32
Dioxin in Eiern – Ein neues Problem in der Lebensmittelsicherheit? Seite 38 Evidence based medicine – nur eine gute Idee? Seite 39 Anpassungsfähig: Wie sich die Risiken einer Einnahme von Antirheumatika im Laufe der Zeit „verändern“ Seite 41 Testosteronsubstitution beim Mann Seite 43 Pharmakotherapie von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen Lehren aus der aktuellen Entwicklung Seite 45 Bisphosphonate in der Tumortherapie Seite 48 Blutdruckselbstmessung – wie wichtig ist sie für die tägliche Praxis? Seite 49 Senkt die regelmäßige Behandlung mit Statinen bei Typ 2-Diabetikern die kardiovaskuläre Mortalität? Seite 50 Im Jahre 2004 neu eingeführte Präparate und ihre Bewertung Seite 52 Parathormon 1–34 = Teriparatid (Forsteo ® ): Ein neues Osteoporose-Medikament Seite 53 Bei welchen Medikamenten kommt es zur Interaktion mit Johanniskraut? Seite 54 Erythromycin und Risiko eines plötzlichen Todes aus kardialer Ursache Seite 55 Das Rhabdomyolyse-Risiko: Unterschiede zwischen den Statinen? Seite 56 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Niere Seite 57 Phototoxische Reaktionen der Haut durch Arzneimittel Seite 60 Caspofungin zur antimykotischen Therapie bei Patienten mit Neutropenie und persistierendem Fieber Seite 63 Impfung gegen Humanes Papillom Virus (HPV) in einem viel versprechenden Stadium Seite 64 Frage eines Hausarztes zur Polio-Impfung Seite 65 Anfrage eines Kinder- und Jugendarztes zu Umckaloabo ® Seite 65 Leserzuschrift zu einem Artikel aus AVP 1/2005, Seite 20, Schizophrenie Seite 66 HDL-Cholesterin: CETP-Hemmer als neues pharmakotherapeutisches Konzept? Seite 66 Zur Verordnung von Triptanen Seite 66 Wie sich der Medikamentenumsatz vervielfachen lässt Seite 67 Verdienstkreuz am Bande für Ulrich Schwabe Seite 68 Das aktuelle Thema Therapie aktuell Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Herausgeber: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen (Vorsitzender) Prof. Dr. med. H. Berthold (Geschäftsführer) Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. U. Schwabe, Prof. Dr. med. R. Lasek, J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker, M. Voss, Arzt, Vorstand und Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Chefredakteur: Prof. Dr. med. D. Höffler Redaktion N.N. Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Postfach 12 08 64 10598 Berlin Telefon: 0 30 / 40 04 56-5 00 Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55 www.akdae.de e-mail: avp@ akdae.de ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: nexus GmbH, Hauptstraße 83, 51519 Odenthal, Telefon: 0 21 74/ 74 68 58, Telefax: 0 21 74/ 74 68 59 Druck: Meinke GmbH, Neuss Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4 x AVP einschl. Sonderhefte Therapieempfeh- lungen beträgt EUR 39,– (für Studenten/AiP: EUR 19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-An- forderung richten Sie bitte an die Arzneimittel- kommission [email protected]. Bezug im Jahres- abonnement, Kündigung zum Jahresende. Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei- mittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesaus- schusses zu veröffentlichenden Therapieempfehlun- gen in ihrer aktuellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. © Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2005 Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005 ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT Arzneimittel – kritisch betrachtet … was uns sonst noch auffiel Aus der Praxis – Für die Praxis In eigener Sache Editorial Zitate Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeu- tische Industrie entstand und begann, für ihre Produkte zu werben, wurde 1911 auf dem Kon- gress für Innere Medizin der Grundstein für die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft gelegt. Die Aufgabe der seinerzeit berufe- nen Kommission sollte es sein, die Ärzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zu informie- ren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heutigen Tag, u. a. mit diesem Heft. Alle Artikel werden von der Redaktion dahinge- hend überprüft, ob ein Interessenkonflikt vorlie- gen könnte. Darüber hinaus werden alle Autoren routinemäßig nach evtl. vorhandenen Interessen- konflikten befragt. Sollte sich ein solcher erge- ben, würde dies am Ende der entsprechenden Ar- beit vermerkt.

Arzneiverordnung in der Praxis - akdae.de · nenum; das Paradigma des Paracelsus ist auch hier zutreffend. Wie wirkt Dioxin? Die akute Toxizität von Dioxin ist zwischen verschiedenen

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Dioxin in Eiern – Ein neues Problem in der Lebensmittelsicherheit? Seite 38

Evidence based medicine – nur eine gute Idee? Seite 39

Anpassungsfähig: Wie sich die Risiken einer Einnahme von Antirheumatika im Laufe der Zeit „verändern“ Seite 41

Testosteronsubstitution beim Mann Seite 43

Pharmakotherapie von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen – Lehren aus der aktuellen Entwicklung Seite 45

Bisphosphonate in der Tumortherapie Seite 48

Blutdruckselbstmessung – wie wichtig ist sie für die tägliche Praxis? Seite 49

Senkt die regelmäßige Behandlung mit Statinen bei Typ 2-Diabetikern die kardiovaskuläre Mortalität? Seite 50

Im Jahre 2004 neu eingeführte Präparate und ihre Bewertung Seite 52

Parathormon 1–34 = Teriparatid (Forsteo®): Ein neues Osteoporose-Medikament Seite 53

Bei welchen Medikamenten kommt es zur Interaktion mit Johanniskraut? Seite 54

Erythromycin und Risiko eines plötzlichen Todes aus kardialer Ursache Seite 55

Das Rhabdomyolyse-Risiko: Unterschiede zwischen den Statinen? Seite 56

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Niere Seite 57

Phototoxische Reaktionen der Haut durch Arzneimittel Seite 60

Caspofungin zur antimykotischen Therapie bei Patienten mit Neutropenie und persistierendem Fieber Seite 63

Impfung gegen Humanes Papillom Virus (HPV) in einem viel versprechenden Stadium Seite 64

Frage eines Hausarztes zur Polio-Impfung Seite 65

Anfrage eines Kinder- und Jugendarztes zu Umckaloabo® Seite 65

Leserzuschrift zu einem Artikel aus AVP 1/2005, Seite 20, Schizophrenie Seite 66

HDL-Cholesterin: CETP-Hemmer als neues pharmakotherapeutisches Konzept? Seite 66

Zur Verordnung von Triptanen Seite 66

Wie sich der Medikamentenumsatz vervielfachen lässt Seite 67

Verdienstkreuz am Bande für Ulrich Schwabe Seite 68

Das aktuelle Thema

Therapie aktuell

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumHerausgeber:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen (Vorsitzender)Prof. Dr. med. H. Berthold (Geschäftsführer)Wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. med. U. Schwabe, Prof. Dr. med. R. Lasek, J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker, M. Voss, Arzt, Vorstand und Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftChefredakteur:Prof. Dr. med. D. HöfflerRedaktionN.N.Anschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftPostfach 12 08 6410598 BerlinTelefon: 0 30 / 40 04 56-5 00Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55www.akdae.dee-mail: [email protected] 0939-2017Realisation und Vertrieb:nexus GmbH, Hauptstraße 83, 51519 Odenthal,Telefon: 02174/746858, Telefax: 02174/746859Druck: Meinke GmbH, NeussAbonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4 x AVP einschl. Sonderhefte Therapieempfeh-lungen beträgt EUR 39,– (für Studenten/AiP:EUR 19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-An-forderung richten Sie bitte an die Arzneimittel-kommission [email protected]. Bezug im Jahres-abonnement, Kündigung zum Jahresende.Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arzneiver-ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei-mittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesaus-schusses zu veröffentlichenden Therapieempfehlun-gen in ihrer aktuellen Fassung werden als solche gekennzeichnet.© Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2005

Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

ARZNEIMITTELKOMMISSIONDER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

Arzneimittel – kritisch betrachtet

… was uns sonst noch auffiel

Aus der Praxis – Für die Praxis

In eigener Sache

Editorial

Zitate

Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeu-tische Industrie entstand und begann, für ihreProdukte zu werben, wurde 1911 auf dem Kon-gress für Innere Medizin der Grundstein für dieArzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft gelegt. Die Aufgabe der seinerzeit berufe-nen Kommission sollte es sein, die Ärzteschaftdurch Ärzte unabhängig und objektiv zu informie-ren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heutigenTag, u. a. mit diesem Heft.Alle Artikel werden von der Redaktion dahinge-hend überprüft, ob ein Interessenkonflikt vorlie-gen könnte. Darüber hinaus werden alle Autorenroutinemäßig nach evtl. vorhandenen Interessen-konflikten befragt. Sollte sich ein solcher erge-ben, würde dies am Ende der entsprechenden Ar-beit vermerkt.

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38 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Editorial

AkdÄ

Dioxin in Eiern – Ein neues Problem in der Lebensmittelsicherheit?Ein Kommentar zu einem aktuellen Thema mit vielen Nullen

Dioxin ist eigentlich im Plural zu ver-wenden. Dioxine sind eine Gruppe vongemeinsam vorkommenden chemi-schen Verbindungen. Sie entstehenneben der Produktion in der Chemie-industrie bei Verbrennungsprozessen(Müllverbrennungsanlagen, Otto-Motor).Von den Dioxinverbindungen hat dasTCDD (2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin) durch den schweren Chemieun-fall 1976 in Seveso traurige Berühmtheiterlangt. Die Bilder der durch schwersteChlorakne gekennzeichneten Kinderstehen auch heute noch für denSchrecken möglicher Chemieunfälle,und die täglich den Medien zu entneh-menden Fotografien des ukrainischenPräsidenten Juschtschenko führen unsdas gleiche Bild aktuell vor Augen.

Neue Berichte zu überhöhten Dioxin-funden in Eiern frei laufender Hühnerkönnten daher große Sorgen hervorru-fen. Aber wie immer: Sola dosis facit ve-nenum; das Paradigma des Paracelsus istauch hier zutreffend.

Wie wirkt Dioxin? Die akute Toxizitätvon Dioxin ist zwischen verschiedenenSpezies sehr unterschiedlich. Die Dosis,bei der 50% der behandelten Tiere ster-ben (LD 50), reicht von 2 Mikro-gramm/kg beim Meerschweinchen biszu 5.000 Mikrogramm/kg beim syri-schen Hamster. Umgerechnet auf einen70 kg schweren Menschen betrüge dies140 Mikrogramm bzw. 35 mg. Spitzen-werte der jetzt als belastet gefundenenEier lagen bei 20 Nanogramm/1 000 g Eifett (= Dotter). Ein Ei hat 5 – 10 g Ei-fett, was pro Ei 0,2 Nanogramm (ent-spricht 0,000 2 Mikrogramm oder 0,000 000 2 mg) Dioxin ausmacht undsomit um einen Faktor von 70.000.000bis 175.000.000 unter der LD 50 vomMeerschweinchen bzw. syrischemHamster liegt. Damit wird schon er-

sichtlich, dass eine akute lebensbedroh-liche Wirkung vom Genuss einessolchen Eis nicht ausgehen kann.

Dioxin hat allerdings einige Besonder-heiten: einmal in den Körper aufgenom-men, verlässt es ihn praktisch nichtmehr. Die Halbwertszeit liegt bei 60 Jah-ren. Damit kumuliert einmal aufgenom-menes Dioxin im Körper und Dioxin istpraktisch ubiquitär vorhanden. Hoheeinmalige und auch wiederholte Dioxin-aufnahmen erzeugen Chlorakne, das Im-munsystem wird geschädigt und imTierversuch wurden Geburtsfehler undStörungen der Fruchtbarkeit beobach-tet. Ferner traten Tumore in verschiede-nen Geweben auf, deren Bedeutung fürden Menschen bislang ungeklärt ist.

Weil Dioxin auch in der Umwelt prak-tisch nicht abbaubar ist, hat man sichentschlossen, sehr restriktive Maßnah-men zu ergreifen, welche die Dioxinbelas-tung so weit wie möglich verringern.Diese Maßnahmen haben über die letz-ten zehn Jahre hin zu einer Halbierungder Dioxinbelastung in der Umwelt undauch in Lebensmitteln geführt. Den-noch: Dioxin ist noch immer im Bodenenthalten und Hühner, die im Freienumherlaufen, nehmen auch über dasAufpicken vom Boden Dioxin auf, wel-ches sich dann bei der erheblichen Fett-löslichkeit von Dioxin im Eigelb anrei-chert.

Aber wie steht es mit den gesundheitli-chen Bedenken und den Grenzwerten?Aus den oben beschriebenen Tierversu-chen, in welchen Geburtsfehler undStörungen der Fruchtbarkeit beobachtetwurden, wurde eine lebenslange täglicheDosis von 0,001– 0,004 Nanogramm/kgberechnet, die beim Menschen als duld-bare Aufnahme angesehen wird. Füreinen 70 kg schweren Menschen wären

dies 0,14 Nanogramm täglich. Der Spit-zenwert der Freilandeier von 0,2 Nano-gramm liegt darüber. Aber: Haben wirnicht gelernt, dass wir wegen des Choles-terins nicht jeden Tag ein Ei essen sol-len?

Warum also die niedrigen erlaubtenWerte in den Eiern? Der Wert von etwa0,03 Nanogramm pro Ei wurde festge-setzt unter der Annahme ungewöhnli-cher Essgewohnheiten, z.B. einer erheb-lichen Aufnahme von Eiern. So sollenauch extreme Eier- und Fleischessernoch unter der täglich duldbaren Auf-nahme liegen.

In summa: Bei Beachtung einer choles-terinarmen Ernährung sollte von denstärker als bei Käfighaltung mit Dioxinbelasteten Freilandeiern keine gesund-heitliche Gefährdung ausgehen. Paracelsus sei Dank!

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Tabelle 1: Wirksamkeit des Pharmakons unter Studienbedingungen (Efficacy)und Wirksamkeit einer Pharmakotherapie unter Alltagsbedingungen (Effectivness)

„Efficacy“ „Effectivness“Kontrollierte klinische Studien Medizinische Wirklichkeit

Homogene Patientengruppen Heterogene Patientenklientel� Einschlusskriterien � kaum Selektionsmöglichkeiten� Ausschlusskriterien � allenfalls Abschieben durch Überweisen

Eng umrissene gesicherte Indikation Oftmals wenig gesicherte Indikation mit� möglichst keine Komorbidität einer � möglichst keine Komedikation � Vielzahl weiterer Erkrankungen,

Leiden, Beschwerden unddaraus resultierender Zusatzmedikation

Hoch motivierte Teilnehmer Mäßig motivierte Partner� Ärzte � Ärzte (unter Zeitdruck)� Patienten � Patienten (misstrauisch bis hoffnungsvoll)

Wenig Compliance-Probleme Massive Compliance-Probleme� sorgfältige und stringente � eher lockere Beobachtung und

Beobachtung und minimale Dokumentationmaximale Dokumentation

39Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Das aktuelle Thema

In Forschung & Lehre 5/2004 formulier-te Haverich (1) explizit, dass „evidencebased medicine“ (EBM) den wissen-schaftlichen Fortschritt hemme unddass deshalb nachdrücklich vor einerÜberbewertung von EBM zu warnen sei.Zwei Jahre zuvor hatte Köbberling (2)fast ein wenig resigniert gesagt: „Evi-denzbasierte Medizin mag eine noch sogute Idee sein, sie liegt aber leider ebennicht im Trend.“ Führt EBM zu einem„Konkurs der ärztlichen Urteilskraft“,wie Kienle et al. (2003) provokativ frag-ten (3)? Oder ist EBM eine Hilfe, das „au-tistisch-undisziplinierte Denken in derMedizin“ ( Bleuler 1919) langsam abzu-tragen (4)?

Niemand bezweifelt, dass Einfallsreich-tum, Wille zur Innovation und (thera-peutische) Risikobereitschaft in der Ver-gangenheit zum Fortschritt in der Medi-zin beigetragen haben (1). Leider habenwir aber in den letzten zehn bis 15 Jah-ren auch wiederholt erkennen müssen,dass viele Neuerungen eher demWunschdenken ihrer Initiatoren und/oder dem (legitimen) Profitstreben dereinschlägigen Industrie entsprangen.Der Patient war dann zweifach der „Er-duldende“ – als Kranker und als Behan-delter. Die Geschichte vom Auf- und Ab-stieg der Coxibe ist dafür ein gutes Bei-spiel.

Nachweisorientierte Medizin

Evidence bedeutet im englischenSprachraum eine Methode des Wissens-erwerbs. EBM kann folglich als nach-weisorientierte Medizin definiert wer-den. Um die Effizienz therapeutischerAngebote überprüfen zu können, bedarfes prospektiver, multizentrischer, kon-trollierter, randomisierter, doppelt ver-blindeter klinischer Studien. Dabei müs-sen zum Schutz der Patienten bestimm-te Randbedingungen erfüllt sein, z.B. dieEinhaltung der Empfehlungen der je-weils aktuellen Version der Deklaration

von Helsinki, der Verordnung über dieAnwendung der Guten Klinischen Praxisund der Bestimmungen des deutschenArzneimittelgesetzes, außerdem die in-formierte schriftliche Aufklärung derStudienteilnehmer und deren schriftli-che Einwilligung (informed consent),die Meldung der Studie durch den Spon-sor an die zuständigen Landesbehördenund die Bundesoberbehörde. Ganz we-sentlich ist die Beratung des Leiters derklinischen Prüfung, des Sponsors undder Studienärzte durch die zuständigenEthik-Kommissionen der Universitä-ten/Hochschulen und/oder der Ärzte-kammern der Länder.

Nur unter Einhaltung dieser Prämissenlassen sich Ergebnisse erzielen, die fürdefinierte Patientengruppen valid (zu-treffend), reliable (zuverlässig) , klinischrelevant und für die Ärzteschaft akzepta-bel sind.

Grenzen

Dass auch in der klinischen Forschung –wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit –

Probleme auftreten können, darf nichtverschwiegen werden: Studien könnenschlecht geplant und nachlässig durch-geführt sein, die Ergebnisse können ge-fälscht oder geschönt sein, auch ein aufdem 5% Niveau statistisch signifikantesErgebnis ist definitionsgemäß in 5% derFälle falsch. Statistische Signifikanz istnicht gleich klinische Relevanz.

In der tabellarischen Übersicht wurdeneinige Aspekte subsumiert, die zeigen,inwieweit sich der hochselektierte Stu-dienpatient vom konkreten Patienten inder Praxis unterscheidet.

Dass aus diesen Differenzen Problemeresultieren können, wenn Studienergeb-nisse in die Praxis umgesetzt werden sol-len, wird nicht bestritten. Trotzdem dür-fen diese kritischen Argumente nichtdazu dienen, wissenschaftliche klinischeForschung zu diskreditieren.

Hinzu kommt, dass es bei den meistenklinischen Studien nicht möglich ist, diePatienten, die tatsächlich von einer Be-handlung profitieren, komplex zu cha-

Evidence based medicine – nur eine gute Idee?

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rakterisieren (5). Nachträgliche Sub-gruppenanalysen sind dafür ungeeignet.

Wissenschaftlicher Fortschrittdurch klinische StudienÜber Jahrhunderte, Jahrtausende domi-nierten bei der Behandlung krankerMenschen tradierte und/oder persönli-che Erfahrungen der Heilkundigen allerGenres, modifiziert durch „göttlicheEingebungen“ und die überlieferten Vor-stellungen von Kräuterfrauen usw.Nachfolgend soll an wenigen Beispielender Arzneimitteltherapie gezeigt wer-den, wohin es manchmal führte, wenn inder Vergangenheit – als die klinischeForschung noch in den „Kinderschuh-en“ steckte – Behandlungsmethodenpropagiert/etabliert wurden (6;7) : Das Jahr 1991, in dem die CAST-Studiepubliziert wurde, war ein denkwürdigesJahr für die rationale Pharmakotherapie– zumindest für alle diejenigen, die denMut hatten, hinzuzulernen und tradier-te Erfahrungen zu hinterfragen. Nebendie persönliche Erfahrung des Arztestrat die wissenschaftliche Erfahrung.

Antiarrhythmika

Über viele Jahre wurde davon ausgegan-gen, dass durch die erfolgreiche Beseiti-gung potenziell lebensbedrohlicher ven-trikulärer Arrhythmien nach einemHerzinfarkt die Prognose der Patientenverbessert werden könne. Die Behand-lung solcher Patienten mit Antiarrhyth-mika war deshalb „Goldstandard“. 1991wurde die CAST (Cardiac ArrhythmiaSuppression Trial)-Studie veröffentlicht.In ihr wurden die Antiarrhythmika En-cainid und Flecainid gegen Placebo ver-gleichend untersucht. Nach einer Zwi-schenauswertung wurde die Studie vor-zeitig abgebrochen, da unter Encainidund Flecainid 10,2% bzw. 5,9% der Pati-enten verstorben waren, unter Placeboaber nur 3,5%! Wie wir heute wissen,kam dieses Ergebnis dadurch zu Stande,dass unter dem Einfluss der Ethik-Ko-missionen nur Patienten mit geringfügi-gen Arrhythmien rekrutiert wurdensowie solche, für die aus heutiger Sichtdas Behandlungsrisiko größer war alsdas Krankheitsrisiko.

Durch diese Antiarrhythmika wurde diePrognose der behandelten Patienten alsonicht verbessert, wie man allgemein ver-mutet hatte, sondern verschlechtert.

