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Produktehaftpflicht
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Produktehaftpflicht und KMU
Referat anlässlich des 7. Technikertages der SH-Holz am 15. Februar 2003
von Matthias Frey, Fürsprecher und Dozent SH-Holz.
1. Einleitung
Seit dem 01. Januar 1994 ist das Bundesgesetz über die Produkthaftpflicht in Kraft. Die
Schweiz hat damit eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 1985 fast wortwörtlich umgesetzt.
Beim Inkrafttreten wurde eine wesentliche Haftungsverschärfung erwartet oder je
nachdem auch befürchtet. Teilweise wurde sogar von „amerikanischen“ Verhältnissen
gewarnt. Diese Befürchtungen sind nicht eingetroffen. In Wirklichkeit hat das Gesetz
aber nur ganz wenige Gerichtsfälle produziert. Alles also nur heisse Luft? - Sicher nicht,
denn die fehlende Gerichtspraxis hat vor allem damit zu tun, dass Haftpflichtfälle
aussergerichtlich beigelegt werden. Schon ein kurzer Blick auf ein paar aktuelle Fälle
zeigt, wie virulent das Thema nach wie vor ist: Hüftgelenke von Sulzer Medica, Asbest
von ABB, etc. Zudem wird allgemein erwartet, dass auch in Europa und in der Schweiz
die Zahl der Haftpflichtprozesse zunehmen wird. Dies hat einerseits mit der steten
Zunahme von Massengütern zu tun. In Zukunft werden auch fehlerhafte
Dienstleistungen vermehrt zu Haftpflichtprozessen führen, denn auch eine fehlerhafte
Software ist ein Produkt, das unter das Produkthaftpflichtgesetz fällt. Auf der andern
Seite ändert sich das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger: Wer einen
Schaden erlitten hat, sucht heutzutage viel schneller nach einem Haftpflichtigen als
früher. Ein Unternehmen, das in der Regel über mehr Kapital verfügt als eine
Privatperson, eignet sich dazu natürlich vorzüglich. Schreckgespenst aus europäischer
Sicht sind hier die bekannten und oft auch sagenumwobenen US-amerikanischen
Haftpflichtprozesse - die Sammelklagen oder der berühmte heisse Kaffee auf den
Unterschenkeln der Konsumentin. Diesbezüglich kann ich beruhigen: Solche Urteile sind
in Europa (aus verschiedenen Gründen) undenkbar.
Auf der andern Seite will und darf ich aber auch nichts verharmlosen: Das
Produkthaftpflicht ist ein sehr strenges Gesetz, welches an die Hersteller hohe
Anforderungen bezüglich Sicherheit und Kontrolle ihrer Produkte stellt. Oft wiegen sich
die Produzenten in falscher Sicherheit, weil sie die Tragweite des Gesetzes nicht
erkannt haben. In diesem Referat geht es deshalb nicht zuletzt darum, diese unter
Umständen verhängnisvollen Irrtümer zu korrigieren. Es soll aber auch aufgezeigt
werden, wie der Produzent sich gegen Haftpflichtansprüche absichern kann.
Naturgemäss erfolgen die nachfolgenden Äusserungen aus streng juristischem
Blickwinkel. Sie stützen sich zu einem wesentlichen Teil auf das Buch „Management der
Produkthaftpflicht, ein Leitfaden für KMU, Grossunternehmen und die Advokatur“ von
Eugénie Holliger-Hagmann, welches an dieser Stelle auch Nicht-Juristen ausdrücklich
zur Lektüre empfohlen sei.
2. Grundzüge der gesetzlichen Regelung
Ich möchte im Folgenden in der gebotenen Kürze die wichtigsten Begriffe des
Produkthaftpflichtgesetzes (kurz PrHG) erläutern. Ich erhebe dabei keinen Anspruch auf
Vollständigkeit, sondern konzentriere mich auf gewisse Aspekte, welche mir für das
anwesende Publikum von besonderem Interesse zu sein scheinen.
2.1 Grundsatz
Das Produkthaftepflichtgesetz ist im Wesentlichen ein Konsumentenschutzgesetz.
Diese Tatsache muss bei den nachfolgenden Ausführungen stets im Auge behalten
werden.
