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546 DER BETRIEB Nr. 10 10.03.2017 Arbeitsrecht Aufsatz www.der-betrieb.de RA/FAArbR Prof. Dr. Bernd Schiefer, RA Hans-Wilhelm Köster, RA Dr. Axel Borchard und RA Walter Korte sind tätig bei unternehmer nrw und schiefer-rechtsanwälte in Düsseldorf. Kontakt: [email protected] Die Umsetzung der im aktuellen Koalitionsvertrag (2013 bis 2017) enthaltenen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorhaben geht nun in die letzte Runde. Es wird ein Überblick über die Auswirkungen der bereits umgesetzten Gesetzes- vorhaben gegeben. Anstehende Neuregelungen werden auf- gezeigt und kurz bewertet. I. Überblick Nahezu wöchentlich wird die Praxis mit neuen arbeits- und sozialrechtlichen Gesetzen und Gesetzesvorhaben konfrontiert. Nur schlagwortartig seien genannt: Mindestlohngesetz, Ände- rung des Schwerbehindertenrechts (Bundesteilhabegesetz), Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und damit einhergehend des BGB und des Betriebsverfassungsgesetzes, Reform des Mutterschutzrechts, neues Entgelttransparenz- gesetz, neues Teilzeitrecht und Vieles mehr (zum Überblick siehe Tab. 1 und Tab. 2 auf S. 553). II. Umgesetzte Vorhaben und deren Auswirkungen 1. Abschlagsfreie Rente mit 63 Wer 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder mit Berücksichtigungszeiten wegen Kinder- erziehung zurückgelegt hat, kann seit dem 01.07.2014 bereits nach Vollendung des 63. Lebensjahrs abschlagsfrei in Rente gehen. 1 2. Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Alters- grenze hinaus Die ab dem 01.07.2014 gem. § 41 Satz 3 SGB VI mögliche Ver- längerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Alters- grenze hinaus hat die Gerichte bislang nicht beschäftigt. 2 3. Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes und Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen Die mit dem gesetzlichen Mindestlohn verabschiedeten Ände- rungen im TVG und AEntG zur Stärkung der Tarifautonomie und Sicherstellung angemessener Arbeitsbedingungen zum 16.08.2014 haben ebenfalls noch keine allzu große Praxisrelevanz entfaltet. 3 4. Gesetzlicher Mindestlohn (MiLoG) Erhebliche Anwendungsprobleme und damit auch Rechtsstrei- tigkeiten wirft das am 16.08.2014 in Kraft getretene Mindest- 1 Vgl. ausführlich zum Thema Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2965 sowie Schiefer/Köster/ Pöttering, DB 2015 S. 1779 (1783 f.). 2 Vgl. hierzu bereits Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2015 S. 2965. 3 Vgl. hierzu Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2891 (2895). lohngesetz (MiLoG) auf. 4 Zu nennen sind u.a. die folgenden „Knackpunkte“: (Mindestlohn „je Zeitstunde“; Fälligkeit des Mindestlohns; Unabdingbarkeit des Mindestlohns und Aus- schlussfristen; Ausnahme für Praktikanten; Mindestlohn und Überstundenpauschalierungsabreden; Mindestlohnbestand- teile und Berechnung des Mindestlohns; Haftung des Auftrag- gebers etc.). Nunmehr hat es das BAG erreicht: a) BAG zur Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn Mit Urteil vom 25.05.2016 5 hat das BAG entschieden, dass der Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch ist, der eigenständig neben den arbeits- oder tarif- vertraglichen Entgeltanspruch tritt. Erfüllt ist der Anspruch auf Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multi- plikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleis- teten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. b) Mindestlohn für Bereitschaftszeiten Auch Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, da – so das BAG 6  – Bereitschaftszeit nicht nur arbeitsschutzrechtlich (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG), sondern auch vergütungspflichtige Arbeit i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB ist. Denn hierzu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeit- geber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. 7 5. Pflegezeit und Frauenquote Die am 01.01.2015 in Kraft getretenen Änderungen des Pflege- und Familienpflegezeitgesetzes 8 haben die Praxis und die Gerichte bislang kaum bzw. nicht beschäftigt. 4 Vgl. zu den Praxisproblemen i.E. bereits Schiefer/Köster, DB 2016 S. 169; Schiefer, PuR 2015 S. 30 und 51; zur Frage, ob Ausschlussklauseln mit Blick auf die Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Min- destlohn abzuändern sind, s. Worzalla, PuR 2016 S. 131 sowie Lüthge, PuR 2016 S. 223 (224). 5 BAG vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, DB 2016 S. 2489. 6 BAG vom 29.06.2016 – 5 AZR 716/15, DB 2016 S. 2548. 7 Zu den Einzelheiten s. Schiefer, PuR 2017 S. 7. 8 Siehe i.E. Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2891; i.E. Schiefer/Heitmann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, Düsseldorfer Schriftenreihe, Rn. 468 ff. Arbeitsvertragsrecht/Sozialversicherung »DB1226052 RA/FAArbR Prof. Dr. Bernd Schiefer / RA Hans-Wilhelm Köster / RA Dr. Axel Borchard / RA Walter Korte, alle Düsseldorf Arbeits- und sozialrechtliche Gesetzgebung der Großen Koalition – Bestandsaufnahme 2017 – Bundesteilhabegesetz, Betriebsrentenstärkungsgesetz, AÜG-Reform etc. –

Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende … · Flexibilisierung der Elternzeit Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren

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546 DER BETRIEB Nr. 10 10.03.2017

Arbeitsrecht Aufsatz www.der-betrieb.de

RA/FAArbR Prof. Dr. Bernd Schiefer, RA Hans-Wilhelm Köster, RA Dr. Axel Borchard und RA Walter Korte sind tätig bei unternehmer nrw und schiefer-rechtsanwälte in Düsseldorf.Kontakt: [email protected]

Die Umsetzung der im aktuellen Koalitionsvertrag (2013 bis 2017) enthaltenen arbeits- und sozialversicherungsrecht lichen Vorhaben geht nun in die letzte Runde. Es wird ein Überblick über die Auswirkungen der bereits umgesetzten Gesetzes-vorhaben gegeben. Anstehende Neuregelungen werden auf-gezeigt und kurz bewertet.

I. ÜberblickNahezu wöchentlich wird die Praxis mit neuen arbeits- und sozial rechtlichen Gesetzen und Gesetzesvorhaben konfrontiert. Nur schlagwortartig seien genannt: Mindestlohngesetz, Ände-rung des Schwerbehindertenrechts (Bundesteilhabegesetz), Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und damit einhergehend des BGB und des Betriebsverfassungsgesetzes, Reform des Mutterschutzrechts, neues Entgelttransparenz-gesetz, neues Teilzeitrecht und Vieles mehr (zum Überblick siehe Tab. 1 und Tab. 2 auf S. 553).

II. Umgesetzte Vorhaben und deren Auswirkungen1. Abschlagsfreie Rente mit 63Wer 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder mit Berücksichtigungszeiten wegen Kinder-erziehung zurückgelegt hat, kann seit dem 01.07.2014 bereits nach Vollendung des 63. Lebensjahrs abschlagsfrei in Rente gehen.1

2. Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Alters-grenze hinaus

Die ab dem 01.07.2014 gem. § 41 Satz 3 SGB VI mögliche Ver-längerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Alters-grenze hinaus hat die Gerichte bislang nicht beschäftigt.2

3. Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes und Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen

Die mit dem gesetzlichen Mindestlohn verabschiedeten Ände-rungen im TVG und AEntG zur Stärkung der Tarifautonomie und Sicherstellung angemessener Arbeitsbedingungen zum 16.08.2014 haben ebenfalls noch keine allzu große Praxisrelevanz entfaltet.3

4. Gesetzlicher Mindestlohn (MiLoG)Erhebliche Anwendungsprobleme und damit auch Rechtsstrei-tigkeiten wirft das am 16.08.2014 in Kraft getretene Mindest-

1 Vgl. ausführlich zum Thema Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2965 sowie Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2015 S. 1779 (1783 f.).

