Tauler Predigt 56

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  • 8/9/2019 Tauler Predigt 56

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    JOHANNES TAULER

    Predigt 56

    Diese Predigt vom Oktavtage der Geburt Mariens unterweist unsuber das Bittgebet und die Versuchungen des bsen Feindes ; sieberichtet von den Erscheinungen des Herrn an Job und Elias; siezeigen uns die Verdienste einer willigen Annahme der Leiden.

    HEUTE BEGEHT MAN DIE OKTAV des Festes der Geburt UnsererLieben Frau. Und der heilige Bernhard, klug und verstndig, undandere Heiligen bekennen, da sie sie nicht angemessen lobenknnen und ob des Lobes, das sie verdiente, schweigen mussen.Jener sprach: Liebe Frau, wie hoch euch auch eineVerwandtschaft mit der anbetungswurdigen Gottheit gestellthaben mag, so vergesset daruber nicht die Verwandtschaft, dieeuch mit der armen Menschheit verbindet. Und verliert euch nichtso sehr in den gttlichen Abgrund, da ihr nicht der menschlichenSchwche gedchtet, die ihr (ja) wohl auf manche Weise erfahrenhabt." Und solch innerlicher Gebete dieses und anderer Heiligen zuihr kennen wir noch mehr.

    (Was das Gebet betrifft,) haben die Menschen zwei (voneinander)verschiedene Weisen. Die einen wollen mit ihrem Gebet nichtserbitten und sagen, das knnten sie nicht, denn sie wollen undmussen sich Gott uberlassen, damit er mit ihnen und ihrenAnliegen mache, was er wolle. Die anderen, die rufen gar eifrigunsere Liebe Frau und die Heiligen um all ihre Angelegenheiten an.Beider Art kann Mngel haben.

    Die ersten haben nicht erkannt, da die heilige Kirche das Betenangeordnet hat. Und unser Herr hat uns selber gelehrt zu beten,und das Vorbild des Gebetes hat er uns selber gegeben und zuseinem Vater gebetet. Jene Menschen entschuldigt ihre schlichteMeinung dafur, da sie (von Gott) nichts erbitten; das entschuldigtsie, und sie werden doch ,erhrt, denn sie meinen es nicht bse.Und es gibt Dinge, die der Herr nur auf das Gebet hin tun will.Sankt Gregorius sagt: Gott will gebeten sein."

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    Wisset: Gott lt den Menschen oft in Not geraten, um ihn zumGebet anzutreiben; dann hilft Gott ihm und erhrt ihn, damit seineLiebe von neuem angeregt werde und der Mensch durch dieErhrung Trost empfange.

    Den anderen, die ihre Anliegen im Gebet Gott vortragen, kann esdaran fehlen, da sie sich nicht Gott uberlassen und wollen, dadas Anliegen, wofur sie beten, vorangehe. Sie sollten wohl bitten,aber das in rechter Gelassenheit, derart, da das, was Gott gefiele,ihnen lieb wre in jeder Art und in allen Dingen.

    Nun betrachten wir das Wort transite" unseres Textes. Wir habenin diesen Tagen viel davon gesprochen, wie die beginnendenMenschen die groben, groen Sunden wegscheren sollen, die

    groben Haare, und die zunehmenden die bsen Neigungen, unddie, welche der Vollkommenheit nher geruckt sind, die feinenHaare in ihrem Inneren1. Der Mensch, der sich (von denGeschpfen) abgekehrt und sein Herz Gott zugewendet hat, istbestrebt, Gott allein zu lieben und an ihn allein zu denken. Denbringt der Feind in solch schwere Versuchung, da ein weltlich(gesinnter) Mensch vor ihr erschrke.

    Versuchungen haben (zwar) der innerliche wie der weltlichgesinnte Mensch; aber ihr Grund ist verschieden. Dem weltlichenMenschen kommt die Versuchung aus einem nicht (denGeschpfen) abgestorbenen Grunde, aus seiner Natur von Fleischund Blut, und er entledigt sich der Versuchung, indem er das tut,was sie von ihm will.