2.2 Hersteller
Das PrHG definiert den Herstellerkreis in Art. 2 und zieht ihn sehr weit. Hersteller ist
nicht nur, wer das Produkt von Grund auf (selber) herstellt, sondern jedermann, dessen
Tätigkeit am Ende dazu führt, dass ein Produkt vorhanden ist, das vorher nicht in
dieser Form existierte.
Hersteller ist also auch der Montagebetrieb (“Assembler“) oder wer das Produkt mit
Zubehör versieht, unter Umständen sogar, wer es verpackt, sofern das Produkt durch
die Verpackung beeinflusst wird. Keine Herstellertätigkeit ist dagegen der blosse „Make-
Ready“-Service, also z.B. das Einlegen von Batterien in ein Handy. Aber sobald der
Verkäufer z.B. bei einer Kreissäge den Handschutz entfernt, wird er zum „Hersteller“ im
Sinne des PrHG, da er das Produkt verändert, d.h. gefährlicher macht.
Erfasst sind zudem auch Personen, die sich als Herstellerin ausgeben, indem sie ihren
Namen oder ihr Warenzeichen auf dem Produkt anbringen (sog. Quasi-Hersteller) und
schliesslich sogar, wer ein Produkt im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit zum Vertrieb
einführt.
Die Idee hinter diesem weiten Herstellerbegriff ist, die ganze Produktions- und
Vertriebskette vom Zulieferer über den Hersteller des Endprodukts, den Importeur bis
zum Lieferanten, d.h. dem Detaillisten, zu erfassen. Weil es für den Konsumenten vor
allem im grenzüberschreitenden Verkehr mit Massengütern schwierig sein kann, den
ursprünglichen Hersteller ausfindig zu machen, darf sich der Konsument an irgendein
Glied der Produktions- und Vertriebskette halten. Deshalb besteht auch unter allen
Personen, die den Herstellerbegriff des PrHG erfüllen, eine solidarische Haftung.
2.3 Produkt
Produkte sind grundsätzlich alle beweglichen, körperlichen Sachen, die zum
Zwecke der kommerziellen Nutzung hergestellt werden. Es spielt keine Rolle, ob sie
in handwerklicher oder industrieller Produktion hergestellt wurden. Unwesentlich ist
auch, ob sie für private oder für geschäftliche Zwecke verwendet werden. Auch wenn
das Produkt zur Nutzung im eigenen Betrieb hergestellt wird, untersteht es dem
Produkthaftpflichtgesetz.
Keine Rolle spielt, wenn nur ein Teil des Produkts fehlerhaft ist: Ein fehlerhaftes
Teilprodukt z.B. ein undichter Hydraulikschlauch macht unter Umständen das ganze
Endprodukt (die ganze Maschine) fehlerhaft. Auch die Verpackung zählt zum Produkt!
Ebenso die Gebrauchsanleitung. Eine fehlerhafte Gebrauchsanleitung kann ein an sich
fehlerfreies Produkt zu einem gefährlichen Ungetüm machen, etwa wenn sie denn
Kunden dazu bringt, ein Büchergestell falsch zusammenzusetzen.
Als Besonderheit gilt, dass eine bewegliche Sache immer beweglich bleibt, dies im
Unterschied zum ZGB. Somit bleibt auch nach dem Einbau in das Bauwerk alles
Baumaterial und Bauzubehör wie Leitungen. Stecker, Schalter, Bodenbeläge, Farben,
Lacke, Armaturen, Geländer, Treppenstufen, Fenster, Einbauschränke, Boiler, Lifte etc.
eine bewegliche Sache und somit dem PrHG unterstellt.
Der Produkthaftpflicht unterstehen nicht nur fabrikneue, sondern auch ältere, gebrauchte
Produkte, im Extremfall sogar Abfälle. Je älter das Produkt ist, desto weniger streng wird
jedoch die Haftpflicht des Herstellers zu beurteilen sein, da der Kunde an ein solches
nicht dieselben Anforderungen stellen kann, wie an ein neues.
Fazit: Auch beim Produktbegriff geht das PrHG also von einem sehr weiten Begriff aus.