2 Vgl. hierzu bereits Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2015 S. 2965.3 Vgl. hierzu Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2891 (2895).

lohngesetz (MiLoG) auf.4 Zu nennen sind u.a. die folgenden „Knackpunkte“: (Mindestlohn „je Zeitstunde“; Fälligkeit des Mindestlohns; Unabdingbarkeit des Mindestlohns und Aus-schlussfristen; Ausnahme für Praktikanten; Mindestlohn und Überstundenpauschalierungsabreden; Mindestlohnbestand-teile und Berechnung des Mindestlohns; Haftung des Auftrag-gebers etc.). Nunmehr hat es das BAG erreicht:

a) BAG zur Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen auf den Mindestlohn

Mit Urteil vom 25.05.20165 hat das BAG entschieden, dass der Mindestlohnanspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch ist, der eigenständig neben den arbeits- oder tarif-vertraglichen Entgeltanspruch tritt. Erfüllt ist der Anspruch auf Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multi-plikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleis-teten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein.

b) Mindestlohn für BereitschaftszeitenAuch Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, da – so das BAG6 – Bereitschaftszeit nicht nur arbeitsschutzrechtlich (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG), sondern auch vergütungspflichtige Arbeit i.S.v. § 611 Abs. 1 BGB ist. Denn hierzu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeit-geber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.7

5. Pflegezeit und FrauenquoteDie am 01.01.2015 in Kraft getretenen Änderungen des Pflege- und Familienpf legezeitgesetzes8 haben die Praxis und die Gerichte bislang kaum bzw. nicht beschäftigt.

4 Vgl. zu den Praxisproblemen i.E. bereits Schiefer/Köster, DB 2016 S. 169; Schiefer, PuR 2015 S. 30 und 51; zur Frage, ob Ausschlussklauseln mit Blick auf die Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Min-destlohn abzuändern sind, s. Worzalla, PuR 2016 S. 131 sowie Lüthge, PuR 2016 S. 223 (224).

5 BAG vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, DB 2016 S. 2489.6 BAG vom 29.06.2016 – 5 AZR 716/15, DB 2016 S. 2548.7 Zu den Einzelheiten s. Schiefer, PuR 2017 S. 7.8 Siehe i.E. Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S.  2891; i.E. Schiefer/Heitmann, Krankheit im

Arbeitsverhältnis, Düsseldorfer Schriftenreihe, Rn. 468 ff.

Tab. 1: Verabschiedete Gesetze

Vorhaben Gesetz In Kraft getreten

Abschlagsfreie Rente mit 63 RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014 01.07.2014

Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Altersgrenze hinaus

Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 16.08.2014

Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE)

Gesetzlicher Mindestlohn (MiLoG) 01.01.2016 (Erhöhung auf 8,84 € ab 01.01.2017)

Änderungen bei Pflege- und Familienpflegezeit (PflegeZG bzw. FPfZG)

Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 31.12.2014

01.01.2015

Flexibilisierung der Elternzeit Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 29.12.2014

01.01.2015

Einführung von Elterngeld Plus

Einführung einer Frauenquote Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.04.2015

01.05.2015

Wiederherstellung der Tarifeinheit Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) vom 03.07.2015 10.07.2015

Verbesserung im Bereich „Gesundheit und Pflege“ Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz I) vom 17.12.2014

überwiegend 01.01.2015

Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz II) vom 21.12.2015

überwiegend 01.01.2016

Drittes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz III) vom 23.12.2016

überwiegend 01.01.2017

Flexi-Rente Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 08.12.2016

01.01.2017 (teilweise erst zum 01.07.2017)

Bundesteilhabegesetz (BTHG) Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016

Drei Stufen:1. 30.12.20162. 01.01.20183. 01.01.2020

Zeitarbeit und Werkverträge Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze vom 28.02.2017 01.04.2017

Tab. 2: Vorliegende Entwürfe

Vorhaben Gesetzentwurf Stand Geplantes Inkrafttreten

Neuregelung des Mutterschutzrechts Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutz-rechts

Kabinettsentwurf vom 04.05.2016

ggf. 01.07.2017

Verbesserung der Lohngerechtigkeit (insb. zwischen Frauen und Männern)

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz)

Kabinettsentwurf vom 11.01.2017

ggf. April/Mai 2017

Einführung eines Anspruchs auf zeitlich befristete Teilzeit

Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

Referentenentwurf vom 04.01.2017

offen

Stärkung der betrieblichen Altersversorgung Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)

Kabinettsentwurf vom 21.12.2016

01.01.2018

Veränderungen im Datenschutz, insb. Beschäftigtendatenschutz

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutz-rechts an die Datenschutz-Grundverordnung und zur Umset-zung der RL 2016/680/EU (Datenschutz-Anpassungs- und –Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)

Referentenentwurf vom 23.11.2016

überwiegend 25.05.2018

Arbeitsvertragsrecht/Sozialversicherung »DB1226052

RA/FAArbR Prof. Dr. Bernd Schiefer / RA Hans-Wilhelm Köster / RA Dr. Axel Borchard / RA Walter Korte, alle Düsseldorf

Arbeits- und sozialrechtliche Gesetzgebung der Großen Koalition – Bestandsaufnahme 2017– Bundesteilhabegesetz, Betriebsrentenstärkungsgesetz, AÜG-Reform etc. –

DER BETRIEB Nr. 10 10.03.2017 547

Arbeitsrecht Aufsatzwww.der-betrieb.de

6. Elternzeit und ElterngeldAuch Entscheidungen zu den am 01.01.2015 in Kraft getretenen Änderungen des Elternzeitrechts9 liegen nicht vor.

7. FrauenquoteGleiches gilt für das am 01.05.2015 in Kraft getretene Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen (sog. Frauenquote).10

8. TarifeinheitÜber die Verfassungsmäßigkeit des am 10.07.2015 in Kraft getretenen Tarifeinheitsgesetzes, mit dem die Funktions-fähigkeit der Tarifautonomie gesichert werden soll, wird nach wie vor gestritten.11

9. Gesundheit und PflegeZur Umsetzung der Vorgaben zum Thema Gesundheit und Pf lege ist über das federführende Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet worden.Namentlich genannt seien

– das Krankenhaus-Strukturgesetz,– das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und

der Prävention,– das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetz-

lichen Krankenversicherung und– das 2. Pflegestärkungsgesetz.12

10. Flexi-RenteNichts ist verlässlicher als alljährliche Veränderungen im Ren-tenrecht. Konkret muss sich die Praxis mit dem „Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhe-stand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz)“13 auseinandersetzen.

a) Neuregelungen zum HinzuverdienstFür (angehende) Bezieher einer vorgezogenen Altersrente14 sind Neuregelungen zum Hinzuverdienst wohl der bedeutendste Punkt. Im Unterschied zur bisherigen Gesetzeslage sieht die Neufassung des § 34 Abs. 2 und 3 lit. a) bis f) SGB VI vor, dass es nicht mehr eine nach der Höhe des Hinzuverdienstes festgelegte 1/3, 1/2 oder 2/3 Teilrente gibt, sondern eine „gleitende“ Anrech-nung mit folgenden Eckpunkten:

– Ein Hinzuverdienst bis 6.300 € (= 14 × 450 €) pro Jahr bleibt bei vorgezogener Rente anrechnungsfrei.

– Ein Hinzuverdienst des Rentners oberhalb von 6.300 € / Jahr wird zu 40% auf die Rente angerechnet; für den einzelnen Monat gilt ein Grenzwert von 525 € (= 6.300 € / 12).

– Rente und Hinzuverdienst dürfen nicht in der Summe das höchste Entgelt der letzten 15 Jahre überschreiten („Hinzuverdienstdeckel“). Nach den komplizierten neuen Regelungen in § 34 Abs. 3 a) bis 3 g) SGB VI errechnet sich der „Hinzuverdienstdeckel“ wie folgt: Monatliche Bezugs-

9 Vgl. Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2014 S. 2891 (2956); i.E. Sowka, Elternzeit, 7. Aufl., Düssel-dorfer Schriftenreihe sowie Sasse, DB 2015 S. 310.