Digitalis

Vor etwa 230 Jahren erfuhr der englischeArzt William Withering (1741–1799) voneiner Kräutermischung, mit der man inder Lage sein sollte, Patienten von derWassersucht zu heilen. Seit dieser Zeitwird Digitalis bei den unterschiedlichs-ten Indikationen eingesetzt, in den letz-ten 100 Jahren vor allem bei Herzinsuf-fizienz. Wissenschaftliche Basis für die-ses Vorgehen waren die bekannten nega-tiv bathmotropen, chronotropen unddromotropen Wirkungen. Auf die Pro-gnose quoad vitam hatten die Effekte aufdiese Surrogatkriterien keinen Einfluss.Der positiv inotrope Effekt schadet herz-insuffizienten Patienten eher, wie wirjetzt wissen. Am 20. Februar 1997 be-kannte die Digitalis Investigation Group,dass bei Patienten mit Herzinsuffizienzdurch Digoxin – im Vergleich zu Placebo– die Mortalität nicht vermindert werdenkann. Aus einer nachträglichen Sub-gruppenanalyse, die 2002 veröffentlichtwurde, war sogar zu erkennen, dass sichdie Anwendung von Digoxin bei Frauenfatal auswirken konnte: Unter Digoxinverstarben mehr Frauen als unter Place-bo! Das betraf sowohl die Gesamtmorta-lität als auch die kardiovaskuläre Morta-lität.

Weitere Beispiele

Hier sind unter anderem zu nennen, dieHormonersatztherapie bei menopausa-len und postmenopausalen Frauen. Diegeringfügige sekundärpräventive Wir-kung der Statine, die nicht direkt mitihrer cholesterolsenkenden Wirkung kor-reliert, sondern in einem unbekanntenAusmaß mit anderen Effekten. Zur Be-handlung degenerativer Gelenkerkran-kungen und der rheumatischen Arthritissind nach heutiger Studienlage Coxibe al-lenfalls Mittel der zweiten Wahl. Neuer-dings erfahren wir, dass der Beta-BlockerAtenolol für Hochdruckpatienten offen-bar weniger gut geeignet ist als andereblutdrucksenkende Substanzen (8).Auch an weiteren Beispielen könnte ge-

zeigt werden, dass durch EBM die ärztli-che Urteilskraft gestärkt wird.

Literatur

1. Haverich A: Wohin führt uns die Wis-senschaft? Forschung & Lehre 2004;246-247.

2. Köbberling J: Die trendbasierte Medi-zin – Jede Satire ist noch zu „toppen“–.Z ärztl Fortbild Qual sich 2002; 96: 623.

3. Kienle S, Karutz M, Matthes H et al.:Evidenzbasierte Medizin: Konkurs derärztlichen Urteilskraft? Deutsches Ärzte-blatt 2003; 100: A 2142 – A 2146.

4. Bleuler E: Das autistisch-undiszipli-nierte Denken in der Medizin und seineÜberwindung. Berlin: Verlag von JuliusSpringer; 1919.

5. Senn S: Individual response to treat-ment: is it a valid assumption? BMJ 2004;329: 966–968.

6. Meyer FP: Die Unhaltbarkeit von Mo-tivationsparadigmata – Geschichten vomEnde medizinischer Legenden. In: May

40 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZITDie nachweisorientierte Medizin ist –gegenwärtig – die höchste und am bes-ten begründete Form des Wissenser-werbs. Dass daneben in der prakti-schen Medizin, für die Therapie und fürdie psychische Führung der Patientenoft noch Handlungsanweisungen exis-tieren, die sich nicht auf objektive Sätzestützen können, ist sicher richtig undwird auch immer so bleiben.

Was nicht passieren darf, ist der Miss-brauch von EBM unter dem Deckman-tel einer „Kochbuch- oder Leitlinien-medizin"! Dazu bedürfte es keinerÄrzte. Das könnte jeder Computer. Reil-ly (9) meinte, dass EBM nicht als troja-nisches Pferd dienen darf, um Kostenzu senken und die Autonomie des Arz-tes zu untergraben. Wissenschaftliche(d.h. studienbegründete) Erfahrungund persönliche ärztliche Erfahrungsind zwei Seiten derselben Medaille –zum Nutzen unserer Patienten.

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Tabelle 1: Versuche der Vermeidung gastrointestinaler Nebenwirkungen bei der Einnahme von NSAR.

Maßnahme Folge/Anmerkung� Chemische Veränderung eines � Acemetacin (Rantudil®) als

bekannten Moleküls Abwandlungvon Indometacin � Gleichzeitige Einnahme eines � Wird von der AkdÄ empfohlen s. AVP

Protonenpumpeninhibitors (PPI) 1/2005; 32: 7� Fixe Kombination eines Antazidums � Kombination von Diclofenac und

mit einem NSAR Misoprostol (Arthotec®)� Prodrug � Nabumeton (Artaxan®)� Selektive COX2-Hemmung � Meloxicam (Mobec®) als erster semi-

selektiver COX2-Hemmer.� Coxibe

� Klinische Praxis � Halbwertszeit� Beachtung pharmakologischer � Einnahmezeitpunkt

Eigenschaften der NSAR � Indikation� Ausweichen auf Paracetamol oder

Opioide

B, Sass H-M, Viefhues H, editors: Verant-wortungsethik. Interessenkonflikte umdas Medikament – Wo steht der Patient?Heft 155, Bochum: Zentrum für Medizi-nische Ethik, 2004; 27–43.

7. Meyer FP: Arzneimittel – Hände derGötter? Oschersleben: dr. ziethen verlag;2001.

8. Carlberg B, Samuelsson O, LindholmLH: Atenolol in hypertension: is it a wisechoice? Lancet 2004; 364: 1684–1689.

41Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

9. Reilly BM: The essence of EBM. BMJ2004; 329: 991–992.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß [email protected]

Anpassungsfähig: Wie sich die Risiken einer Einnahme vonAntirheumatika im Laufe der Zeit „verändern“.1

Antirheumatika oder NSAR (nicht stero-idale Antirheumatika) sind die weltweitam weitesten verbreiteten und mit dieam längsten industriell hergestelltenMedikamente. 1853 begann in Deutsch-land die industrielle Herstellung der Sa-lizylsäure und schließlich der Acetylsa-licylsäure, des bis heute am meisten ver-kauften Medikamentes überhaupt.Schon 1877 waren alle wesentlichenNebenwirkungen bekannt. Für Phenyl-butazon wurde 1949 zum ersten Mal derBegriff NSAR benutzt.

Seit den 80-er Jahren wurde erkennbar,dass ein NSAR mit verbesserter Wirkungnur mehr schwer zu entwickeln seinwürde. Bessere Verträglichkeit als Pro-dukteigenschaft rückte in den Vorder-grund. Historisch interessant ist, wiesich auf Grund der Vermarktungsinte-ressen die Deutung von „objektiven“ epi-

demiologischen Daten wandelte. Es tra-ten Präparate auf den Markt, welche die„Magenverträglichkeit“ verbessern soll-ten (Tabelle 1). Dabei muss beachtet wer-den, dass jeder zehnte Mensch im Laufseines Lebens mit einem Ulcus rechnenmuss (1). Zitat eines Expertenge-spräches in Heidelberg 1987: „Bei 60 bis65 % der endoskopierten Fälle sieht maneine Oberflächengastritis.“

Rückblick (2)Ketoprofen wurde 1972 eingeführt (3)und mit Indometacin verglichen, das da-mals als stärkstes NSAR galt. Die Publi-kationen stellten eine Effektivität fest,die mindestens der von Indometacin ent-spräche. Nebenwirkungen wurden anek-dotisch erwähnt und traten in derGrößenordnung von Placebo auf. Eswurden persönliche, durchweg positive

Eindrücke berichtet. EvidenzbasierteMedizin (EBM) war noch nicht bekannt.Auf dem internationalen Rheumakon-gress (Sydney) wurde 1985 das Ergebniseiner Studie vorgestellt, bei der 187Ärzte NSAR unter Praxisbedingungenbei 1.823 teils sehr alten Patienten ein-gesetzt hatten. Gastrointestinale Neben-wirkungen traten in 18 % der Fälle auf,aber „das Nebenwirkungsrisiko (sei)auch im Alter nicht erhöht“ (4). Im Jahre1986 wurde das Prodrug Nabumeton als„erste intelligente Rheumatherapie“herausgebracht (5). Zitat: „The lack of ef-fect of nabumetone on the gastric muco-sa in all species was particularly impres-sive.“ 1987 wurde die erste Anwendungs-beobachtung an 18.047 Patienten abge-schlossen, 1989 die zweite an 10.800.Über 22.000 Patienten in der damaligenBRD und mehr als 100.000 Patientenweltweit seien erfolgreich behandeltworden. 1 g Nabumeton wurde dabei mit3,6 g(!) Acetylsalicylsäure verglichen.Das Ergebnis: Acetylsalicylsäure produ-zierte signifikant häufiger Nebenwir-kungen. Die UAW von 1 oder 2 g Nabu-meton waren dagegen so häufig wie die-jenigen unter Einnahme eines Plazebos!Während Nabumeton in den USA immernoch unter dem Namen Relafen® und Re-lifex® und in der Schweiz als Balmox® er-folgreich ein bedeutendes Marktseg-ment behauptet, ist es in Deutschlandvom Markt verschwunden. Die Ursachefür dieses Verschwinden ist wahrschein-lich banal: Nabumeton konnte nicht in-tramuskulär appliziert werden. Hier-

1 Vergleiche auch die Zusammenstellung von Brune,Müller-Oerlinghausen und Schwabe in AVP 2005; 32:3–8

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durch war seinerzeit dessen Anwendungin den Praxen als suggestiv wirksame In-tervention nicht möglich. Intramus-kuläre Applikationen werden in den USAbis heute aus Angst vor Existenz bedro-henden Schadensersatzansprüchen ge-mieden.

1987 wurden Experten zu einer Stand-ortbestimmung nach Heidelberg einge-laden. Anlass war die Promotion vonAcemetacin, dessen Galenik versprach,die Potenz von Indometacin mit bessererVerträglichkeit zu verbinden. Zum letz-ten Mal wurden Hypothesen vorgetra-gen, die zwölf Monate später überholtwaren. Für die Entstehung eines Magen-geschwürs wurden noch Stress, Rau-chen und falsche Ernährung an ersterStelle genannt. Helicobacter wurde nochnicht diskutiert, obwohl die entschei-dende Arbeit von Marshall und Warrenbereits 1983 publiziert worden war (6),und dies in einer viel gelesenen Zeit-schrift (Lancet). Aber auch moderneStudien werden der Problematik einesZusammenhanges zwischen Säurepro-duktion, NSAR-Einnahme und der Heli-cobacterinfektion keine Aufmerksam-keit schenken (7). Gastroenterologenund Rheumatologen trafen sich 1987 zueinem Expertengespräch in Kairo. Be-richtet wurde, dass unter stationären Be-obachtungen Rheumatiker bei der Ein-nahme von NSAR im Vergleich zu ande-ren Patienten seltener ein Ulcus ent-wickelten (8), die Wertigkeit von Cimet-idin für die Prophylaxe diskutierten 1988Rheumatologen und Gastroenterologenin Frankfurt. Eine Metaanalyse aus 525Studien ergab, dass lediglich bei den un-spezifischen „gastritischen“ Beschwer-den zwischen einem Placebo und einemNSAR eine signifikante Differenz zu be-obachten war (381/6356 gegenüber556/6467). Die Autoren kamen zu demSchluss: „The data (..) reveal a remarka-ble paucity of GI side effects.“ Als Letzteswurde PGE2, Misoprostol, welches zurUlkustherapie nicht erfolgreich platziertwerden konnte, ersatzweise in der fixenKombination mit Diclofenac unter demNamen Arthrotec® eingeführt. DieseKombination ist noch auf dem Markt.Damit enden die Berichte über Neben-wirkungen in einer so geringen Häufig-keit. Bereits seinerzeit wurde kritisch

angemerkt, dass die Studien Wirksam-keit gegen rheumatische Schmerzennachweisen wollten. An der Aufdeckungvon Nebenwirkungen bestand einzweitrangiges Interesse.

Ein „Anstieg“ von gastrointestinalen Ne-benwirkungen würde die Entwicklungund Vermarktung neuer NSAR begünsti-gen. Dazu passend stieg laut einer Über-sichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt ausdem Jahre 1989 mit einem Male die Häu-figkeit von Magenschädigungen auf 50% bei einer Einnahme von Acetylsa-licylsäure, auf 30% bei der von Indo-metacin und auf 20% bei Diclofenac,wobei selektiv Arbeiten aus den Jahren1975 bis 1984 zitiert wurden. Die Kom-plikationen werden jetzt als „nicht seltentödlich“ bezeichnet.

ARAMIS (the Arthritis, Rheumatism,and Aging Medical Information System)sammelt seit drei Jahrzehnten Daten vonüber 36.000 Patienten mit rheumati-schen Erkrankungen in den USA und Ka-nada. 1997 veröffentlichte ARAMIS dieZahlen, welche die Basis für die Propa-gierung der Coxibe liefern sollte (9). Aus-gewertet wurden 13.000.000 Patienten.Fünf bis 15 von 100 beendeten die Ein-nahme von NSAR. Unter 13.000.000 Pa-tienten verstarben 16.500 (0,13%) jähr-lich an Komplikationen, die mit der Ein-nahme eines NSAR in Verbindung zubringen sind. Nicht in diese Rechnungging ein, dass US-Amerikaner im Gegen-satz zu Europäern einen großzügigerenUmgang mit NSAR pflegen. In Deutsch-land wurde die Zahl der Bundesbürger,die wegen einer Komplikation unterNSAR-Einnahme versterben (10) aufjährlich 1.200 bis 2.400 geschätzt. ImJahre 2000 wurden die Ergebnisse derARAMIS-Studie/ USA erneut bemüht. DieHäufigkeit von Todesfällen in Folge einergastrointestinalen Blutung ohne Ein-nahme eines NSAR lag bei 0,05 %, vier-mal niedriger als unter Therapie. Das re-lative Risiko stieg auf 2,51% bei Patien-ten mit Arthrose bzw. 6,77% bei Patien-ten mit Arthritis. In der Ära vor dem Ein-satz der Coxibe lag gemäß der 1988 pub-lizierten ARAMIS-Daten die Letalität aufGrund GI-Komplikationen bei 4,2%.Unerwähnt blieb und bleibt, dass dieMortalität bei einer entzündlich rheu-

matischen Erkrankung im Vergleich zurNormalbevölkerung bereits 1,4- biszweimal höher ist.

Das Lebensalter wurde als weiteres Argu-ment für die Verschreibung entdeckt.Das gipfelte in der Aussage, dass die „Äl-teren“ besonders für gastrointestinaleKomplikationen durch NSAR gefährdetseien und dass selbstverständlich, trotzzunehmend knapper werdender finanzi-eller Mittel – aus ethischen Gründen –,den Alten die modernen, wenn auch teu-ren NSAR nicht vorenthalten werdendürften. Unzweifelhaft ergeben sich mitdem Alter Veränderungen in der Pharma-kodynamik und -kinetik. Aber bereits dasProdrug Nabumeton hatte nachweislichkein im Zusammenhang zum numeri-schen Alter stehendes erhöhtes Risiko.

Obwohl rheumatische Erkrankungen imAlter seltener werden, sind Verordnun-gen von NSAR bei älteren Patientenüberproportional häufig (11). Damitwerden Arzneimittelinteraktionen un-überschaubar. Bereits Nabumeton wurdeunter dem Gesichtspunkt der „Altersver-träglichkeit“ 1986/87 weltweit bei 948Patienten > 65 Jahre untersucht. Eswurden keine Unterschiede zu jüngerenPatienten, weder hinsichtlich Wirksam-keit noch Nebenwirkungen, beobachtet:„It can be seen, that there was no diffe-rence in the incidence of adverse experi-ences between the total population andthose over 65 years of age“ (5). Seit derEinführung der Coxibe steigen angeb-lich die gastrointestinalen Risiken. Rundzwei Drittel aller Patienten hätten dem-nach die Beschwerdefreiheit mit GI-Lä-sionen bezahlt, 15 % aller NSAR-„Kon-sumenten“ hätten ein Ulkus. Nichts er-klärt, warum die Ulkushäufigkeit real inden letzten Jahren gestiegen sein sollte.Gestiegen ist die Aufmerksamkeit (oderBias?) für UAW. Zur Beurteilung der GI-Nebenwirkungen wurde Celecoxib 200mg, also eine normale Dosis, verglichenmit 1000 mg/Tag Naproxen, also einerweit über der vom Hersteller empfohle-nen Höchstdosis. In anderen Vergleichs-studien wurden Arthrosepatienten überMonate mit Tagesdosen von Ibuprofenvon 2.400 mg bzw. Acetylsalicylsäurevon 3 x 650 mg behandelt. Diese Dosie-rungen stellen keine realistische Dauer-

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medikation in der Praxis dar. Frank P.Meyer/ Magdeburg wird da deutlich: „Ichhalte das Vorgehen der Autoren nicht fürbesonders ethisch“.

Auf die Problematik Coxibe/Herz- undKreislauferkrankungen wurde hier be-wusst nicht eingegangen. Sie wurde inAVP 1/2005 ausführlich dargestellt. Dortfinden sich auch Empfehlungen zumUmgang mit den bisher noch im Handelbefindlichen Coxiben.

Literatur1. Nichtsteroidale Antirheumatika undGastrointestinaltrakt. Expertenge-spräch, Heidelberg, 24. Januar 1987:Simon B, editor: Nichtsteroidale Anti-rheumatika und Gastrointestinaltrakt.Expertengespräch, Heidelberg, 24. Janu-ar 1987. Stuttgart: Schattauer; 1987.2. Verblindung – Manipulationen amPharmamarkt: Wagener P, editor: Ver-blindung – Manipulationen am Pharma-markt. Münster: Agenda Verlag; 2004.3. Erkrankungen des rheumatischenFormenkreises. Fakten, Tendenzen, Bi-lanz einer Therapie mit Alrheumun:Köln: Bayropharm; 1982.

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Prof. Dr. med. Peter Wagener , [email protected]

43Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZITBis zur Einführung der Coxibe wurdendie NSAR als gut wirksam und neben-wirkungsarm dargestellt. Seit der Ein-führung der Coxibe gilt das nicht mehr.Behauptet wird jetzt eine unverant-wortbare Häufung letaler Nebenwir-kungen unter Einnahme der NSAR.„Belegt“ wird dies durch die von Her-stellern gesponserten und bearbeite-ten Studien. Bei der massiven Bewer-bung der Coxibe ist eine selektive Dar-stellung der Datenlage so auffällig,dass sie mit einem Bias kaum adäquaterklärt ist. Inzwischen hat die Realitätdie Kritik an der Vermarktung eingeholt.Aus einer Nischenindikation ist durchmassive Bewerbung eine Massenindi-kation eines teuren Medikamentes mitjetzt sichtbar häufigeren Nebenwir-kungen geworden.

Therapie aktuell

Der Hypogonadismus stellt die häufigsteendokrinologische Erkrankung desMannes dar. In Deutschland sind etwaeine Million Männer betroffen. DiePrävalenz steigt mit dem Alter an. Wahr-scheinlich werden aber nur 5% der Be-troffenen adäquat behandelt. Z.B. blei-ben zwei Drittel der Patienten mit Kline-felter-Syndrom, mit einem auf 500 Män-ner der häufigsten Form des angebore-nen Hypogonadismus, zeitlebens undiag-nostiziert und somit unbehandelt (1).Vermehrte Aufklärung der Ärzte und Pa-tienten sowie verbesserte Therapiemög-lichkeiten dürften jedoch zu einer stei-genden Zahl von Patienten in den Praxenführen. Dabei muss klar von echten In-dikationen für eine Testosteronsubstitu-tion und der Anwendung als Lifestyle-

Droge unterschieden werden, deren Fol-gen nicht absehbar sind.

Die Diagnostik des Hypogonadismus ba-siert auf morgens gemessenen vermin-derten Testosteronspiegeln (< 10–12nmol/L) kombiniert mit klinischenSymptomen wie vermindertem Wohlbe-finden mit Antriebsstörungen undDysthymie, verminderte Libido, Erekti-onsstörungen, abnehmender sekundä-rer Behaarung, Schweißausbrüche, Anä-mie, verminderte Knochendichte undMuskelmasse sowie einer Zunahme desKörperfetts im Sinne einer weiblichenFettverteilung. Manifestiert sich derHyogonadismus erst im Alter („late-onset“ oder „Altershypogonadismus“),können die Symptome durch gleichzei-

tig bestehende andere Erkrankungenverschleiert werden (2). Hypogonadis-mus in der Adoleszenz resultiert in Pu-bertas tarda mit eunuchoiden Körper-proportionen. Die Labordiagnostik kanndurch gleichzeitige Messung von SHBG(sexualhormonbindendes Globulin) undErrechnung des freien Testosterons er-härtet werden.

Es sollte zwischen primärem (hypogona-dotropem) und sekundärem (hypergo-nadotropem) Hypogonadismus unter-schieden werden. Im ersten Fall, d.h. beierhöhten FSH- und LH- Werten, liegt dieStörung auf testikulärer Ebene (z. B. Kli-nefelter-Syndrom, Anorchie, Strahlen-oder Chemotherapie). Im zweiten Fallsind die FSH- und LH-Werte vermindert

Testosteronsubstitution beim Mann

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und die Störung liegt auf der Ebene desHypothalamus und/oder der Hypophyse(z.B. idiopathischer hypogonadotroperHypogonadismus, Kallmann-Syndrom,Hypophysenadenom).