2.4 Schaden, Verschulden Kausalität
Das PrHG lässt den Hersteller ohne Verschulden, d.h. kausal. für Personenschäden
und Schäden an privat genutzten Sachen haften, die durch ein von ihnen in Verkehr
gebrachtes fehlerhaftes Produkt verursacht wurden.
Anders als nach OR kann sich der Hersteller hier also nicht damit entschuldigen, dass
ihn an der Fehlerhaftigkeit des Produkts keine Schuld treffe. Dies ist vor allem eine
Beweiserleichterung für den Konsumenten, denn das Verschulden des Herstellers ist oft
schwer zu beweisen, da es oft um innerbetriebliche Abläufe geht, welche für
Aussenstehende schwer durchschaubar sind.
Dagegen muss der Geschädigte die Kausalität des Produktfehlers für den Schaden, den
er erlitten hat, beweisen. Der Kausalzusammenhang wird unterbrochen durch höhere
Gewalt, Drittverschulden, oder was in der Praxis am wichtigsten ist, durch grobes
Selbstverschulden. Mit dieser Begründung hat das Bundesgericht z.B. die Klage einer
Frau abgewiesen, die sich beim Duschen verbrannt hatte, ohne dass der Mischregler
einen Fehler aufwies.
Gehaftet wird einerseits für Personenschäden, d.h. körperliche Schädigungen welche
eine Person erleidet, andererseits für Sachschäden. Letztere werden aber nur gedeckt,
sofern eine Sache beschädigt wird, die dem Kunden zum privaten Gebrauch dient. Bei
Sachschäden muss der Geschädigte zudem einen Selbstbehalt von Fr. 900.--
übernehmen. Er kann jedoch diesen Betrag gestützt auf das OR einklagen.
2.5 Produktfehler
Ein Fehler ist ein Sicherheitsmanko. Ein Produkt hat diejenige Sicherheit zu
bieten, die von der Allgemeinheit berechtigterweise erwartet wird. Es gilt ein
absolutes Nullfehler-Prinzip!
Es spielt keine Rolle, wie oder in welchem Stadium der Fehler entstanden ist. Ein Fehler
in der Entwicklungsphase wird genauso erfasst wie der unerklärliche Maschinenfehler
oder ein Ausreisser. Die einzige Ausnahme ist der sog. Entwicklungsfehler, d.h. ein
Fehler, der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Moment des Inverkehr-
Bringens nicht erkannt werden konnte. Nur bei derartigen Fehler (also nicht bei jedem
Fehler, der bei der Entwicklung entsteht) ist die Haftung des Herstellers ausgeschlossen.
Massgebend für die Anforderungen an die Sicherheit eines Produkts ist die „berechtigte
Erwartung der Allgemeinheit“. Der Hersteller kann sich also nicht auf das Verlassen, was
er selber für „Produktsicherheit“ hält. Auch die Einhaltung bestimmter Richtlinien und
Normen garantiert keineswegs, dass die Produkte als sicher im Sinne des PrHG
eingestuft werden können. Z.B: unterscheiden die EN ISO 9000er Normen zwischen
Fehler (nonconformity, non conformité) und Mangel, d.h. zwischen Nichterfüllung einer
Anforderung und Nichterfüllung einer Anforderung in Bezug auf einen beabsichtigten
oder festgelegten Gebrauch. Dieser Unterschied ist für die Produkthaftpflicht belanglos.
Ein Produkt kann die Anforderungen in Bezug auf den beabsichtigten oder festgelegten
Gebrauch erfüllen, aber unsicher sein, es kann aber auch sicher sein, obwohl es den EN
ISO-Normen nicht entspricht. Es muss an dieser Stelle vor gefährlicher
Normengläubigkeit gewarnt werden. Diese Normen genügen für den Bereich der
Verschuldenshaftung, indem einen Hersteller, der sich daran hält, sicher kein
Verschulden trifft. Das Problem an den Normen ist, dass es sich dabei teilweise um nicht
rechtsverbindliche Regeln handelt (vgl. Art. 3 des Bundesgesetzes über die technischen
Handelshemmnisse [THG], aber auch die Produktsicherheitsrichtlinien der EU). Dies
entspricht dem Konzept der EU (das die Schweiz übernommen hat), Sicherheitsziele zu
definieren und es dem Hersteller zu überlassen, wie er sie erreicht. Kommt dazu, dass
gewisse schweizerische Gesetze, z.B. das Bundesgesetz über die Sicherheit von
technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) noch nicht dem EU-Standard und damit
nicht dem PrHG-Standard entsprechen. In diesem Fall darf man sich nicht einmal auf
das Gesetz verlassen!