10 Siehe breits Schiefer/Köster/Pöttering, DB 2015 S. 1779 (1782).11 Siehe Schiefer/Köster, DB 2006 S. 169 (171 f.).12 Vgl. hierzu bereits Schiefer/Köster, DB 2016 S. 169 (171 f.).13 BGBl. I 2016 S. 2838 ff.; vgl. zum Eckpunktepapier bereits Schiefer/Köster, DB 2016 S. 169 (176).14 In diesem Zusammenhang ist jeder – ggf. sogar abschlagsfreie – Altersrentenbezug vor dem im

Einzelfall für den Bezug der Regelaltersrente maßgebenden Alter relevant; s. i.E. Köster, Wege in die Rente, Arbeitslosengeld, Altersteilzeit, Düsseldorfer Schriftenreihe, S. 64 f.

größe (2017: 2.975 € in den alten Bundesländern) × höchste Jahres-Entgeltpunkte der letzten 15 Kalenderjahre vor Renten beginn (mindestens 0,5 Entgeltpunkte). Der „Hinzu-verdienstdeckel“ beträgt jedoch mindestens 525 € + Monats-betrag der Vollrente („Mindest-Hinzuverdienstdeckel“).

– Auch für den Hinzuverdienst bei Erwerbsminderungsrenten nach § 96a SGB VI ist nun eine Flexibilisierung vorgesehen.

Beispiel:

Ein Versicherter beabsichtigt, eine vorzeitige Altersrente für lang-jährig Versicherte ab 63 Jahren mit einem Abschlag von 9,6% in Anspruch zu nehmen (Beträge in brutto, teilweise gerundet).

Monatliche Altersrente 1.240 (45 EP, Abschlag eingerechnet)

Jährlicher Hinzu-verdienst

18.000 €

18.000 € – 6.300 € 11.700 €

11.700 € / 12 975 €

975 € × 40% 390 €

1.240 € – 390 € 850 €

Prüfung des Hinzuverdienstdeckels:

Hinzuverdienstdeckel 2.975 € (mtl. Bezugsgröße 2.975 € × 1 EP)

Mindest-Hinzuverdienst-deckel

1.765 € (525 € + 1.240 €)

Maßgebend ist der höhere Betrag von 2.975 €.

18.000 € / 12 1.500 €

850 € + 1.500 €

2.350 €

Da der Betrag von 2.350 € den maßgebenden Hinzuverdienstdeckel von 2.975 € nicht überschreitet, ergibt sich ein monatlicher Teilren-tenbetrag von 850 € brutto.

Diese Anrechnung des Hinzuverdienstes auf die Rente gilt für alle Altersrentenbezüge vor dem Zeitpunkt der mög-lichen Regelaltersrente; ab diesem Zeitpunkt kann der Rentner ohne Rentenkürzung seit jeher unbegrenzt hinzu-verdienen.

b) Sonstige NeuregelungenStichwortartig seien noch folgende weitere Reformen ab dem 01.01.2017 aus dem Flexirentengesetz angeführt:

– Steigerung der Attraktivität von Weiterarbeit nach Errei-chen der Regelaltersgrenze (u.a. durch die Möglichkeit des Erwerbs zusätzlicher Anwartschaften durch die „Aktivie-rung“ der Arbeitgeberbeiträge).

– Wegfall des Arbeitgeberanteils zur Arbeitslosenversiche-rung ab der Regelaltersrente.

– Ermöglichung des Ausgleichs der zu erwartenden Renten-abschläge durch Zahlung eines zusätzlichen Beitrags bereits ab einem Alter von 50 Jahren und in Teilbeträgen (Neuregelung in § 187a SGB VI; gilt ab dem 01.07.2017).

c) Keine Regelung zur befristeten Weiterarbeit von Regelaltersrentnern

Mit Bedauern ist festzustellen, dass im Zusammenhang mit der Weiterarbeit ab dem Zeitpunkt der Regelaltersrente ein wich-

548 DER BETRIEB Nr. 10 10.03.2017

Arbeitsrecht Aufsatz www.der-betrieb.de

tiger Punkt keine Berücksichtigung gefunden hat: die für die betriebliche Praxis höchst wünschenswerte Erweiterung des § 41 Satz 3 SGB VI im Hinblick auf die befristete Weiterarbeit der Regelaltersrentner.15

d) BewertungIn einer ersten Bewertung bleibt hierzu festzuhalten, dass das neue System der „Flexi-Rente“ keineswegs einfacher und trans-parenter erscheint als das bisherige System der „Teil-Renten“. Im Gegenteil: Die vielen neuen Absätze des § 34 Abs. 3 SGB VI, deren Inhalt sich auch nach mehrmaligem Lesen nicht ohne Weiteres erschließt, lassen die Befürchtung wachsen, dass massiv „verschlimmbessert“ wurde. Da erkennbar noch Vor-arbeiten vor der Umsetzung des Systems notwendig sind, treten die Regelungen zur Flexi-Rente erst zum 01.07.2017 in Kraft.

11. Bundesteilhabegesetz (BTHG)Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), das am 29.12.2016 verkündet worden ist,16 treten in drei Stufen in vier Jahren wesentliche Veränderungen im SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) wie folgt ein:

a) Reformstufe 1Reformstufe 1 ist bereits am Tag nach der Verkündung des BTHG am 30.12.2016 in Kraft getreten.

aa) Beteiligung der SchwerbehindertenvertretungBei der Kündigung schwerbehinderter Menschen sind zahl-reiche Bestimmungen zu beachten (allgemeiner Kündigungs-schutz; besonderer Kündigungsschutz – Zustimmung des Integrationsamts; Betriebsratsanhörung). Ab dem 30.12.2016 ist darüber hinaus darauf zu achten, dass nach einem neuen § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Kündigung eines schwerbehin-derten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam ist. Die bisherige Rechtslage sah diese harte Konsequenz bei einer fehlenden Einschaltung der Schwerbehindertenvertre-tung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht vor.17 Die bislang schon nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geltenden Grundsätze der „Unterrichtung“, „Anhörung“ und „Mitteilung“ erhalten damit ein deutlich stärkeres Gewicht. Es bleibt zu hoffen, dass die nun notwendige Einschaltung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung (soweit vorhanden) sowie des Integrationsamts vor einer arbeitgeberseitigen Kündigung die Bereitschaft, schwerbehinderte Menschen einzustellen, nicht negativ beeinflusst.

bb) Weitere Stärkung der SchwerbehindertenvertretungDie weiteren Neuregelungen im Überblick:

– Schwellenwert für die Freistellung der Vertrauensper-sonen abgesenkt auf 100 schwerbehinderte Menschen (vorher 200);

– Erweiterte Möglichkeit des Einsatzes von Stellvertretern;– Erweiterter Schulungsanspruch der Vertrauenspersonen;– Anspruch auf eine Bürokraft;– Übergangsmandat der Schwerbehindertenvertretung.

15 Vgl. Bauer, PuR 2016 S. 221.16 BGBl. I 2016 S.  3234  ff.; vgl. ausführlich zu den Neuregelungen Kleinebrink, DB  2017 S.  126;

Schiefer, PuR 2017 S. 34.17 Zu den Einzelheiten s. Schiefer/Conrad, Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Umstrukturie-

rung, Düsseldorfer Schriftenreihe, (demn.) 4. Aufl., Rn. 52 ff.

b) Reformstufe 2Reformstufe 2 tritt am 01.01.2018 in Kraft und beinhaltet insb. die Einführung des neuen SGB IX, Teil 1 (Verfahrensrecht) und Teil 3 (Schwerbehindertenrecht) sowie Verbesserungen bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Ein-gliederungshilfe (im SGB XII). Durch die Einfügung von Teilen der bislang im SGB XII verankerten Regelungen im SGB IX wird sich ab dem 01.01.2018 eine völlig neue Paragrafenfolge ergeben.Das BEM wird künftig in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelt sein, wobei die bisherige Gesetzesfassung weitestgehend erhalten bleibt. Eine Änderung ergibt sich nur insoweit, als an die Stelle der „gemeinsamen Servicestellen“, die das SGB IX in Zukunft nicht mehr vorsieht, die Rehabilitationsträger getreten sind. Damit hat es der Gesetzgeber versäumt – wie im Koalitions-vertrag vorgesehen –, das BEM künftig mit mehr Verbindlich-keit auszustatten und so der Praxis mehr Rechtssicherheit bei der Durchführung von BEM-Verfahren zu geben.18

c) Reformstufe 3Reformstufe 3 tritt ab 01.01.2020 in Kraft und beinhaltet insb. die Trennung der Fachleistungen der Eingliederungs-hilfe von den existenzsichernden Leistungen sowie weitere Verbesserungen der Einkommens- und Vermögensheranzie-hung. Leistungsbezieher können laut Ministerium zukünftig mehr von ihren Einkünften behalten (Durchschnitt: 300 € mehr monatlich). Der Vermögensfreibetrag steigt auf rund 50.000 €.