Bei sekundärem Hypogonadismus kanndie Testosteronproduktion in den Ley-dig-Zellen durch LH/HCG-Injektionenangeregt werden und führt in Kombina-tion mit FSH-Injektionen zu Spermien-bildung und Möglichkeit der Vater-schaft. Diese dreimal pro Woche subku-tane Injektionen erfordernde Therapiewird nur für die Dauer des aktuellen Kin-derwunsches angewandt, danach wirdauf Testosteron umgesetzt.

Die Substitution mit Testosteron (3; 4)wird seit über 60 Jahren praktiziert undzählt zu den sichersten Therapien. Je-doch entsprachen die zur Verfügung ste-henden Präparate (Tabelle 1) lange Zeitnicht den Anforderungen an eine opti-male Substitution. Denn das in den1950er Jahren eingeführte injizierbareTestosteronenantat produziert zumin-dest vorübergehend unphysiologischhohe Serumspiegel und das seit Ende der1970er Jahre zur Verfügung stehendeorale Testosteronundecanoat ist in sei-

ner Resorbierbarkeit schlecht vorher-sagbar. Erst in den letzten Jahren wur-den durch die Einführung transderma-ler und neuer injizierbarer Präparate dievon den Therapeuten geforderten phy-siologischen Testosteron-Serumspiegelerreicht.

Zuerst wurde ein testosteronhaltigerFilm (Testoderm®) eingeführt, der aufdas Skrotum aufgetragen wurde. Diesestark durchblutete Hautpartie garantier-te eine hohe Resorbierbarkeit des Testos-terons. Wegen der allgemeinen Tabui-sierung dieses Organs und der Notwen-digkeit, eventuelle Behaarung vor Anwen-dung zu entfernen, wich das transskro-tale Präparat schnell Testosteron-Pfla-stern (Androderm®), die auf die Haut desRumpfes aufgetragen werden, allerdingsdann doch nur von wenigen Patientenauf Dauer benutzt werden, da bei vielenAnwendern wegen resorptionssteigen-der Hilfsstoffe Hautirritationen auftre-ten.

Hydroalkoholische Testosteron-Gele (z.B.Testogel®, Testim®) bilden die jüngstetransdermale Applikationsform. Sie wer-den morgens auf möglichst unbehaarteHautareale der Oberarme, Schultern

oder des Bauches appliziert und müssenca. fünf Minuten einziehen. In dieser Zeitsollte Hautkontakt mit anderen Perso-nen vermieden werden. Danach ist dieWahrscheinlichkeit einer Wirkstoffüber-tragung auf andere Personen zu ver-nachlässigen. Transdermale Systemebieten die Möglichkeit einer kurzfristi-gen Therapiebeendigung und sind des-halb vor allem für den älteren hypogona-dalen Patienten (über 50 Jahre) geeig-net.

Ende 2004 wurde Testosteronundecano-at zur intramuskulären Injektion (Nebi-do®) eingeführt. Zunächst werden 1.000mg in 4 ml öliger Lösung nach einemsechswöchigen und ab dann in zwölf-wöchigen Abständen intramuskulär inji-ziert. Damit werden gleichmäßige Se-rumtestosteronspiegel im physiologi-schen Bereich erreicht, die von dem Pa-tienten als angenehm empfunden wer-den. Das Präparat bietet damit eine aus-gezeichnete Substitution für den jünge-ren Patienten, ist aber für den älteren hy-pogonadalen Mann weniger geeignet, dabei Auftreten einer Kontraindikation (z.B. Prostatakarzinom) die Depotwir-kung nur langsam abklingt (s. o.).

44 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Tabelle 1: In Deutschland verfügbare Testosteronpräparate zur Testosteronsubstitution

Applikationsmodus Wirkstoff Handelsname Dosierung Preis(Lauer Taxe, Januar 2005)

Intramuskulär Testosteron- Testosteron-Depot 1 Amp. 3 Amp./Fertigspr. (N2):enantat JENAPHARM® alle 2–3 Wo. 23,95 bis 48,86 €250 mg … Eifelfango

… Galenpharma… RotexmediaTestoviron® Depot

Testosteron- 1 Amp.undecanoat 1000mg Nebido® alle 12 Wo. 1 Amp. (N1) : 136,04 €

OralTestosteron-undecanoat Andriol® Kapseln 1–4 Kps./Tag 60 Kps. (N2): 47,88 €

40 mg Andriol® Testocaps 60 Kps. (N2): 49,95 €TransdermalPflaster Testosteron Androderm® 2,5 mg 2 Pflaster/Tag 30 Pflaster (N2): 40,34 €

Gel im Beutel Testosteron Testogel® 25 mg/50 mg 50 mg/Tag 50 mg, 30 Btl. (N2): 60,44 €Androtop® 25/50 mg

Gel in der Tube Testosteron Testim® 50mg 50mg/Tag 50 mg, 30 Stck. (N2): 65,49 €

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45Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Vor Therapiebeginn muss ein Prosta-takarzinom durch digitale Untersu-chung und PSA-Bestimmung ausge-schlossen werden. Bei Patienten über 45Jahren werden diese Maßnahmen nachTherapiebeginn zunächst in vierteljähr-lichen Abständen und nach zwölf Mona-ten in jährlichen Abständen wiederholt.Zu der Überwachung gehört neben derKnochendichte auch eine Überprüfungdes roten Blutbildes (Erythrozyten undHämatokrit), da die Erythropoese stimu-liert wird, die Normalwerte wegen derGefahr von Thrombosen und Apoplexaber nicht überschritten werden sollten.Testosteron sollte wegen seiner kontra-zeptiven Wirkung nicht bei bestehen-dem Kinderwunsch verabreicht werden.Wird es während der Pubertät gegeben,ist eine mögliche Einschränkung desLängenwachstums zu berücksichtigen.

Von Skeptikern wird vermutet, dass essich bei der Indikation „Altershypogona-dismus“ um eine Erfindung der Indus-trie handelt. Dem muss widersprochenwerden, solange es sich um einen Abfalldes Testosterons unter die Normgrenzehandelt, der über das physiologische, al-tersbedingte Absinken des Testosterons

hinausgeht, und Alter nicht per se zueiner undiskriminierenden Testosteron-verordnung führt. Da allerdings Lang-zeitstudien zur Testosteronbehandlungbei Altershypogonadismus fehlen, darfeine solche Behandlung nur unter stren-ger Überwachung und auf individuellerBasis durchgeführt werden.

Literatur:1. Lanfranco F, Kamischke A, ZitzmannM, Nieschlag E: Klinefelter's syndrome.Lancet 2004; 364: 273–283.2. Zitzmann M, Nieschlag E: Der Alters-hypogonadismus des Mannes: RationaleDiagnostik und Therapie. Internist(Berl) 2003; 44: 1313–1321.3. Nieschlag E, Behre HM: Therapie mitTestosteron. In: Nieschlag E, Behre HM,editors: Andrologie – Grundlagen undKlinik der reproduktiven Gesundheit desMannes. 2. Auflage, Berlin, Heidelberg,New York: Springer-Verlag, 2000;349–366.4. Nieschlag E, Behre HM: Testosterone:Action, Deficiency, Substitution.: Cam-bridge Univerity Press, Cambridge; 2005;3rd Edition, 2004.

Prof. Dr. med. Eberhard Nieschlag, Münster Dr. med. Bianca Kühnert, Mü[email protected]

FAZITDer Hypogonadismus erfordert in allenAltersstufen eine differenzierte Diag-nostik und Behandlung. Die Applikati-onsform und die Wahl des Testosteron-präparates kann nach den Wünschendes Patienten erfolgen, wobei abeinem Alter von 50 Jahren kurzwirksa-men (transdermalen) Präparaten derVorzug zu geben ist. Auf Grund fehlen-der Langzeituntersuchungen sollte dieBehandlung des älteren Mannes nurunter strenger Überwachung erfolgen.Ein Prostatakarzinom ist eine Kontrain-dikation für Testosteron. Bei bestehen-dem Kinderwunsch ist eine Testoste-ronbehandlung kontraindiziert, da siedie Spermienproduktion unterdrückt.Testosteron ist in keinem Fall eine Life-style-Droge und erfordert bei jeder Ver-ordnung eine klare Indikation.

Pharmakotherapie von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen – Lehren aus der aktuellen Entwicklung

Bedeutung affektiver Erkrankungen bei Kindern undJugendlichenDaten aus epidemiologischen Studienhaben ergeben, dass in den USA etwa 2,5% der Kinder und bis 8,3% der Ju-gendlichen an depressiven Störungenleiden (1). Genau wie bei Erwachsenenist Depression bei Kindern und Jugend-lichen auch mit einem erhöhten Risikovon suizidalem Verhalten verbunden.Dieses Risiko steigt bedeutend, wenn esneben der Depression zu einem Subs-tanzmissbrauch kommt. Suizid ist diedritthäufigste Todesursache bei 10 bis19-Jährigen (2). Affektive Erkrankungen

können bei Kindern und Jugendlichenzu interpersonellen und psychosozialenSchwierigkeiten führen, die lange überdas Ende einer depressiven Episode hi-nausreichen können. Leider werden sol-che Störungen sowohl von Familien alsauch von Ärzten übersehen beziehungs-weise falsch interpretiert. So werdenSymptome depressiver Erkrankungenbei Kindern und Jugendlichen oft alsnormale Stimmungsschwankungen –wie sie in diesem Lebensalter häufig vor-kommen – verkannt.

Die diagnostischen Kriterien für die De-pression bei Kindern und Jugendlichen

sind an sich die gleichen wie bei Erwach-senen. Allerdings ist die Krankheit deut-lich schwieriger zu diagnostizieren,unter anderem weil es den Patienten oftschwer fällt, ihre Gefühls- und Stim-mungslage adäquat zu kommunizierenund weil komorbide Störungen depres-sive Symptome maskieren können (3; 4).So zeigen z. B. Kinder oft anstelle einerverbalen Kommunikation darüber, wieschlecht es ihnen geht, diesen Zustandaverbal durch ungewöhnliche Reizbar-keit, was dann von Eltern oder Lehrernals allgemeine Verhaltensstörung fehl-interpretiert werden kann.

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Therapie affektiver Erkrankungen bei Kindern undJugendlichen

Die Kinder- und Jugendmedizin warenlange Zeit gekennzeichnet durch eineSondersituation in Bezug auf die Ver-schreibung von Arzneimitteln: Das fastvollständige Fehlen von Zulassungsstu-dien für Indikationen bei Patientenunter 18 Jahren führte dazu, dass Datenaus Zulassungsstudien für Erwachseneauf diese Patientengruppe extrapoliertwurden. Im Bereich der Kinder- und Ju-gendpsychiatrie wurden meist etwa dreioder vier Jahre nach der Zulassung einesAntidepressivums für Erwachsene diesesArzneimittel auch bei Kindern angewen-det, ohne dass es spezifische Zulassungs-studien für diese Patientengruppe gab.Oft geschahen diese stillen Indikations-erweiterungen in einer idiosynkrati-schen Art und Weise, geprägt von loka-lem oder nationalem Konsensus.

Seit ca. 20 Jahren wurden nichtselektiveMonoamin-Rückaufnahmeinhibitoren(NSMRI) bei affektiven Erkrankungenjunger Patienten eingesetzt, allerdingszeigte sich, dass diese Medikamente wiez. B. Amitriptylin bei Kindern und Ju-gendlichen weniger wirksam sind als beiErwachsenen. Ihre potenzielle Toxizitätstellt außerdem ein Risiko dar. Im Jahre1998 wurden dann Behandlungsleitlini-en veröffentlicht, die zum Schluss ka-men, dass selektive Serotonin-Rück-aufnahmeinhibitoren (SSRI) ein besse-res Wirkungsprofil aufwiesen und auchbesser toleriert würden (5). Dies führtedazu, dass in den letzten Jahren Antide-pressiva allgemein und SSRI speziell beiKindern und Jugendlichen immer mehrverschrieben wurden (6).

Eine neue EntwicklungIm April des letzten Jahres setzte danneine Entwicklung ein, die für Klinikerund Forscher gleichermaßen erstaun-lich war. Basierend auf Resultaten vongroßen randomisierten und kontrollier-ten Studien erklärten die britischen, ka-nadischen und die amerikanischen Zu-lassungsbehörden, dass der SSRI Paro-xetin bei Patienten unter 18 Jahren zurBehandlung der Depression kontraindi-

ziert sei. Studien hatten gezeigt, dassParoxetin wenig bis nicht effektiv istund zudem Indizes für Suizidalität undAggression in den Behandlungsgruppendoppelt so hoch wie in den Plazebo-gruppen war (7). Das britische Commit-tee on Safety of Medicine (CSM) setzteim April 2003 eine Expertengruppe ein,die die Sicherheit von allen SSRIs inihrer Anwendung bei depressivenStörungen von Kindern und Jugendli-chen zu untersuchen hatte. In ihremBericht, der im Dezember letzten Jahreserschienen ist, berichtete die Gruppe,dass sie alle verfügbare Evidenz geprüfthabe und die Risiken der Behandlungvon depressiven Erkrankungen bei Pati-enten unter 18 Jahren mit gewissenSSRIs größer seien als der therapeuti-sche Nutzen (8). Der Leiter der briti-schen Medicines and Healthcare prod-ucts Regulatory Agency (MHRA) wurdein diesem Bericht zitiert „dass die Mehr-zahl der SSRI’s nicht geeignet sind fürden Einsatz bei Patienten unter 18 Jah-ren“. Nur für die Substanz Fluoxetinwurde auf ein günstiges Nutzen-/Risi-ko-Verhältnis geschlossen. Basierendauf der gleichen Evidenz entschied sichdie US Food and Drug Administration(FDA) im Oktober 2004 dazu, zusätzli-che Warnhinweise in den Beipackzet-teln zu SSRI zu verlangen (9).

Wie kam es zu diesen Reaktio-nen der Zulassungsbehörden?In den letzten Jahren wurden immermehr Berichte über therapieinduzierteAgitation und suizidales Verhalten beiKindern und Jugendlichen unter SSRI-Therapie veröffentlicht. So zeigte z.B.eine kürzlich erschienene, retrospektiveStudie an 82 Kindern und Jugendlichendie wegen Zwangssymptomen oder De-pression mit SSRI behandelt wurden,eine Erhöhung von therapieinduziertenpsychiatrischen Nebenwirkungen (10).Ein fundamentales Problem ist auch dasfast vollständige Fehlen von qualitativakzeptablen und sorgfältig geplantenpsychopharmakologischen Studien zurDepressionstherapie bei Kindern undJugendlichen.

Diese unbefriedigende Situation wirddurch eine Studie illustriert, in der die

Autoren Daten aus publizierten Studienzur Behandlung mit SSRI bei Kindernund Jugendlichen mit nicht veröffent-lichten Daten vergleichen. Sie zeigten,dass, während die publizierten Studienein günstiges Risikoprofil suggerierten,die Nachteile der Therapie überwogen,nachdem die unpublizierten Daten in diestatistische Analyse mit einbezogen wur-den. Dies traf für alle SSRI außer Fluo-xetin zu (9). Besonders erschreckend isteine kürzlich erschienene Publikationüber ein vertrauliches Dokument mitdem Titel Seroxat/Paxil Adolescent De-pression: Position piece on the phase IIIclinical studies der Firma GlaxoSmith-Kline (GSK) aus dem Jahre 1998, das anFirmenmitarbeiter gerichtet war (11).Das Dokument bezog sich auf eine klini-sche Studie in der die antidepressiveWirkung von Paroxetin gegen Imipra-min und Plazebo bei 275 Adoleszentenverglichen wurde. Es wurde darauf hin-gewiesen, dass die antidepressive Wir-kung von Paroxetin nicht robust genugnachgewiesen werden konnte um damiteine Registrierung bei den Zulassungs-behörden zu erwirken und den Mitarbei-tern wurde geraten to „effectively mana-ge the dissemination of these data inorder to minimize any potential negativecommercial impact“. Die Studie wurdedann erst drei Jahre später publiziert(12).

Eine 2004 erschienene Metaanalyse dis-kutiert die zur Zeit zur Verfügung ste-henden sieben publizierten randomi-sierten und kontrollierten Studien zumEinsatz von SSRI bei Depressionen vonKindern und Jugendlichen (13). EinVorteil der aktiven Substanzen gegen-über Plazebo konnte nur bei 17 von 42 gemessenen Parametern bei den ins-gesamt etwa 1000 Patienten nachge-wiesen werden. Es wurde weiter ge-zeigt, dass der daraus resultierende Vor-teil für die aktive Substanz von unklarerklinischer Relevanz sei, und dass beiden untersuchten Studien in den Grup-pen mit der aktiven Substanz deutlichhöhere Nebenwirkungsraten aufgetre-ten waren.

Verständlicherweise hatten die Warnun-gen der Zulassungsbehörden klare Wir-kungen auf die Verschreibungsgewohn-

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47Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

heiten. Im ersten Quartal hat die Anzahlvon Patienten unter 18 Jahren, die in denUSA mit Antidepressiva behandelt wur-den, um 18% abgenommen, im zweitenQuartal wurde ein weiterer Rückgangum 5% registriert. Zwischen 2000 und2003 hatten die pädiatrischen Verschrei-bungen von Antidepressiva um 25% zu-genommen.

KonsequenzenAm 24.04.2004 schreibt der Herausge-ber des Lancet: „Die Geschichte der Er-forschung des Einsatzes von selektivenSerotonin-Rückaufnahmeinhibitoren(SSRI) bei der Depression von Kindernund Jugendlichen ist gekennzeichnetvon Konfusion, Manipulation und insti-tutionellem Versagen (14).“ Dies ist einhartes, aber durchaus zutreffendes Ur-teil. Einerseits sind wir mit einerschweren, potentiell tödlichen und si-cher therapiebedürftigen Störung beiKindern und Jugendlichen konfron-tiert, andererseits liegt eine ausgespro-chen dürftige und widersprüchlicheDatenlage vor. Besonders bedeutsamsind die neuen Hinweise auf die geringeWirksamkeit und das ungünstige Ne-benwirkungsprofil von SSRI in dieserAltersgruppe. Zurzeit muss davon aus-gegangen werden, dass der Einsatz die-ser Medikamente bei Kindern und Ju-gendlichen ausgesprochen zurückhal-tend geschehen sollte, und eine Thera-pie sorgfältig und engmaschig über-wacht werden muss.

Ein wichtiges Problem ist die Nichtpu-blikation oder sogar Suppression vonexistierenden wissenschaftlichen Daten,die in den Zulassungsstudien generiertwerden. So wurden beispielsweise wich-tigen unparteiischen Behörden, wie demamerikanischen National Institute ofClinical Excellence (NICE), die den Pro-blemkreis um die Anwendung von SSRIbei Patienten unter 18 Jahren unter-suchten, von den Herstellern nur parti-elle oder gar veränderte Datensätze zurVerfügung gestellt (15). Für ein solchesVerhalten kann es aus ärztlicher Sichtkeine ethische Begründung geben. EineLösung für dieses Problem könnte dieobligatorische Registrierung aller Studi-en bei einer internationalen zentralen

Behörde sein. Den Zugang zu diesen In-formationen müsste freilich den Fach-kreisen in vollem Umfang garantiertwerden (vergleiche Berlin-Deklarationder ISDB* zur Pharmakovigilanz vom21.1.05)

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7. Health Canada: IMPORTANT DRUGSAFETY INFORMATION: Until furtherinformation is available, PAXYL® (paro-xetine hydrochloride) should not be usedin children and adolescents under 18years of age, in http://www.hc-sc.gc.ca/hpfb-dgpsa/tpd-dpt/paxil_e.html, 2003:zuletzt geprüft am 20. 01. 2005.

8. Medicines and Healthcare productsRegulatory Agency: Selective SerotoninReuptake Inhibitors (SSRIs): Overwiewof regulatory status and CSM advice rela-ting to major depressive disorder (MDD)in children and adolescents including asummary of available safety and efficacydata, in http://medicines.mhra.gov.uk/ourwork/monitorsafequalmed/safety-messages/ssrioverview%5F101203.htm.London, UK,2004: zuletzt geprüft am 20.01.2005.

9. U.S. Food and Drug Administration:Suicidality in Children and AdolescentsBeing Treated With Antidepressant Me-dications.http://www.fda.gov/cder/drug/antidepressants/SSRIPHA200410.htm2004: FDA Public Health Advisory, Octo-ber 15, 2004: zuletzt geprüft am 20.01.2005.

10. Wilens TE, Biederman J, Kwon A etal.: A systematic chart review of the na-ture of psychiatric adverse events inchildren and adolescents treated withselective serotonin reuptake inhibitors. JChild Adolesc Psychopharmacol 2003;13: 143–152.

11. Kondro W, Sibbald B: Drug companyexperts advised staff to withhold dataabout SSRI use in children. CMAJ 2004;170: 783.

12. Keller MB, Ryan ND, Strober M et al.:Efficacy of paroxetine in the treatment ofadolescent major depression: a randomi-zed, controlled trial. J Am Acad ChildAdolesc Psychiatry 2001; 40: 762–772.

13. Jureidini JN, Doecke CJ, MansfieldPR et al.: Efficacy and safety of antide-pressants for children and adolescents.BMJ 2004; 328: 879–883.