Was ist „die Allgemeinheit“? Massstab ist der durchschnittlich verständige und
gelegentlich auch leichtsinnige Konsument, den es in jedem Schadenfall zu definieren
gilt. Es ist hier also letztlich von den Richterinnen und Richtern ein gewisser gesunder
Menschenverstand gefragt, der in Europa in der Regel gegeben ist.
Der Fehler des Produkts kann auch erst durch eine falsche Werbung oder Präsentation
entstehen. Wer z.B. mit einer Sicherheit wirbt, welche das Produkt gar nicht bietet, haftet
dafür. Auch wenn in der Werbung ein falscher Gebrauch der Sache suggeriert wird
(etwa das Benutzen eines Solariums ohne UV-Schutz für die Augen), haftet der
Hersteller. Angaben des Herstellers über Belastbarkeit, Materialstärke, Tragkraft,
Füllkapazität etc. schaffen ein „blindes“ Vertrauen der Allgemeinheit, d.h. die Gerichte
gehen - zu Recht - davon aus, dass der Konsument sich auf diese Angaben verlassen
können muss.
Ein weiteres Kriterium für die Produktsicherheit ist der Gebrauch, mit dem
vernünftigerweise gerechnet werden kann. Wenn das Produkt vom Konsumenten zu
einem völlig abwegigen Zweck gebraucht wird, haftet der Hersteller nicht. Versucht also
ein Konsument z.B., mit einem elektrischen Rasenmäher eine Hecke zu schneiden (!),
durchtrennt dabei das Kabel und erleidet einen Stromschlag, ist die Haftung des
Herstellers sicher ausgeschlossen (N.B. anders in den USA: Dort hat ein Gericht in
diesem absurden Fall die Haftung des Herstellers bejaht!). Ausgeschlossen ist die
Haftung aber erst dann, wenn das Produkt völlig ausserhalb seiner
Zweckbestimmung benutzt wird. Jeder Hersteller muss also in gewissem Mass damit
rechnen, dass seine Produkte falsch gebraucht werden. Der deutsche
Bundesgerichtshof verurteilte z.B. Hersteller eines Metallreinigers, weil ein Lehrling
starb, nachdem er am Produkt gesnifft hatte, weil die Packung keine entsprechende
Warnung enthielt. Der Fehlgebrauch wurde also in diesem Fall nicht als „völlig abwegig“
beurteilt.
Wichtig ist auch, dass der Hersteller auf veränderte Sicherheitserwartungen des
Publikums reagiert. Es ist nicht gesagt, dass ein Produkt, das heute als sicher gilt, auch
morgen noch als sicher beurteilt wird. Massgeblich für die Beurteilung ist immer der
Zeitpunkt des Inverkehr-Bringens. Deshalb sagt das Gesetz auch ausdrücklich, dass ein
Produkt nicht allein deshalb fehlerhaft ist, weil später ein verbessertes Produkt in
Verkehr gebracht wurde.
Schliesslich gilt: Gewiss sind bei einem billigeren Produkt die berechtigten
Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit tiefer, doch auch das billigste Produkt muss
eine gewisse Basissicherheit bieten. Die Tatsache, dass ein sicheres Produkt
unermesslich teuer würde, kann den Hersteller aber nicht entlasten. Wenn die Sicherheit
nicht gewährleistet ist, darf das Produkt eben gar nicht auf den Markt gelangen.
2.6 Entlastungsgründe des Herstellers
Es gibt sieben Entlastungsgründe des Herstellers:
- Keine Inverkehr-Setzung: Für Produkte, die gar nicht (oder nicht von diesem
Hersteller) in Verkehr gebracht wurden, besteht keine Haftung. Es gilt das sog.