    Und der Feind braucht ihn nicht mehr weiter zu versuchen, einHauch genugt, und er hat keine Muhe mehr (mit diesemMenschen). Der gute Mensch aber steht in Lauterkeit da. DieVersuchung kommt von auen an ihn heran und nicht aus seinem

    Grunde, oder doch nur sehr wenig. Dieses Umstandes bedient sichder Feind; er findet2 eine Neigung (zu irgend etwas Bsem),

    1Vetter 225,12 die inwendig schoener sint gibt keinen annehmbaren Sinn. Corin, SermonsHI, 14, Anm. 2, verweist auf eine Stelle in Predigt 57 (= Vetter Nr. 52), wo von den.Schohaaren" die Rede ist, den bsen Neigungen, die infolge langer Gewohnheit imHintergrund geblieben sind, also sozusagen .inwendig" gewuchert haben. Unter Benutzungdieses Hinweises - Sermons lII, 25 oben - ergibt sich eine vertretbare Obersetzung.

    2Vetter 225,24: es vint". Mit Strauchs Verbesserung in PBB XLIV, 23 er vint" ergibt sicheine brauchbare bersetzung.

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    wie lauter auch dieser Mensch sonst sei, etwa da er eine Neigungzum Zorn habe: sobald der Feind das merkt, so setzt er die Ruder(in dieser Richtung) ein mit aller List und Bosheit. Solche Arbeitverursacht der weltlich(gesinnte) Mensch(dem Feinde) nicht: er

    folgt sogleich. Dem guten Menschen gegenuber verhlt sich derFeind wie einer, der einen Menschen mit Kletten bewirft: er wirfteine nach der anderen auf ihn, bis jener ganz damit behngt ist.

    So verhlt sich der Feind: findet er einen Menschen zum Zorngeneigt, so lt er ihn ein Bild nach dem anderen sehen, das ihnzum Zorn reizt; zuletzt wird der Mensch so zornig und ruft undschreit, als ob er schlagen und stechen wolle. Knnte ein solcherMensch zu sich selber kommen, einen tiefen Fall vor Gott tun inden Grund seiner Demut, falls er keinen Beichtiger aufsuchen kann;knnte er mit dem Gegner sich ausgleichen und ihm genugtun, daer dann, ohne jegliche Entschuldigung, in das Bewusstsein seinesNichts und seines groen Fehlers snke: in einem solchenMenschen schmlze sein Fehler vor Gott wie Schnee vor derheien Sonne; alles wurde gesuhnt; und der Feind zge mit leerenHnden ab. Und wollte der Mensch klug hieraus lernen, so wurde erlauterer werden und geeigneter, um zur Hhe zu steigen.

    Nun wollen wir einen Gegenstand behandeln, der nicht jedermann

    angeht. Arme Menschen, die wir sind, mgen wir erschrecken, vonsolch hohen Dingen zu sagen und zu hren, wenn wir sie nichtselbst erlebt haben. Die, fur die das gilt, wissen davon und knnendoch nicht vollstndig daruber sprechen. Job sprach: "Als derGeist, da im zugegen war, uber mich hinwegzog, strubten sich dieHaare meines Leibes. Jemand war da, dessen Gesicht ich nichtkannte, und ich vernahm eine Stimme wie die eines leichtenHauches.3 In diesem Geist, der Job erschien und sich in Bewegungkundtat, sieht Sankt Gregorius die heilige Menschheit unseres

    Herrn. Die Form, die Job sah und nicht erkannte, war dieunbekannte Gottheit, verborgen und unerkennbar allenGeschpfen. Und er zieht heran, was im ersten Buch der Knige3geschrieben steht: der Engel sprach zu Elias: er solle auf den Bergsteigen, damit der Herr komme.

    3 Das Zitat Taulers ist nach Parsch, a. a. o. berichtigt (Job 4, 15-16); gleich darauf auch diefalsche Angabe aus den Buchern der Knige.

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    Als Elias auf dem Berge stand, kam ein gewaltiger Sturmdahergebraust, der Berge wegri, harte Felsen spaltete, Steine inStucke brach. Aber der Herr war nicht in diesem Sturm. Danngeschah ein groes, gewaltiges Erdbeben: aber darin war der Herr

    nicht; es folgte ein gewaltiges Feuer: doch auch darin erschien derHerr nicht. Endlich wehte ein milder, ruhiger Wind, beruhigend,leise wie ein Murmeln: und darin erschien dem Elias der Herr. Eliashielt sich im Eingang einer Grotte und zog sich den Mantel uber dieAugen. In keiner dieser Weisen, weder in der Bewegung noch in derVerwustung, auch nicht im Feuer kam der Herr. Das alles war (nur)Vorbereitung und Weg zu des Herrn Kommen.