14. Depressing research: Lancet 2004;363: 1335.

15. Whittington CJ, Kendall T, Fonagy Pet al.: Selective serotonin reuptake inhi-bitors in childhood depression: systema-tic review of published versus unpublis-hed data. Lancet 2004; 363: 1341–1345.

Prof. Dr. med. Thomas Schläpfer, [email protected]

* ISDB (International Society of Drug Bulletins) ist dieOrganisation aller unabhängigen, kritischen Arz-neimittelbulletins, zu denen auch die AVP gehört.

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Tabelle 1: Vergleich unterschiedlicher Bisphosphonate

Wirkstoff Indikation Dosierung Applikations- Haupt- weise Nebenwirkungen*

Ibandronsäure Hyperkalzämie 2–6 mg i.v. selten Akut-Phase-(Bondronat®) ossäre Metastasen Reaktionen mit

V.a. Mamma CA transientem Fieber-anstieg beim ersten Therapiezyklus

Clodronsäure ossäre Metastasen 600 mg i.v. Oral / i.v. s.o.(Bonefos®, Clodron®, 800 mg/Tag oralOstac®)Pamidronsäure Hyperkalzämie 60–90 mg i.v. s.o.(Aredia®) V.a. osteolyt.

MetastasenZoledronsäure Hyperkalzämie 4 mg i.v. s.o.(Zometa®) ossäre Metastasen

48 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

* In seltenen Fällen kann es zu Osteonekrosen des Kiefers (avaskuläre Nekrosen) kommen, gekennzeichnet durch Verlust oder Zerstörung des Knochens unter den Zäh-nen (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 101, Heft 31–32, 02.08.2004)

Knochenmetastasen stellen nach derOsteoporose und der Arthrose die häu-figste Skeletterkrankung dar. WährendPatienten mit Lungen- und Lebermetas-tasen im allgemeinen nur kurze Zeitüberleben, ist die Überlebenszeit bei Pa-tienten mit Knochenmetastasen häufiglang.

Knochenmetastasen können daherdurch die damit verbundenen Komplika-tionen wie Knochenschmerzen, patho-logische Frakturen, Hyperkalzämie-Syndrom und spinalem Kompressions-syndrom über lange Zeit Verlauf undPrognose einer Tumorerkrankung prä-gen.

Nicht zuletzt beeinflussen sie entschei-dend die Lebensqualität des Patienten.

Knochenmetastasen treten bei bis zu 90% der Patientinnen mit Mammakarzi-nom auf, bis zu 75% bei Prostatakarzi-nom, 50% bei Bronchialkarzinom undNierenzellkarzinom. Ein Behandlungs-konzept stellt der Einsatz von Bisphos-phonaten dar. Der genaue Wirkmecha-nismus ist derzeit noch unbekannt. Manunterscheidet zwei Gruppen von Bis-phosphonaten: Zum einen Analoga desPyrophosphats (wie Clodronat), zum an-deren Aminobisphosphonate (Pamidro-nat, Zoledronat). Beide bewirken durcheine Inhibition der Osteoklasten eineAbnahme der Knochenresorption. Bis-

phosphonate beeinflussen auch die Pro-liferation, die Differenzierung und Gen-expression der knochenbildenden Oste-oblasten. Zoledronat ist das erste Bis-phosphonat, das auch eine Aktivität beiosteoblastischen Metastasen zeigt, wie siez.B. beim Prostatakarzinom vorliegen.

Nebenwirkungen sind in seltenen FällenAkut-Phase-Reaktionen mit transientemFieberanstieg. Bei den oralen Bisphos-phonaten werden gastrointestinale Ne-benwirkungen beschrieben. Darüberhinaus wurde vor allem die Nephrotoxi-zität immer wieder hervorgehoben, daBisphosphonate aktiv in das Tubulus-lumen ausgeschieden werden und es zuKumulation mit konsekutiver Zer-störung der Nierenzelle mit der Folgevon Nephritis und Nierenversagen kom-men kann. In mehreren Studien konnteaber gezeigt werden, dass die Nephroto-xizität sehr gering ist. So liegt zum Bei-spiel die renale Komplikationsrate vonIbandronat bei ca. 1–2,5%.

Zahlreiche Studien beschreiben, dassBisphosphonate die Rate der pathologi-schen Frakturen, die Notwendigkeit derRadiotherapie, die Zahl orthopädischerOperationen und das Auftreten einer Hy-perkalzämie reduzieren. Allerdings istmindestens eine sechsmonatige Thera-pie notwendig. Keinen Einfluss sah manauf die Rückenmarkskompression.

Die meisten Phase-III-Studien zu Beur-teilung der Wirksamkeit der Bisphos-phonate wurden an Patienten mitMammakarzinom oder Multiplem My-elom durchgeführt. Für andere maligneErkrankungen ist die Datenlage nochnicht ausreichend, um den definitivenNutzen zweifelsfrei zu belegen. Aller-dings gibt es Hinweise dafür, dass auchPatienten mit Bronchialkarzinom, Nie-renzellkarzinom oder Prostatakarzinomvon einer Therapie mit Bisphosphonatenprofitieren, zumindest was die Schmerz-reduktion betrifft.

Kontrovers wird diskutiert, ob eine oraleApplikation vergleichbar effektiv wie eineintravenöse Therapie ist. Erste Studienzeigen, dass Ibandronat, das sowohl oralwie auch i.v. verfügbar ist, unabhängigvon der Applikation gleichermaßen wirk-sam ist. Allerdings ist die Studienlage,was den Einfluss der Bisphosphonatthe-rapie auf die Notwendigkeit der Bestrah-lung, die Notwendigkeit einer Operationoder das Auftreten vertebraler und nicht-vertebraler Frakturen betrifft, nicht über-einstimmend. Ein Vorteil der oralen The-rapie ist neben der wesentlich besserenPatientenakzeptanz auch die fehlendeNephrotoxizität, da geringere Spitzen-konzentrationen erreicht werden.

Gemäss den Leitlinien 2003 der Ameri-can Society of Clinical Oncology (ASCO)

Bisphosphonate in der Tumortherapie

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49Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Blutdruckselbstmessung – wie wichtig ist sie für die tägliche Praxis?

Verbessert die Blutdruckselbstmessungzu Hause Diagnostik und Therapie derHypertonie? In einem Editorial des Bri-tish Medical Journal (1) wird zu dieserFrage von der Arbeitsgruppe Blutdruck-messung der European Society of Hyper-tension Stellung genommen. Mit den inder Klinik oder Praxis gemessenen Blut-druckwerten wird in der Regel entschie-den, ob ein erhöhter Blutdruck vorliegt.Wird die Hypertonie behandelt, legendiese Messungen fest, ob die Einstellungbefriedigend ist. Dabei besteht zumeinen das Problem der „Weißkittelhyper-tonie“, zum anderen werden die Blut-druckwerte in der Praxis nicht immer

gemäß den allgemein anerkanntenRichtlinien gemessen. Die automatischeambulante 24-Std.-Blutdruckmessungschafft hier mehr Genauigkeit. Sie ist je-doch teuer und kann nicht beliebig oftund routinemäßig zur Verlaufskontrollewiederholt werden. Geräte, die mehrfachhintereinander automatisch Blutdruckin der Praxis messen (z. B. Dynamap®)bringen wichtige Informationen, habensich aber wegen der hohen Gerätekostenund der fehlenden Abrechnungsmög-lichkeit mit der GKV nicht durchsetzenkönnen.

Die Vorteile der Blutdruckselbstmes-

sung liegen auf der Hand: Man kann na-hezu beliebig viele Messungen in der ge-wohnten häuslichen Umgebung durch-führen und der Weißkitteleffekt wirdausgeschlossen. In einer neueren Studiehat die Blutdruckselbstmessung einebessere Korrelation zum kardiovas-kulären Risiko gezeigt, als die Praxis-blutdruckmessung (2), was zu erwartenwar. Außerdem wird der Patient an derBehandlung beteiligt. Dies stärkt dieCompliance.

Die Nachteile sind, dass auch nicht vali-dierte Geräte zum Einsatz kommen undgerade bei Handgelenks- oder gar Fin-

wird der sofortige Einsatz von Bisphos-phonaten bei Nachweis einer osteolyti-schen Läsion empfohlen. Ein pathologi-sches Knochenscan ohne radiologischenNachweis einer ossären Destruktion istjedoch keine Therapieindikation. Die Be-handlung sollte fortgeführt werden, solange der Patient erkennbar davon pro-fitiert, d.h. seine Schmerzen unter Kon-trolle sind und die Skelettmetastasennicht zunehmen. Bisher gibt es nochkeine übereinstimmenden Daten, obBisphosphonate auch eingesetzt werdensollten, wenn noch keine Osteolysennachweisbar sind. Deshalb gilt hier dieEmpfehlung, dies nur im Rahmen vonklinischen Studien zu tun.

In mehreren Phase-III-Studien wurdenzwei Dosierungen untersucht (Ibandro-nat 2 mg vs. 6 mg). Mit beiden Ibandro-natdosierungen wurde die Rate der Ske-lettkomplikationen gesenkt, für die6-mg-Dosierung war der Unterschiedsignifikant.

Allerdings sind weitere Studien erforder-lich, um die Applikationsweise oral vs.intravenös und die beste Dosierung zuevaluieren.

Literatur

(1–5) Auswahl, das vollständige Ver-zeichnis kann bei den Autoren angefor-dert werden1. Bisphosphonate in der Onkologie: DielI J, Possinger K, editors: Bisphosphona-te in der Onkologie.: Uni-med; 1999.2. Berenson JR, Hillner BE, Kyle RA etal.: American Society of Clinical Oncolo-gy clinical practice guidelines: the role ofbisphosphonates in multiple myeloma. JClin Oncol 2002; 20: 3719–3736.3. Body JJ, Diel IJ, Lichinitzer M et al.:Oral ibandronate reduces the risk of ske-letal complications in breast cancer pati-ents with metastatic bone disease: re-sults from two randomised, placebo-con-trolled phase III studies. Br J Cancer2004; 90: 1133–1137.4. Hillner BE, Ingle JN, Chlebowski RT etal.: American Society of Clinical Oncolo-gy 2003 update on the role of bisphos-phonates and bone health issues inwomen with breast cancer. J Clin Oncol2003; 21: 4042–4057.5. Ross JR, Saunders Y, Edmonds PM etal.: Systematic review of role of bisphos-phonates on skeletal morbidity in meta-static cancer. BMJ 2003; 327: 469.

Dr. med. B. Brücher-Encke, Heidelberg Prof. Dr. med. P. Drings, [email protected]

FAZITBisphosphonate sind sehr potenteosteoprotektive Medikamente, diezwar die Überlebenszeit von Patientenmit Knochenmetastasen nicht beein-flussen, die aber entscheidend zu einerVerbesserung ihrer Lebensqualität bei-tragen. Dies geschieht durch eine sig-nifikante Reduktion der Schmerzen,pathologischer Frakturen und damiteinhergehend auch erforderlicher Ra-diotherapie und orthopädischer Ein-griffe.

Zum derzeitigen Zeitpunkt können alsgesicherte Indikationen die Hyper-kalzämie und ossäre Metastasen gese-hen werden. Die Dosierung der einzel-nen Medikamente zur Therapie der Hy-perkalzämie unterscheidet sich dabeinicht von der Therapie ossärer Metas-tasen.

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50 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZITDie Blutdruckselbstmessung zu Hauseist zur Einstellung und Überwachungder antihypertensiven Therapie einewichtige Ergänzung zum Praxisblut-druck und der 24-Std.-Blutdruckmes-sung. Sie setzt eine entsprechendeSchulung des Patienten voraus.

germessungen doch erhebliche Fehler-möglichkeiten bestehen. Außerdemkann es auch zu einer Neurotisierungdes Patienten kommen: Jede kleine Blut-druckveränderung wird ängstlich begut-achtet und die Medikation eigenmächtigvon Tag zu Tag verändert. Hier ist derArzt gefordert, geduldig aufzuklären undzu beruhigen. Andererseits gibt es denPatienten, der behauptet, zu Hause guteWerte zu messen, der aber kein Protokollvorlegt. Hierauf darf sich der Arzt nichteinlassen.

Die Blutdruckselbstmessung zu Hausewird als eine wichtige Ergänzung zuPraxis- und 24-Std.-Blutdruckmonito-ring gesehen, insbesondere für Einstel-lungsphasen und die Routineüberwa-chung. Sie wird jedoch die ambulante24-Std.-Blutdruckmessung nicht völligersetzen können.

Beachtet werden sollte, dass die Patien-ten zur Selbstmessung angelernt wer-den müssen. Vollautomatische Gerätesind wegen des geringeren Trainingsauf-wandes vorzuziehen. Der Mittelwert vonmehreren täglichen Messungen überdrei bis sieben Tage sollte zur Therapie-entscheidung herangezogen werden. Beigut eingestellten Patienten reicht es, fürjeweils eine Woche alle drei Monate zumessen. Werte über 135/85 mm Hg zei-gen eine Hypertonie, Werte unter 130/80mm Hg einen normalen Blutdruck an.Zur weiteren Therapieentscheidung istnatürlich das individuelle kardiovas-kuläre Risiko zu beachten (z. B. Diabe-tes, Hyperlipidämie usw.).

Literatur

1. Stergiou G, Mengden T, Padfield PL etal.: Self monitoring of blood pressure athome. BMJ 2004; 329: 870–871.

2. Bobrie G, Chatellier G, Genes N et al.:Cardiovascular prognosis of „masked hy-pertension“ detected by blood pressureself-measurement in elderly treated hy-pertensive patients. JAMA 2004; 291:1342–1349.

Dr. med. Michael Zieschang, Internist/[email protected]

Arzneimittel – kritisch betrachtet

Die Datenlage zu diesem Problem ist wi-dersprüchlich.In der ALLHAT-LLT-Studie (1) (Antihy-pertensive and Lipid Lowering Treat-ment to Prevent Heart Attack Trial –Lipid Lowering Trial, 2002) wurde dieWirkung von Pravastatin (40 mg/Tag)gegen Diät (National Cholesterol Educa-tion Program I) unverblindet über 6 Jahre bei 3.638 hypertensiven Typ 2-Diabetikern verglichen: Pravastatinbrachte keinen Nutzen hinsichtlich Ge-samtmortalität, tödlichem und nichttödlichem Herzinfarkt.

In der ASCOT-LLA-Studie (2) (Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial –Lipid Lowering Arm, 2003) wurden 2.532hypertensive Diabetiker über 3,3 Jahreverblindet entweder mit Atorvastatin (10mg/Tag) oder mit Plazebo behandelt. Derprimäre zusammengesetzte Endpunkt(nicht tödlicher Herzinfarkt oder tödlichekoronare Herzkrankheit) wurde durch

Atorvastatin im Vergleich zu Plazebo um0,6 % ( = ARR = absolute Risikoreduktion= Ereignisreduktion) gesenkt. Daraus er-rechnet sich die klinisch irrelevante NNT(number needed to treat) von 167.

In die HPS (Heart Protection Study) –Diabetes Subgruppenstudie (3) wurden5.963 Diabetiker (40–80 Jahre, 70%Männer) einbezogen, von denen 51% anGefäßerkrankungen litten und 40% an-tihypertensiv behandelt wurden. Ge-prüft wurde verblindet der Einfluss vonSimvastatin (40 mg/Tag) im Vergleich zuPlazebo über 5 Jahre. Durch Simvastatinwurden in dieser Zeit große vaskuläreEreignisse um 4,9% (NNT = 20) vermin-dert, darunter koronare Ereignisse um3,2% (NNT = 31), Schlaganfälle um 1,5 % (NNT = 67) und Revaskularisatio-nen um 1,7% (NNT = 59).

Im Jahr 2004 wurde erstmals eine Studiemit dem Ziel der Prävention kardiovas-

kulärer Ereignisse bei Diabetikern publi-ziert: CARDS (4) (Collaborative Atorvas-tatin Diabetes Study). In dieser Studiewurden 2.838 Patienten (40 – 75 Jahre,32% Frauen, 95% Weiße) aus 132 Zen-tren Großbritanniens und Irlands einerIntention-to-treat-Analyse unterzogen.Alle Patienten mussten mindestens seit 6Monaten einen Diabetes mellitus Typ 2aufweisen. Die mittlere Diabetes-Dauerbetrug knapp 8 Jahre. Daneben musstemindestens ein weiterer kardiovaskulärerRisikofaktor vorliegen. 84% der Patien-ten waren hypertensiv, 67% wurden einerantihypertensiven Therapie unterzogen,30% litten unter einer Retinopathie, 17%hatten eine Mikro- oder Makroalbuminu-rie, 23% waren Raucher, 43% hatten ge-raucht. Zu Studienbeginn betrugen dieLDL-Werte ≤ 4,14 mmol/l (= 160 mg/dl)und die Triglyceride ≤ 6,78 mmol/l (= 600mg/dl). Kardiovaskuläre Erkrankungen(Herzinfarkt, instabile Angina pectoris,koronare Angioplastie, Bypass, Schlagan-

Senkt die regelmäßige Behandlung mit Statinen bei Typ 2-Diabetikern die kardiovaskuläre Mortalität?

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Tabelle 1: Primärer zusammengesetzter Endpunkt und Gesamtmortalität von Atorvastatin gegen Plazebo (CARDS)

Ereignis Plazebo Atorvastatin ARR NNT RRR* P(n = 1410) (n = 1428) % n %

Primärer Endpunkt (%) 9.0 5.8 3.2 31 37 0.001Akutes koronares Ereignis (%) 5.5 3.6 1.9 53 36Koronare Revaskularisation (%) 2.4 1.7 0.7 143 31Schlaganfall (%) 2.8 1.5 1.3 77 48

Gesamtmortalität (%) 5.8 4.3 1.5 67 27 0.059

RRR: relative Risikoreduktion (*von den Autoren bevorzugt) ARR: absolute Risikoreduktion ( = Ereignisreduktion) NNT: number needed to treat

51Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

fall, schwere periphere Gefäßerkrankung)in der Anamnese waren Ausschluss-kriterien. Zusätzlich zur bisherigen The-rapie erhielten die Patienten entwederAtorvastatin (10 mg/Tag) oder Plazebo.Als primärer Endpunkt wurden die Ereig-nisse Herzinfarkt, instabile Angina pecto-ris, akuter koronarer Tod, Reanimationnach Herzstillstand, koronare Revaskula-risation oder Schlaganfall zusammenge-fasst. Die Studie sollte ursprünglich 6Jahre laufen, wurde jedoch vorzeitig ab-gebrochen, so dass die mittlere Dauer nur3,9 Jahre betrug.

Die Ergebnisse gibt die Tabelle 1 wieder.Danach wurde der primäre zusammen-gesetzte Endpunkt in der Plazebo-Grup-pe von 9,0% und in der Atorvastatin-Gruppe von 5,8% der Patienten erreicht.Daraus resultiert eine Ereignisreduktion(= ARR) von 3,2% (9.0 minus 5.8) underrechnet sich ein NNT-Wert von 31 (100dividiert durch 3,2). Mit anderen Wor-ten: wenn 31 Patienten über knapp 4 Jahre mit Atorvastatin (10 mg/Tag) be-handelt werden, lässt sich bei einem Pa-tienten irgendeines der oben genanntenEreignisse verhindern. Der Effekt kannnur als marginal bezeichnet werden. 30Patienten (= 96,8%) ziehen aus der vier-jährigen Therapie keinen Nutzen.

Leider wird in der Sekundär- und Tertiär-literatur meistens der hohe Wert der rela-tiven Risikoreduktion (RRR = 37%) ange-geben, wodurch der Eindruck vermitteltwird, dass jedem dritten Patienten gehol-fen werden könne. Das ist ein Trugschluss.

Die anderen Werte in der Tabelle sindanalog zu interpretieren. Die NNT-Wertesind größer, d.h. die Wirksamkeit ist ge-ringer.

Es muss darauf hingewiesen werden, dassjüngere (< 40 Jahre) und ältere (> 75

Jahre) Patienten und Patienten mit chro-nischer Niereninsuffizienz (Kreatinin >1,7 mg/dl) nicht in die Studie einge-schlossen wurden. Das sollte in der klini-schen Praxis berücksichtigt werden.

KommentarVon den vier beschriebenen Statin-Stu-dien haben zwei (ALLHAT-LLT, ASCOT-LLA) für Diabetiker keinen Nutzen er-kennen lassen. In HPS (Diabetes) wurdebei 4,9% der Patienten ein großes vas-kuläres Ereignis innerhalb von 5 Jahrenverhindert (NNT = 20). 95,1% der Pati-enten zogen aus der Therapie mit Sim-vastatin (40 mg/Tag) keinen Nutzen.

In CARDS wurde innerhalb von 4 Jahrenbei 3,2 % der Patienten ein primärerEndpunkt (akutes koronares Ereignis,koronare Revaskularisation, Schlagan-fall) verhindert (NNT = 31). 96,8 % derPatienten hatten von Atorvastatin inner-halb der Studiendauer keinen erkennba-ren Nutzen zu verzeichnen.

Dieser relativ geringe positive Effektlässt genügend Zeit und Raum, beijedem individuellen Patienten über dasNutzen-Risiko-Verhältnis nachzuden-ken und therapeutische Prioritäten zusetzen – etwa in der Reihenfolge: Diät,körperliche Bewegung, antihypertensiveTherapie, antidiabetische Therapie, Sta-tine. Andere therapeutische Maßnah-men könnten auf Grund der Komorbi-dität der Patienten vielleicht sogar nochdringlicher sein.