„Werktorprinzip“ d.h. ein Produkt gilt als in Verkehr gesetzt, sobald es das Werktor
passiert hat. Zu beachten ist jedoch, dass für jeden Hersteller innerhalb der
Produktions- und Vertriebskette ein anderer Zeitpunkt massgebend sein kann. Auch
die Präsentation an Messen und Ausstellungen oder ein Muster sind „Inverkehr-
Setzungen“. Heikel ist die Sache bei Prototypen.
- Späteres Hinzutreten des Fehlers: Der Hersteller kann beweisen, dass das
Produkt zum Zeitpunkt, als es das Werktor verliess, noch fehlerfrei war. Dazu ist eine
lückenlose QM-Dokumentation, aus der sich die grundsätzliche Fehlerfreiheit jedes
einzelnen Exemplars der Produkte schlüssig ableiten lässt, notwendig. Ein
übermässiger Verschleiss kann aber trotzdem als Indiz für die Fehlerhaftigkeit des
Produkts gewertet werden.
- Fehlende Gewinnabsicht: Das Produkt darf nicht für einen wirtschaftlichen Zweck
hergestellt worden sein und gleichzeitig dürfen Herstellung und Vertrieb nicht im
Rahmen der beruflichen Tätigkeit erfolgt sein. Diese beiden Voraussetzungen
werden praktisch nie gegeben sein.
- Staatlich erzwungener Fehler: Dieser Entlastungsgrund wird oft missverstanden,
er besagt nicht, dass ein normenkonformes Produkt fehlerfrei ist. Die Ausnahme
setzt nämlich voraus, dass der Hersteller vom Staat gewissermassen gezwungen
wird, dieses Produkt so zu produzieren und dass überdies die staatliche Vorschrift
die einzige Fehlerquelle ist.
- Entwicklungsfehler: Damit ist nicht jeder Fehler bei der Entwicklung gemeint,
sondern nur einer, der sich nach Stand der Wissenschaft und Technik unmöglich hat
erkannt werden können. Massgebend ist der weltweite Stand, und zwar
branchenübergreifend!
- Entlastung für den Zulieferer: Der Zulieferer kann beweisen, dass der Fehler
durch die Konstruktion des Produkts, in das der Grundstoff oder das Teilprodukt
eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitung der Herstellerin dieses Produkts
verursacht worden ist. Der Zulieferer haftet also nicht für Konstruktionsfehler des
Hauptproduzenten und nicht für dessen fehlerhafte Anweisungen.
- Entlastung für den Lieferanten: Der Lieferant kann den Kopf aus der Schlinge
ziehen, indem er den Hersteller bzw. Vorlieferanten bekanntgibt oder bei einem
ausländischen Erzeugnis den Importeur.
- Verjährung und Verwirkung: Die Ansprüche des Geschädigten verjähren drei
Jahre nach Kenntnis bzw. Kennen-Müssen des Schadens. Nach 10 Jahren seit
Inverkehr-Bringung ist die Forderungen verwirkt. Das Datum der Inverkehr-Bringung
muss durch Auslieferungsbelege oder anhand der QM-Dokumentation bewiesen
werden. Das OR kennt kürzere Fristen, d.h. wenn ein Anspruch nach PrHG verjährt
ist, ist er es auch nach OR.
2.7 Besonderheiten des PrHG
- Ein Auschluss der Haftung des Herstellers ist gemäss Art. 8 PrHG nichtig!
- Subsidiär haftet der Hersteller immer auch nach OR.
3. Strategien zur Gewährleistung der Produktsicherheit
3.1 Ausgangslage: Mögliche Fehlerquellen
Um sinnvolle Strategien zu entwickeln, muss man sich zuerst bewusst machen, wo am
ehesten Fehler passieren können. Grundsätzlich gilt: Überall, von der Marktforschung,
Produktdesign und Entwicklung bis zur Prozessplanung und -entwicklung, Beschaffung
Produktion und Erbringung von Dienstleistungen, von Verpackung, Lagerung, Verkauf
und Verteilung, Montage und Inbetriebnahme, von technischer Unterstützung bis zur
Beseitigung und Wiederverwertung des Produkts kann etwas schiefgehen.
