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Teil 3: GESUNDHEITSGEFAHREN 3.1. Akute Toxizität 3.1.1. Begriffsbestimmung 3.1.1.1. Akute Toxizität: jene schädliche Wirkungen, die auftreten, wenn ein Stoff oder Gemisch in einer Einzeldosis oder innerhalb von 24 Stunden in mehreren Dosen oral oder dermal verabreicht oder 4 Stunden lang eingeatmet wird. 3.1.1.2. Die Gefahrenklasse akute Toxizität wird differenziert nach: akuter oraler Toxizität, akuter dermaler Toxizität, akuter inhalativer Toxizität. 3.1.2. Kriterien für die Einstufung von Stoffen als akut toxisch 3.1.2.1. Stoffe können nach ihrer akuten Toxizität bei oraler, dermaler oder inhalativer Exposition gemäß den numerischen Kriterien von Tabelle 3.1.1 einer von vier Toxizitätskategorien zugeordnet werden. Die akute Toxizität wird als (approximativer) LD 50 - (oral, dermal) oder LC 50 -Wert (inhalativ) oder als Schätzwert Akuter Toxizität (acute toxicity estimate – ATE) ausgedrückt. Im Anschluss an Tabelle 3.1.1 finden sich genauere Erläuterungen. Tabelle 3.1.1 Gefahrenkategorien der akuten Toxizität und Schätzwerte Akuter Toxizität (ATE) zur Festlegung der betreffenden Kategorien Expositionsweg Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4 oral (mg/kg Körpergewicht) siehe: Hinweis a siehe: Hinweis b ATE 5 5 < ATE 50 50 < ATE 300 300 < ATE 2 000 dermal (mg/kg Körpergewicht) siehe: Hinweis a siehe: Hinweis b ATE 50 50 < ATE 200 200 < ATE 1000 1 000 < ATE 2 000 Gase (ppmV)* siehe: Hinweis a siehe: Hinweis b siehe: Hinweis c ATE 100 100 < ATE 500 500 < ATE 2 500 2 500 < ATE 20 000 Dämpfe (mg/l) siehe: Hinweis a siehe: Hinweis b siehe: Hinweis c siehe: Hinweis d ATE 0,5 0,5 < ATE 2,0 2,0 < ATE 10,0 10,0 < ATE 20,0 Stäube und Nebel (mg/l) siehe: Hinweis a siehe: Hinweis b siehe: Hinweis c ATE 0,05 0,05 < ATE 0,5 0,5 < ATE 1,0 1,0 < ATE 5,0 * Die Konzentration von Gasen wird in Teilen je Million und Volumen (ppmV) ausgedrückt. Hinweise zu Tabelle 3.1.1: a. Den Schätzwert Akuter Toxizität (ATE) zur Einstufung eines Stoffes erhält man durch Verwendung der LD 50 -/LC 50 - Werte, falls verfügbar. b. Den Schätzwert Akuter Toxizität (ATE) zur Einstufung eines Stoffes in einem Gemisch erhält man durch Verwendung: der LD 50 -/LC 50 -Werte, falls verfügbar, des entsprechenden Umrechnungswerts aus Tabelle 3.1.2, der sich auf die Ergebnisse einer Dosisbereichsprü- fung bezieht, oder des entsprechenden Umrechnungswerts aus Tabelle 3.1.2, der sich auf eine Einstufungskategorie bezieht.

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Teil 3: GESUNDHEITSGEFAHREN3.1. Akute Toxizität3.1.1. Begriffsbestimmung

3.1.1.1.

Akute Toxizität: jene schädliche Wirkungen, die auftreten, wenn ein Stoff oder Gemisch in einer Einzeldosis oder innerhalb von 24 Stunden in mehreren Dosen oral oder dermal verabreicht oder 4 Stunden lang eingeatmet wird.

3.1.1.2.

Die Gefahrenklasse akute Toxizität wird differenziert nach:

– akuter oraler Toxizität,

– akuter dermaler Toxizität,

– akuter inhalativer Toxizität.

3.1.2. Kriterien für die Einstufung von Stoffen als akut toxisch

3.1.2.1.