12. AÜG-ReformAm 01.04.2017 wird nach heftigen Diskussionen das Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze in Kraft treten.19 Eine Vielzahl angedachter Regelungen, die die Zeitarbeit erheblich belastet hätten, konnte abgewendet werden. Dies gilt insb. für den – misslungenen – Versuch einer Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderen Gestaltungsformen in einem neuen § 611a BGB.20

a) Offenlegungs- und KonkretisierungspflichtIn dem –  für die zulässige Überlassung erforderlichen  – Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer muss künftig die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich als solche bezeichnet werden („Offenlegungspflicht“). Darüber hinaus ist die Person des Zeitarbeitnehmers zu konkretisieren („Konkretisierungspflicht“).21

b) HöchstüberlassungsdauerGrds. wird die Zeitarbeit auf 18 Monate beschränkt. Es gilt eine arbeitnehmerbezogene – keine arbeitsplatzbezogene – Betrachtung. Dies bedeutet, dass der Arbeitsplatz nach 18 Monaten wieder mit einem (anderen) Zeitarbeitnehmer besetzt werden kann. Die Höchstüberlassungsdauer kann nach dreimonatiger Unterbrechung erneut ausgeschöpft

18 von Stein, PuR 2017 S. 1; zum BEM s. i.E. Schiefer/Heitmann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, Alkohol, Schwerbehinderung, BEM, Düsseldorfer Schriftenreihe, S. 48.

19 Zu der vom Bundestag gebilligten AÜG-Reform Bissels/Falter, DB 2016 S. 2789 sowie Annuß/Seier, DB 2016 Beil. 06 S. 55 (55) und Thüsing, DB 2016 S. 2663; Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2017 S. 50; i.E. demn. Nölke/Schiefer/Wolf, Praxishandbuch Zeitarbeit und Werkverträge; zum Fremdpersonaleinsatz und den neuen Herausforderungen für die Praxis: Henssler, PuR 2017 S. 25.

20 Dazu Schiefer/Köster, DB 2016 S. 169 (173 f.).21 Vgl. hierzu ausführlich Bissels, DB 2017 S. 246.

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werden. Von der Höchstüberlassungsdauer kann durch Tarifvertrag von Tarifvertragspartnern der Einsatzbranche und Betriebsvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrags abgewichen werden. Diese Abweichungsmöglichkeit besteht auch in Betrieben nicht tarifgebundener Entleiher. Tarif-ungebundene Betriebe ohne Betriebsrat bleiben allerdings immer an die gesetzlich vorgesehene Höchstüberlassungs-dauer (18 Monate) gebunden. Für tarifgebundene und nicht tarifgebundene Entleiher besteht –  bei Vorliegen eines entsprechenden Tarifvertrags in der Einsatzbranche – mit-hin die Möglichkeit der Abweichung von der 18-monatigen Verleihdauer.22

c) FesthaltenserklärungDas Fehlen einer Verleiherlaubnis, eine verdeckte Arbeit-nehmerüberlassung, die Überschreitung der Überlassungs-höchstdauer sowie eine kumulative Verletzung der Bezeich-nungs- und Konkretisierungspflicht vor Durchführung der Überlassung führen zur Unwirksamkeit der Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Zeit-arbeitnehmern und zu einer Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer. Der Zeitarbeit-nehmer erhält allerdings die Möglichkeit, durch eine – hoch komplizierte – sog. „Festhaltenserklärung“ an dem Arbeitsver-hältnis mit dem Verleiher festzuhalten.23

d) Equal payDer bisher auf verschiedene Regelungen im AÜG verteilte Grundsatz der Gleichstellung von Zeitarbeitnehmern mit den Arbeitnehmern des Entleiherbetriebs wird –  ohne inhaltliche Änderung – systematisch in einem neuen § 8 AÜG zusammengefasst. Neu geregelt wird, dass dem Zeitarbeit-nehmer nach neun Monaten auch bei Anwendung von vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträgen hin-sichtlich des Arbeitsentgelts ein zwingender Anspruch auf equal pay zusteht. Darüber hinausgehende Abweichungen sind künftig nur möglich, wenn für ein Arbeitsverhältnis ein (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gilt, der „sozialen Leit-planken“ genügen muss.

e) StreikbrecherverbotIm Grundsatz wird darüber hinaus geregelt, dass der Entleiher den Zeitarbeitnehmer nicht tätig werden lassen darf, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betrof-fen ist. Es gilt allerdings die näher geregelte Ausnahme, dass ein Einsatz in einem vom Arbeitskampf betroffenen Betrieb ausnahmsweise möglich ist, wenn sichergestellt ist, dass der Arbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt wird.

f) Berücksichtigung bei Schwellenwerten betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung

Nach einem neuen § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG sollen Zeitarbeitneh-mer – mit Ausnahme des § 112a BetrVG (Sozialplanpflicht) – künftig bei den betriebsverfassungsrechtlichen und den für die Unternehmensmitbestimmung24 geltenden Schwellenwerten auch im Entleiherbetrieb und Entleiherunternehmen mitge-

22 Zum Umgang mit der Überlassungshöchstdauer s. Hund/Weiss, DB 2016 S. 2903.23 Zur Festhaltenserklärung s. Bissels, DB 2017 S. 246 sowie DB 2016 S. 2789.24 Zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten für die unternehme-

rische Mitbestimmung nach der AÜG-Reform vgl. Bungert/Rogier, DB 2016 S. 3022.

zählt werden. Die jüngere Rspr. hat dies allerdings weitest-gehend bereits vorweggenommen.25

g) Betriebsverfassungsrechtliche ZuordnungI.Ü. bleibt es dabei, dass der Zeitarbeitnehmer auch wäh-rend der Zeit der Arbeitsleistung bei einem Entleiher – auch betriebsverfassungsrechtlich – grds. Teil der Belegschaft des Verleiherbetriebs ist. Dies stellt § 14 Abs. 1 AÜG – unverän-dert – klar.26

h) Definition des ArbeitnehmersAm 01.04.2017 wird im Zuge der Novellierung des AÜG auch ein neuer § 611a BGB mit einer kodifizierten Definition des Arbeitnehmers in Kraft treten. Diese Bestimmung ist – so Thü-sing – nicht mehr als „zusammengeschnipselt“ aus vorhande-ner Rspr.27 „Aber er ist gut gemacht und hat nicht die Fehler, die der erste RefE aufwies28 und die noch in der vom Kabinett beschlossenen Fassung zu finden waren.“29 Der Gesetzgeber will hiermit keine Änderung der Rechtslage herbeiführen.30

i) Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des BetriebsratsSchließlich werden durch entsprechende Ergänzung des Betriebsverfassungsgesetzes bestehende Unterrichtungs-rechte des Betriebsrats über den Drittpersonaleinsatz konkre-tisiert und erweitert.31

III. Vorliegende Entwürfe1. Neuregelung des MutterschutzrechtsDas seit 1952 geltende Mutterschutzgesetz (MuSchG) soll grundlegend geändert werden, um einen zeitgemäßen und verantwortungsvollen Mutterschutz zu gewährleisten und eine Diskriminierung von schwangeren und stillenden Frauen vorzubeugen.32

a) Erweiterung des AnwendungsbereichsZu diesem Zweck wird der persönliche Anwendungsbereich erweitert, indem nunmehr auf das Beschäftigungsverhältnis und nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis abgestellt wird. Damit fallen u.a. Fremdgeschäftsführer in den Anwendungs-bereich des MuSchG, sofern sie sozialversicherungspflichtig sind. Hiermit soll die sog. Danosa-Entscheidung des EuGH vom 11.11.2010 umgesetzt werden.33 Daneben soll das MuSchG auch für Praktikantinnen i.S.d. § 26 BBiG gelten.

b) Verlängerung der Schutzfrist bei Behinderung des KindesNeu geregelt ist u.a. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 MuSchG-E, wonach die Schutzfrist nach der Entbindung von acht auf zwölf Wochen verlängert wird, wenn bei dem Kind innerhalb der

25 I.E. Schiefer, in: Nölke/Schiefer/Wolf (Hrsg.), Zeitarbeit und Werkverträge, Düsseldorfer Schrif-tenreihe; Schiefer/Korte, Das Betriebsverfassungsgesetz, Düsseldorfer Schriftenreihe, 3.  Aufl., Checkliste 2, Rn. 13; Schiefer, PuR 2016 S. 227.