Literatur1. Major outcomes in moderately hyper-cholesterolemic, hypertensive patientsrandomized to pravastatin vs usual care:The Antihypertensive and Lipid-Lowe-ring Treatment to Prevent Heart Attack

Trial (ALLHAT-LLT): JAMA 2002; 288:2998–3007.2. Sever PS, Dahlof B, Poulter NR et al.:Prevention of coronary and stroke eventswith atorvastatin in hypertensive pati-ents who have average or lower-than-average cholesterol concentrations, inthe Anglo-Scandinavian Cardiac Outco-mes Trial--Lipid Lowering Arm (ASCOT-LLA): a multicentre randomised control-led trial. Lancet 2003; 361: 1149–1158.3. Collins R, Armitage J, Parish S et al.:MRC/BHF Heart Protection Study ofcholesterol-lowering with simvastatin in5963 people with diabetes: a randomisedplacebo-controlled trial. Lancet 2003;361: 2005–2016.4. Colhoun HM, Betteridge DJ, Durring-ton PN et al.: Primary prevention of car-diovascular disease with atorvastatin intype 2 diabetes in the Collaborative Ator-vastatin Diabetes Study (CARDS): multi-centre randomised placebo-controlledtrial. Lancet 2004; 364: 685–696.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß [email protected]

FAZIT� Die Therapie aller Diabetespatienten

mit einem Statin im Sinne einerPrimärprävention ist nicht zu recht-fertigen.

� Bei Diabetespatienten ohne bekannteGefäßerkrankungen, aber mit hohemkoronarem Risiko, kann die Verord-nung eines Statins gerechtfertigt sein.

� Nach der jetzigen Datenlage sollteSimvastatin (40 mg/Tag) bevorzugtwerden.

� Der relativ geringe therapeutische Effekt bei nur 3–5% der Patientenlässt genügend Spielraum für ange-messene therapeutische Entschei-dungen unter Berücksichtigung derKomorbidität und Komedikation

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52 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Im Jahre 2004 neu eingeführte Präparate und ihre Bewertung

ATC Wirkstoff Handelsname Indikation Bewertung

A07XA04 Racecadotril Tiorfan Akute Diarrhoe bei Säuglingen/ AKleinkindern

A10AB06 Insulinglulisin Apidra Diabetes mellitus CA10AE05 Insulindetemir Levemir Diabetes mellitus CA16AA05 Cargluminsäure Carbaglu Hyperammonämie AB01AE04 Melagatran Melagatran Prophylaxe venöser Thromboembolien A/D

AstraZenecaB01AE05 Ximelagatran Exanta Prophylaxe venöser Thromboembolien A/DB01AE Bivalirudin Angiox Antikoagulans bei PCI BC03DA04 Eplerenon Inspra Mortalitätssenkg bei Herzinsuff nach Infarkt BC08CA11 Manidipin Manyper Hypertonie CD10AF Nadifloxacin Nadixa Lokaltherapie der Akne C/DD11AX16 Eflornithin Vaniqa Hirsutismus A/DG04BD08 Solifenacin Vesikur Dranginkontinenz CG04BX Duloxetin Yentreve Belastungsinkontinenz A/DH05BX01 Cinacalcet Mimpara Sekundärer Hyperparathyreoidismus AJ05AE Atazanavir Reyataz HIV-Infektion CJ05AE07 Fosamprenavir Telzir HIV-Infektion CJ07AE01 Choleraschluckimpfstoff Dukoral Aktive Immunisierung gegen Cholera AL01BA04 Pemetrexed Alimta Pleuramesotheliom, nicht kleinzelliges A

Bronchial-CAL01X Ibritumomab-Tiuxetan Zevalin B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom AL01XC06 Cetuximab Erbitux Metastasierendes Kolorektalkarzinom AL01XX23 Mitotan Lysodren Fortgeschrittenes A/D

NebennierenrindenkarzinomL01XX32 Bortezomib Velcade Multiples Myelom AL02BA03 Fulvestrant Faslodex Mammakarzinom B/CL04AA18 Everolimus Certican Prophylaxe der Transplantatabstoßung CL04AA21 Efalizumab Raptiva Psoriasis vulgaris AM01AH05 Etoricoxib Arcoxia Rheumatoide Arthritis CM05BX Strontiumranelat Protelos Postmenopausale Osteoporose AN01BB10 Levobupivacain Chirocain Lokalanästhesie/Schmerztherapie CN03A Pregabalin Lyrica Neuropathische Schmerzen, Epilepsie CN05AX12 Aripiprazol Abilify Schizophrenie CS01GX09 Olopatadin Opatanol Saisonale allergische Konjunktivitis CS01GX10 Epinastin Relestat Saisonale allergische Konjunktivitis CV08CA02 Gadotersäure Dotarem MRT-Kontrastmittel C

A Innovative Struktur oder neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer RelevanzB Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Eigenschaften bereits bekannter WirkprinzipienC Analogpräparat mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten PräparatenD Nicht ausreichend gesichertes Wirkprinzip oder unklarer therapeutischer Stellenwert

Prof. Dr. rer. nat. Uwe Fricke, Kö[email protected]

In jedem Jahr bewertet der Kölner Phar-makologe Prof. Dr. rer. nat. U. Fricke an-hand publizierter Unterlagen und den

Angaben der Hersteller die jeweils neuauf den Markt gebrachten Wirkstoffe. Erberichtet über seine Analyse regelmäßigauf den Therapiesymposien der AkdÄ, imaktuellen Arzneiverordungs-Report vonSchwabe/Paffrath sowie in der Reihe

„Neue Arzneimittel“, WissenschaftlicheVerlagsgesellschaft mbh Stuttgart.

Der Abdruck hier erfolgt mit seinerfreundlichen Genehmigung.

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53Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Das Profil

Das ab 01. 11. 2003 zur Verschreibungzugelassene Osteoporose-Medikamentstellt sich mit folgenden Daten von hoherEBM-Qualität dar: Bei der primärenOsteoporose der Frau in ihrer schwerenForm (90% der Studienpatientinnenhatten eine oder mehrere Wirbelfraktu-ren) wurden durch die über 19 Monatelaufende tägliche Injektionstherapie imMedian weitere Wirbelbrüche auf weni-ger als die Hälfte reduziert. Die Kno-chendichte nahm an der Wirbelsäule um9% zu. Am Messort Hüfte betrug dieDichtezunahme 4%, ohne dass eine sig-nifikante Abnahme von Schenkelhals-frakturen stattfand (1). An unerwünsch-ten Nebenwirkungen wurden unter Teri-paratid etwas häufiger gesehen als unterPlazebo : Schwindel, Beinkrämpfe, Übel-keit, Kopfschmerzen – auch depressiveVerstimmungen (vor allem in den konfir-matorischen Studien) ohne dass die The-rapieabbruchrate dadurch anstieg, sodass sich die Verträglichkeit prinzipiellgünstig darstellt. In einer anderen Studiewurde mit dem Gesamtmolekül PTH1–84 gearbeitet (PTH 1–34 = Teriparatidist das biologisch aktive Fragment desGesamtmoleküls). Es fanden sich im Ver-gleich zu Alendronat und der Kombinati-on beider keine Unterschiede bezüglichder Nebenwirkungen (2). Zu beachten istdie Möglichkeit der Entwicklung einerHyperkalziämie (gefährlich im Zustandeiner Digitalisierung!) als Grund für eineDosis-Reduzierung. Da für die Zulas-sungsstudie vorwiegend Frauen mit vor-bestehenden Frakturen rekrutiert wur-den, stellt sich das NNT-Verhältnis durch-aus günstig dar: Um eine oder mehrereWirbelbrüche zu verhindern, müssen elfFrauen über durchschnittlich 19 Monatebehandelt werden. Bis auf weiteres ist dieerlaubte Behandlungszeit aus Sicher-heitsgründen auf 18 Monate beschränkt.Die Begründung ist, dass Ratten unterTeriparatid Osteosarkome entwickelthatten; beim Menschen gibt es bisherkeinerlei Verdachtsmomente in dieserHinsicht.

Die günstige NNT muss allerdings vorden Hintergrund des erheblichen Prei-ses gestellt werden: Die Tagesdosis Teri-paratid kostet knapp 20,00 Euro, für dieeine bei den elf Frauen erreichte Frak-tureinsparung sind demnach rund 11 x11.000 = 121.000 Euro erforderlich. DieTagesdosen von anderen Osteoporose-medikamenten kosten im Vergleich:Östrogene, wenn wegen gleichzeitig be-stehender postmenopausaler Beschwer-den indiziert um 0,30 Euro, Bisphospho-nate 1,30 bis 1,90 Euro, Natriumfluoridum 0,30 Euro, Kalzitonin Nasenspray5,00-8,00 Euro).

Stellung von Teriparatid in der Differentialtherapie der OsteoporoseWo soll der Arzt in der Praxis nun dasneue Medikament einsetzen? Sicherlichnicht nach dem Zufallsprinzip einer be-liebigen Austauschbarkeit mit den vor-handenen Osteoporosemedikamenten.Am einfachsten ist als erstes Kriteriumder Schweregrad der Osteoporose: Nach-dem Patienten mit „nur“ osteodensito-metrischer Osteoporose, also ohne bis-herige Brüche, deutlich weniger bruch-gefährdet sind und viel höhere NNT (Kos-ten!) für einen Erfolgsnachweis erfor-dern, dürften nur frakturierende Osteo-porotikerinnen in Betracht kommen.Eine Teriparatidstudie über zwölf Mona-te bei Männern ließ keine signifikanteWirkung auf deren Frakturhäufigkeit er-kennen.

Bei der postmenopausalen Frau zwi-schen 50 und 80 liegen bei primärerOsteoporose unterschiedliche Knochen-stoffwechselsituationen vor (3): DasJahrzehnt nach der Menopause zeigt dieBeschleunigung (high turnover) durchÖstrogenmangel, die die Gabe von Kno-chenabbau-Hemmern, Antiresorptivawie Östrogene, SERMs, Bisphosphonate,begründet. Die nachfolgenden ein biszwei Jahrzehnte zeigen überwiegendeinen langsamen Stoffwechsel (low tur-nover), der das therapeutische Fenster

für die den Anbau stimulierenden Medi-kamente darstellt. Fluoride waren hierin der Vergangenheit als Einziges zunennen – Parathormon dürfte nun eineechte Erweiterung bisheriger Thera-piemöglichkeiten für die „low-turno-ver“-Osteoporose darstellen. Je nachden individuellen Lebensbedingungenfindet nach dem 70. Lebensjahr einschleichender Übergang in die Situationder Osteoporose Typ II mit neuerlichem„high turnover“ statt, nunmehr durchsekundären Hyperparathyreoidismusinfolge von Mangel an Kalzium und Vi-tamin D. Bei der typischen Schenkel-halsfraktur wird folgerichtig am bestenmit Kalzium und Vitamin D therapiert.Fast erwartungsgemäß (soll man dennbereits endogen erhöhtes PTH exogennoch weiter anheben?) zeigte die PTH-Studie hier keine signifikante Bruchre-duktion.

Die gleichzeitige Gabe von Parathormonund einem Bisphosphonat ist nicht sinn-voll: Die Kombination von PTH (1-84)und Alendronat war weniger wirksam alsdie beiden einzeln verabreichten Kom-ponenten (4).

Die Ärzte warten sowohl bei den Antire-sorptiva als auch bei der Aufbau-stimu-lierenden Therapie mit PTH auf Datenzum Ansprechen bei den unterschiedli-chen Knochenstoffwechselsituationen.Hinweise zu deren Diagnostik wurdenauch von der AkdÄ erarbeitet (3). Hilf-reich wäre es, wenn auch der Herstellerden Verschreibern ein Konzept anbietenwürden, und eigentlich hätte die Zulas-sungsbehörde auf einem solchen Passusbestehen sollen.

Literatur1. Neer RM, Arnaud CD, Zanchetta JR etal.: Effect of parathyroid hormone (1–34)on fractures and bone mineral density inpostmenopausal women with osteoporo-sis. N Engl J Med 2001; 344: 1434–1441.

2. Black DM, Greenspan SL, Ensrud KE

Parathormon 1–34 = Teriparatid (Forsteo®): Ein neues Osteoporose-Medikament

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et al.: The effects of parathyroid hormo-ne and alendronate alone or in combina-tion in postmenopausal osteoporosis. NEngl J Med 2003; 349: 1207–1215.

3. Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft: Empfehlungen zurTherapie und Prophylaxe der Osteoporo-se. Arzneiverordnung in der Praxis 2003.

4. Ziegler R: Osteoporosetherapie: Ist dieKombination eines Stimulators des

FAZITDas Parathormonpräparat (Sequenz1–34) Teriparatid stellt eine wichtige Er-weiterung der Möglichkeiten vor allemder Anbau-stimulierenden Osteoporo-setherapie in der Situation des langsa-men Knochenstoffwechsels (low tur-nover) bei der Frau dar. Der hohe Preisgebietet, dass die Gesichtspunkte derDifferentialtherapie beachtet werdenund die absolute Behandlungsindika-tion der manifesten (frakturierenden)Osteoporose vorliegt.

Knochenabbaus mit einem Antiresorpti-vum sinnvoll? AVP – Arzneiverordnungin der Praxis 2004; 31: 32.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Reinhard Ziegler,Heidelberg [email protected]

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Pflanzliche Arzneimittel sind sehr be-liebt. Sie gelten als „sanfte Naturmedi-zin“. Hochdosierte Johanniskrautex-trakte haben sich in der Indikation„leichte bis mittelschwere depressiveEpisoden“ als Antidepressiva fest in derTherapie etabliert. Zumindest ihre akuteWirksamkeit konnte im Vergleich zuklassischen synthetischen Antidepressi-va nachgewiesen werden. Nach dem Arz-neiverordnungsreport 2004 wurden inDeutschland in 2003 rd. 78 Mio Tages-dosen verordnet. Aber auch zur Selbst-medikation werden Johanniskrautex-trakte als apothekenpflichtige Arznei-mittel oder freiverkäufliche Zubereitun-gen (Pulver, Tees, Öle) in Supermärktenerworben und längerfristig konsumiert. Es liegen nun Fallberichte zu klinischbedeutsamen, teilweise gefährlichenArzneimittelwechselwirkungen von Jo-hanniskrautextrakten mit synthetischenArzneimitteln vor. Diese Beobachtungenlösten kontrollierte klinische Studienaus. Hierdurch ist die Sorglosigkeit vonÄrzten und Patienten im Umgang mitPhytopharmaka erschüttert worden: esliegt eine systematischen Auswertungvon 22 klinischen Studien vor, die zwi-schen 1999 und 2004 veröffentlicht wur-den (1). Diese Metaanalyse überprüftmögliche Wechselwirkungen von Johan-

niskraut mit verschiedenen Arzneimit-teln. In 17 Fällen, darunter vier kontrol-lierte Studien, fanden sich relevanteVerminderungen der Bioverfügbarkeit(> 20%) und der Plasmaspiegel konven-tioneller Arzneimittel. Insbesondere beihochaktiven Arzneistoffen mit engemtherapeutischen Bereich können dieseVerminderungen zu einem Risiko wer-den: so könnte eine mangelhafte Im-munsuppresssion durch Cyclosporineine Abstoßungsreaktion zur Folgehaben. Aus In-vitro- und In-vivo-Studi-en kann bislang relativ sicher abgeleitetwerden, dass diese Interaktionen aufeine nach Tagen einsetzende dosisab-hängige Induktion des Effluxtranspor-ters P-Glykoprotein und Enzymen desCYP P450-Systems (insbesondere CYP3A4) zurückzuführen sind (2). Sokommt es, dass die Clearance und derMetabolismus von Arzneistoffen beein-flusst wird, welche wesentliche Substra-te dieser Proteine darstellen. Diese wer-den auf Proteinebene hepatisch und ex-trahepatisch verstärkt exprimiert. Hy-perforin als ein wesentlicher Bestandteildes Johanniskraut-Gesamtextraktes wirktdabei über den Kernrezeptor Pregnan Xinduktionsauslösend.

Umgekehrt: werden die Johanniskraut-

extrakte nicht mehr eingenommen undfällt die Induktion fort, können die Arz-neimittelspiegel der Komedikation intoxische Bereiche gelangen. Hiermitsind überhöhte toxische Blutspiegel zuerklären.

Substanzen, die nach dem Ab-setzen der Johanniskrautextrak-te in toxische Bereiche kommenkönnen

Amitriptylin, Cyclosporin, Digoxin, In-dinavir (evtl. auch Nelfinavir, Nevira-pin, Saquinavir), Irinotecan, Midazo-lam, Nortriptylin, Phenprocoumon,Simvastatin, Tacrolimus, Theophyllin,Warfarin.

Daneben gibt es Hinweise aus neun Fall-berichten zu Serotonin-Syndromen imZusammenhang mit Wechselwirkungenzwischen selektiven Serotonin-Rückauf-nahmeinhibitoren (SSRI) und Johannis-krautextrakten. Prinzipiell möglich, je-doch derzeit nicht ausreichend belegtist, dass die Zuverlässigkeit oraler Kon-trazeptiva beeinträchtigt wird.

Eine Beurteilung der Häufigkeit, des Aus-maßes, des Spektrums und der klinischen

Bei welchen Medikamenten kommt es zur Interaktion mit Johanniskraut?

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55Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZITDas Interaktionspotential von Johan-niskrautextrakten, in verschreibungs-pflichtigen und/oder apothekenpflichti-gen Präparaten ist wahrscheinlichgrößer als bislang bekannt. Besonderswenn Patienten Arzneimittel mit gerin-ger therapeutischer Breite erhalten,sollte die Gabe von Hypericum-Präpa-raten kritisch überdacht und auf mögli-che Interaktionen überprüft werden.Für den Bereich der Selbstmedikationsind Interaktionen bislang ebenfallsnicht auszuschließen, wenn auchdurch die geringeren Wirkstoffgehalteweniger wahrscheinlich und relevant.Vor dem Hintergrund einer dem Arzt oftverschwiegenen häufigen Einnahmevon Johanniskrautextrakten sind Ärzteund Apotheker gehalten, danach ge-zielt zu fragen und die Patienten übermögliche Konsequenzen aufzuklären.

Relevanz dieser möglichen Interaktionenist nach gegenwärtigem Kenntnisstandnicht möglich. Bemerkenswert ist die Tat-sache, dass die klinisch relevanten Inter-aktionen nach Langzeiteinnahme oderKomedikation mit hochdosierten, Hyper-forin- und Hypericin-reichen Gesamtex-trakten von Johanniskraut eintreten. Fürniedrig dosierte Zubereitungen (100 bis300 mg) konnten bislang keine relevan-ten Interaktionen beispielsweise mit Di-goxin beobachtet werden (3). Die Konse-quenzen für eine Komedikation sind fürden Einzelfall auch dadurch schwer zubewerten, weil beim CYP 3A4 große in-terindividuelle Unterschiede bestehen.

Literatur 1. Mills E, Montori VM, Wu P et al.: In-teraction of St John's wort with conven-

tional drugs: systematic review of clini-cal trials. BMJ 2004; 329: 27–30.

2. Unger M: Wie Naturstoffe die Biover-fügbarkeit von Arzneistoffen beeinflus-sen. Pharm Ztg 2004; 149: 979–986.

3. Mueller SC, Uehleke B, Woehling H etal.: Effect of St John's wort dose and pre-parations on the pharmacokinetics of di-goxin. Clin Pharmacol Ther 2004; 75:546–557.

Dr. med. R. Regenthal, Leipzig Prof. Dr. med. R. Preiß, [email protected]

Bestimmte Arzneimittel können lebens-bedrohliche Herzrhythmusstörungenauslösen. Für Erythromycin liegen Fall-berichte über Arrhythmien vor. DaErythromycin in hohem Maße durchCytochrom-P450-Enzyme ( CYP3A) me-tabolisiert wird, können CYP3A-inhibie-rende Arzneimittel eine Erhöhung derErythromycin-Konzentration bewirken.

Vor diesem Hintergrund untersuchteeine Forschergruppe der Vanderbilt Uni-versity, ob zwischen der Verordnung vonErythromycin und dem Risiko einesplötzlichen Todes aus kardialer Ursacheein Zusammenhang besteht und ob die-ses Risiko durch gleichzeitige Gabe star-ker CYP3A-Inhibitoren erhöht wird (1).Dazu studierten sie die Krankenaktenund Todesbescheinigungen von Medi-caid-Versicherten in Tennessee undidentifizierten daraus 1.476 Fälle einesplötzlichen Todes aus kardialer Ursacheaußerhalb von Krankenhäusern. Diese1.476 Fälle wurden auf die Gabe vonErythromycin geprüft. Zusätzlich erfass-te man die Verordnung von Amoxicillin

(um indikationsbedingte Störeinflüssezu erkennen) und anderen Arzneimit-teln, insbesondere CYP3A-Inhibitoren.Dazu wurden Pharmaka gerechnet, dieaufgrund von Literaturdaten die AUC(Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) eines parallel verabreichten an-erkannten CYP3A-Substrates minde-stens verdoppelten. Diese Kriterien er-füllten systemisch verabreichte Azolan-timykotika (Ketoconazol, Itraconazolund Fluconazol), die Calciumka-nalblocker Diltiazem und Verapamilsowie Troleandomycin (in Deutschlandnicht im Handel). Patienten unter derBehandlung mit HIV-Protease-Inhibito-ren (z.B. Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir,Saquinavir) oder Clarithromycin wur-den ausgeschlossen. Es wurden diemultivarianten Inzidenzraten-Quotien-ten berechnet und dabei möglicheStöreinflüsse (z. B. Gebrauch von Anti-psychotika oder von tri- und tetracycli-schen Antidepressiva sowie das Risikofür kardiovaskuläre Erkrankungen) ein-gerechnet sowie Alter und Geschlechtberücksichtigt (1).