Stoffe können nach ihrer akuten Toxizität bei oraler, dermaler oder inhalativer Exposition gemäß den numerischen Kriterien von Tabelle 3.1.1 einer von vier Toxizitätskategorien zugeordnet werden. Die akute Toxizität wird als (approximativer) LD50- (oral, dermal) oder LC50-Wert (inhalativ) oder als Schätzwert Akuter Toxizität (acute toxicity estimate – ATE) ausgedrückt. Im Anschluss an Tabelle 3.1.1 fi nden sich genauere Erläuterungen.

Tabelle 3.1.1

Gefahrenkategorien der akuten Toxizität und Schätzwerte Akuter Toxizität (ATE) zur Festlegung der betreffenden Kategorien

Expositionsweg Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4

oral (mg/kg Körpergewicht) siehe: Hinweis asiehe: Hinweis b

ATE ≤ 55 < ATE

≤ 5050 < ATE

≤ 300300 < ATE

≤ 2 000

dermal (mg/kg Körpergewicht)siehe: Hinweis asiehe: Hinweis b

ATE ≤ 5050 < ATE

≤ 200200 < ATE

≤ 10001 000 < ATE

≤ 2 000

Gase (ppmV)*siehe: Hinweis asiehe: Hinweis bsiehe: Hinweis c

ATE ≤ 100100 < ATE

≤ 500500 < ATE

≤ 2 5002 500 < ATE

≤ 20 000

Dämpfe (mg/l)siehe: Hinweis asiehe: Hinweis bsiehe: Hinweis csiehe: Hinweis d

ATE ≤ 0,50,5 < ATE

≤ 2,02,0 < ATE

≤ 10,010,0 < ATE

≤ 20,0

Stäube und Nebel (mg/l)siehe: Hinweis asiehe: Hinweis bsiehe: Hinweis c

ATE ≤ 0,050,05 < ATE

≤ 0,50,5 < ATE

≤ 1,01,0 < ATE

≤ 5,0

* Die Konzentration von Gasen wird in Teilen je Million und Volumen (ppmV) ausgedrückt.

Hinweise zu Tabelle 3.1.1:

a. Den Schätzwert Akuter Toxizität (ATE) zur Einstufung eines Stoffes erhält man durch Verwendung der LD50-/LC50-Werte, falls verfügbar.

b. Den Schätzwert Akuter Toxizität (ATE) zur Einstufung eines Stoffes in einem Gemisch erhält man durch Verwendung:

– der LD50-/LC50-Werte, falls verfügbar,

– des entsprechenden Umrechnungswerts aus Tabelle 3.1.2, der sich auf die Ergebnisse einer Dosisbereichsprü-fung bezieht, oder

– des entsprechenden Umrechnungswerts aus Tabelle 3.1.2, der sich auf eine Einstufungskategorie bezieht.

Page 2: Teil 3: GESUNDHEITSGEFAHREN - · PDF fileTeil 3: GESUNDHEITSGEFAHREN 3.1. Akute Toxizität 3.1.1. Begriffsbestimmung 3.1.1.1. Akute Toxizität: jene schädliche Wirkungen, die auftreten,

c. Die in der Tabelle angegebenen allgemeinen Konzentrationsgrenzwerte zur Inhalationstoxizität beruhen auf einer vierstündigen Prüfexposition. Vorliegende Daten über die Inhalationstoxizität, die aus einer einstündigen Exposition gewonnen wurden, lassen sich umrechnen, indem man sie bei Gasen und Dämpfen durch den Faktor 2, bei Stäuben und Nebeln durch den Faktor 4 teilt.

d. Bei manchen Stoffen besteht die Prüfatmosphäre nicht nur aus einem Dampf, sondern aus einer Mischung aus fl üssigen und gasförmigen Phasen. Bei anderen Stoffen kann die Prüfatmosphäre aus einem nahezu gasförmigen Dampf bestehen. In diesen Fällen wird wie folgt nach ppmV-Werten eingestuft: Kategorie 1 (100 ppmV), Kategorie 2 (500 ppmV), Kategorie 3 (2 500 ppmV), Kategorie 4 (20 000 ppmV).