26 Zur Frage der Mitbestimmung des „Entleiher-“ bzw. „Verleiherbetriebsrats“ vgl. zuletzt BAG vom 07.06.2016 – 1 ABR 25/14, DB 2016 S. 2912; zu den Einzelheiten Schiefer, in: Nölke/Schiefer/Wolf, a.a.O. (Fn. 25).

27 Thüsing, PuR 2017 S. 1.28 Thüsing/Schmidt, ZIP 2016 S. 54.29 Thüsing, Ausschussdrucks., Arbeit und Soziales 18 (11761). 30 BT-Drucks. 18/9232 S. 31.31 Siehe hierzu Schiefer, PuR 2016 S. 162.32 Vgl. zum Überblick der geplanten Neuregelungen Blattner, DB 2016 S. 2120.33 EuGH vom 11.11.2010 – Rs. C-232/09, DB 2011 S. 2270.

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ersten acht Wochen nach der Entbindung eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX ärztlich festgestellt wird.

c) Nacht-, Sonn- und FeiertagsarbeitNeu ist auch die Regelung der Arbeit zur späten Arbeitsstunde (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 MuSchG-E). Danach kann eine schwan-gere oder stillende Frau ausnahmsweise zwischen 20 Uhr und 22 Uhr beschäftigt werden, wenn sie sich hierzu ausdrücklich bereit erklärt (jederzeitige Widerruflichkeit der Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft), ein ärztliches Zeugnis die Unbe-denklichkeit der Nachtarbeit bescheinigt, die Alleinarbeit für die schwangere Frau ausgeschlossen ist und der Frau eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit gewährt wird. Die bisher vorhandene Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen entfällt.Das bislang in § 8 MuSchG geregelte Verbot der Sonn- und Feier tagsarbeit f indet sich nunmehr in §  5 Abs.  1 Satz  1 MuSchG-E. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 und 3 MuSchG-E kann die schwangere oder stillende Frau aber ausnahmsweise an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, wenn sie sich hierzu aus-drücklich bereit erklärt (jederzeit widerrufliche Ein willigung mit Wirkung für die Zukunft), eine Ausnahme vom allge-meinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 ArbZG zugelassen ist, der schwangeren oder stillenden Frau in jeder Woche einmal ein Ersatzruhetag im Anschluss an eine ununterbrochene elfstündige Nachtruhezeit gewährt wird und die Alleinarbeit für die schwangere Frau ausgeschlossen ist. Auch hier entfällt die bisherige Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen.

d) Gefährdungsbeurteilung und BeschäftigungsverbotNeu ist das vorläufige Beschäftigungsverbot nach § 9 Abs. 3 MuSchG-E, wonach eine Schwangere ab dem Zeitpunkt der Anzeige ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zunächst nicht beschäftigt werden darf, bis eine konkrete Gefährdungs-beurteilung durchgeführt worden ist (§ 9 Abs. 3 MuSchG-E). Nach § 9 Abs. 1 MuSchG-E hat der Arbeitgeber neben der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG unterschiedslos bei Errichtung jedes neuen Arbeitsplatzes anlassunabhängig jede Tätigkeit im Hinblick auf mögliche Gefährdungen für schwangere und stillende Frauen und ihre Kinder zu beur-teilen und notwendige Konsequenzen zu ermitteln. Dies gilt unabhängig davon, ob auf dem Arbeitsplatz eine Frau beschäftigt wird. Neben dieser generellen Gefährdungsbeur-teilung hat nach § 9 Abs. 2 MuSchG-E eine konkrete Gefähr-dungsbeurteilung zu erfolgen, sobald die Arbeitnehmerin mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist, um die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen. Bis zur Durchführung der konkreten Gefährdungsbeurteilung besteht das Beschäfti-gungsverbot nach § 9 Abs. 3 MuSchG-E.Ein betriebliches Beschäftigungsverbot (§  12 Abs.  1 Nr.  3 MuSchG-E) ist vom Arbeitgeber immer dann auszusprechen, wenn eine unverantwortbare Gefährdung i.S.v. §§ 8, 10 oder 11 MuSchG-E durch ihn festgestellt worden ist und durch Schutzmaßnahmen i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MuSchG-E nicht ausgeschlossen werden kann.

e) KündigungsschutzDer besondere Kündigungsschutz findet sich nunmehr in § 16 Abs. 1 Satz 1 MuSchG-E (vormals § 9 MuSchG). Er gilt während der Schwangerschaft, bis zum Ende der Schutzfrist

nach der Entbindung, mindestens aber bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung, d.h. nach einer Lebend-geburt i.S.v. § 31 Abs. 1 PStV oder nach einer Totgeburt i.S.v. § 31 Abs. 2 PStV, bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt i.S.v. § 31 Abs. 2 PStV, wenn die Schwangerschaft mindestens zwölf Wochen bestanden hat.Neu ist die Ausweitung des Verbots auf entsprechende Vor-bereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers in § 16 Abs. 1 Satz 3 MuSchG-E. Vor Ablauf der in § 16 Abs. 1 Satz 1 MuSchG-E genannten Zeiten darf der Arbeitgeber auch keine Maßnahmen zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung treffen.

f) AusblickDas Gesetz erhöht die Anforderungen an den Schutz der Müt-ter sowie deren (ungeborener) Kinder deutlich und enthält neue Verpf lichtungen für den Arbeitgeber, der mit einem „Mehr“ an Bürokratie und auch Kosten belastet wird.34

2. Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ( Entgelttransparenzgesetz)

Zur Herbeiführung bzw. Steigerung der Lohngerechtigkeit hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) den Entwurf eines sog. Entgelttransparenz-gesetzes (EntgTranspG) vorgelegt, der mittlerweile im Kabi-nettsentwurf vom 11.01.2017 einige Änderungen erfahren hat.35

Im Mittelpunkt steht ein individuelles Verfahren zur Prüfung von Entgeltgleichheit.

a) AuskunftsanspruchBeschäftigte i.S.d. § 5 Abs. 2 EntgTranspG-E in Betrieben mit i.d.R. mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber sollen danach einen Auskunftsanspruch erhalten, der eine Infor-mation über die Kriterien und Verfahren für die Festlegung des Entgelts des anfragenden Beschäftigten sowie über die Höhe des Entgelts für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit geben soll. Hierbei gewährt der Gesetzentwurf dem Betriebsrat (§ 13 EntgTranspG) weitergehende Aufgaben zur Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit (im Rahmen der Aufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG) und differenziert i.Ü. zwischen einem Auskunftsverfahren „bei tarifgebundenen und tarifan-wendenden Arbeitgebern“ (Definition in § 5 Abs. 4 EntgTranspG) und „nicht tarifgebundenen und nicht tarifanwendenden Arbeit-gebern“ (Definition in § 5 Abs. 5 EntgTranspG).

b) Betriebliches Verfahren zur Prüfung von EntgeltgleichheitNeben dem individuellen Auskunftsverfahren (2. Abschn.) sieht Abschn. 3 des Gesetzes ein betriebliches Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit vor. Es gibt allerdings keine Verpflichtung mehr zur Durchführung von Entgeltprüfverfahren. Stattdessen werden alle Arbeitgeber ab 500 Beschäftigte aufgefordert, mindestens alle fünf Jahre ein Prüfverfahren durchzuführen.Darüber hinaus sind Berichtspflichten (4. Abschn.) vorgese-hen. Diese Berichtspf lichten greifen allerdings „nur noch“ für Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern, die einen Lagebericht nach dem HGB abgeben müssen.Schließlich sollen die Aufgaben des Betriebsrats gem. § 80 Abs. 1 BetrVG sowie die Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG

34 Zu den Einzelheiten s. Baumann, PuR 2016 S. 201.35 Vgl. dazu Thüsing, DB 2016 S. 2234; ders., BB 2017 S. 565; Gaedeke, (demn.) PuR 2017, Heft 4.