    Nach dem heiligen Gregorius sind die hohen Berge die Menscheneines erhabenen, bedeutsamen Seelengrundes ; die harten Felsenaber, die von der Erschutterung so mitgenommen wurden, sind dieungelassenen Herzen und die Leute, die auf ihren eigenenVorstzen beharren, in harter Eigenwilligkeit und in Ungelassenheit,die groes Aufsehen erregen und beachtliche Werke tun, aber allesmit Eigenwillen4. Will der Herr dann zu diesen Menschen kommen,so mu er zuerst eine groe Bewegung senden, die alles in diesenMenschen umkehrt. Leider gibt es nicht viele Leute, die so mit sichverfahren lassen5. Dies ist die Ursache: sie klammern sich anzeitliche Dinge und verharren in der Anhnglichkeit unsererelenden Natur (an die sinnlichen Dinge) und in sinnlichem Behagen.

    Unter denen jedoch, in welchen jener Sto sich auswirkt und rechtfuhlbar ist, wennschon mehr oder weniger, habe ich vielekennengelernt, die mehr als hundertmal glaubten, mit ihrem Lebensei es zu Ende.

    Ein Mensch fragte unseren Herrn, was er tun solle, da er Tag undNacht glaubte sein Leben einbuen zu mussen, ob er auf solcheWeise sein Leben daransetzen solle. Da antwortete ihm unser Herr:Kannst du das nicht daransetzen und innerlich leiden, was ich inso furchtbarer Weise krperlich litt, an meinen Hnden, meinenFuen und meinem ganzen Leibe?"

    4Die nderung der Zeichensetzung bei Vetter 226,32 ergibt einen besseren Sinn. Vgl. Corin,Sermons III, 17, Anm. 1.

    5Die Beifugung zu Vetter 226,34 die so mit sich verfahren lassen" dient derVerdeutlichung.

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    Diese (innerliche) Erschutterung6 knnen manche Leute nichtertragen; sie laufen hierhin und dorthin. Sie suchen Ruhe auerhalbund finden keine. Sie sollten sich in Geduld schicken und sich bis inden Grund in das Leiden fugen. Was glaubt ihr wohl, was demSterben (dieser Menschen) folgen werde? Das ist wunderbar.

    Wre ein Mensch so rein, als er unmittelbar nach seiner Taufegewesen ist, htte er niemals eine Sunde begangen, er muteselbst dann, wollte er zur hchsten Stufe der lebendigen Wahrheitemporsteigen, durch diese Bewegung hindurch auf diesem Weg invollkommener Gelassenheit voranschreiten: sonst bliebe er zuruck.

    Nach dieser Erschu tterung kam Feuer: der Herr aber kam darinnicht und war auch nicht darin. Meine Lieben, das ist die

    brennende Liebe, die verzehrt Mark und Blut, und in der gert derMensch ganz auer sich, Ein Mensch ergluhte einst so sehr,innerlich und uerlich von diesem Brand, da er keinem Strohnahe zu kommen wagte aus Furcht, er werde es entzunden7. Einanderer, er lebt noch, konnte infolge dieser Glut nur im Winterschlafen, wenn viel Schnee gefallen war. Dann wlzte er sich imSchnee und schlief ein, und sogleich verwandelte sich der Schneerings um ihn fern und nahe in Wasser. Seht, so dringt die feurigeLiebe durch den Geist in den (menschlichen) Krper ein.

    In alldem aber kam der Herr nicht. Dann geschah ein sanftes,mildes, leises Raunen, wie (einer Menschenstimme) Wispern: unddarin erschien der Herr.

    Ach, meine Lieben, was glaubt ihr wohl, was das war, worin derHerr kam? Wenn der Herr in den Menschen kommt nach all diesenungestumen und starken Vorbereitungen, die soviel Bewegung und

    Getu mmel hervorgerufen, und wenn alles, was in der armenMenschennatur und im Menschengeist ist, so durchgluht ist, und

    dann der Herr selber kommt, was glaubt ihr wohl, was dageschehen werde?