Bei Patienten unter Erythromycin warein plötzlicher Tod aus kardialer Ursachedoppelt so häufig (Inzidenzrate-Quoti-ent 2,01; 95 %-Konfidenzintervall 1,08bis 3,75; P=0,03) wie bei denen, die kei-nes der Antibiotika verwendet hatten.Kein signifikant erhöhtes Risiko wurdedagegen bei Patienten gefunden, diefrüher Erythromycin oder die gegen-wärtig Amoxicillin verwendeten. Einefünffach erhöhte Rate (Inzidenzrate-Quotient 5,35; 95 %-KI 1,72 bis 16,64;P=0,004) wurde bei den Patienten ermit-telt, die gleichzeitig CYP3A-Inhibitorenund Erythromycin benutzten, im Ver-gleich zu denen, die weder CYP3A-Inhi-bitoren noch eines der erwähnten Anti-biotika verwendeten. Dagegen wurdekeine signifikante Risikoerhöhung fürdie Patienten festgestellt, die gegenwär-tig Amoxicillin und CYP3A-Inhibitorenoder die gegenwärtig eines der Antibioti-ka und früher CYP3A-Inhibitoren ver-wendeten (1).

Die Ergebnisse dieser Studie werfen dieFrage auf, inwieweit auch in anderen

Erythromycin und Risiko eines plötzlichen Todes aus kardialer Ursache

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56 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Arzneimitteln bzw. Arzneimittelkombi-nationen bislang noch nicht erkannteGefahren schlummern. Torsade-de-Pointes-Arrhythmien (TdP) sind mit ei-nigen Arzneimitteln in Verbindung ge-bracht worden. Erst vor kurzem widme-te sich ein Artikel in AVP (2) diesemwichtigen Thema. TdP gehen mit einerVerlängerung des QT-Intervalls einherund können, wenn sie nicht spontan sis-tieren, zu ventrikulärer Tachykardie de-generieren. Aus früheren Studien weißman, dass 85% der Fälle plötzlichenTodes aus kardialer Ursache durch ven-trikuläre Tachyarrhythmien hervorge-rufen werden. Daher kommt arzneimit-telinduzierten QT-Verlängerungen undTdP große Bedeutung zu. Neuere Über-sichtsarbeiten (3;4) sowie kontinuier-lich aktualisierte Tabellen (z.B. www.qt-drugs.org) geben darüber Auskunft.

Ferner unterstreicht diese Studie die Re-levanz von pharmakokinetischen Wech-selwirkungen zwischen Arzneimitteln(5). Eine nützliche Quelle für aktuelleInformationen darüber bietet die Inter-netseite www.drug-interactions.com.Hierin ist auch eine Liste von CYP3A –Inhibitoren enthalten.

Wie sind die neueren Makrolidantibioti-ka bezüglich ihres Risikos für QT-Verlän-gerung bzw. TdP zu bewerten? Clari-thromycin wird neben Erythromycinunter den Arzneimitteln mit TdP-Risiko,Roxithromycin unter den Mitteln mitmöglichem TdP-Risiko und Azithromy-cin unter den Mitteln, die bei Patientenmit angeborener QT-Intervallverlänge-rung vermieden werden sollen, aufge-führt (www.qtdrugs.org).

Literatur1. Ray WA, Murray KT, Meredith S et al.:Oral erythromycin and the risk of suddendeath from cardiac causes. N Engl J Med2004; 351: 1089–1096.

2. Thürmann PA, Ehrenthal K, Haen E:Arzneimittel-induzierte Torsade-de-Pointes-Arrhythmien. Arzneiverordnungin der Praxis 2004; 31: 66–67.

3. Roden DM: Drug-induced prolongati-on of the QT interval. N Engl J Med 2004;350: 1013–1022.

4. Yap YG, Camm AJ: Drug induced QTprolongation and torsades de pointes.Heart 2003; 89: 1363–1372.

5. Liu BA, Juurlink DN: Drugs and the QTinterval – caveat doctor. N Engl J Med2004; 351: 1053–1056.

PD Dr. med. Klaus Mörike, TübingenProf. Dr. med. Christoph H. Gleiter, Tübingen

[email protected]@med.uni-tuebingen.de

FAZITIn der hier besprochenen Arbeit (1)wurde mit pharmakoepidemiologi-schen Methoden eindrucksvoll gezeigt,dass das häufig verwendete Antibioti-kum Erythromycin in Kombination mitstarken CYP3A-Inhibitoren das Risikoeines plötzlichen Herztodes deutlicherhöht. Die Kombination von Ery-thromycin mit starken CYP3A-Inhibito-ren sollte vermieden werden. Hierzuwerden Internet-Adressen genannt,über die entsprechende Tabellen ein-gesehen werden können. Pharma-koepidemiologische Studien, die Ver-schreibungsdaten mit Todesursachenzusammenführen, sind für die Arznei-mittelsicherheit von großer Bedeutung.

FAZITNach dieser Studie sind bei den dreiStatinen Simvastatin, Pravastatin undAtorvastatin keine Unterschiede imRhabdomyolyse-Risko zu sehen. Kom-biniert man mit Fibraten, steigt das Risi-ko auf mehr als das 10fache.

Nachdem Cerivastatin (Lipobay®) wegendes erhöhten Rhabdomyolyse-Risikosaus dem Handel genommen wurde, stelltsich die Frage, ob zwischen den weiter-hin verwendeten Statinen Unterschiedebezüglich dieses Risikos bestehen.

Amerikanische Autoren (1) bildeten eineKohorte aus Verordnungsdaten von252.460 Patienten aus elf Gesundheits-zentren, die über die ganzen VereinigtenStaaten verstreut liegen und denen ins-gesamt 225.640 Patientenjahre (PJ) Mo-notherapie mit Statinen oder Fibratenund 7.300 PJ Kombinationstherapie re-zeptiert wurden. Bei diesen Patientenwurden insgesamt 24 Fälle von Rhab-domyolyse beobachtet, die zu einerKrankenhauseinweisung führten. Hier-

aus schätzen die Autoren die Inzidenzpro 10.000 PJ Behandlung mit einer Mo-notherapie mit Atorvastatin, Pravastatinoder Simvastatin auf etwa 0,4, für Ceri-vastatin auf 5,3 und für Fibrate auf 2,8.Bei einer Kombination von Cerivastatinmit einem Fibrat tritt ein Fall einerRhabdomyolyse auf etwa zehn PJ dieserKombinationsbehandlung auf. Für eineKombination der anderen drei Statinemit einem Fibrat ist dieses Risiko mehrals 100fach geringer (etwa 6 Ereignissenauf 10.000 PJ Kombinationstherapie).

Literatur1. Graham DJ, Staffa JA, Shatin D et al.:Incidence of hospitalized rhabdomyoly-sis in patients treated with lipid-lowe-

ring drugs. JAMA 2004; 292: 2585–2590.

Prof.Dr.med.D.Höffler, [email protected]

Für die kritische Durchsicht des Manus-kriptes sind wir Herrn Prof. Dr. rer. nat.H.J. Trampisch, Bochum zu Dank ver-bunden.

Das Rhabdomyolyse-Risiko: Unterschiede zwischen den Statinen?

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57Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Insbesondere bei älteren Patienten kön-nen einige Pharmaka unerwünschteArzneimittelwirkungen (UAW) an derNiere sowie am Wasser- und Elektro-lythaushalt hervorrufen. Viele Substan-zen werden auch in ihrer Ausscheidungdurch die verminderte Nierenleistungbeeinflusst

Bei geriatrischen Patienten ist in unge-fähr einem Viertel der UAW die Niere be-troffen (1), wobei ein Hauptrisikofaktordie Dehydratation darstellt. Gerade bei

dieser Patientengruppe ist die Nieren-funktion ohnehin vermindert.

Welche unerwünschten Arzneimittel-wirkungen auf die Niere treten in derPraxis häufig auf?

Sequentielle NephronblockadeFrüher wurde der kombinierte Einsatzvon Thiaziden und Schleifendiuretikabei schwer herzinsuffizienten Patientenverwendet, um die damals üblichen Do-pamindauerinfusionen zu vermeiden.Wegen der Gefahr von Elektrolytentglei-sungen wurde diese Therapie aber alsnicht unproblematisch eingestuft (3).Anfang der 90er Jahre wurde diese The-rapie wieder propagiert (4) und fandimmer mehr Verbreitung.

Beispiel: Ein 89-jähriger Patient wird wegen einerPneumonie und darunter dekompensier-ter Herzinsuffizienz stationär aufgenom-men. Unter hochdosierter Schleifendiure-tikatherapie gelingt die Rekompensationnicht und es wird ein Thiazid hinzu gege-ben. Der Patient kann entlassen werden.Wenige Tage später wird er in sehr

schlechtem Allgemeinzustand wieder ein-geliefert. Was war passiert? Der Kreatinin-anstieg unter der forcierten diuretischenTherapie wurde als Alarmsignal überse-hen, und der ältere Herr nahm auch zuHause die Medikamente zur sequentiellenNephronblockade weiter ein. Dies führtezu einer Dehydratation, einer schwerenHypokaliämie, einer metabolischen Alka-lose und einem prärenalen Nierenversa-gen. Durch die Gabe von NaCl und Abset-zen der Diuretika konnte die Nierenfunk-tion wieder in Gang gebracht werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Niere

Die sequentielle Nephronblockade isteine hochwirksame Therapie. Dies führtaber leider auch dazu, dass man über dasZiel hinausschießen kann. Um Dehy-dratationen und Hypokaliämien zu ver-meiden, ist daher ein erhöhter Kon-trollaufwand nötig (Gewichtsprotokolle,regelmäßige Elektrolytkontrollen). Inder Klinik wird dies noch möglich sein.In einer Allgemeinpraxis sind diese eng-maschigen Kontrollen dann aber nurschwer weiterzuführen.

Kontrastmittelkönnen zu einer Verschlechterung derNierenfunktion führen. Das Risiko isthierfür besonders hoch, wenn die Pati-enten ausgetrocknet sind, nichtsteroida-le Antirheumatika erhalten und einehohe Menge Kontrastmittel intraarteri-

Gewicht (kg) Kreatin (mg/dl)

kg92

90

88

86

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

6

5

4

3

2

1

0

mg/dl

Sequentielle Nephronblockade 1Torasemid 200 mg

Spironolacton 25 mg

Xipamid 40 mg

Gewicht (kg) Kreatin (mg/dl)

NaCI 0,9%

28 29 30 31 1 2 3 4 5 6

88

kg 86

84

82

80

6

5

4

3

2

1

0

mg/dl

Sequentielle Nephronblockade 2

Torasemid 10 mg 1-1-0

Abb. 1: Sequentielle Nephronblockade

Tabelle 1: Geschätzte mittlere glomeruläre Filtrationsrate (GFR) nach Alter (2)

Alter (Jahre) Mittlere geschätzte GFR (ml/Min/1,73m2)20–29 11630–39 10740–49 9950–59 9360–69 8570+ 75

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ell gegeben werden muss. Die Gefahreines dialysepflichtigen Nierenversagensist insgesamt nicht groß. Die untengenannten Zahlen dürften heutzutagewahrscheinlich zu hoch gegriffen sein (s.Tabelle 2). Wichtigste Prophylaxe ist eineausreichende Wässerung des Patienten.Evtl. wirksam ist die Gabe von Acetylcys-tein und bei Patienten, die wegen einerschweren Herzinsuffizienz nicht weitermit Flüssigkeit belastet werden können,die Verabreichung von Theophyllin.Über isotonisches Natriumbicarbonatliegen erste positive Berichte vor.

Wer soll dementsprechend vorbehandeltwerden, d. h. ab welchem Risiko ist wel-cher Aufwand an Prophylaxe und Nach-kontrolle angemessen? Soll jeder Patientmit einer Nierenfunktionseinschrän-kung unter 50% vorbehandelt werden?Dies würde ambulante Kontrastmittel-Untersuchungen in großem Maße ein-schränken und stationäre Untersuchun-gen erheblich komplizieren. Zu einerEntscheidung dieser Frage fehlen bisherleider gute Untersuchungen.

Nichtsteroidale Antirheumatikaund NiereAnalgetika/Antirheumatika sind die ver-ordnungsstärkste Indikationsgruppealler Arzneimittel (Schwabe/Paffrath).Nichtsteroidale Antirheumatika führenzu einer Verschlechterung der Nieren-funktion, insbesondere dann, wenn nochandere ungünstige Faktoren vorliegenwie zusätzliche Gabe anderer potentiellnephrotoxischer Arzneimittel, Dehy-dratation und/oder schwere bakterielleInfekte. Die Hoffnung, Coxibe könntenhier Abhilfe schaffen, hat sich leidernicht erfüllt. Sie scheinen in gleichemMaße nephrotoxisch zu sein.

Selten tritt als quasi allergische Reakti-on eine interstitielle Nephritis auf. Wei-tere Unerwünschte renale Arzneimittel-wirkungen durch Nichtsteroidale Anti-rheumatika sind nach (6)

Akutes NierenversagenPrärenales Nierenversagen durchHemmung der intrarenalenProstaglandinproduktionAkute interstitielle Nephritis

Wasser- und ElektrolytstörungenÖdemeHypertonieHyponatriämieHyperkaliämieTyp IV renale tubuläre Azidose

Chronisch interstitielle NephritisPapillennekrosen der Nieren

SpironolactonBei Patienten, die mit ACE-Hemmern be-handelt werden, ist mit Hyperkaliämie-assoziierten Todesfällen zu rechnen. Einenger zeitlicher Zusammenhang mit demsprunghaften Anstieg einer zusätzlichenGabe von Spironolacton fällt auf. Eineverminderte allgemeine Mortalität oderauch nur weniger Krankenhausaufnah-men wegen Herzinsuffizienz konnten da-gegen nicht nachgewiesen werden (7).

Abschätzung der NierenfunktionWill man wissen, ob ein Medikament derNiere schaden oder ob ein Wirkstoffwegen seiner renalen Elimination ku-mulieren kann, muss man die Nieren-funktion abschätzen.

Normalerweise wird hierzu das Serum-kreatinin herangezogen. Es ergibt je-doch nur in Zusammenhang mit Alter,Geschlecht und Muskelmasse einenguten Anhalt für die glomeruläre Filtra-

tionsrate (GFR). Ein 30-jähriger 70 kgschwerer Mann mit einem Serumkreati-nin von 1,0 mg/dl hat eine GFR von 107ml/Min, eine 80-jährige Patientin, dienur 60 kg wiegt verfügt demgegenüberbei dem gleichen Kreatinwert (1,0 mg/dl)nur über eine GFR von 43 ml/Min. (Unddas, obwohl auf dem Laborausdruck die-ser Serumkreatininwert als im Normbe-reich liegend angegeben wird!).

Wie kann man hier Abhilfe schaffen?Formel nach Cockcroft und Gault (8): Mitdieser Schätzformel werden Alter, Ge-wicht und Geschlecht bei der Errechnungder Nierenfunktion berücksichtigt.

Kreatininclearance (ml/Min) =(140–Lebensalter) x Körpergewicht (kg)

72 x Serumkreatinin (mg/dl)

Für Frauen werden von diesem Ergebniswegen der geringeren Muskelmassenoch 15% abgezogen.

Nachteile dieser Formel sind ein Über-schätzen der Nierenfunktion bei Adipo-sitas. Hier muss das eigentliche Sollge-wicht in die Formel eingesetzt werden.Außerdem wird in den niedrigen Nieren-funktionsbereichen die Nierenleistungeher zu gut eingeschätzt.

Die modifizierte MDRD-Formel (9) sollin Bereichen zwischen 50 und 0% Nie-renfunktion genauer sein:

GFR (ml/Min/1,73 m2) = 186 x Serum-kreatinin (mg/dl)-1,154 x Alter (Jahre)-0,203

Für Frauen x 0,742Für Farbige: x 1,21

Diese Formel ist im Bereich 50 bis 100%Nierenfunktion oft falsch niedrig, da sienur für „Nierenkranke“ validiert wurde.Außerdem wird nicht jedermann ge-wohnt sein mit negativen Potenzen zurechnen. Viele Labors sind aber bereit,dieses Ausrechnen als Service auf Nach-frage mitanzubieten. Einen „online-Rechner“ für die Formel findet manunter www.hdcn.com/calcf/gfr.htm.

Inwieweit das Cystatin C eine Rolle alsMarker der Nierenfunktion spielen wird,bleibt abzuwarten. Dem routinemäßi-gen Gebrauch dieses Parameters stehen

Tabelle 2: Risiko des dialysepflichtigen Nierenversagens nach Koronarangiographie (5)(250 ml) n = 1826

Krea-Clearance Diabetiker Nicht-Diabetiker(ml/min)50 0,2% 0,04%40 2,0% 0,3%30 10,0% 2,0%20 43,0% 12,0%10 84,0% 48,0%

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neben hohen Kosten noch das Fehlenbreiterer Erfahrungen entgegen.

Die übrigen genaueren Bestimmungender GFR setzen entweder das Sammelndes 24-Std-Urins oder die Gabe radioak-tiver Substanzen voraus und sind daherfür den Einsatz außerhalb klinischerStudien nicht geeignet. Um den Grad derNiereninsuffizienz stärker ins Bewußt-sein zu rufen, wird versucht die Nieren-funktion nach dem Grad der Nieren-funktionseinschränkung einzuteilen.

PharmakokinetikWill man ein Medikament verordnen,sollte man wissen, wie es aus dem Körperwieder ausgeschieden wird. Ist die Aus-scheidung vorwiegend renal, muss nachAbschätzung der Nierenfunktion mithil-fe des Serumkreatinins oder besser derMDRD-Formel die Dosis vermindertoder das Dosisintervall verlängert wer-den. Die initiale Ladedosis bleibt dabeibis auf wenige Ausnahmen (z.B. Digito-xin) unverändert. Deshalb ist es wichtig,gerade bei älteren Patienten, möglichstnur Medikamente einzusetzen, die mangut kennt, deren Wirkungen und Neben-wirkungen gut zu kontrollieren sind unddie eine große therapeutische Breitehaben.

Auch bei einigen Benzodiazepinen, ob-wohl zunächst hepatisch eliminiert,können wirksame Metabolite kumulie-ren. Gabapentin, in letzter Zeit zuneh-mend in der Schmerztherapie einge-setzt, muss bei Niereninsuffizienz eben-falls erheblich in seiner Dosis reduziert

werden. Für Antibiotika gibt es recht ge-naue Dosierungstabellen.

Literatur1. Doucet J et al. Preventable and non-preventable risk factors for adverse drugevents related to hospital admission inthe elderly. Clin Drug Invest 2002;22(6):385–392

2. Coresh J, Astor BC, Greene T et al.:Prevalence of chronic kidney disease anddecreased kidney function in the adultUS population: Third National Healthand Nutrition Examination Survey. Am JKidney Dis 2003; 41: 1–12.

3. Oster JR, Epstein M, Smoller S: Com-bined therapy with thiazide-type andloop diuretic agents for resistant sodiumretention. Ann Intern Med 1983; 99:405–406.

4. Ellison DH: The physiologic basis ofdiuretic synergism: its role in treatingdiuretic resistance. Ann Intern Med1991; 114: 886–894.

5. McCullough PA, Wolyn R, Rocher LLet al.: Acute renal failure after coronaryintervention: incidence, risk factors, andrelationship to mortality. Am J Med1997; 103: 368–375.

6. Singh AK, Colvin RB: Case records ofthe Massachusetts General Hospital.Weekly clinicopathological exercises.Case 36-2003. A 68-year-old woman withimpaired renal function. N Engl J Med2003; 349: 2055–2063.

7. Juurlink DN, Mamdani MM, Lee DS etal.: Rates of hyperkalemia after publica-tion of the Randomized Aldactone Eva-luation Study. N Engl J Med 2004; 351:543–551.

8. Cockcroft DW, Gault MH: Prediction ofcreatinine clearance from serum creati-nine. Nephron 1976; 16: 31–41.

9. Levey AS, Bosch JP, Lewis JB et al.: Amore accurate method to estimate glo-merular filtration rate from serum crea-tinine: a new prediction equation. Modi-fication of Diet in Renal Disease StudyGroup. Ann Intern Med 1999; 130:461–470.

10. K/DOQI clinical practice guidelinesfor chronic kidney disease: evaluation,classification, and stratification: Am JKidney Dis 2002; 39: S1–266.

11. Nierenerkrankungen: Geiger H et al.editor: Nierenerkrankungen. Stuttgart:Schattauer GmbH; 2003.

12. Arzneiverordnungen: Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaft,editor: Arzneiverordnungen. Köln:Deutscher Ärzteverlag; 2003; 20. Aufla-ge.

Dr. med. Michael Zieschang, Internist/[email protected]

FAZITNierenfunktion und Alter müssen beider Verordnung von Medikamentenberücksichtigt werden. Die nötigenpharmakokinetischen Daten bzw. Do-sierungsempfehlungen kann man ent-weder über die Fachinformation des je-weiligen Medikamentes (in Zukunftunter www.fachinfoservice.de zu er-reichen) oder auf verschiedenen Web-seiten erhalten (z.B. www.med.uni.hei-delberg.de/med/klinpharm/index.htm).Wer lieber nachschlägt, findet Do-sierungsangaben auch in Büchern(11;12).