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betreffend die Entgeltgleichheit von Mann und Frau erweitert werden. Dies gilt auch für die diesbezüglichen Berichtspflich-ten des Arbeitgebers in Betriebsversammlungen.36

c) Bewertung und AusblickInsgesamt enthält der Entwurf äußerst komplizierte Regeln, die sich in der Praxis schwerlich umsetzen lassen und zu ganz erheb-licher Rechtsunsicherheit und betrieblichem Unfrieden führen können. Der Gesetzentwurf arbeitet mit unklaren Begriffen und enthält erhebliche handwerkliche Schwächen. Allein aufgrund der „Gleichstellungsregelungen“ im GG und AGG bedarf es der in dem Gesetz angelegten „bürokratischen Symbolpolitik“ nicht. Nicht zuletzt bleibt völlig unberücksichtigt, dass der größte Teil der ausgemachten Entgeltdifferenz allein auf unterschiedliche Erwerbsbiografien zurückzuführen ist.

3. „Weiterentwicklung des Teilzeitrechts“Am 04.01.2017 ist eine Vorfassung des Ref E eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts37 vorgelegt worden. Danach ist u.a. neben dem bestehenden Anspruch auf zeit-lich unbegrenzte Teilzeitarbeit ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeitarbeit vorgesehen.

a) Zeitlich begrenzte Verringerung der ArbeitszeitUnter der Überschrift „zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit“ soll ein neuer § 9a TzBfG eingeführt werden, des-sen Abs. 1 wie folgt lautet:

„Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen im Voraus bestimmten Zeitraum verringert wird. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass der Arbeit-geber, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung, i.d.R. mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt.“

Ein vorgesehener § 9 Abs. 3 TzBfG sieht Folgendes vor:„Für den Fall, dass der Arbeitnehmer innerhalb des nach Abs. 1 bestimmten Zeitraums seine Arbeitszeit verlängern oder vor Ablauf dieses Zeitraums zu seiner ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren möchte, gilt § 9 entsprechend.“

Hierdurch soll –  so die Gesetzesbegründung  – auch den Arbeitnehmern in zeitlich begrenzter Teilzeitarbeit die Mög-lichkeit eröffnet werden, im Bedarfsfall ihre Arbeitszeit der Lebenssituation anzupassen.

b) Verlängerung der Arbeitszeit: Beweislastumkehr§ 9 TzBfG (Verlängerung der Arbeitszeit) soll wie folgt gefasst werden:

„Der Arbeitgeber hat den in Textform angezeigten Wunsch eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist, der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich-geeignet ist wie ein anderer Bewerber oder dringende betrieb-liche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.“

Hierdurch soll die bestehende Darlegungs- und Beweislastver-teilung stärker auf den Arbeitgeber übertragen werden, wenn diesem der Wunsch von Teilzeitbeschäftigten nach Verlänge-rung der Arbeitszeit vorliegt. Der Arbeitgeber soll nunmehr

36 Siehe i.E. Schiefer/Korte, Das Betriebsverfassungsgesetz, Düsseldorfer Schriftenreihe, 3. Aufl., Checkliste 15.

37 Gesetzentwurf online unter XQ1228170.

darlegen und beweisen müssen, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht, sowie dass der Arbeitnehmer für die Besetzung des freien Arbeitsplatzes nicht gleichgeeignet ist wie andere Bewerber oder ein anderer Bewerber.

c) Schriftformerfordernis des AntragsPositiv hervorzuheben ist allein, dass der grundlegende Antrag auf Arbeitszeitverringerung gem. § 8 TzBfG38 – der bislang form-los gestellt werden konnte – künftig in Textform zu erfolgen hat. Im Unterschied zur Schriftform bedarf es bei der Textform allerdings keiner eigenhändigen Unterschrift und es genügt z.B. ein Telefax oder eine E-Mail. Warum der Arbeitgeber gem. §  8 Abs.  5 TzBfG gehalten ist, seine Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung (spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung) schriftlich mitzuteilen, der Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit hingegen in Textform erfolgen kann, ist nicht erklärlich. Insofern wäre es sinnvoll, auch für die Antragstellung Schriftform vorzusehen.

d) KritikDer Entwurf vernachlässigt weitestgehend die Schwierigkei-ten, die sich – insb. für kleine und mittlere Betriebe – durch eine Veränderung der individuellen Arbeitszeit ergeben. Das in dem Entwurf angelegte „Hin und Her“ zwischen „Voll- und Teilzeit“ ist für viele Betriebe schlicht nicht zu beherrschen.

4. BetriebsrentenstärkungsgesetzAm 21.12.2016 wurde der Kabinettsentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)“ verabschiedet.39 Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz soll die betriebliche Altersversorgung, wie im Koalitionsvertrag40 abstrakt verabredet, insb. in kleinen und mittleren Unter-nehmen sowie bei Beschäftigten mit niedrigen Einkommen stärker verbreitet werden.41 Das Gesetzgebungsverfahren soll Mitte des Jahres 2017 abgeschlossen werden. Geplant ist, dass das Betriebsrentenstärkungsgesetz im Wesentlichen am 01.01.2018 in Kraft tritt.

a) Einführung der reinen BeitragszusageKernstück des Reformvorhabens ist die Einführung der reinen Beitragszusage. Bei dieser Zusageart gibt der zusagende Arbeit-geber keine Garantien für die Höhe der Versorgungsleistung. Der Arbeitgeber ist lediglich verpflichtet, die Finanzierungsbeiträge, die vom Arbeitgeber oder durch Entgeltumwandlung finanziert werden können, an die Versorgungseinrichtung (Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung) zu zahlen. Weitere Verpf lichtungen aus dem BetrAVG sollen den Arbeitgeber nicht treffen,42 weshalb der Gesetzentwurf ausdrücklich das Entfallen der subsidiären Einstandspflicht des Arbeitgebers für die Versorgungsleistung gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, der Pflichten aus § 1a Abs. 4 Satz 2, § 1b bis 6, § 16 BetrAVG sowie

38 Siehe hierzu i.E. Schiefer/Müller, Teilzeitarbeit, Düsseldorfer Schriftenreihe, 2. Aufl., S. 39 ff.39 Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversor-

gung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz), Stand: 15.12.2016; abrufbar unter XQ1225652.

