei

„astronomische Summen“ im Spiel gewesen sein sollen (10-120 Mio. TSh.) (TEMCO

1997: 114). Diese Investition war natürlich auf künftige Gewinne ausgelegt. Zugleich

wurden Wahlkämpfe von CCM-Kandidaten bevorzugt von Unternehmergruppen, vor al-

lem der asiatischen Minderheit finanziert, die dafür – abgesehen von unmittelbarer admi-

nistrativer Begünstigung – zumindest politischen Schutz gegen Forderungen der Oppositi-

36 Bei den Einparteiwahlen 1985 war noch vermerkt worden, dass unter den CCM-Kandidaten die Ge-

schäftswelt nicht vertreten war, dass aber zahlreiche Petitionen gegen ehemalige Abgeordnete, die zugleich in Führungspositionen von halbstaatlichen Unternehmen arbeiteten, wegen Amtsmissbrauchs eingereicht wurden. Nach 1985 durften Abgeordnete keine Führungspositionen mehr in halbstaatlichen und staatlichen Unternehmen bekleiden (Donge und Livigia 1990: 16).

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on nach der „Indigenisierung“ der Wirtschaft erwarteten. Offenkundig ist, dass die CCM

und ihre Kandidaten über die lokalen Mittelspersonen hier ganz andere Patronageressour-

cen bewegen konnten als die Oppositionsparteien.

Dem Selbstverständnis der Wähler zufolge, haben die Parlamentsabgeordneten im Kern

zwei Funktionen: Zum einen die Interessen ihrer Wähler im politischen Zentrum des Lan-

des zu repräsentieren, ihre Sorgen und Wünsche dort vorzutragen, und zum anderen dafür

zu sorgen, dass sie an der allgemeinen Entwicklung teilhaben können, ihnen ein adäquater

Teil des nationalen Fortschritts und Wohlstandes zuteil wird. In einem solchen gesell-

schaftlichen und politischen Kontext stellt sich dem Wähler die taktische Frage, ob er sich

für die größeren Patronagechancen der Regierungspartei oder gegen diese entscheiden soll.

Die meisten Oppositionskandidaten verfügten indessen nur über beschränkte Ressourcen.

Allerdings kann ein Teil des Wahlerfolges von John Cheyos UDP in drei Wahlkreisen von

Sukumaland auch mit seinen persönlichen Patronagemöglichkeiten, die er als einflussrei-

cher Unternehmer zusammen mit anderen Unternehmern in der Partei hat, erklärt werden.

Die konsequente Wahl von Oppositionsabgeordneten in manchen Gebieten macht indessen

deutlich, dass eben nicht solche Kalküle allein ausschlaggebend sind, sondern daneben an-

dere Wahlmotive eine Rolle spielen.

5 Informelle und formelle Verankerung

Die Untersuchung hat die eingangs formulierte These verdeutlicht, dass zum einen die tan-

sanischen Parteien in ganz unterschiedlichen Beziehungen zur Gesellschaft stehen und

zum zweiten, dass sich ein beträchtlicher Teil der Wähler mit der alten Staatspartei TANU/

CCM auch nach der Demokratisierung identifizieren kann. Die Partei kann deshalb als in-

stitutionalisiert angesehen werden. Von den noch jungen Oppositionsparteien kann das

Gleiche nicht gesagt werden. Nur ein kleiner Teil der Wähler, zumeist in nur engen regio-

nalen Grenzen, kann sich dauerhaft mit einer der Oppositionsparteien identifizieren.

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

Dabei können allenfalls zwei dieser Parteien in Gestalt von Regionalparteien, nämlich

CUF und UDP, als institutionalisiert angesehen werden.

Die vergleichsweise hohe und vor allem seit der Demokratisierung wieder langsam stei-

gende Wahlbeteiligung – in einem der ärmsten, dünn besiedelten Agrarländer der Erde mit

einer unzureichenden und fragilen Infrastruktur – deutet darauf hin, dass Parteien grund-

sätzlich als Instrument der politischen Willensbildung beim größeren Teil der Wahlberech-

tigten anerkannt und als legitim angesehen werden.