Die Begriffe „Staub“, „Nebel“ und „Dampf“ sind wie folgt defi niert:

– Staub: in einem Gas (in der Regel in Luft) schwebende feste Teilchen eines Stoffes oder Gemisches;

– Nebel: in einem Gas (in der Regel in Luft) schwebende fl üssige Tröpfchen eines Stoffes oder Gemisches;

– Dampf: die gasförmige Phase eines Stoffes oder Gemisches, die aus der fl üssigen oder festen Phase hervorge-gangen ist.

Staub entsteht normalerweise durch mechanische Vorgänge. Nebel bildet sich in der Regel durch Kondensation übersättigter Dämpfe oder durch physikalische Scherung von Flüssigkeiten. Stäube und Nebel weisen normalerweise Teilchengrößen zwischen knapp 1 und rund 100 µm auf.

3.1.2.2. Besondere Hinweise für die Einstufung von Stoffen als akut toxisch

3.1.2.2.1

Die bevorzugte Tierart für Prüfungen zur Beurteilung der akuten Toxizität bei oraler und inhalativer Exposition ist die Ratte, bei der Beurteilung der akuten dermalen Toxizität ist es die Ratte oder das Kaninchen. Liegen von mehreren Tierarten Versuchsdaten zur akuten Toxizität vor, dann ist mittels wissenschaftlichen Sachverstandes der angemessenste LD50-Wert aus den gültigen, ordnungsgemäß durchgeführten Prüfungen auszuwählen.

3.1.2.3. Besondere Hinweise für die Einstufung von Stoffen als akut inhalationstoxisch

3.1.2.3.1

Die Maßeinheit für die Inhalationstoxizität hängt von der Form des eingeatmeten Materials ab. Bei Staub und Nebel lauten die Werte auf mg/l, bei Gasen auf ppmV. Um die Schwierigkeiten bei der Prüfung von Dämpfen zu berücksichtigen, die manchmal aus Gemischen von fl üssigen und gasförmigen Phasen bestehen können, sind die Tabellenwerte als mg/l an-gegeben. Bei den Dämpfen, die der gasförmigen Phase näher sind, beruht die Einstufung dagegen auf ppmV.

3.1.2.3.2

Bei der Einstufung der Inhalationstoxizität ist es besonders wichtig, in den Kategorien hoher Toxizität für Staub und Nebel aussagekräftige Werte zu verwenden. Eingeatmete Teilchen mit einem Massenmedianwert des aerodynamischen Durch-messers (MMAD) zwischen einem und vier Mikrometern deponieren in sämtlichen Bereichen der Atemwege einer Ratte. Solche Partikelgrößenverteilungen entsprechen einer Maximaldosis von etwa 2 mg/l. Damit die Ergebnisse der Tierversu-che auf die Exposition von Menschen übertragen werden können, sollten Staub und Nebel idealerweise in diesem Bereich an Ratten getestet werden.

3.1.2.3.3

Zusätzlich zur Einstufung der Inhalationstoxizität ist der Stoff oder das Gemisch auch als „Ätzend für die Atemwege“ zu kennzeichnen, wenn die Datenlage darauf hindeutet, dass der Wirkungsmechanismus in einer Ätzwirkung besteht (siehe Anmerkung 1 in 3.1.4.1). Die Ätzwirkung auf die Atemwege ist analog zur Ätzwirkung auf die Haut defi niert als Gewebe-zerstörung der Atemwege nach einer einmaligen und zeitlich begrenzten Exposition; dazu gehört auch die Zerstörung der Schleimhaut. Die Bewertung der Ätzwirkung kann auf einer Beurteilung durch Experten beispielsweise auf folgenden Nachweisen beruhen: Erfahrungen bei Mensch und Tier, vorhandene (in vitro)Daten, pH-Wert, Informationen zu ähnlichen Stoffen oder andere aussagekräftige Daten.

3.1.3. Kriterien zur Einstufung von Gemischen als akut toxisch

3.1.3.1.