    6Zu Vetter 227,9: Wrtlich: dieses innere Treiben"; deutlicher: diese innereErschutterung". So hnlich bald darauf nochmals.

    7Vetter, 227,22: empfangen"; Corin schlgt, Sermons III, 18 und Anm. 2, entfunkt" vor,was einen besseren Sinn gibt.

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    Wisset: erhielte Gott die Natur (des Menschen) nicht inubernaturlicher Weise, so knnte ein Mensch, und htte er auchdie hundertfache Kraft, aus eigener Kraft solch eine Freude, soWunderbares nicht ertragen. Und doch dauert das nur einenAugenblick.

    Der Herr kam wie ein Blitz. Aber der Glanz (seines Blickes)uberschritt jegliches Ma; er war so gewaltig, da Elias, im Eingangder Hhle stehend, den Mantel uber die Augen zog. Die Hhlebedeutet die menschliche Unfhigkeit (dergleichen zu ertragen),der Eingang nichts anderes als den Blick in die Gottheit. Und da erden Mantel uber die Augen zog, die Ursache dessen war die

    (gttliche) Erscheinung. So kurz und rasch verlaufend ein solchesGesicht auch sein mag, es geht uber die Krfte jederMenschennatur, und diese allein knnte es weder ertragen nochbegreifen.

    Dieses Gesicht ist wahrhaftig Gott. Der Herr ist in Wahrheitzugegen. Die Suigkeit (dieses Geschehens) geht uber Honig undHonigseim und das gilt unter den ueren Dingen fur dassueste. Solch ein Gesicht geht uber alle Sinne, jedes Verstndnis,alle Krfte und verliert sich in unergrundlicher Tiefe. Wie einkrankes Auge das Sonnenlicht nicht ertragen kann, tausendmalweniger vermag die (menschliche) Natur infolge ihrer Schwchediese Empfindung (Gottes) zu ertragen.

    Was man auch davon sagen mag, wie gro und gut man mit denSinnen, den Worten, der Fassungskraft (solch ein Gesicht)darzustellen versucht, es bleibt ebensoviel und -weit hinter derWahrheit zuruck, als ob ich euch von einem Stuck schwarzer Kohlesagte: Seht, das ist die klare Sonne, die alle Welt erleuchtet."

    Hier wird, ihr, meine Lieben, der wahre, wesentliche Friedegeboren, der Friede, der alle Sinne ubertrifft. Ein Mensch (der solchein Gesicht gehabt), ist von da ab im wesentlichen Friedengegrundet, und niemand vermag ihm diesen Frieden zu nehmen.Was die Gestalt angeht, die Job erblickte, doch nicht erkannte, sowar das die liebevolle Person des Sohnes in der Gottheit, und dassanfte, leise Raunen, in dem der Herr kam, war der Heilige Geist.

    Sankt Gregorius fragt hierzu: Was bedeutete das, da (Gott) in

    stillem Raunen und nicht mit lautem Lrm kam?"

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    Und als Ursache gibt er an: Der Herr kommt fur die uerenMenschen in sinnlicher Weise, damit sie in uerer Ttigkeit fur dieChristenheit wirken knnten. Aber (im Fall des Job) war dieseWeise nicht vonnten. Da diese Erscheinung im Geist kam,

    bedurfte es keiner anderen Weise." Selig der Mensch, wann immerer geboren ist, der auch nur einen Augenblick vor seinem Tod zudiesem groen Besitz kommt.

    Doch wisset: Wie gro und gut (solch ein Besitz) sei, so ist erdoch so wenig der Sussigkeit des ewigen Lebens zu vergleichenwie der geringste Tropfen Wasser dem grundlosen Meer.

    Wo aber bleiben, wohin gelangen die Menschen, denen dieseunaussprechliche Freude, dieses Wunder dargeboten und erffnet

    worden ist? Sie versinken in ihr abgrundiges Nichts inunaussprechlicher Weise. Ihre Freude wre, hundertmal wredies mglich zunichte zu werden, Gott zum Lob, oder da sievor Gottes hohem Sein um seiner groen Wurde willen und ausLiebe zu ihm ins Nichtsein hinabsteigen knnten. Vor GottesHoheit wollten sie gerne in den tiefsten Grund sinken. Denn jemehr sie seine Hoheit erkennen, um so mehr wird ihnen ihreKleinheit und ihr Nichts deutlich.