Ideologische und programmatische Differenzen zwischen den Parteien spielen dabei nur

eine untergeordnete Rolle und können nicht die unterschiedliche Akzeptanz bei den Wäh-

lern, beziehungsweise nicht die unterschiedlich starke Mobilisierungsfähigkeit der Parteien

erklären. Allerdings gibt es in diesem Bereich Unterschiede zwischen den Parteien, die

nicht gänzlich ohne Belang sind. Dabei handelt es sich um den nationalen Gründungs- und

Einheitsmythos, den die TANU/CCM für sich beanspruchen kann, der zudem noch mit

dem Charisma des „Vaters der Nation“, Julius K. Nyerere, verbunden ist. Wie stark die

Partei institutionalisiert ist, wurde schließlich darin deutlich, dass sie in höchst spannungs-

reicher Zeit ihre charismatische Führungsfigur nicht nur ohne Schaden überleben, sondern

auch unter seinem kaum charismatischen Nachfolger deutliche Wahlsiege (mit steigender

Tendenz) erringen konnte. Die sozialwissenschaftliche Erfahrung hatte eine andere Ent-

wicklung prognostiziert, etwa Foltz (1973: 152), der die Partei, wie anderen in Afrika

auch, nur als Anhängsels des Charismas sehen konnte: „TANU is Nyerere's party“. Zu-

mindest TANU/CCM war mehr als das.

Dies wiederum verdeutlicht den Unterschied zwischen der alten Staatspartei und den jun-

gen Oppositionsparteien: Erstere verfügt über eine sehr viel rational bürokratischere Orga-

nisation, die mit einer breiten Mitgliedschaft weit in die Gesellschaft (und den Staatsappa-

rat) hineinreicht und informell mit entscheidenden gesellschaftlichen Institutionen verbun-

den ist. Ihr gelingt deshalb eine viel breitere Anhänger-, Mitglieder- und Wählermobilisie-

rung. Die Oppositionsparteien verfügen hingegen nur über eine vergleichsweise sehr

schwache, nur punktuell bürokratische Organisation und stützen sich vor allem auf infor-

melle Instrumente der Mitglieder- und Wählermobilisierung, auf Personalismus, Kliente-

lismus, ethnische Identität und Regionalismus. Die Schwächen dieser Instrumente sind of-

fenkundig: Sie sind nicht auf Dauer wirksam, und wo sie dauerhafter in regionalen Gren-

zen wirksam sind, dort werden sie etwas stärker durch bürokratische Organisation abge-

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stützt (UDF, CUF). So haben die jüngeren Parteien einen neopatrimonialen Charakter, sind

als Neopatrimonialparteien anzusehen (Erdmann 1999: 386-387), während die CCM viel-

mehr als eine Massenpartei zu charakterisieren ist.

Im Hinblick auf das interne Gefüge der Parteien ist ferner deutlich, dass die bürokratischen

Strukturen der TANU/CCM eine vergleichsweise höhere Transparenz und Rechenschafts-

pflicht gewährleisten, insgesamt einen demokratischeren Auswahlprozess des Führungs-

personals erlauben, als dies in der Regel in den anderen Parteien gegeben ist. Dabei ist

nicht zu verkennen, dass hierarchisch-bürokratische Strukturen auch machtvolle Instru-

mente autoritärer Herrschaft sind – die CCM hat hier reichhaltige Erfahrung gesammelt –

und die zu einer anhaltenden „Untertanenmentalität“ beigetragen haben. Zudem sind in-

nerhalb der CCM-Bürokratie ebenfalls informelle, lang etablierte klientele Strukturen – die

auch in die Gesellschaft reichen – lebendig und die genau die formalisierten Prozesse „ver-

schatten“ und die demokratischen Regeln beschädigen. Auf der anderen Seite stärkt die in-

formelle Politik des Klientelismus (und das Charisma Nyereres) auch die gesellschaftliche

Anschlussfähigkeit der Partei; sie komplementiert die formal bürokratischen Elemente. Die

formale demokratische Transparenz und (begrenzte) Rechenschaftspflicht in der CCM ist

dabei im Unterschied zum weitreichenden Mangel an Transparenz und Rechenschafts-

pflicht in den neuen Parteien zu sehen. Die kaum formalisierten, wenig bürokratisierten

aber stark personalisierten Strukturen in den Oppositionsparteien ermöglichen interne

Willkür, eine hohe interne Fragmentierung und Flügelkämpfe, die bis hin zu Paralyse und

Spaltung der Parteien (UMD, NCCR) reichen.