Die in Abschnitt 3.1.2 aufgeführten Kriterien für die Einstufung von Stoffen nach ihrer akuten Toxizität beruhen auf (in Ver-suchen gewonnenen oder abgeleiteten) Daten zur letalen Dosis. Bei Gemischen müssen Informationen gewonnen oder abgeleitet werden, die es ermöglichen, die Kriterien zwecks Einstufung auf das Gemisch anzuwenden. Die Einstufung nach der akuten Toxizität erfolgt in einem mehrstufi gen Verfahren und hängt davon ab, wie umfangreich die verfügbaren

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Informationen zu dem Gemisch selbst und seinen Bestandteilen sind. Das Flussdiagramm in Abbildung 3.1.1 zeigt die einzelnen Schritte des Verfahrens.

3.1.3.2.

Bei der akuten Toxizität ist jeder Expositionsweg zur Einstufung von Gemischen zu betrachten, erforderlich ist allerdings nur ein Expositionsweg, sofern dieser bei allen Bestandteilen befolgt (abgeleitet oder geprüft) wird und es keine stichhal-tigen Belege für eine akute Toxizität auf mehreren Expositionswegen gibt. Falls stichhaltige Belege für eine akute Toxizität auf mehreren Expositionswegen bestehen, ist die Einstufung für alle relevanten Expositionswege durchzuführen. Alle verfügbaren Informationen sind zu berücksichtigen. Es ist das Gefahrenpiktogramm und das Signalwort zu verwenden, welches der schwerwiegendsten Gefahrenkategorie zugeordnet ist, und es sind alle zutreffenden Gefahrenhinweise zu verwenden.

3.1.3.3.

Um alle verfügbaren Daten zur Einstufung der Gefahren von Gemischen zu nutzen, wurden bestimmte Annahmen getrof-fen, die gegebenenfalls im mehrstufi gen Verfahren angewandt werden:

a. Als „relevante Bestandteile“ eines Gemisches gelten jene, die in Konzentrationen von 1 % (in Gewichtsprozent (w/w) bei Feststoffen, Flüssigkeiten, Stäuben, Nebeln und Dämpfen; in Volumenprozent (v/v) bei Gasen) oder mehr vorlie-gen, sofern kein Anlass zu der Annahme besteht, dass ein in einer Konzentration von weniger als 1 % enthaltener Be-standteil dennoch für die Einstufung des Gemisches aufgrund seiner akuten Toxizität relevant ist. (siehe Tabelle 1.1).

b. Wird ein eingestuftes Gemisch als Bestandteil eines anderen Gemisches verwendet, kann die tatsächliche oder abgeleitete Schätzung Akuter Toxizität (ATE) dieses Gemisches verwendet werden, wenn die Einstufung des neuen Gemisches anhand der Formeln von Abschnitt 3.1.3.6.1 und Abschnitt 3.1.3.6.2.3 berechnet wird.

c. Liegen die umgerechneten Punktschätzungen der akuten Toxizität für alle Bestandteile eines Gemisches in derselben Kategorie, dann sollte das Gemisch in diese Kategorie eingestuft werden.

d. Sind für Bestandteile eines Gemisches nur Ergebnisse von Dosisbereichsprüfungen (oder Informationen über die Gefahrenkategorie der akuten Toxizität) verfügbar, können sie zur Berechnung der die Einstufung des neuen Gemi-sches mit Hilfe der Formeln aus den Abschnitten 3.1.3.6.1 und 3.1.3.6.2.3 gemäß Tabelle 3.1.2 in Punktschätzungen umgerechnet werden.

Abbildung 3.1.1

Mehrstufi ges Verfahren zur Einstufung von Gemischen bezüglich ihrer akuten Toxizität

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3.1.3.4. Einstufung von Gemischen, bei denen Daten zur akuten Toxizität für das komplette Gemisch vorliegen

3.1.3.4.1.

Wurde das Gemisch selbst auf seine akute Toxizität geprüft, wird es nach denselben Kriterien wie Stoffe gemäß Tabelle 3.1.1 eingestuft. Liegen keine Prüfdaten für das Gemisch vor, sind die nachstehenden Verfahren anzuwenden.