Tabelle 3: Einteilung der Nierenfunktion nach (10)

Stadium Beschreibung GFR (ml/Min/1.73 m2)1 Nierenschaden mit normaler o. i GFR ≥ 902 Nierenschaden mit gering s GFR 60–893 gering s GFR 30–594 stark s GFR 15–295 Nierenversagen < 15 ml/Min

Tabelle 4: Beispiele für Medikamente die bei Niereninsuffizienz zu unerwünschtenArzneimittelwirkungen führen können

Substanz UAWAtenolol Bradykardie, HypotonieDigoxin AV-BlockierungenGlibenclamid HypoglykämieSotalol QT-Verlängerung, Torsade de pointes

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EinleitungBei lichtbedingten Schädigungen derHaut werden zwei Mechanismen unter-schieden:

1. Phototoxische Reaktionen (PTR) ohne immunologische Grundlage: Vo-raussetzung für diese Wirkung ist dieFähigkeit der Moleküle des Medika-mentes, Photonen zu absorbieren. Siegeraten dadurch kurzfristig in einenenergiereicheren Zustand. Die Abgabeder Energie in der Haut verursacht zel-luläre Schäden. Diese PTR können be-reits nach der ersten Exposition mitdem Photosensibilisator bei jedemMenschen auftreten. Das Aktionsspek-trum liegt meist im Wellenlängenbe-reich von Ultraviolett-A (UV-A), gele-gentlich auch im Wellenlängenbereichvon Ultraviolett-B (UV-B) und vonsichtbarem Licht.

2. Photoallergische Reaktionen (PAR): unter der Einwirkung von Strahlungkommt es zur Bildung eines Haptensoder eines Trägerproteins und/oder zurBindung eines Haptens an ein Träger-protein. Das so entstandene Vollantigeninduziert immunkompetente Zellen,selten auch Antikörper. Erst nach Reex-position mit dem Photosensibilisator,der in diesem Fall zu einem Photoaller-gen wird, kommt es zu einer Photoal-lergie. Diese zeigt klinisch meist das Bildeiner Dermatitis mit Juckreiz, unscharfbegrenzten Erythemen, Papulovesi-keln, Schuppung und Schuppenkrus-ten.

Von solchen exogenen PTR und PAR sindendogene photosensitive Reaktionen zuunterscheiden, wie z. B. bei der erythro-poetischen Porphyrie und der Porphyriacutanea tarda.

Da einige Arzneimittel sowohl phototo-xische als auch photoallergische Reak-tionen auslösen können und diese nichtimmer voneinander zu unterscheidensind, hat sich als Oberbegriff der Aus-druck „Photosensibilisierung“ eingebür-gert.

Während die von 280 bis 320 nm rei-chende UV-B-Strahlung überwiegend zuakuten und chronischen Schäden dernormalen Haut führt, löst vor allem diezwischen 320 und 400 nm liegende UV-A-Strahlung pathologische Reaktionender exogen photosensibilisierten Hautaus. Durch Glas und dünne Kleidungwird das Sonnenbrandspektrum (UV-B)weitgehend abgehalten, nicht aber dielänger-welligen UV-A-Strahlen und dassichtbare Licht (400–800 nm). Phototo-xische und photoallergische Reaktionenkönnen demnach auch bei Sonnenexpo-sition hinter Glasscheiben, beim Auto-fahren und bei dünner Kleidung auftre-ten. Die phototoxischen Reaktionen derHaut sind abhängig davon, in welcherHautschicht die phototoxische Substanzsich an welche Zellstruktur bindet.Kommt sie von außen auf die Haut, sindaufgrund des Konzentrationsgefällesund der optischen Eigenschaften derHaut die Schäden besonders ausgeprägtin den oberen Hautschichten (Stratumcorneum und Stratum malpighi). Dage-gen verursacht der über den Blutweg indie Haut kommende Photosensibilisatorvorwiegend Veränderungen in tieferenHautschichten wie dem Gefäß führen-den Korium.

Beeinflussende FaktorenFolgende Faktoren beeinflussen das Auf-treten einer phototoxischen Reaktion:

1. Photosensibilisator Art, Zufuhrweg, Konzentration, chemi-sche und physikalische Eigenschaften (p H, Lipophilie),

2. Elektromagnetische Strahlung Aktionsspektrum und damit die Ein-dringtiefe (mit zunehmender Wellenlän-ge nimmt auch die Eindringtiefe zu),Strahlendosis, Zeit zwischen Applikati-on des Photosensibilisators und Einwir-kung der elektromagnetischen Strah-lung,

3. Haut bzw. OrganismusHauttyp, Bräunungsgrad, Hautdicke,

Behaarung, Temperatur und Feuchtig-keit, Anflut- und Ausschwemmungspha-se (Eliminations-Halbwertszeit), perku-tane und gastrointestinale Absorption,Metabolismus, Retention in Haut, Leber,Darm und Niere,

4. Form der ApplikationÄußerlich: Vehikel, HilfsstoffInnerlich: Vehikel, Art der Zufuhr (p.o.,i.v., i.m., s.c).

Diese vielfältigen Einflussgrößen er-klären die unterschiedliche und von Pa-tient zu Patient variierende Phototoxi-zität von Medikamenten.

Klinische Erscheinungsformen 1. Noch während der Belichtung Bren-nen und Stechen, Soforterythem (z. B.durch Teere, Farbstoffe auf Anthrachi-nonbasis, Amiodaron, Hydrochlorothia-zid, Chlorpromazin). Bei höheren Dosenauch Ödem.

2. Verstärkter Sonnenbrand nach 8 bis24 Stunden mit entsprechend scharferBegrenzung zu lichtgeschützten Haut-arealen, gelegentlich mit Blasen einher-gehend, z.B. durch systemisch verab-reichte Tetracycline oder Fluorchinolo-ne wie Ciprofloxacin, durch nicht-stero-idalen Antiphlogistika wie Piroxicam,durch Fibrate (Fenofibrat), Amiodaron,Chinidin, Hydrochlorothiazid, Chlor-promazin und Promethazin. Typisch istder brennende Schmerz der Haut.

Beispiel: Trotz einer Infektion wollteeine Patientin eine bereits bezahlte Bus-reise zur Schneekoppe antreten undnahm Enoxacin (Enoxor®). Da die auslö-senden UV-A-Strahlen durch das Fens-terglas des Busses und durch das T-Shirtdrangen, kam es zu an schwere Verbren-nungen erinnernde Hautveränderun-gen.

3. Verzögertes Erythem mit Maximumnach 2 bis 3 Tagen, brennender Schmerz,Blasenbildung, (besonders bei hoherKonzentration des Sensibilisators) mit

Phototoxische Reaktionen der Haut durch Arzneimittel

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nachfolgender Pigmentierung, die überWochen bis Monate anhalten kann.

4. Lang anhaltende Pigmentierung. Bei-spiel: dosisabhängige grau-violette Pig-mentierung durch Amiodaron. Gele-gentlich ist sie besonders ausgeprägt ander Nase, der „Sonnenterrasse“. Bewährthaben sich hierbei Lichtschutzmittel,breitkrempige Hüte und textiler Licht-schutz. Viel häufiger als eine Pigmentie-rung ruft Amiodaron sonnenbrandartigeHautrötungen hervor. Sie sind bei etwa40% der Patienten unter diesem Medika-ment zu beobachten. Lang anhaltendeHyperpigmentierungen entstehen auchnach systemischen Tetracyclinen, wieMinocyclin, die über längere Zeit, z.B.wegen Akne vulgaris oder Rosazea einge-nommen werden. Psoralene, z.B. zur Be-handlung der Psoriasis verwandt könnenzu lang anhaltenden, bizarren Hyperpig-mentierungen führen, insbesondere beilokaler PUVA-Therapie. Hier bestehtauch eine Abhängigkeit von der bestrahl-ten Region.

5. Porphyria cutanea tarda-artige Hau-terscheinungen als Ausdruck einer ver-zögert auftretenden chronischen photo-toxischen Reaktion. Typisch sind gestei-gerte Hautverletzlichkeit mit Blasenbil-dung, besonders an den Hand- undFußrücken, vor allem dort, wo erhöhterDruck auf die Haut ausgeübt wird, gele-gentlich mit nachfolgenden Milien. z.B.durch Furosemid, Tetracycline, Napro-xen und Amiodaron. Solche Hautverän-derungen können Wochen bis Monatenach Absetzen der Medikamente anhal-ten.

6. Photoonycholyse, z.B. durch Tetra-cycline, Fluorchinolone und Psoralene.Sie tritt meist nach längere Zufuhr einesSensibilisators auf. Dieser kann bereitswieder abgesetzt sein. Typischerweise istdas distale Drittel des Nagels betroffen.Mit Pflastern lässt sich das Fortschreitender Onycholyse verhindern.

7. Lichenoide Reaktionen durch Hydro-chlorothiazid, Chloroquin und Chinidinan lichtexponierten Arealen.

8. Subcorneale Pustelbildung der Chino-lone.

9. An einen subakut cutanen LupusErythematodes (SCLE) erinnerndeHautveränderungen oder Auslösungbzw. Verschlechterung eines SCLEdurch Thiazide, Terbinafin, Griseofulvin,Piroxicam und Procain.

10. Purpura, z. B. durch Acetylsalicyl-säure.

11. Photokarzinogenese mit Bildung vonPlattenepithelkarzinom, Basalzellkarzi-nom selten auch Melanom z.B. durchPsoralene in Kombination mit UV-A(orale PUVA-Therapie) oder durch Stein-kohlenteer in Kombination mit UV-B(Göckermann Therapie), aber auchdurch langzeitige Einnahme von photo-sensibilisierenden Medikamenten wiez.B. Amiodaron ohne zusätzliche UV-Therapie.

Folgende vorbeugende Maßnahmensind zu empfehlen.

– Bei Medikamenten mit kurzer Halb-wertszeit: abendliche Einnahme,

– Meiden des Sonnenlichts zwischen 11und 15 Uhr und von Solarien,

– Textiler Lichtschutz, – Sonnenschutzmittel mit hohem UV-

A-Schutz, – UV-undurchlässige Folien an den

Fenstern von Haus und Auto bei er-forderlicher Langzeiteinnahme,

– Herabsetzung der Dosis eines unver-zichtbaren Medikaments und damitAbschwächung oder Verhinderungvon phototoxischen Reaktionen.

PhotosensibilisierendeArzneimittel (allgemein)Die wichtigsten systemisch verwendetenMedikamente sind tabellarisch darge-stellt (Tabelle 1). Darüberhinaus kanneine Liste per E-mail ([email protected]) angefordert werden,die ca . 250 photosensibilisierende Medi-kamente enthält, die derzeit in Deutsch-land auf dem Markt zu finden sind. DerArzt hat zu beachten, dass ältere Men-schen gern häufig und lang im Gartenarbeiten. Während der Ferien oder inden Wintermonaten zieht es sie in südli-che Länder. Nicht selten werden sie mitHilfe von photosensibilisierenden Medi-

kamenten erst in die Lage versetzt, sol-che Reisen zu machen. Meist findet sichbei betroffenen Arzneimitteln in derPackungsbeilage ein Hinweis auf Steige-rung der Lichtempfindlichkeit.

PhotosensibilisierendeArzneimittel (speziell)Zwei Arzneimittel sollen speziell ge-nannt werden als Beispiele von unter-und überschätzten Photosensibilisato-ren. :– Hydrochlorothiazid ist sehr weit ver-

breitet und mittelstark photosensibi-lisierend. Es löst am häufigstenkrankhaft gesteigerte Lichtreaktio-nen aus in Form von phototoxischenund photoallergischen Reaktionen.Deswegen werden auch in der Univer-sitäts-Hautklinik Göttingen die mei-sten Arzneimittel-bedingten Photo-sensibilisierungen im Zusammen-hang mit Hydrochlorothiazid beob-achtet. Nach guter Verträglichkeitdieses Hochdruckmittels und Diure-tikums in den Wintermonaten inDeutschland oder nach Dosiser-höhung, kann es bei den ersten Gar-tenarbeiten oder bei Ausflügen imFrühling zu brennendem Stechen,Rötung, Infiltrat und Schuppungkommen.

– Hypericin: Im Johanniskraut (Hyperi-cum perforatum) enthalten und als(schwach wirksames) Antidepressi-vum verwendet, kann bei Tieren, diediese Pflanze in großen Mengen fres-sen, unter Sonneneinwirkung zueinem schweren Krankheitsbild (Hy-pericismus) führen. Im Gegensatzdazu sind die Mengen von Hypericin,die Menschen in Tees oder in Tablet-ten einnehmen, gewöhnlich zu ge-ring für eine systemisch ausgelöstephototoxische Reaktion. Wenn aller-dings die Strahlenexposition hoch ist(z. B. Bräunungsstudio) kann auchdiese geringe Hypericinmenge aus-reichen. Wegen seiner antiviralenWirkung in vitro wurde Hypericin in-zwischen bei HIV-Patienten hochdo-siert sowohl oral als auch intravenösverabfolgt und verursachte in diesenKonzentrationen gehäuft phototoxi-sche Reaktionen.

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62 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

Diagnostik

Zur Abklärung einer Photosensibilisie-rung durch systemisch verabfolgte Me-dikamente eignen sich abgestufte Be-lichtungen im UV-A und UV-B-Bereich(Lichttreppe) unter Einwirkung der ver-dächtigen, potenziellen Photosensibili-satoren, d.h. das verdächtige Medika-ment soll vor dieser Untersuchung nichtabgesetzt werden (die Anschriften ent-sprechender photodiagnostischer Zen-tren mit Ansprechpartnern, die solcheUntersuchungen durchführen, sind er-hältlich unter [email protected]).

TherapieAn erster Stelle steht, das inkriminierteArzneimittel nach erfolgter Photodiag-nostik wenn immer möglich abzuset-zen. Im akuten Stadium erfolgt die symp-tomatische Behandlung mit stark wirk-samen Glukokortikoiden in Cremes oderLotiones. Großflächige Blasen erforderneine Therapie wie bei Verbrennung 2.Grades. Auch eine äußerliche Glukokor-tikoidanwendung, ggf. in Kombinationmit Antiseptika, die über die akute Hei-lungsphase hinaus erfolgen sollte, istwichtig, um der nachfolgenden starkenHyper- oder Hypopigmentierung vorzu-beugen. Nach einer phototoxischen Re-aktion empfiehlt sich für mehrere Mona-

te die regelmäßige Anwendung einesLichtschutzmittels z.B. Anhelios 60®

mit hohem UV-A- und UV-B-Schutz imBereich der Läsion, um die Hyperpig-mentierung und den Kontrast zur an-grenzenden gesunden Haut abzuschwä-chen. Die Behandlung der vermehrtenmelaninbedingten Pigmentierung sollteman dem Spezialisten überlassen.

Vorbeugende gesetzliche Maß-nahmen vor und nach Einführungeines Medikamentes auf demMarkt

Durch In-vitro- und In-vivo-Studienkann und sollte die photosensibilisieren-de Potenz von Medikamenten bereitswährend deren Entwicklung festgestelltwerden.

Nach Einführung dieser Produkte sindMeldungen von dadurch hervorgerufe-nen Photosensibilisierungen erforder-lich. Auf ihnen basieren regulative Maß-nahmen oder das Entfernen der Präpara-te vom Markt.

Prof. Dr. med. S. Schauder, Gö[email protected]

FAZITArzneimittel können phototoxische undphotoallergische Reaktionen verursa-chen. Diese äußern sich in unter-schiedlichen klinischen Bildern. Auslö-ser einer systemischen phototoxischenArzneimittelreaktion sind z.B. Diuretikaund Antihypertensiva, besonders häu-fig Hydrochlorothiazid, Amiodaron,nichtsteroidale Antiphlogistika sowieantibakterielle Substanzen wie Te-tracycline und Fluorchinolone. Topi-sche phototoxische oder photoallergi-sche Reaktionen werden hervorgeru-fen z.B. durch Psoralen, Teere und topi-sche nichtsteroidale Antiphlogistika.Es werden eine Internetadresse ange-geben, aus der eine Liste photoxischerSubstanzen bezogen werden kann undeine, die Zentren nennt, in denen spezi-elle diagnostische Massnahmen zurVerfügung stehen. Patienten, die po-tentiell phototoxische oder photoaller-gische Medikamente erhalten, solltendarauf hingewiesen werden, dass derungeschützte Kontakt mit Sonnen-strahlen zu z. T. schweren Hautverän-derungen führen kann.

Dies ist die stark gekürzte Fassung einesumfangreicheren Manuskriptes mit aus-führlichen Literaturangaben und Abbil-dungen. Dieses Manuskript kann von derAutorin erbeten werden.

Tabelle 1: Arzneimittel, von denen Berichte über Photosensibilisierung vorliegen1)(Moore 2002)

Diuretika HYDROCHLOROTHIAZID, FUROSEMIDBENDROFLUMETHIAZIDAMILORID, ETACRYNSÄURETRIAMTEREN, SPIRONOLACTONXIPAMID*

Nichtsteroidale Antiphlogistika NAPROXEN, KETOPROFEN TIAPROFENSÄUREPIROXICAM DICLOFENACPHENYLBUTAZON, MEFENAMINSÄUREINDOMETACIN, IBUPROFEN

Antimikrobielle Substanzen SULFAMETHOXAZOL/ TRIMETHOPRIM, SULFASALAZINCIPROFLOXACIN, ENOXACIN, LOMEFLOXACINOFLOXACIN, NORFLOXACINOXYTETRACYCLIN, TETRACYCLINDOXYCYCLIN, MINOCYCLINISONIAZIDGENTAMICINGRISEOFULVIN, NITROFURANTOIN

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Zitate

Caspofungin (Cancidas®) ist ein Antimy-kotikum einer neuen Substanzklasse,der Echinocandine. In einer doppelblin-den randomisierten Studie (1) wurdenCaspofungin und liposomales Amphote-ricin B bei 1095 Patienten mit Neutrope-nie und persistierendem Fieber vergli-chen. Dabei erwies sich die neue Sub-stanz Caspofungin als ebenso wirksam(33,9% Behandlungserfolg) wie liposo-males Amphotericin B (33,7% Behand-

lungserfolg). Caspofungin führte zudeutlich weniger Nephrotoxizität (2,6gegen über 11,5 %, p < 0,001) und weni-ger infusionsbedingten unerwünschtenArzneimittelwirkungen wie Übelkeit,Erbrechen, Gliederschmerzen usw.(35,1% gegenüber 51,6%, p < 0,001).

In einem Editorial (2) wird nach denKonsequenzen der Studie gefragt: Lipo-somales Amphotericin B ist besser ver-

träglich als konventionelles Amphoteri-cin B, bei eher stärkerer Wirksamkeit.Caspofungin aber auch Voriconazol(Vfend®) scheinen bei nochmals wenigerNebenwirkungen genauso gut in der Be-handlung von neutropenischen Patien-ten mit persistierendem Fieber zu seinwie liposomales Amphotericin B.

Weiterhin ungeklärt ist die Frage, wel-che Patienten am meisten von einer sol-

Caspofungin zur antimykotischen Therapie bei Patienten mit Neutropenie und persistierendem Fieber

Mittel gegen Malaria CHLOROQUIN CHININ, PYRIMETHAMINMEFLOQUINHYDROXYCHLOROQUIN*

Antipsychotische Mittel CHLORPROMAZINTHIORIDAZINCHLORPROTHIXEN, PROMETHAZINPERAZIN, FLUPHENAZIN; PROMAZIN,HALOPERIDOL

Antidepressiva AMITRIPTYLIN , TRIMIPRAMINNORTRIPTYLIN, DESIPRAMINIMIPRAMIN, DOXEPINCLOMIPRAMIN*

Kardiovaskulär wirksame Mittel AMIODARON, NIFEDIPIN CHINIDIN, CAPTOPRIL, ENALAPRIL FOSINOPRIL, RAMIPRIL, DISOPYRAMIDHYDRALAZIN, SIMVASTATIN

Antiepileptika CARBAMAZEPIN, LAMOTRIGINPHENOBARBITAL, PHENYTOINTOPIRAMAT*, VALPROINSÄURE*

Antihistaminika CYPROHEPTADINDIPHENHYDRAMINLORATADIN

Zytotoxische Substanzen FLUOROURACIL , VINBLASTINDACARBAZIN, PROCARBAZINMETHOTREXATAZATHIOPRIN

Hormone KORTIKOSTEROIDE, ÖSTROGENE, PROGESTERONE, SPIRONOLACTON Systemische Dermatika ISOTRETINOIN, METHOXSALENAndere GOLDSALZE, HÄMATOPORPHYRIN

1) gelistet aufgrund der therapeutischen Wirkgruppe und des generischen Namens. Innerhalb einer Wirkgruppe sind die Medikamente entsprechend der Häufigkeit vonBerichten angeordnet, wonach sie eine Photosensibilisierung hervorgerufen haben. Medikamente, über die etwa gleich häufig berichtet wurde, finden sich in dersel-ben Zeile. Kursiv gesetzte Wirkstoffe lösen auch photoallergische Reaktionen aus.

* Medikamente, die nicht in der Tabelle von Moore, D E in: Drug induced cutaneous photosensitivity, incidence, mechanism, prevention and management. Drug Saf 2002;25:345-347 vorkommen, den o. g. Kriterien entsprechen und auf dem deutschen Markt sind.