Die überwiegend informelle Organisation und entsprechend schwache informelle gesell-

schaftliche Verankerung der jüngeren Oppositionsparteien begründen zum Teil deren poli-

tische Ohnmacht. Darüber hinaus wird das prädominante Parteiensystem des Landes ge-

stützt. Dies hat zur Folge, dass die demokratische Opposition innerhalb des politischen

Systems und damit die politische Kontrolle geschwächt werden (bzw. schwach bleiben).

Möglicherweise hat sogar die Rechenschaftspflicht innerhalb der CCM eine stärkere Kon-

trollwirkung auf die politische Führung als dies durch die Oppositionsparteien gewährleis-

tet werden kann.

Die Vorteile der formalen, bürokratischen Organisation gegenüber der informellen, neo-

patrimonialen Organisationsform der jungen Parteien sind offensichtlich. Dennoch ist nicht

zu übersehen – vor allem bei einem Blick über den tansanischen Kontext hinaus, wo neo-

34 DÜI - Arbeitspapiere 7/2002

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Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika

patrimoniale Parteien auch als Regierungsparteien vorherrschend sind –, dass auch derartig

informell organisierte Parteien wesentliche politische Funktionen für das politische System

erfüllen. Die gilt für die Interessenaggregation und Interessenartikulation etwa ethnischer

oder regionaler Gruppen und vor allem für die Wählermobilisierung, die in zahlreichen

Ländern Afrikas ein Beteiligungsniveau an Wahlen wie den USA, einer etablierten Demo-

kratie, erreicht. Zweifellos leisten sie auch einen Beitrag zur Elitenrekrutierung, da die Par-

teien gewöhnlich die einzige Möglichkeit zur politischen Karriere und zur legalen Macht-

übernahme gewähren. Bei der politischen Zielfindung erfüllen sie nur mit größten Ein-

schränkungen eine adäquate Funktion, da gewöhnlich kaum inhaltliche oder programmati-

sche Aussagen formuliert werden, die für die praktische Politik tatsächlich Orientierung

geben. Auch der Beitrag dieser Parteien zur politischen Sozialisierung in das demokrati-

sche System und seiner politischen Kultur erscheint nur gering, ist doch die demokratische

Beteiligung in den Parteien oft nur wenig ausgeprägt.

Der Beitrag dieser Parteien beschränkt sich im Wesentlichen auf den politischen Wettbe-

werb beschränkt. Zur weiteren Demokratisierung, beziehungsweise zur Institutionalisie-

rung einer (liberalen) Demokratie tragen sie kaum etwas bei. Dabei stehen sie sich selbst

im Wege. Informell – hier: neopatrimonial oder auch personalistisch – organisierte Partei-

en mit ihrer ausgeprägten Personalisierung vermitteln anders als programmatische kaum

demokratische Werte. Statt dessen repliziert die patrimoniale, autokratische Führung eher

informelle, nicht an Statuten orientierte, eher antidemokratische Verhaltensmuster, jeden-

falls keine demokratischen Tugenden. Das Fehlen dieser Tugenden bedeutet, dass die so

sozialisierten Parteieliten an der Regierung die Prinzipen des statutenorientierten, legalen

Handelns auch für das politische System vermissen lassen. Sie verfolgen weniger eine

formale Politik des legal-bürokratischen Verwaltungshandelns, das von demokratisch-

rechtsstaatlichen Prinzipien gesteuert wird, sondern eher die vertrauten Mechanismen in-

formeller, teils extralegaler (klienteler) Verfahrensweisen.