40 Vgl. Koalitionsvertrag der Bundesregierung für die 18. Legislaturperiode vom 27.11.2013, S. 72 f.

41 Vgl. Kabinettsentwurf (Fn. 39), S. 1.42 Vgl. die Begründung des Kabinettsentwurfs (Fn. 39), S. 37.

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der Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt des BetrAVG anordnet (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG-E).Die reine Beitragszusage kann nur durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags zugesagt werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG-E), weswegen die Geeignetheit der reinen Beitrags-zusage für eine stärkere Verbreitung der betrieblichen Alters-versorgung vielfach zumindest bezweifelt wird.43

Auffallend sind auch die detaillierten Vorgaben des Gesetz-gebers für die Ausgestaltung der reinen Beitragszusage, die den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien stark einschränken: So soll die reine Beitragszusage nur in den exter-nen Durchführungswegen (Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung) möglich sein (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG-E). In der Auszahlungsphase darf die Versorgungseinrichtung nur eine laufende Leistung gewähren. Kapitalzahlungen sind, mit Ausnahme der Abfindung von Kleinanwartschaften bzw. -ren-ten, nicht möglich (§ 22 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 BetrAVG-E). Die Anwartschaften aus der reinen Beitragszusage sind, auch soweit sie arbeitgeberfinanziert wurden, sofort unverfallbar (§  22 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG-E). Im Einklang mit gewerkschaft lichen Forderungen sieht der Gesetzentwurf – im Widerspruch zu der Idee einer reinen Beitragszusage – vor, dass zur Absicherung der reinen Beitragszusage ein zusätzlicher „Sicherungsbeitrag“ tarifvertraglich vereinbart werden soll (§ 23 Abs. 1 BetrAVG-E). Zudem müssen die Arbeitgeber im Tarifvertrag verpflichtet werden, im Fall der Entgeltumwandlung mindestens 15% des sozialversicherungsfrei umgewandelten Entgelts als Arbeit-geberzuschuss an die Versorgungseinrichtung zu zahlen (§ 23 Abs. 2 BetrAVG-E). Zur Unterscheidung von anderen Zusage-formen und zur Stärkung des Wettbewerbs44 ist es den Versor-gungseinrichtungen auch verboten, sich im Zusammenhang mit einer reinen Beitragszusage zu garantierten Leistungen zu verpflichten (§ 244b Abs. 1 Nr. 1 VAG-E).

b) OptionssystemMit der Einführung eines Optionssystems soll den Tarifver-tragsparteien die Möglichkeit eingeräumt werden, Beschäftigte bzw. Gruppen von Beschäftigten auf tarifvertraglicher Grund-lage automatisch in die Entgeltumwandlung einzubeziehen (§ 20 Abs. 2 BetrAVG-E). Die Einführung des Optionssystems kann unmittelbar durch die Tarifvertragsparteien erfolgen oder, soweit dies tarifvertraglich vorgesehen ist, durch den Arbeitgeber.45 Die Arbeitnehmer haben gegen ihre Einbeziehung in die Entgeltumwandlung ein individuelles Widerspruchs-recht, auf das der Arbeitgeber in Textform und mindestens drei Monate vor der ersten Fälligkeit des umzuwandelnden Entgelts deutlich hingewiesen haben muss.

c) Bezugnahme bei fehlender TarifbindungNicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien sollen gem. § 24 BetrAVG-E einschlägige tarif liche Regelungen zur rei-nen Beitragszusage bzw. gem. § 20 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG-E einschlägige tarifliche Regelungen zum Optionssystem durch Vereinbarung zur Anwendung bringen können. Einschlägig i.S. dieser Normen ist die tarifliche Regelung, wenn die Arbeits-vertragsparteien bei unterstellter Tarifbindung in den räum-lichen, zeitlichen, betrieblich-fachlichen und persönlichen

43 Vgl. z.B. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, BetrAV 2016 S. 650; Schipp, ArbRB 2016 S. 380.44 Vgl. die Begründung des Kabinettsentwurfs (Fn. 39), S. 50.45 Vgl. die Begründung des Kabinettsentwurfs (Fn. 39), S. 40.

Geltungsbereich der tariflichen Regelung fallen würden.46 Die Teilnahme nicht tarifgebundener Arbeitsvertragsparteien an einer tariflichen Regelung zur reinen Beitragszusage erfordert zusätzlich das Einverständnis der Versorgungseinrichtung (kein gesetzlicher Kontrahierungszwang).47

d) Steuerliche VergünstigungenArbeitgeber, die Beziehern „geringer“ Einkommen (bis zu 2.000 € monatlich) eine betriebliche Altersversorgung finan-zieren und diese über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchführen, sollen einen För-derbetrag erhalten (§ 100 EStG-E). Förderfähig sind Arbeit-geberbeiträge i.H.v. mindestens 240 € und höchstens 480 € im Jahr. Der Förderbetrag beträgt 30% des Arbeitgeberbeitrags, mindestens jedoch 72 € und höchstens 144 €. Die Erstattung soll monatlich im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens erfolgen. Der Förderbeitrag wird nur für ab dem 01.01.2018 erstmals gezahlte Arbeitgeberbeiträge gewährt (vgl. §  100 Abs. 2 Satz EStG-E).Zur weiteren Verbesserung der steuerlichen Förderung sol-len der steuerfreie Zuwendungsrahmen für die betriebliche Altersversorgung von 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG West) sowie der zusätzliche steuerfreie Erhöhungsbetrag von 1.800 € in einen einheitlichen Zuwendungsrahmen zusammengefasst sowie von derzeit insgesamt 6,42% der BBG West auf 8% der BBG West erhöht und in vollem Umfang dynamisiert werden (§ 3 Nr. 63 EStG-E). Eine korrespondierende beitragsrechtliche Flankierung ist nicht vorgesehen; insoweit bleibt es bei der beitragsrechtlichen Förderung i.H.v. nur 4% der BBG West gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV.Zudem soll die Grundzulage zur Riester-Rente von derzeit 154 € auf 165 € angehoben werden (§ 84 Satz 1 EStG-E).

e) Vermeidung doppelter BeitragspflichtDie derzeit bei einer riestergeförderten betrieblichen Alters-versorgung bestehende Doppelbelastung mit Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase soll beseitigt werden. Zukünf-tig sollen nur die Beiträge in der Ansparphase, nicht aber die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Kran-ken- und Pflegeversicherungsbeitragspflicht unterliegen (§ 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V-E).Zudem sollen Leistungen aus der betrieblichen Altersversor-gung oder aus der Riester-Rente zukünftig teilweise nicht mehr auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden (§ 82 Abs. 4 und 5 SGB XII-E). Hierfür soll ein Grundbetrag von monatlich 100 € der Leistungen aus der zusätzlichen Alters-vorsorge uneingeschränkt nicht angerechnet werden; darüber hinausgehende Leistungen sollen – bis zu einer Gesamthöhe von 50% der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu §  28 SGB XII (derzeit 202 €) – zu 30% nicht angerechnet werden.

5. DatenschutzDer am 23.11.2016 veröffentlichte RefE eines „Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der RL 2016/680/EU (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)“48 des

46 Vgl. die Begründung des Kabinettsentwurfs (Fn. 39), S. 43.47 Vgl. die Begründung des Kabinettsentwurfs (Fn. 39), S. 43.48 Abrufbar unter XQ1224879.

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BMI enthält zur Anpassung des nationalen Datenschutzrechts an die Datenschutz-Grundverordnung neben einer Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) u.a. auch eine Änderung des derzeit geltenden BDSG. Nach Art. 1 des Gesetzentwurfs wird das BDSG komplett neu gefasst.

a) Datenverarbeitung öffentlicher StellenDer erste Teil des RefE umfasst Regelungen zu gemeinsamen Bestimmungen, die sowohl für den Bereich der Datenschutz-Grundverordnung als auch für die Datenschutzrichtlinie gel-ten. In § 2 BDSG-E werden zahlreiche datenschutzrechtliche Begriffe definiert (u.a. der Begriff der personenbezogenen Daten und die Begriffe der Verarbeitung, der Pseudonymi-sierung, des Dateisystems). In § 4 BDSG-E wird eine Rechts-grundlage für die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen (§ 3 BDSG-E) und für die Videoüberwachung (§ 4 BDSG-E) geschaffen. In diesem Kontext ist insb. hervorzuheben, dass nach § 4 Abs. 2 BDSG-E personenbezogene Daten im Rahmen einer Videoüberwachung verarbeitet werden können, wenn dies zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen erforderlich ist, die sich z.B. in Einkaufszentren aufhalten.