Bedenkenswürdig sind v.a. die folgenden Probleme:
- Schnittstellen zwischen den einzelnen Prozessen sind immer neuralgische Punkte
- dezentralisierte Herstellung (Outsourcing)
- Stetig verkürzte Durchlaufzeiten der Produkte
- Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes
- Sparvorgaben
- eine häufige Ursache sind aber auch simple Berechnungs- oder Denkfehler.
3.2 Strategien zur Gewährleistung der Produktsicherheit
Das oberste Ziel ist schnell gesagt, oft aber gar nicht so leicht zu erreichen. Das
Zauberwort heisst Nullfehlerprinzip. Produktsicherheit beginnt bei einem fehlerlosen
Produkt, d.h. einem Produkt, das den berechtigten Sicherheitserwartungen der
Allgemeinheit genügt.
Um dies zu erreichen ist ein angemessenes Risk Management notwendig:
a) Risk Management
Das Risk Management ist in jedem Qualitätsmanagement zentral. Schon genannt
worden ist die Notwendigkeit, über eine lückenlose QM-Dokumentation zu verfügen.
Das fehlerloseste Produkt nützt nichts, wenn nicht bewiesen werden kann, dass der
vom Geschädigten behauptete Fehler erst nach Inverkehr-Bringen entstanden ist.
Mit der Dokumentationspflicht einher geht auch die Aufbewahrungspflicht, da auch
etliche Jahre nach Inverkehr-Bringen die ursprüngliche Fehlerlosigkeit des Produkts
noch bewiesen können werden muss. Natürlich sind hier die QM-Normen eine
wichtige Stütze, auch wenn man sich wie erwähnt nicht blind auf sie verlassen darf.
Das Risk Management muss den ganzen Entwicklungs-, Produktions-, und
Vertriebsprozess und auch die Zeit danach überwachen. Besonderes Augenmerk
verdienen dabei wie erwähnt sicher die Schnittstellen. Es muss gewährleistet
werden, dass veränderte Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit erkannt werden,
dass die Unternehmung stets auf dem neusten Stand von Wissenschaft und Technik
ist, dass Änderungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung erkannt werden etc..
Exportierende Firmen müssen unbedingt die rechtlichen Gegebenheiten in ihren
Zielländern kennen. Kurzum: Das Risk Management soll die Nullfehlerstrategie
verfolgen und gewährleisten. Grössere Unternehmen verfügen mit Vorteil über eine
eigene Risk Management Abteilung, welche alle Prozesse überwacht. Es gilt auch
hier: Vier Augen sehen mehr als zwei.
Wichtig ist auch die Ausarbeitung von juristisch einwandfreien Verträgen. Es ist
ratsam, dafür stets erfahrene Juristen beizuziehen.
b) Stetige Überwachung des Produkts
Wie erwähnt beginnt Produktsicherheit beginnt nicht erst mit dem
Produktionsprozess, sondern schon viel früher. Sie hört auch nicht einfach auf, wenn
das Produkt den Herstellerbetrieb verlässt, sondern geht weiter, oft bis zur
Entsorgung. Von zentraler Bedeutung ist hier eine umfassende
Produktbeobachtung. Der Hersteller muss über den Stand von Wissenschaft und
Technik informiert sein und die Änderungen der Sicherheitserwartungen der
Allgemeinheit berücksichtigen. Beides kann sich während des
Produktentwicklungsprozesses ändern. Massgebend für die Produktsicherheit ist
dann aber der Zeitpunkt des Inverkehr-Bringens. N.B: Der Stand von Wissenschaft
und Technik wird nicht branchenspezifisch beurteilt. Auch Kenntnisse aus andern
Branchen sind zu berücksichtigen, und dies weltweit!