    In dieser Vernichtung sind sie ihrem eigenen Selbst so sehrentzogen, da, wollte Gott ihnen des Trostes und des Empfindens(das sie durch jenes Gesicht erhielten) noch mehr geben, sowollten sie es nicht und eilten davon; und wollten sie wirklich mitfreiem uberlegtem Willen (jenes Trostes und jener Empfindung)mehr erlangen, so wurde bei ihnen nichts Rechtes daraus; ja sieknnten leicht in Fehler fallen und Fegfeuer dafur leiden mussen:und das wre ein Zeichen dafur, da es mit ihnen nicht durchausgut stunde8.

    Die liebende Kraft freilich mu stets den gleichen Durst spuren,Vernunft und Urteil aber fliehen hinweg. Diese Menschen habenden heftigsten Durst nach Leiden. Fur all die Freude und den Trost,den Gott ihnen gegeben hat, suchen sie dem liebevollen Vorbildihres Herrn nachzufolgen und verlangen danach in der hrtesten,schimpflichsten, schmerzhaftesten Weise, die man (nur) ertragenkann.

    8Zu dieser bei Vetter 229,18 schwer verstndlichen Stelle gibt Corin III, 21 eine einsichtigebertragung.

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    Sie durstet nach dem Kreuz, und sie beugen sich voll Liebe undinnigen Begehrens unter das geliebte Kreuz des von ihnengeliebten Heilandes. Da wird das heilige Kreuz erhoben. Das ist desheiligen Kreuzes (Fest)tag in Wahrheit. Denn das Leiden lieben sie

    so sehr, und hier wird das Vorbild unseres Herrn nachgeahmt inseinem wahren Adel.

    Sankt Paulus, der edle Himmelsfurst, der in den Himmel entrucktwar, sprach: Fern sei mir, mich zu ruhmen, auer im Kreuz meinesHerrn Jesus Christus." Und unser lieber Job sagte: Erhngt willmeine Seele werden, den Tod erwhlt hat all mein Gebein."

    Das hatte er erwhlt fur all das Gute, das Gott ihm erwiesen hatte.Das Hngen am Kreuz bereitet den grten Schmerz, da sein Gott

    um seinetwillen an dem Kreuz hing. (Ist in einem Menschen derWunsch erwacht, dem leidenden, gekreuzigten Heilandnachzufolgen9), so schickt Gott ihm die furchtbarste Finsternisund das tiefste Elend vollkommener Verlassenheit. Wie behauptetesich die liebende Kraft, die im Brand der Liebe derart empfangenward und nun ganz und gar zu Boden geschlagen und allerEmpfindung des Trostes beraubt worden ist?

    Da kommt Vernunft und Urteil und spricht zur Liebeskraft:

    Sieh, Liebender, das ist, was dein Geliebter dir hinterlassen, waser den von ihm Geliebten zuruckgelassen hat, eine Seele Gottesvoll und eine Natur voller Leiden." Und je nachdem die Liebeweniger oder mehr brennt, um so mehr und besser freut sich einMensch dieses Erbes, mehr sogar als aller Trost ihn je erfreut hat.

    Das ist das begehrenswerte Erbe, das unser Herr seinen Freundendurch den Propheten versprochen hat, und je edler sie dieses Erbeerheben und lieben, um so mchtiger, innerlicher, seliger werden

    sie das himmlische Erbe in alle Ewigkeit besitzen. Dieses Erbehaben die heiligen Mrtyrer mittels ihrer groen Liebe erlangt.(Was) die Menschen (betrifft) (von denen ich gesprochen habe),so glauben sie, da sie erst zu leben angefangen, und sie fuhlensich recht als Anfnger.

    9Eine bei Corin, Sermons III, 22, Anm. 1 angegebene Erluterung ist in den Textaufgenommen (Ist.. . nachzufolgen").

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    Ach, da dieses kstliche, auergewhnliche, groe, wahre, lautereGut nicht erstrebt, da es um so geringer, unbedeutender Dingewillen vernachlssigt wird, das mu den barmherzigen Gotterbarmen und ihm immer mehr geklagt sein.

    Da wir alle den rechten Weg gehen und zu dem erhabensten Zielkommen mgen, dazu helfe uns Gott.

    AMEN.