DÜI – Arbeitspapiere 7/2002 35

Zu berücksichtigen ist hier: Klientele, partikularistische Interessen- und Verteilungspolitik,

wie sie von überwiegend informell organisierten, vor allem neopatrimonialen, regionalen

Parteien betrieben wird, ist nur unter Verletzung universalistischer, rechtsstaatlicher Prin-

zipien im Sinne eines rechtlich gebundenen Verwaltungshandelns möglich. Sie

vernachlässigen dabei, gesamtgesellschaftliche Interessen zu artikulieren und zu formieren

und diese schließlich in effektive Politik umzusetzen. Bei schrumpfenden

Patronagemöglichkeiten angesichts anhaltender sozioökonomischer Krisen besteht dann

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angesichts anhaltender sozioökonomischer Krisen besteht dann (bei Dominanz neopatri-

monialer, ethnisch-klientel organisierter Parteien) weniger die Gefahr, dass die Wählerbin-

dung nachlässt. Um genau dies zu verhindern, ist stattdessen mit einer verschärften ethni-

schen Mobilisierung und Radikalisierung zur Kompensation der fehlenden Patronageleis-

tung zu rechnen, die zunächst das Parteiensystem und schließlich das gesamte politische

Regime in Frage stellen kann. Derartige informell organisierte Parteien behindern die Insti-

tutionalisierung demokratischer Rechtsstaatlichkeit und begünstigen damit die Entstehung

und Verstetigung hybrider Regime beziehungsweise „defekter“ Demokratien.37

37 Zur Debatte um diese oder andere Benennung („illiberaler“ oder „delegativer“) beschädigter Demokratien

vgl. O'Donnell (1994); Merkel (1999a); Merkel/Croissant (2000); Krennerich (2002); Rüb (2002); Erd-mann (2002).

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AP (Juli 2002) - Tansania: Informelle und formelle gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Afrika - Gero Erdmann

Verantwortlich für den Inhalt: Prof. Dr. Joachim Betz ISSN 1619-1161 Die Arbeitspapiere informieren über die Fortschritte in den einzelnen Forschungsgruppen des Deutschen Über-see-Instituts. Sie stellen also Werkstattberichte dar, die zur Diskussion und Kritik anregen wollen.

Jüngst erschienen:

AP (4/2002) Die gesellschaftliche Verankerung politischer Parteien in Südkorea Patrick Köllner

AP (11/2001) Die Sahel- und Sahara-Staatengemeinschaft (SinSad): Instrument der wirtschaftlichen Ent-wicklung, Konfliktvermittlung und regionalen Interessensicherung Hanspeter Mattes

AP (3/2001) Gewaltsame Konflikte in Nordafrika / Nahost: analytische Defizite, schwierige Früherkennung und limitierte Interventionsmöglichkeiten Sigrid Faath / Hanspeter Mattes

AP (3/2001) Faktionalismus in japanischen Parteien: Eine Annäherung aus konzeptioneller und komparati-ver Perspektive Patrick Köllner

Generell wird die Forschungsarbeit des Deutschen Übersee-Instituts, soweit sinnvoll und möglich, zu For-schungsschwerpunkten verdichtet. Dabei stehen Aktualität, regionale und überregionale Relevanz und For-schungsbreite grundsätzlich vor langfristigen und theoretisch abstrahierenden Spezial- und Generalanalysen.

Aktuell existieren folgende Forschungsgruppen:

1. Globalisierung, soziale Entwicklung und der Gesundheitssektor: nationale Politiken und "Global Governance" 2. Parteien im Spannungsfeld informaler und informeller Politik 3. Internationale Medien und politische Kommunikation 4. Krisenprävention und peace-building 5. Neuer Regionalismus

Nähere Informationen über die Forschungsarbeit des Deutschen Übersee-Instituts erhalten Sie in unserem Online-Angebot. Dort sind die Arbeitspapiere vollständig online gestellt und können kostenfrei als Printausgabe ebenso bestellt werden wie alle anderen entgeltlichen Publikationen des Forschungsverbundes.

Der Verbund Deutsches Übersee-Institut betreibt anwendungsorientierte Forschung, Beratung und Dokumenta-tion auf dem Gebiet der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und des Nahen und Mittleren Ostens sowie der Nord-Süd- und Süd-Süd-Beziehungen.

Das DÜI umfasst das Institut für Afrika-Kunde, Institut für Asienkunde, Institut für Iberoamerika-Kunde, Deut-sches Orient-Institut, Institut für Allgemeine Überseeforschung sowie die Übersee-Dokumentation.

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