3.1.3.5. Einstufung von Gemischen, bei denen keine Daten zur akuten Toxizität für das komplette Gemisch vor-liegen: Übertragungsgrundsätze

3.1.3.5.1.

Wurde das Gemisch selbst nicht auf seine akute Toxizität geprüft, liegen jedoch ausreichende Daten über seine einzelnen Bestandteile und über ähnliche geprüfte Gemische vor, um die Gefahren des Gemisches angemessen zu beschreiben, dann sind diese Daten nach Maßgabe der Übertragungsvorschriften des Abschnitts 1.1.3 zu verwenden.

3.1.3.5.2.

Wird ein geprüftes Gemisch verdünnt, wobei der Verdünner in eine gleichwertige oder niedrigere Toxizitätskategorie ein-gestuft wurde als der am wenigsten toxische Bestandteil des Ausgangsgemisches, und ist nicht davon auszugehen, dass das Verdünnungsmittel die Toxizität anderer Bestandteile beeinfl usst, dann kann das neue Gemisch als ebenso toxisch wie das Ausgangsgemisch eingestuft werden. Alternativ kann die in Abschnitt 3.1.3.6.1 dargelegte Formel angewandt werden.

3.1.3.6. Einstufung von Gemischen auf Basis ihrer Bestandteile (Additivitätsformel)

3.1.3.6.1. Für alle Bestandteile sind Daten verfügbar

Damit eine genaue Einstufung des Gemisches gewährleistet und die Berechnung nur einmal für alle Systeme, Sektoren und Kategorien erforderlich ist, sind die Schätzwerte Akuter Toxizität (ATE) der Bestandteile wie folgt zu berücksichtigen:

a. Bestandteile mit einer bekannten akuten Toxizität, die unter eine der Kategorien akuter Toxizität von Tabelle 3.1.1 fallen, sind einzubeziehen;

b. Bestandteile, bei denen man keine akute Toxizität annimmt (z. B. Wasser, Zucker), bleiben unberücksichtigt;

c. Bestandteile bleiben unberücksichtigt, wenn die verfügbaren Daten aus einem Limit-Dose-Test stammen (mit der Dosierung durchgeführt, die für den jeweiligen Expositionsweg gemäß Tabelle 3.1.1 die obere Einstufungsgrenze für Kategorie 4 darstellt) und keine akute Toxizität zeigen.

Bestandteile, die unter diesen Absatz fallen, gelten als Bestandteile mit bekannten Schätzwerten Akuter Toxizität (ATE). Dabei sind Hinweis b zu Tabelle 3.1.1 und Abschnitt 3.1.3.3 für die richtige Anwendung der verfügbaren Daten in der nachstehenden Gleichung sowie Abschnitt 3.1.3.6.2.3 zu beachten.

Die ATE des Gemisches wird für die orale, die dermale oder die inhalative Toxizität nach folgender Formel aus den ATE-Werten aller relevanten Bestandteile errechnet:

wobei gilt:

Ci = Konzentration von Bestandteil i ( % w/w oder % v/v)

i = der einzelne Bestandteil von 1 bis n

n = die Anzahl der Bestandteile

ATEi = Schätzwert Akuter Toxizität von Bestandteil i

3.1.3.6.2. Einstufung von Gemischen, wenn nicht für alle Bestandteile Daten verfügbar sind

3.1.3.6.2.1.

Ist für einen Einzelbestandteil des Gemisches kein ATE verfügbar, lässt sich jedoch aus verfügbaren Informationen der nachstehend aufgeführten Art ein abgeleiteter Umrechnungswert wie die Werte nach Tabelle 3.1.2 gewinnen, darf die Formel von Abschnitt 3.1.3.6.1 angewandt werden.