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FAZITNach dieser Arbeit ist Caspofungin beiPatienten in dieser schwierigen klini-schen Situation ebenso wirksam wiedie bisherige Standardtherapie mit li-posomalem Amphotericin B bei besse-rer Verträglichkeit. Es ist sehr wün-schenswert, Methoden zu entwickeln,die die Indikation zu einer solch immensteuren Therapie sicherer als bisherstellen lassen.

FAZITEine Impfung gegen HPV und damiteine Impfung gegen bestimmte häufigeKrebsformen ist in greifbare Nähegerückt.

chen Therapie profitieren, um nicht zuviele Patienten „unnötig“ zu behandeln.Die Kosten für eine zehn Tage dauerndeTherapie mit Caspofungin betragen im-merhin ca. 4000–8000 Euro.

Literatur1. Walsh TJ, Teppler H, Donowitz GR etal.: Caspofungin versus liposomal am-photericin B for empirical antifungaltherapy in patients with persistent fever

and neutropenia. N Engl J Med 2004;351: 1391–1402.2. Klastersky J: Antifungal therapy in pa-tients with fever and neutropenia morerational and less empirical? N Engl J Med2004; 351: 1445–1447.

Dr. med. Michael Zieschang, DarmstadtDr. rer. nat. Stephan [email protected]

HPV zählt mit seinen zahlreichen Typenzu den häufigsten Erregern sexuell über-tragbarer Erkrankungen (Verrucae,Condylomata). Bereits vor 30 Jahrenwurde die Vermutung geäußert, dass dasHPV 16 mit dem Zervix-Karzinom asso-ziiert ist. Heute darf als gesichert gelten,dass das HPV 16 mehr mit dem Platte-nepithel-Ca und das HPV 18 mehr mitdem Adeno-Ca der Cervix uteri assoziiertist. Darüber hinaus sind onkogene HPV-Typen auch allgemein für chronische In-fektionen und Neoplasmen im Schleim-hautbereich (Vulva, Vagina, Anus, Penis,Oropharynx) mitverantwortlich. Es istverständlich, dass seit Jahren intensiv aneiner Impfung gearbeitet wird.

Nun scheint sie in greifbare Nähegerückt (1). Eine GlaxoSmithKline – Ar-beitsgruppe berichtet über eine klini-sche Studie der Phase II – randomisiert,doppelverblindet und plazebokontrol-liert – mit über 1100 Teilnehmerinnenaus Nordamerika und Brasilien im Alterzwischen 15 und 25 Jahren über einenZeitraum von 2 Jahren. Ein bivalenterImpfstoff, bestehend aus den beiden be-deutsamsten onkogenen HPV (16 + 18)mit einem Adjuvans (AS04), wurde nachdem Schema 0–1–6 Monate verabfolgt.Das Plazebo wurde nach dem gleichenSchema injiziert. Die Frauen wurden aufdas Vorhandensein von HPV-Infektionen

(mittels Zervix-Zytologie und vaginalerSelbstkontrolle) über 27 Monate sowieauf Verträglichkeit und Immunogenitätdes Impfstoffs überprüft.

Die Ergebnisse klingen ermutigend: Der Impfstoff zeigte einen hohen präven-tiven Schutz vor Erstinfektionen undpersistierenden Infektionen (per Proto-koll-Analyse 95 % bzw. 100 % und Inten-tion-to-Treat-Analyse 95 % bzw. 93 %).Der Impfstoff erwies sich als verträglichund hoch immunogen.

Ein Kommentar (2) unterstreicht diegroße klinische Bedeutung dieserpräventiven Impfung gegen die onkoge-nen HPV-Typen. Er hebt 6 Fragen hervor,die bisher noch einer Beantwortung har-ren:

– Wie wird es gelingen, die HPV-Imp-fung in die nationalen Impfprogram-me zu integrieren, damit eine hoheImpfrate bei Jugendlichen rechtzeitigvor Aufnahme des Geschlechtsver-kehrs erzielt wird?

– Sollten neben Mädchen auch Jungengeimpft werden?

– Wie viele onkogene HPV-Typen sollteder Impfstoff enthalten?

– Ist mit einem Typenwechsel nachImpfung zu rechnen?

– Wann ist eine Booster-Impfung fällig?

– Wie ist bei der nachweisbar guten B-Zellimmunreaktivität die T-Zellim-munität einzuschätzen?

Der Kommentator meint, dass die Imp-fung bald verfügbar sein dürfte. Ihre Ein-führung müsse allerdings von einersorgfältigen Kontrolle begleitet werden.

Literatur1. Harper DM, Franco EL, Wheeler C etal.: Efficacy of a bivalent L1 virus-likeparticle vaccine in prevention of infec-tion with human papillomavirus types16 and 18 in young women: a randomi-sed controlled trial. Lancet 2004; 364:1757–1765.2. Lehtinen M, Paavonen J: Vaccinationagainst human papillomaviruses showsgreat promise. Lancet 2004; 364:1731–1732.

Prof. Dr. med. B. Schneeweiß, [email protected]

Impfung gegen Humanes Papillom Virus (HPV) in einem viel versprechenden Stadium

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Aus der Praxis – Für die Praxis

Die STIKO empfiehlt in ihren Impfemp-fehlungen von 7/2004 bei Jugendlicheneine 4. Polio-Impfung. Ist diese auchdann erforderlich, wenn zwischen der 2.und 3. Impfung mehr als sechs Monatelagen? Benötigen besonders exponierteErwachsene nach der Grundimmunisie-rung (drei Injektionen) lebenslang keineAuffrischungen mehr?

AntwortDie Auffrischimpfung im Jugendalternach einer kompletten Grundimmuni-sierung im frühen Kindesalter dient derKonsolidierung des Impfschutzes. Diese

Maßnahme erweist sich bei der aktuellenglobalen Poliomyelitissituation als not-wendig. Denn aufgrund endemischerFallhäufungen in Regionen des afrikani-schen Kontinents und des indischenSubkontinents besteht immer noch einegewisse Einschleppungsgefährdung fürpoliofreie Länder wie Deutschland. EinePolio-Auffrischung für Jugendliche wirdauch dann für erforderlich gehalten,wenn zwischen der 2. und 3. Impfung einlängerer Zeitraum liegt.

Wurden Erwachsene einer komplettenGrundimmunisierung – bestehend ausdrei Injektionen eines trivalenten IPV-

Impfstoffs – unterzogen, gelten sie ineinem poliofreien Land wie Deutschlandgegenüber einer potenziellen Polio-Ein-schleppung als hinreichend geschützt.Sollte ein Erwachsener – gleichgültig,ob er bis zum 18. Lebensjahr viermaloder als Erwachsener dreimal gegenPolio geimpft worden ist – allerdingseine Reise in eine endemische Poliore-gion planen, müsste er sich einer Auf-frischimpfung gegen Poliomyelitis un-terziehen, falls seine letzte IPV-Injektionlänger als 10 Jahre zurückliegt

Prof. Dr. med. Schneeweiß, Berlin [email protected]

Frage eines Hausarztes zur Polio-Impfung

Liegen verlässliche Studienergebnissezum Wurzelextrakt aus Pelargonium-Arten vor, die eine Verschreibung vonUmckaloabo® zur Behandlung vonAtemwegsinfektionen rechtfertigen?

Antwort:Umckaloabo® ist der Firmenname einesalkoholischen Extraktes aus den Wur-zeln von Pelargonium reniforme/sidoi-des, einer in Südafrika vorkommendenzu den Geranien zählenden Pflanze.

Bis jetzt ist uns keine Studie bekannt, dieden heutigen Anforderungen genügt,um eine positive Bewertung des Arznei-mittels Umckaloabo® in Hinblick aufWirksamkeit und Unbedenklichkeit vor-zunehmen. Zurzeit besitzt dieses Fertig-arzneimittel nur eine „fiktive Zulas-sung“ und befindet sich im Nachzulas-sungsverfahren. Die Prüfung durch dieZulassungsbehörde auf pharmazeuti-sche Qualität, Wirksamkeit und Unbe-denklichkeit ist noch nicht abgeschlos-sen. Ein solches Verfahren findet Anwen-

dung bei Arzneimitteln, die vor 1978 inden Verkehr gebracht wurden und diedaher nicht nach aktuellen EG-einheitli-chen Standards geprüft wurden.

Dem Hinweis in der Laienpresse auf diegute Verträglichkeit des Produktes stehennicht nur Informationen der Packungs-beilage entgegen, die auf Anwendungsbe-schränkungen bei erhöhter Blutungsnei-gung und schweren Leber- und Nierener-krankungen hinweisen, sondern auchVerdachtsfälle zu Unerwünschten Arznei-mittelwirkungen (UAW) aus der Literaturund aus dem deutschen Spontanerfas-sungssystem (gemeinsame Datenbankvon BfArM und AkdÄ). Dort liegen zuUmckaloabo® zurzeit 53 Verdachtsmel-dungen zu Unerwünschten Arzneimittel-wirkungen vor, von denen sich 38 (73%)auf Reaktionen der Haut und 17 (33%) aufUAW im Bereich des Verdauungstraktesbeziehen. Die übrigen Meldungen nennenein buntes Bild verschiedenster UAW.

Zu Lasten der Gesetzlichen Krankenver-sicherung kann eine Verordnung dieses

apothekenpflichtigen Arzneimittels nurnoch bei Kindern bis zum vollendeten12. Lebensjahr oder Jugendlichen mitEntwicklungsstörungen bis zum vollen-deten 18. Lebensjahr in Betracht gezo-gen werden. In Anbetracht steigenderVerordnungszahlen und preiswerterenAlternativen wird man jede Verordnung,bezogen auf den individuellen Fall, hin-sichtlich des therapeutischen Nutzensund der Wirtschaftlichkeit kritisch über-prüfen müssen.

Dr. rer. nat. Heribert Düppenbecker,[email protected]

Anfrage eines Kinder- und Jugendarztes zu Umckaloabo®

FAZITDie AkdÄ rät mangels valider Studienvon der Verordung von Umckaloabo®

ab.

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66 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZITMit Torcetrapib steht erstmals eine Sub-stanz zur Verfügung, die das HDL-Chole-sterin deutlich erhöhen kann. Natürlichhat die referierte Studie lediglich Pilot-charakter. Sofern Phase III-Studien diegefundenen Effekte bestätigen, könntendamit auch besonders Patienten mitniedrigem HDL-Cholesterin profitieren.Allerdings müssen auch hier harte klini-sche Endpunktstudien in Kombinationmit Statinen den klinischen Nutzen derHDL-Cholesterin-Steigerung durchCETP-Hemmer belegen. Immerhin: wirstehen hier am Anfang einer interes-santen Entwicklung.

Zum Artikel „Aktuelle Arzneitherapieder Schizophrenie: Empfehlungen fürden Allgemeinarzt“ schreibt uns einLeser, selbst Facharzt für Neurologieund Psychiatrie, dass die Diagnose einerSchizophrenie (und auch einer Endoge-

nen Depression) doch im Allgemeinendurch den Facharzt zu stellen sei, derauch in der Regel die Therapie einleitet.Dies ist auch unsere Meinung. Der Arti-kel war so gedacht, dass sich an ihm derAllgemeinarzt informieren sollte, wo die

Arzneitherapie dieses Krankheitsbildesheute steht. Er forderte nicht dazu auf,hier auf fachärztlichen Rat zu verzich-ten. Die Red.

Leserzuschrift zu einem Artikel aus AVP 1/2005, Seite 20, Schizophrenie

…was uns sonst noch auffiel

Obwohl Statine eine sehr effiziente Sen-kung des LDL-Cholesterins bewirken, istdie Steigerung des als kardioprotektiveingeschätzten HDL-Cholesterins durchdiese Substanzklasse nur eher moderat.Studien am Tier konnten zeigen, dasseine Blockade des Cholesterinester-Transfer-Proteins (CETP), das die Über-tragung von Cholesterinestern von HDL-Partikel auf apolipoprotein-B-haltige Li-poproteine wie VLDL und LDL kataly-siert, zu einer deutlichen Steigerung desHDL-Cholesterins führen kann. Eine un-längst publizierte Studie mit Torcetrapib,einem in der klinischen Entwicklung be-findlichen CETP-Inhibitor, konnte auchan Patienten mit niedrigem HDL-Cho-lesterin eindrucksvolle Erhöhungen desHDL-Cholesterins nachweisen (1). Neunmit Atorvastatin vorbehandelte und zehnunbehandelte Patienten jeweils miteinem HDL-Cholesterin < 40 mg/dl wur-

den nach vierwöchiger Plazebobehand-lung mit einmal täglich 120 mg Torcetra-pib für vier Wochen behandelt. Darunterzeigte sich ein Anstieg des HDL-Choles-terins um 61% in der kombiniert behan-delten Gruppe und um 46% in der aus-schließlich mit Torcetrapib behandeltenGruppe. Eine Dosissteigerung auf 2 x 120mg/Tag für weitere vier Wochen bei sechsder ausschließlich mit Torcetrapib be-handelten Teilnehmer steigerte den Ef-fekt zusätzlich auf 106% im Vergleichzum Ausgangswert unter Plazebo unddiese wiesen im Mittel nach Behandlungein HDL-Cholesterin von 70 ± 15 mg/dl(± Standardabweichung) auf.

Literatur1. Brousseau ME, Schaefer EJ, Wolfe MLet al.: Effects of an inhibitor of cho-lesteryl ester transfer protein on HDL

cholesterol. N Engl J Med 2004; 350:1505–1515.

PD Dr. med. Thomas Sudhop, [email protected]

HDL-Cholesterin: CETP-Hemmer als neues pharmakotherapeutisches Konzept?

In AVP 32 (2005) Heft 1, Seite 23/24 hat-ten wir über eine Publikation amerikani-scher Autoren berichtet, die für Frova-triptan angab, dieses sei auch „bei Pati-enten mit gehäuften Risikofaktoren (ge-meint: vaskuläre Risikofaktoren) si-cher“. Diese Aussage hatten wir scharf

kritisiert. Die Berlin-Chemie, die Alle-gro® in Deutschland vertreibt, weist unsdarauf hin, dass ihr Mittel „nie für denEinsatz bei KHK-Patienten beworbenworden ist“. Wir halten dieses Vorgehenfür verantwortungsbewusst und ange-zeigt.

Zusammenfassend stellen wir leider underneut fest, dass das Problem der Migrä-nebehandlung mit Triptanen bei Patien-ten mit KHK nach wie vor ungelöst ist. Die Red.

Zur Verordnung von Triptanen, speziell Frovatriptan (Allegro®) bei KHK:

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67Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

FAZIT

Zur Behandlung der Haarzellenleukä-mie kann eine Erhaltungsdosis von 1Mio. Einheiten (Mio. IE) Interferon alfa-2b (IntronA) ausreichen. Die hierfür ge-eigneten Injektionsflaschen mit 1 Mio.IE hat essex pharma jetzt aus dem Han-del genommen. Die nunmehr kleinstePackung mit 18 Mio. IE ist jedoch nurvier Wochen nach Anbruch haltbar.Das bedeutet, dass sich nur 3 x 1 Mio. IEim Abstand von zwei Wochen entneh-men lassen. Die restlichen 15 Mio. IE imWert von ca. 200 Euro sind für den Müll.Pro verwendbarer Dosis von 1 Mio. IEhat essex pharma somit die Medika-mentenkosten für diese Therapie aufdas Sechsfache erhöht.

Ein ErfahrungsberichtDie Nachrichten aus dem Gesundheits-wesen sind schlecht. Patienten müssenimmer mehr bezahlen und Ärzte verdie-nen immer weniger. Thomas D., 58 Jahrealt, glaubt nun, endlich den Grund dafürverstanden zu haben.

Vor 13 Jahren hatte man bei ihm eineHaarzellenleukämie diagnostiziert. Seit-dem bekommt er das Interferon alfa In-tronA von essex pharma in München. Inden letzten Jahren genügte ihm eine Er-haltungsdosis von 1 Million Einheitenalle zwei Wochen, um ein gutes Blutbildzu haben und ein normales Leben führenzu können. Bisher erhielt er diese Dosie-rung als Pulver in Durchstichflaschenzum Anmischen der Injektionslösung.Als Thomas D. jetzt erneut mit seinemRezept zur Apotheke ging, erlebte er je-doch eine Überraschung: „Die Apotheke-rin erklärte mir, dass diese Dosierungvon der Herstellerfirma aus dem Handelgenommen worden ist. Statt dessen gibtes nun das IntronA als Fertiglösung mit18 Millionen Einheiten als kleinste Han-delsgröße, wahlweise als Mehrfach-Durchstichampulle oder als Patrone fürden so genannten Injektions-Pen.“ Dasfände er nicht weiter tragisch, wenndamit nicht ein bemerkenswerter Nach-teil verbunden wäre: „Eine angebroche-ne Ampulle oder Patrone muss lautPackungsbeilage aus Hygienegründennach vier Wochen weggeworfen werden.Das heißt, dass ich mir davon dreimalmeine 1 Million Einheiten im Abstand

von zwei Wochen abnehmen kann unddann die restlichen 15 Millionen I.E. imWert von 200 Euro in den Müll werfenmuss. Für essex pharma ist das zwar einsechsfacher Medikamentenumsatz, fürmich jedoch unbefriedigend, denn dasist eine Dauermedikation, von der ichabhängig bin.“

Daraufhin schrieb Thomas D. an essexpharma nach München und bat, weiter-hin eine passende Dosisgröße zur Verfü-gung zu stellen oder alternative Lö-sungsvorschläge zu machen. Von dortverlautete, eine Lösung des Problemsgäbe es nicht. Schuld sei aber die ameri-kanische Muttergesellschaft Schering-Plough, die das so verfügt habe. EinenEinfluss auf die Muttergesellschaft habeman nicht. Auch die Marketingabtei-lung von essex pharma erklärte, mankenne das Problem, könne aber nichtsdaran ändern. „Ich könne mich ja an dieMutter Schering-Plough in den USAwenden, um Ärger abzuladen, ansonstenstehe auch essex pharma in Münchenweiterhin jederzeit gern beratend zurVerfügung“, berichtet Thomas D. vonseinem Gespräch. Von seiner Selbsthilfe-gruppe weiß er, dass etwa 20 Prozent derMitglieder eine ähnliche Erhaltungsdo-sis wie er benötigen. Die Ärzte aus denhämatologisch-onkologischen Abteilun-gen aller Kliniken zwischen Berlin undWien, zu denen Thomas D. und seineGruppe Kontakt haben, empfehlen jetztsämtlich, auf das Interferon alfa Ro-feron® des Essex-Konkurrenten Roche

umzusteigen. Das gibt es in Fertigsprit-zen zu 3 Millionen Einheiten. Davonwäre zwar im Vergleich zu IntronA dop-pelt soviel nutzbar, aber ideal findet Tho-mas D. das auch noch nicht: „Zwei Drit-tel muss ich regelmäßig auch vom Ro-feron® noch wegwerfen“ rechnet er vorund fragt sich, wie lange seine Kranken-kasse das wohl geduldig mitmacht.

Der Redaktion ist Herr Thomas D. be-kannt. Er bittet jedoch, nicht mit vollemNamen genannt zu werden.Die Red.

Wie sich der Medikamentenumsatz vervielfachen lässt

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68 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 32 · Ausgabe 2 · April 2005

In eigener Sache

Herr Prof. Dr. med. Ulrich Schwabe,langjähriger Direktor des Pharmakolo-gischen Institutes der Universität Hei-delberg und ebenfalls sehr langjährigesordentliches Mitglied der AkdÄ, erhieltam 12. Januar 2005 im Rathaus Heidel-berg das Verdienstkreuz am Bande desVerdienstordens der BundesrepublikDeutschland.

Die AkdÄ freut sich und ist stolz auf dieseverdiente Auszeichnung ihres Mitglieds.Prof. Schwabe hat große Verdienste umdie Beförderung einer rationalen undwirtschaftlichen Arzneitherapie in die-sem Lande – was ja auch das fast 100Jahre alte Ziel der AkdÄ ist. Einige, dieauch in diesem Lande leben, werden dasbeharrlich anders sehen. Sie werden Ul-rich Schwabe weiterhin einer Mafia vonselbstgerechten, allen Aspekten der indi-viduellen Arzt-Patienten-Beziehungfern stehenden Schreibtischtätern zu-ordnen, die dafür sorgen werden, dassder Wirtschaftsstandort Deutschlandendgültig zugrunde gerichtet wird. Seidies, wie es sei – wir bei der AkdÄ sind je-denfalls auf seine Arbeit, wie sie sich ins-besondere im Arzneiverordnungs-Re-port widerspiegelt, dringlichst angewie-sen. Wir könnten in vielen Bereichen un-sere primäre Aufgabe, die Ärzteschaft inrationaler und wirtschaftlicher Arznei-therapie zu beraten gar nicht leisten,ohne auf den Arzneiverordnungs-Report(AVR), um den uns andere Mitgliedsstaa-ten der EU beneiden können, und der

Verdienstkreuz am Bande für Ulrich SchwabeSchwabes sehr spezifische Handschriftträgt, zurückgreifen zu können. Es sei indiesem Zusammenhang daran erinnert,dass Ulrich Schwabe zusätzlich zu seinerexperimentellen Forschung sehr vielfäl-tige arzneimittelpolitische Aufgaben in

der Republik über die letzten Jahrzehnteübernommen hat, wie z. B. im Zusam-menhang mit der Erarbeitung der Trans-parenzliste und zweier Positivlisten. Die Red.