b) DatenschutzbeauftragteIn den §§  6 bis 7 BDSG-E f inden sich die Regelungen zu Stellung und Aufgaben der Datenschutzbeauftragten. Diese müssen von nicht öffentlichen Stellen unter den Vorausset-zungen des § 5 BDSG-E benannt werden. Die Verpf lichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wird für pri-vatwirtschaftlich agierende Unternehmen nunmehr in § 36 BDSG-E geregelt. Sie gilt auch für Auftragsdatenverarbeiter. Privatwirtschaftlich agierende Unternehmen müssen nach dieser Vorschrift einen Datenschutzbeauftragten bestel-len, wenn sie i.d.R. mindestens zehn Personen ständig mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. Unternehmen, die einer Datenschutz-Folgeabschätzung nach Art. 35 der Verordnung (EU) 2016/679 unterliegen oder personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung, der anonymisierten Übermittlung oder für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung verarbeiten, haben unabhängig von der Anzahl der mit der Verarbeitung beschäftigten Personen einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen.

c) BeschäftigtendatenschutzIm zweiten Teil des RefE sind Durchführungsbestimmungen für Verarbeitungen zu Zwecken der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) enthalten. Nach Art. 88 der DS-GVO können die Mit-gliedstaaten Vorschriften zur Datenverarbeitung im Beschäftig-tenverhältnis vorsehen. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Im RefE wird der Datenschutz im Arbeitsverhältnis jedoch in § 24 BDSG-E geregelt. Dabei entsprechen die Abs. 1 und 2 in § 24 BDSG-E dem bisherigen § 32 BDSG sowie der § 24 Abs. 3 BDSG-E dem bisherigen § 3 Abs. 11 BDSG. Zudem wird in der Begründung des Entwurfs klargestellt, dass abweichende Regelungen zum Datenschutz auch in Kollektivvereinbarungen getroffen werden können. Im Rahmen der Ressortabstimmung zwischen den Bun-desministerien wird zurzeit über mögliche Ergänzungen im Hin-blick auf etwaige Regelungen zur Möglichkeit der „Einwilligung“, zu „Kollektivvereinbarungen“ und zum „Beschäftigtenbegriff“ diskutiert.

In § 23 BDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten zu anderen Zwecken als zu denjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, geregelt. Im RefE werden weitgehend die bisherigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des §  28 Abs.  1 bis 3 BDSG übernommen. § 26 BDSG-E betrifft die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Es soll neben den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung auch dann keine Pflicht auf Information oder ein Recht auf Auskunft des Betroffenen bestehen, wenn die Daten geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Informationserteilung zurücktreten muss. In der Gesetzes-begründung wird darauf verwiesen, dass es sich hierbei insb. um Fälle handelt, in denen eine gesetzliche oder satzungs-mäßige Geheimhaltungspflicht nicht besteht, die Daten aber ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.Nach § 40 BDSG-E handelt auch derjenige ordnungswidrig, der in Ausübung seiner Tätigkeit für den Verantwortlichen oder Auftragsdatenverarbeiter vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 83 Abs. 4, 5, 6 der Grundverordnung verstößt. Eine Ordnungswidrigkeit i.d.S. soll mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 € geahndet werden können.

d) DatenverarbeitungDer dritte Teil des RefE enthält Regelungskomplexe zur Daten-verarbeitung zu Zwecken der o.g. Datenschutzrichtlinie ein. Hierzu zählen u.a.: Rechtsgrundlagen der Verarbeitung, Zweck-bindung und Zweckänderung von Daten (§§ 44 bis 46 BDSG-E), die Ausformung der Betroffenenrechte (§§ 51 bis 53 BDSG-E), die Festlegung für Anforderungen an Auftragsverarbeitungs-verhältnisse (§ 57 BDSG-E), Regelungen zur Datensicherheit und Umgang mit Datensicherheitsvorfällen (§§ 58 bis 60 BDSG-E), die Vorschriften zu Berichtigungs- und Löschungspflichten (§ 70 BDSG-E) sowie Instrumente zur Berücksichtigung des Datenschutzes (Datenschutzfolgenabschätzung, Anhörung der oder des Bundesbeauftragten, Verzeichnis von Verarbeitungs-tätigkeiten, Protokollierung §§ 61 bis 63 und 71 BDSG-E) und Regelungen zu Datenübermittlungen in Drittstaaten und an internationale Organisationen (§§ 73 bis 76 BDSG-E).

IV. ZusammenfassungBereits in Kraft getretene Gesetze rufen erhebliche Anwen-dungsprobleme und Rechtsunsicherheiten hervor. Erhebliche handwerkliche Schwächen weist z.B. das Mindestlohngesetz auf (s.u. II. 4.). Auch die vorliegenden Gesetzentwürfe lassen insoweit nichts Gutes erwarten. Wie sich z.B. die Erweiterung des § 95 Abs. 2 SGB IX (Unwirksamkeit der Kündigung bei fehlender Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung; s.u. II. 11. a) aa)) auswirkt bzw. was die Rspr. „hieraus machen wird“ (zu denken ist insoweit insb. an die Rspr. zur Betriebs-ratsanhörung gem. § 102 BetrVG), ist völlig offen. Vielfach werden grundlegende unternehmerische Belange – insb. das Bedürfnis nach einer verlässlichen Gestaltung der Arbeits-zeit – völlig ausgeblendet (zum Teilzeitrecht s.u. III. 3.). Zum Teil handelt es sich schlicht um überflüssige „bürokratische Symbolpolitik“ (s. hierzu den Gesetzentwurf zur Entgelttrans-parenz unter III. 2.). Bisweilen entsteht durchaus der Eindruck, dass die Grenze der Belastbarkeit – die für viele Unternehmen bereits überschritten ist – weiter ausgetestet werden soll.Eines ist indes sicher: Es wird wiederum mehr Rechtsunsi-cherheit und insb. weitere bürokratische Belastungen für die Unternehmen geben.

554 DER BETRIEB Nr. 10 10.03.2017

Arbeitsrecht Aufsatz www.der-betrieb.de

Tab. 1: Verabschiedete Gesetze

Vorhaben Gesetz In Kraft getreten

Abschlagsfreie Rente mit 63 RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014 01.07.2014

Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Altersgrenze hinaus

Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.08.2014 16.08.2014

Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE)

Gesetzlicher Mindestlohn (MiLoG) 01.01.2016 (Erhöhung auf 8,84 € ab 01.01.2017)

Änderungen bei Pflege- und Familienpflegezeit (PflegeZG bzw. FPfZG)

Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 31.12.2014

01.01.2015

Flexibilisierung der Elternzeit Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 29.12.2014

01.01.2015

Einführung von Elterngeld Plus

Einführung einer Frauenquote Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24.04.2015

01.05.2015

Wiederherstellung der Tarifeinheit Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) vom 03.07.2015 10.07.2015

Verbesserung im Bereich „Gesundheit und Pflege“ Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz I) vom 17.12.2014

überwiegend 01.01.2015

Zweites Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz II) vom 21.12.2015

überwiegend 01.01.2016

Drittes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Ände-rung weiterer Vorschriften (Pflegestärkungsgesetz III) vom 23.12.2016

überwiegend 01.01.2017

Flexi-Rente Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 08.12.2016

01.01.2017 (teilweise erst zum 01.07.2017)

Bundesteilhabegesetz (BTHG) Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016

Drei Stufen:1. 30.12.20162. 01.01.20183. 01.01.2020

Zeitarbeit und Werkverträge Gesetz zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze vom 28.02.2017 01.04.2017

Tab. 2: Vorliegende Entwürfe

Vorhaben Gesetzentwurf Stand Geplantes Inkrafttreten

Neuregelung des Mutterschutzrechts Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutz-rechts

Kabinettsentwurf vom 04.05.2016

ggf. 01.07.2017

Verbesserung der Lohngerechtigkeit (insb. zwischen Frauen und Männern)

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Entgelttransparenzgesetz)

Kabinettsentwurf vom 11.01.2017

ggf. April/Mai 2017

Einführung eines Anspruchs auf zeitlich befristete Teilzeit

Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

Referentenentwurf vom 04.01.2017

offen

Stärkung der betrieblichen Altersversorgung Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)

Kabinettsentwurf vom 21.12.2016

01.01.2018

Veränderungen im Datenschutz, insb. Beschäftigtendatenschutz

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutz-rechts an die Datenschutz-Grundverordnung und zur Umset-zung der RL 2016/680/EU (Datenschutz-Anpassungs- und –Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU)

Referentenentwurf vom 23.11.2016

überwiegend 25.05.2018