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Dazu gehört die Bewertung folgender Aspekte:

a. Extrapolierung zwischen den Schätzwerten Akuter Toxizität für die orale, dermale und inhalative Toxizität6. Für eine solche Bewertung können geeignete pharmakodynamische und pharmakokinetische Daten erforderlich sein;

b. Erfahrungen beim Menschen, die auf toxische Wirkungen hindeuten, aber keine Daten zur letalen Dosis ergeben;

c. Befunde aus anderen verfügbaren Toxizitätsprüfungen, die auf akut toxische Wirkungen hindeuten, aber nicht unbe-dingt Daten zur letalen Dosis ergeben; oder

d. Daten von strukturell nah verwandten Stoffen unter Verwendung von Struktur-Wirkungs-Beziehungen.

Dieses Vorgehen erfordert in der Regel umfangreiche ergänzende technische Informationen und einen gut ausgebildeten erfahrenen Experten (zur Beurteilung durch Experten siehe Abschnitt 1.1.1), um die akute Toxizität zuverlässig abzuschät-zen. Liegen solche Informationen nicht vor, ist nach Abschnitt 3.1.3.6.2.3 weiter zu verfahren.

3.1.3.6.2.2.

Falls in einem Gemisch ein Bestandteil, für den keinerlei für die Einstufung verwertbare Informationen vorliegen, in einer Konzentration von 1 % oder mehr verwendet wird, gilt der Schluss, dass sich dem Gemisch kein endgültiger Schätzwert Akuter Toxizität zuordnen lässt. In diesem Fall muss das Gemisch ausschließlich anhand der bekannten Bestandteile ein-gestuft werden und folgenden zusätzlichen Hinweis auf dem Kennzeichnungsschild und im Sicherheitsdatenblatt tragen: „x Prozent des Gemisches bestehen aus einem oder mehreren Bestandteilen unbekannter Toxizität“.

3.1.3.6.2.3.

Beträgt die Gesamtkonzentration der Bestandteile unbekannter akuter Toxizität < 10 %, ist die Formel von Ab-schnitt 3.1.3.6.1 anzuwenden. Beträgt die Gesamtkonzentration der Bestandteile unbekannter akuter Toxizität > 10 %, ist die Formel unter Abschnitt 3.1.3.6.1 zu korrigieren und wie folgt an den Gesamtprozentsatz unbekannter Bestandteile anzupassen:

Tabelle 3.1.2

Umrechnungswerte der im Versuch ermittelten akuten Toxizitätsbereiche (oder der Gefahrenkategorien akuter Toxizität) zur Verwendung in den Formeln für die Einstufung von Gemischen

ExpositionswegEinstufungskategorie oder im Versuch ermittelter Bereich

der ATEUmrechnungswert der akuten

Toxizität (siehe Hinweis 1)

oral (mg/kg Körper-gewicht)

0 < Kategorie 1 ≤ 55 < Kategorie 2 ≤ 50

50 < Kategorie 3 ≤ 300300 < Kategorie 4 ≤ 2000

0,55

100500

dermal (mg/kg Kör-pergewicht)

0 < Kategorie 1 ≤ 5050 < Kategorie 2 ≤ 200

200 < Kategorie 3 ≤ 10001000 < Kategorie 4 ≤ 2000

5503001100

Gase (ppmV)

0 < Kategorie 1 ≤ 100100 < Kategorie 2 ≤ 500

500 < Kategorie 3 ≤ 25002500 < Kategorie 4 ≤ 20000

10100700

4 500

Dämpfe (mg/l)

0 < Kategorie 1 ≤ 0,50,5 < Kategorie 2 ≤ 2,02,0 < Kategorie 3 ≤ 10,010,0 < Kategorie 4 ≤ 20,0

0,050,5311

Stäube/Nebel (mg/l)

0 < Kategorie 1 ≤ 0,050,05 < Kategorie 2 ≤ 0,50,5 < Kategorie 3 ≤ 1,01,0 < Kategorie 4 ≤ 5,0

0,0050,050,51,5

6 Sind in Gemischen Bestandteile enthalten, bei denen nicht für jeden Expositionsweg Daten über die akute Toxizität vorliegen, können Schätzwerte Akuter Toxizität aus den verfügbaren Daten extrapoliert und auf die relevanten Expositionswege angewandt werden (siehe Abschnitt 3.1.3.2). Besondere Rechtsvorschriften können jedoch für einen bestimmten Expositionsweg Prüfungen vorschreiben. Dann ist ausgehend von den rechtlichen Anforderungen eine Einstufung für diesen Expositionsweg vorzunehmen.