Der Hersteller muss sich durch ein Reporting-System vergewissern, dass
sicherheitsrelevante Informationen zu ihm gelangen. Kundenbeschwerden müssen
erfasst werden, Fragebögen erstellt und ausgewertet, Umfragen, Medienberichte etc.
berücksichtigt werden. Besteht der ernsthafte Verdacht, ein Produkt könnte
fehlerhaft sein, hat eine Warnung oder gar ein Rückruf zu erfolgen. Ein Rückruf ist
sicher eine teure Angelegenheit, aber immer noch billiger als der möglicherweise zu
begleichende Schaden. Bei einem Rückruf zu sparen, lohnt sich nicht, denn er hat
nur einen Sinn, wenn wirklich alle gefährlichen Produkte aus dem Verkehr gezogen
werden. Jeder Betrieb sollte ein funktionierende Rückrufkonzept haben.
c) Instruktion
Teil eines umfassenden Risk Managements ist auch eine gute Instruktion des
Kunden. Eine gute Anleitung vermittelt dem Konsumenten den gefahrlosen Umgang
mit dem Produkt. Voraussetzung ist und bleibt aber, dass das Produkt selber schon
sicher ist. Man kann nicht ein gefährliches Produkt dadurch PrHG-tauglich machen,
indem man in einer Gebrauchsanweisung darauf hinweist, dass es eigentlich nichts
taugt... Gewarnt werden muss auch vor einem allfälligen Fehlgebrauch. Die
Gesundheitsrisiken müssen konkret genannt werden. Die Instruktion soll alle
Lebensphasen des Produkts erfassen - auch die sichere Entsorgung!
Selbstverständlich sind gesetzliche Vorschriften einzuhalten, wie etwa die
Gefahrenwarnung gemäss Spielzeugverordnung. Die Instruktion muss klar und in
allgemein verständlicher Sprache abgefasst sein. Es lohnt sich nicht, bei der
Erstellung einer Gebrauchsanweisung zu sparen.
d) Versicherung
Für den Fall, dass doch einmal etwas schief gehen sollte, muss eine Versicherung
mit genügender Deckungssumme abgeschlossen werden. Deren Höhe variiert je
nach Betriebsrisiko, Umsatzhöhe etc..
4. Schlussbetrachtung und Ausblick
Vielleicht haben Sie sich nun die ganze Zeit gefragt, wie ein unter Umständen kleines
Unternehmen in wirtschaftlicher und personeller Hinsicht die hohen Anforderungen des
PrHG erfüllen soll. In der Tat dürften sich hier Probleme ergeben. Das PrHG definiert
Standards unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten eines einzelnen Betriebes
oder einer Branche. Es ist eben von der Konzeption her ein Konsumentenschutzgesetz.
Heutige Konsumenten haben hohe Sicherheitserwartungen und neigen dazu, für jeden
Schaden, den sie erleiden, den Hersteller verantwortlich zu machen. Diese Haltung ist
im Grunde genommen schizophren. Unter Umständen sind die Verbraucher bereit,
grosse Risiken einzugehen. Sie fahren schnell Auto, springen am Gummiseil von
Staumauern, lassen sich durch Wildbäche hinuntertreiben, aber wenn sie sich am
Klappstuhl den Finger einklemmen, klagen sie den Hersteller ein.
Dieser Trend wird sich in der Zukunft sicher noch verstärken, ohne dass gleich
amerikanische Verhältnisse befürchtet werden müssen. Jedenfalls ist es unbedingt
notwendig, die Produktionsprozesse ständig zu überprüfen und den gesellschaftlichen
Entwicklungen anzupassen, damit auch in Zukunft Produkte hergestellt werden, die den
Sicherheitsvorstellungen der Allgemeinheit entsprechen.
Es versteht sich von selbst, dass das nicht gratis ist: Eine verbesserte Produktsicherheit
ist fast immer mit zusätzlichem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden. Dieser
Aufwand wird sich aber letztlich lohnen. Schliesslich geht es für das Unternehmen nicht
nur um Geld, sondern auch darum, einen gravierenden Imageschaden zu verhindern.
Dazu reicht es nicht, einen Haftpflichtprozess mit Hängen und Würgen zu verhindern
oder eine gute Versicherung zu haben. Bestes Gegenmittel gegen Imageschäden sind
eindeutig seriös produzierte, fehlerfreie Produkte. In diesem Sinn kann das
Produkthaftpflichtgesetz - gerade weil es so streng ist - also auch eine Chance sein, da
es die Produzenten zu maximaler Produktsicherheit zwingt.