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Hinweis 1:

Diese Werte sind für die Berechnung der ATE zur Einstufung eines Gemisches aufgrund seiner Bestandteile gedacht und stellen keine Prüfergebnisse dar.

3.1.4. Gefahrenkommunikation

3.1.4.1.

Bei Stoffen oder Gemischen, die die Kriterien für die Einstufung in diese Gefahrenklasse erfüllen, sind die Kennzeich-nungselemente gemäß Tabelle 3.1.3 zu verwenden. Unbeschadet Artikel 27 können kombinierte Gefahrenhinweise nach Anhang III verwendet werden.

Tabelle 3.1.3

Kennzeichnungselemente für die akute Toxizität

Einstufung Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4

GHS-Piktogramm

Signalwort Gefahr Gefahr Gefahr Achtung

Gefahrenhinweis:– oral

H300:Lebensgefahr bei

Verschlucken

H300:Lebensgefahr bei

Verschlucken

H301:Giftig bei

Verschlucken

H302:Gesundheits-schädlich bei Verschlucken

– dermalH310:

Lebensgefahr bei Hautkontakt

H310:Lebensgefahr bei

Hautkontakt

H311:Giftig bei Hautkontakt

H312:Gesundheits-schädlich bei Hautkontakt

– inhalativ(s. Hinweis 1)

H330:Lebensgefahr bei

Einatmen

H330:Lebensgefahr bei

Einatmen

H331:Giftig bei Einatmen

H332:Gesundheits-schädlich bei

Einatmen

Sicherheitshinweise – Prävention (oral)

P264P270

P264P270

P264P270

P264P270

Sicherheitshinweise – Reaktion (oral)

P301 + P310P321P330

P301 + P310P321P330

P301 + P310P321P330

P301 + P312P330

Sicherheitshinweise – Lagerung (oral)

P405 P405 P405

Sicherheitshinweise – Entsorgung (oral)

P501 P501 P501 P501

Sicherheitshinweise – Prävention (dermal)

P262P264P270P280

P262P264P270P280

P280 P280

Sicherheitshinweise – Reaktion (dermal)

P302 + P350P310P322P361P363

P302 + P350P310P322P361P363

P302 + P352P312P322P361P363

P302 + P352P312P322P363

Sicherheitshinweise – Lagerung (dermal)

P405 P405 P405

Sicherheitshinweise – Entsorgung (dermal)

P501 P501 P501 P501

Sicherheitshinweise – Prävention (inhalativ)

P260P271P284

P260P271P284

P261P271

P261P271

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Sicherheitshinweise – Reaktion (inhalativ)

P304 + P340P310P320

P304 + P340P310P320

P304 + P340P311P321

P304 + P340P312

Sicherheitshinweise – Lagerung (inhalativ)

P403 + P233P405

P403 + P233P405

P403 + P233P405

Sicherheitshinweise – Entsorgung (inhalativ)

P501 P501 P501

Hinweis 1:

Zusätzlich zur Einstufung der Inhalationstoxizität ist der Stoff oder das Gemisch auch mit EUH071: „Wirkt ätzend auf die Atemwege“ zu kennzeichnen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass die Toxizität auf einer Ätzwirkung beruht (Genaueres dazu unter Abschnitt 3.1.2.3.3). Neben dem entsprechenden Piktogramm für akute Toxizität kann auch ein Piktogramm für Ätzwirkung (für Haut und Augen genutzt) zusammen mit dem Hinweis „Wirkt ätzend auf die Atemwege“ hinzugefügt werden.

Hinweis 2:

Falls in einem Gemisch ein Bestandteil, für den keinerlei verwertbare Informationen vorliegen, in einer Konzentration von 1 % oder mehr verwendet wird, muss das Gemisch folgenden zusätzlichen Hinweis tragen: „x Prozent des Gemisches be-stehen aus einem oder mehreren Bestandteilen von unbekannter Toxizität“ (Genaueres dazu unter Abschnitt 3.1.3.6.2.2).